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German Pages 536 Year 1905
VORLESUNGEN ÜBER
NATURPHILOSOPHIE GEHALTEN
IM S O M M E R 1 9 0 1 AN DER U N I V E R S I T Ä T LEIPZIG
VON
WILHELM OSTWALD DRITTE VERMEHRTE AUFLAGE
LEIPZIG VERLAG VON VEIT & COMP. 1905
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
ERNST MACH GEWIDMET
VORWORT ZUR ERSTEN AUFLAGE * T ^ v a s vorliegende Buch ist auf folgende Weise entstanden. Die täglichen Besprechungen mit den jüngeren Mitarbeitern in dem von mir geleiteten Laboratorium beschränkten sich von jeher nicht auf die besonderen experimentellen Angelegenheiten, die sich aus der vorliegenden Arbeit ergaben, sondern erstreckten sich über vielerlei allgemeine Fragen der Wissenschaft. Ich habe es stets für meine Pflicht gehalten, auch in solcher Richtung, soviel ich konnte, Auskunft zu geben; umgekehrt konnte ich für manche Belehrung dankbar sein, die mir direkt oder indirekt von der Gegenseite zukam. Dem oft ausgesprochenen Wunsche, diese Dinge, welche schliesslich doch auch in entscheidender Weise die wissenschaftliche Arbeit beeinflussen, einmal im Zusammenhange in einer Vorlesung zu behandeln, konnte ich nicht nachkommen, da das verfügbare Maass von Zeit und Kraft vollauf durch die regelmässigen Fachvorlesungen beansprucht war. Erst im Sommer 1901 war es möglich, unter Benutzung eines mir von der vorgesetzten Behörde gewährten Vorlesungsurlaubes den Gedanken auszuführen. Eine unerwartet grosse Anzahl von Zuhörern, die nicht nur den ersten Vorträgen beiwohnten, sondern bis zum Schlüsse treu blieben, zeigte mir, dass der Wunsch, die allgemeinen Fragen wissenschaftlichen Denkens vom Standpunkt des Naturforschers dargestellt zu vernehmen, unter den Angehörigen der Leipziger Universität sehr verbreitet war; demgemäss war die Vermuthung naheliegend, dass auch weitere Kreise dem Inhalte der Vorlesungen Theilnahme schenken würden, und es bedurfte nur geringer Anregung seitens einiger Hörer, um die Drucklegung des für den Vortrag ausführlich ausgearbeiteten Heftes zu veranlassen.
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VORWORT
Allerdings enthält nun das Buch nicht den Wortlaut der Vorlesung, sondern eine wiederholte Neubearbeitung des Heftes. Die Form der Vorlesung wurde im Interesse der Lebendigkeit der Darstellung beibehalten; ausserdem noch aus einem inneren Grunde. Eine Vorlesung hat nicht die Aufgabe, den behandelten Gegenstand zu erschöpfen, sondern die, über ihn zu orientieren und das tiefere Studium der einzelnen Fragen anzuregen. So mag denn die Form der Vorlesung eine Art von Entschuldigung für die mannigfaltigen Unzulänglichkeiten des Inhaltes sein, die niemand lebhafter empfinden kann, als ich selbst. Auch würde ich nicht gewagt haben, mit diesem Versuch an die Oeffentlichkeit zu treten, wenn ich nicht in der Lage wäre, in den gleichzeitig begründeten „Annalen der Naturphilosophie" allen Mitstrebenden ein Organ darzubieten, in welchem das Falsche berichtigt, das Unvollkommene ergänzt und das Zweifelhafte erörtert werden kann. Im übrigen muss das Buch für sich selbst sprechen; auch die schönste Vorrede kann einem schlechten Buche nicht aufhelfen. So will ich nur einige Punkte hervorheben, damit der Leser erfährt, was er zu erwarten h a t Man wird leicht zwei Theile unterscheiden, von denen der erste, einleitende, sich mit Fragen beschäftigt, die oft und viel von den denkkräftigsten Philosophen aller Zeiten erörtert worden sind. Dass diese Dinge hier nochmals, und sicher nicht besser und gründlicher, als seitens jener Männer behandelt werden, bedarf einer Rechtfertigung. Diese möge darin gesehen werden, dass bei dem entscheidenden Antheil, den heute die Naturwissenschaft an der Gestaltung des philosophischen Weltbildes nimmt, die Frage ein gewisses Interesse gewinnt, welche Seiten und welche Lehren der geschichtlich gewordenen Philosophie einem Naturforscher für seine Arbeit hilfreich und nützlich geworden sind. Ein solcher Bericht ist nothwendig individuell, und sein Werth ist daher nicht besonders hoch anzuschlagen. Vielleicht kann dieser aber durch den Umstand etwas erhöht werden, dass der Verfasser bisher seine wissenschaftliche Lebensaufgabe grösstentheils in der Herausarbeitung und Ordnung der allgemeinsten Grundlagen seiner besonderen Wissenschaft gesucht hat, und daher mit dem philosophischen Handwerkszeug derselben mehr zu thun gehabt hat, als andere Fachgenossen.
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Vielleicht noch mehr Rechtfertigung bedarf der zweite Theil, den man als die Skizze einer energetischen Naturphilosophie bezeichnen darf. Ich brauche nicht erst zu sagen, dass mir dieser Teil des Buches mehr als der erste am Herzen liegt; doch scheint es mir eine so wichtige Sache, den Zusammenhang der allgemeinen Begriffsbildung mit dem Energiebegriff im Einzelnen nachzuweisen, dass hierdurch allein schon die organische Verbindung beider Theile des Buches gesichert ist. Während die Beziehung aller physikochemischen Erscheinungen auf den Energiebegriff keiner besonderen Rechtfertigung mehr bedarf — zeigt doch die wissenschaftliche Tageslitteratur trotz aller Warnungen der älteren Fachgenossen die unwiderstehliche Werbekraft dieser Idee in ihren praktischen Anwendungen — , so liegt in dem Versuch, auch die p s y c h i s c h e n Erscheinungen dem gleichen Begriff unterzuordnen, ein Wagniss vor, dessen Bedenklichkeit ich um so lebhafter empfinde, als ich die wenigen früheren Vorstösse in der gleichen Richtung (soweit sie mir bekannt sind) selbst als missglückt anerkennen muss. Nichtsdestoweniger fühle ich mich jenen Pionieren gegenüber zu Dank verpflichtet, und ich glaube, auch die Wissenschaft ist es. Denn auch ein missglückter Versuch ist belehrend und erleichtert dem Nachfolger seine Arbeit, da er die besonderen Schwierigkeiten der Aufgabe an das Licht bringt, und somit vergeblichen Energieaufwand vermeiden lässt. Und wenn auch mein Experiment sich als missglückt erweisen sollte, so wird man auch mir den gleichen süsssauren Trost zubilligen dürfen. Vorläufig glaube ich allerdings noch an die Durchführbarkeit des Begriffes der psychischen Energie, und glaube auch einige Fehler vermieden zu haben, welche die früheren Versuche scheitern Hessen. Diese lagen wohl vorwiegend in allzu früher Specialisirung der erforderlichen Voraussetzungen und Definitionen. Die einfache und natürliche Aufhebung der alten Schwierigkeiten, welche der Vereinigung der Begriffe Materie und Geist sich entgegenstellen, durch die Unterordnung beider unter den Begriff der Energie erscheint mir als ein so grosser Gewinn, dass selbst, wenn der hier vorgelegte Versuch sich als undurchführbar erweisen sollte, die künftige Entwicklung der Philosophie zweifellos neue Versuche in gleicher Richtung ent-
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VORWORT
halten wird. Ob dies mit dem gegenwärtigen Energiebegriff befriedigend gelingen wird, oder ob dieser einer weiteren Entwicklung zu solchem Zwecke bedarf, ist jetzt noch nicht zu entscheiden; genug, dass hier wirklich eine Möglichkeit sich aufthut, den klaffenden Riss auszufüllen, der seit DESCARTES zwischen Geist und Materie gähnt, und in den seitdem so viele Denker hineingefallen sind. Aber ich sehe, dass ich im Begriff bin, ein Buch über das Buch zu schreiben. Genug ist, glaube ich, gesagt, damit der Leser weiss, was er zu erwarten hat. Darf ich noch einen Punkt hervorheben, so ist es der, dass ich mich bemüht habe, ein Buch zu schreiben, in welchem k e i n e H y p o t h e s e aufgestellt oder benutzt worden ist. Den Herren BRAUER, ERNST und LUTHER, welche mir beim Lesen der Probebogen und bei der Beseitigung sprachlicher und gedanklicher Härten wirksame Hilfe haben angedeihen lassen, sage ich auch hier herzlichen Dank. G r o s s b o t h e n , Landhaus Energie. Oktober 1901.
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QgTWALD
VORWORT ZUR DRITTEN AUFLAGE *T^vie zweite Auflage dieses Werkes, die noch in demselben Jahre wie die erste ausgegeben werden musste, war ein nahezu unveränderter Abdruck der ersten, da in der Zwischenzeit mir kaum irgend welche Aeusserungen über das Werk zugekommen waren und ich selbst wesentlich verbesserungsbedürftige Stellen inzwischen auch nicht bemerkt hatte. Die Notwendigkeit, nunmehr eine dritte Auflage zu veranstalten, trifft mich in einer Zeit, in welcher ein ruhiges Durchdenken und Durcharbeiten des gesammten Materials für mich ausgeschlossen ist. Ich hatte daher zwischen zwei Möglichkeiten zu wählen: entweder das Werk im Buchhandel fehlen zu lassen, bis ich es bearbeiten konnte, oder es nochmals in unveränderter
VORWORT
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Form erscheinen zu lassen, und durch Anmerkungen auf solche Punkte hinzuweisen, die einer mehr oder weniger eingehenden Durcharbeitung bedürftig erscheinen. Dass ich mich im Sinne des zweiten Falles entschlossen habe, hat mehrerlei Gründe. Einmal habe ich öffentlich so viel Vorwürfe darüber entgegennehmen müssen, dass einzelne meiner Bücher längere Zeit nicht käuflich waren, dass ich einen solchen Zustand lieber vermeiden möchte. Dann hat sich auch bei meiner inzwischen viel lebhafter bethätigten Beschäftigung mit philosophischen Fragen bisher noch an keiner Stelle ein grundsätzlicher Zweifel an der Brauchbarkeit der in meinem Buche vorgetragenen Anschauungen erhoben; ich wüsste daher nur in Nebensachen Aenderungen anzubringen. Endlich kann das Werk in der Gestalt, in welcher es vor etwas mehr als drei Jahren der Oeffentlichkeit vorgelegt wurde, bereits eine gewisse Bedeutung als ein geschichtliches Dokument beanspruchen, denn seit dieser Zeit giebt es in Deutschland wieder eine Naturphilosophie. Ich bin weit entfernt, den Werth und den Einfluss meines Werkes derart zu überschätzen, dass ich annähme, es hätte diesen Erfolg sozusagen aus sich selbst hervorgebracht. Es ist vielmehr für jeden, der diese Bewegung einigermassen verfolgt hat, leicht ersichtlich, dass es sich um lange wirksam gewesene Faktoren des Denkens handelt, die anfangs wenig berücksichtigt, immer mehr an Einfluss gewannen und sich in der Stille verbreiteten. Es handelt sich, kurz gesagt, um die naturwissenschaftlich fundierte Erkenntnisskritik, wie sie seit A . COMTE u n d J. R . M A Y E R d u r c h
G . KIRCHHOFF, H . HELMHOLTZ
und vor Allen E. MACH entwickelt worden ist; hierzu gesellten sich in jüngster Zeit die Bedürfnisse der Biologen um Befreiung von der allseitig unzulänglich gewordenen Mechanistik. Für alle diese Bethätigungen giebt es nun wirklich kein bezeichnenderes Wort als N a t u r p h i l o s o p h i e , und so ist es natürlich, dass es alsbald aufgenommen wurde, nachdem erst Einer versucht hatte, es von dem bösen Nebensinn zu befreien, der ihm in Deutschland seit dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts angehangen hat.
VORWORT
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Alle diese Gründe mögen es rechtfertigen, dass ich den früheren Text des Werkes beibehalten habe. Durch eine Reihe angeschlossener Anmerkungen glaube ich ihn hinreichend ergänzt zu haben, um inzwischen erhobene Zweifel oder entstandene Irrthümer nach Möglichkeit zu beseitigen. Vielleicht wird dieser oder jener vermissen, dass ich mich nicht mit einzelnen Rezensenten über die von ihnen beanstandeten Punkte ausführlich „auseinandergesetzt" habe. Ich habe es unterlassen, weil ich tief von der Nutzlosigkeit einer derartigen Arbeit überzeugt bin. Nachdem ich mir die grösste Mühe gegeben habe, aus dem, was mir über meine Gedanken zu Gesicht gekommen war, so viel zu lernen, als ich vermochte, und nachdem ich in einer bereits ziemlich langen Laufbahn mehrfach gezeigt habe, dass ich auch meine eigenen Ansichten zu kritisiren und n ö t i g e n falls zu verwerfen bereit bin, wenn sie sich im Widerspruch mit dem erweisen, was ich als besser begründet ansehen muss, darf ich hoffen, dass man mir ein ehrliches Verhältniss zu den abweichenden Anschauungen zutrauen wird. Wo ich also Einwürfe, die man mir entgegengehalten hat, nicht beantwortet habe, bitte ich anzunehmen, dass ich sie nicht als begründet anerkennen kann. Ohnedies handelt es sich bei weitem in den meisten Fällen um Missverständnisse, deren Quelle ich in den Anmerkungen durch schärfere Fassung einzelner Gedanken zu verstopfen mich bemüht habe. Ausser den Anmerkungen findet man dieser Auflage noch ein Sachregister beigefügt, für dessen Ausarbeitung ich Herrn Bürgermeister BARKOWSKI in Gumbinnen zu Dank verpflichtet bin. Er hat sich der mühevollen Arbeit aus reiner Liebe zur Sache unterzogen und ich habe sein Anerbieten um so lieber angenommen, als mir das Fehlen eines solchen Registers trotz des sehr ausführlichen Inhaltsverzeichnisses mehrfach als Mangel bezeichnet worden war. Landhaus Energie Juli 1905.
W . OSTWALD
INHALT Seite
Erste
Vorlesung
Einleitung Die deutsche Naturphilosophie v o m Anfang des neunzehnten J a h r h u n d e r t s und ihr Niedergang 1. — Andere Bedeutungen des Namens Naturphilosophie und Erneuerung der letzteren 3. — J . R. MAYER und E. MACH 4. — Vorzüge und Fehler der alten Gedankenbildung 5. — Vermeidung der Fehler 8. — Eine Schwierigkeit 9 und ihre Ueberwindung 10. — Ablehnung „ a b s o l u t e r " Ergebnisse 12. — Der Weg der Wissenschaft 13. Zweite
Vorlesung
Die E r f a h r u n g Begriffsbestimmung 14. — Erinnerung und Voraussicht 15. — Vergleichen 17. — Begriffe 17. — Ihre Entstehung 19 und Entwicklung 2 0 . — Umfang der Begriffe 21. — Begriff und Anschauung 22. — Schliessen 2 3 . — Induktion 25. Dritte
14—25
Vorlesung
Die S p r a c h e Aufbewahrung der Begriffe 26. — Erinnerung und Vererbung 27. — Zuordnung der Zeichen zu Begriffen 28. — Die S p r a c h e 29. — Begriffe und Namen 3 1 . — ARISTOTELES und MEPHISTOPHELES 31. — Veränderlichkeit von Begriff und W o r t 3 3 . — ü n vollkommenheit der Sprache 3 4 . — Künstliche Sprachen 35. — Festlegung von Begriffen 37. — Eigenschaften der S p r a c h e ; Hauptwörter 4 0 , Eigenschaftswörter 4 3 , Zeitwörter 4 5 , andere Wortformen 46. Vierte
1—13
26—47
Vorlesung
Die S i n n e s e i n d r ü c k e Weitere Versuche zur Festlegung der Begriffe 48. — Begriffselemente 49. — Reine Begriffe 51. — Sinnesempfindungen 53. — Gesicht 5 3 , Gehör 5 5 , Hautempfindungen 57, innere Empfindungen 5 9 , Muskelempfindungen 60. — Mannigfaltigkeit der Sinnesempfindungen 63. — Aussenwelt und Innenwelt 6 4 .
48—69
XII
INHALT Fünfte Vorlesung
Begriffselemente Einfachere Begriffe sind die umfassenderen 70. — Die Zusammensetzung mehrerer Begriffe wirkt durch Ausschliessung 73. — Mannigfaltigkeit zusammengesetzter Begriffe 75. — Der Dingbegriff 77 und sein Gesetz 78. — Naturgesetze; Ordnung und Mannigfaltigkeit 79. — Zeit und Raum 80. — Eigenschaften der Zeit 80. — Interpolation 81. — Zeit eine einfache Mannigfaltigkeit 83, ohne Doppelpunkte 84 und einsinnig 84. — Periodische Erscheinungen 86. — Eigenschaften des Raumes 88. — Er ist eine mehrfache Mannigfaltigkeit und richtungsfrei 89. — Teilung des Raumes 89. Sechste
70-92
Vorlesung
Die M a n n i g f a l t i g k e i t e n Dinge und Mannigfaltigkeiten 93. — Aermere und reichere Mannigfaltigkeiten 95. — Ordnung 96. — Alle wirklichen Mannigfaltigkeiten sind geordnet 97. — Zuordnung zweier Mannigfaltigkeiten 97. — Ordnungszahlen 102, und Grundzahlen 103. — Ziffernschrift 104. — Positive und negative Zahlen 107. — Symmetrie 108. — Mehrfache Mannigfaltigkeiten 109. Siebente Vorlesung Die Grössen Das Identitätsgesetz; seine fragwürdige Beschaffenheit 113, und die Frage nach der Gleichheit 114. — Definition der Gleichheit 114; deren begrenzte Genauigkeit 115. — Beispiele: die raumliche Gleichheit 118; gleiche Gewichte 120. — Uebertragung 121. — Gleiche Zeiten 121. — Gleiche Sinnesempfindungen 122. — Darstellung stetiger Mannigfaltigkeiten durch Ordnungszahlen 125. — Das Stetigkeitsgesetz 127. — Grössen und Stärken 128. — Darstellung der Grössen durch Zahlen 130. — Begrenzte Genauigkeit hierbei 130. — Das Absolute ist unzugänglich 132. — Darstellung mehrfacher Mannigfaltigkeiten 133. — Maasseinheiten 133. — Zusammenfassung 137 und Uebersichtstafel 138. Achte
Seite
93—112
113—139
Vorlesung
Zeit, Raum, Substanz Die Erfahrung 140; Zeit und Raum als deren Formen 140. — Grösseneigenschaften des Raumes 141. — Zeit eine Stärke 143. — Voraussetzungen, nach denen sie gemessen wird 143. — Das Urding 145. — Substanz und Accidenz 146. — Die Energie ist beides 146. — Das Ding an sich 147. — Die Materie 148. — Der Aether 150. — Andere Substanzen 151. — Die Energie ist die allgemeinste Substanz 152; sie umfasst auch die Causalität 153. — Beschreibung der Energie 154. — Arbeit 154. — Erhaltung der Arbeit 155. — Maass der Arbeit 156. —
140—162
IN HA L T Kraft 157. — Erhaltung der Energie 159. — B e t ä t i g u n g der Sinne durch die verschiedenen Energieen 159. — Der Umfang der Welt 160. Neunte Vorlesung Das e n e r g e t i s c h e Weltbild JULIUS ROBERT MAYER 163. — Materie neben Energie 165. — Materie als Energie 166. — Formenergie 167. — Volumenergie 168. — Schwere 170. — Das unmögliche Perpetuum mobile 173. — Kraft und Energie 174. — Bedeutung des Energiebegriffes für den Unterricht 175. — Individuelle Form der Naturgesetze 176. — Distanzenergie 177. — Gravitation 178. — Notwendigkeit der räumlichen Verbindung der verschiedenen Energieen 180. — Biegen und Brechen 182. — Oberflächenenergie 183. — Bewegungsenergie 184. — Masse 185. — Lebendige Kraft 186. — Mechanische Grundeinheiten 187. — Masse und Schwere 190. — Das „Räthsel" der Schwerkraft ist keines 193. — Flüssigkeiten und Gase 195. — Oberflächenenergie 197. — Gaszustand 200. — „Es giebt keine immateriellen Materien" 201. Zehnte Vorlesung Die W ä r m e Die mechanistische Hypothese 2 0 2 ; Kritik derselben 203. — Die Aufgabe der Wissenschaft 205. — Hypothesen und Abstraktionen 207. — Erklären 207. — Lichthypothesen 209. — Naturgesetze und Hypothesen 211. — Formeln und Bilder 213. — Kennzeichen mathematisch verkleideter Hypothesen 214. — Werthlosigkeit der Hypothesen 2 1 5 , Ueberlegenheit der Energetik 216. — Der Mannigfaltigkeitscharakter der Energieen 218. — Die Wärme. Auffassungen von MAYER, JOULE und HELMHOLTZ 219. — Das mechanische Wärmeäquivalent 223. — Grad der Gleichheit bei verschiedenen Energieen 226. Elfte Vorlesung Die a n d e r e n E n e r g i e e n Elektrische und magnetische Energie 228. — Ihre technische Bedeutung 229, Umwandlungs- und Vertheilungsfähigkeit 231, Messung 231. — Chemische Energie 232, ihre Aufbewahrbarkeit und Concentration 233. — Strahlende Energie und Licht 237, ihr periodischer Charakter 238. — Selbstleuchten und Reflectiren 240. — Schein und Sein 241. — Die Sonne als Quelle der freien Energie 242. — Das energetische Weltbild 244. Zwölfte Vorlesung Der z w e i t e H a u p t s a t z und d a s G e s e t z des G e s c h e h e n s Wann geschieht etwas? Gleichgewicht und Geschehen im mechanischen Gebilde 247. — Aufhören der Bewegung durch
XIII Seite
163—201
202—227
228—245
246—276-
Xiv
INHALT Wärmebildung 249. — Die Sonne als Ruhestörer 251. — SADI CARNOT 252 und sein Prinzip 253. — Die Intensitäten 256. — HELM'S Intensitätsgesetz 257. — Intensitäten sind Stärken 257. — Der zweite Hauptsatz und die Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile zweiter Art 259. — Abnahme der freien Energie 260. — Compensirte Intensitäten 263. — Das Gesetz des Geschehens 264. — Zeitliche Ausgleichvorgänge 266. — Leitfähigkeiten 268. — Die Welt besteht aus unbeständigen Gebilden 269. — Typen der Ereignisse: der einfachste Fall 269, die Selbststeigerung 270, stationäre Vorgänge 271. — Selbstregulirung 271; Entstehung von Perioden dabei 272.— Die zwei Quellen des Zeitbegriffs: mechanische und dissipative Zeit 275.
SE!TE
Dreizehnte Vorlesung Die S u b s t a n z e n Der Substanzbegriff 275. — Aufzählung der Substanzen 278. — Die Erhaltungsgesetze 280. — Capacitätsfactoren der Energie 281. — Bewegungsgrösse und Masse 282. — Elektricitätsmenge 285. — Erhaltung der Elemente 286. — Zusammenhang der Capacitätsgrössen 288. — Die Mannigfaltigkeit der Energieen 289. — Künftige systematische Tabelle aller möglichen Energieen 291.
277—293
Vierzehnte Vorlesung Das C a u s a l g e s e t z Ursache und Wirkung; HUME 294; MAYER 295. — Die Energiegesetze als Causalgesetze 296. — Bedingungen 298, Auslösungen 299. — Compensationen auf Zeit 302. — Das allgemeine Causalgesetz 302, seine Entstehung 303. — Empirischer Charakter der Gesetze der Zeit und des Raumes 304. — ErkenntnissgrUnde. Logik und Mathematik 307. — Denknothwendigkeiten; ihre zweifelhafte Beschaffenheit 309. — Zulänglichkeit der logischen Gesetze 309. — Das BedUrfniss nach geschlossener Weltanschauung 310.
294—311
Fünfzehnte Vorlesung Das Leben Energiestrom und Stoffwechsel 313. — Die Selbsterhaltung 314. — Der Organismus als stationäres Gebilde 315. — Fortpflanzung 316. — Erklärung des Lebens 317. — Gegen die Neovitalisten 317. — Chemische Energie als Hauptform 319. — Strahlung als Quelle der freien Energie 320, chemische Energie unentbehrlich als Sammelform 321. — Ort des Lebens 322. — Nahrung 323. — Regelung der Reaktionsgeschwindigkeit durch räumliche Bedingungen 325, durch Katalysatoren 326. — Arbeiten des Organismus: Erhaltung 329, Fortpflanzung 330, Tod 331.
312—331
INHALT
XV
Sechzehnte Vorlesung
Scite
Z w e c k e und M i t t e l der Lebewesen Zweckmässigkeit
332.
—
Auslese
332—347
333.
—
CHARLES
DARWIN
3 3 3 . — Auf d a s E i n f a c h s t e k o m m t man z u l e t z t 3 3 5 . — Bes c h r a n k u n g der Zwecke auf Zeit, R a u m und E n e r g i e 3 3 7 . — Individuum u n d G e s c h l e c h t 3 3 9 . — W a c h s t h u m und T h e i l u n g 3 4 0 ; p h y s i k o c h e m i s c h e Modelle hierfür 3 4 2 . — Die F o r m eigenschaften 3 4 6 . Siebzehnte
Vorlesung
Reizbarkeit und G e d ä c h t n i s s R e a c t i o n 3 4 8 . — S i n n e s a p p a r a t e 3 5 0 . — Nerven 3 5 1 ; E i g e n s c h a f t e n der Nervenleitung 3 5 2 , ihr A u s l ö s u n g s c h a r a k t e r 3 5 4 . — V e r h ä l t n i s s m ä s s i g e A u s l ö s u n g 3 5 6 . — W i r k u n g des Reizes 3 5 7 : E l e k t r i s c h e Wirkungen 3 5 8 , Lichtwirkungen 3 5 8 , W ä r m e wirkungen 3 5 9 , m e c h a n i s c h e W i r k u n g e n 3 6 1 . — T h e o r i e e n der M u s k e l w i r k u n g 3 6 4 . — C h e m i s c h e W i r k u n g e n und K a t a l y s e 3 6 5 . — G e d ä c h t n i s s 3 6 7 , T h e o r i e e n d e s s e l b e n 3 6 8 , chem i s c h e Modelle dafür 3 6 9 , c h e m i s c h e T h e o r i e des G e d ä c h t nisses 370. Achtzehnte
Vorlesung
Das geistige Leben Geist und M a t e r i e 3 7 2 , G e i s t und E n e r g i e 3 7 3 , G e i s t und Leben 3 7 5 . — A n n a h m e einer g e i s t i g e n E n e r g i e 3 7 7 ; ihre Prüfung 3 7 8 . — Nervenenergie 3 8 1 . — E m p f i n d e n , Denken, Handeln 3 8 3 . — S p e c i f i s c h e S i n n e s e n e r g i e e n 3 8 4 . — Das W E B E R - FECH N E R ' s c h e
Gesetz
385.
348—371
—
Gefühle
387;
Lust
372—391
und
Unlust 3 8 8 . Neunzehnte
Vorlesung
Das Bewusstsein
392—411
D a s B e w u s s t s e i n als E i g e n s c h a f t der N e r v e n e n e r g i e 3 9 3 ; ein K a n t i s c h e r G e d a n k e hierzu 3 9 4 . — Der p s y c h o p h y s i s c h e Parallelismus 3 9 4 , seine Quelle 3 9 5 und s e i n e S c h w i e r i g k e i t 3 9 6 . — E n e r g e t i s c h e A u f f a s s u n g 396- — Die Allbeseelung 3 9 7 . — H y p o t h e s e n und P r o t o t h e s e n 3 9 9 . — B e w u s s t s e i n kann willkürlich m i t N e r v e n v o r g ä n g e n v e r b u n d e n werden 4 0 1 . — U n b e w u s s t e s Denken 4 0 1 . — E i n d r ü c k e und E m p f i n dungen 4 0 3 . — D a s Anlegen des C e n t r a i o r g a n s 4 0 4 ; Aufmerksamkeit 4 0 5 . — Das Unbewusste 406. — Erinnern 407. — Zweck des B e w u s s t s e i n s 4 0 9 . — Das Ich 4 1 0 . Zwanzigste
Vorlesung
Der Wille Eintheilung der geistigen G e s c h e h n i s s e und Stellung des Willens 4 1 2 . — SCHOPENHAUER'S m e t a p h y s i s c h e r Willensbegriff 4 1 3 . — Allgemeine R i c h t u n g d e s Willens 4 1 4 ; Z w e c k m ä s s i g keit 4 1 5 . — T r o p i s m e n 4 1 5 . — I n s t i n k t 4 1 7 und b e w u s s t e s
412—432
INHALT
XVI
Handeln 418. — Mitarbeit des Bewusstseins an der Erhaltung 419; Hunger und Liebe 421. — Wollen und Denken 422. — Erziehungsfragen 425. — Willensenergie 426. — Uebertragung des Willens 428. — Freiheit des Willens 430. Einundzwanzigste
Seite
Vorlesung
Das S c h ö n e und Gute
433—457
Anwendungen der bisherigen Begriffsbildungen auf Kunst und Leben 433. — Zweck und Mittel der Kunst 434. — Zuordnung 434. — Nützlichkeit und Schönheit 435. — Raum- und Zeitkünste 435. — Was stellt die Kunst dar? 437. — Musik; Rhythmus 437; Harmonie 438. — Die Poesie, ihre Mittel und Zwecke 439. — Gefahren und Schwierigkeiten der Kunstentwicklung 439. — Raumkünste 440. — Plastik 442. — Alle Mittel gelten 443. — Perspektive 444. — Typen 445. — Darstellungsmittel und Darstellungsgebiete 446. — Realismus und Idealismus 446. — Künftige Ausgestaltung der Malerei 447. — Gesetze der Ethik 449. — Gut und schlecht 449. — Mutter und Kind 451. — Der Einzelne als Stück des Gesammtiebens 452. — Anknüpfung an christliche und an indische Ethik. Der Kreis des Selbst 453. — Zerstörung anderen Lebens 454. — Die Ueberschätzung des Individuums 456. — Die Grundlage des persönlichen Glücks 457. — Das höchste Glück 457. Anmerkungen Sachregister
458 481
ERSTE
VORLESUNG
EINLEITUNG Name Naturphilosophie, mit dem ich den Inhalt unserer •^—'bevorstehenden Besprechungen zu bezeichnen versucht habe, besitzt einen üblen Klang. Er erinnert an eine geistige Bewegung, welche vor hundert Jahren in Deutschland herrschend war; ihren Führer hatte sie in dem Philosophen SCHELLING, der durch die Macht seiner Persönlichkeit bereits in sehr jungen Jahren einen ungeheuren Einfluss gewonnen hatte und die Denkweise seiner Zeitgenossen in weitestem Maasse bestimmte. Doch erstreckte sich dieser Einfluss nur auf SCHELLING'S Landesgenossen, die Deutschen, und allenfalls die Skandinavier; England und Frankreich verhielten sich gegen die „Naturphilosophie" völlig ablehnend. Auch dauerte in Deutschland ihre Herrschaft nicht sehr lange; die unbestrittene im ganzen höchstens zwanzig J a h r e . Insbesondere die Naturforscher, für welche in erster Linie die Naturphilosophie gemeint war, wendeten sich bald vollständig von ihr ab, und die Verurtheilung, die sie später erfuhr, war ebenso leidenschaftlich, wie vorher ihre Verhimmelung gewesen war. Um ein Bild von den Empfindungen zu geben, die sie in ihren früheren Anhängern hernach erregte, brauchen wir uns nur LIEBIG'S Worte zu vergegenwärtigen, mit denen er seinen Ausflug in das Gebiet der Naturphilosophie gekennzeichnet hat: „Auch ich habe diese an Worten und Ideen so reiche, an wahrem Wissen und gediegenen Studien so arme Periode durchlebt, sie hat mich um zwei kostbare J a h r e meines Lebens gebracht; ich kann den Schreck und das Entsetzen nicht schildern, als ich aus diesem Taumel zum Bewusstsein erwachte." OSTWALD, Naturphilosophie, i n . Auflage.
1
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EINLEITUNG
Bei solcher Wirkung, welche die Naturphilosophie auf ihre eigenen früheren Jünger hervorbrachte, kann es nicht Wunder nehmen, dass diese Art des Denkens bald völlig aus den Kreisen der Naturforscher verschwand. Sie wurde durch die mechanistischmaterialistische Weltauffassung ersetzt, welche um die gleiche Zeit in England und Frankreich ihre Ausbildung erfahren hatte. Infolge der irrthümlichen Meinung ihrer Anhänger, dass diese Auffassung eine hypothesenfreie Darstellung der Wirklichkeit sei, verband sich mit dieser geistigen Wendung eine ausgeprägte Abneigung gegen andere Betrachtungen allgemeinen Charakters. Man brandmarkte solche als „spekulativ", und noch bis auf den heutigen Tag wird diese Bezeichnung in naturwissenschaftlichen Kreisen als ein Schimpfwort empfunden. Es ist hierbei lehrreich zu bemerken, dass die Abneigung sich thatsächlich nicht gegen spekulative Betrachtungen im allgemeinen, sondern nur gegen solche richtete, die nicht dem Anschauungskreise der mechanistischen Philosophie angehörten; letztere wurden allerdings nicht als spekulativ angesehen, sondern man verstand sie noch nicht von unmittelbaren wissenschaftlichen Ergebnissen zu unterscheiden. Jene antiphilosophische Denkweise war also wenigstens subjektiv vollkommen ehrlich gemeint und empfunden. Dass die Naturphilosophie bei den Naturforschern dem Materialismus gegenüber so schnell und gründlich unterlag, hatte seine Ursache einfach in den praktischen Ergebnissen. Während die deutschen Naturphilosophen ganz vorwiegend über die Naturerscheinungen nachdachten und schriftstellerten, rechneten und experimentirten die Vertreter der anderen Richtung und konnten bald eine Fülle thatsächlicher Ergebnisse aufweisen, durch welche die so ausserordentlich schnelle Entwickelung der Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert der Hauptsache nach bewirkt wurde. Diesen greifbaren Beweisen der Ueberlegenheit konnten die Naturphilosophen nichts Gleichwerthiges gegenüberstellen. Wenn auch bei ihnen die Entdeckungen nicht ausblieben, so war doch, entsprechend LIEBIG'S Schilderung, der gleichzeitige Ballast an Worten und ergebnisslosen Ideen so gross, dass die thatsächlichen Förderungen der Wissenschaft dagegen verschwanden.
NEUE
NATURPHILOSOPHIE
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So ist denn die Zeit der Naturphilosophie als eine Zeit tiefen Niederganges deutscher Naturwissenschaft bekannt, und es erscheint als ein vermessenes Unternehmen für einen Naturforscher des zwanzigsten Jahrhunderts, unter dieser verrufenen Flagge segeln zu wollen. Nun könnte man allerdings dem Namen Naturphilosoph noch eine andere Bedeutung zubilligen. Man kann in Analogie mit den Bezeichnungen Naturarzt, Natursänger u. s. w. unter einem Naturphilosophen einen Mann verstehen, der Dinge treibt, die er nicht gelernt hat. Auch einer derartigen Deutung würde ich wehrlos gegenüberstehen. Denn ich bin meines Berufs Naturforscher, Chemiker und Physiker, und darf die Philosophie nicht als eine Wissenschaft bezeichnen, die ich im üblichen Sinne studirt habe. Selbst das „wilde" Studium der Philosophie, das ich durch vielfaches Lesen philosophischer Schriften betrieben habe, ist so wenig systematisch erfolgt, dass ich es nicht als einen irgendwie ausreichenden Ersatz des geregelten Studiums bezeichnen dürfte. So habe ich als Entschuldigung meines Unterfangens nur die Thatsache, dass auch der Naturforscher beim Betrieb seiner Wissenschaft unwiderstehlich auf die gleichen Fragen geführt wird, welche der Philosoph bearbeitet. Die geistigen Operationen, durch welche eine naturwissenschaftliche Arbeit geregelt und zu erfolgreichem Ende gebracht wird, unterscheiden sich ihrem Wesen nach nicht von denen, deren Ausführung die Philosophie untersucht und lehrt Das Bewusstsein dieses Verhältnisses ist zwar in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zeitweilig verdunkelt gewesen; es ist aber gerade in unseren Tagen wieder zu lebendigster Wirksamkeit erwacht, und allerorten regen sich im naturwissenschaftlichen Lager die Geister, um ihren Antheil zu dem philosophischen Gesammtwissen beizutragen. So ist denn unsere Zeit bereit, eine neue Entwicklung der Naturphilosophie in beiderlei Sinne zu erleben, und die grosse Anzahl der Zuhörer, die sich unter diesem Zeichen heute zusammengefunden haben, ist ein Beweis dafür, dass in der Zusammenstellung der beiden Begriffe Natur und Philosophie etwas Anziehendes liegt, dass wir alle hier l*
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EINLEITUNG
ein Problem empfinden, dessen Lösung jedem von uns am Herzen liegt Allerdings wird die Philosophie eines Naturforschers nicht den Anspruch erheben dürfen, als ein geschlossenes und ringsum abgeglättetes philosophisches System zu gelten. Die Erzeugung solcher Systeme müssen wir den Fachphilosophen überlassen. Wir sind uns dessen bewusst, dass bei unserer Arbeit bestenfalls ein Gebäude zu Stande kommt, dessen Bauart und innere Einrichtung allerorten den Anschauungskreis und die Denkgewohnheiten erkennen lässt, die von unserer täglichen Beschäftigung mit bestimmten Gruppen von Naturerscheinungen herrühren. Mit steter Rücksicht auf diesen persönlichen und Berufsstil muss ich bitten, das aufnehmen und betrachten zu wollen, was ich Ihnen darbiete, und jeder von Ihnen ist eingeladen, davon abzuziehen oder dazu anzufügen, was ihm wünschenswerth oder nothwendig erscheint. Ferner muss ich einige Worte über die Quelle der von mir vorgetragenen Ansichten und Gedanken sagen. Ich vermag bei den meisten nicht anzugeben, ob ich sie gelesen oder selbstständig gefunden habe; denn ich habe nur zu oft feststellen können, wie Einfälle, welche scheinbar ganz selbständig im Geiste auftauchen, nur Erinnerungen an früher Gelesenes oder Gehörtes waren. Ich kann nur sagen, dass ich alle diese Gedanken selbst g e d a c h t habe, und muss es der sichtenden Wirkung der Zeit überlassen, mein etwaiges Eigenthum an der einen oder anderen Idee festzustellen. Auch betrachte ich mich als entschuldigt, wenn ich nicht überall die Namen der ersten Autoren nenne, schon da ich sie grösstentheils nicht weiss. Nur einen Namen unter den Lebenden möchte ich hier erwähnen, als des Mannes, welcher mein Denken am entscheidendsten beeinflusst hat: ERNST MACH. Und einen unter den Todten: JULIUS ROBERT MAYER. In ihrem Sinne habe ich meine Arbeit auszuführen versucht. Was die hier beabsichtigte Philosophie an Ansprüchen aufgiebt (die sich im übrigen für alle bisherigen philosophischen Systeme als uneinbringbar herausgestellt haben), gewinnt sie an menschlicher Verträglichkeit. Für sie gilt nicht mehr das, was
PHILOSOPHIE
DER
ZUKUNFT
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SCHOPENHAUER von solchen Systemen gesagt hat, dass jedes, „kaum zur Welt gekommen, schon auf den Untergang aller seiner Brüder bedacht ist, gleich einem asiatischen Sultan bei seinem Regierungsantritt. Denn wie in einem Bienenstocke nur e i n e Königin sein kann, so nur eine Philosophie an der Tagesordnung. Die Systeme sind nämlich so ungeselliger Natur wie die Spinnen, deren jede in ihrem Netze sitzt und nun zusieht, wie viele Fliegen sich darin werden fangen lassen, aber einer anderen Spinne nur um mit ihr zu kämpfen sich nähert. Also während die Dichterwerke friedlich neben einander weiden, wie Lämmer, sind die philosophischen geborene reissende Thiere, und sogar in ihrer Zerstörungssucht, gleich den Skorpionen, Spinnen und einigen Insektenlarven, vorzüglich gegen die eigene Species gerichtet. Sie treten in der Welt auf gleich den geharnischten Männern aus der Saat der Drachenzähne des Jason, und haben bis jetzt, gleich diesen, sich alle wechselseitig aufgerieben. Schon dauert dieser Kampf über zweitausend Jahre: wird je aus ihm ein letzter Sieg und bleibender Frieden hervorgehen?" Auf die Naturphilosophie, wie ich sie mir denke, wird diese Schilderung nicht passen. Sie wird sich das Beispiel der anderen Wissenschaften zu Nutze machen, in denen es um so friedlicher hergeht, je mehr Festes sie haben und je weiter sie fortgeschritten sind. Auch in der Philosophie lassen sich schon jetzt gemeinsame Ergebnisse bezeichnen, die sich in allen Systemen wiederfinden, welche aufgestellt werden. Die Summe dieser gemeinsamen Bestandtheile nimmt naturgemäss mit der Zeit immer zu, und es lässt sich eine Zukunft absehen, in welcher die Schilderung SCHOPENHAUER'S uns anmuthen wird, wie die Sagen der Ilias oder des Nibelungenliedes von den Hand- und Wortgefechten der Helden. — Wenn wir uns fragen, wodurch die alte Naturphilosophie ihren ersten grossen Erfolg errungen hat, und was ihren schnellen Niedergang bewirkte, so sehen wir, dass zunächst der Grundgedanke, den SCHELLING verfolgte, ein durchaus einleuchtender und in hohem Maasse fruchtbarer war. SCHELLING fasste diesen Gedanken in die Formel, dass D e n k e n u n d S e i n i d e n t i s c h s e i e n . Damit war gemeint, dass gleiche Gesetze das geistige
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EINLEITUNG
Leben und das der Aussenwelt beherrschen, oder dass beide Gebiete einen weitgehenden Parallelismus in ihrem Verhalten aufweisen. Dies ist ein Gedanke, der durchaus einleuchtend wirkt. Soviel giebt jeder zu, dass beide Gebiete, das der Innenwelt und das der Aussenwelt, mit einander unaufhörliche und innige Beziehung haben. Einerseits entwickelt sich unser geistiges Leben unter beständiger Beeinflussung durch die äusseren Dinge, und andererseits können nur diejenigen äusseren Dinge uns bekannt sein, also unsere Aussenwelt bilden, die in irgend welcher Weise zu der Innenwelt ein Verhältniss haben. Eine solche gegenseitige Bedingtheit führt nothwendig zu einer gegenseitigen A n passung beider Gebiete, und je vollständiger diese Anpassung ist, um so besser kennen wir die Aussenwelt. Während unser unvollkommener Intellekt sich aus Mangel an Kenntniss und entsprechender Unsicherheit des Urtheils häufig in der Beurtheilung der Dinge irrt, werden bei weiterer Ausbildung solche Irrthümer immer geringer werden, und wir können uns eine stetige Entwickelung denken, die zu einer vollkommenen gegenseitigen A n passung beider Gebiete führt. Dann also, aber auch erst dann wäre SCHELLING'S Satz insofern richtig, als jeder Vorgang der Aussenwelt auf gedanklichem Wege im voraus erkannt und bestimmt werden könnte. Als P r o g r a m m einer sachgemässen Entwicklung war SCHELLING'S Grundgedanke höchst schätzbar. Nur wurde der schwere Irrthum begangen, dass er die gegenseitige Anpassung des Denkens und der Aussenwelt als bereits vollzogen ansah, und auf die vorhandenen Unvollkommenheiten des ersteren keine Rücksicht nahm. Infolge dessen machte er sich an die Aufgabe, aus dem Denken das Sein zu erschliessen, d. h. Naturgesetze aufzustellen, wie er dachte, dass sie richtig sein müssten. Einem vollkommen entwickelten Intellekt wäre solches vielleicht möglich, wenn auch allerdings überflüssig. Ein unvollkommener Intellekt aber, den man schliesslich auch dem genialsten Philosophen zuschreiben muss, wird bei einem solchen Versuch groben Fehlern ausgesetzt sein, und diese haben sich denn auch bei SCHELLING und seinen Schülern reichlich genug eingestellt.
DER FEHLER
SCHELLING'S
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Um den Fehler, der hier begangen wurde, Ihnen möglichst eindringlich vor Augen zu führen, will ich die unfreundliche Geschichte erzählen, die seinerzeit infolge der naturphilosophischen Denkweise den Deutschen angehängt worden ist. Es handelt sich um die Frage, wie sich ein Engländer, ein Franzose und ein Deutscher verhalten würden, wenn ihnen die Aufgabe gestellt würde, das Wesen des K a m e l s zu kennzeichnen. Der Engländer würde, so lautet die Geschichte, sein Gewehr nehmen, nach Afrika gehen, ein Kamel schiessen, es ausstopfen lassen und in ein Museum stellen. Der Franzose würde in den Jardin d'acclimatation zu Paris gehen und dort das Kamel studieren, und wenn er dort keines fände, so würde er geneigt sein, seine Existenz überhaupt in Zweifel zu ziehen und würde ihm jedenfalls nur eine sehr geringe Bedeutung zubilligen. Der Deutsche dagegen brauchte nur auf seine Studirstube zu gehen, und würde sich das Wesen des Kamels aus der Tiefe seines Gemüthes construiren. Das ist also der Fehler, den die Naturphilosophen gemacht haben, und den wir um jeden Preis vermeiden müssen. Sie versuchten, aus dem Denken die Erfahrung abzuleiten; wir werden umgekehrt unser Denken überall nach der Erfahrung regeln. Die Gerechtigkeit verlangt indessen hervorzuheben, dass die Naturphilosophen trotz dieses Grundfehlers ihre Erfolge gehabt haben. So ist der in unseren Tagen immer mehr zu Ane r k e n n u n g g e l a n g e n d e P h i l o s o p h GUSTAV THEODOR FECHNER in
gewissem Sinne ein Zögling der Naturphilosophie, und wenn ich Naturforscher nennen soll, so brauche ich nur die Namen OERSTED, und
SCHÖNBEIN
auszusprechen.
OERSTED
ist
der
Entdecke?
der elektromagnetischen Fernewirkung, d. h. einer Thatsache, auf der ein grosser Theil der heute so enorm entwickelten wissenschaftlichen und technischen Elektrik beruht. Der Chemiker SCHÖNBEIN ist der Entdecker des Ozons und der unermüdliche Erforscher des Sauerstoffs, dessen ihrer Zeit weit vorausgeschrittene Beobachtungen erst in unseren Tagen Anerkennung und Entwicklung finden. So könnte ich noch eine Anzahl anderer Forscher nennen, deren Leistungen in uns die. (Jeher-
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EINLEITUNG
zeugung wecken, dass selbst in ihrer Verunstaltung durch jenen Grundfehler der Naturphilosophie gewisse Kräfte und Mittel zu Gebote standen, die ihr zu Erfolgen verholfen haben. Wenn man die Entwicklungsgeschichte der eben genannten Entdeckungen verfolgt, so findet man, dass sie in der That aus dem geläufigen Anschauungskreise der Naturphilosophen entstanden sind. Die Aufgabe, die Wirklichkeit denkend zu construiren, Hess sich nicht anders lösen, als indem man aus den bekannten Verhältnissen durch Analogie auf die unbekannten schloss. So waren die Naturphilosophen gewöhnt, die verschiedenartigsten Dinge zusammenzubringen, die irgend welche, wenn auch noch so fern erscheinende Analogien aufwiesen. Es hat ja jeder nicht nur die Fehler seiner Vorzüge, sondern auch die Vorzüge seiner Fehler. Die Freiheit von jeder S c h e u v o r d e m A b s u r d e n , von der die Naturphilosophen einen so liberalen Gebrauch machten, ermöglichte ihnen, Analogien zu finden, die thatsächlich vorhanden waren, den Zeitgenossen aber wegen ihrer ungewohnten Beschaffenheit entgingen, und hierauf beruhen ihre Entdeckungen. So war es beispielsweise für OERSTED eine selbstverständliche Sache, dass zwei so ausgesprochen p o l a r organisirte Wesenheiten, wie Elektricität und Magnetismus, mit einander in engster Beziehung stehen müssten, und es konnte nur die Frage nach der Form dieser Beziehung aufgestellt werden. Darum war er denn auch ganz vorbereitet auf die Bedeutung des Fundes, als er bei Gelegenheit eines zu anderen Zwecken angestellten Versuches die Ablenkung der Magnetnadel durch einen in der Nähe vorbeigeführten Strom bemerkte. der auf der der bis wir
Es wird sich später Gelegenheit finden, auch diese Seite Naturphilosophie im Sinn einer sachgemässen Anwendung die Wissenschaft zu erörtern. Wollen wir also in einer neuen Naturphilosophie die Fehler alten vermeiden, so werden wir überall unser Denken an Erfahrung prüfen, und es so lange ändern und verbessern, es mit der Erfahrung übereinstimmt. Insbesondere dürfen zu dem Zweck weiterer Schlussfolgerungen nur sorgfältig
EINE
SCHWIERIGKEIT
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geprüfte und in ihrer Tragweite festgestellte Voraussetzungen verwenden. Wenn wir nun aber an diese Arbeit gehen wollen, so stossen wir auf eine sehr grosse Schwierigkeit Wir wollen die Philosophie oder die Zusammenfassung der erkannten allgemeinen Verhältnisse nur aus geprüftem Material aufbauen. Sowie wir aber den Aufbau beginnen, müssen wir Hilfsmittel anwenden, die den Aufbau als fertig voraussetzen. Wir benutzen Wörter, welche von der Zusammenfassung von Erfahrungen herrühren. Wir wenden die Methoden der Schlussfolgerung an, d. h. benutzen gewisse Denkgesetze. Dass ich mich Ihnen hier verständlich mache, beruht auf der Handhabung gemeinsamer Begriffe — kurz, es muss ein ganzer geistiger Apparat in Bewegung gesetzt werden, um die Arbeit zu thun, deren Ziel die Ermittelung und Prüfung eben dieses geistigen Apparates ist. Diese Sachlage hat eine verzweifelte Aehnlichkeit mit dem berühmten Problem, das Münchhausen löste, als er sich an seinem eigenen Zopfe aus dem Sumpfe zog. Und wenn wir ehrlich sein wollen, so müssen wir zugeben, dass ein grosser Theil der philosophischen Bemühungen durch dieses von SCHOPENHAUER mit Vorliebe benutzte Bild sachgemäss dargestellt wird, wie denn auch der natürliche Erfolg des Verfahrens , den Betreffenden nur noch tiefer in den Sumpf gerathen zu lassen, nicht ausgeblieben i s t Andererseits brauchen wir nur den Namen K A N T zu nennen, um uns dessen bewusst zu werden, dass trotz dieser anscheinenden Unmöglichkeit die Philosophie doch sehr bedeutende Ergebnisse aufzuweisen hat und gemäss der Ausdehnung ihres Einflusses immer noch den Anspruch auf den Namen einer Königin unter den Wissenschaften erheben darf. Halten wir Umschau, so finden wir, dass auch in den anderen Wissenschaften ähnliche Schwierigkeiten bestehen. Wenn wir physikalische Messungen machen, so thun wir dies unter der Voraussetzung, dass unsere Maassstäbe heute und morgen und weiterhin ihre Grösse nicht ändern, und diese Voraussetzung können wir nicht anders prüfen, als indem wir sie mit anderen Maassstäben vergleichen, über deren Unver-
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EINLEITUNG
änderlichkeit wir ebenso wenig Gewissheit haben. Stellen wir die Gesetze chemischer Vorgänge fest, so gehen wir von der Voraussetzung aus, dass die Gewichtsstücke, mit denen wir heute unsere Stoffe wägen, und die Gefässe, in denen wir sie messen, auch morgen und später, wenn wir zur Wägung und Messung der Produkte kommen, ihren Werth unverändert behalten haben werden, und auch hierüber können wir nie volle Gewissheit haben. Wenn es sich also darum handelt, derartige Schwierigkeiten in der Philosophie zu überwinden, so werden wir nach gleichem Recept verfahren, mittels dessen wir in den anderen Wissenschaften von der Stelle kommen. In den letzteren kann man die Brauchbarkeit des Verfahrens meist durch unmittelbare Versuche prüfen; in der Philosophie ist dies schwieriger, geht aber auch an. In beiden Fällen kommt man aber dazu, dass die Erlangung einer a b s o l u t e n , d. h. keinem denkbaren Einwände unterworfenen Gewissheit nicht möglich ist. Alles was man erreichen kann, ist der Nachweis, dass von den verschiedenen zu Gebote stehenden Annahmen eine gewisse die zweckmässigste und angemessenste ist. Wie verhält sich nun der Physiker und Chemiker gegenüber diesen Schwierigkeiten? Dass sie ihn nicht verhindern, bedeutende wissenschaftliche Ergebnisse zu gewinnen, sehen wir aus der glänzenden Entwicklung der Wissenschaften, die in der zunehmenden Beherrschung der Naturerscheinungen zu praktischen Zwecken ihren unwiderleglichen Ausdruck findet. Das Verfahren ist folgendes: Handelt es sich z. B. um Messen mittels eines Maassstabes, so wird von diesem alles fern gehalten, was bekanntermaassen seine Länge ändert, wie Aenderung der Temperatur, elastische Beanspruchung u. s. w. Ferner werden andere Maassstäbe von anderer Gestalt und aus anderem Material hergestellt und mit jenem verglichen, um den etwaigen Einfluss solcher Faktoren zu erkennen, die man noch nicht berücksichtigt hat. Hierdurch gewinnt man schliesslich die Thatsache, dass unter bestimmten Verhältnissen diese verschiedenen Maassstäbe stets gleiche Länge zeigen. Nun könnte dies einerseits daher rühren, dass die Länge thatsächlich gleich bleibt^
ÜBERWINDUNG
DER SCHWIERIGKEIT
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andererseits daher, dass alle Maassstäbe ihre Länge gleichzeitig in gleichem Verhältniss geändert haben. Die zweite Möglichkeit ist um so mehr ausgeschlossen, je verschiedenartiger die verglichenen Stücke in Bezug auf die anderen Eigenschaften als die Länge gewesen waren, und schliesslich gelangt man zu dem Ergebniss, dass man mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit die Unveränderlichkeit der Länge behaupten darf. Ebenso müssen wir in der Philosophie verfahren. Die tägliche und die wissenschaftliche Erfahrung versehen uns mit einer Anzahl von Sätzen und Beziehungen, die wir ebenso unbezweifelt annehmen, wie den Satz, dass ein stählerner Maassstab seine Länge beibehält. Der Umstand, dass derartige Sätze und Beziehungen sich haben ausbilden können, ist ein Beleg dafür, dass ihnen irgend etwas Richtiges anhaftet. Wir nehmen sie vorläufig also als richtig an, und verwenden sie zu Herstellung weiterer Schlüsse, die wir ihrerseits unabhängig prüfen können. Finden wir die so erhaltenen Ergebnisse richtig, so werden wir mit immer grösserer Wahrscheinlichkeit sagen können, dass auch die Mittel richtig waren, durch die wir zu den Ergebnissen gelangt sind. Zwar ist auch hier der Beweis kein zwingender, sondern er ergiebt nur eine immer grössere Wahrscheinlichkeit; das ist in der Philosophie nicht anders, als in den anderen Wissenschaften. Wir verfahren also, um auf das Bild von Münchhausen zurückzukommen, wie man beim Bauen einer Brücke über den Sumpf verfährt. Zuerst wird eine Stange hinübergelegt, vielleicht nur ein Seil hinübergeworfen. Hiermit wird ein Gerüst herzustellen möglich, in dem die Theile der Brücke einzeln an ihren Ort gebracht werden, und wenn dies endlich geschehen ist, so entfernt man das Gerüst und sieht nach, ob die Brücke die Belastungsprobe aushält. Dann kommt zu Tage, ob schlechtes Material oder falsche Construktion irgendwo vorhanden ist, denn liegt Derartiges nur an einer Stelle vor, so hält eben die Brücke nicht. Aber, werden Sie vielleicht einwenden, wo bleibt denn die a b s o l u t e Gewissheit, die wir von der Philosophie erwarten? In den empirischen Wissenschaften mag es so dahin gehen,
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EINLEITUNG
dass wir uns mit einer grösseren oder geringeren Wahrscheinlichkeit begnügen müssen, aber darum hören wir doch eben Philosophie, dass wir mit ihrer Hilfe über diesen ungenügenden Zustand hinaus und zu absoluter Gewissheit gelangen! Darauf ist zu sagen, dass dies von der Philosophie zu viel verlangt i s t Auch sie ist eine empirische Wissenschaft und hat daher in Bezug auf den Grad der Gewissheit keinen Vorzug vor den anderen; sie hat vielmehr den Nachtheil, dass wegen der Beschaffenheit ihrer Arbeit der erreichte Wahrscheinlichkeitsgrad vielfach ein sehr mässiger ist. Das war ja gerade der Fehler der Naturphilosophie, dass sie absolutes Wissen zu erlangen versuchte und daher einseitig den Weg vom Geiste zur Natur gehen wollte, während wir gesehen haben, dass nur eine stets wiederholte Anpassung des Geistes an die Natur zum Ziele führt. Wem dieses Endergebniss ungenügend erscheint, dem kann ich nicht helfen. Ich kann ihn nur darauf hinweisen, dass die ganze Arbeit in der Physik, Chemie und Biologie unter ganz den gleichen Voraussetzungen gethan wird, und dass die offenkundigen grossen Fortschritte dieser Wissenschaften ein Zeugniss dafür ablegen, dass sie sich ausserhalb der Sphäre des Absoluten ganz wohl befinden, blühen und gedeihen. Man kann noch fragen, wie es denn kommt, dass bei dieser fortdauernden Ungewissheit der Ergebnisse die Wissenschaft nicht immer wieder von neuem aufzubauen ist, wenn, wie es ja immer wieder geschieht, ein Fehler in einem der bis dahin angenommenen Resultate gefunden wird. Die Ursache ist, dass niemals von e i n e m derartigen Stück allein der Bestand der Wissenschaft im Ganzen abhängt. Nehmen wir eine der grössten derartigen Aenderungen, den Ersatz der Phlogistontheorie durch die Sauerstofftheorie in der Chemie. Dem oberflächlichen Betrachter erscheint es allerdings so, als sei die Chemie nach jener Revolution eine ganz andere Wissenschaft geworden. Verfolgen wir aber die Entwicklung durch das Studium der zeitgenössischen Schriften, so sehen wir, dass neben den leidenschaftlichen Streitigkeiten über die Verbrennungsfrage die übrigen Theile der Chemie ihren ruhigen Gang gehen, dass die
DIE
WISSENSCHAFTLICHE
ARBEIT
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analytischen Methoden, die Kenntniss der einzelnen Stoffe und ihrer Eigenschaften, die technischen Anwendungen u. s. w. fortschreiten, ohne viel durch den Streit beeinflusst zu werden. Und als schliesslich die Sache zu Gunsten der Sauerstofftheorie entschieden war, wurde einfach der ganze übrige Bestand der Wissenschaft in die neue Chemie mit hinübergenommen, und bedurfte höchstens einer anderen Bezeichnungsweise, aber keiner neuen Bearbeitung, um einen naturgemässen Bestandtheil der reformirten Wissenschaft zu bilden. Es ist, um zu unserem Bilde zurückzukehren, als wenn man bei der Belastungsprobe eine ungenügende Stelle der Brücke entdeckt. Man beeilt sich dann, den schlechten Träger durch einen guten zu ersetzen, und die Brücke bleibt brauchbar, ohne dass man sie ganz zu erneuern brauchte. Die unaufhörliche Fortentwicklung der Wissenschaft ist aber vergleichbar mit der unaufhörlichen Anstellung von Belastungsproben, durch welche die schadhaften Stellen immer wieder entdeckt und ausgebessert werden. Denn jedesmal, wo die Anwendung eines bis dahin als richtig angesehenen wissenschaftlichen Satzes zu Widersprüchen mit der Erfahrung führt, sieht man, dass eine Verbesserung vorgenommen werden muss, und kann meist rechtzeitig daran gehen. Und kommt schliesslich auch einmal ein Fall vor, dass die ganze Brücke bricht, und die ganze Theorie ins Wasser fällt, wie dies ja bei der Naturphilosophie geschehen ist — nun, so lässt man es sich nicht verdriessen, von vorn anzufangen, und hat den Vortheil, dass man gelernt hat, den Fehler zu vermeiden, der die vorige Brücke so gebrechlich gemacht hatte.
ZWEITE
VORLESUNG
DIE ERFAHRUNG v
| ^ \ u r c h die Betrachtung vom Glanz und Ende der alten Natur' philosophie waren wir zu dem Ergebniss gekommen, dass die zerstörenden Einflüsse, welche sie zu Fall gebracht hatten, sich nur durch den beständigen Anschluss unserer Gedankenbildung an die E r f a h r u n g vermeiden lassen. Deshalb, und bei der allgemein übernommenen Verpflichtung, nur sorgfältig geprüftes Material zu unserem Bau zu verwenden, sind wir zunächst gehalten, eine Untersuchung darüber zu beginnen, was Erfahrung eigentlich ist, oder besser gesagt, was wir im Sinne des eben ausgesprochenen Zweckes Erfahrung nennen wollen. Wenn ich einen von Ihnen fragen wollte, was er unter Erfahrung versteht, so wird er wohl zunächst antworten: d a s , w a s m a n e r l e b t . Eingedenk einer schon früh von den Philosophen angestellten Betrachtung wird er vielleicht hinzufügen, dass die Erfahrung wesentlich in den Vorgängen besteht, die in unserem Bewusstsein stattfinden. Denn er wird sich sagen, dass die übliche Unterscheidung einer Innen- und einer Aussenwelt beim Menschen schon ein Hinausgehen über die Erfahrung bedeutet, da wir uns in erster Linie nur der inneren Erlebnisse bewusst sind, und nur infolge gewisser Eigenschaften einen Theil dieser inneren Erlebnisse der Wirkung einer vorhandenen Aussenwelt zuschreiben. Dies ist alles richtig, und wir nehmen es als Grundlage weiterer Betrachtungen an, indem wir uns vorbehalten, auf die Ursachen der Unterscheidung zwischen Innen- und Aussenwelt später einzugehen. Aber diese Beschreibung des Inhaltes, den wir mit dem Worte Erfahrung zu verbinden pflegen, ist noch nicht voll-
ERINNERUNG
UND
VORAUSSICHT
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ständig. Einen Mann, der nur viel erlebt hat, nennen wir darum noch nicht einen erfahrenen Mann, denn wir verbinden mit dem Worte noch eine Vorstellung von einer V e r w e r t h u n g oder V e r a r b e i t u n g dieser Erlebnisse. Erst wenn eine solche vorhanden ist, fühlen wir die Bezeichnung gerechtfertigt. Wir entnehmen aus dieser Betrachtung zunächst die Aufforderung, die Gewinnung der Erfahrung genauer zu untersuchen. Soviel dürfen wir bei einiger Selbstbeobachtung alsbald sagen, dass die einzelnen Erlebnisse, die sich in unserem Bewusstsein folgen, alle von einander v e r s c h i e d e n sind, und dass niemals ein Erlebniss, das einmal stattgefunden hatte, sich in ganz gleicher Weise wiederholt Die Reihe unserer Erlebnisse ist daher mit einer Wanderung durch eine Landschaft zu vergleichen, wo jeder Schritt uns neue Bilder öffnet, und niemals eine Stelle wiederkehrt, die wir einmal durchschritten haben. Aber auch insofern ist die Erfahrung einer solchen Wanderung ähnlich, als unser Gesichtskreis nicht ausschliesslich auf den Punkt beschränkt ist, an dem wir uns eben befinden. Denken wir uns, dies wäre der Fall, so dass wir in jedem Augenblick nur davon Kenntniss haben, was eben in unser Bewusstsein eintritt, und dass wir nichts von dem wissen, was vorher war und hernach sein wird, so wären wir wie Wanderer im Finsteren in fremder Gegend ohne Weg und Steg. Hilf- und schutzlos wären wir allem ausgesetzt, womit uns der nächste Schritt in Berührung bringt, und ein Leben, wie wir es führen, wäre unmöglich. Es liegt also zunächst die Thatsache der E r i n n e r u n g vor. Diese ermöglicht uns einen Rückblick auf die bereits durchmessenen Strecken. Aber dies ist nicht Alles. Besässen wir ausser dem gegenwärtigen Bewusstsein nur noch die Erinnerung an v e r g a n g e n e Erlebnisse, so würden wir uns durchs Leben umgekehrt bewegen wie die Israeliten bei ihrem Auszuge aus Egypten: hinter uns wäre Klarheit, aber vor uns Finsterniss. Dies entspricht nicht den wirklichen Verhältnissen, wie wir sie empfinden. Wir v e r m ö g e n n i c h t n u r in die V e r g a n g e n h e i t , s o n d e r n a u c h in die Z u k u n f t zu s c h a u e n . Keiner unter uns zweifelt, dass morgen die Sonne wieder aufgehen wird,
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DIE
ERFAHRUNG
dass es nach einigen Wochen warm werden wird, dass die Bäume dann grüne Blätter erhalten, die sie etwa zweihundert Tage später wieder verlieren werden, und dass der Kreislauf der Jahreszeiten sich wieder und wieder wiederholen wird. Ebenso sind wir überzeugt, dass wir uns nach einer Woche wieder zu ähnlichen Betrachtungen wie heute in diesem Hörsaale zusammenfinden werden. Ja, über viele Jahre haben wir von künftig eintretenden Ereignissen, wie Sonnen- und Mondfinsternissen, Nachricht, und glauben an die Richtigkeit dieser Nachrichten mit ebensoviel Ueberzeugung, wie an die vergangenen Ereignisse von der Völkerschlacht bei Leipzig und von der Entdeckung der Spektralanalyse. Diese F ä h i g k e i t , in die Z u k u n f t zu s c h a u e n , ist die w i c h t i g s t e E i g e n s c h a f t , w e l c h e der M e n s c h b e s i t z t , d e n n n u r sie e r m ö g l i c h t ihm die F o r t s e t z u n g s e i n e s Lebens. Ueber die Vergangenheit sind wir in keiner Weise Herr; sie ist vollkommen unveränderlich und gestattet keinerlei Beeinflussung. Nur die Zukunft können wir beeinflussen, und wenn es sich darum handelt, für die Erhaltung unseres Lebens zu sorgen und zerstörende Einflüsse abzuwehren oder zu vermeiden, so kann dies sich nur auf k o m m e n d e Einflüsse solcher Art beziehen. Auch ist diese Fähigkeit nicht allein dem Menschen eigen, sondern wir beobachten sie bei den Organismen bis zu den niedrigsten herab. Die Schliessbewegung einer Aktinie bei der Berührung mit einem Fremdkörper ist ebenso eine Vorsorge zur Vermeidung bevorstehender Schädigungen, wie die Erforschung der Elektrik beim Menschen, und alle Wissenschaft bis zu den höchsten und abstraktesten Problemen betreiben wir zu dem Zwecke, mit grösserer Sicherheit in die Zukunft schauen zu können. Diese Fähigkeit nun, durch die Voraussicht einer näheren oder ferneren Zukunft zweckmässig zu handeln, ist das, was uns als das Wesentlichste der Erfahrung entgegentritt. Wie gelangen wir nun zu dieser Fähigkeit? Wir gelangen zu ihr durch V e r g l e i c h e n . Vermöge der Erinnerung sind wir im Stande, vergangene Erlebnisse mit
VERGLEICHEN
BEGRIFFSBILDUNG
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gegenwärtigen oder mit anderen vergangenen zusammenzuhalten, und wir können dabei feststellen, dass es viele unter ihnen giebt, die zwar nicht gleich aber doch ähnlich sind, d. h. die in gewissen, wenn auch nicht in allen Theilen übereinstimmen. Diese Fähigkeit des Vergleiches ist die grundlegende Eigenschaft unseres Geistes, sie allein ermöglicht uns den Schluss a u s d e r V e r g a n g e n h e i t d u r c h die G e g e n w a r t auf die Z u k u n f t , von dem, wie wir eben sahen, das Bestehen unseres Lebens überhaupt abhängt. Dies geschieht in folgender Weise. Die übereinstimmenden Antheile verschiedener ähnlicher Ergebnisse treten unter unseren Erinnerungen um so deutlicher hervor, je häufiger sie einen Bestandteil unseres Bewusstseins gebildet hatten. Dies ist ein allgemeines Gesetz unseres geistigen Lebens, von dessen Wirksamkeit wir unaufhörlich Gebrauch machen, wenn wir etwas lernen oder einüben. Wir wollen dies Gesetz als eine gegebene, durch zahllose Beobachtungen festgestellte Thatsache annehmen, ohne uns zunächst weiter zu fragen, mit welcher anderen Eigenthümlichkeit, etwa unserer körperlichen Organisation, es zusammenhängt. Ich will nur bemerken, dass die bisherigen Vermuthungen über derartige Zusammenhänge noch nicht zu einem einigermaassen befriedigenden Resultat geführt haben, und dass hier ein grosses und überaus wichtiges Problem der künftigen Arbeit offen liegt. Durch die Wiederholung ähnlicher Erlebnisse und den Vergleich derselben bildet sich in unserem Geiste ein Begriff aus, d. h. ein Inbegriff der übereinstimmenden Bestandtheile dieser Erlebnisse u n t e r A u s s c h l u s s d e r v e r s c h i e d e n e n . So erfahren wir, dass im Laufe einer gewissen Zeit die Sonne aufgeht, dass es wärmer und wärmer wird, indem die Sonne ihre Stelle am Himmel ändert, dass weiter unter dem Niedrigerwerden der Sonne die Temperatur abnimmt, bis es kalt und dunkel geworden ist. Nach Verlauf einiger Zeit wiederholen sich ganz ähnliche Erscheinungen, die wir Tag und Nacht nennen. Tage und Nächte sind keineswegs völlig gleich, denn heute ist der Himmel blau, morgen grau und mit Wolken bedeckt, heute scheint die Sonne, morgen regnet es. Von diesen VerOaTWALD, Naturphilosophie. III. Auflage.
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DIE
ERFAHRUNG
schiedenheiten sehen wir ab, wenn wir den Begriff Tag und Nacht bilden, wir halten uns nur an das Uebereinstimmende, den periodischen Wechsel von Hell und Dunkel, von Wärme und Kälte. Aus der Kenntniss dieses Begriffes ergiebt sich nun die Möglichkeit, in die Zukunft zu schauen. Er ist eine Zusammenfassung der zahllosen übereinstimmenden Erlebnisse in Bezug auf den Wechsel von Hell und Dunkel, und der Umstand, dass bisher dieser Wechsel sich vollkommen regelmässig und übereinstimmend vollzogen hat, führt uns zu der Vermuthung, dass er sich auch künftig in gleicher Weise vollziehen wird. Wir haben diese Vermuthung nicht erst heute aufgestellt, sondern sie hat sich vermöge des unaufhörlichen Erlebens dieser Erscheinung bereits in den ersten Zeiten unseres bewussten Geisteslebens ausgebildet. Wir haben daher schon ungezählte Male die Vermuthung bestätigt gesehen, und schöpfen hieraus die beruhigende Ueberzeugung, dass der Wechsel von Tag und Nacht auch ferner durch absehbare Zeiten in gleicher Weise stattfinden wird. Eine a b s o l u t e Gewissheit empfinden wir hierüber allerdings nicht; um so weniger, je entwickelter unser geistiges Leben und unsere Urteilsfähigkeit ist. Wir können uns ungeheure kosmische Ereignisse vorstellen, durch welche die Erde oder die Sonne vernichtet oder doch in ihren Eigenschaften so geändert werden könnte, dass Tag und Nacht verschwinden. Aber dieser Mangel an absoluter Gewissheit ist überall unser Loos. Wir empfinden lebhaft, wie viel leichter uns das Leben würde, wenn wir die Zukunft nicht nur mit verhältnissmässiger Wahrscheinlichkeit, sondern mit vollkommener Gewissheit voraussehen könnten, und der Wunsch nach dieser Erleichterung ist die Quelle aller philosophischen Hoffnungen gewesen, auf irgend eine Weise zum Absoluten vorzudringen, und hat denen, welche dies erreicht zu haben glaubten, ihre Anhänger zugeführt. Die bisherige Erfahrung hat die Trüglichkeit aller solcher Hoffnungen erwiesen, und so müssen wir auch diese Erlebnisse in den Schluss zusammenfassen, dass wir uns dem Ziele der Gewissheit zwar beständig annähern
ABSOLUTE
GEWISSHEIT
BEGRIFFE
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können, dass wir aber von seiner Erreichung keine Vorstellung besitzen. Ebenso, wie wir den Begriff von Tag und Nacht bilden, bilden wir eine Unzahl anderer Begriffe, die wir mit entsprechenden Namen belegen. Immer bezeichnen solche Namen zusammenhängende Erfahrungen, die sich in übereinstimmender Weise wiederholen, wobei der Zusammenhang nicht wie bei Tag und Nacht ein zeitlicher zu sein braucht, sondern auch irgend eine andere Form, z. B. die räumliche haben kann. Wörter wie B a u m , M e n s c h , S c h w e f e l s ä u r e bezeichnen immer wieder Gruppen zusammengehörender Erfahrungen, und wenn ich sage, dies ist Schwefelsäure, so wissen alle, die den Begriff Schwefelsäure kennen, dass es sich um eine dicke, schwere Flüssigkeit von ätzenden Eigenschaften handelt, die sich mit Wasser unter starker Erhitzung mischen lässt, sauer schmeckt, Ammoniakgas aufnimmt und noch viele andere Eigenschaften hat, deren Aufzählung eine lange Zeit in Anspruch nehmen würde. Die Kenntniss des Begriffes Schwefelsäure ermöglicht es mir daher, in Bezug auf das Verhalten des vorliegenden Stoffes eine Menge von Zukunftsaussagen zu machen, und ich habe eine ebenso grosse Zuversicht in das Eintreffen dieser Prophezeiungen, wie ich sie in die Wiederholung von Tag und Nacht habe; allerdings auch keine grössere. Solche Begriffe, in denen wiederkehrende Erlebnisse zusammengefasst werden, bilden nun die Grundlage aller geistigen Thätigkeit. Das Kind beginnt in den ersten Lebenstagen bereits mit der Bildung eines Begriffes, in welchem die Erlebnisse der Sättigung und Wärme, sowie andere angenehme Erfahrungen zusammentreten, und der erst viel später den Namen M a m a erhält Viel langsamer und unbestimmter entwickelt sich der Begriff P a p a . Während das Kind seine Mutter nicht mit einer anderen Frau verwechseln wird, begrüsst es in einem gewissen Entwickelungspunkte alle ins Zimmer tretenden erwachsenen Männer mit dem Rufe Papa. Später differenzirt sich dieser Begriff in die beiden P a p a und O n k e l , wobei unter Onkel jeder Mann verstanden wird, der nicht Papa ist. Hiermit vereinigen sich noch die positiven Bestimmungen, dass er eine Uhr besitzt, 2*
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deren Ticktack er hören lässt, dass er zu einem Ritt auf dem Kniee bereitwillig ist und dass er mit Mama freundlich ist Beim Papa trifft dies dagegen nicht immer zu. Aus diesen Beispielen wird überall deutlich ersichtlich, dass nie ein Begriff eine e i n z e l n e Erfahrung darstellt; ja, eine einzelne Erfahrung kann überhaupt keinen Begriff ergeben; dazu gehört eine Anzahl Wiederholungen ähnlicher Erfahrungen. Wenn wir einen völlig neuen Eindruck erleben, so reagiren wir fast immer auf ihn, indem wir erklären, ihn nicht benennen oder aussprechen zu können. Dies Gefühl findet sich wundervoll dargestellt in dem Monolog Hans Sachsens in den Meistersingern: Ich fUhl's — und kann's nicht versteh'n, kann's nicht behalten, — doch auch nicht vergessen; und fass' ich es ganz, kann ich's nicht messen. — Doch wie auch wollt' ich fassen, was unermesslich mir schien? Kein' Regel wollte da passen, und war doch kein Fehler darin. —
Und auch das Mittel, schliesslich mit dem neuen Erlebniss so weit als möglich fertig zu werden, hat hier seinen musikalischen Ausdruck gefunden, indem die Singstimme wie die Begleitung immer wieder die neue melodische Form wiederholen, welche mit der Kraft des neuen Erlebnisses auf den alten Künstler eingewirkt hat. Dadurch, dass der neue Eindruck vermöge der Erinnerung im inneren Sinne stets von neuem wiederholt wird, gewinnt er langsam den Charakter des Beg r i f f e s , zu dem eben die Wiederholung gehört Im Uebrigen sind die Begriffe von sehr verschiedenartiger Beschaffenheit und verschieden weitem Umfange. Die engsten werden durch Eigennamen dargestellt; sie sind in der That so eng, dass oft Zweifel ausgesprochen worden sind, ob sie überhaupt ben Begriffen zuzuzählen sind. Mir scheint dies unzweifelhaft zu sein. Wenn ich den Namen GOETHE nenne, so bezeichne ich mit ihm nicht ein einzelnes Erlebniss, sondern eine grosse Reihe von Erlebnissen, die durch das Lesen der Schriften dieses Mannes bewirkt worden sind, und deren Ge-
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EIGENNAMEN
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meinsames in der Herstammung von Einem und in gewissen Uebereinstimmungen der Denk- und Schreibweise liegt. Noch deutlicher nach anderer Seite wird vielleicht die Sache, wenn ich das Beispiel aus dem alltäglichen Leben nehme. Der Satz: P e t e r w e i n t hat nur einen Sinn für den, welcher weiss, wer Peter ist, d. h. welcher zu wiederholten Malen von einem Wesen namens Peter Kenntniss genommen hat, und eine gewisse Summe von bestimmten Beziehungen mit diesem Namen verbindet. Der Umfang des Begriffes Peter ist hier der geringste, der sprachlich vorkommt, denn er beschränkt sich auf den Umstand, dass ein Mensch von bestimmter Grösse, Gestalt, Verwandtschaft u. s. w. mit dem Namen Peter bezeichnet worden ist, und dass während einer gewissen Zeit eben dieser Mensch mit den gleichen Eigenschaften, bezw. mit Eigenschaften, die sich stetig in der Zeit gemäss bekannten Regeln ändern, dauernd besteht Dies wird noch klarer, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Peter, den ich kenne, durchaus nicht stetig oder dauernd in meinem Bewusstsein vorhanden ist Vielmehr ruft jedes persönliche Erscheinen Peters in meinem Gesichtsfelde, ferner auch das Hören und Lesen seines Namens, der Anblick seines Bildes, ja vielleicht auch nur die Wahrnehmung eines Geruches, der ihm aus irgend einem Grunde beständig anhaftet, in mir eine Gruppe von Vorstellungen hervor, deren Gesammtheit ich mit dem Namen Peter bezeichne. Es sind also u n t e r d i e s e m Namen zeitlich v e r s c h i e d e n e E i n z e l v o r s t e l l u n g e n z u s a m m e n g e f a s s t , die eine g e w i s s e S u m m e g l e i c h e r Elem e n t e e n t h a l t e n . Da diese immer gleichzeitig auftreten, so habe ich aus ihnen einen Begriff gebildet. Dabei ist wieder, wie immer bei der Begriffsbildung, von anderen Bestandt e i l e n abgesehen worden, die an Peter w e c h s e l n d sind, wie die Kleidung, Stellung, der Gesichtsausdruck, seine Entfernung von mir und anderen Gegenständen u. s. w. Auch die vorher geschilderte Benutzung des Begriffs zur Beurtheilung der Zukunft findet sich hier wieder, denn wenn ich Peter kenne, so weiss ich, wie er sich in einem gegebenen
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Falle verhalten wird, und zwar um so sicherer, je besser ich ihn kenne. Während ein Eigenname den e n g s t e n Begriff darstellt, dessen Allgemeinheit nur darin besteht, dass das damit bezeichnete Objekt eine zeitliche Dauer hat, innerhalb deren es beliebig oft ins Bewusstsein treten kann, haben die vorher erwähnten Begriffe, wie Baum, Mensch u. s. w. einen viel weiteren Umfang, indem sie auf unbegrenzt viele Einzelerscheinungen neben einander anwendbar sind. J e weiter ein Begriff wird, um so weniger übereinstimemnde Elemente erhält er nothwendig. So gelangen wir schliesslich zu dem w e i t e s t e n Begriff, den wir mit dem Namen D i n g oder O b j e k t bezeichnen. Ein Ding ist alles, was man von seiner (räumlichen oder zeitlichen) Umgebung unterscheiden kann; ausser diesem allgemeinen Kenntzeichen der Begrenztheit wird kein weiteres beachtet, und es ist von allem übrigen abgesehen, was sonst noch daneben in unserer Empfindung vorhanden ist. Hier tritt das Abstraktionsverfahren, das zu der Bildung eines Begriffes führt, am deutlichsten in die Erscheinung. Es ist nun oft von den Philosophen die Frage erörtert worden, wie sich der Begriff zur A n s c h a u u n g verhält, und BERKELEY hat die berühmte Bemerkung gemacht, dass man sich unmöglich den Begriff eines Dreiecks vorstellen könne, da es sowohl stumpf- wie spitzwinklige Dreiecke gebe, ein Dreieck aber, das sowohl stumpf- wie spitzwinklig ist, nicht möglich und daher auch nicht vorstellbar sei. Die Bemerkung ist offenbar richtig; und man muss daher schliessen, dass ein Begriff eben nicht vorgestellt werden kann. Entsprechend der Bildung der Begriffe durch Sammlung des Uebereinstimmenden und Fortlassen des Verschiedenen in einer grossen Zahl von Erlebnissen kann der Begriff nie einem einzelnen Erlebniss entsprechen, das nothwendig neben dem zum Begriff Gehörigen auch alles enthält, was fortgelassen werden soll. Wenn wir einer Figur gegenüber gefragt werden, ob sie ein Dreieck ist, so zählen wir eben nur die Ecken, ohne uns um die Grösse der Winkel zu bekümmern, und damit erfahren wir, ob die vorgelegte Figur unter den Begriff Dreieck gehört oder nicht. Hieraus ergiebt sich das
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UND ANSCHAUUNG
SCHLIESSEN
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Verhältniss zwischen Begriff und Erscheinung: ein Begriff ist eine Regel, n a c h w e l c h e r wir b e s t i m m t e E i g e n t ü m l i c h k e i t e n der E r s c h e i n u n g b e a c h t e n . So finden wir in der Bedeutung und Anwendung der Begriffe dieselben Umstände wieder, unter denen ihre Bildung stattfindet. Bei der praktischen Anwendung der im Begriff zusammengefassten Erfahrung kommt nun noch eine geistige Thätigkeit in Frage, die man mit dem Namen des S c h l i e s s e n s belegt. Haben wir die übereinstimmenden Bestandtheile gewisser Erscheinungen in einen Begriff zusammengefasst, so wissen wir, dass, wenn eine unter diesen Begriff fallende Erscheinung auftritt, auch ihre Bestandtheile anzutreffen sein werden, und wir können, wenn uns die Erscheinung in irgend einem Sinne angeht, unsere angemessenen Maassregeln treffen. Wie aber wissen wir, dass die eben entgegentretende Erscheinung thatsächlich unter den Begriff fällt? Die Antwort ist, dass, w e n n e i n i g e v o n den B e s t a n d t e i l e n d e s B e g r i f f e s v o r h a n d e n s i n d , wir eine V e r m u t h u n g auf d a s V o r h a n d e n s e i n der g a n z e n E r s c h e i n u n g h e g e n . Diesen geistigen Vorgang nennt man eben einen Schluss. Er ist es, welcher den klassischen Schlussformen zu Grunde liegt, mit deren Untersuchung sich die formale Logik seit zwei Jahrtausenden ohne wesentliche Bereicherung der einmal gefundenen Ergebnisse beschäftigt. Das Schulmodell des Schlussverfahrens ist das bekannte: Alle Menschen sind sterblich. Cajus ist ein Mensch. Also ist Cajus sterblich.
Die Analyse dieser Gedankenreihe in unserem Sinne ist folgende: Aus dem Vorhandensein vieler übereinstimmender Bestandtheile an gewissen Lebewesen hat man den Begriff M e n s c h gebildet. Unter diesen übereinstimmenden Bestandtheilen findet sich auch der, dass bisher jeder Mensch, nachdem er ein gewisses Alter, das sich nicht viel über 100 Jahre erstreckt, erreicht hat, dem Tode verfällt. Nun hat Cajus alle anderen Bestandtheile des Begriffes Mensch erkennen lassen;
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DIE
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sein Tod ist noch nicht beobachtet worden, weil er das dazu erforderliche Alter noch nicht erreicht hat. Auf Grund der übrigen Uebereinstimmung vermuthen wir nun, dass auch das Kennzeichen der Sterblichkeit seinerzeit bei Cajus nicht ausbleiben wird. Bei der gebräuchlichen Analyse des Schlussverfahrens wird meist auf ganz andere Seiten der Sache Gewicht gelegt, und es finden sich weitläufige Untersuchungen über die Ursache und den Grad der Gewissheit derartiger logischer Operationen. Für uns ist das Wesentliche, dass auch bei solchen ganz zweifellos erscheinenden Schlüssen das entscheidende Kennzeichen, welches bereits bei der Begriffsbildung die bestimmende Rolle spielt, das i n d u k t i v e Verfahren, sich auch hier wieder zu erkennen giebt Unter dem induktiven Verfahren verstehen wir aber den Schluss aus der bisherigen Erfahrung auf die Zukunft. Es lässt sich auf die Form bringen: weil eine g e w i s s e Bez i e h u n g b i s h e r r e g e l m ä s s i g b e o b a c h t e t w o r d e n ist, v e r m u t h e n wir, d a s s s i e a u c h k ü n f t i g v o r h a n d e n sein wird. Diese Beziehung kann im Uebrigen sehr verschiedenartige Beschaffenheit haben; sie kann insbesondere sich als gleichzeitiges Vorhandensein oder als zeitlich nach einander erfolgendes Ablaufen der Erscheinung darstellen. Wie man sieht, wird durch das Schlussverfahren nichts wesentlich Neues in die uns bereits bekannten geistigen Operationen hineingebracht, denn eben dasselbe Verfahren kommt in ganz gleicher Weise für die Begriffsbildung selbst in Betracht und das Neue besteht nur in der Untersuchung, ob der vorhandene Begriff sich auf einen neuen Fall ausdehnen lässt. Dies lässt sich besonders deutlich bei der Neubildung von Begriffen beobachten, wie sie in den Wissenschaften beständig stattfindet. Wenn sich hier gewisse Uebereinstimmungen oder Aehnlichkeiten gezeigt haben, so nimmt der Forscher zunächst an, dass das Material für einen Begriff vorhanden sei, und wendet nun das eben geschilderte Schlussverfahren auf neue Fälle, die zu seiner Kenntniss kommen, an. J e nachdem sich die durch den Schluss ausgesprochene Erwartung bewährt, oder nicht, sieht er sich in der Lage, einen neuen Begriff zu bilden,
IND
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oder er überzeugt sich, dass die zuerst gesehene Regelmässigkeit „zufällig", d. h. von noch unbekannten Bestandteilen abhängt, ohne deren Kenntniss eine Begriffsbildung nicht ausführbar ist. Um dies zu erläutern, brauche ich nur die Entdeckungsgeschichte irgend eines chemischen Elementes zu erzählen. Zu dem Begriff eines chemischen Elementes gehört unter anderem, dass, wenn es in Dampfgestalt glühend gemacht wird, das alsdann ausgestrahlte Licht aus einer endlichen Zahl einzelner Lichtarten von bestimmter Wellenlänge besteht; man nennt diese bekanntlich das Spektrum des Elementes. Nun wurde in der Sonne eine Linie beobachtet, die zu Zeiten sehr deutlich auftrat, und der kein bekanntes Element entsprach Folglich schloss man auf das Dasein eines unbekannten Elementes, das von seinem Auftreten auf der Sonne den vorläufigen Namen H e l i u m erhielt. Das Schlussverfahren ist nach der Formel folgendes: Jedem Spektrum entspricht ein Element. In dem Sonnenlicht tritt ein unbekanntes Spektrum auf. Also ist in der Sonne ein unbekanntes Element vorhanden.
Später fand W. RAMSAY bei der spektralen Untersuchung der Gase, die sich aus gewissen Mineralien beim Glühen entwickeln, eine Linie, welche mit der Heliumlinie im Sonnenlichte zusammenfiel, und er schloss daher, dass in seinen Gasen das unbekannte Element Helium vorhanden sei. Durch eine Reihe von Trennungsarbeiten, die in diesem Falle nicht geringe Schwierigkeiten machten, ist es ihm denn auch schliesslich gelungen, einen gasförmigen Stoff zu gewinnen, dem auch alle übrigen Eigenschaften eines chemischen Elementes zukommen, und somit ist der Schluss bestätigt. Hiermit war die vorher nur angebahnte Bildung des neuen Begriffes H e l i u m vollzogen. Da nun aber die erste Bildung eines Begriffes von seiner beständig stattfindenden Ausdehnung auf neue Fälle durch keinerlei besonderes Kennzeichen getrennt ist, so wird man die Operationen des Begriffbildens und des Schliessens als zwei Stufen einer zusammenhängenden geistigen Arbeit aufzufassen haben.
DRITTE
VORLESUNG
DIE S P R A C H E enn in der Weise, die in grossen Zügen eben geschildert worden ist, Begriffe gebildet werden, so entstehen sie zunächst in dem Wesen allein, in dessen Seele die erforderlichen Erlebnisse zu Erfahrungen zusammengefasst worden sind. Sie bleiben vermöge des Gedächtnisses eine längere Zeit hindurch erhalten, aber nicht immer so lange, als das Leben dieses Wesens dauert Wenn uns zufällig Dokumente aus einer einigermaassen weit zurückliegenden Zeit unseres eigenen Lebens zur Kenntniss kommen, so empfinden wir meist eine ganze Menge der alten Begriffe als ungewohnt geworden; ja manche erkennen wir überhaupt nicht als die unsrigen wieder. Es ist dies ein Eindruck, den namentlich Schriftsteller, die schon in früherem Alter publicirt haben, gegen Ende ihres Lebens oft und lebhaft empfunden und zum Ausdruck gebracht haben. Es liegt also im allgemeinen die Gefahr nahe, dass die Arbeit, welche an die Bildung eines Begriffes gewendet worden ist, vergeblich gethan war, falls dieser nicht durch eine häufige Anwendung im Gedächtniss frisch und thätig erhalten bleibt Daher tritt schon für das Individuum ein Bedürfniss ein, einerl einmal gewonnenen Begriff auf irgend eine Weise unabhängig vom Gedächtniss festzuhalten. Noch dringender wird ein solches Bedürfniss bei dem Verkehr mehrerer Individuen mit einander. Die älteste Form solchen Verkehrs wird wohl die zwischen Mutter und Kind sein. In der That ist in allen Fällen, wo die Nachkommenschaft eine Hilfe seitens der Erzeuger erfährt, irgend eine Form der
ERINNERUNG
UND
VERERBUNG
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Mittheilung nothwendig. Solche Mittheilungen können sich sachgemäss nur auf B e g r i f f e beziehen, denn völlig neue Erfahrungen können nur erlebt, nicht aber mitgetheilt werden; es müssen also bereits übereinstimmende Erlebnisse sich zu Begriffen verbunden haben, bevor eine Mittheilung v e r s t a n d e n werden kann. Hiermit soll die Behauptung, dass sich in jedem jungen Individuum die Begriffsbildung selbst ganz von neuem vollzieht, nicht aufgestellt werden, da eine solche Annahme mit vielen Thatsachen im Widerspruch stehen würde. Die Beobachtungen, welche uns einen hohen Grad von geordneter und zweckmässiger Thätigkeit, z. B. bei einem eben aus dem Ei gekrochenen Hühnchen, erkennen lassen, verweisen vielmehr auf den Schluss, dass wenn nicht die Begriffe selbst, so doch eine weitgehende Fähigkeit, gewisse Begriffe bei erster Gelegenheit zu gestalten, durch Vererbung von einer Generation auf die andere übergeht. Fasst man, worauf uns die Gesammtheit der biologischen Thatsachen ohnedies hinweist, die Fortpflanzung als eine stetige und unmittelbare Erweiterung des individuellen Lebens auf, so tritt der Begriff der V e r e r b u n g , wie dies von HERING schön ausgeführt worden ist, unter den der E r i n n e r u n g . Dadurch wird es aber für unsere Hauptbetrachtung unwesentlich, ob die von dem Thier benutzten Begriffe aus der persönlichen Erinnerung stammen, oder aus der Gattungserinnerung, und im letzteren Falle durch Vererbung auf das Individuum übertragen worden sind. Es handelt sich ja hier nur um die Grunderscheinung, dass der Begriff durch häufige Wiederholung gemeinsamer Antheile der Erlebnisse entsteht, und es ist eine höchst aufklärende Erweiterung unseres Gesichtskreises, wenn wir uns so im Stande sehen, die Arbeit der Begriffsbildung einerseits als Geschenk unserer Vorfahren zu übernehmen, andererseits unseren Antheil daran auf unsere Nachkommen zu übertragen. Daher entsteht die allgemeine Frage, wie eine solche Mittheilung überhaupt ausführbar ist. Das Verfahren besteht darin, d a s s d e m B e g r i f f i r g e n d ein Z e i c h e n in G e s t a l t eines sinnlich erkennbaren Dinges z u g e o r d n e t wird
DIE
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SPRACHE
Diese Zuordnung kann sich zunächst auf das Bewusstsein des Begriffbildenden beschränken; ein Beispiel hierfür bildet der vielbenutzte Knoten im Schnupftuch, bei dem nur bekanntlich wegen seiner allzu universalen Verwendung der Zusammenhang zwischen Begriff und Zeichen so locker wird, dass der Zweck der Festlegung oft genug verloren geht Der Zweck der M i t t h e i l u n g wird aber erst erreicht, wenn auch Anderen die Zuordnung zwischen Begriff und Zeichen bekannt ist, so dass bei ihnen der Begriff hervorgerufen wird, wenn ihnen das Zeichen ins Bewusstsein gebracht worden ist. Ein solches Zeichen muss jedenfalls etwas sein, was zu einem der Sinnesapparate spricht, wobei in erster Linie das Gesicht und Gehör in Betracht kommen. Sinne, die nicht auf weitere Entfernungen reagiren, wie der Geruch und das Getast, sind zwar nicht ausgeschlossen, finden aber naturgemäss eine viel beschränktere Verwendung. Im übrigen kann man in der That kaum einen Gegenstand oder Vorgang nennen, der nicht in solchem Sinne benutzt werden könnte. Von den Lock- und Warnlauten der Thiere, deren Dauer eine Sekunde nicht überschreitet, bis zu den egyptischen Pyramiden, welche ihre stumme Nachricht seit vier Jahrtausenden der Welt verkünden und noch durch ungezählte weitere Jahrtausende verkünden werden, von der Kopfhaut des erschlagenen Feindes, die der indianische Krieger zum Zeichen seiner Tapferkeit in seiner Hütte aufhängt, bis zu der fast unmerklichen Augenbewegung, die dem Liebenden die Erfüllung seines Sehnens verkündet, erstrecken sich die Zusammenhänge zwischen Zeichen und Begriff, die zur Uebertragung einer Nachricht von einem Lebewesen auf das andere benutzt werden. Es ist hier nicht unsere Aufgabe, uns Rechenschaft über diese verschiedenen Arten der Begriffsbezeichnung zu geben; wer sich hierfür interessirt, findet ausführliche und tiefgehende Auskunft in WüNDT's Völkerpsychologie.1 Für unsere Zwecke kommen nur die L a u t - und S c h r i f t z e i c h e n in Frage, die 1
Leipzig, Engelmann, 1900—1901.
SPRACHE
UND
SCHRIFT
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gegenwärtig ein derart zusammenhängendes System bilden, dass sie gemeinsam behandelt werden können. Hierher gehören übrigens nicht nur die Zeichen, welche die Wörter der Sprache im engeren Sinne ausdrücken, sondern auch mathematische und chemische Formeln, sowie alle anderen Symbole, welche die verschiedenen Wissenschaften benutzen. In solchen Zeichen verbinden sich die Vortheile der verschiedenen Hilfsmittel. Die in der S p r a c h e benutzten Laute lassen sich leicht und mannigfaltig genug hervorbringen, um Zeichen für beliebig viele und schnell auf einander folgende Begriffe zu liefern; auch ist die Tragweite der Stimme genügend, um solche Zeichen nicht nur für die allergrösste Mehrzahl der Fälle dem Empfänger ohne Anstrengung beiderseits zugänglich zu machen, sondern sie reicht auch aus, um die Aufmerksamkeit des zu Benachrichtigenden auf den Nachrichtgeber zu lenken, wenn sie auch eben nach anderer Seite gerichtet war. Ferner bewirkt die wunderbare Fähigkeit des Ohres, die eindringenden Klangmassen je nach ihrer Natur und Entstehung gesondert wahrzunehmen, eine ganz besondere Brauchbarkeit des Gehörs im Verkehr Vieler unter einander. Wenn Sie im Gespräche mit einem Anderen über die Strasse gehen, so verstehen Sie ohne Anstrengung, was er sagt, obgleich zu derselben Zeit das Rollen vorüberfahrender Wagen, das Klingeln der elektrischen Strassenbahn, das Geräusch vieler Schritte und Stimmen und etwa noch ein Lokomotivpfiff in Ihr Ohr dringt; und dabei wird Ihre Aufmerksamkeit durch den fernen Ruf „Extrablatt" sofort rege gemacht, während Sie den Worten Ihres Freundes lauschen. Infolge dieser ausserordentlichen Vortheile wird die Anwendung des g e s p r o c h e n e n Wortes zur Uebertragung der Begriffe schon in sehr tiefen Stufen der Entwicklung allgemein angetroffen, während das andere im Anschlüsse hieran entwickelte Mittel, die Schrift, erst viel später auftritt. Diese entspricht dem Bedürfniss, bestimmten Begriffen und Gruppen derselben Zeichen zuzuordnen, welche der Mittheilung eine grössere D a u e r verleihen, als sie dem gesprochenen Worte innewohnt Einige von den vorher erwähnten Beispielen zeigen,
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DIE
SPRACHE
dass dies erreichbar ist, und dass namentlich körperliche Gegenstände, welche mit dem aufzubewahrenden Begriff in näherer unmittelbarer Beziehung stehen, für diesen Zweck vielfach verwendet werden. Zwar gestattet bereits das Wort allein, indem man es dem Gedächtniss der aufeinander folgenden Generationen anvertraut, eine zeitlich sehr weitgehende Aufbewahrung. Ein Zeugniss hierfür sind beispielsweise die Volkslieder und Volksepen kleiner Völker, wie der Litthauer oder Finnen, die viele Jahrhunderte alt sind, ohne eine andere Form der Aufbewahrung als die mündliche bis in die jüngste Zeit erfahren zu haben. Aber man sieht gleichzeitig einen unvermeidlichen Nachtheil hierbei auftreten: dies sind die langsamen Aenderungen, die bei der mündlichen Aufbewahrung und Uebertragung ganz unvermeidlich sind, und deren Wirkung durch die Anwendung von Rhythmus und Reim zwar eingeschränkt, aber nicht aufgehoben werden kann. 1 So ist denn die Ausbildung eines Systems von Begriffszeichen, die den Worten entsprechen, eine dringende Angelegenheit, die gegenwärtig bei den in Betracht kommenden Kulturvölkern durch die Benutzung der B u c h s t a b e n t o n s c h r i f t gelöst worden ist. Das Prinzip besteht darin, dass man die Zeichen möglichst unmittelbar dem gesprochenen Worte anschliesst, indem man die Laute, die bei seinem Aussprechen hervorgebracht werden, mittelst entsprechender Lautzeichen angiebt Dadurch entwickelt sich die Schriftsprache im engsten Anschluss an das gesprochene Wort, und ihre Bedeutung für die Bildung, Festlegung und Aufbewahrung der Begriffe ist beiderseits fast die gleiche. Diese Buchstabentonschrift ist durchaus nicht die einzige denkbare oder mögliche Schrift; sie ist aber die einzige, welche zu allgemeiner Anwendung gelangt ist. Für uns ist es weiterhin nicht von Belang, ob wir unsere Betrachtungen auf das gesprochene oder auf das geschriebene Wort beziehen, da sich beide für den Begriff vollständig vertreten. 1 Für Aufklärung in den hier obwaltenden Verhältnissen meinem Collegen Prof. K. Brugmann zu Dank verpflichtet.
bin
ich
BEGRIFF
UND
WORT
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So haben wir in jeder Sprache den Schatz zu erblicken, in welchem ungezählte Geschlechter einer Volks- oder Sprachgemeinschaft die Ergebnisse ihrer begriffsbildenden Thätigkeit zu allgemeiner Benutzung niedergelegt haben, und wir mögen hoffen, dass die einzelnen Stücke, die Worte, durch die bessernde und auslesende Thätigkeit einer langen Entwicklung den denkbar höchsten Grad der Vollkommenheit erreicht haben. Und wenn wir dem Gange unserer Betrachtungen gemäss uns die Aufgabe stellen, W e s e n u n d G e s e t z e d e r B e g r i f f e zu e r k e n n e n und zum Zwecke bewusster Benutzung auszusprechen, so erscheint auf den ersten Blick kein Material hierzu besser geeignet, als es die Sprache bietet. Auch scheint die Aufgabe auf das beste dadurch vorbereitet, dass schon die Sprache selbst in den verschiedenen Wortarten und den Gesetzen ihrer Wandlung und Verbindung, in der Grammatik und der Syntax, eine Ordnung und Eintheilung der Begriffsnamen und ihrer Beziehungen enthält, deren Ergebnisse wir einfach in die Gestalt umzugiessen hätten, welche unsere eben gestellte Aufgabe fordert. In der That sehen wir einen der hervorragenden Naturphilosophen aller Zeiten, den griechischen Professor ARISTOTELES, in solcher Weise vorgehen. Wenn es sich für ihn um die Festlegung eines Begriffes handelt, so fragt er sich zunächst, was mit dem betreffenden Worte im gewöhnlichen Leben bezeichnet wird, und die so erhaltenen Bestimmungen dienen ihm zur Grundlage aller weiteren Forschungen, Es ist bekannt, dass dies Verfahren ARISTOTELES vor groben Fehlern seiner Naturphilosophie nicht zu schützen vermocht hat, und dass die geistlose Nachahmung und Erweiterung dieser Wortbearbeitung das Mittelalter in die Sackgasse der Scholastik geführt hat, in welcher ungemessene Mengen geistiger Energie fast ergebnisslos vergeudet worden sind. Die hier vorhandenen Gefahren sind unübertrefflich von GOETHE in den Darlegungen des Mephisto an den Schüler geschildert worden, so dass ich nur diese Worte zu wiederholen brauche, um vollständig auszudrücken, was ich Ihnen sagen möchte. Mephisto sagt:
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DIE
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Im Ganzen, haltet Euch an Worte, Dann geht Ihr durch die sichre Pforte Zum Tempel der Gewissheit ein.
Dies ist die Methode des ARISTOTELES, und die naheliegenden Betrachtungen, die wir vorher angestellt haben, fasst der Schüler in die Gegenbemerkung zusammen: Doch ein Begriff muss bei dem Worte sein.
Die scholastische Entartung der Wortuntersuchung tritt in Mephistos Entgegnung zu Tage: Schon gutl Doch muss man sich nicht allzu angstlich quälen; Denn eben w o Begriffe fehlen, Stellt oft ein Wort zu rechter Zeit sich ein. Mit Worten lässt sich trefflich streiten, Mit Worten ein System bereiten, An Worte lässt sich trefflich glauben, Von einem Wort lässt sich kein Jota rauben.
Hier finden wir Alles gesagt, was für die Angelegenheit wesentlich i s t Durch die Festlegung des Z e i c h e n s entsteht der Eindruck, als sei nun auch der B e g r i f f festgelegt, und als sei die Verbindung zwischen beiden so innig, dass alle Arbeit, die wir an und mit dem Worte ausführen, den gleichen Werth und Erfolg habe, als wäre sie unmittelbar am Begriff vorgenommen. Es liegt hier das Beispiel eines falschen Schlusses von e i n z e l n e n Fällen auf a l l e Fälle vor: weil für den Begriff das Wort als ein Erkennungszeichen und in solchem Sinne als eine Vertretung dienen kann, hat man gemeint, dass das Wort den Begriff in allen seinen Beziehungen vertreten kann. Woher rühren nun die Fehler, welche hier gemacht worden sind, und noch täglich gemacht werden? Wir haben doch z. B. in den ganz ähnlichen Z a h l e n z e i c h e n eine Begriffsvertretung, die uns die mannigfaltigsten Operationen ohne Fehler an den Zeichen statt an den Dingen durchzuführen gestattet Wir berechnen im gewöhnlichen Leben aus dem Gewicht oder Raum der Waaren ihren Werth, aus den Grenzen eines Ackers seinen Flächeninhalt, und in der Wissenschaft machen wir unzählige, viel verwickeitere Rechnungen mittelst der Zeichen, die
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uns die Begriffe vertreten, ohne dass je eine Gefahr solcher Irrthümer für den auftritt, der die Regeln der Rechnung kennt und einhält. Die Antwort liegt darin, dass sowohl Begriffe wie Worte keine starren und unveränderlichen Gebilde sind, wie die Zahlen, sondern einer unaufhörlichen Umwandlung unterliegen. Dies rührt zunächst daher, dass die Begriffe des gewöhnlichen Lebens ihrerseits nicht sehr bestimmt sind und in ihren Bestandtheilen grossen Schwankungen unterliegen. So wird die B l i n d s c h l e i c h e von dem nicht zoologisch Gebildeten stets unter den Begriff der S c h l a n g e gebracht, weil sie die äusseren Kennzeichen einer solchen nach Gestalt und Bewegung hat. Dass die Zoologie sie den Eidechsen zuordnet, liegt an nicht zu Tage tretenden anatomischen Eigenthümlichkeiten. So giebt es also zwei verschiedene Begriffe S c h l a n g e , von denen der volksthümliche bei weitem der unbestimmtere ist. Dass aber auch die wissenschaftlichen Begriffe nicht immer vollkommen unzweideutig sind, geht aus der Thatsache hervor, dass die Unterordnung bestimmter Species in die eine oder andere Klasse so häufig einen Gegenstand wissenschaftlicher Streitigkeiten bildet. Diese beruhen natürlich darauf, dass für den Einen der fragliche Klassenbegriff durch andere Bestandtheile bestimmt wird, als für den Anderen. Weil nun in der Sprache des täglichen Lebens die Bestandtheile der verschiedenen Begriffe keineswegs angegeben und festgelegt werden, so herrscht eine beständige Unsicherheit bei dem Gebrauche der Wörter darüber, welche Bestandtheile in dem zugehörigen Begriff enthalten sind. Durch die Uebertragung der Wörter von den Eltern und Lehrern auf die Kinder erfolgen weitere langsame Verschiebungen, so dass im Laufe längerer Zeit ganz ausserordentliche Begriffswechsel an einem und demselben Worte eintreten. Ein hübsches Beispiel bilden die Bezeichnungen M i n i s t e r und M a g i s t e r . Ursprünglich ist der Minister der Wortbedeutung nach der G e r i n g e r e , d. h. dei Diener des Herrschers, dessen Befehle er ausführt. Der Magister ist dagegen der H ö h e r e , der mehr bedeutet gegenüber dem gewöhnlichen Akademiker. Stellen wir aber OITWALD, Naturphilosophie. III. Auflage.
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DIE
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nun in Gedanken einen Minister und einen Magister neben einander, und vergleichen sie, so wird das Ergebniss schwerlich der Wortbedeutung entsprechen. Gegenüber derartigen Unsicherheiten und Verschiebungen werden wir uns sagen müssen, dass ein grosser Theil des Werthes, der in der Festlegung und Kennzeichnung der Begriffe durch Wörter liegt, vermöge der Wandelbarkeit des Verhältnisses zwischen Wort und Begriff verloren geht, und dass überall die schwersten Irrthümer drohen, wenn man die Wörter im Vertrauen auf die Beständigkeit und Eindeutigkeit ihrer Bedeutung anwendet. Ich lege Gewicht darauf, dieses zu betonen, schon um uns bei unserem weiteren Vorgehen vor hieraus entspringenden Fehlern zu schützen oder doch wenigstens zu warnen. Ferner aber handelt es sich um die Bekämpfung des sehr verbreiteten Vorurtheils von der unübertroffenen Herrlichkeit der Sprache. Durch die in ihr niedergelegte Arbeit der Eltern und Voreltern bis in unübersehbare Generationen zurück haftet ihr etwas Ehrwürdiges an, und weil wir uns ihrer bei allem bedienen, was im Verkehr mit Nahen und Nächsten an Glück und Leid in unserem Leben erwächst, verbinden sich mit ihren Lauten Erinnerungen an das Schönste und Tiefste, was wir erlebt haben. Bei aller Lebhaftigkeit der Empfindung für derartige Erinnerungen dürfen wir aber nicht übersehen, dass, wenn auch die Vergangenheit eine grosse Summe von Denkarbeit in der Sprache niedergelegt hat, die Ergebnisse dieser Denkarbeit nicht immer richtig und angemessen waren. Es ist natürlich, dass die vorhandenen Zusammenhänge erst unvollkommen, ja unrichtig aufgefasst wurden, bis sich die Kenntnisse entwickelten, welche eine bessere Begriffsbildung ermöglichten. Was giebt es anmuthigeres, als das Wort S o n n e n a u f g a n g ? — eine ganze Fülle von Frische und Schönheit strömt bei diesem Klange auf uns aus. Und doch müssen wir im Sinne der heutigen Kenntniss in diesem Worte den Ueberrest einer fehlerhaften Begriffsbildung sehen, denn die Sonne erhebt sich nicht am Himmel, sondern die Erde dreht sich ihr entgegen; verfolgen
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SPRACHE
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wir aber die Geschichte des Wandels, welche der entsprechende Begriff erfahren hat, dann tritt vor unser geistiges Auge nicht das Rosenroth des neuen Tages, sondern die düstere Gluth des Scheiterhaufens, mit dem die Umgestalter des alten Begriffes, COPERNICUS und GALILEI, von ihrem Unterfangen zurückgeschreckt werden sollten. Die Sprache ist also nicht nur die Schatzkammer, in welcher- die Kostbarkeiten der richtigen und zweckmässigen Begriffsbildungen aufbewahrt werden, sondern sie ist gleichzeitig eine Rumpelkammer für abgethane und verbrauchte Begriffe. Denn da ohnedies der Zusammenhang zwischen Wort und Begriff vielfach unsichtbar geworden ist, so wird nicht nothwendig ein Widerspruch empfunden, wenn der dem Begriffe zugeordnete Laut zufällig mit einem anderen Begriffe in Zusammenhang stehen sollte, der mit dem vorhandenen nichts mehr zu thun hat. Daher erfolgt auch nach Verbesserung des Begriffes die Ausmerzung seines fehlerhaften Wortes meist viel später und oft auch gar nicht. So nennen die Chemiker den Sauerstoff noch immer bei diesem Namen, obwohl sie jetzt wissen, dass die sauren Stoffe diese ihre Eigenschaft nicht dem Sauerstoff, sondern dem Wasserstoff verdanken. Es ist deshalb oft in nachdenklichen Köpfen die Frage entstanden, ob diese Unsicherheit der Sprache, zu der sich noch die jedem gegenwärtigen und früheren Gymnasiasten schmerzlich bekannte Unregelmässigkeit der Grammatik gesellt, nicht durch eine den Begriffen besser angepasste künstliche und daher vollkommen regelmässige Sprache ersetzt werden könnte. Man ist in unserer Zeit meist noch geneigt, solche Gedanken für lächerliche Wahngebilde zu halten, und es finden sich nicht selten entrüstete Deklamationen in dem Sinne, dass man ein organisch gewachsenes Ganzes, wie es eine Sprache ist, nicht künstlich herstellen könne, ebensowenig wie man einen Baum herstellen kann. Nun, die Sprache ist kein für sich gewachsener und für sich bestehender Organismus, sondern ein Werkzeug, das sich die Menschen zu bestimmten Zwecken hergestellt haben, und das im Laufe langer Zeiten mit der Aenderung dieser Zwecke 3*
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auch seinerseits mancherlei Aenderungen erfahren hat. Sie ist vergleichbar einem alten Hause, das von vielen auf einander folgenden Geschlechtern bewohnt worden ist, und an dem jedes neue Geschlecht geändert, abgerissen und zugefügt hat, was ihm nöthig schien, um es bewohnbar zu erhalten. Freilich werden wir das alte Haus nicht ganz und gar abreissen und vernichten, dazu steckt eben zu viel von dem Leben unserer Vorfahren darin. Aber können wir uns nicht daneben ein besonderes Haus für besondere Zwecke bauen? Wenn für die neuen Arbeiten, die wir verrichten wollen und müssen, die alten Räume zu dunkel und winklig, der alte Boden zu uneben ist, so können wir doch für das neue Werk ein neues, bequemes und angemessenes Gebäude daneben errichten! Freud und Leid, Geburt und Tod werden wir im alten Hause nach wie vor erleben, und was unser Gemüth bewegt, wird sich in seinen trauten Wänden abspielen. Aber die Geschäfts- und Arbeitsräume können wir sehr wohl in ein neues Haus verlegen, das nüchtern und zweckmässig nicht aus knorrigen Balken und aus Felsblöcken, sondern aus glatten Ziegeln und schlanken, aber starken eisernen Trägern erbaut ist. Wir können sehr wohl, um wieder ohne Gleichniss zu sprechen, neben der Muttersprache eine allgemeine, einfache Geschäfts- und Wissenschaftssprache erbauen, die für den Verkehr der Völker unter einander noch unvergleichlich viel nützlicher wirken wird, als Telegraph und Eisenbahn. In der That besitzen wir bereits mehrere derartige Sprachen. Notenschrift wird über die ganze Welt verstanden, wo europäische Musik bekannt ist, und wenn wir aus einem japanischen Buche auch nichts anderes verstehen, so verstehen wir doch chemische Formeln und mathematische Gleichungen, die darin vorkommen. Ebenso sind geschriebene Ziffern, obwohl sie in verschiedenen Sprachen ganz verschieden ausgesprochen werden, doch Allen verständlich, die überhaupt nur eine Sprache lesen können. Es handelt sich thatsächlich nicht um eine Phantasterei bei der Frage nach der allgemeinen künstlichen Sprache, sondern um eine wissenschaftlich-technische Aufgabe, deren Lösung
UNVOLLKOMMENHEIT
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eine unabsehbare Entlastung der arbeitenden Menschheit von nutzloser Anstrengung mit sich bringen wird. Bis nun aber eine solche Sprache in die Wissenschaft eingeführt sein wird, 1 müssen wir uns mit der vorhandenen behelfen, und so lange wir unsere Arbeitsräume nicht in das neue Haus verlegen können, müssen wir die Eintheilung und die Besonderheiten des alten Hauses kennen lernen, damit wir uns bei der Arbeit nicht verirren; denn Nachtheile, die man kennt, kann man meist unschädlich machen. Wie gross thatsächlich diese Nachtheile gerade für die philosophische Arbeit sind, geht aus dem endlosen Kampfe der philosophischen Anschauungen hervor und aus der verhältnissmässig geringen Ausbeute an gesicherten und allgemein anerkannten Ergebnissen, die sich aus dieser ungeheuren Summe von geistiger Arbeit der besten Männer aller Zeiten hat gewinnen lassen. Aus unsicherem, unter den Händen zerbröckelndem und sich umgestaltendem Material einen halt- und brauchbaren Apparat zu bauen, ist eine schwere Aufgabe, und unsere Bewunderung für jene grossen Männer findet ihre richtige Grundlage erst, wenn wir dieses nahezu unüberwindliche Hinderniss ihrer Arbeit ins Auge fassen. Was ist nun hierbei zu thun? Wir wollen um jeden Preis Ordnung und Sicherheit in unseren Besitz an Begriffen hineinbringen; wir wollen, um uns vor Täuschungen zu hüten, für jeden Begriff, den wir benutzen, Inhalt und Umfang genau angeben. Ist dies überhaupt möglich? Die Antwort, und zwar eine bejahende, finden wir, wenn wir uns darnach umsehen, ob nicht wenigstens an einigen Begriffen derartige Festlegungen bereits stattgefunden haben, und auf welche Weise dies geschehen ist. Solche festgelegte Begriffe sind in erster Linie die Einheiten von Zeit, Maass und Gewicht. Was eine Stunde, ein Meter, ein Gramm ist, können wir ganz genau angeben, ebenso giebt es für Rauminhalte, Geschwindigkeiten, elektrische 1 Ein vielversprechender Anfang hierzu ist durch die Bildung der Délégation pour l'adoption d'une l a n g u e auxiliaire intern a t i o n a l e (Paris IV, rue St. Placide 54) gemacht worden,
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Grössen u. s. w. ganz bestimmte und unzweideutige Maasse. Die messende Wissenschaft hat, indem sie sich den Bedürfnissen des praktischen Lebens anschloss, ein ganzes ausgedehntes System sogenannter absoluter Maasse festgestellt. Und zwar ist dies gelungen, indem man einige wenige Grössen, vor allen Zeit, Länge, Masse, Temperatur und einige andere, ein für allemal ihrem Werth nach festsetzte, und alle anderen Grössen durch die Verbindung dieser Grundwerthe eindeutig bestimmte. Dass wir ähnlich bei unserer allgemeineren Aufgabe verfahren können, wird uns dadurch nahe gelegt, dass auch die meisten Begriffe, die wir bisher untersucht hatten, als zusammengesetzt herausstellten (S. 19); es giebt also eine Möglichkeit, die Begriffe in einfachere zu zerlegen, und die Aufgabe, alle Begriffe festzumachen, würde sich auf die leichtere zurückführen lassen, die einfachsten Begriffe zu ermitteln und die Zusammensetzung der anderen aus diesen Elementen anzugeben. Der Weg ist allerdings nicht so einfach zu gehen, wie zu zeigen. Wir erkennen dies, wenn wir jenes einfachere Beispiel eingehender untersuchen. Wie ist beispielsweise die Einheit der Länge festgelegt worden? Das Verfahren ist von jeher das gewesen, dass man einen körperlichen Maassstab gewählt hat, und übereingekommen ist, diesen als Grundlage aller Messungen zu benutzen. Die Namen Fuss und Elle, Faden und Ruthe für solche Längeneinheiten bewahren uns noch die Erinnerung daran auf, dass in erster Linie die bequeme Zugänglichkeit der Einheit ihren Gebrauch bestimmt hat. Die Länge des Fusses oder die des Unterarmes (Elle) bietet sich der Anwendung leicht dar, da man eben kein besonderes Instrument mitzunehmen hat, wenn man eine Messung machen will. Die geringe Genauigkeit dieser Einheiten war so lange kein Fehler, als noch die Abschätzung der Werthe keine grössere erreichte. Aber die Thatsache, dass die übereinstimmenden Körpertheile verschiedener Menschen verschieden an Länge sind, musste sich doch endlich der Beachtung aufdrängen, und es musste an die Herstellung eines weniger zufälligen Maasses gedacht werden. Hier boten sich die unbe-
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lebten festen Körper als die unveränderlichsten dar, und die Wahl wurde zunächst durch die Forderung bestimmt, dass eine bequeme Messung mit ihnen möglich war. Vielleicht bezeichnen die Namen R u t h e und F a d e n diesen Zustand: ein auf eine bestimmte Länge geschnittener Zweig oder ein bestimmtes Stück einer Schnur dienten als Grundlage der Messung. Die weitere Entwicklung der Angelegenheit musste zur Erkenntniss führen, dass auch solche Gegenstände nicht so unverändert ihre Länge behielten, als wohl wünschenswerth war, und so wurden Maasse aus Metall oder Stein hergestellt, die sich dem Ideal mehr annäherten. Der Einfluss der Temperatur, der elastischen Beanspruchung wurde erkannt, und die Herstellung der gegenwärtig angenommenen Längeneinheit, des in Paris aufbewahrten Normalmeters, hat die Arbeit einer ganzen Reihe von Jahren beansprucht. So werden wir auch bei unserer Unternehmung zu verfahren haben. Wir werden die einfacheren Begriffe zunächst so nehmen, wie sie sich uns beim Suchen darnach anbieten; wir werden dann sie anzuwenden versuchen, und dabei bald dessen inne werden, ob sie sich für ihren Zweck eignen, oder ob sie durch andere, bessere zu ersetzen sind. J e einfacher ein Begriff ist, um so weniger kann er durch andere beeinflusst werden, und jeder Fortschritt im Sinne der Einfachheit ist auch ein Fortschritt im Sinne der Unzweideutigkeit und Unveränderlichkeit. Dann wird es vielleicht gelingen, auch aufbewahrbare Normen zu gewinnen, die trotz der Veränderlichkeit und Unzuverlässigkeit der Sprache, in der wir ja diese Normen niederlegen müssen, sachlich so gut gekennzeichnet sind, dass sie unter jenen Fehlern nicht leiden. Um diese Arbeit auszuführen, wollen wir uns noch mit den wichtigsten Eigenthümlichkeiten unseres unvermeidlichen! Werkzeuges, der Sprache, vertraut machen. In eine umfassende Untersuchung ihrer Entwicklung können wir hier nicht eintreten, so lehrreich sie in vielen Dingen ist; vielmehr müssen wir uns mit einem Ueberblick der gegenwärtigen Sprache begnügen, deren wir uns bedienen, 4 und werden die Betrachtung nicht.
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weiter führen, als zur bewussten Anwendung ihrer Formen nothwendig ist. Der gesammte Wortvorrath der Sprache lässt sich in gewisse Gruppen sondern, welche von jeher durch die Grammatiker unterschieden worden sind. Die Anzahl und Eintheilung dieser Gruppen ist in den verschiedenen Sprachen nicht ganz übereinstimmend, doch lassen sich einige allgemeine Grundformen aufstellen, denen die anderen untergeordnet werden können. Diese Grundformen sind die H a u p t w ö r t e r , die E i g e n s c h a f t s w ö r t e r , die Z e i t w ö r t e r , die F ü r w ö r t e r und die B i n d e w ö r t e r . Es besteht noch eine besondere sehr wichtige Gruppe in den Z a h l w ö r t e r n ; diese wollen wir erst später betrachten, nachdem wir den Begriff der Zahl näher untersucht haben. Die H a u p t w ö r t e r sind die eigentlichen Hilfsmittel zur Bezeichnung bestimmter Begriffe; dies ergiebt sich schon daraus, dass die meisten Beispiele für vorhandene Begriffe, die bisher erwähnt und benutzt worden sind, in der Form der Hauptwörter auftraten. Insbesondere sind es die z u s a m m e n g e s e t z t e n Begriffe, welche sich hier vorfinden; Hauptwörter werden vorwiegend für den Zweck gebildet, das gemeinsame Auftreten verschiedener Kennzeichen (von denen jedes einen einfachen Begriff darstellt) zum Ausdruck zu bringen. So haben wir unter dem Worte K r e i d e einen weissen Stein zu verstehen, der weich ist und daher das Ziehen von Strichen auf der Tafel gestattet. Während dies den allgemein bekannten Inhalt dieses Begriffes ziemlich erschöpft, hat der Mineralog und der Chemiker noch eine grosse Reihe von anderen Begriff sbestandtheilen mit dem Namen Kreide verbunden: die amorphe Beschaffenheit, die Unlöslichkeit in Wasser, die Löslichkeit in Säuren unter Kohlensäureentwicklung, das Verhalten in der Hitze, wo Kohlensäure entweicht und Aetzkalk zurückbleibt, und noch viele andere Kennzeichen, deren Aufzählung hier zu zeitraubend wäre. Wesentlich für die in den Hauptwörtern niedergelegten Begriffe ist, dass sie d a u e r n d e oder von der Zeit u n a b h ä n g i g e Dinge darstellen. Thatsächlich ist ja nichts von der Zeit unabhängig; vermöge des allgemeinen Abstraktionsver-
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fahrens bei der Begriffsbildung wird aber von etwa vorhandener Zeitveränderlichkeit abgesehen. Während diese Beschreibung auf die k o n k r e t e n Hauptwörter passt, welche körperliche Gegenstände oder sinnliche Erscheinungen darstellen, machen die sogenannten Abstrakten etwas grössere Schwierigkeit. Der Name ist ganz zweckmässig, da er auf die Bildungsweise solcher Begriffe hinweist. Die abstrakten Hauptwörter stellen Zusammenfassungen gewisser übereinstimmender Theile aus den inneren oder äusseren Erlebnissen dar, die nicht von selbst sich an den vorhandenen Dingen vereinigt finden, sondern von uns aus verschiedenartigen Dingen ausgewählt werden, eben weil sie gewisse Uebereinstimmungen zeigen. Während bei den Konkreten oder den S a c h b e g r i f f e n eine grosse Menge übereinstimmender Bestandtheile sich ohne unser Zuthun vereinigt finden, und durch das Abstraktionsverfahren der Begriffsbildung nur wenige nicht übereinstimmende Antheile zu entfernen sind, müssen bei der Bildung der Abstrakten die meisten Antheile aus der einzelnen Erscheinung oder Erfahrung entfernt werden, und der übrig bleibende Rest stellt nur einen kleinen Antheil von der Gesammtheit des Erlebnisses dar. Weil also das Verfahren des Absehens oder Abstrahirens hier eine weit grössere Rolle spielt, als im ersten Falle, heissen diese Hauptwörter Abstrakte. Doch ist Gewicht darauf zu legen, dass in beiden Fällen, bei der Bildung der Konkreten wie der Abstrakten, ein Abstraktionsverfahren eingehalten worden ist; im ersten Falle findet es in geringem, im anderen Falle in weitem Umfange statt. Es geht aus dieser Darstellung hervor, dass zwischen beiden Gruppen kein scharfer Unterschied besteht, da alle Uebergänge von der einen zur anderen denkbar und auch vorhanden sind. Solche Unschärfe bei der Eintheilung oder Gruppenbildung tritt uns bei zusammengesetzten Erscheinungen fast immer entgegen. Man darf nicht sagen, wenn ein Unterschied nicht scharf genug ist, so ist er überhaupt nichts werth, und es sei alles einerlei, denn „wo will man die Grenze ziehen?" Scharfe Grenzen giebt es überhaupt in Wirklichkeit nicht, und überall, wo ein Gebiet aufhört und ein anderes be-
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ginnt, giebt es einen zweifelhaften Streifen zwischen beiden, der am besten für neutrales Land erklärt wird. Alles, was man im Interesse einer möglichst brauchbaren Grenzbestimmung thun kann, ist, das ungewisse Zwischengebiet so eng wie möglich zu halten. Umgekehrt wird man eine Abgrenzung als genügend ansehen dürfen, wenn die unzweifelhaften Gebietseintheilungen, die sie ergiebt, gross sind im Verhältniss zu den zweifelhaft bleibenden. Aus der Beschreibung der Bildungsweise der Abstrakten ergiebt sich bereits, dass sie meist aus einer geringeren Anzahl von Begriffen bestehen, als die Konkreten. Wenn wir uns hernach auf die Suche nach einfachen Begriffen begeben, so werden wir in diesem Felde am meisten Beute anzutreffen die Hoffnung haben. Ferner folgt aus der Entstehung, dass die Bestandtheile der Abstrakten viel leichter zu ermitteln sind, da die Begriffe ja mit Rücksicht auf diese Bestandtheile gebildet werden. Während an den Konkreten mit dem Fortschritt der Erfahrung immer neue Bestandtheile aufgefunden werden, die in den Begriff hineingenommen werden müssen, da sie sich regelmässig an dem betreffenden Ding vorfinden, und somit solche Begriffe einer ständigen Erweiterung unterliegen, sind die Bestandtheile der Abstrakten von vornherein willkürlich beschränkt und der Fortschritt der Erfahrung erweitert nur den Kreis, auf welchen der unverändert bleibende Begriff Anwendung findet. Eine Entwicklung findet allerdings auch statt, denn es wird oft erkannt, dass die bisher ausgeführte Zusammenfassung unzweckmässig war, und dass eine bessere Uebersicht durch eine etwas andere Wahl der Bestandtheile gewonnen werden kann. Dann wird eine neue Zusammenstellung gebildet, wobei allerdings meist der alte Name beibehalten wird. Hierin liegt eine grosse Fehlerquelle beim Gebrauch solcher Wörter. Um sich die hier möglichen Wandlungen vorzuhalten, betrachte man den abstrakten Begriff der Ehre, und vergleiche seinen Inhalt etwa bei den Homerischen Helden, den mittelalterlichen Rittern und den verschiedenen Ständen des heutigen Lebens. Man wird dessen inne werden, wie verschieden die Bestandtheile desselben Begriffs je nach Zeit und Beruf werden
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können, und wie sehr die Freiheit, welche in der Bildung solcher Begriffe besteht, zu einer fast unübersehbaren Mannigfaltigkeit führt. Dieser Freiheit entspricht es nun auch, das» man schliesslich jedes beliebige Wort formell zum Hauptwort machen kann. Von solcher Freiheit haben namentlich die Philosophen stets einen sehr ausgedehnten Gebrauch gemacht. Durch Vorsetzung des Artikels, der in unserer Sprache das Hauptwort kennzeichnet, drückt man gemäss der vorher angegebenen Bestimmung aus, dass man den fraglichen Begriff als einen zeitlosen aus seiner gewöhnlichen Mannigfaltigkeit und Veränderlichkeit herausgelöst und unabhängig von diesen Beziehungen betrachten will. Hierbei entsteht überaus leicht folgender Fehler. Weil das Hauptwort ursprünglich und in erster Linie zur Bezeichnung vorgefundener Zusammenhänge, d. h. der k o n k r e t e n Sachen diente, stellt sich bei der Benutzung dieser Form für Abstrakte nur zu leicht der Nebengedanke ein, als lägen auch diesen Bildungen Realitäten, d. h. vorgefundene, nicht erst künstlich hergestellte Zusammenhänge zu Grunde. In dieser Verschiebung ist die Quelle tiefgehender Irrthümer zu suchen; das grossartigste Beispiel dieser Art dürfte die Ideenlehre PLATO'S sein. Die E i g e n s c h a f t s w ö r t e r schliessen sich in ihrem Verhalten wesentlich den Hauptwörtern an. Sie dienen dazu, den durch Hauptwörter oder auf andere Weise angegebenen Begriffen besondere Begriffselemente hinzuzufügen, durch welche deren Umfang verändert (gewöhnlich eingeschränkt) wird. Ein solcher Gebrauch legt den Schluss nahe, dass die Eigenschaftswörter e i n f a c h e r e Begriffe enthalten, als die Hauptwörter, und diese Bemerkung wird uns später für die Ermittelung der einfachsten Begriffe von Werth sein. Im Uebrigen zeigen sie sehr leicht Uebergänge in die Form der Hauptwörter und sind als deren nächste Verwandte anzusehen. Die Möglichkeit, den im Eigenschaftswort ausgedrückten Begriff nach Belieben zuzufügen, oder ihn fortzulassen, steht im Zusammenhang mit einer allgemeinen Vorstellung von dem Ding und seinen Eigenschaften. Die leichte und schnelle Veränderlichkeit
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gewisser Beschaffenheiten eines Dinges stellen wir dergestalt dar, als seien solche Beschaffenheiten nur in lockerer Verbindung mit dem Dinge und als bleibe das Ding wesentlich das gleiche, ob diese Beschaffenheit vorhanden ist oder nicht So ist der Umstand, ob der Mond uns hell oder dunkel erscheint, von dem Zustande seiner Beleuchtung durch die Sonne abhängig. Wir schreiben daher dem Monde fremdes Licht zu und nehmen den Beleuchtungszustand nicht in den Begriff Mond auf, sondern wenn es sich darum handelt, den Lichtzustand des Mondes zu bezeichnen, so fügen wir das Eigenschaftswort hell oder dunkel hinzu. Das gleiche Eigenschaftswort hell wenden wir aber auch auf die Sonne an, welche wir nur in solchem Zustande kennen, und von der daher die Eigenschaft der Helle nicht zeitlich entfernt werden kann. Aehnlich geht es mit vielen anderen Eigenschaftsbegriffen, und dadurch entwickelt sich schliesslich die allgemeine Vorstellung, als hafteten alle Eigenschaften nur mehr oder minder beweglich und entfernbar an einem Träger aller dieser jeweiligen Eigenschaften. Diese Anschauung sagt offenbar mehr aus, als der Erfahrung entspricht, denn jedenfalls kennen wir Dinge, an denen gewisse Eigenschaften untrennbar vorhanden sind, während an anderen die gleiche Eigenschaft an- und abwesend sein kann. Die in der Sprache liegende scheinbare Rechtfertigung jener Anschauung hat ihre Prüfung lange verhindert, und es lässt sich eine ganze Reihe von unnöthigen Denkschwierigkeiten aufzählen, die durch die ungerechtfertigte Verallgemeinerung des Eigenschaftsbegriffes entstanden sind. Hierher gehört vor allen Dingen der Begriff der S u b s t a n z und der engere der M a t e r i e , in deren Kritik wir später eintreten werden. Auf gleichem Boden ist die Vorstellung von der Existenz eines von seinen Bestimmungsstücken unabhängigen „ D i n g e s an s i c h " erwachsen, das vor aller Erfahrung vorhanden sein und hinter aller Erfahrung stehen soll. Dieser folgenreiche Inductionsfehler, von dem ein grosser Theil der Philosophie noch heute beherrscht wird, hat in den Anschauungen KANT'S seine schärfste Fassung gefunden.
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Das Z e i t w o r t hat in der deutschen Sprache einen sehr ausdrucksvollen Namen, der sein wesentlichstes Kennzeichen angiebt. In der That handelt es sich beim Zeitwort um die Darstellung des z e i t l i c h e n Verhaltens der Dinge, bestehe dieses nun in Veränderungen (Vorgängen) oder handele es sich um die Kennzeichnung der Dauer des Dinges. Soweit die Hauptund Eigenschaftswörter eine Bezugnahme auf die Zeit gestatten, lassen sie sich auch auf verbale Formen überführen; umgekehrt verliert das Zeitwort durch die Annahme der Substantivform die Zeiteigenschaft. Hieraus ergiebt sich, dass die Abwandlung der Zeitwörter zunächst die verschiedenen Möglichkeiten der zeitlichen Beziehungen darstellt. Während der Infinitiv die zeitliche Beschaffenheit im Allgemeinen, ohne Bezugnahme auf früher oder später angiebt, haben wir im Präsens, Perfectum und Futurum die drei Fälle der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft dargestellt Die verschiedenen Sprachen bilden dann in individueller Weise weitere Unterabtheilungen aus, durch welche feinere und mannigfaltigere Zeitunterschiede zum Ausdruck gebracht werden. Indessen sind diese zeitlichen Beziehungen nicht der einzige Inhalt, der durch die Abwandlung des Verbums dargestellt wird. Die Aussage- und Frageformen, die Ausdrücke des Befehls und der Verneinung, die Beziehung auf das Subjekt und Objekt sind weitere Verhältnisse, die (zum Theil überflüssiger Weise) in den verschiedenen Formen des Verbums einen Ausdruck finden. Wenn auch in diesen Gestaltungen eine grosse Summe erfahrungsmässiger Psychologie der Begriffsbildung ihre Spuren hinterlassen hat, so ist doch die Ausmittelung und Deutung dieser Spuren eine Arbeit, die bei allem ihrem inneren Reiz und Werth uns weit über unsere nächste Aufgabe hinausführen würde. Das F ü r w o r t oder P r o n o m e n hat den Zweck, die Sonderung zwischen unseren inneren und äusseren Erlebnissen sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Die genauere Bestimmung des Begriffs Innen- und Aussenwelt wollen wir erst später vornehmen; hier kann ich mich damit begnügen, dass jedem von
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Ihnen dieser Unterschied sehr genau bekannt ist, wenn Sie auch vielleicht nicht im Augenblicke anzugeben wüssten, worin er eigentlich besteht In der grammatischen Benennung dieser Wortformen tritt diese Hauptsache nicht hervor, weder im lateinischen Namen Pronomen, noch im deutschen Namen Fürwort, der eine einfache Uebersetzung des ersten ist. Die erste Stufe der hier vorhandenen Entwickelung ist die Unterscheidung von Ich und Nichtich. Der letztere Begriff zerfällt in zwei Theile. Der eine, durch die zweite Person dargestellte, bezieht sich auf den Theil der Aussenwelt, mit dem das Ich in unmittelbarem Verkehr steht und beschränkt sich demgemäss ausschliesslich auf andere, gegenwärtige Menschen oder menschenähnlich gedachte Wesen. Der andere Theil bezieht sich auf die mittelbar mit dem Ich verkehrenden Dinge und wird durch die dritte Person ausgedrückt Es ist dies naturgemäss nicht die einzige Möglichkeit, die äusseren Beziehungen anzuordnen, und die verschiedenen Sprachen lassen auch in solcher Hinsicht ziemlich grosse Verschiedenheiten erkennen. Die Beziehung des Fürwortes zum Zeitwort, welche in der Formänderung des letzteren je nach dem Fürwort hervortritt, die sich in vielen Sprachen findet, darf nicht als so eng aufgefasst werden, wie sie sprachlich erscheint. Da nicht oft von zeitlichen Verhältnissen abgesehen wird, wenn wir Anlass haben, unsere Person von der Aussenwelt zu unterscheiden, so ist die Entstehung dieses engen Zusammenhanges natürlich; als einen Bestandtheil des Verbalbegriffes wird man aber das Fürwort zweckmässiger nicht auffassen. Während die bisher betrachteten Wortformen in mehr oder weniger entwickeltem Grade die Eigenschaft der Abwandlung, d. h. der Formänderung je nach den vorhandenen Verbindungen und Beziehungen mit anderen Wörtern aufweisen, haben wir in der Sprache noch eine Anzahl anderer Wörter, welche keine Abwandlung erfahren und vorwiegend dazu benutzt werden, die Art der Beziehung zu kennzeichnen, in welche die verschiedenen Begriffe zu einander gestellt werden. Wir wollen die verschiedenen Gruppen, Welche die Grammatik bildet, nicht einzeln
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untersuchen, und alle diese Wörter unter dem Namen der P a r t i k e l n zusammenfassen. Auch wüsste ich nicht viel Allgemeines über sie zu sagen, was für unsere späteren Betrachtungen wichtig wäre. Es wird daher genügen, auf den allmählichen Bedeutungswechsel hinzuweisen, der sich auch in dieser Klasse vollzieht. In der deutschen Sprache drückt das Wort „weil" gegenwärtig eine u r s ä c h l i c h e Beziehung aus, während es früher nur eine zeitliche dargestellt hat, was daran unmittelbar erkennbar ist, dass das Hauptwort „Weile" noch den zeitlichen Inhalt unverändert beibehalten hat; allerdings ist es ungebräuchlich geworden und wird fast nur noch in dem Reimwort „Eile mit Weile" angewendet In der englischen Sprache hat dagegen „while" seine Zeitbedeutung beibehalten, und das deutsche „weil" muss mit „because" übersetzt werden. Diese sprachliche Erscheinung macht uns beiläufig auf den engen Zusammenhang der sogenannten causalen Beziehungen mit zeitlichen aufmerksam.
VIERTE
VORLESUNG
DIE S I N N E S E I N D R Ü C K E us unseren eben durchgeführten Betrachtungen haben wir entnommen, dass zwar die Ergebnisse der Begriffsbildung, zumal der auf das tägliche Leben bezüglichen, in der Sprache niedergelegt sind, dass aber diese Festlegung der Begriffe in der Sprache unvollkommen und unbestimmt i s t Wir müssen uns bezüglich der Werthschätzung dieses Mittels für den angestrebten Zweck, die Gewinnung und Erhaltung bestimmter und klarer Begriffe, auf den zweifelnden Standpunkt Faust's stellen und mit ihm sagen: ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen! Daraus ergiebt sich die Notwendigkeit, einen anderen Weg zu finden. Wie wollen wir zu diesem Zweck verfahren? Offenbar am besten so, dass wir zunächst die Beschaffenheit und Entstehung der Begriffe untersuchen, um hierbei Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, wie wir vorzugehen haben, um die gewünschte Sammlung klarer und bestimmter Begriffe uns anzulegen. Dabei wird es nichts nutzen, einfach jeden Begriff, der uns in den Weg kommt, seinem Umfang und Inhalt nach möglichst sauber hinzustellen, und zu sagen: künftig soll er so gebraucht werden. Eine solche Aufgabe ist für einen Menschen zu gross, und wäre sie vollbracht, so entstände erst die noch viel schwierigere Aufgabe, die anderen Menschen zu bewegen, die festgestellten Begriffsbildungen anzunehmen und zu gebrauchen. Vielmehr müssen wir einen Weg suchen, der uns gestattet, zunächst die w i c h t i g s t e n Begriffe klar zu
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stellen, damit wir von diesen stufenweise zu den weniger wichtigen übergehen können. Mit solchen Absichten gehen wir nun zu der Untersuchung der Beschaffenheit unserer Begriffe über. Aus den Beispielen, die wir zur Kennzeichnung des Wesens und der Entstehung der Begriffe betrachtet haben, ist bereits deutlich geworden, dass die meisten Begriffe nicht einfacher Natur sind. Dies ging daraus hervor, dass zu einem gegebenen Begriff, wie z. B. Mensch, infolge der sich erweiternden Erfahrung neue Bestandtheile hinzutreten können, von denen während seiner ersten Ausbildung nichts bekannt war. So wusste man vor einigen Jahrhunderten so gut wie nichts von der inneren Anatomie des Menschen, während der Begriff Mensch längst feststand, und durch die Erforschung derselben wurden zahlreiche neue regelmässige Bestandtheile für ihn gefunden. Diese konnten den bereits bekannten angereiht werden, ohne dass es nöthig wurde, den Begriff Mensch zu verwerfen. Es ist klar, dass man die Bestandtheile eines solchen zusammengesetzten Begriffes, die ihrerseits ja wieder Begriffe sind, weiter in noch einfachere Bestandtheile zu zerlegen versuchen kann. Man wird meist dazu im Stande sein. Nachdem man z. B. ermittelt hat, dass ein schlauchförmiger Verdauungskanal mit einer Erweiterung, dem Magen, regelmässig beim Menschen vorhanden ist, also zu diesem Begriff gehört, so wird man den Verdauungskanal wieder in die Unterabtheilungen Speiseröhre, Magen, Dünndarm und Dickdarm zerlegen können, aus denen sich der Verdauungskanal zusammensetzt. Diese Organe erweisen sich wieder aus Zellen zusammengesetzt u. s. w. und so finden sich noch mehrere Stufen von Unterbegriffen. Schliesslich wird man aber doch zu Begriffen gelangen, die man nicht w e i t e r z e r l e g e n kann. Diese wollen wir elementare Begriffe oder Begriffselemente nennen. Man gelangt zu den Begriffselementen ungefähr ebenso, wie man zu den chemischen Elementen gelangt, indem man OSTWALD, Naturphilosophie. III. Auflage.
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DIE
SINNESEINDRÜCKE
nämlich zunächst voraussetzt, dass jeder Begriff zusammengesetzt sei, und ihn zu zerlegen versucht. Mit den erhaltenen Bestandtheilen verfährt man ebenso. Geht dies nicht weiter an, so darf man vorläufig den gewonnenen Begriff als einen einfachen Begriff ansehen, unter dem Vorbehalt freilich, dass eine spätere Analyse ihn als zusammengesetzt erweisen kann. Daraus folgt, dass das sicherste Mittel zur Auffindung der Begriffselemente die Analyse aller Begriffe sein wird, die uns vorkommen mögen, gerade wie die Chemiker alle Stoffe analysirt haben, welche sie in der Natur aufgefunden haben. Indessen ist in unserem Falle die Aufgabe sehr viel schwieriger. Der Chemiker hat in den Gewichtsverhältnissen der untersuchten Stoffe ein sicheres Kennzeichen dafür, ob ein solcher bei seiner Umwandlung einen einfacheren ergeben hat, als der Ausgangsstoff war. Hierzu ist nämlich erforderlich, dass aus diesem mehrere andere Stoffe entstehen, von denen jeder weniger wiegt, als der Ausgangsstoff. Findet man schliesslich einen Stoff, der bei allen chemischen Umwandlungen sein Gewicht nur vermehrt oder wenigstens unverändert behält, so darf man ihn als ein chemisches Element bezeichnen. Ein derartiges objektives und von persönlicher Willkür freies Kennzeichen ist bei der Begriffsanalyse nicht bekannt, und so ist man immer im Zweifel, ob man gegebenenfalls auch richtig analysirt hat. Dazu kommt noch eine andere wesentliche Schwierigkeit. Die im täglichen Leben benutzten Begriffe sind, wie wir mehrfach gesehen haben, wenig bestimmt und enthalten je nach der Person, die sie gebildet hat, mehr oder weniger verschiedene Bestandtheile. Man betrachte z. B. den Begriff G l ü c k bei verschiedenen Menschen, selbst solchen, die demselben Volke und Bildungsstande angehören. S c h a u k e l p f e r d , H u s a r e n l e u t n a n t , Zweirad, Orden, Brillantbroche, Enkelk i n d e r sind einige von diesen Bestandtheilen, die in dem Glücksbegriff des einen Menschen vorkommen, während sie in dem eines anderen gänzlich fehlen. Wenn man die Analyse solcher Begriffe vornehmen wollte, so wäre es ähnlich, als
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wenn der Chemiker etwa die Bestandtheile eines Hauses oder eines Eisenbahnzuges chemisch analysiren wollte. Er würde sich seine Aufgabe ins Unbegrenzte erschweren, wenn er seine Analyse auf jeden zufälligen Gegenstand erstrecken wollte. Thatsächlich ist dem Begriff des chemischen Elements der des r e i n e n S t o f f e s vorausgegangen, und so müssen bei der Begriffsanalyse zuerst die r e i n e n B e g r i f f e ermittelt oder hergestellt werden, ehe man an eine erfolgreiche systematische Analyse gehen kann. Die Reinherstellung der Begriffe brauchen wir nun glücklicherweise nicht erst selbst vorzunehmen; diese Aufgabe ist in dem Umfange, den menschliche Arbeit bisher ermöglicht hat, durch d i e W i s s e n s c h a f t e n gelöst. In diesen besteht thatsächlich die Hauptarbeit in der Herstellung reiner, d. h. scharf abgegrenzter und in Bezug auf ihren Inhalt und Umfang genau bestimmter Begriffe. Wie dies durch beständige Befragung der Erfahrung geschieht, werden wir später genauer betrachten; genug, dass wir zunächst eine Quelle kennen lernen, aus der wir schöpfen können. Wenn es sich um die Aufstellung einer einigermaassen erschöpfenden Tabelle der Begriffselemente handelt, so wird in der That nichts übrig bleiben, als dieses Material vollständig zu verarbeiten, und unter allen Umständen werden wir hier eine werthvolle Kontrole und Ergänzung etwaiger auf anderem Wege gefundener Ergebnisse finden können. Indessen sind wir auf diesen Weg nicht als den einzigen angewiesen. Wir brauchen nicht, wie der Chemiker die Stoffe, die zusammengesetzten Begriffe als gegeben hinzunehmen, an denen wir nichts thun können, als sie analysiren. Wir können auch den umgekehrten Weg gehen, nämlich die Begriffe auf ihre E n t s t e h u n g s w e i s e untersuchen. Soweit es sich um zusammengesetzte Begriffe handelt, müssen dabei ihre Elemente zu Tage treten. Eine derartige Arbeit kann uns, führen, schliesslich nur die gleichen die Analyse der wissenschaftlichen handelt sich ja in beiden Fällen um
wenn wir sie richtig ausErgebnisse liefern, wie sie Begriffe ergiebt. Denn es dieselben Dinge, nur dass i*
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wir sie im ersten Falle als fertig gegeben betrachten, im zweiten sie in der Entstehung belauschen. Bei der grossen Leichtigkeit, mit der man vermöge der Erinnerung den letzten Vorgang beliebig oft in seinen entscheidenden Bestandteilen wiederholen kann, kommen wir aber auf dem zweiten Wege schneller zum Ziele, und haben ausserdem den Vortheil, dass wir unser Material in schöner Ordnung gewinnen. Bei der Entstehung eines Begriffes kommen nun zweierlei Dinge in Betracht Zunächst entnehmen wir das Material hierfür aus unseren Erlebnissen, die wir durch die Thätigkeit unserer S i n n e s a p p a r a t e erhalten. Somit werden wir zunächst in dem, was die Sinnesapparate unserem Bewusstsein übergeben, das Grundmaterial unserer Begriffe zu suchen haben, und in den Sinneseindrücken treffen wir jedenfalls Elemente der Begriffe an. Diese Analyse ergiebt uns also das Material für den Inhalt der Begriffe. Um zweitens aus dem Material Begriffe zu bilden, führen wir an ihm gewisse geistige Operationen aus, die in gleicher Gestalt bei jeder Begriffsbildung wiederkehren, also ihrerseits wieder Begriffe darstellen. Die Analyse dieser Operationen stellt einen anderen möglichen Weg dar, elementare Begriffe zu finden. Statt des einen Weges haben wir also deren zweie gefunden. Ob beide uns zum Ziele führen werden, oder ob wir das Ziel auf beiden verfehlen, können wir nicht voraussagen, sondern wir können nichts thun, als den einen und den anderen Weg versuchen, und aufmerken, wohin wir gelangen. Aber wir haben doch immer die Möglichkeit, uns durch die Untersuchung der gewonnenen Begriffe zu überzeugen, ob sie die Probe der Einfachheit und Vollständigkeit aushalten. Diese Probe besteht darin, dass wir sie auf irgend welche beliebige, zufällig gewählte zusammengesetzte Begriffe anwenden, und nachsehen, ob wir sie erstens in ihnen finden und ob wir zweitens nichts anderes in ihnen finden. Auch hier wird das Verfahren ähnlich dem des Chemikers sein, der da weiss, dass sich chemische Elemente in jedem Stoffe finden, und dass nur die begrenzte Zahl der bekannten chemischen
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Elemente sich in den bekannten Stoffen findet Findet er Anderes, so darf er auf die Anwesenheit eines unbekannt gebliebenen Elements schliessen. Was zunächst die S i n n e s e m p f i n d u n g e n anlangt, so sieht man alsbald ein, dass manche derartige Empfindungen, wie b l a u oder s ü s s , nicht weiter zerlegbar sind. Man kann wohl Unterschiede in der Bläue oder Süsse von Fall zu Fall erkennen, findet aber bei dem Versuche der Zerlegung in einfachere Elemente keine derartige Möglichkeit. Dies ist schon daraus erkennbar, dass es nicht möglich ist, solche Empfindungen zu beschreiben oder zu definiren. Alles, was man Anderen gegenüber zu ihrer Kennzeichnung thun kann, ist, ihn auf entsprechende eigene Erlebnisse, wie er sie etwa beim Anblick des heiteren Himmels oder beim Schmecken von Honig hat, zu verweisen. Eine üebersicht dieser Begriffselemente wird sich daher ergeben, wenn wir unsere verschiedenen Sinnesapparate betrachten und die durch sie vermittelten Empfindungen bezeichnen. Die übliche Aufzählung der fünf Sinne scheint mir nicht ganz zweckentsprechend zu sein; auch ist sie unvollständig. Unter allem Vorbehalte möchte ich die nachstehende Eintheilung vorschlagen, die möglicherweise bereits anderweit eingeführt ist. Es wären zu unterscheiden: 1. 2. 3. 4. 5.
Gesichtsempfindungen, Gehörsempfindungen, Hautempfindungen, innere Empfindungen, Muskelempfindungen.
Die G e s i c h t s e m p f i n d u n g e n kommen im Auge zu Stande und ergeben zunächst die beiden Gegensätze hell und d u n k e l , ferner aber die Farbenempfindungen. Beide Arten der Empfindung bilden s t e t i g e Reihen, d. h. man kann den Uebergang von Hell zu Dunkel oder umgekehrt, wie den von einer Farbe zur anderen immer so ausführen, dass die zugehörigen Empfindungen niemals eine plötzliche oder sprungweise
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Aenderung erfahren. Hiermit ist allerdings nicht, wie man wohl denken könnte, eine unendlich grosse Anzahl derartiger Stufen verbunden, sondern man kann zwischen zwei verschiedenen Empfindungen immer eine e n d l i c h e Zahl von Stufen so einschalten, dass das Auge zwischen je zwei benachbarten derartigen Stufen keinen Unterschied mehr wahrnimmt. Dies ist eine ganz allgemeine Eigenschaft aller unserer Sinneswahrnehmungen; alle lassen stetige Uebergänge zwischen zwei als verschieden empfundenen Wahrnehmungen zu, die aber immer durch eine endliche Zahl von Stufen, deren Unterschiede nicht mehr empfunden werden, ausfüllbar sind. Man nennt die grösste derartige Stufe, die eben nicht mehr als verschieden empfunden wird, die U n t e r s c h i e d s s c h w e l l e des betreffenden Sinnes. Diese Schwelle ist keinesw e g s ein unveränderlicher Werth, sondern sie wechselt nicht nur von einem Menschen zum anderen, sondern auch zu verschiedenen Zeiten bei demselben Menschen. Es ist wohl bekannt, dass Maler, Färber und andere Menschen, die mit Farbe arbeiten, sich eine sehr viel grössere Feinheit in der Unterscheidung verschiedener Helligkeiten und Farbtöne erwerben, als sie den anderen Menschen eigen ist. Ebenso ist die Schwelle von dem Kräftezustande des Individuums und dem Grade seiner Aufmerksamkeit abhängig. Die physiologische Untersuchung hat ergeben, d a s s die Farbempfindungen eine dreifache Mannigfaltigkeit darstellen, d. h. dass man durch passende Mischung dreier Grundfarben alle Farbeneindrücke erzeugen kann, welche wir zu empfinden fähig sind. Die Bedeutung dieser Thatsache wird später erörtert werden. Hier schliessen wir, d a s s die Analyse der Farbempfindungen in dieser Beziehung drei Elemente ergiebt, aus denen in den verschiedensten Beträgen alle anderen Farbempfindungen zusammensetzbar sind. Neben den Empfindungen von Hell und Dunkel und denen der Farben haben wir noch mittelst der Augen die Empfindung der Form oder Gestalt. Hier ist die Analyse bereits bedeutend schwieriger, namentlich dadurch, dass bei unserer A u f f a s s u n g der Form mittelst des A u g e s Bewegungen des Augapfels eine
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wesentliche Rolle spielen. Hierdurch werden die Formempfindungen zusammengesetzter Natur, da bei den Augenbewegungen Muskelempfindungen eine Rolle spielen. So sind unsere Formelemente, die wir als Punkte, Linien, Flächen und Körper (im geometrischen Sinne) unterscheiden, bereits ziemlich zusammengesetzte Begriffe. Als einfachstes Formelement werden wir wohl die Linie aufzufassen haben, da die Mannigfaltigkeiten unseres Gesichtsfeldes zunächst vermöge ihrer gegenseitigen Begrenzung durch Linien gekennzeichnet werden. Unter den Linien spielt die G e r a d e eine hervorstehende Rolle, da sie unter allen Umständen, wie wir uns auch zu derselben stellen mögen, immer als Gerade gesehen wird, während die übrigen Formen sich mit unserer Stellung zu ihnen zu ändern pflegen. 1 Zu dem Begriffe einer Geraden gehört ihre Richtung, und wir unterscheiden Verschiedenheiten der Richtung an mehreren Geraden mit grosser Sicherheit. Die nichtgeraden Linien, soweit sie nicht aus Geraden zusammengesetzt sind, besitzen eine veränderliche Richtung, und ihre Formeigenschaften werden in erster Linie durch diese Mannigfaltigkeit gekennzeichnet. Mit der Lehre von den Formen beschäftigt sich die Geometrie. Diese ist aber durchaus nicht identisch mit der Lehre von den Gesichtswahrnehmungen nach Abzug der Helligkeit und Farbe, sondern sie hat es mit den Eigenschaften eines zwar verwandten, aber nicht identischen Begriffes, des R a u m e s , zu thun. Für die Bildung dieses Begriffes werden auch die anderen Sinnesempfindungen ausgiebig verwerthet, so dass seine Eigenthümlichkeiten an dieser Stelle noch nicht abgehandelt werden können. Die G e h ö r s e m p f i n d u n g e n sind denen des Auges insofern ähnlich, als wir wieder Material und Form der Empfindung unterscheiden können. Das erste nennen wir T ö n e und 1
Auch eine Kugel hat die Eigenschaft, allseitig die gleiche Gestalt zu
zeigen, unabhängig von der Stellung des Beschauers zu ihr.
Sie ist aber
eine k ö r p e r l i c h e Form, und dieser Begriff ergiebt sich nicht unmittelbar aus der Analyse der Augenwahrnehmungen, sondern ist erst das Produkt einer weitgehenden Begriffsbildung, bei welcher Tastempfindungen eine entscheidende Rolle spielen.
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DIE
SINNESEINDRÜCKE
G e r ä u s c h e die letztere bezieht sich auf die zeitliche Gestaltung, deren übersichtlichste Art der R h y t h m u s ist. Die Töne bilden wieder eine stetige Reihe, aber nur von einfacher Mannigfaltigkeit, die wir als H ö h e und T i e f e unterscheiden. Ein durch seine Höhe gekennzeichneter Ton kann noch nach Stärke und Klangfarbe wechseln, doch fassen wir unabhängig von den letzteren Faktoren mit grosser Leichtigkeit alle Töne von gleicher Höhe unter einen Begriff zusammen. Auch hier gilt die Bemerkung, dass die unterscheidbaren Stufen der Tonhöhe zwar sehr zahlreich, aber nicht unendlich viele sind, und dass die Unterschiedsempfindlichkeit sich als sehr wechselnd erweist. Die Reinheit oder Unreinheit der Tongebung bei musikalischen Aufführungen gewährt uns ein deutliches, zuweilen sogar etwas schmerzhaftes Bild von den hier vorhandenen Unterschieden. Doch ist andererseits die Thatsache, dass alle unsere Tasteninstrumente, insbesondere Klavier und Orgel, ihre Töne in sogenannter temperirter, d. h. unreiner Stimmung ausgeben, ein Beweis für die Endlichkeit der Unterschiedsempfindlichkeit auch im Ohre des gewiegten Musikers. Die verschiedenen K l a n g f a r b e n bei gleicher Tonhöhe, die wir an verschiedenen Instrumenten kennen, werden durch die Anwesenheit von Nebentönen hervorgerufen, d. h. die musikalisch und anderweit verwendeten Töne bestehen je aus Gruppen verschiedener gleichzeitig erklingender Töne von verschiedener Höhe und Stärke. Dem ungeübten Ohre erscheinen diese Gesammtempfindungen als einheitlich, und es vermag sie ebensowenig in ihre Bestandteile zu zerlegen, wie das Auge eine Mischfarbe in ihre drei Componenten aufzulösen vermag. Wegen der grösseren Einfachheit der Gehörsempfindungen gelingt indessen hier die Zerlegung infolge passender Uebung, und wenn man einmal gelernt hat, z. B. in der menschlichen Stimme die Obertöne mitzuhören, so erfolgt die Analyse später unwillkürlich und man hört sie immer mit. So erscheint auch dem Laien ein gesungener oder geblasener Akkord als eine einheitliche Empfindung, während der Kapellmeister die Stimmen einzeln aus der Klangmasse heraushört. Diese Betrachtungen müssen uns sehr misstrauisch gegen
GEHÖRS-
UND HAUTEMPFINDUNGEN
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den eben beschrittenen Weg der Begriffsanalyse auf Grund der Sinnesempfindungen machen. Wir erkennen hier eine ähnliche Unbestimmtheit der Begriffe, wie sie uns in der Sprache so hinderlich entgegengetreten war. Wenn auch die Willkür viel geringer und die Schwankung auf engere Grenzen beschränkt ist, so regen solche Betrachtungen doch das Bedürfniss an, womöglich die hier erhaltenen Ergebnisse auf andere Weise zu kontroliren und zu sichern. Wie dies ausführbar ist, wird sich später ergeben; zunächst setzen wir die Betrachtung der Sinnesempfindungen fort. Ist die Zahl gleichzeitig erklingender Töne sehr gross, und stehen die Tonhöhen zu einander nicht in den einfachen Beziehungen, welche bei den harmonischen Tönen vorhanden sind, so nennen wir den entsprechenden Gehörseindruck ein G e r ä u s c h . Hier ist je nach der Zusammensetzung und der Stärke eine sehr grosse Mannigfaltigkeit vorhanden. Die z e i t l i c h e Ausgestaltung der Gehörsempfindungen spielt für ihre Anwendung eine sehr grosse Rolle. Abgesehen davon, dass fast alle Musik rhythmisch ist, benutzen wir die hier zu Gebote stehende Mannigfaltigkeit neben der Mannigfaltigkeit der Geräusche zur Ausbildung unserer Sprache, die ja nichts anderes ist, als die Zuordnung zeitlich bestimmter Geräusche oder L a u t e zu bestimmten Begriffen. Die H a u t e m p f i n d u n g e n kann man in die Untergruppen der Gerüche, Geschmäcke, Druck- und Temperaturempfindungen theilen. Während die beiden ersten sich insofern dem Gesicht und Gehör anschliessen, als sie an bestimmten Stellen entwickelt sind, liegen die Apparate für die beiden anderen Hautempfindungen über die ganze Körperoberfläche ausgebreitet, wenn auch freilich in recht verschiedener Entwicklung. Die G e r u c h s e m p f i n d u n g e n kommen dadurch zu Stande, dass gasförmige Stoffe auf die Schleimhaut der inneren Nase einwirken und von dieser aufgenommen werden. Es handelt sich also hier um unmittelbare chemische Vorgänge zwischen den hinzugetretenen Stoffen und den Bestandtheilen der vorhandenen Zellen. Wir sind fähig, eine ziemlich grosse Zahl
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von Gerüchen zu unterscheiden, doch hat die Analyse dieser Empfindung nur sehr geringe Entwicklung erfahren, und ich bin nicht im Stande, irgendwelche Begriffselemente anzugeben, die aus der Mannigfaltigkeit dieser Empfindungen ausgesondert worden sind. Auch hier sind individuelle Unterschiede in der Beurtheilung im weitesten Maasse vorhanden, und insbesondere finden wir die Feinheit der Empfindung bei vielen Thieren, z. B. dem Hunde, ausserordentlich viel weiter entwickelt, als sie beim Menschen ist. Den Geruchsempfindungen sind die des G e s c h m a c k e s sehr ähnlich; beide unterscheiden sich durch den ziemlich äusserlichen Umstand, dass für letztere g e l ö s t e Stoffe in Frage kommen an Stelle der gasförmigen im ersten Falle. Im übrigen handelt es sich auch hier wieder um unmittelbar chemische Vorgänge. Wegen der grösseren Wichtigkeit der Geschmacksempfindungen für die Ernährung ist hier die Begriffsbildung bereits weiter gegangen: wir unterscheiden die Begriffe b i t t e r , s ü s s , s a u e r , s a l z i g , s c h r u m p f e n d , die freilich bei weitem nicht die ganze Mannigfaltigkeit der vorhandenen Empfindungen umfassen. Die räumlich-zeitliche Mannigfaltigkeit dieser beiden Arten Hautempfindungen ist sehr gering. Durch die für den Stofftransport und die chemischen Vorgänge erforderliche Zeit ist ein einigermaassen schneller und bestimmter Wechsel der verschiedenen Eindrücke ausgeschlossen. Ebensowenig sind beide Arten von Empfindungen mit räumlichen Vorstellungen verbunden, da die gegenseitige Abgrenzung verschiedener gleichzeitiger Geschmäcke oder Gerüche aus physikalischen Gründen nicht ausführbar ist und unter gewöhnlichen Umständen niemals eintritt. Bei den in der gesammten Oberhaut liegenden Empfindungen haben wir d i e f ü r W ä r m e u n d K ä l t e bestimmt von der D r u c k e m p f i n d u n g zu unterscheiden. Beide sind mit einander nur durch den Ort ihrer Entstehung verbunden, sind aber als Empfindungen ganz verschieden, und beruhen auch, wie die Physiologie lehrt, auf der Thätigkeit verschiedener Nerven. Bei den T e m p e r a t u r e m p f i n d u n g e n tritt die auch
HA U TEMPFIND
UNGEN
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sonst ganz allgemein zu beobachtende Thatsache hervor, dass U n t e r s c h i e d e viel leichter und sicherer aufgefasst werden, als die absoluten Beträge der empfundenen Werthe. Es beruht dies auf der geringen Ausbildung des Gedächtnisses für die fraglichen Eindrücke. Ebenso wie wir uns musikalische I n t e r v a l l e viel leichter einprägen, als absolute Tonhöhen, so bemerken wir T e m p e r a t u r u n t e r s c h i e d e viel leichter, als absolute Temperaturhöhen. Allerdings haben wir im zweiten Falle in der annähernd konstanten Körpertemperatur einen stets vorhandenen, wenn auch nicht ganz unveränderlichen Vergleichpunkt, so dass die Ausbildung eines Temperaturgedächtnisses keine dringende Angelegenheit für den Organismus ist. Die D r u c k e m p f i n d u n g e n sind wie die Temperaturempfindungen über die ganze Oberhaut vertheilt, aber gleichfalls in sehr verschiedener Entwicklung. Am feinsten empfindet man in der Zunge und in den Fingerspitzen. Diese Sinneseindrücke spielen eine wichtige Rolle für die Beurtheilung räumlicher Verhältnisse. Hierbei kommt nicht sowohl die (gleichfalls in sehr verschiedener Feinheit je nach der Körperstelle entwickelte) Fähigkeit in Frage, räumliche Unterschiede bei der Berührung neben einander liegender Stellen wahrzunehmen, als vielmehr die Beweglichkeit der Arme und Hände, welche ein A b t a s t e n ausgedehnterer Gebilde ermöglicht. Die entsprechenden Erfahrungen stellen dann allerdings wieder z u s a m m e n g e s e t z t e Sinneseindrücke dar, da die Muskelempfindungen hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Eine Zerlegung der Druckempfindung in einfachere Elemente wird nicht vorgenommen. Sehr starke Temperatur- und Druckempfindungen treten als Schmerz ins Bewusstsein. Die letztere Empfindung scheint vom Centraiorgan zu den unmittelbaren Sinnesempfindungen hinzugefügt zu werden, da alle sehr starken Sinnesempfindungen in Schmerz übergehen, auch die des Auges und Ohres. An die Hautempfindungen schliessen sich die i n n e r e n E m p f i n d u n g e n an, die sich von jenen durch eine zunehmend geringere örtliche Bestimmtheit unterscheiden. Empfindungen
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wie Hunger und Sättigung sind noch einigermaassen lokalisirt, auch von der Uebelkeit wird man es sagen können. Die Empfindungen aber, die sich beim Schwindel, der Angst und dem allgemeinen Wohl- und Schlechtbefinden bethätigen, haben keinen bestimmten Ort mehr, obwohl sie nicht weniger deutlich und unter Umständen gewaltig sind, wie jene anderen. Alle diese Empfindungen können wir auf gewisse Leistungen zurückführen, die von der Aussenwelt aus in unseren Körper gelangen. Wir werden später sehen, dass es sich in allen Fällen um E n e r g i e ü b e r g ä n g e handelt. Von der Beschaffenheit dieser eindringenden Leistungen wird im Verein mit der Einrichtung der Sinnesapparate die Beschaffenheit der Einwirkungen bestimmt, die wir erfahren. So bewirkt die strahlende Energie die Thätigkeit des Auges, während Schwingungen der Luft die des Ohres hervorrufen. Für Geruch und Geschmack kommen chemische Vorgänge in Frage und bei der Temperatur- und Tastempfindung sind es Wärme und mechanische Arbeit. Die inneren Empfindungen werden durch die Lebensverhältnisse der am Aufbau unseres Körpers betheiligten Zellen bestimmt; diese aber sind von der Ernährung, also wieder von der Zufuhr chemischer Energie abhängig: Das Angstgefühl bei beginnender Erstickung ist beispielsweise die Reaction auf die Ernährungsstörung durch Sauerstoffmangel und tritt durch alle Umstände ein, welche einen solchen verursachen. Man kann nicht sagen, dass alle normalen Vorgänge unseres Körpers mit solchen Apparaten verbunden sind, die ihren richtigen Ablauf mittelst entsprechender Empfindungen kontroliren; die Thatsache, dass es angst- und schmerzlose Todesfälle giebt, beweist das Gegentheil. Es werden vielmehr nach entwicklungsgeschichtlichen Grundsätzen vorwiegend die h ä u f i g e r v o r k o m m e n d e n Schädigungen sein, deren Auftreten mit solchen Warnzeichen verbunden ist. Somit werden wir uns mit der Einsicht vertraut machen müssen, dass es viele, auch wichtige Vorgänge im Körper giebt, die nicht oder nur in unverhältnissmässig geringem Maasse von Bewusstseinsvorgängen begleitet sind. Was endlich die Gruppe der M u s k e l e m p f i n d u n g e n an-
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langt, so sind sie, wie bereits mehrfach hervorgetreten ist, von grösster Bedeutung für die Ausgestaltung unserer Raumerfahrungen. Sie unterscheiden sich von den bisher erörterten Empfindungen in einem sehr wichtigen Punkte. Während jene durch die Einwirkung äusserer Dinge hervorgerufen werden und nicht durch einen Willensakt von innen heraus erzeugt werden können, bewegen wir umgekehrt unsere Muskeln vermöge einer von innen heraus erzeugten Einwirkung, die wir den W i l l e n nennen. Demgemäss drängen sich die entsprechenden spontanen Empfindungen weit weniger der Aufmerksamkeit auf und verlaufen für den gewöhnlichen Menschen unbewusst, indem man die Aufmerksamkeit nur dem äusseren Ergebniss der Muskelbethätigung, nicht aber den inneren begleitenden Empfindungen zuwendet. Bei der Einwirkung der Aussenwelt auf unsere anderen Sinnesapparate verhält es sich gerade umgekehrt. Die Muskelempfindungen beziehen sich im übrigen nicht etwa auf den einzelnen bethätigten Muskel, sondern auf die gemeinsame Thätigkeit einer grösseren oder geringeren Anzahl von Muskeln, die zur Erzeugung einer bestimmten Bewegung zusammenwirken. Denn auch ohne jede Kenntniss der einzelnen Muskeln vermag der Mensch (und das Thier) eine gewollte und bekannte Bewegung, sei sie auch vom Standpunkte der Muskelwirkung noch so complicirt, mit Sicherheit auszuführen. Dass es sich hierbei aber wieder um innere Thätigkeiten nach der Art der Begriffe handelt, ersieht man daraus, dass alle n e u e n Bewegungen erst eingeübt werden müssen, ehe sie mit Sicherheit gelingen. Eine Analyse der so entstehenden zusammengesetzten „Bewegungsbegriffe" in die den einzelnen Muskeln zukommenden Bestandtheile erfolgt ebensowenig, wie die Zerlegung einer beliebigen Farbe in ihre drei Grundfarben. In jeden solchen Bewegungsbegriff gehen neben der Bet ä t i g u n g der gerade erforderlichen Muskeln noch Bestimmungen über das Stärkeverhältniss der Muskelwirkung ein; ausserdem haben wir ein Bewusstsein von dem absoluten Betrage der Leistung bei der Bethätigung. Diese letztere Seite der Muskel-
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empfindung ist von grösster praktischer wie theoretischer Bedeutung, denn fast alle Lebensbethätigungen des Organismus nach aussen sind von den mechanischen Leistungen der Muskeln abhängig; ich erinnere nur an Gehen, Essen, Kämpfen, Schreiben, Sprechen u. s. w. Dieser praktischen Bedeutung entspricht die theoretische. Die Leistung des Muskels stellt sich physikalisch gesprochen als eine m e c h a n i s c h e A r b e i t dar. Diese wird uns aber später als der bekannteste und dem Bewusstsein am nächsten liegende Typus eines überaus wichtigen allgemeinen Begriffes, der E n e r g i e , entgegentreten. Da nun alle Geschehnisse sich als Aenderungen in der Beschaffenheit und Vertheilung der Energie ausweisen werden, so ergiebt sich, dass die Muskelthätigkeit fast die einzige Form ist, in welcher sich der Mensch (oder irgend ein anderer Organismus) an der Gestaltung der Aussenwelt betheiligen kann. Daraus wird die psychologische Thatsache verständlich, dass die Muskelbethätigung nur in geringem Maasse von nachfolgenden Empfindungen begleitet ist, dagegen von sehr deutlichen vorausgehenden, den eben erwähnten W i l l e n s e m p f i n d u n g e n . Unsere Aufmerksamkeit ist gemäss dem Zweck der Muskelbethätigung ganz und gar auf den in der Aussenwelt liegenden Erfolg gerichtet; dieser tritt uns auf das schärfste ins Bewusstsein, wobei freilich der allgemeine Vorgang der Begriffsbildung meist die einzelnen Phasen der gewollten und ausgeführten Bewegung in einen Gesammtbegriff zusammenfliessen Iässt. Dann bleibt schliesslich nur das Ziel der Bewegung im Bewusstsein übrig, ohne dass die zahlreichen Einzelbewegungen, welche zu diesem Ziele führen, beachtet werden. Ich brauche nur daran zu erinnern, dass Ihre ganze Willensbethätigung heute früh darin bestand, dass Sie in das Auditorium Nr. 40 gehen wollten; die zahllosen dazu erforderlichen Einzelbewegungen haben Sie dann vollzogen, ohne einer weiteren bewussten geistigen Arbeit hierzu zu bedürfen. — Betrachten wir die Gesammtheit der durch die Analyse der Sinnesempfindungen für die Aufstellung einfachster Begriffe gewonnenen Ergebnisse, so ist der Eindruck keineswegs be-
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sonders befriedigend. Wir sind hier wieder, wie bei der Sprache, gezwungen, uns mit fliessenden Erscheinungen zu beschäftigen, und wir müssen anerkennen, dass die Kennzeichnung der elementaren Beschaffenheit sich bei verschiedenen derartigen Empfindungen leider als veränderlich erweist. 3e weiter die Uebung bei dem Individuum gegangen ist, um so weiter kann auch meist die Analyse des Sinneseindruckes in einfachere Bestandtheile ausgeführt werden. Es liegen also hier wesentlich schwierigere Verhältnisse vor, als in der Chemie, wo die Analyse auf eine endliche Zahl unzweideutig verschiedener Elemente führte, dSnn hier haben sich nicht nur zahlreiche Gruppen von Elementen mit unbegrenzt vielen Gliedern ergeben, sondern es hat jeder Mensch je nach dem Grade seiner Entwicklung sozusagen seine persönliche geistige Chemie, deren Elemente sich zudem im Laufe der Zeit verändern. Die Ursache dieser Erscheinung tritt erst bei der wissenschaftlichen Untersuchung der Bedingungen zu Tage, unter denen die Sinneseindrücke zu Stande kommen. Hierbei sehen wir, dass es sich auch in solchen Fällen, wo ein anscheinend einfacher Eindruck gewonnen wird, um Vorgänge handelt, die vom physikalischen und noch mehr vom physiologischen Standpunkte aus sehr zusammengesetzt sind. Die sinnliche Einfachheit des Eindruckes erweist sich als das Ergebniss einer bestimmten Einseitigkeit des Sinnesapparates. Da nun die Entwicklung dieser Apparate am Individuum und innerhalb der Gattung sehr bedeutenden Aenderungen unterliegt, so ist von vornherein ein völlig constantes und einfaches Verhalten dieser abweichenden Apparate ausgeschlossen. Diesem beunruhigenden Ergebniss gegenüber haben wir nur noch eine Hoffnung, nämlich dass wir bei der Untersuchung der einfachsten geistigen O p e r a t i o n e n die ersehnten constanten und allgemeingültigen Elemente entdecken werden. Insbesondere muss es uns nachdenklich stimmen, dass der Versuch, uns möglichst an das „Reale", die Eindrücke der Aussenwelt zu halten, und möglichst ausschliesslich die „Erfahrung" zu befragen, zu einem so unbestimmten und
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schwankenden Resultat geführt hat. Es scheint, als sollten die alten Naturphilosophen doch Recht behalten, wenn sie im D e n k e n , und nicht im S e i n die allgemeinen Normen unseres gesammten Lebensinhaltes suchten. Wir gehen mit dieser Erwartung an die Untersuchungen der Begriffselemente des Denkens heran. Vorher müssen wir uns aber noch über die schon mehrfach benutzte Bezeichnung A u s s e n w e l t und I n n e n w e l t einigen. Nachdem wir von dem Grundsatze ausgegangen waren, dass unsere thatsächlichen Erlebnisse nur und ausschliesslich aus den Vorgängen bestehen, die sich in unserem Bewusstsein vollziehen, könnten wir die Frage kurzweg dahin abthun, dass es eben gar keine Aussenwelt giebt, und dass alles, was jeder von uns sieht, erkennt und erlebt, nur in seinem Bewusstsein existirt und daher auch verschwindet, wenn sein Bewusstsein, etwa durch Schlaf oder Tod, aufhört. In der That ist eine solche Auffassung von vielen Philosophen vertheidigt worden. Die Naturforscher haben jedoch stets in Uebereinstimmung mit der Auffassung des Durchschnittsmenschen angenommen, dass ausserhalb des Bewusstseins Dinge bestehen, durch deren Einwirkung auf die Sinnesapparate sie erst im Bewusstsein erscheinen oder bemerkt werden, und die im übrigen eine vom Bewusstsein unabhängige Existenz führen. Da diese beiden Auffassungen entgegengesetzt und unvereinbar scheinen, so hat ein langer Streit über die Richtigkeit der einen oder anderen stattgefunden, und wie ich glaube, wird die Frage von Vielen auch noch heute als unentschieden angesehen. Nun darf man in allen Fällen, wo ein derartiger Streit unentschieden durch einen längeren Zeitraum sich hinzieht, immer eines von zwei Dingen annehmen. Entweder hängt von der Entscheidung im einen oder anderen Sinne überhaupt nichts Bestimmtes oder Aufweisbares ab; dann ist es natürlich einerlei, welche von beiden möglichen Annahmen man macht, weil keine zu einem Widerspruch mit wirklichen Dingen führt und daher auch keine widerlegt werden kann. Oder, und dies
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ist der häufigere Fall: die beiden Parteien sprechen von verschiedenen Dingen, die sie mit dem gleichen Wort bezeichnen. Dann ist natürlich wieder eine Entscheidung nicht möglich. Bei der Unbestimmtheit des Zusammenhanges zwischen Begriffen und Worten, die wir kennen gelernt haben, sind derartige Geschehnisse ja fast unvermeidlich. Wir verdanken dem Entdecker des Energiegesetzes, JULIUS ROBERT MAYER, eine entscheidende Bemerkung über diese Art von Streitigkeiten. Er war in eine ähnliche Verhandlung verwickelt worden, da er sein Gesetz das Gesetz von der E r h a l t u n g der K r a f t genannt hatte, während ihm seine Gegner vorwarfen, dass die K r a f t sich ja bei den mechanischen Umwandlungen gar nicht erhält (denn durch einen Flaschenzug kann man eine kleine Kraft in eine grosse verwandeln), sondern dass es vielmehr die A r b e i t ist, für die das Erhaltungsgesetz gilt. MAYER wies in seiner Antwort darauf hin, dass er eben das, was seine Gegner Arbeit nannten, mit dem Namen Kraft bezeichnet hatte (wie dies aus den benutzten mathematischen Formeln unzweideutig hervorging), und bemerkte dazu: Es h a n d e l t s i c h j a n i c h t um die F r a g e , w a s die K r a f t für ein Ding s e i , s o n d e r n darum, w e l c h e s Ding wir Kraft nennen wollen. In der That: über thatsächliche, nachweisbare Verhältnisse lässt sich nicht streiten, und hat man daher mit den benutzten Worten ganz bestimmte, scharf bezeichnete Begriffe verbunden, so hört der Streit von selbst auf. In noch eindringlicherer Weise wird das, worauf es hier ankommt, Ihnen bei der folgenden Geschichte klar werden, welche FECHNER 1 für die Nachwelt gerettet hat. In einem jetzt völlig vergessenen Schriftchen: „Das Sonnensystem oder neue Theorie vom Bau der Welten" von S. SACHS (Berlin 1850) geht der Verfasser mit den Astronomen streng ins Gericht, indem er ihnen verschiedene unbewiesene Annahmen zum Vorwurf macht. Die entscheidende Wendung aber, durch welche er ihren bodenlosen Leichtsinn klarlegt, giebt er mit den Worten: 1
FECHNER, Atomenlehre, Leipzig 1855, S. 84.
OaiWALD, Naturphilosophie.
III. Auflage.
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„Wer steht uns dafür, dass der Stern, den die Astronomen für Uranus halten, auch wirklich Uranus sei?" FECHNER fügt hinzu: „Ich kann in der That den Unterschied dieser Frage von den meisten Haupt- und Streitfragen, um welche die Philosophie sich dreht, worin die verschiedenen Systeme einander hart entgegentreten, kaum entdecken, falls man nur recht zum Grunde des Streites geht."
Es hat auch in unserem Falle nicht die Frage zu lauten: existirt eine Aussenwelt? sondern: welche von u n s e r e n Erl e b n i s s e n f a s s e n wir u n t e r dem Namen A u s s e n w e l t zusammen? Nun können wir unter unseren Erlebnissen zwei Gruppen sehr genau unterscheiden. Gewisse unter ihnen, insbesondere Erinnerungsbilder aller Art können wir willkürlich hervorrufen und verschwinden lassen. Andere Erlebnisse, insbesondere die, welche wir von den Sinnesapparaten empfangen, können wir nicht beliebig hervorrufen, sondern wir müssen warten, bis sie auftreten. So kann keine Willensanstrengung mir bei Nacht die Summe von Sinnesempfindungen hervorbringen, welche ich am Tage als Licht und Wärme fühle und der Sonne zuschreibe. Das ist nun der ganze Unterschied, um den es sich handelt. Solche Erlebnisse, über die ich willkürlich schalten kann, schreibe ich meiner Innenwelt zu; solche, die von meinem Willen unmittelbar unabhängig sind, bringe ich unter den Begriff der Aussenwelt. Dass hier Uebergänge bestehen und es manchmal schwer ist, ein Erlebniss der einen oder anderen Gruppe zuzuordnen, ist kein Zweifel hiergegen, sondern nur eine Bestätigung. Denn es beweist eben nur wieder, dass es sich um eine zwar zweckmässige aber willkürliche Eintheilung einer in gewissem Sinne gleichartigen Gesammtheit, nämlich meiner Erlebnisse handelt. Um mögliche Missverständnisse zu vermeiden, will ich noch erinnern, dass auch eine Einwirkung auf die Aussenwelt durch meinen Willen nicht ausgeschlossen ist. Solche Einwirkungen erfolgen aber m i t t e l b a r , indem ich durch meinen
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Willen meine Glieder bewege und sie so lenke, dass die gewünschte Wirkung eintritt. Insofern kann ich meine Glieder und allgemein meinen Körper auch als einen Theil der Aussenwelt betrachten, da er sich der Aussenwelt gegenüber ganz ebenso verhält, wie die verschiedenen Theile der Aussenwelt gegen einander, an denen ich ganz ähnliche gegenseitige Einwirkungen beobachten kann. Auch empfinden wir thatsächlich unseren Körper beim Betrachten oder Betasten als einen Theil der Aussenwelt, besonders deutlich, wenn der betastete Körpertheil seinerseits unempfindlich gemacht ist, etwa durch Kälte oder Cocain. Da durch den Willen fast nur mechanische Bewegungen des Körpers bewirkt werden können, so bestehen unsere mittelbaren Einwirkungen auf die Aussenwelt zunächst gleichfalls in mechanischen Bewegungen. Durch den weiteren Umstand, dass viele Dinge der Aussenwelt, wenn sie mit einander in Berührung kommen, auf einander auch in anderer, nicht mechanischer Weise einwirken, ergiebt sich eine weitere Möglichkeit der Beeinflussung der Aussenwelt durch unseren Willen. Auf ähnlicher mittelbarer Wirkung in zweiter Stufe beruhen auch die W e r k z e u g e , mittelst deren wir unter Umständen sehr weit gehende Aenderungen in der Aussenwelt hervorbringen können. Wenn wir in solchem Sinne von der Aussenwelt sprechen, so werden wir nicht unter den Schwierigkeiten zu leiden haben, die mit unbestimmteren Auffassungen dieses Wortes verbunden sind. So kann auch noch die Frage beantwortet werden, welcher Nutzen in der Unterscheidung der „Aussenwelt" von den anderen Erlebnissen liegt, denn ohne einen solchen Nutzen würden wir die Unterscheidung nicht machen. Er liegt in der erfahrungsmässigen Thatsache, dass die Dinge der Aussenwelt sich so verhalten, als führten sie eine von unserer Betrachtung unabhängige Existenz. Befinden sie sich in Ruhe, so bleiben sie in Ruhe, ob wir sie im Bewusstsein haben oder nicht; ändern sie sich, so ist die Art und der Betrag ihrer Aenderung gleichfalls unabhängig von unserer Betrachtung, denn wenden 5*
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wir uns von ihnen ab, und später wieder ihnen zu, so finden wir, dass sie sich nicht anders geändert haben, als früher, wo wir sie ununterbrochen betrachteten. Auch diese Art der Unabhängigkeit ist kennzeichnend für diese Gruppe von Erlebnissen. Sie werden daher in dem gebräuchlichen Namen Aussenwelt ganz angemessen mit solchen Dingen verglichen, die sich ausserhalb eines mir zugänglichen und daher meiner Einwirkung unterworfenen Gebietes, etwa meines Zimmers oder Hauses, befinden. Es kann noch folgende Frage aufgeworfen werden. Wenn alle unsere Erlebnisse nur i n n e r e sind, wodurch unterscheidet sich das der Aussenwelt zugeschriebene Erlebniss von dem bloss gedachten? Warum haben wir nicht denselben Genuss, wenn wir uns die Empfindungen beim Essen einer Birne ins Bewusstsein zurückrufen, wie beim „wirklichen" Essen der Birne? Der Nichtphilosoph wird allerdings dieser Frage gegenüber kaum eine andere Antwort haben, als: wie kann man so dumm fragen? Uns dagegen ist diese Antwort nur eine Mittheilung darüber, dass in der That ein sehr deutlicher und unverwechselbarer Unterschied zwischen den beiden Arten des inneren Erlebens besteht. Die Antwort ist in der Richtung zu suchen, dass die Bet h e i l i g u n g u n s e r e r S i n n e s a p p a r a t e den entsprechenden inneren Erlebnissen einen besonderen Zusatz oder Bestandtheil giebt, der ohne diese Betheiligung nicht vorhanden ist, und dessen An- oder Abwesenheit mit grosser Sicherheit empfunden wird. Wir können demgemäss die Aussenwelt auch als die Summe von Erlebnissen bezeichnen, zu deren Entstehen die Sinnesapparate mitwirken. Dass diese Definition mit der vorigen, die sich auf die Mitwirkung des Willens bezog, in Uebereinstimmung ist, ergiebt sich unmittelbar, da eben unsere Sinnesapparate ihre Funktion unabhängig von unserem Willen ausüben. Was mir vor die Augen kommt, das sehe ich; ich kann zwar die Augen schliessen, wenn ich das Ding nicht sehen will, d. h. ich kann meinen Sinnesapparat ausser Thätigkeit setzen, so dass er die von meinem Willen unabhängige Beeinflussung nicht mehr empfängt. Aber
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ich kann mein Auge nicht zwingen, Dinge zu sehen, die nicht da sind. Auch ist ja der negative Schutz durch die Ausschaltung der Sinnesapparate je nach dessen Natur nur theilweise möglich. Die Augen kann ich schliessen und die Ohren verstopfen. Die letztere Maassregel hilft aber gegen sehr starke Geräusche nicht mehr. Ebenso kann ich unwillkommene Geschmäcke ausschalten; mit den Gerüchen geht dies aber nicht mehr an, da ich die Athmung nicht ausschalten kann. Endlich giebt es gegen die Temperaturempfindungen, wie sie etwa der Aufenthalt im Tropenklima hervorruft, überhaupt keinen Schutz.
FÜNFTE
VORLESUNG
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n den bisherigen Betrachtungen ist von dem Unterschiede zwischen einfacheren und zusammengesetzteren Begriffen vielfach Gebrauch gemacht worden. Jetzt, wo wir uns der thatsächlichen Begriffsanalyse nähern, sind einige Untersuchungen am Platze, welche uns mit dem Verfahren der Begriffsbildung und Begriffszerlegung soweit vertraut machen, dass wir es methodisch und sicher anwenden können. Es ist dies um so nöthiger, als die zur Erleichterung des Verständnisses bisher gebrauchten Bilder bei zu enger Anwendung erhebliche Irrthümer verursachen können. Wir denken uns eine grosse Anzahl Dinge neben einander geordnet, so dass die ähnlicheren näher und die weniger ähnlichen entfernter von einander untergebracht werden. Jedes Ding sei durch einen Punkt bezeichnet. Fassen wir dann eine Anzahl ähnlicher, d. h. mit übereinstimmenden Merkmalen ausgestatteter Dinge zusammen, so können wir aus ihnen Begriffe bilden, welche zwar weniger Merkmale enthalten, als jedes der ursprünglichen Dinge, aber dafür umfassender sind. Dies Verfahren lässt sich auf die entstandenen Begriffe wieder anwenden, und so gelangt man schliesslich zu einem allgemeinsten oder einfachsten Begriff, der alle vorhandenen umfasst, und der deshalb durch einen Umfang dargestellt wird, der alle Punkte unserer Tafel umschliesst. Hieraus ersehen wir zunächst die sehr wichtige Thatsache, dass die Begriffselemente sich nicht etwa als T h e i l e des Gesammtbegriffes, der alle Einzelbegriffe umfasst, darstellen,
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sondern die B e g r i f f s e l e m e n t e s i n d u m g e k e h r t d i e Beg r i f f e , w e l c h e a l l e a n d e r e n in s i c h e i n s c h l i e s s e n . Stellt man die eben geschilderte Beziehung durch eine Figur dar, so sind die kleinsten Kreise (Fig. 1) die Begriffe, welche aus den meisten Kennzeichen oder Begriffselementen zusammengesetzt sind und daher die wenigsten Individuen umfassen, die grösseren enthalten mehr Individuen, aber weniger Kennzeichen, und der grösste, der alle umfasst, enthält alle vorhandenen Individuen, aber die wenigsten Kennzeichen. Wenn man also vom Umfang eines Begriffes spricht, so muss man sich klar sein, welchen Umfang man meint, den an I n d i v i d u e n oder den an K e n n z e i c h e n , denn beide gehen nicht parallel, sondern entgegengesetzt. Wir wollen die Worte eng und weit nur auf die Z a h l der Individuen anwenden, und bezüglich der E l e m e n t e von einfacheren und zusammengesetzteren Begriffen reden. Dann brauchen wir uns nur zu merken, dass die einfachsten Begriffe gleichzeitig die grösste Zahl von Individuen oder Einzeldingen umfassen, und als den e l e m e n t a r s t e n Begriff werden wir den a l l g e m e i n s t e n ansehen müssen, den wir im Dingbegriff bereits kennen gelernt haben. Wir müssen uns also sehr in Acht nehmen, die früher benutzten räumlichen oder chemischen Bilder für die Zusammensetzung und Zerlegung, die Analyse und Synthese der Begriffe aufs Wort zu nehmen. Ohne weitere Ueberlegung würde man in den einzelnen Punkten der Figur 1 die Elemente oder Bestandt e i l e der dargestellten Begriffe suchen, während die Sache gerade umgekehrt ist. Gegenüber den chemischen Analogien erkennen wir, dass es sich bei den Begriffen zunächst nicht um eine grosse Anzahl gleichwerthiger Elemente handelt, die unabhängig neben einander bestehen wie dies die chemischen Elemente
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BEGRIFFSELEMENTE
thun, sondern dass es sich bei den Begriffen um S t u f e n der Einfachheit handelt, die folgendermaassen geordnet sind. Zu dem einfachsten Begriff tritt ein anderer, der mit ihm zusammen einen weniger einfachen bildet. Solche zutretende Begriffe haben insofern elementaren Charakter, als sie etwas Neues dem allgemeinsten Begriff gegenüber enthalten; sie sind aber insofern abhängig, als sie ihre Bethätigung nur innerhalb jenes Urbegriffes finden. Die so entstandenen zusammengesetzteren Begriffe, die sich im Urbegriff eingeschlossen befinden, können ihrerseits durch andere neue Begriffe specialisirt werden, und so fort; es ist das eben dargelegte Verhältniss der Figur 1 nur in umgekehrter Reihe betrachtet. Wir werden hiernach einen umfassendsten Urbegriff aufzustellen haben, und dann werden die sekundären Begriffselemente aufgesucht werden müssen, nach ihnen die tertiären u. s. f. Bei den sekundären und den folgenden Begriffen sind aber offenbar mehrere gleichwerthig neben einander bestehende, wie die chemischen Elemente, denkbar, ja nothwendig. Mit dem eben gegebenen Schema sind indessen die Beziehungen nicht erschöpft, welche zwischen den Begriffen vorkommen können. Wir haben stillschweigend angenommen, dass die Zusammenfassung zusammengesetzterer Begriffe durch einfachere immer e i n d e u t i g ist, so dass sich die Begriffsgebiete gegenseitig nur abgrenzen, nicht aber überschneiden. Diese Annahme ist zwar die einfachste, sie entspricht aber offenbar nicht den wirklichen Verhältnissen, denn wir können ein gegebenes Ding unter ganz verschiedene einfachere Begriffe ordnen. Dieses Zwanzigmarkstück gehört gleichzeitig unter die Begriffe Metalle, persönliches Eigenthum, Münze, hart u.s.w.; es werden sich also in unserer Figur ganz verschiedene Begriffsumfänge darum schlingen, die keineswegs einander einschliessen, sondern mehr oder weniger unabhängig von einander sind, und sich nur in diesem Punkte überdecken. Wir müssen also untersuchen, in welcher Weise zwei Begriffskreise sich zu einander verhalten, wenn sie sich nur theilweise überdecken. Diese Untersuchung ist gleichzeitig von Wichtigkeit für die Frage, wie wir überhaupt im Stande sein sollen,
ZWEI
BEGRIFFE
73
mit Hilfe der allgemeinen Begriffe, die in der Sprache niedergelegt sind, einzelne Dinge oder Erlebnisse zu bezeichnen. Denn da ein Begriff hergestellt worden ist, indem man aus einer grossen Zahl verschiedener Erlebnisse den gemeinsamen Antheil beibehalten und die wechselnden Antheile abgeworfen hat, so ist der Begriff und das ihm zugeordnete Wort nicht mehr geeignet, ein e i n z e l n e s Erlebniss zu bezeichnen, während doch das Sprechbedürfniss ganz vorwiegend auf die Kennzeichnung einzelner oder bestimmter Erlebnisse geht. Es ist daher ein Verfahren erforderlich, um die allzu grosse Weite des Begriffes wieder einzuschränken, und das geschieht, indem man einen anderen Begriff hinzufügt. Auch dieser zweite Begriff hat einen erheblichen Umfang; sollen aber beide Begriffe gleichzeitig aufgefasst werden, so k a n n d i e s n u r an d e n T h e i l e n g e s c h e h e n , welche b e i d e n B e g r i f f e n g e m e i n s a m s i n d , und diese sind nothwendig sehr viel enger, als jeder der beiden Begriffe einzeln genommen war. Ist die Einschränkung durch einen zweiten Begriff nicht ausreichend, so nimmt man noch einen dritten, vierten u. s. w. zu Hilfe, bis man die erforderte Bestimmtheit erreicht hat. Die Zusammensetzung der Begriffe in der Sprache wirkt also nicht in solchem Sinne, dass das erhaltene Produkt die S u m m e der Bestandt e i l e darstellt, sondern in solchem, dass eine Art von S u b t r a k t i o n eintritt. Unser Bild wird dies Verhältniss anschaulicher machen. Stellen wir jeden Begriff durch einen Kreis auf einer Ebene dar, so wird durch das Zusammenbringen zweier Begriffe nicht der Theil der Ebene bezeichnet, der durch die Summe beider Antheile dargestellt wird, sondern nur der, welcher beiden Theilgebieten gemeinschaftlich ist. In der beistehenden Figur ist das Ergebniss der Zusammenwirkung der beiden Begriffe A und B nicht das gesammte Gebiet ACB, sondern nur das von beiden gedeckte gemeinsame Gebiet C. Diese wichtige Thatsache wird an jedem einfachen Beispiel nachzuweisen sein. Lassen wir den früher gebrauchten Peter
74
BEGRIFFSELEMENTE
wieder antreten, so wird das Wort „Peter" uns zunächst den ganzen Umfang dieses Begriffes ins Bewusstsein rufen. Dieser Umfang gehört zwar, wie wir wissen, zu den engsten, die es giebt, aber er umfasst doch alle Seiten dieser Persönlichkeit an allen Orten und zu allen Zeiten, wo er war, ist und sein wird. Andererseits umfasst das Wort „hier" die Gesammtheit der Dinge, die räumlich eben um mich versammelt sind. Sage ich aber nun „Peter ist hier", so kommen die beiden grossen Begriffskreise nur an einer kleinen Stelle zur gegenseitigen Deckung. Von allem, was Peter war, ist und sein wird, ist nur sein gegenwärtiger Zustand gemeint; von allem, was mich hier umgiebt, ist nur Peter gemeint, und so wird durch die gegenseitige Einschränkung des Umfanges wieder die Kennzeichnung eines bestimmten, einzelnen Erlebnisses ermöglicht. Es ist sehr interessant, zu beobachten, wie das der Begriffsbildung einigermaassen entgegengesetzte Verfahren der Einzelbestimmung durch Begriffsverbindung auf dieselbe Grunderscheinung zurückgeführt werden muss, welche für die Begriffsbildung selbst verwendet wurde. Auch hier ist es die Hervorhebung des Gemeinsamen in den mehreren mit einander in Beziehung gesetzten Einzeldingen. Bei der Bildung der Begriffe waren diese mehrfachen Dinge die einzelnen Erfahrungen, und der Begriff war deren Gemeinsames. Bei der Bezeichnung der Einzeldinge mit Hilfe der Begriffe sind umgekehrt die Begriffe die Einzelheiten, welche zusammengefasst werden, und dadurch ergiebt sich die Kennzeichnung des besonderen Erlebnisses. Wenn also ein Begriff durch den anderen eingeschränkt wird, so erfolgt dies in solcher Weise, dass ein Stück der ersten durch den zweiten abgetrennt wird, und dieses abgetrennte Stück stellt nun das Ergebniss der Wechselwirkung dar. Offenbar ist aber dieses Abschneiden ein gegenseitiges: es kann von A durch B ein Stück abgetrennt werden, aber ebensogut auch von B durch A. Das übrigbleibende Stück ist im ersten Falle ein Stück A, im zweiten ein Stück B. In dem eben benutzten Beispiele „Peter ist hier" tritt dies nicht so deutlich in die Erscheinung, weil der Begriff „hier"
DREI
BEGRIFFE
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nur wenig dingliche Beschaffenheit hat. Verbindet man aber die beiden Begriffe „Peter" und „gut", so giebt das erste Verfahren den g u t e n P e t e r , das zweite giebt P e t e r s Güte. Die beiden Ergebnisse, die man so erhält, unterscheidet die Sprache bei der unmittelbaren Verbindung zweier Hauptwörter durch die Reihenfolge, indem der Begriff, aus welchem der Ausschnitt erfolgt ist, zuletzt gesetzt wird. P e n d e l u h r und U h r p e n d e 1 ist ein anschauliches Beispiel dieser Verschiedenheit. Viel mannigfaltiger sind naturgemäss die Formen der Verbindungen von drei und mehr Begriffen. Haben drei Kreise einen Theil gemeinsam (Fig. 3), so verhält sich der aus zwei Begriffen gebildete Theil wie ein ursprünglicher Begriff dem dritten gegenüber, indem er durch diesen gleichfalls weiter eingeschränkt wird. Da auch in diesem Falle die Reihenfolge, in welcher die Begriffe zur gegenseitigen Einschränkung benutzt werden, einen Einfluss auf das Ergebniss hat, so giebt es im ganzen sechs verschiedene Gebilde aus der gegenseitigen Beeinflussung derselben drei Begriffe. Man ersieht dies aus dem Schema ABC, ACB, BAC, BCA, CAB, CBA, welches alle möglichen Fälle der Reihenfolge darstellt. Um für diese vielleicht unerwartete Mannigfaltigkeit ein Beispiel zu geben, combiniren wir die drei Begriffe P e t e r , j u n g und k l u g und erhalten: P e t e r s j u n g e K l u g h e i t , P e t e r s k l u g e J u g e n d , der k l u g e j u n g e Peter, d e s k l u g e n P e t e r s J u g e n d , d e s j u n g e n P e t e r s Klugheit und der junge Klug-Peter. Ein zweiter wichtiger Fall wird durch Figur 4 dargestellt. Hier wird der Begriff A von B und von C theilweise überdeckt, aber so, dass B und C nichts Gemeinsames haben. Die beiden herausgeschnittenen Stücke können dann entweder solche von A sein, oder es sind die durch A abgeschnittenen Stücke von B und C. In diesem Falle entstehen also nur zwei Gebilde statt der sechs vom vorigen Falle. Beispielsweise verbinden wir Peter, f l e i s s i g und h e i t e r , wobei zwar P e t e r m i t F l e i s s
76
BEGRIFFSELEMENTE
und H e i t e r k e i t in Beziehung tritt, die beiden letzteren aber von einander unabhängig sind. Somit entstehen nur die beiden Gebilde: der f l e i s s i g e , h e i t e r e Peter, und P e t e r s H e i t e r keit u n d F l e i s s . Hier kommt es wie natürlich nur auf die Reihenfolge der sich beeinflussenden Begriffe an, nicht auf die der von einander unabhängigen. Mit den angestellten Betrachtungen sind allerdings die Möglichkeiten nicht erschöpft, welche sich für die gegenseitige Einschränkung dreier Begriffe ergeben, und noch weniger die bei vier und mehreren Begriffen auftretenden Fälle. Aber wir haben keinen Anlass, uns jetzt weiter in diese Untersuchungen zu versenken, denn wir brauchten sie nur, um über den Weg klar zu werden, auf welchem wir zu den Begriffselementen gelangen können. Haben wir diese erst, Fig. 4. so werden wir die mannigfaltigen Verhältnisse leichter verstehen, welche durch die Wechselwirkung der Begriffe hervorgebracht werden. Wir wenden uns nun wieder unserer Hauptaufgabe zu. Weder in der Sprache noch in den Sinneserfahrungen haben wir hinreichend feste und unveränderliche Begriffe gefunden, dass sie uns als Grundlagen für den systematischen Aufbau unseres gesammten Begriffsmaterials hätten dienen können. Es ist uns nur noch die eine Hoffnung geblieben, dass solche wirkliche Begriffselemente sich bei den einfachsten G e i s t e s o p e r a t i o n e n finden werden, mittelst deren wir die von den Sinnesapparaten gelieferten Erfahrungen bearbeiten. Um eine derartige Untersuchung auszuführen, werden wir uns zunächst darauf besinnen, dass als allgemeinste geistige Operation sich die Bildung der Begriffe selbst, d. h. die Zusammenfassung des Uebereinstimmenden in den verschiedenen Erlebnissen herausgestellt hatte (S. 17). Indem wir diesen Vorgang in seine Bestandteile zu zerlegen versuchen, werden wir unsere Aufgabe lösen können. In der That erweist sich die Bildung eines Begriffes nicht als ein einheitlicher, aus ununterscheidbaren Antheilen be-
DINGE
77
stehender Vorgang. Um einen Begriff zu bilden, müssen wir die dazu gehörigen Erlebnisse erst a u f f a s s e n , wir müssen dann verschiedene Erlebnisse u n t e r s c h e i d e n , wir müssen sie v e r b i n d e n und v e r g l e i c h e n , um das Uebereinstimmende in ihnen herauszufinden, und wenn wir auf solche Weise den Begriff gebildet haben, so müssen wir seine Anwendung erproben, um uns von seiner Brauchbarkeit zu überzeugen, d. h. wir müssen mit seiner Hilfe von der Gegenwart auf die Zukunft s c h l i e s s e n . Diese fünf Verrichtungen: a u f f a s s e n , u n t e r s c h e i d e n , v e r b i n d e n , v e r g l e i c h e n und s c h l i e s s e n stellen die allgemeinsten geistigen Arbeiten dar, und in ihnen müssen wir daher die grundlegenden Begriffe oder Begriffselemente antreffen, die in alle andere geistige Thätigkeit als wesentliche Bestandtheile eingehen. Durch die Auffassung eines Erlebnisses als von anderen v e r s c h i e d e n entsteht zunächst der allgemeinste aller Begriffe, den wir als solchen schon früher kennen gelernt haben, der Dingbegriff. Mit dem Worte Ding bezeichnen wir also nicht mehr als ein Erlebniss, das wir von anderen als getrennt oder unterscheidbar empfinden. Mit dem gewöhnlichen Sprachgebrauch stimmt diese Abgrenzung ziemlich überein, doch liegt meist die Neigung vor, das Wort Ding ausschliesslich auf die der Aussenwelt zugeschriebenen Erlebnisse anzuwenden. Wir werden uns aber das Recht nehmen, auch innere Erlebnisse, einen Entschluss, einen Gedanken, ein Urtheil als Ding zu bezeichnen, wenn wir davon nichts weiter sagen wollen, als dass es sich als etwas Besonderes und Erkennbares aus seiner Umgebung abhebt Das Wesentliche des Dingbegriffes liegt also in der A b g r e n z u n g ; unbegrenzte Dinge sind in unserem Sinne ein Widerspruch in sich. Doch liegt in dem Begriff nur die Unterscheidung des Dinges von seiner Umgebung, d. h. von den ausserdem erfahrenen Erlebnissen, aber noch nicht die Auffassung eben dieser Umgebung als gleichfalls von Dingen gebildet. Als erstes mit dem Dingbegriff auftretendes G e s e t z können wir aussprechen, dass immer aus unseren Erlebnissen sich gewisse Antheile als Dinge aussondern lassen, oder mit
78
BEGRIFFSELEMENTE
anderen Worten, d a s s d e r D i n g b e g r i f f sich auf alle unsere Erlebnisse anwenden lässt. Wenn Sie dieser Darlegung aufmerksam gefolgt sind, so werden Sie unzweifelhaft sagen: das ist ja selbstverständlich und sagt uns nichts Neues, denn wenn wir unsere verschiedenen Erlebnisse nicht je als etwas Besonderes empfinden würden, so hätten wir ja überhaupt keine Erlebnisse, sondern würden in unbeweglicher Dumpfheit dahindämmern. Es ist also kein besonderes Gesetz, das hier den Erlebnissen auferlegt wird, sondern es liegt schon im Wesen der Erlebnisse, dass es sich so verhält. Ich würde einen derartigen Einwand sehr willkommen heissen, denn er zeigt Ihnen deutlich, was wir unter einem Gesetz im wissenschaftlichen Sinne zu verstehen haben. In der That liegt hier wieder eine unglückliche Begriffsverschiebung durch die Wahl und Beibehaltung eines ungeeigneten Wortes vor. Mit Gesetz bezeichnet man ja urT sprünglich eine durch eine höhere Gewalt, einen Herrscher oder eine Regierung den Beherrschten auferlegte Regel für ihr Verhalten unter gewissen Umständen, womit der wesentliche Nebengedanke verbunden ist, dass ein Abweichen von der Regel bestraft, die Einhaltung der Regel also erzwungen wird. Dass wirklich diese juristische Auffassung des „Gesetzes" auch gegenüber den Naturgesetzen stattfindet, nehmen Sie aus dem zum Ueberdruss wiederholten Citiren der GOETHE'schen Verse von den „ewigen, ehernen, grossen Gesetzen" wahr. Thatsächlich ist unser Verhältniss zu Naturgesetzen ein ganz anderes, viel g e m ü t h l i c h e r e s , wenn ich so sagen darf. Das eben ausgesprochene Dinggesetz ist uns keineswegs von einer finsteren, grausamen Gewalt auferlegt worden; auch werden wir für Verletzungen dieses Gesetzes keineswegs bestraft. Vielmehr haben wir uns in gewissem Sinne das Gesetz selbst gegeben, und wir verspüren nicht die geringste Neigung, es zu verletzen. Wir könnten ja auf die Anwendung des Dingbegriffes unseren Erlebnissen gegenüber ganz verzichten, und es liegt niemandem sonst daran, dass wir das Gesetz einhalten. Nur würde mit dem Verzicht auf die Anwendung des Gesetzes auch ein Verzicht auf eine bestimmtere Auffassung unserer inneren
MA NNIG Erlebnisse,
FALTIG
d. h. ein Verzicht auf
Wickelung v e r b u n d e n sein.
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REITEN unsere ganze
geistige
Ent-
Das G e s e t z ist also k e i n e s w e g s ein
g r a u s a m e r Wächter, der u n s die Erlangung v o n irgend e t w a s A n g e n e h m e m verwehrt, Helfer,
sondern es ist umgekehrt ein liebevoller
der u n s eben d a s vermittelt,
streben,
w a s wir wollen und er-
d e n n e s zeigt u n s den W e g , um der
Mannigfaltigkeit
der
überwältigenden
inneren Erlebnisse Herr zu w e r d e n ,
und
sie im Interesse einer S i c h e r u n g unserer Z u k u n f t zu bearbeiten. Von
solcher Beschaffenheit w e r d e n wir auch alle anderen
Naturgesetze sollen, von
finden.
Sie
befehlen
sondern sie berichten,
alle
nicht,
was
wir
w a s thatsächlich geschieht.
allen d e n k b a r e n Möglichkeiten
nur e i n e thatsächlich stattfinden
thun Da
in einem g e g e b e n e n Falle
kann,
so
ist die
Kenntniss
dieser einen Wirklichkeit a u s tausend Möglichkeiten eine übera u s segensreiche Sache.
In der T h a t w e i s s jeder Naturforscher
oder Techniker, d a s s die K e n n t n i s s und A n w e n d u n g der Naturgesetze d a s einzige sichere Mittel darstellt, den G a n g der Welt in unserem Interesse zu beeinflussen. Die zweite
Stufe
in
unserer
—
Bearbeitung
der
Erlebnisse
besteht darin, d a s s nachdem wir die Gesammtheit unserer Erlebnisse als a u s Dingen in d e m eben erörterten Sinne bestehend aufgefasst
haben,
wir
nun
auf e i n a n d e r b e z i e h e n . für sich, ein Individuum. ungsvermögens
einzelne
von
diesen
Dingen
Z u n ä c h s t ist j a j e d e s Ding ein Ding S o w i e aber v e r m ö g e unseres Erinner-
u n s d a s V o r h a n d e n s e i n mehrerer v o n einander
unterscheidbarer Dinge b e w u s s t wird,
entsteht
d a s Bedürfniss,
diese zu einander in irgend eine Beziehung zu setzen, oder sie zu o r d n e n .
Die Gesammtheit irgend welcher geordneter oder
mit einander
in Beziehung
gebrachter Dinge wollen
M a n n i g f a l t i g k e i t nennen. eine kausale oder
genetische
oder
sein; jede beliebige B e z i e h u n g , Folge
der B u c h s t a b e n
wir
eine
Die B e z i e h u n g braucht nicht etwa sonst
weit
hergeholte
zu
wie etwa die g a n z willkürliche
des Alphabets,
stellt
bereits
eine
ge-
ordnete Mannigfaltigkeit in diesem allgemeinen Sinne dar. Wir w e r d e n wieder alsbald die Frage nach den „ G e s e t z e n " dieses Gebietes,
also der Mannigfaltigkeiten unserer Erlebnisse
aufwerfen, d. h. wir werden bestimmte A n g a b e n über die wirk-
80
BE
GRIFFSELEMENTE
liehe Beschaffenheit der Mannigfaltigkeiten in einen kurzen und genauen Ausdruck zu bringen suchen. Diese Antwort ist, d a s s die Gesetze der M a n n i g f a l t i g k e i t e n u n s e r e r Erl e b n i s s e d u r c h Zeit u n d R a u m d a r g e s t e l l t w e r d e n . Es mag vielleicht ungewohnt klingen, wenn Zeit und Raum Gesetze genannt werden, und im juristischen Sinne sind sie in der That nicht so zu nennen. Wohl aber in dem eben definirten Sinne der Naturgesetze, denn wir sprechen hierdurch nur den offenbaren Thatbestand aus, dass alle unsere inneren Erfahrungen in zeitlichem oder räumlichem Verhältnisse zu einander stehen, und dass keine Beziehung zweier oder mehrerer Erlebnisse auf einander vorhanden ist, der nicht eine zeitliche oder räumliche Beschaffenheit zu Grunde liegt. Der Ausspruch, dass Zeit und Raum die Gesetze unserer Erlebnisse seien, legt mir die Verpflichtung auf, den genaueren Inhalt dieser Gesetze festzustellen. Wir werden mit anderen Worten in eine Untersuchung der Eigenschaften von Raum und Zeit einzutreten haben. Unsere inneren Erlebnisse sind zunächst z e i t l i c h geordnet, und die Gesetze dieser Ordnung werden die Eigenschaften der Zeit sein. Fragen wir unsere Erinnerung hiernach, so finden wir folgende Besonderheiten. Zunächst ist der zeitliche Ablauf unserer Erlebnisse s t e t i g . Das bedeutet, dass von einem Erlebniss zum anderen ein ununterbrochener Uebergang stattfindet, so dass nicht etwa zwischen je zwei Erlebnissen ein Zustand angetroffen wird, in welchem gar kein Erlebniss vorhanden ist. Freilich könnten Sie sagen, dass, wenn ein solcher Zustand vorhanden wäre, wir ihn nicht empfinden würden, da uns eben nur unsere Erlebnisse, nicht unsere blosse Existenz an sich zum Bewusstsein kommt. Das ist aber offenbar dieselbe Sache, nur von einer anderen Seite gesehen. Denn die Existenz irgend eines Dinges können wir nur aussagen, wenn wir es erleben; wo dies ausgeschlossen wird, hat das Wort Existenz keinen Sinn mehr. So erscheint uns also auch dies Gesetz als „selbstverständlich", d. h. im Wesen der Sache begründet, auf die es sich bezieht. Das aber ist eben das Kennzeichen eines guten
STETIGKEIT
DER
81
ZEIT
Naturgesetzes, dass es möglichst unmittelbar das Wesen der Sache darstellt, also möglichst unmittelbar ihr Verhalten erkennen lässt. Uebrigens ist die Stetigkeit des Zeitverlaufes nicht immer vorhanden. Zwar trifft sie insofern zu, als jedes Erlebniss mit einigen anderen jedenfalls stetig zusammenhängt. Aber die G e s a m m t r e i h e unseres Erlebnisses wird von Zeit zu Zeit unterbrochen; ziemlich regelmässig durch den Schlaf und unregelmässig durch Zustände der Bewusstlosigkeit, der Narkose u. s. w. Genauer gesprochen bildet also unsere Zeit eine Anzahl getrennter Stücke, von denen jedes in sich stetig ist, von den anderen aber durch ein zeitloses Zwischenstück getrennt ist. Wenn wir trotzdem die gebräuchliche Annahme machen, dass inzwischen die Zeit ebenso stetig weitergegangen ist, so gehen wir damit bereits über den unmittelbaren Thatbestand unserer Erfahrung hinaus, und wir müssen die Gründe angeben, welche uns zu dieser I n t e r p o l a t i o n , wie das Verfahren in der Mathematik heisst, veranlassen. Sie liegen in folgenden Verhältnissen. Unter den stetigen Aenderungen unseres Bewusstseinsinhaltes können wir d i e besonders beobachten, die wir auf die Aussenwelt (S. 66) beziehen. Hier nun nehmen wir wahr, dass die Dinge der Aussenwelt sich im allgemeinen ebenso stetig ändern, wie unsere inneren v o m Willen abhängigen Zustände. Weiter nehmen wir wahr, dass nach einer Unterbrechung der Stetigkeit unseres Zeitbewusstseins, etwa durch den Schlaf, die Aenderungen der Aussenwelt weiter gegangen sind, so d a s s wir sie in einem Zustande finden, als wäre eine gewisse Zeit vergangen, während wir kein Bewusstsein von ihr gehabt haben. Und zwar ergiebt sich, d a s s wenn wir aus der Beobachtung verschiedener Aenderungen in der Aussenwelt die Dauer der Zeit schätzen, die inzwischen vergangen sein müsste, wir aus allen die g l e i c h e n E r g e b n i s s e erhalten. Wir haben also gegenüber unseren Unterbrechungen des Zeitbewusstseins die Wahl zwischen folgenden Annahmen. Entweder die Zeit hatte inzwischen aufgehört, und beginnt erst wieder, wenn wir wieder ein Bewusstsein ihres Verlaufes haben. OSTWALD, Naturphilosophie,
in. Auflage.
6
82
BE
GRIFFSELEMENTE
Dann müssen alle in Veränderung begriffen gewesenen Dinge der Aussenwelt inzwischen einen Sprung gemacht haben, der sie gerade ebenso weit gebracht hat, als wäre inzwischen eine bestimmte, für alle gleiche Zeit vergangen. Oder wir verzichten darauf, nur die bewusst durchlebte Zeit als solche anzuerkennen, und machen die Annahme, dass auch während der Unterbrechung unseres Bewusstseins eine gewisse Zeit vergangen ist. Dann entsteht die Frage nach der Dauer dieser Zeit, und da sich immer eine bestimmte Dauer angeben lässt, die von allen inzwischen eingetretenen Veränderungen ü b e r e i n s t i m m e n d Rechenschaft giebt, so ist offenbar diese zweite Annahme die zweckmässigere. Hält man diese Betrachtungen mit denen zusammen, die wir vor kurzem über die Annahme einer Aussenwelt angestellt haben (S. 68), so findet man beide sehr ähnlich. Wir sehen, dass unsere Weltanschauung eine Frage der Zweckmässigkeit und Einfachheit ist, und dass wir sie so ausbilden, dass wir die thatsächlichen Erlebnisse in kürzester und übersichtlichster Gestalt darzustellen und zu ordnen vermögen. Ferner tritt uns bei dieser Ergänzung des Zeitgesetzes ein Verfahren entgegen, zu dem wir auch vielen anderen Naturgesetzen gegenüber genöthigt sind. Wir haben irgend eine Gruppe von Erscheinungen unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt gebracht, und diese Gemeinsamkeit durch ein Gesetz ausgesprochen. Hernach finden wir andere zugehörige Erscheinungen, welche sich nicht unter dieses Gesetz bringen lassen, und wir stehen vor der Gefahr, die Ordnung der bereits geordneten Erscheinungen aufgeben zu müssen. Dann lässt sich oft die Gefahr dadurch beseitigen, dass wir an dem Begriff, auf den sich das Gesetz bezieht, eine passende Aenderung anbringen, mittelst deren der so geänderte Begriff dann mit dem Gesetz völlig übereinstimmt So erweitern wir den zunächst auf unsere inneren Erlebnisse allein bezogenen Zeitbegriff auf die Aussenwelt, indem wir deren Aenderungen die gleiche Stetigkeit zuschreiben, und gelangen so zu dem erweiterten, sogenannten objektiven Zeitbegriff. Wir erkennen auch hier das immer wiederkehrende Schluss-
ZEIT
EINE
EINFACHE
MANNIGFALTIGKEIT
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verfahren aus gemachten Erfahrungen auf nicht gemachte vermöge der Voraussetzung des übereinstimmenden Verlaufes. Die Unsicherheit, welche in diesem Verfahren liegt, ist nicht zu beseitigen, und wir haben nur zu prüfen, ob wir bei Benutzung der gemachten Voraussetzung mit anderweitigen Erfahrungen in Uebereinstimmung bleiben. In dem vorliegenden Falle der Erweiterung des Zeitbegriffes haben sich Widersprüche noch nicht herausgestellt. Vielleicht sind thatsächlich welche vorhanden, und man hat sie nur noch nicht auf ihre Quelle zurückzuführen gewusst. Jedenfalls kann ich Ihnen keine angeben. Eine zweite Eigenschaft des Begriffes derZeit ist, dass sie eine e i n f a c h e M a n n i g f a l t i g k e i t darstellt. Jeder Zeittheil grenzt einerseits an e i n Früher, andererseits an e i n Später und v o n e i n e m Z e i t p u n k t zu e i n e m a n d e r e n k a n n m a n n u r auf e i n e m e i n z i g e n W e g e g e l a n g e n . Man macht sich diesen wichtigen Thatbestand gewöhnlich durch den Vergleich mit den räumlichen Verhältnissen anschaulich. Von einem Punkte des Raumes kann man zu einem anderen auf unbegrenzt vielen verschiedenen Wegen gelangen, nämlich ausser in der Geraden auf beliebigen gekrümmten oder gezackten Linien. Auch wenn man die weitere Bedingung stellt, dass der Weg in einer bestimmten Fläche, z. B. in einer Ebene liegen soll, so sind immer noch unbegrenzt viele Wege möglich. Erst wenn vorgeschrieben wird, dass man sich nur in einer gegebenen Linie bewegen darf, giebt es zwischen zwei Punkten dieser Linie nur einen einzigen Weg. Die gleiche Eigenschaft kommt der Zeit zu und deshalb kann man viele Verhältnisse der Zeit durch die einer Linien darstellen. Doch darf man sich nicht der Täuschung hingeben, dass die Uebereinstimmung in diesem Punkte (zu der noch Uebereinstimmungen in einigen anderen Punkten kommen) zur Folge hat, dass beide Begriffe in allen Punkten übereinstimmen werden. Dass dies nicht der Fall ist, geht ja schon daraus hervor, dass wir die Zeit und die Linie nie verwechseln; es bestehen also ganz bestimmte Unterschiede zwischen beiden. Hier haben wir einen Fall, wo der Schluss aus einigen Uebereinstimmungen auf vollständige Ueberein6*
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BEGRIFFSELEMENTE
Stimmung (S. 23) uns ganz und gar in die Irre führen würde, und wir werden so zu neuer Vorsicht in der Benutzung der Inductionsschlüsse gemahnt. Dass die Zeit eine e i n f a c h e Mannigfaltigkeit darstellt, ist augenscheinlich eine Folge davon, dass wir unter den Begriff der Zeit in erster Linie unsere inneren Erlebnisse ordnen, oder dass, wie KANT es ausdrückt, die Zeit die Anschauungsform des inneren Sinnes ist. Da unser Bewusstsein sich als einheitlich erweist (vielleicht wird späteren Geschlechtern eine willkürliche Theilung gelingen), so muss sich immer ein Ding stetig an das andere schliessen, und die einzig mögliche Mannigfaltigkeit besteht darin, dass auf einen Bewusstseinsinhalt ein anderer folgt, und so in der Reihe fort. Die dritte Eigenschaft, die der zeitlichen Mannigfaltigkeit zukommt, ist die, dass diese Mannigfaltigkeit k e i n e m e h r d e u t i g e n o d e r Doppelpunkte besitzt Jeder Zeitpunkt scheidet die gesammte Zeit in zwei vollkommen von einander getrennte Theile, die wir als f r ü h e r und s p ä t e r erkennen. Da dies ohne Ausnahme für jeden Zeitpunkt gilt, so folgt, dass niemals eine vergangene Zeit wiederkehrt. Was hiermit gemeint ist, wird vielleicht wieder an einem räumlichen Bilde anschaulicher. Eine Linie kann man so ziehen^ dass sie sich selbst schneidet (Fig. 5), und wenn man die Punkte der Linie in der Reihe, wie sie gezogen worden ist, als frühere und spätere bezeichnet, so hat der Durchschnittspunkt d die Eigenschaft, für alle Punkte innerhalb der Schleife sowohl ein früherer, wie ein späterer Punkt zu sein. Ein solches Verhalten ist bei der Zeit niemals vorhanden. Es folgt daneben noch, dass, wenn man die Zeit durch eine Linie darstellen will, man hierzu zweckmässig eine Gerade wählt, weil bei einer solchen gleichfalls ein Selbstdurchschnitt nicht vorhanden ist Als vierte besondere Eigenschaft der Zeit ist schliesslich ihre E i n s i n n i g k e i t hervorzuheben. Jeder Zeitpunkt trennt nicht nur die gesammte Zeit in ein Früher und ein Später,
EINSINNIGKEIT
DER
ZEIT
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sondern diese beiden Theile sind auch u n v e r w e c h s e l b a r , und das Früher ist wesentlich verschieden von dem Später. Da jeder Zeitpunkt diese Eigenschaft hat, so kommt auch den kleinsten Zeittheilchen die gleiche Einsinnigkeit des Verlaufes zu. Auch hier wird die Benutzung eines räumlichen Bildes Aufklärung gewähren. Eine unbegrenzte gerade Linie wird ebenso wie die Zeit durch jeden ihrer Punkte in zwei Stücke getheilt; diese sind aber verwechselbar, d. h. man kann in keiner Weise einen Unterschied der beiden Theile ausfindig machen, welcher in der Linie selbst liegt und nicht etwa von aussen hinzugebracht wird. Diese vier Eigenschaften der Zeit hängen mit dem Zeitbegriff in unserem Bewusstsein verschieden eng zusammen. Dass die Zeit eine einfache, nicht eine mehrfache Mannigfaltigkeit darstellt, ist nie in Zweifel gezogen worden. Wir sind bereit, jedem Menschen, und vielleicht auch jedem höheren Thier ein eigenes Zeitbewusstsein zuzuschreiben, und insofern sehr viele neben einander bestehende, subjektive Zeiten anzuerkennen; aber jede dieser vielen Zeiten ist für sich eine einfache Mannigfaltigkeit, und allen diesen Zeiten kommen ausserdem gewisse Grösseneigenschaften zu, die die Bildung eines allgemeinen oder objektiven Zeitbegriffes ermöglichen, in welchem alle individuellen Zeiten untergebracht werden können. Hierüber kann indessen erst nach Einführung des Grössenbegriffes gesprochen werden. Etwas weniger sicher scheint die Frage nach der S t e t i g keit der Zeit zu stehen. Zwar wird sie im allgemeinen anerkannt, doch ist mir ein Fall entgegengetreten, wo ein sehr hochstehender Naturforscher, der die Dinge nicht anders als aus unterschiedenen Theilen oder Atomen auffassen zu können erklärt, auch der Zeit eine ähnliche unstetige oder atomistische Natur zuschrieb. Das Recht zu einer solchen persönlichen Auffassung kann Niemandem bestritten werden; ihre Uebertragung auf andere Menschen wird davon abhängen, ob diese die gleichen inneren Erfahrungen machen, die jenen Gelehrten zu seinem Schlüsse geführt haben, und ob daher die
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BEGRIFFSELEMENTE
atomistische Auffassung der Zeit sich als eine angemessenere Begriffsbildung erweist, als die bisherige stetige. Noch weniger fest ist mit dem Zeitbegriff die A b w e s e n h e i t m e h r d e u t i g e r P u n k t e verbunden. Der in der Astronomie und Physik gebräuchliche Begriff des p e r i o d i s c h e n Vorganges setzt geradezu das Gegentheil voraus. Denken wir uns, d a s s wir zur Bildung des Zeitbegriffs das anscheinend zweckmässigste Werkzeug, die Uhr, benutzt hätten, ohne andere Erfahrungen mitzubenutzen, so hätte der Anblick der veränderlichen Zeigerstellungen uns zu keinem anderen Schlüsse führen können, als d a s s die Zeit, nachdem sie einen gewissen Betrag erreicht hat, immer wieder in gleicher Weise von vorn beginnt. Und zwar geschieht dies infolge der etwas unzweckmässigen Art der Eintheilung unserer Uhren nicht einmal nach je 24, sondern es geschieht nach je 12 Stunden. Hiernach würde, was ja durch die Gestalt des Zifferblattes unmittelbar nahe gelegt wird, die Zeit nicht durch eine gerade Linie, sondern durch einen Kreis dargestellt werden. In der That brauche ich Sie nur an vielgebrauchte Wendungen vom Kreislauf des Lebens und dem Kreislauf der Geschichte zu erinnern, um Ihnen zu zeigen, dass eine derartige Auffassung des Zeitbegriffes nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern in gewissem Sinne sogar naheliegend und dem Bewusstsein geläufig i s t Der scheinbare Widerspruch zwischen dem aus gewissen Erscheinungen entnommenen Begriff der fortlaufenden, und dem aus anderen abgeleiteten der in sich wiederkehrenden Zeit hat seine Auflösung in der Bildung des neuen Begriffes der p e r i o d i s c h e n E r s c h e i n u n g gefunden. Wir sehen zunächst, dass verschiedene wiederkehrende Erscheinungen von ganz verschiedener Zeitdauer neben einander verlaufen, ohne sich gegenseitig zu stören. Das bekannteste Beispiel hierfür sind die beiden verschiedenen Wiederkehrerscheinungen der Sonne, die wir als Tag und Jahr kennen; daneben hat noch der Mond seine vierwöchigen Perioden. Die Annahme, dass für jeden Vorgang die Zeit wiederkehrt, ist daher nicht möglich, da jede einzelne derartige Annahme alle anderen gleichberechtigten, die eine hiervon abweichende Wiederkehr ergeben würden, aus-
PERIODISCHE
ERSCHEINUNGEN
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schliesst. Es bleibt also nur die Auffassung übrig, dass die Zeit unbegrenzt und ohne Wiederkehr fortschreitet, und dass gewisse Erscheinungen, eben die periodischen, die Eigenschaft haben, dass in ihrer Zeitmannigfaltigkeit übereinstimmende Theile in gesetzmässiger Reihenfolge wiederkehren. Diese Auffassung erweist sich schliesslich als die allein angemessene, da sich bei eingehender Untersuchung herausstellt, dass die periodischen Erscheinungen niemals in aller Genauigkeit wiederkehren. Ein Tag ist dem andern nicht ganz gleich, und ebensowenig ein Jahr dem andern, und nichtperiodische Erscheinungen laufen neben den periodischen her, so dass sie beim Wiederbeginn der neuen Periode einen anderen Werth haben, als das vorige Mal. So werden wir beispielsweise beständig älter, und wenn wir morgen die Uhr zu „derselben" Zeit anschauen, wo ihre Zeiger wieder ganz die frühere Stellung haben werden wie heute, so sind wir selbst doch nicht mehr dieselben, die wir heute waren. Wir können daher zwar zum Zwecke der Vereinfachung des praktischen Lebens die fortlaufende Zeit so behandeln, als wäre sie wiederkehrend, wie wir dies ja in der Regelung unseres äusseren Lebens nach Kalender und Uhr beständig thun, aber dies geschieht doch in dem Bewusstsein, dass thatsächlich ein eindeutiger Ablauf der Zeit vorhanden ist. Nachdem wir in unseren Zusammenkünften zum Zweck dieser Vorlesung etwa anderthalbdutzendmal die Zeit als wiederkehrend aufgefasst haben, macht sich schliesslich doch ihr eindeutiger Ablauf geltend, und wir werden seinerzeit die eintretenden Ferien mit Behagen als Zeichen dieser fundamentalen Eigenschaft der Zeit begrüssen. Hatte schon der Zeitbegriff bei seiner Untersuchung ergeben, dass er nicht einfach, sondern aus mehreren Bestandt e i l e n zusammengesetzt ist, welche im Sinne einer Einschränkung der möglichen Allgemeinheit einer einfachen Mannigfaltigkeit aufzufassen sind, so finden wir bei dem R ä u m e noch verwickeitere Verhältnisse, die in den grösseren Schwierigkeiten in der begrifflichen Fassung der Erscheinungen der Aussenwelt begründet sind. Denn die Ueberlegung der
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BEGRIFFSELEMENTE
vorhandenen Bedingungen zeigt uns, dass wir uns zwar ein Wesen vorstellen können, das nur ein Zeitbewusstsein ohne ein Raumbewusstsein besitzt; dass aber umgekehrt ein zeitloses Raumwesen nicht vorstellbar ist Um gleich eine solche Vorstellung anzuregen, bitte ich Sie, sich das Leben eines ohne Sinnesapparat in einem nicht sehr veränderlichen Mittel dahinlebenden fest angesiedelten Organismus vorzustellen, etwa eines Eingeweidewurmes. Seine Nahrung sucht er nicht, sondern sie durchdringt seine Körperwände ohne sein Zuthun. Die einzigen Veränderungen, die er erlebt, sind die Verschiedenheiten in dem umgebenden Nahrungsbrei und sein allmähliches Altwerden und Absterben. Alle diese Erlebnisse kann er vollständig in einem Bewusstsein unterbringen, das eine einfache Mannigfaltigkeit enthält, d. h. in einem ausschliesslich in der Form der Zeit thätigen Bewusstsein. Zur Ausbildung einer Raumanschauung ist gar keine Gelegenheit vorhanden, da seine Umgebung allseitig gleichförmig beschaffen ist, also Unterschiede in dieser, die die nothwendige Grundlage eines Raumbegriffes sind, sich nicht bethätigen. Das Umgekehrte, die zeitfreie Raumanschauung, kann wohl durch Abstraktion, d. h. durch freiwilligen Verzicht auf die Beachtung des Zeitelements in unseren Erlebnissen, nicht aber thatsächlich hergestellt werden. Denn da die Begriffbildung eine geistige Bethätigung ist, diese aber stets unter der Form der Zeit verläuft, so ist bei der Bildung des Raumbegriffs der der Zeit vorausgesetzt Versuchen wir nun, den Raumbegriff in ähnlicher Weise zu analysiren, wie wir es mit der Zeit gemacht haben, so stellen wir zunächst fest, dass der Raum ebenso wie die Zeit eine s t e t i g e Mannigfaltigkeit ist Jeder Punkt des Raumes ist von jedem anderen aus auf ununterbrochenem Wege erreichbar, ohne dass jemals dazwischen etwas angetroffen wird, was nicht Raum genannt werden könnte. Zwar sind uns nicht immer alle Wege durch den Raum physisch zugänglich, und wir stossen häufig genug auf verschlossene Thüren. Aber hier tritt ganz dieselbe Interpolation ein, wie wir sie bei der Zeit
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kennen gelernt haben, und wir stellen gleichfalls fest, dass die Annahme, der Raum sei überall stetig, die einfachste und zusammenhängendste Darstellung unserer Erfahrungen ermöglicht. Ferner tritt uns hier aber die neue Thatsache entgegen, dass der Raum eine m e h r f a c h e Mannigfaltigkeit darstellt. Von einem Punkte zum anderen giebt es nicht wie in der Zeit nur einen einzigen Weg, sondern unendlich viele, und wenn wir die Vorderthür verschlossen finden, so können wir oft noch durch die Hinterthür an das Ziel unserer Wünsche gelangen. Diese mehrfache Mannigfaltigkeit ist überall zusammenhängend, denn wir können den Weg zwischen zwei Punkten immer so nehmen, dass beliebig viele andere Punkte in beliebiger Reihenfolge inzwischen berührt werden. Dass die Raumverhältnisse durch eine d r e i f a c h e Mannigfaltigkeit dargestellt werden, dürfen wir jetzt noch nicht erörtern, da wir noch nicht den Begriff der Zahl untersucht haben. Wohl aber kann hinzugefügt werden, dass der Raum i s o t r o p ist oder, um ein deutsches Wort vorzuschlagen, r i c h t u n g s f r e i ist Das Fortschreiten im Räume von irgend einem Punkte in verschiedenen Richtungen aus zeigt keinerlei ausgezeichneten Fall, sondern erfolgt stets in gleicher Weise. Die dritte Eigenschaft der Zeit, dass jeder Augenblick die gesammte Zeit in zwei Theile scheidet, die ausser diesem Punkte nichts Gemeinsames haben, findet sich beim Räume gleichfalls, aber in verwickelterer Gestalt wieder. Ein Zeitpunkt theilt die Zeit in zwei Antheile, die beiderseits unbegrenzt sind. Die Theilung der Zeit kann dabei nur in einer Art, eben durch die Wahl eines bestimmten Augenblicks erfolgen, und, die verschiedenen Augenblicke unterscheiden sich von einander durch kein der Zeit selbst angehöriges Merkmal, sondern nur etwa durch die verschiedenen Bewusstseinszustände, die willkürlich mit dem einen oder anderen Augenblick verbunden werden können. Beim Raum ist dies anders. Man theilt den Raum durch eine Fläche. Damit die Theilung vollständig ist, muss die Fläche g e s c h l o s s e n sein, d. h. sie muss aus dem unbegrenzten Räume einen begrenzten Raumtheil ausscheiden, und
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BE
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der Raum zerfällt dann in einen allseitig begrenzten und einen einerseits begrenzten, andererseits unbegrenzten Antheil. Dem Unterschied von früher und später bei der Zeit entspricht dann der Unterschied von innen und aussen beim Räume. Aber man kann den Raum auch durch eine unbegrenzte ungeschlossene Fläche in zwei einerseits begrenzte, andererseits unbegrenzte Antheile trennen, wodurch eine der Zeittheilung entsprechendere, mehr symmetrische Theilung zu Stande kommt. Die Trennungsflächen zweier Raumtheile können nun ihrerseits unbegrenzte Verschiedenheiten aufweisen, d. h. die Flächen haben mannigfaltige F o r m e n . Ferner stellt jede Fläche auch ihrerseits eine mehrfache Mannigfaltigkeit dar, die aber geringer ist, als die des Raumes, da ja in einem Räume unbegrenzt viele Flächen liegen können, wodurch bei der Wahl einer bestimmten Fläche über einen Theil der Mannigfaltigkeit verfügt wird. Eine Fläche kann ähnlich wie der Raum getheilt werden, und zwar durch eine Linie. Handelt es sich um eine geschlossene Fläche, so erfolgt eine vollständige Trennung auch durch eine g e s c h l o s s e n e Linie. Die beiden entstehenden Theile einer solchen Fläche sind beide begrenzt. Andererseits kann eine unbegrenzte Fläche sowohl durch eine geschlossene wie durch eine unbegrenzte ungeschlossene Linie getheilt warden, wobei ganz ähnliche Verhältnisse obwalten, wie sie beim Räume eben aufgezeigt wurden. Die Linie endlich erweist sich als eine einfache Mannigfaltigkeit vermöge des bereits mehrfach benutzten Kennzeichens, denn in ihr kann man von einem Punkte zum anderen nicht auf beliebig viele Weisen gelangen. Betrachtet man eine geschlossene Linie, so giebt es zwischen zwei Punkten nicht wie bei der Zeit nur einen Weg, sondern deren zwei. Hier tritt der symmetrische Charakter der Raumbegriffe besonders deutlich hervor. Von der vierten Eigenschaft der Zeit, der E i n s i n n i g k e i t , ist beim Räume nichts anzutreffen. Zwei beliebige Punkte des Raumes verhalten sich zu einander vollkommen symmetrisch, d. h. die Beziehung des ersten zum zweiten ist in nichts verschieden von der Beziehung des zweiten zum ersten. Bei der
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Abbildung der Zeit durch eine Linie ist uns dieser Gegensatz bereits aufgefallen. Betrachten wir nun rückschauend die Ergebnisse, die wir durch unsere Analyse der Zeit und des Raumes gewonnen haben, so fällt uns alsbald die anscheinend willkürliche und wenig regelmässige Beschaffenheit auf, die sich an den Eigenschaften der Zeit und des Raumes erkennen lässt. Warum stellt die Zeit eine unsymmetrische einfache, und der Raum eine richtungsfreie mehrfache Mannigfaltigkeit dar? Warum ist die Zeit einsinnig und der Raum nicht u. s. w.? Auf alle solche Fragen giebt es nur die Antwort: die Untersuchung der thatsächlichen Verhältnisse ergiebt diese Resultate, und es steht nicht in unserer Willkür, sie abzuändern, wenn wir nicht mit der Erfahrung in Widerspruch gerathen wollen. Hält man sich die Betrachtungen über den nur mit dem Zeitbegriff ausgestatteten Eingeweidewurm gegenwärtig, so wird man sich sagen, dass infolge der grösseren Abhängigkeit der höheren Organismen von der Aussenwelt die Ordnung der Gesammtheit der Erfahrungen in der Form einer e i n f a c h e n Mannigfaltigkeit nicht mehr ausführbar ist. Die verschiedenen Theile unseres Körpers werden gleichzeitig von verschiedenen Einflüssen betroffen, und wenn wir auch unsere Aufmerksamkeit nur in eindimensionaler Zeitfolge auf diese verschiedenen Dinge hinwenden können, so treffen wir sie doch wieder an, wenn wir nach einiger Zeit uns demselben Punkt wieder zuwenden, d. h. wir müssen annehmen, dass sie inzwischen weiter bestanden haben (S. 82). Daraus ergiebt sich die Notwendigkeit, den Begriff einer m e h r f a c h e n Mannigfaltigkeit auszubilden, vermöge welcher in derselben Zeit verschiedene Dinge neben einander bestehen können, und diese Verhältnisse kann man wohl als die Quelle des Raumbegriffes ansehen. Die genaueren Untersuchungen über die möglichen näheren Ausgangspunkte des Raumbegriffes können hier nicht wiedergegeben werden, zumal sie anscheinend noch kein allgemein angenommenes Ergebniss geliefert haben. Nur soviel sei er wähnt, dass für die Gestaltung dieses Begriffes einerseits das Auge, andererseits das Tastvermögen, verbunden mit der
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BEGRIFFSELEMENTE
Beweglichkeit der Glieder, eine entscheidende Rolle gespielt haben (S. 59). Gehör, Geruch und Geschmack haben weniger und weniger hierzu beigetragen, wie denn namentlich die beiden letzteren Sinnesempfindungen räumliche Bestandtheile überhaupt nicht in erkennbarem Maasse enthalten. Hieraus geht wenigstens soviel hervor, dass für die begriffliche Zusammenfassung der Erfahrungen eine m e h r f a c h e Mannigfaltigkeit nothwendig ist. Man kann sich denken, dass, nachdem der einfache Zeitbegriff nicht mehr ausreichte, die Zufügung einer weiteren einfachen Mannigfaltigkeit gleichfalls unzureichend war, und alsbald die mehrfache Mannigfaltigkeit des Raumes neben der einfachen der Zeit entstand. Ein mehr systematischer Geist könnte umgekehrt die Vermuthung vorziehen, dass zunächst ein l i n e a r e r Raumbegriff auftrat, innerhalb dessen z. B. ein Wurm mit seiner Verschiedenheit des vorderen und hinteren Körperendes bei seiner im übrigen drehrunden, also von seitlichen Verschiedenheiten freien Leibesbeschaffenheit seine Raumerfahrungen unterbringen konnte. Die weitere Entwicklung im Sinne dorsiventraler Verschiedenheiten und schliesslich der bilateralen Beschaffenheit mit entsprechender Erweiterung der Raumanschauung will ich nicht ausführen; derartige Betrachtungen sind wohlfeil und wenig folgenreich.
SECHSTE
VORLESUNG
DIE M A N N I G F A L T I G K E I T E N * T " V e Untersuchungen der vorigen Vorlesung über Zeit und ' Raum haben uns anscheinend von unserer Hauptaufgabe schon wieder abgebracht, denn wenn aus ihnen etwas hervorgegangen ist, so ist es das Ergebniss, dass Zeit und Raum zwar stets vorhandene Bestandtheile unseres Denkens sind, dass sie aber die Eigenschaft der E i n f a c h h e i t keineswegs besitzen. Wir sind unserem Ziele zwar näher gekommen, erreicht haben wir es aber noch nicht. Wie werden wir es erreichen? Der Weg liegt offen vor uns; wir brauchen ihn nur zu gehen. Die zusammengesetzte Beschaffenheit von Zeit und Raum hat sich uns ja nicht anders offenbaren können, als indem wir ihre Bestandtheile erkannt haben, und um Sie von dieser Thatsache zu überzeugen, habe ich ja diese Bestandtheile nennen müssen. Also besinnen wir uns darauf, welches Wort uns bei unserer Untersuchung am häufigsten in den Ohren geklungen hat, und wir haben die Antwort. Dieses Wort war „ M a n n i g f a l t i g k e i t " . Um die Zeit zu kennzeichnen, nannten wir sie eine stetige, einfache, einsinnige Mannigfaltigkeit ohne Doppelpunkte. Und den Raum erkannten wir als eine stetige, mehrfache Mannigfaltigkeit mit besonderen Theilungsgesetzen. Also ist der Begriff der Mannigfaltigkeit offenbar der elementarere gegenüber Zeit und Raum, denn er umfasst beide. dem
Andererseits werden wir ihn als den nächst engeren nach allgemeinsten Begriff des D i n g e s anzuerkennen haben,
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DIE
MANNIGFALTIGKEITEN
denn er stellt das dar, was aus den Dingen entsteht, wenn man mehrere zusammennimmt Der Begriff des Dinges seinerseits ist der erste Begriff, den wir aus der stetig dahinrauschenden Fluth unserer Erlebnisse gewonnen haben. Denn diese Erlebnisse gehen zwar stetig, aber nicht gleichförmig dahin; von Zeit zu Zeit, in kurzen Zwischenräumen hebt sich das Eine oder Andere deutlicher und anspruchsvoller heraus. Ich blicke durch das Fenster in den Garten; der weissblühende Kirschbaum bildet einen Fleck in der grünen Tiefe, der sich meiner Aufmerksamkeit zunächst bemächtigt. Dann höre ich die Klingel eines vorbeifahrenden Radlers und der junge Hausspitz antwortet durch Bellen. Dann wende ich mich zur Schreibmaschine, um die Ergebnisse meiner inzwischen vorgenommenen Ueberlegung festzuhalten, und auch diese Thätigkeit wird durch die Handhabung des Schlittens in regelmässige Abschnitte getheilt So trennen sich in meinem Geiste die stetig verlaufenden Ereignisse in einzelne Abschnitte, die zusammenhängender empfunden werden, als der übrige Verlauf, und solche Abschnitte, wie Kirschbaum, Glockenton, Bellen, Gedanken, Schreibmaschine, Zeilen u. s. w., nennen wir Dinge. Die Abtheilung unseres Erlebnissverlaufes in solche „Dinge" kann an demselben Verlauf in sehr verschiedenartiger Weise geschehen, und schon die geschilderte Folge würde auf sehr vielfache Weise analysirt werden können. Das hindert aber nicht, dass irgend eine der gewählten Eintheilungen ihre sondernde und die Bestandtheile verselbständigende Wirkung hat, und somit sind wir über das Vorhandensein der Dinge, d. h. die Brauchbarkeit des Dingbegriffes beruhigt, wenn wir auch einsehen, dass wir ihn in sehr verschiedener Weise brauchen können. Nachdem wir so die stetige Reihe der Erlebnisse in Stücke zerschnitten haben, müssen wir sie wieder zusammenfügen. Das Ergebniss dieser Thätigkeit nennen wir eine M a n n i g f a l t i g k e i t Ich bitte Sie, sich bei diesem Wort möglichst wenig Besonderes zu denken. Wenn Sie jemals zugegen gewesen sind, wenn eine Mutter die Taschen ihres neunjährigen
THEIL
UNG
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Buben ausgeräumt hat, so haben Sie eine ganz genügende Vorstellung von dem, was gemeint i s t Es soll zunächst gar nichts mehr gesagt werden, als dass eine gewisse Menge von einzelnen Dingen auf irgend eine Weise zusammengefasst ist. Nach welchen Regeln diese Zusammenfassung geschehen ist, oder ob überhaupt eine Regel ausser der allgemeinen Willkür bei der Zusammenfassung wirksam gewesen ist, kommt zunächst gar nicht in Betracht. Der Begriff der Mannigfaltigkeit ist also die nächste Stufe über den Dingbegriff hinaus und rührt schon von einer Untertheilung des Dingbegriffes her. Einen zweiten besonderen Begriff von gleicher Stufe neben dem der Mannigfaltigkeit giebt es aber nicht; man kann nur Mannigfaltigkeiten und NichtMannigfaltigkeiten unterscheiden, d. h. die Dinge können entweder einer Mannigfaltigkeit zugetheilt sein, oder dies ist nicht der Fall. Da eine Mannigfaltigkeit zusammengesetzt ist, so kann man sie auch t h e i l e n . Diese Theile sind ihrerseits wieder Mannigfaltigkeiten, aber ä r m e r e (das Wort k l e i n e r e darf ich noch nicht brauchen, da der Begriff der Grösse erst noch entwickelt werden soll). Durch ihre Zusammenfügung erhält man die ursprüngliche Mannigfaltigkeit wieder zurück. Da die Theilung auf sehr verschiedene Weise erfolgen kann, so ist zwar die Gesammtheit oder S u m m e bestimmter Mannigfaltigkeiten gleichfalls bestimmt; die Theile einer bestimmten Mannigfaltigkeit sind es aber nicht. Die Theilung kann offenbar nicht ins Unbegrenzte fortgesetzt werden, denn wenn bei fortlaufender Unterteilung schliesslich die Einzeldinge erreicht sind, aus denen die Mannigfaltigkeit besteht, so hat ein weiteres Theilen ein Ende. Umgekehrt kann man eine Mannigfaltigkeit so bilden, dass man aus den Einzeldingen zuerst irgend welche ärmere Mannigfaltigkeiten zusammenfasst, und dann diese zu der endlichen vereinigt. Wie wir eben gesehen haben, ist dies Verfahren vieldeutig, d. h. auf vielfache Weisen möglich, unter denen man zunächst keiner den Vorzug geben kann.
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DIE
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Eine gegebene Mannigfaltigkeit kann nun wieder dadurch eine bestimmtere Entwicklung erfahren, dass man den Begriff der O r d n u n g dazubringt. Hierunter ist verstanden, dass die Bestandteile der Mannigfaltigkeit nicht wie die Schätze in der Hosentasche des Knaben nur durch ihr Zusammensein gekennzeichnet sind, sondern dass sie zu einander in bestimmter Beziehung stehen. Diese Beziehung kann eine willkürliche sein, oder sie kann der Mannigfaltigkeit durch irgend welche andere Verhältnisse vorgeschrieben werden; wir nehmen zunächst an, dass kein solches Gesetz besteht. Dann geht die bisherige freie oder ungeordnete Mannigfaltigkeit in eine g e o r d n e t e über. Um alsbald einen anschaulichen Fall vor Augen zu haben, nehmen Sie die Gesammtheit der Buchstaben. Sie stellen an sich eine freie Mannigfaltigkeit dar, denn es besteht kein Gesetz, welches ihre Reihenfolge bestimmt. Doch ist eine, übrigens ganz willkürliche Reihenfolge in dem uns seit unserem sechsten Jahre geläufigen ABC einmal angenommen, und seitdem stellt sich die Mannigfaltigkeit der Buchstaben als eine g e o r d n e t e M a n n i g f a l t i g k e i t dar. Dass eine, wenn auch willkürliche Ordnung uns zu einer leichteren Kenntniss und Beherrschung einer Mannigfaltigkeit verhilft, wird beim Nachdenken darüber sehr schnell klar. Einer Mutter wird die Mannigfaltigkeit ihrer fünf Kinder hinreichend geläufig sein, so dass sie auch ohne sie zu ordnen mit einem Blick erkennen wird, ob sie alle gegenwärtig sind oder nicht Der Lehrer auf dem Schul Spaziergange hat es nicht so leicht, weil die Mannigfaltigkeit grösser und ihre Elemente ihm viel weniger vertraut sind. Daher wird er sie sich o r d n e n , etwa indem er jeden Schüler mit seinem Namen in eine im übrigen willkürliche Reihe oder Tabelle bringt und sich so ermöglicht, alle Glieder seiner Mannigfaltigkeit auf ihre Anwesenheit zu controliren. Dies bewirkt er, indem er nach seiner willkürlichen Ordnung ein Glied nach dem anderen vornimmt; ist er ganz durch seine Tabelle gegangen, so ist er sicher, dass er die vorhandene Mannigfaltigkeit erschöpft hat. Die benutzte Ordnung kann eine zeitliche oder räumliche sein, oft ist sie beides. Sie kann auch durch andere Gesichts-
GEORDNETE
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punkte bestimmt sein, wie Grösse, Farbe u. s. w.; diese können zwar nie ausserhalb Zeit und Raum sein, aber letztere brauchen nicht im Vordergrunde zu stehen und müssen nicht die gewählte Ordnung in erster Linie bestimmen. Bei den bisherigen Betrachtungen ist stillschweigend vorausgesetzt worden, dass die Dinge, aus denen die Mannigfaltigkeit besteht, von einander beliebig trennbar sind und daher in jede beliebige Ordnung gebracht werden können. Dies ist nicht nothwendig der Fall; gerade das früher (S. 94) betrachtete Beispiel der auf einander folgenden Erlebnisse zeigt, dass nur zu dem Zwecke der Beschreibung die thatsächlich stetig und ununterbrochen verlaufende Folge in einzelne Antheile getrennt worden ist, die durch irgend einen Umstand fester zusammenhielten, als die dazwischen liegenden Gebiete. J a , überlegen wir, dass alle unsere Erlebnisse sich zeitlich und räumlich vollziehen, so kommen wir zu dem Ergebniss, dass alle wirklichen Mannigfaltigkeiten s t e t i g e sein müssen. H i e r a u s aber folgt weiter, d a s s alle wirklichen M a n n i g f a l t i g k e i t e n g e o r d n e t e s e i n m ü s s e n . Denn eine stetige, d. h. nicht aus gesonderten Theilen bestehende Mannigfaltigkeit kann nicht, wie eine aus getrennten Stücken bestehende, willkürlich durch einander geworfen werden, sondern durch den Umstand der S t e t i g k e i t , d. h. des ununterbrochenen Verlaufes ist der Umstand des g e o r d n e t e n Verlaufes bereits gegeben. Jede Umordnung würde nur durch eine Unterbrechung der Stetigkeit bewirkt werden können, die aber nach der Voraussetzung ausgeschlossen sein soll. Diese Betrachtung scheint in einem auffallenden Widerspruch mit dem vorher gegebenen anderen Beispiel einer wirklichen Mannigfaltigkeit zu stehen, denn bei den Hosentaschenschätzen eines Jungen möchte man wirklich nicht von Ordnung sprechen. Thatsächlich liegt aber doch eitle vor, denn die Reihenfolge, in welcher sie der Mutter zu Gesicht kommen, ist durch ihre Lage in der Tasche bestimmt, und diese ist wieder ein Ergebniss bestimmter Umstände, wie der Reihenfolge des Erwerbes, die Grösse und Schwere u. s. w. Es liegt also OSTWALD, Naturphilosophie.
III. Auflage.
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REITEN
wirklich eine Ordnung vor, die sogar ihre bestimmten, wenn auch sehr verwickelten Gesetze hat, und wir sehen die Mannigfaltigkeit nur deshalb als ungeordnet an, weil es uns für unsere Zwecke auf die hier thätig gewesenen Gesetze gar nicht ankommt. Die ungeordneten Mannigfaltigkeiten sind also ebenso Ergebnisse eines Abstraktionsverfahrens, wie alle anderen Begriffe. — Durch die Bildung der Begriffe des Dinges und der Mannigfaltigkeit haben wir die ersten Theile der Reihe von Thätigkeiten ausgeführt, die wir früher (S. 77) als zur Begriffsbildung überhaupt erforderlich erkannt hatten. Es kommt nun die sehr viel verwickeitere Thätigkeit des V e r g l e i c h e n s . Diese Thätigkeit kann sich sowohl auf die Stücke einer Mannigfaltigkeit beziehen, wie auf mehrere Mannigfaltigkeiten. Wie wohl anscheinend die Vergleichung mehrerer Mannigfaltigkeiten die ferner liegende Handlung zu sein scheint, wollen wir sie doch aus systematischen Ursachen zuerst betrachten, da sie sich thatsächlich als die einfachere erweist Nehmen wir zwei Mannigfaltigkeiten, die zunächst von einander unabhängig und nicht geordnet sein sollen, so kann man sie auf folgende Weise in eine gegenseitige Beziehung setzen. J e d e m Stücke der ersten Mannigfaltigkeit o r d n e n w i r ein S t ü c k der z w e i t e n zu, d. h. wir stellen fest, dass alles, was wir mit den Stücken der ersten vornehmen, auch an den Stücken der zweiten ausgeführt werden soll. Dieser Begriff der Z u o r d n u n g ist ein ausserordentlich wichtiger, und gehört zu den mächtigsten Hilfsmitteln für die gedankliche Bewältigung der Wirklichkeit. Seine Bedeutung liegt darin, dass vermöge der Zuordnung die an der einen Mannigfaltigkeit auftretenden Eigenschaften und Gesetze alsbald für die andere gültig sind. Um gleich durch ein Beispiel klar zu machen, um was es sich hier handelt, will ich auf die praktische Anwendung der Zuordnung beim Verkauf von Theater- und Concertkarten hinweisen. Es ist hier die Aufgabe zu lösen, einige Hundert oder Tausend unbekannte Menschen binnen einer Viertelstunde in
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einem grossen und mit mannigfaltigen Zugängen versehenen Gebäude so unterzubringen, dass jeder einen Platz erhält und ihn auch ohne Umstände finden und einnehmen kann. Man stelle sich nun erst vor, dass diese Aufgabe durch damit beauftragte Festordner willkürlich gelöst werden sollte, und man wird alsbald ihre Unausführbarkeit auf solchem Wege einsehen. Durch das in den Eintrittskarten durchgeführte Zuordnungsprinzip vollzieht sich dagegen der Vorgang ohne jede Schwierigkeit; der Mannigfaltigkeit der Plätze ist vermittelst der Karten die Mannigfaltigkeit der Menschen zugeordnet Es sind hierbei die Karten den einzelnen Plätzen so zugeordnet, dass auf jeden Platz eine Karte kommt, und dass auf jeder Karte der zugeordnete Platz kenntlich gemacht ist (was durch Buchstaben, Farben, Ziffern, Worte u. s. w. geschehen kann), und so ist auch die richtige Unterkunft der entsprechenden Menschen gesichert. Hernach kann man dann in der Garderobe umgekehrt die Nachtheile empfinden, die mit dem Mangel räumlicher Zuordnung verbunden sind, wenn nicht, wie im Leipziger Concerthause, auch dort das Zuordnungsverfahren durchgeführt ist Aus diesem Beispiel ist bereits eine andere Thatsache ersichtlich geworden. Wird von zwei einander zugeordneten Mannigfaltigkeiten die eine geordnet, so erhält man hierdurch in der anderen Mannigfaltigkeit die g l e i c h e O r d n u n g . Dasselbe gilt für eine dritte, vierte u. s. w. Mannigfaltigkeit, und man kann so ein ganzes Geschlecht von Mannigfaltigkeiten gleichen Charakters herstellen, wenn man alle einer bestimmten, geordneten Mannigfaltigkeit zuordnet. Als Grundlage derartiger Ordnungen dient beispielsweise die Reihe der Buchstaben. Man kennt deren Reihenfolge auswendig, und wenn es sich darum handelt, eine Anzahl von Dingen in eine bestimmte Reihe zu ordnen, so ordnet man sie den Buchstaben in deren Reihenfolge zu. Noch ausgedehnter ist der Gebrauch der sogenannten O r d n u n g s z a h l e n für den gleichen Zweck. Sie haben den Vorzug, unbegrenzt zu sein, während man mit den Buchstaben ohne Unbequemlichkeit nur 25 verschiedene Dinge ordnen kann. Auch die Reihe der 7*
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Ordnungszahlen ist zunächst als eine w i l l k ü r l i c h e anzusehen, wie die der Buchstaben. Wir werden später Gelegenheit haben, auf die besonderen Vortheile einzugehen, die man durch die Benutzung der Zahlennamen und -zeichen für Ordnungszwecke erreicht Das Verfahren der Zuordnung kann in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden, denn auf ihm beruht alle Möglichkeit der Begriffsbezeichnung und -handhabung. Wir brauchen uns nur aus unseren früheren Betrachtungen zu erinnern, dass die Sprache in der Zuordnung von Lauten zu den ursprünglich wortlos gebildeten Begriffen besteht, und dass, um überhaupt einen Begriff aus dem augenblicklichen Besitze desjenigen, der ihn gebildet hat, in den anderer Wesen und in die eigene Zukunft des Schöpfers zu übertragen, die Herstellung eines Begriffszeichens und die Zuordnung des Begriffes zu diesem Zeichen erforderlich i s t Ohne das Verfahren der Zuordnung gäbe es daher überhaupt keine Begriffsentwicklung. Ebenso wie die Festlegung und Aufbewahrung der Begriffe durch Zuordnung bestimmter Zeichen erfolgt, so geschieht später der grössere Theil der Handhabung derselben durch das gleiche Mittel. Unser sprachlicher Verkehr beruht auf diesem Verfahren, und unsere Benutzung von Büchern und Schriften gar auf einer zweifachen Zuordnung, indem die Begriffe erst mit den gesprochenen Worten, und diese dann mit den geschriebenen bezw. gedruckten Zeichen nach dem Princip der Zuordnung verbunden worden sind. Dies gilt nicht nur für die gewöhnliche Sprache, sondern für alle Arten von Zeichen und Symbolen. Insbesondere macht man in der Wissenschaft von dem Verfahren der Zuordnung einen unaufhörlichen ausgedehnten Gebrauch; alle wissenschaftliche Darstellung beruht auf der Ausbildung zugeordneter Zeichen von gleichem Mannigfaltigkeitscharakter wie das Darzustellende, und der gesetzmässigen Handhabung dieser Zeichen an Stelle der wirklichen Dinge. Wie man sieht, ist das Gebiet, welches durch den Begriff
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der Zuordnung gedeckt wird, so gross, dass an einen einigermaassen vollständigen Ueberblick an dieser Stelle nicht zu denken ist. Ich bitte Sie daher, alle unsere vorangegangenen Betrachtungen über die Begriffsanalyse unter diesem Gesichtspunkte zu wiederholen, und die nun folgenden aus dem gleichen Gesichtspunkt zu beobachten; Sie werden bald gewahr werden, dass neben dem Begriff des D i n g e s und der M a n n i g f a l t i g k e i t der der Z u o r d n u n g der am meisten angewendete ist. Mit Hilfe der Zuordnung lassen sich nun einige wichtige Eigenschaften der Mannigfaltigkeiten feststellen. Ordnet man zunächst von zwei gegebenen Mannigfaltigkeiten die einzelnen Stücke einander zu, so wird nothwendig einer von zwei Fällen eintreten. Entweder sind schliesslich von der einen Mannigfaltigkeit alle Stücke erschöpft, während von der anderen noch Stücke übrig geblieben sind; oder die Erschöpfung tritt gleichzeitig bei beiden ein. Im ersten Falle nennt man die Mannigfaltigkeiten u n g l e i c h , im anderen g l e i c h . Von den ungleichen Mannigfaltigkeiten ist die die ä r m e r e , welche zuerst erschöpft war; die andere ist die r e i c h e r e . Früher sind dieselben Bezeichnungen für das Verhältniss zwischen der ganzen Mannigfaltigkeit und einem Theil derselben benutzt worden. Man sieht leicht ein, dass beide Fälle übereinstimmen, denn es seien zunächst zwei gleiche Mannigfaltigkeiten gegeben, und man nimmt von der einen nur einen Theil. Dann wird bei der Zuordnung dieser Theil früher erschöpft sein, als die andere Mannigfaltigkeit, und er ist also ärmer, als das Ganze war. Ebenso überzeugt man sich durch die Ausführung der Zuordnung, dass zwei Mannigfaltigkeiten, die beide einer dritten gleich sind, auch unter einander gleich sind. Ferner, dass, wenn eine Mannigfaltigkeit A reicher ist, als B, und B reicher ist als C, auch nothwendig A reicher ist als C. Gleiches gilt, wenn man für reicher ärmer setzt. Ebtnso kann man zeigen, dass gleiche Mannigfaltigkeiten bei der Zusammenfügung wieder gleiche Summen ergeben, und dass ungleiche
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mit gleichen in demselben Sinne ungleiche Summen entstehen lassen. Alle diese Beziehungen dienen als Grundlage für die entsprechenden Sätze bei G r ö s s e n , doch sind sie allgemeiner als diese, da die Grössen erst durch besondere Bedingungen aus den Mannigfaltigkeiten entstehen. — Wollen wir nun den einfachsten T y p u s e i n e r g e o r d neten M a n n i g f a l t i g k e i t herstellen, so werden wir folgendermaassen verfahren. Es wird zunächst irgend ein Stück der gesammten Mannigfaltigkeit hergenommen; dazu wird ein anderes gefügt Zu der so entstandenen Gruppe fügt man wieder ein Stück, und so fort, bis der Vorrath erschöpft ist. Dies Verfahren kann offenbar mit jeder ungeordneten Mannigfaltigkeit ausgeführt werden, dagegen nicht in beliebiger Weise mit einer geordneten. Da jede Mannigfaltigkeit aus verschiedenen Stücken bestehen wird, so ist die so erhaltene Ordnung nicht eindeutig, denn man kann mit einem beliebigen Stück anfangen, mit einem beliebigen der nachgebliebenen Stücke fortfahren u. s. w. In vielen Fällen kommt es aber auf die Verschiedenheiten der Stücke nicht an, nämlich, wenn sie alle unter einen Begriff gehören, und dann wird die Ordnung eindeutig. Man nennt diese Ordnung die R e i h e d e r g a n z e n p o s i t i v e n Z a h l e n . Offenbar erhält man immer dieselbe Ordnung, wenn man so verfährt, wie angegeben, unabhängig von der Beschaffenheit der Stücke, von deren Unterschieden ja nach der Voraussetzung abgesehen wird. Es l ä s s t s i c h a l s o j e d e u n g e o r d n e t e M a n n i g f a l t i g k e i t , bei der die U n t e r s c h i e d e d e r S t ü c k e n i c h t berücksichtigt werden, der Zahlenreihe zuordnen. Durch die ganze Reihe der Zahlen herrscht gemäss der Definition immer das gleiche Bildungsgesetz: man erhält aus einer beliebigen Zahl die nächste durch Hinzufügung eines Stückes. Folglich kann man auch jeden Theil der Zahlenreihe jedem anderen zuordnen, ohne auf eine Unausführbarkeit zu gerathen, und ohne dass Lücken in der einen oder anderen Reihe auftreten. Die Zahlenreihe ist mit anderen Worten überall gleichförmig.
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Man bezeichnet mit den Zahlen zwei verschiedene Dinge. Einerseits dienen sie zur Kennzeichnung der g e s a m m t e n Mannigfaltigkeit, welche entsteht, wenn man Stück für Stück zusammenfügt, bis die fragliche Zahl erreicht ist. In dieser Anwendung nennt man die Zahl eine G r u n d z a h l . Oder man bezeichnet mit ihr nur das einzelne Stück einer unbestimmt grossen Mannigfaltigkeit, das man erreicht hat, wenn man die durch die Zahl vorgeschriebene Menge von Stücken zurückgelegt hat; in diesem Falle bezeichnet die Zahl nicht die Mannigfaltigkeit, sondern nur e i n e i n z e l n e s S t ü c k und heisst O r d n u n g s z a h l . Beide Bedeutungen werden von der Sprache unterschieden; im ersten Falle sagen wir zwanzig, im zweiten der zwanzigste. Gemäss ihrer Entstehungsgeschichte sind die Zahlen so geordnet, dass jede von ihnen eine reichere Mannigfaltigkeit darstellt, als alle vorangegangenen, und eine ärmere, als alle nachfolgenden. Dadurch hat jede Zahl ihre gesetzmässige Stelle in der ganzen Reihe, und darauf beruht der grosse Werth eben dieser Reihe als Typus für die Ordnung ungeordneter Mannigfaltigkeiten (S. 99). Das Bildungsgesetz der Zahlen kann bis ins Unbegrenzte angewendet werden, da sich kein Grund absehen lässt, warum zu irgend einer noch so grossen Gruppe nicht noch ein Stück soll hinzugefügt werden können. Umgekehrt kann man von einer gegebenen Zahl abwärts durch Fortnahme je eines Stückes zu immer ärmeren Mannigfaltigkeiten gelangen, doch geht dies nicht unbegrenzt. Ist nur noch ein Stück übrig geblieben, so kann man die Operation zum letzten Male ausführen, und gelangt so zu dem Zustande, wo keines mehr vorhanden ist; man bezeichnet diesen Zustand als Null. Die Null stellt also den Punkt der Zahlenreihe dar, von welchem man nur nach einer Seite fortschreiten kann, während man von jedem anderen Punkte nach beiden Seiten fortschreiten kann. Folglich ist die Zahlenreihe eine e i n s e i t i g u n b e g r e n z t e , gleichförmige, geordnete Mannigfaltigkeit. Man muss sich vor dem Irrthum hüten, dass die Zahlenreihe die gesammte Möglichkeit gesetzmässiger Anordnungen
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einer Mannigfaltigkeit erschöpft. Man kann die Stücke ja beispielsweise auch nach einer bestimmten Regel auf die Felder eines Schachbrettes legen und erhält so eine ganz andere Ordnung, als die einfache Zahlenreihe sie liefert. Die Zahlenreihe ist nur die e i n f a c h s t e aller möglichen Ordnungen und darin liegt ihre Bedeutung. Die schriftliche und mündliche B e z e i c h n u n g der Zahlen ist bekanntlich nach einer Zehnereintheilung geordnet, indem man jede Zehnergruppe wieder als ein Stück zusammenfasst und ebenso zählt, wie die einzelnen Stücke. Zehn Zehner geben hundert, und mit den Hunderten, den Tausenden u. s. w. verfährt man immer nach demselben Gesetz. Noch systematischer als die Sprache ist die allgemein gebräuchliche, international verständliche Z i f f e r n s c h r i f t , die auf dem Grundsatz des S t e l l e n w e r t h e s beruht. Man hat für alle Zahlen von Null bis neun besondere Zeichen; die Zehner werden dadurch bezeichnet, dass man sie links neben die Einer setzt, die Hunderter kommen noch eine Stelle weiter nach links u. s. w. Das Verfahren lässt sich offenbar unbegrenzt durchführen. Unser Ziffernsystem ist demnach nicht eine einfache, sondern eine zweifache Mannigfaltigkeit, die einerseits begrenzt ist, nämlich nur aus zehn Gliedern besteht; andererseits ist sie unbegrenzt, da die Anzahl der Stellen einer Zahl beliebig gross sein kann. Man stellt also hier die einfache Mannigfaltigkeit durch eine zweifache dar; die Ursache hierfür ist ausschliesslich praktisch und liegt in der geringen Anzahl verschiedener Zeichen, die auf solche Weise für die Bezeichnung unbegrenzt vieler Zahlen ausreichen. Gleichzeitig tritt an diesem wohlbekannten Beispiele hervor, dass man eine gegebene Mannigfaltigkeit durch eine andere darstellen oder, wie die Mathematiker sagen, auf ihr „abbilden" kann. Auf die hier waltenden Gesetze soll nicht eingegangen werden; nur sei schon hier bemerkt, dass eine solche Abbildung zweier Mannigfaltigkeiten auf einander nicht immer ausführbar ist; vielmehr müssen die vorgelegten Mannigfaltigkeiten sehr bestimmte Bedingungen erfüllen, damit sie möglich wird. Was die Anwendung des Zahlenbegriffes anlangt, so ist
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die Benutzung der O r d n u n g s z a h l e n wohlbekannt; jedes Buch mit seinen Seitenzahlen, jedes Aufsuchen eines Hauses nach der Strassennummer giebt ein Beispiel dafür. Die G r u n d z a h l e n werden angewendet, um den Umfang einer Mannigfaltigkeit zu kennzeichnen, ohne dass man sich um die Unterscheidung der Individuen kümmern will; so kommt der früher erwähnte Lehrer auf dem Schulspaziergange schneller zum Ziele, wenn er seine Jungen einfach abzählt. Er erfährt dadurch allerdings auch weniger, als beim Vergleich mit dem Schülerverzeichniss. Sind alle Schüler anwesend, so ist das Ergebniss freilich das gleiche, es wird nur durch Abzählen einfacher und schneller gewonnen; fehlen aber welche, so giebt das Abzählen nicht an, w e r fehlt, während die Anwendung des Verzeichnisses dies gleichzeitig erkennen lässt. So pflegen unsere Damen auf der Reise beim Wagenwechsel ihre Gepäckstücke zunächst nur zu überzählen, und erhalten so die Beruhigung darüber, dass nichts fehlt, ohne dass die einzelnen Stücke dem Gedächtniss eingeprägt zu sein brauchten; fehlt aber eines, so geht das Besinnen an, ob die Hutschachtel oder der Esskober das Stück ist, das nicht da i s t Bei weitem die ausgedehnteste Anwendung erfahren indessen die Grundzahlen zur Bezeichnung von G r ö s s e n . Dies ist aber ein ganz neuer Begriff, der mit dem der Zahl erst durch eine bestimmte Operation verknüpft wird. Zunächst müssen wir noch einige Untersuchungen über die Mannigfaltigfaltigkeiten ausführen. Betrachten wir die Entwicklung, die der Mannigfaltigkeitsbegriff in unseren Untersuchungen bisher gewonnen hat, so erhalten wir zunächst folgende Stufenleiter. Der allgemeinste Begriff war der der freien oder u n g e o r d n e t e n Mannigfaltigkeit, aus dem sich der Einzelfall der w i l l k ü r l i c h g e o r d n e t e n entwickelte. Von diesem gab es wieder den Unterfall der ges e t z m ä s s i g geordneten Mannigfaltigkeit, und unter den Gesetzen, nach denen die Ordnung vollzogen werden kann, giebt es im allgemeinen ein einfachstes, indem man das Verfahren, nach dem die ersten Glieder gegen einander geordnet worden sind, auch auf alle folgenden Glieder anwendet. Auf solche
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MANNIGFALTIGKEITEN
Weise erhielten wir die Reihe der natürlichen Zahlen als g l e i c h f ö r m i g e einfache Mannigfaltigkeit Indessen sind hierbei Einschränkungen eingetreten, welche die natürliche Zahlenreihe zu der Darstellung mancher anderen Mannigfaltigkeiten zunächst wieder unbrauchbar machen. Man denke sich etwa den Versuch, die Mannigfaltigkeit aller Farben durch Zahlen darzustellen. Der Physiker weiss, dass die Mittel der Zahlenreihe bereits erschöpft sind, wenn nur die Reihe der reinen Spektralfarben dargestellt werden soll. Dass jede dieser Farben mit jeder anderen in unbegrenzt vielen Verhältnissen Mischfarben geben kann, dass beliebig viele Farben zu Mischfarben zusammentreten können, und dass schliesslich jede dieser Mischfarben noch eine unbegrenzte Reihe von Lichtstärken umfasst, ist längst nicht mehr darstellbar, denn die Zahlenreihe gestattet ja nur eine einfache Mannigfaltigkeit abzubilden, während es sich hier um eine vierfache handelt, zu deren Darstellung neue Mittel erforderlich sind. Doch wissen wir andererseits, dass wir alle diese Verhältnisse durch Zahlen darstellen können, nur müssen wir verschiedene Systeme derselben benutzen. Wir wollen daher die Möglichkeit verwickelterer Mannigfaltigkeiten und ihre Darstellung durch Zahlen untersuchen. Zunächst ist die Zahlenreihe einseitig durch die Null begrenzt, während die Erfahrung uns einfache Mannigfaltigkeiten an die Hand giebt, welche beiderseits unbegrenzt sind. Hierher gehört als wichtigster Fall die Zeit. Die Ewigkeit können wir nicht ausdenken, weder in die Zukunft hinaus, noch in die Vergangenheit zurück. Aber welchen Zeitpunkt wir auch auf beiden Seiten ins Auge fassen, wir können uns immer denken, dass in gleicher Richtung immer noch weitere Zeitpunkte anzutreffen sein werden. Das ist das, was der Mathematiker in erster Linie unter unendlich versteht, und auch der Philosoph sollte es so verstehen. Wegen des vielen Unfuges, der mit dem Worte unendlich getrieben worden ist, wollen wir es indessen lieber ganz vermeiden, und das unverfänglichere Wort u n b e g r e n z t dafür benutzen; es sagt auch noch besser, was eigentlich gemeint ist.
JSTEGATIVE
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Nun ist der Weg, der Zahlenreihe auch nach der anderen Seite eine unbegrenzte Ausdehnung zu geben, bereits in einer früheren Betrachtung angedeutet. Man kann die Zahlen ja auch rückwärts verfolgen und gelangt dadurch allerdings zu der Null. Aber wir haben bereits gesehen, dass die Zahlenreihe gleichförmig ist, so dass wir jeden Theil mit jedem anderen zur Deckung bringen können. Dies giebt uns die Möglichkeit, die Zählung einer Mannigfaltigkeit an einem Punkte zu beginnen, wo bereits ein gewisser Betrag vorhanden ist. Dann können wir beim Rückwärtszählen auch über die Null, die jetzt nur den Anfangspunkt der Zählung darstellt, hinausgehen, und gewinnen dort ein neues Zahlengebiet, das nach ganz denselben Gesetzen gebildet ist, wie das bisher bekannte, nur in einem umgekehrten Sinne der Zählung. Als bekanntes Beispiel einer solchen Zählung nenne ich Ihnen die gewöhnliche Bezeichnung der Temperaturgrade, wo eine willkürlich gewählte Temperatur, die des schmelzendes Eises, als Ausgangspunkt genommen worden ist, und da die Temperatur in zweierlei Sinne von dieser verschieden sein kann, so zählen wir Grade über Null und Grade unter Null, und unterscheiden sie durch die Zeichen + und —. Allgemein unterscheidet man in solchem Sinne positive und negative Zahlen. Das Bildungsgesetz ist, wie betont, in beiderlei Sinne das gleiche; man kann daher auch nach beiden Seiten ins Unbegrenzte gehen. Ferner ist dadurch eine neue Erscheinung aufgetreten, indem gleiche Zahlen, nur durch das Zeichen unterschieden, in gleicher Reihenfolge an beiden Seiten der Null verlaufen. Man nennt eine derartige Beziehung S y m m e t r i e . Die Zahlenreihe ist unter Mitwirkung der Zeichen + und — aus einer einseitig begrenzten einfachen Mannigfaltigkeit eine zweiseitig unbegrenzte, symmetrische einfache Mannigfaltigkeit geworden. Hierbei hat, was man wohl beachten muss, die Null eine ganz andere Bedeutung gewonnen. Während sie vorher die Abwesenheit eines Dinges anzeigte, zeigt sie nunmehr nur den A n f a n g s p u n k t d e r Z ä h l u n g an. Man kann diese Null auch als Abwesenheit jedes positiven oder negativen Dinges be-
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MANNIGFALTIGKEITEN
zeichnen, doch ist es, wie man aus dem Beispiel der Temperatur erkennt, eine gefährliche, weil leicht zu Irrthümern führende Bezeichnung. Diese Zahlenreihe dient nur zur Darstellung einer einfachen, beiderseits unbegrenzten Mannigfaltigkeit, und wir werden das neue Mittel überall anwenden, wo wir aus irgend einem Grunde die Grenze nicht ermitteln können. Gerade die Geschichte der Temperaturzählung zeigt die hier vorhandene Entwicklung sehr anschaulich. Der Erste, welcher diese Zählung in bestimmter Weise ausführte, war Fahrenheit. Er wollte nur positive Zahlen benutzen und stellte daher die tiefste Temperatur her, welche er kannte, nämlich die eines Gemisches von Eis und Salmiak, und wählte diese als Nullpunkt, indem er annahm, dass dort die Wärme thatsächlich aufhöre, also gleich Null sei. Als später aber doch tiefere Temperaturen beobachtet wurden, konnte man sie dennoch ausdrücken, indem man sie negativ rechnete. Der FAHRENHElT'sche Nullpunkt erfuhr hierbei den Bedeutungswechsel aus einem Zeichen für die Abwesenheit der Wärme in ein Zeichen für den Beginn der Zählung einer Reihe, deren Ende man beiderseits nicht angeben konnte, da es sich mit dem Fortschritt der experimentellen Technik beständig verschieben Hess. Ferner zeigt dies Beispiel, dass, wenn auch die Zahlenreihe selbst um den Punkt Null symmetrisch ist, sie benutzt werden kann, um auch n i c h t s y m m e t r i s c h e Mannigfaltigkeiten darzustellen. Die Wärmeerscheinungen, welche beiderseits vom Nullpunkt auftreten, sind ganz gewiss nicht symmetrisch, und man hat später den Nullpunkt an eine andere Stelle der Temperaturreihe verlegen können, ohne dass das Princip der Zählung geändert zu werden brauchte. Man muss sich nur merken, d a s s hier von der S y m m e t r i e e i g e n s c h a f t der Z a h l e n reihe n i c h t G e b r a u c h g e m a c h t w e r d e n soll. Derartige besondere Bedingungen der Zuordnung sind sehr oft vorhanden, und für den wissenschaftlichen und täglichen Gebrauch ist es ganz wesentlich, sich hierüber jedesmal klar zu werden, da Missgriffe in solcher Richtung nicht ganz selten gemacht werden.
MEHRFACHE
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Nun giebt es ferner ausser den einfachen Mannigfaltigkeiten noch m e h r f a c h e , die ihrerseits wieder begrenzt, oder ein- bezw. mehrseitig unbegrenzt sein können. Wir haben solche bei Gelegenheit der verschiedenen Sinneseindrücke, ferner aber bei der Untersuchung des Raumbegriffes angetroffen, in den sie a u s jener Quelle gelangt sind. Fragen wir uns nun, wie wir die Typen mehrfacher Mannigfaltigkeiten entwickeln können, so gelangen wir zu der Lösung dieser Aufgabe wieder auf dem Wege der Zuordnung. Nehmen wir einen Vorrath v e r s c h i e d e n e r M a n n i g f a l t i g keiten, und ordnen j e d e von ihnen j e einem Gliede e i n e r e i n f a c h e n M a n n i g f a l t i g k e i t zu, so e r h a l t e n w i r den a l l g e m e i n s t e n Begriff einer z w e i f a c h e n M a n n i g f a l t i g k e i t Benutzen wir diese wieder a l s Grundlage für die Zuordnung eines neuen Vorrathes von Mannigfaltigkeiten, so gelangen wir zur dreifachen Mannigfaltigkeit. Offenbar ist auch dieses Verfahren unbegrenzt. Wir haben auf diesem Wege die volle Allgemeinheit gewahrt, die Lösung ist aber entsprechend unbestimmt geblieben. Um alsbald ein Beispiel für d a s Verfahren zu geben, erinnere ich an die übliche Bezeichnungsweise der Felder des Schachbrettes. Man giebt jeder Reihe in e i n e r Richtung die Zahlen von 1 bis 8, und jeder Reihe nach der a n d e r e n Richtung die Buchstaben A bis H und unterscheidet die acht Reihen gleicher Ziffern dadurch, d a s s man jede Ziffernreihe durch einen der Buchstaben A bis H kennzeichnet C6 bedeutet also das sechste Feld in der C-Reihe oder, w a s dasselbe ergiebt, d a s C-Feld in der sechsten Reihe. Dies ist natürlich nur ein besonderer Fall der allgemeinen Aufgabe. Wir werden uns aber fragen, ob nicht in ähnlicher Weise wie bei den Zahlen sich ein e i n f a c h s t e r Fall herstellen l ä s s t Dieser ist dadurch gegeben, d a s s die unbegrenzte Zahlenreihe als je ein Glied der Mannigfaltigkeit benutzt wird, und dass diese Glieder nach dem Gesetz der Zahlenreihe geordnet werden. Wir bekommen mit anderen Worten wieder unser
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Schachbrett, nur dass es unbegrenzt ist, und dass statt der Buchstaben auch nach der anderen Richtung Zahlen stehen. Nur mit der Bezeichnungsweise haben wir etwas Schwierigkeit, denn wir können die beiden zu einem Felde gehörigen Ziffern nicht neben einander setzen, da diese Stellung bereits (S. 104) eine andere Bedeutung hat. Wir wollen sie deshalb u n t e r einander setzen und unsere zweifache Mannigfaltigkeit gewinnt dadurch das nachstehende Aussehen: 0 0
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MEHRFACHE
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Ich theile Ihnen diese Tabelle mit, nicht weil sie gebräuchlich ist — sie ist es nicht — sondern um Ihnen deutlich zu machen, dass zur Bezeichnung einer zweifachen Mannigfaltigkeit immer zwei unabhängig veränderliche Zeichen erforderlich sind, an denen ersichtlich gemacht werden muss, welches von den Zeichen in der einen, und welches in der anderen Richtung zu nehmen i s t Denn ein Blick über die Tabelle zeigt, dass man zu demselben Punkt der zweifachen Mannigfaltigkeit gelangt, wenn man zuerst die Reihe aufsucht, in welcher überall die obere Ziffer vorkommt, und in dieser Reihe die untere ermittelt, oder wenn man umgekehrt verfährt. Die in der Mathematik gebräuchliche Bezeichnungsweise dieser Mannigfaltigkeit hat zunächst die Gestalt angenommen, dass man den Zahlen zwei Zeichen zuordnet. Das eine bezeichnet, dass die davorstehende Zahl in e i n e r Richtung in der Tabelle aufgesucht werden soll, und die andere weist in die a n d e r e Richtung. Gewöhnlich bedeutet x die Richtung nach rechts, y die nach unten (bezw. nach oben) und der Ausdruck 3x + 7y besagt, dass man drei Schritte nach rechts und sieben Schritte nach unten gehen soll, um die zugehörigen Punkte zu finden. Man kann ebenso erst die sieben Schritte nach unten und dann die drei nach rechts machen. Benutzt man, wie bisher stillschweigend angenommen, nur positive Zahlen, so erhält man eine zweifache Unbegrenztheit, indem jede der beiden, zu einem Ausdruck gehörigen Zahlen beliebig hohe Werthe annehmen kann. Führt man noch negative Zahlen ein, so kann man noch zwei Ünbegrenztheiten dazu erhalten, und hat daher alle Möglichkeiten von null bis vier Ünbegrenztheiten. Dies gilt indessen nur, wenn es sich um einen w i r k l i c h e n Nullpunkt in dem S. 103 erörterten Sinne handelt. Liegt dagegen nur ein willkürlicher Nullpunkt vor, so hat die Tabelle thatsächlich nur zwei Ünbegrenztheiten. Die vielfachen interessanten Eigenschaften dieses zweifachen Zahlensystems kann ich nicht hier erörtern. Ich will nur erwähnen, dass es bereits im Gebiete der positiven Zahlen symmetrisch ist, und dass es eine zweifache Symmetrie erhält,
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DIE
MANNIGFALTIGKEITEN
wenn man die negativen Zahlen hinzunimmt. Soll es daher zur Darstellung nichtsymmetrischer zweifacher Mannigfaltigkeiten dienen, so muss dies ausdrücklich hervorgehoben werden. In ganz ähnlicher Weise vollzieht sich die Bildung einer dreifachen Mannigfaltigkeit, so dass es überflüssig erscheint, sie zu entwickeln. Ohnedies werden wir später noch einmal Gelegenheit haben, bei der Messung des Raumes auf diese Verhältnisse einzugehen.
SIEBENTE
VORLESUNG
DIE GRÖSSEN uf dem Wege unserer Untersuchung über die Vorgänge bei der Bildung der Begriffe sind wir, indem wir das Beziehen der im Dingbegriff gesonderten Erlebnisse auf einander anführten, zu den Begriffen der Mannigfaltigkeit, der Zuordnung und zuletzt der Zahl gelangt. Die nächste Stufe ist das V e r g l e i c h e n der Dinge, und an die Untersuchung der hier auftretenden Erscheinungen wollen wir nun herangehen. Hierbei tritt alsbald die Frage auf, w a s unter G l e i c h h e i t zu verstehen sei. In den üblichen Darstellungen der Logik erscheint diese Frage denn auch im Vordergrunde, und für ihre Behandlung dient das berühmte I d e n t i t ä t s g e s e t z , welches lautet: J e d e s D i n g i s t s i c h s e l b s t g l e i c h ; auch wird es in der Gestalt A = A in eine Formel gebracht. Ich muss gestehen, dass ich mich immer ein bischen geschämt habe, wenn ich diesen Satz las, denn ich habe mir niemals klar machen können, w a s er eigentlich bedeutet Wir haben ja von der Thatsache ausgehen müssen, dass es überhaupt niemals zwei Erlebnisse giebt, die einander vollkommen gleich sind, denn sie sind ja wenigstens in Bezug auf die Zeit und den Raum verschieden, in welchem sie vor sich gehen. Wir können den Satz also strikt nur auf e i n z i g e s Erlebniss anwenden, und dabei giebt es überhaupt keinen Vergleich. Denn dadurch, dass man dies Erlebniss auf sich selbst bezieht, kommt man in keinem Punkte über das hinaus, w a s in dem Erlebniss eben schon vor dieser Beziehung auf sich selbst enthalten war. OSTWALD, Naturphilosophie,
in. Auflage.
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DIE
GRÖSSEN
Andererseits ist das Identitätsgesetz auf v e r s c h i e d e n e Erlebnisse nicht anwendbar, da es ja die G l e i c h h e i t der mit einander in Beziehung gesetzten Dinge ausspricht. Wir gerathen also wirklich in Verlegenheit, wo wir überhaupt ein Gebiet für das berühmte Gesetz finden sollen. Was mit diesem Gesetze erreicht werden soll, wird vielleicht besser erreicht werden, wenn wir statt den Satz A = A aufzustellen, vielmehr die Frage aufwerfen: u n t e r w e l c h e n V o r a u s s e t z u n g e n k a n n m a n A = B s e t z e n , oder u n t e r w e l c h e n V o r a u s s e t z u n g e n w e r d e n zwei D i n g e e i n a n d e r gleich g e n a n n t ? Eine exacte Anwendung des Wortes g l e i c h haben wir bereits gemacht. Wir haben zwei unstetige Mannigfaltigkeiten einander gleich in Bezug auf ihre A n z a h l genannt, wenn sie sich vollständig und ohne Rest gegenseitig Glied für Glied zuordnen Hessen (S. 101). Allgemein haben alle Mannigfaltigkeiten die gleiche Zahl, wenn sie sich ohne Rest oder Ueberschuss einer gegebenen Mannigfaltigkeit Glied für Glied zuordnen lassen. Dieses Wort gleich bezieht sich hier nur auf die Zahl. Wir wenden dasselbe Wort aber mit einem bestimmten Bewusstsein seiner Bedeutung auf alle möglichen anderen Dinge an. Es wird also für die Gleichheit der Dinge ein ähnliches Erkennungszeichen vorhanden sein, wie es in der Zuordnung zu einer gegebenen unstetigen Mannigfaltigkeit für die Gleichheit der Zahlen gegeben ist. Versuchen wir die Sache allgemein auszudrücken, so werden wir sagen: ebenso, wie bei der Zuordnung gleicher Mannigfaltigkeiten die eine ohne Unterschied der Zahl für die andere gesetzt werden kann, s o s e t z e n w i r zwei D i n g e g l e i c h , w e n n d a s e i n e bei I r g e n d e i n e r bestimmten Operation für das andere gesetzt werden k a n n , o h n e d a s s e t w a s a n d e r e s e n t s t e h t . Hierbei tritt der wesentliche Umstand zu Tage, dass von einer Gleichheit oder Ungleichheit nur in Bezug auf eine bestimmte Operation gesprochen werden kann, und dass zwei Dinge sowohl gleich wie auch ungleich sein können, je nach den Beziehungen, in welche man sie bringt.
GLEICHHEIT
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Zwei Stücke eines weissen Steines wird der Chemiker gleich nennen, wenn er beide als Calciumcarbonat erkennt. Denn er nennt Calciumcarbonat solche Stoffe, welche sich unter Kohlensäureentwicklung in verdünnten Säuren lösen, und deren Lösungen dann die Reactionen des Calciums und keine anderen zeigen. Er kann also thatsächlich bei seinen Versuchen das eine Stück für das andere setzen, ohne dass ein Unterschied der angegebenen Verhältnisse eintritt. Wenn aber der Physiker beide Stücke auf die Wage bringt, wird er sie ungleich nennen, denn im allgemeinen wird die Wage nicht im Gleichgewicht bleiben, wenn er mit den Gewichten das eine Stück ins Gleichgewicht gebracht hatte, und es nun durch das andere ersetzt. Noch weniger wird der Archäologe, der in den beiden Stücken Theile zweier Kunstwerke erkennt, sie gleich nennen wollen. Die Antwort, ob gleich oder nicht, hängt also von der Frage ab, welche man an die Dinge stellt, und kann je nach der Frage verschieden ausfallen. Hierbei muss alsbald eine wichtige Bemerkung gemacht werden. Die Feststellung der Gleichheit zweier Dinge kommt auf die Feststellung der Gleichheit ihrer Wirkungen heraus. Diese Feststellung ist nicht immer leicht und i s t j e d e n f a l l s v o n b e g r e n z t e r G e n a u i g k e i t . So wird man mit einer gewöhnlichen Krämerwage die Gleichheit zweier Gewichte vielleicht auf ein Zehntel Gramm feststellen können; eine chemische Wage gestattet die Gleichheit auf ein Milligramm, oder wenn sie sehr gut ist, auf ein Zehntel Milligramm zu prüfen, und die besten Wagen, die es giebt, gehen noch etwa hundertmal weiter. Aber schliesslich hat auch die Empfindlichkeit der besten Wagen ein Ende, und wir kommen zu einer Grenze, über welche hinaus eine Gleichheit nicht mehr geprüft und daher auch nicht behauptet werden kann. Von einer „absoluten" Gleichheit zweier Dinge in Bezug auf irgend eine Eigenschaft kann also nie die Rede sein, und alle unsere Gleichheitsbehauptungen müssen mit dieser Einschränkung verstanden werden. Die Erfahrung ergiebt nun die allgemeine Beziehung, dass 8*
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DIE
GRÖSSEN
wenn zwei Dinge sich bei der Prüfung auf eine gewisse Eigenschaft als gleich erweisen, sie sich auch gleich verhalten, wenn man auch das Prüfungsmittel ändert, vorausgesetzt, dass dieselbe Eigenschaft geprüft wird. S o findet man bei beiden Marmorstücken die gleichen Reactionen nicht nur gegen eine bestimmte Probe Säure, sondern gegen alle Proben Säure, die man anwendet: wenn die Säure gleich, d. h. von demselben gleichförmigen Vorrath genommen ist, so verhalten sich auch die beiden Marmorstücke ihr gegenüber gleich. Oder wenn man die Gleichheit der Gewichte zweier Marmorstücke mit irgend einer Wage festgestellt hat, so erweisen sie sich auf allen Wagen als gleich. Diese allgemeine Eigenschaft wird gewöhnlich in dem Satze ausgesprochen, dass, wenn zwei Dinge einem dritten gleich sind, sie auch unter einander gleich sind. Es ist hiermit derselbe Satz gemeint, wie der eben gegebene; doch scheint mir die erste Fassung allgemeiner und für die Anwendung zweckmässiger. Es handelt sich hier um ein wirkliches Naturgesetz, nämlich um eine Angabe, wie gewisse Dinge sich thatsächlich verhalten, die sich auch anders verhalten könnten. Das Gesetz giebt mit anderen Worten an, welche von mehreren Möglichkeiten w i r k l i c h e i n t r i t t ; es schränkt dadurch den Kreis der Möglichkeiten auf einen bestimmten Fall ein, der dann die Wirklichkeit darstellt. Dass im vorliegenden Falle die Dinge sich auch anders verhalten könnten, sieht man daran, dass beispielsweise gewisse Gerüche von einigen Menschen für gleich angesehen werden, während andere sie verschieden finden. So verwechselt der Anfänger ziemlich leicht den Geruch des Nitrobenzols mit dem des Bittermandelöls, während der Erfahrenere sie scharf unterscheidet Zwei Gewichte können auf einer groben Wage als gleich erscheinen, die sich auf einer feineren als verschieden erweisen. In diesen beiden Fällen liegt der Widerspruch daran, dass der Mensch und die Wage, welche die beiden Dinge als gleich ansehen, die vorhandenen Unterschiede wegen zu geringer Empfindlichkeit nicht merken. Man bezeichnet einen
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solchen Widerspruch als s c h e i n b a r , weil er nur dadurch hervorgerufen wurde, dass in beiden Fällen ein verschiedener Gleichheitsbegriff angewendet wurde. Immer aber ist man nicht im Stande, die Erklärung solcher Widersprüche zu finden, und daher ist es nothwendig, das fragliche Gesetz auszusprechen mit dem Hinweis, d a s s e s s i c h u m e i n e E r f a h r u n g u n d n i c h t um e i n e s o g e n a n n t e D e n k n o t h w e n d i g k e i t handelt. Wenn also schon ein „Identitätsgesetz" ausgesprochen werden soll, so hat das eben formulirte Gesetz von dem allgemeinen Charakter der Gleichheitsbeziehung viel mehr einen Anspruch darauf, als das Grundgesetz für das Vergleichen bezeichnet zu werden. In der That liegt es allen weiteren Entwicklungen zu Grunde, die wir mit dem Gleichheitsbegriff ausführen werden. Dabei werden wir wohl thun, uns von Fall zu Fall zu überzeugen, ob das Gesetz auch zutrifft, denn es ist immer möglich, dass aus irgend welchen Ursachen Abweichungen vorhanden sind. Wie aus der Begriffsbestimmung der Gleichheit hervorgeht, kann eine solche nur für Dinge ausgesprochen werden, welche die dazu erforderliche Prüfung überhaupt gestatten. Zu diesem Zwecke ist es nöthig, dass entweder die zu vergleichenden Dinge an das Prüfmittel, oder das Prüfmittel an die zu vergleichenden Dinge nach einander gebracht werden, damit die Gleichheit der Wirkung beobachtet werden kann. Dabei wird also vorausgesetzt, dass durch die hierzu erforderlichen Bewegungen keine Aenderung an den Dingen oder dem Prüfmittel hervorgebracht wird, welche die Gleichheit der Wirkung aufheben oder vortäuschen könnte. Von den gewöhnlichen oder zufälligen Aenderungen, denen alle Dinge im Laufe der Zeit mehr oder weniger unterliegen, soll hier abgesehen werden; sie können durch Wiederholung der Prüfung erkannt und meist auch beseitigt werden. Es ist aber möglich, dass durch die zur Prüfung erforderlichen Maassnahmen selbst unvermeidliche Aenderungen in den zu vergleichenden Dingen oder am Prüfmittel hervorgerufen werden, und dann ist die Frage der Gleichheit in noch beschränkterem Sinne zu beantworten.
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GRÖSSEN
Ein Beispiel wird diese Betrachtungen anschaulicher machen. Es liege die Aufgabe vor, die Gleichheit zweier Entfernungen , etwa der gegenüberliegenden Eckenpaare eines Quadrats, zu prüfen. Man verfährt so, dass man die Spitzen eines Zirkels so weit ausbreitet, bis sie die beiden Endpunkte der zu messenden Entfernung decken, und dann den Zirkel mit der einen Spitze in den einen der zu prüfenden Punkte setzt und sich überzeugt, ob die andere Spitze mit dem anderen Punkte zur Deckung gebracht werden kann. Man macht hierbei die Voraussetzung, dass bei der Bewegung des Zirkels von der einen Stelle des Quadrats zur anderen keine Aenderung in der Entfernung der Spitzen eingetreten sei. Wir nehmen an, dass alle Fehler durch Verbiegung, Erwärmung u. s. w. ausgeschlossen seien, und fragen uns nur: b l e i b t die E n t f e r n u n g zweier Punkte eines s t a r r e n Körpers dieselbe, w e n n m a n d e n Ort d e s K ö r p e r s ä n d e r t ? Der „gesunde Menschenverstand" wird die Frage absurd finden und mit einem „selbstverständlich" beantworten. Nun müssen wir uns bei unseren Untersuchungen das Wort geben, nichts für selbstverständlich zu halten, d. h. ungeprüft durchzulassen. Wie können wir uns denn überzeugen, dass die Entfernung der Zirkelspitzen sich nicht mit dem Orte ändert? Sie werden vielleicht sagen: man braucht ja nur den Zirkel wieder an die ersten Punkte zu bringen, und zu sehen, dass es stimmt J a , das wird schon zutreffen, aber das beweist ja nur, dass der Zirkel an demselben Orte wieder dieselbe Entfernung zeigt. Wenn er sie beim Fortbringen geändert und beim Zurückbringen wieder zurückgeändert hatte, so muss dasselbe eintreten. Alles, was ich sagen darf, ist also nur, dass an demselben Orte er stets dieselbe Entfernung zeigt; ob er an verschiedenen Orten verschiedene oder gleiche zeigt, ist unmöglich zu entscheiden. Diese Sache wird noch anschaulicher, wenn wir uns darauf besinnen, dass ja wirklich alle Körper unserem Auge um so kleiner erscheinen, je weiter wir uns von ihnen befinden. Wenn wir die Grösse der Entfernungen nur nach unserem Augenbilde beurtheilen wollten, so müssten wir geradezu aus-
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sprechen, dass eine gegebene Entfernung um so kleiner ist, je weiter unser Auge absteht, dass aber zwei Längen, die an irgend einem Orte gleich sind, es auch an jedem anderen Orte, an den sie versetzt werden, bleiben. Bekanntlich bezeichnen wir das Kleinerwerden mit zunehmender Entfernung als perspectivische Täuschung und verbessern die Ergebnisse unseres Augenbildes durch Berücksichtigung der Entfernung, indem wir die Annahme machen, dass thatsächlich der Ort keinen Einfluss auf die Längen hat. Diese Annahme ist unzweifelhaft bei weitem die zweckmässigste, die wir machen können, denn die umgekehrte Annahme würde uns die beobachteten Verhältnisse nur unter weit verwickeiteren Regeln wiederzugeben gestatten. Aber es ist offenbar, dass es sich hier wieder einmal durchaus nicht um irgend einen Nachweis handeln kann, dass die Längen bei räumlicher Verschiebung „wirklich" unverändert bleiben. Vielmehr können wir nur nachweisen, dass an gleichen Orten gleiche Längen sich stets als gleich erweisen, unabhängig von dem Orte, an welchem man die Untersuchung ausführt. Und da dies der Fall ist, brauchen wir auf den Ort keine Rücksicht zu nehmen. Hierdurch ist der Sinn des Wortes Gleichheit in einer ganz bestimmten Weise beschränkt, und hätten wir ausser der Deckung noch andere Mittel, die Gleichheit zweier Geraden zu prüfen, so müsste wieder erst der Nachweis geführt werden, dass auch bei diesem Verfahren der Ort keinen Einfluss hat, bevor wir den bisherigen Begriff der Gleichheit auch auf die Ergebnisse dieses neuen Verfahrens ausdehnen dürften. Ich fürchte fast, dass Sie die eben angestellten Erwägungen für blosse Haarspalterei halten werden. Nun, ich würde gegen die hierzu erforderliche Fertigkeit an sich nichts einzuwenden haben, und ich könnte auch kaum dafür getadelt werden, dass ich die wenigen Stunden, die uns zu Gebote stehen, für derartige Sachen verwende, da es doch kaum eine wichtigere Fertigkeit giebt, als die, sich die Voraussetzungen der eigenen Schlüsse möglichst vollständig und klar vergegenwärtigen zu können. Es kommen aber wirklich Fälle vor, wo ähnliche Unterschiede
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DIE
GRÖSSEN
auftreten, und solchen gegenüber muss man doch gewappnet sein. Wenn wir zwei Gewichte als gleich definiren, falls sie in einer Hebelwage durch ein und dasselbe Gegengewicht im Gleichgewicht gehalten werden, d. h. die Nullstellung des Zeigers bewirken, so überzeugen wir uns bald durch den Versuch, dass diese Gleichheit ähnlich wie die Längengleichheit nicht vom Orte abhängt. Wir würden also, wenn wir Betrachtungen wie die eben durchgeführten nicht anzustellen gelernt hätten, den Schluss ziehen, dass der Ort keinen Einfluss auf das Gewicht hat. Sind wir dagegen an die vollständige Betrachtung gewöhnt, so werden wir nur schliessen, dass gleiche Gewichte durch gleiche Ortsveränderungen gleiche Aenderungen erfahren, wobei diese Aenderungen möglicherweise auch Null sein können. Definiren wir aber gleiche Gewichte zweitens als solche, die einen elastischen Körper um gleiche Beträge verbiegen, so können wir uns zunächst überzeugen, dass zwei Gewichte, die mittelst der Wage gleich gefunden werden, auch mittelst der Elasticität sich als gleich ergeben. Der Schluss liegt also sehr nahe, dass sie auch der Elasticität gegenüber eine Unabhängigkeit des Gewichts vom Ort zeigen werden. Wie Sie alle wissen, ist dies nicht der Fall; die Verbiegung unseres elastischen Apparates, der Federwage, wird geringer, wenn wir uns über den Erdboden erheben, und ebenso, wenn wir uns dem Aequator nähern. Da haben wir gerade den Fall, von dem vorher die Rede war. Die neue, von der ersten unabhängige Definition hat in dem einen Falle zu einer Uebereinstimmung mit der alten geführt, im anderen zu einem Widerspruch, und wir müssen daher zugeben, dass die mit der Hebelwage gemessenen Gewichte vom Orte a b h ä n g i g sind, und sich nur so ändern, dass gleiche Gewichte gleiche Aenderungen erfahren und daher einander gleich bleiben. Das allgemeine Ergebniss dieser Betrachtungen ist also dahin auszuprechen, dass die Behauptung der Gleichheit zweier Dinge nur dann einen bestimmten Sinn hat, wenn man den
ZEITGLEICHHEIT
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Weg angiebt, auf welchem die Vergleichung ausgeführt worden ist In dieser Fassung sieht der Satz recht trivial aus; wie wenig er es ist, haben Sie ja aus den Betrachtungen über mögliche Längenänderungen von Geraden bei ihrer Verlegung im Räume gesehen. Die Frage der Gleichheit zweier Dinge kommt also auf die Frage hinaus, ob sich eine änderungsfreie Uebertragung der Dinge über einander, oder des Prüfmittels von einem zum anderen bewerkstelligen lässt, und alle Gleichheitsaussprüche werden durch die Einschränkungen eingeengt, welche durch das Uebertragen bedingt werden. Während in den bisher betrachteten Fällen die Uebertragung sich als eine einfache Sache der Ausführung, wenn auch nicht der Deutung nach herausgestellt hat, ist sie in anderen Fällen, z. B. bei der Zeit, schon schwieriger auszuführen. Dies tritt geschichtlich in dem Umstände zu Tage, dass genaues Maass und Gewicht schon längst im Gebrauche standen, als genaue Zeitmessungen noch grosse Seltenheiten waren. Zwar die grobe Eintheilung in Tage und Jahre bewerkstelligt die Natur ohne unser Zuthun, die Untert e i l u n g des Tages aber, mit anderen Worten die Herstellung von Uhren ist erst ein Produkt einer weit fortgeschrittenen Entwicklung gewesen. Dies liegt daran, dass die u n m i t t e l b a r e Uebertragung einer vergangenen Zeit auf eine zukünftige überhaupt nicht ausführbar ist, und daher zu einer mittelbaren geschritten werden muss. Man bewerkstelligt sie mittelst des Satzes, d a s s w e n n ein V o r g a n g u n t e r g l e i c h f ö r m i g e n V e r h ä l t n i s s e n a b l ä u f t , g l e i c h e T h e i l e d e s V o r g a n g e s in gleichen Zeiten erfolgen. Es handelt sich also um die Herstellung solcher gleichförmiger Vorgänge, und ein Apparat, der dies ausführt, kann als Uhr dienen. Dieses Verfahren ist noch mehr als die früheren dem Einwände ausgesetzt, dass durch irgend welche gemeinsamen Umstände, die auf alle Uhren wirken, deren Gang in gleich artiger Weise beeinflusst wird, so dass die Uhren zwar übereinstimmend bleiben, aber nicht mehr „gleiche" Zeiten anzeigen. Hier bleibt auch nichts übrig, als umgekehrt den angegebenen
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DIE
GRÖSSEN
Satz als Definition des Zeitmaasses zu benutzen, und dann nachzusehen, ob unter dieser Voraussetzung die Handhabung des Zeitbegriffes hinreichend einfach wird. Dies ist thatsächlich der Fall, zumal die von einander unabhängigen Perioden des Tages und des Jahres zu Zeitgleichheiten führen, die einander nicht widersprechen. Der Tag ist nämlich in erster Linie durch die Beschaffenheit der Erde bestimmt und von der der Sonne unabhängig, während umgekehrt das J a h r durch die Beschaffenheit (Masse) der Sonne bestimmt ist, und von der der Erde nicht abhängt. Da es sich nun erweist, dass die in den Tagen gemessene Länge des Jahres, d. h. das Verhältniss beider Zeitgrössen, unverändert bleibt, so folgt, dass die Annahme, es würden durch diese beiden Perioden je gleiche Zeiten bestimmt, sich widerspruchslos durchführen lässt. Dies ist aber auch alles, was wir über die Gleichheit der Zeit aussagen können. Noch unsicherer ist der Vergleich unmittelbarer Sinnesempfindungen. Ob ein T o n die gleiche Höhe oder Stärke hat, wie ein gestern gehörter, lässt sich nur in ganz grober Weise schätzen, und ebenso ist die Beurtheilung der Gleichheit einer Farbe um so unsicherer, je länger die dazwischen verflossene Zeit war. Dass wir die Fähigkeit des Vergleiches verschiedener Erlebnisse haben, ist ja bereits am Eingange unserer Betrachtungen als eine grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung unseres geistigen Lebens, wie sie thatsächlich stattgefunden hat, erkannt worden. Unser Gedächtniss, wie wir diese Eigenschaft nennen, ist daher der a l l g e m e i n e U e b e r t r ä g e r , ähnlich dem bei Längenmessungen gebrauchten Zirkel, mit dessen Hilfe wir unsere Erlebnisse auf einander beziehen und die Gleichheiten in ihnen zusammenfassen. Aber im Lichte der jetzt angestellten Betrachtungen sehen wir, dass dieser Ueberträger wie ein recht schlechter Zirkel arbeitet, auf dessen Unveränderlichkeit wir uns nicht verlassen können, und der namentlich um so wackliger wird, je länger wir seine Anwendung hinausschieben. Hieraus ergiebt sich umgekehrt, dass der Vergleich zweier Erlebnisse, insbesondere auch zweier Sinnesempfindungen um
VERGLEICHUNG
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so sicherer ausfällt, je unmittelbarer die zu vergleichenden Erlebnisse auf einander folgen. Hiervon machen wir unaufhörlich Gebrauch. Wenn der Musiker sein Instrument einstimmt, so Iässt er abwechselnd den Normalton und den seines Instruments erschallen, und wenn der Färber oder Maler zwei Farben auf Gleichheit prüfen will, so legt er sie unmittelbar neben einander, damit das Auge ohne Zeitverlust von einem Punkte zum anderen gehen kann. Hierbei ist noch zu bemerken, dass die Genauigkeit des Vergleiches bedeutend zunimmt, wenn man nicht nur von dem Dinge A zum Dinge B übergeht, sondern darauf wieder A folgen lässt und so mehrmals abwechselt. Wenn nämlich durch die zeitliche Veränderlichkeit des Beobachters, die ja immer vorhanden ist, der Vergleich erst in einseitiger Weise beeinflusst war, so kehrt sich der Einfluss bei der zweiten Beobachtung um, und der Fehler hebt sich zum grössten Theil aus dem Ergebniss heraus. Andererseits giebt uns diese Unsicherheit unseres seelischen Apparates, die durch die ungeheure Vielseitigkeit seiner Beanspruchung erklärlich ist, die allgemeine Regel an die Hand, dem Gedächtniss so viel wie möglich Arbeit abzunehmen. Wir erreichen dies, indem wir für die wichtigsten Dinge N o r m e n aufbewahren, die an sich so unveränderlich wie möglich sind, und indem wir den Vergleich nicht bloss durch unmittelbare Anwendung der Sinne bewerkstelligen, sondern diese so weit als möglich durch besondere Werkzeuge, wie Wagen, Mikroskope u. s. w., ersetzen. In letzter Reihe beruhen allerdings auch diese Apparate auf der Anwendung irgend welcher Sinne; durch ihre Einschaltung werden diese aber verfeinert oder empfindlicher gemacht, zuweilen in einem ganz ungeheuren Verhältniss, so dass auch das Ergebniss des Vergleiches in entsprechendem Maasse genauer wird. — Bei den bisherigen Untersuchungen hatten wir die zu vergleichenden Dinge zunächst als Einzeldinge behandelt, ohne Rücksicht, dass viele von ihnen Theile von grösseren stetigen Mannigfaltigkeiten waren. Neue Fragen erheben sich, wenn letzteres in den Vordergrund tritt
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DIE
GRÖSSEN
So sind die Töne und Farben, die wir mittelst Ohr und Auge vergleichen, von b e n a c h b a r t e n Tönen und Farben umgeben, und die Ermittelung der Gleichheit kommt auf die Bestimmung heraus, welche Stücke innerhalb der Reihe die gesuchte Uebereinstimmung zeigen. Dasselbe gilt für Längen und Gewichte, während die chemischen Gleichheiten, von denen S. 115 die Rede war, auf ein Ja oder Nein hinauslaufen und keine Abstufungen haben. Wir betrachten die ersteren, die s t e t i g e n Mannigfaltigkeiten. Wir haben bereits gesehen (S. 97), dass eine stetige Mannigfaltigkeit nothwendig eine g e o r d n e t e ist. Beschränken wir uns zunächst auf e i n f a c h e stetige Mannigfaltigkeiten, so tritt uns bei der Feststellung einer Gleichheit stets der Umstand entgegen, dass in unmittelbarer Nähe der Gleichheit ein g r ö s s e r oder kleiner, ein h ö h e r oder tiefer, ein stärker oder s c h w ä c h e r stattfindet Es ordnen sich mit anderen Worten die in der Nähe der Gleichheit belegenen Eigenschaften stets in einsinniger Weise an, so dass sich zwei Gebiete angrenzender Werthe unterscheiden lassen, die in dem eben ausgesprochenen Gegensatze zu einander stehen. Dies ist eine ganz allgemeine Eigenschaft stetiger Mannigfaltigkeiten, die nur in besonderen Punkten (Maximal- und Minimalpunkten) verhältnissmässig seltene Ausnahmen erleidet. Und zwar findet diese Eigenschaft bei stetigen Mannigfaltigkeiten überall statt: jeder Punkt einer solchen hat die Eigenschaft, dass er die gesammte Mannigfaltigkeit in zwei scharf unterschiedene Antheile sondert Hierdurch ist der Gegensatz zwischen unstetigen (S. 97) und stetigen Mannigfaltigkeiten am schärfsten ausgesprochen. Erstere sind von vornherein getheilt, und ihre Glieder oder Stücke sind nicht weiter theilbar (im Sinne der vorliegenden Mannigfaltigkeit, denn durch die Ausführung der Theilung würde eine neue entstehen). Umgekehrt ist eine stetige Mannigfaltigkeit von vornherein ungetheilt, aber überall theilbar bis in das kleinste Stück. Durch diese Eigenschaft kann jede einfache stetige Mannigfaltigkeit in eine Reihe geordnet werden, so dass jedem Punkte
ORDNUNGSZAHLEN
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derselben eine ganz bestimmte Stelle zukommt. Dies kann durch eine einfache Formel folgendergestalt ausgedrückt werden. Bezeichnen wir die Unterschiede der Nachbarschaft, auf die vorher hingewiesen wurde, durch die Zeichen ) und (, so dass A)B bedeutet, dass A grösser, höher, stärker oder dergl. als B ist, so wird jene Eigenschaft durch den Satz ausgedrückt, dass aus A)B und B)C auch A)C folgt und umgekehrt aus A(B und B(C auch A(C. Es ist dies das allgemeine Gesetz stetiger Mannigfaltigkeiten. Und zwar ist der wohlbekannte Satz, dass wenn A grösser als B und B grösser als C ist, auch A grösser als C ist, nur ein besonderer Fall des allgemeinen Gesetzes, der bei solchen stetigen Mannigfaltigkeiten eintritt, auf die sich der Grössenbegriff anwenden lässt, was keineswegs bei allen stetigen Mannigfaltigkeiten möglich ist. Aus diesem Grunde gestatten die stetigen Mannigfaltigkeiten eine D a r s t e l l u n g d u r c h d i e O r d n u n g s z a h l e n , denen ja die gleiche Eigenschaft des eindeutigen Ortes in der Gesammtreihe zukommt. Allerdings besteht insofern ein Gegensatz, als die Ordnungszahlen eine unstetige Mannigfaltigkeit sind, doch lässt er sich dadurch umgehen, dass man die Ordnungszahlen bestimmten, auf einander in Abständen folgenden Punkten der stetigen Mannigfaltigkeit zuordnet, und dadurch für diese eine Bezeichnung findet. Die dazwischen liegenden Gebiete werden dann entweder einfach einem der begrenzenden Punkte zugerechnet, oder man schaltet Zwischenstufen in Gestalt von Brüchen ein. Wir kommen auf diese Frage gleich zurück. Um alsbald wieder ein Beispiel zu geben, erinnere ich an an das T h e r m o m e t e r . Die Temperaturen, welche ein solches aus Kugel, Röhre und eingeschlossener Flüssigkeit hergestelltes Instrument anzeigt, bilden eine einfache stetige Mannigfaltigkeit. Da es aber kein unmittelbares Mittel giebt, zwei Temperaturunterschiede zu vergleichen, die in verschiedenen Gebieten liegen, so ist man zunächst auf die B e z i f f e r u n g e i n e r w i l l k ü r l i c h e n R e i h e d u r c h O r d n u n g s z a h l e n angewiesen. Dies geschah ursprünglich an jedem Thermometer besonders, indem man auf seiner Röhre eine Anzahl von Strichen in gleichen
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aber willkürlichen Abständen anbrachte, und die Striche mit Nummern versah. Dann war allerdings jede Temperatur durch den Strich, in dessen Nachbarschaft sich die Thermometerflüssigkeit einstellte, und die dazu gehörige Nummer bezeichnet. Aber diese Bezeichnung haftete an dem einzelnen Exemplar und ihr Sinn ging verloren, wenn das Thermometer zerbrach. Durch den Vergleich mehrerer Thermometer mit einander und die Wahl eines unter ihnen als Norm konnte diese Schwierigkeit verringert, aber nicht beseitigt werden, da die Instrumente langsamen Aenderungen unterliegen, so dass gleiche Einstellungen nicht mehr die früheren Temperaturen anzeigen. Diese Schwierigkeit wurde durch die Einführung von Temperaturen beseitigt, die sich leicht übereinstimmend herstellen lassen, wie der Gefrierpunkt und der Siedepunkt des Wassers. Indem schliesslich bestimmt wurde, dass die Gesammtlänge der cylindrischen Röhre eines Quecksilberthermometers zwischen dem Gefrier- und dem Siedepunkte in hundert gleiche Theile oder Grade getheilt werden sollte, die mit den Ziffern 0 bis 100 zu versehen waren, konnten ziemlich unzweideutige Angaben erzielt werden. Ganz unzweideutig waren sie nicht, da auch nach diesen Regeln angefertigte Thermometer kleine Verschiedenheiten aufweisen, wenn man sie aus verschiedenen Glassorten herstellt. Dieses Beispiel zeigt deutlich die verschiedenen Stufen des Verfahrens, die Punkte einer stetigen Mannigfaltigkeit durch die Zuordnung bestimmter Ordnungszahlen wiedererkennbar zu machen. Es bleibt allerdings noch der Einwand bestehen, dass diese Zuordnung oder Definition nur für die e i n z e l n e n P u n k t e Gültigkeit hat, die mit den Punkten der Thermometertheilung genau zusammentreffen. Wie ist aber über alle dazwischenliegenden Temperaturen zu urtheilen? Die Behandlung der Zwischenpunkte beruht auf dem gleichen Verfahren der I n t e r p o l a t i o n , welches wir gelegentlich der ersten Stetigkeit kennen lernten, die wir näher untersucht haben, nämlich beim Z e i t b e g r i f f (S. 81). Wir erinnern uns, dass die Pausen, wo wir die zeitliche Aenderung irgend welcher Dinge nicht mit unserem Bewusstsein verfolgen, sich
STETIGKEIT
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widerspruchsfrei durch die Annahme ausfüllen lassen, dass inzwischen auch für diese Dinge eine Zeit vergangen ist, obwohl nicht innerhalb eines Bewusstseins von dem Dinge; und die allgemeine Uebereinstimmung dieser Annahme mit der Erfahrung über gleichzeitige und unabhängige Aenderungen an verschiedenen Dingen überzeugt uns, dass die Interpolation zulässig und zweckmässig ist. Aehnlich verfahren wir nun allen stetigen Mannigfaltigkeiten gegenüber. Wir stellen ihre Eigenschaften und Beziehungen an einer Anzahl gesonderter Punkte fest, und haben wir diese Punkte nahe genug gewählt, so dürfen wir mit entsprechender Wahrscheinlichkeit schliessen, dass die Werthe der Eigenschaft zwischen den Punkten auch zwischen die Werthe fallen werden, welche die Eigenschaft in den Punkten selbst hat. Man kann die Richtigkeit dieser Vermuthung prüfen, indem man das Ding an solchen Zwischenpunkten untersucht, und kann so eine beliebige Anzahl von Kontrolen der Stetigkeitsannahme ausführen. Die Thatsache, dass bei genügend enger Wahl der untersuchten Punkte sich diese Annahme stets bestätigt findet, einzelne besondere Verhältnisse ausgenommen, hat ihren Ausdruck in dem sogenannten S t e t i g k e i t s g e s e t z gefunden, welches eben dies aussagt. Es soll zur besseren Einprägung nochmals wiederholt werden: Sind die E i g e n s c h a f t e n einer s t e t i g e n M a n n i g f a l t i g k e i t an z w e i h i n r e i c h e n d n a h e l i e g e n d e n P u n k t e n b e kannt, so liegt die E i g e n s c h a f t an einem z w i s c h e n den beiden Punkten liegenden P u n k t e z w i s c h e n den Eigens c h a f t e n a n d i e s e n P u n k t e n . Ob die Punkte hinreichend nahe sind, ergiebt sich aus der Untersuchung einiger wirklichen Fälle; sie liegen nahe genug, wenn das Stetigkeitsgesetz sich als zutreffend erweist. Ist dies nicht der Fall, so lehrt die Erfahrung, dass man durch die weitere Annäherung der Punkte immer in ein Gebiet gelangen kann, wo das Stetigkeitsgesetz erfüllt ist; dies gehört umgekehrt zur Definition der Stetigkeit. Auf ähnliche Weise lassen sich alle stetigen Mannigfaltigkeiten behandeln. J e nach ihrem Grade kann man ihnen eine oder mehrere Reihen von Ordnungszahlen zuordnen, und ge-
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winnt so immer ein Verfahren, jeden Punkt im ganzen Gebiete zu kennzeichnen. — Man kann aber in manchen Fällen über dieses bloss ordnende Verfahren hinausgehen und den verschiedenen Stellen gewisser Mannigfaltigkeiten Werthzeichen zuordnen, welche nicht nur ein Erkennen ermöglichen, sondern ein R e c h n e n gestatten. Die Klasse von Mannigfaltigkeiten, welche diese Eigenschaft besitzt, ist enger, als die bisher erörterte, denn es müssen besondere Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Mannigfaltigkeit den G r ö s s e n c h a r a k t e r , wie wir diese besondere Eigenschaft nennen wollen, aufweist. Gewisse Mannigfaltigkeiten haben die Eigenschaft, dass sich aus allen ihren Gebieten gleiche Stücke herstellen lassen. Aus einer geraden Linie kann ich überall ein Stück herausnehmen, und mache ich jedes 1 cm lang, so sind alle solche Stücke gleich. Umgekehrt kann ich aus geradlinigen Stücken von gegebener Länge in beliebiger Ordnung wieder eine gerade Linie herstellen. Aus der Reihe der Töne kann ich überall ein Stück herausnehmen, aber es ist nicht möglich, eine Reihe tieferer Töne gleich einer Reihe aus dem hohen Gebiete genommener Töne zu machen. Ob ich die höhere Reihe grösser oder kleiner nehme, auf keine Weise kann ich sie der tiefen Reihe gleich machen. Ebensowenig kann ich Stücke der Tonreihe ohne Aenderung derselben in beliebiger Reihenfolge zusammenfügen, sondern jedem Tone kommt sein ganz bestimmter Ort in der Reihe zu. Was von den geraden Linien gesagt worden ist, gilt von Flüssigkeiten, Arbeitsgrössen, Elektricitätsmengen und vielen anderen Dingen. Was von den Tönen gesagt worden war, gilt von den anderen Sinnesempfindungen, aber auch von Temperaturen, den Entwicklungsstadien eines Organismus und zahlreichen anderen Dingen. Wir sehen uns hier einem sehr wichtigen Unterschiede gegenüber, den wir künftig stets werden zu berücksichtigen haben. Einstweilen wollen wir die Dinge der ersten Gruppe G r ö s s e n , die der zweiten S t ä r k e n nennen.
GRÖSSEN
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STÄRKEN
Die wichtigsten Eigenschaften und Unterschiede sind: G r ö s s e n kann man in ihrem ganzen Gebiete in gleiche Antheile zerlegen, die in beliebiger Ordnung zusammengefügt wieder eine Grösse gleicher Art ergeben. S t ä r k e n lassen sich nicht in gleiche Antheile zerlegen, sondern jeder Theil behält seine Stelleneigenschaft auch nach der Zerlegung bei. Daher kann man diese Theile nicht in beliebiger Folge an einander fügen, sondern nur in einer bestimmten Folge, und zwar so, dass die Stücke wieder an den Stellen an einander gelegt werden, die vor der Trennung zusammengehörten. Wie man sieht, ist die Darstellung der S t ä r k e n (dem Deutschen ist der Name „Intensitäten" für das gleiche Ding geläufiger) durch die O r d n u n g s z a h l e n bei weitem die angemessenste, denn durch solche wird jedem Theil sein ganz bestimmter Punkt angewiesen, und die Ordnungszahlen können gleichfalls nur an ihrer Durchschnittsstelle wieder zusammengefügt werden. Die G r ö s s e n werden dagegen durch G r u n d z a h l e n am besten dargestellt, denn bei ihnen besteht wie bei den Grundzahlen kein Unterschied zwischen den einzelnen Stücken, und die Reihenfolge der Zusammenfügung hat daher keinen Einfluss auf das Ergebniss. Grössen können daher durch Zahlen dargestellt oder abgebildet werden; aber es bleibt doch noch ein eigenthümlicher Widerspruch bestehen, an dessen Lösung gerade von tiefer denkenden Mathematikern eine grosse Menge Scharfsinn gewendet worden i s t Die Zahlen sind ihrem Wesen nach u n s t e t i g , die Grössen sind nach ihrer Definition stetige Mannigfaltigkeiten. Dass man einzelne Punkte der Grössen durch Zahlen abbilden kann, ist offenbar; wie aber gelangt man dazu, die Gesammtheit der Grösse mittelst einer Zahl darzustellen? Dies ist die Frage, in deren Untersuchung wir jetzt eintreten wollen. Stellen wir uns eine Anzahl Gläser vor, die alle mit Wasser gefüllt sind. Diese stellen eine gleichförmige unstetige Mannigfaltigkeit dar, und wir können die Gläser z ä h l e n . Nun giessen wir alles Wasser in ein grosses Gefäss zusammen. Aus der unstetigen Mannigfaltigkeit des Wassers ist nun eine OSTWALD, Naturphilosophie.
I I I . Auflage.
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stetige geworden, ohne dass die Menge des Wassers (vollständiges Ausgiessen vorausgesetzt) sich geändert hat. Dies bedeutet natürlich nur, dass wir aus der Gesammtmenge wieder alle Gläser füllen können, ohne dass im grossen Gefässe Wasser fehlen oder nachbleiben wird. Diese Gesammtmenge wird eine andere sein, wenn wir mehr oder weniger Gläser zu ihrer Herstellung benutzt haben, und wir überzeugen uns leicht, dass für die stetige Mannigfaltigkeit des zusammengegossenen Wassers ebenso wie für die Summen der einzelnen Gläser alle die Gesetze gelten, welche wir für die Zahlen aufgestellt hatten. Auf d i e s e n B e z i e h u n g e n b e r u h t d i e M ö g l i c h k e i t d e r Z u o r d n u n g von G r ö s s e n und Zahlen und die M e s s u n g der einen durch die anderen. Der Grundgedanke ist hierbei offenbar der folgende. Wir wählen ein bestimmtes Stück der stetigen Mannigfaltigkeit aus. das wir künftig als die E i n h e i t bezeichnen werden, und stellen aus der zu messenden Grösse so viele derartige Einheiten her, als sich eben herstellen lassen. Die Anzahl solcher Einheiten ist die Maasszahl der vorgelegten Mannigfaltigkeiten oder kurz ihre Grösse. Zur Bezeichnung einer Grösse durch eine Zahl ist also ausser dieser Zahl die Angabe der Einheit erforderlich. Hierdurch lässt sich eine Maasszahl alsbald von einer Grundzahl unterscheiden. Man nennt daher die Maasszahlen auch b e n a n n t e Z a h l e n ; ebenso werden wir uns gelegentlich für die Maasszahl des Ausdruckes W e r t h bedienen. Das eben beschriebene Verfahren, eine Grösse durch eine Zahl auszudrücken, führt im allgemeinen nicht zu einem einfachen Ergebniss. Zählen wir aus dieser Wasserflasche gleiche Wassermengen mittelst des Glases aus, so behalten wir schliesslich einen R e s t übrig, d. h. eine Wassermenge, die nicht mehr das Glas füllt, die also kleiner als die Einheit ist. Man verfährt in solchem Falle so, dass man eine neue Einheit bestimmt, von der eine gewisse Anzahl auf die frühere geht, d. h. in ihr enthalten ist. In der Wissenschaft und im praktischen Leben wählt man (ausser in England) die neue
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MESSUNG
Einheit mit Rücksicht auf das dekadische Zahlensystem so, dass sie den zehnten Theil der früheren ausmacht. Bei der Messung des Restes mit dieser kleineren Einheit erhält man wieder eine ganze Zahl und einen Rest, und deshalb muss man das Verfahren wiederholen, bis man den übrigbleibenden Rest v e r n a c h l ä s s i g e n kann. Wann dies eintritt, hängt natürlich ganz und gar von dem besonderen Falle ab; bei den in Münze ausgedrückten Grössen pflegen wir jedenfalls Reste zu vernachlässigen, die kleiner sind, als ein Pfennig, und meist auch solche, die kleiner sind, als fünf oder zehn Pfennige. Auch die Wissenschaft verfährt nicht anders, als das praktische Leben, nur dass die von ihr vernachlässigten Reste meist sehr viel kleiner sind. Während in der Praxis nur selten genauer gewogen wird, als auf ganze Gramme, so werden die genauesten Wägungen der Wissenschaft in einer Einheit ausgedrückt, welche nur ein Milliontel eines Grammes beträgt, und nur Gewichte, die noch kleiner sind, muss man vernachlässigen, weil die Wagen ihr Vorhandensein nicht mehr erkennen lassen. Aber wie weit wir auch die Annäherung treiben mögen: wir werden doch immer sagen müssen, dass schliesslich immer wieder ein Rest bleibt. Seine Existenz ist nicht weniger sicher, wenn wir auch schliesslich nicht mehr die Möglichkeit haben, ihn zu messen, und wir kommen zu dem Schlüsse, d a s s niemals eine endliche stetige G r ö s s e durch eine b e n a n n t e Zahl in a l l e r G e n a u i g k e i t d a r g e s t e l l t w e r d e n k a n n . Wir können nur zwei neben einander liegende Zahlenwerthe unserer kleinsten Einheit angeben, zwischen denen der wirkliche Werth liegen muss. Aber da der Unterschied dieser beiden Zahlen jedenfalls ein endlicher ist, und ein endliches Stück einer stetigen Grösse sich an unbegrenzt vielen Punkten theilen lässt, wenn es auch noch so klein genommen wird, so kommt man nicht um den Schluss herum, dass es einfach unmöglich ist, eine Grösse a b s o l u t genau durch eine Zahl auszudrücken. Dieser Schluss ist durchaus richtig, und die vorher erwähnten Schwierigkeiten der Mathematiker rührten wohl in 9*
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erster Linie daher, dass sie ihn nicht anerkennen wollten. Uns kann er eigentlich nicht überraschen, denn wir haben als Kennzeichen einer Unmöglichkeit wieder das Wort a b s o l u t angetroffen, und wir wissen ja von früher her: Absolutes giebt es nicht. Aber wir können noch mehr sagen. Wenn jemand behauptete, eine gegebene stetige Grösse würde durch eine bestimmte benannte Zahl absolut genau dargestellt, so kann er es zwar nicht beweisen, aber ebensowenig könnten wir ihn widerlegen, wenn der möglicherweise vorhandene Unterschied kleiner ist, als wir ihn messen können. Daraus aber ergiebt sich endlich, dass die Aufgabe einer „absolut genauen" Messung keinen Sinn hat, und dass alle Versuche, eine stetige Grösse absolut genau durch eine Zahl darzustellen, zwecklos sind, weil wir von dem Erfolg uns nicht einmal überzeugen könnten. Wir können, um das Gesagte zusammenzufassen, Grössen durch Zahlen mit jeder Genauigkeit darstellen, welche im Bereiche unserer Erfahrung liegt. Eine weiter gehende Genauigkeit, insbesondere eine absolute, hat weder einen Zweck, noch einen Sinn, da sie keinen Bestandtheil unserer Erfahrung bildet. Somit ist die gegenseitige Zuordnung von Zahlen und Grössen zwar, theoretisch gesprochen, nothwendig unvollkommen; sie lässt sich aber so weit führen, als für irgend welche Zwecke erforderlich ist, und jedenfalls so weit, dass die übrig bleibenden Unterschiede nicht mehr erkennbar sind. Die bisherigen Betrachtungen gelten offenbar für solche Grössen, die eine e i n f a c h e Mannigfaltigkeit darstellen. Unter Hinzuziehung der negativen Zahlen kann man auch Grössen ohne bekannten Nullwerth bezeichnen (S. 107), man muss dann nur ausdrücklich bemerken, dass auf die im Zahlensystem vorhandene Symmetrie verzichtet ist. Endlich kann man auch symmetrische Grössen einfacher Mannigfaltigkeit durch Zahlen darstellen, wobei die Symmetrie der positiven und negativen Zahlen zur Geltung kommt. Diese Bemerkungen werden uns später von Wichtigkeit werden. Endlich entsteht die Frage nach der Darstellung solcher Grössen, die eine m e h r f a c h e Mannigfaltigkeit bilden.
EINHEITEN
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Hier treten die Erörterungen ein, welche über die zahlenmässige Darstellung u n s t e t i g e r mehrfacher Mannigfaltigkeiten früher (S. 111) gemacht worden sind. Ganz wie diese lassen sich auch die stetigen Mannigfaltigkeiten darstellen, indem man so viele Systeme von Zahlen benutzt, als Grade der Mannigfaltigkeit vorhanden sind. Diese Systeme müssen als ursprünglich von einander ganz unabhängig betrachtet werden, und eine Zahl kann nie aus dem einen System in das andere übergehen. Nur giebt es häufig Fälle, wo es sich nicht um die gesammte Mannigfaltigkeit, sondern um bestimmte Theile derselben handelt, und dann sind allerdings Beziehungen zwischen den Zahlen der verschiedenen Systeme möglich. Ein Beispiel hierfür bietet die Ausmessung des Raumes; hier wird wegen der drei Dimensionen des Raumes von drei unabhängigen Zahlensystemen Gebrauch gemacht, und es treten Gleichungen oder Beziehungen zwischen den Grössen der drei Systeme auf, wenn nicht der ganze Raum, sondern bestimmte Gebiete desselben zur Darstellung gebracht werden sollen. — Die Aufgabe, Grössen durch Zahlen darzustellen, hat uns auf die Frage der E i n h e i t e n geführt Damit die Angabe einer Grösse durch die Anzahl Einheiten, welche in ihr vorhanden sind, einen bestimmten Sitz hat, muss die Einheit selbst hinreichend bestimmt definirt sein. Soll eine derartige Angabe eine über den Augenblick und zufälligen Ort hinausreichende Bedeutung haben, so muss die benutzte Einheit von Zeit und Ort unabhängig sein, sie muss sich also entweder stets gleich herstellen lassen, oder in unverändertem Zustande aufbewahrbar sein. Die Aufgabe, derartige Einheiten herzustellen und zu sichern, ist ausserordentlich verwickelt. Es ist bereits beispielsweise auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht worden, deren stufenweise Ueberwindung zu immer genauerer Festlegung der L ä n g e n e i n h e i t geführt hat (S. 38); auch ist gleichzeitig das Ergebniss ausgesprochen worden, dass man das schliesslich mit aller Sorgfalt hergestellte N o r m a l m e t e r zwar gegen bekannte Einflüsse schützen kann, nicht aber gegen unbekannte. Es ist wohl denkbar, dass das Metall der her-
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gestellten Maassstäbe, das aus einem einzigen Guss stammt, im Laufe der Zeit langsame Aenderungen erleidet, wenn es auch das wenigst veränderliche ist, das man gegenwärtig kennt, und wenn diese Aenderungen die verschiedenen Maassstäbe in gleicher Weise trifft, so wird auch ihr Vergleich keinen Aufschluss über eine stattgehabte Aenderung geben können. Wie schützt man sich gegen solche Möglichkeiten? Der einzige Weg ist, mehrere von einander unabhängige und möglichst verschiedenartige Grundlagen zu schaffen, durch deren Vergleich man sehen kann, ob Veränderungen eingetreten sind, oder nicht. Wenn z. B. ausser den Platiniridiummaassstäben noch solche aus Quarz oder Marmor hergestellt worden wären, so würde man von der Unruhe sich befreien können, dass wegen gleichförmiger Aenderung aller Platinmaassstäbe ihre Veränderlichkeit überhaupt der Beobachtung entgehen könne. J e verschiedenartiger das Material ist, um so unwahrscheinlicher wird ein gleichförmiges Verhalten auch unbekannten verändernden Einflüssen gegenüber. Hierbei ist es allerdings mit zwei verschiedenen Maassstäben nicht gethan, denn wenn diese sich nach einiger Zeit als verschieden erweisen, so weiss man nicht, welchem von beiden man die Schuld geben soll. Ein dritter würde die Entscheidung bringen können, denn wenn zwei gleich geblieben sind, während der dritte abweicht, so wird man den dritten als den veränderlichen ansehen. In solchem Sinne hat man das Meter mit einem möglichst verschiedenartigen Maasse in Beziehung gesetzt, nämlich mit der Wellenlänge gewisser Lichtarten. Zwar sind diese Längen klein, man ist aber im Stande, die Summe einer sehr grossen Anzahl solcher Wellen zu benutzen, so dass ein sehr genauer Vergleich mit der Länge des Meters möglich wird. Hier sind allerdings Veränderlichkeiten in der Beschaffenheit des Materials ausgeschlossen; andererseits ist aber hier weniger Sicherheit vorhanden, dass man alle Umstände, durch welche sich eine Lichtwellenlänge ändern kann, bereits kennt und genügend constant halten kann. Aehnliche Schwierigkeiten machen sich bei allen anderen Einheiten geltend, durch welche man gemessene Grössen aus-
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drückt, und nur durch eine genaue Untersuchung der physikalischen und chemischen Voraussetzungen kann man eine Beruhigung darüber gewinnen, ob man solche Einheiten nach bestem Wissen als relativ constant ansehen kann. Also sind auch absolute Einheiten, d. h. solche, deren Grösse ganz zweifeis- und fehlerfrei gegeben wäre, nicht vorhanden. Dieser Umstand entspricht ganz dem vorher festgestellten, dass es keine absolut genaue Grössenbestimmung durch Zahlen giebt; gäbe es eine solche, so wäre sie doch unnütz, da die Unsicherheit der Einheiten die absolute Genauigkeit unmöglich macht. Welchen B e t r a g man einer Einheit übrigens zu geben hat, ist eine Frage, die man willkürlich beantworten kann. Die Möglichkeit der genauen Herstellung oder unveränderten Aufbewahrung ist die einzige Rücksicht, welche in Frage kommt; insbesondere ist der Versuch, sogenannte n a t ü r l i c h e Einheiten für die verschiedenen Grössenarten zu finden, immer fehlgeschlagen, weil sich solche natürliche Einheiten in letzter Linie doch als künstliche, d. h. willkürliche herausgestellt haben. Eine andere Frage ist, für welche Grössen man Einheiten feststellen soll. Die nächstliegende Antwort wäre, dass dies für alle Grössenarten geschehen sollte, die überhaupt gemessen werden. Bei genauerer Untersuchung zeigt es sich, dass man für viele Grössen Einheiten schaffen kann, indem man andere dazu benutzt. Das einfachste Beispiel ist die Verwendung der Längeneinheit zur Messung von Flächen und Räumen, indem man als Flächeneinheit das Quadrat von einem Meter Seite, und als Raumeinheit den Würfel von einem Meter Kante annimmt. Diese Ableitung enthält indessen auch insofern eine Willkür, als die Wahl des Quadrats und des Würfels zwar in jeder Beziehung zweckmässig genannt werden kann, aber nicht die e i n z i g e Möglichkeit darstellt. Es hätte ja auch Kreis und Kugel, oder Dreieck und Tetraeder gewählt werden können. Das Resultat wäre immer gewesen, dass die Flächen mit der zweiten Potenz, die Räume mit der dritten der linearen Abmessungen im Verhältniss bleiben, aber die Einheiten von Fläche und Raum hätten auch bei Benutzung des Meters andere
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Werthe angenommen, als bei der Wahl des Quadrats und Würfels. Es liegt also bereits in diesen Ableitungen eine Willkür. Aehnliches gilt für alle „abgeleiteten" Einheiten, deren es eine grosse Zahl giebt. Sie entstehen, wie aus dem eben gegebenen Beispiele hervorgeht, durch einfache Rechenoperationen aus anderen, die man als die Grundeinheiten bezeichnen kann. Und zwar können sich mehrere Grundeinheiten an der Bildung einer abgeleiteten betheiligen. Die Untersuchung, welche Grössen am zweckmässigsten als Grundeinheiten dienen, kann hier nicht vorgenommen werden; später wird sich diese Frage wieder erheben und kann dann grundsätzlich beantwortet werden. Die Frage, wie man Grössen misst, welche k l e i n e r als die Einheit sind, ist bereits praktisch beantwortet worden (S. 126). Man bildet eine neue Einheit aus der alten, die zehnmal kleiner ist, und benutzt diese zur Messung. Ist sie noch nicht klein genug, so wiederholt man das Verfahren, bis der Zweck erreicht ist Es macht sich rechnerisch bequemer, wenn man diese Untertheilung nicht in den Einheiten zum Ausdruck bringt, sondern in der Schreibart der Zahlen. Man schliesst die Zahlen, welche die ganzen Einheiten bezeichnen, durch ein Komma (oder einen Punkt) nach rechts ab, und schreibt die Zahlen für die Zehntel der Einheit dahinter in erster Stelle, die für die Hundertstel eine Stelle weiter und für jede zehnmal kleinere Einheit eine Stelle mehr nach rechts. Die Arbeit mit solchen Untereinheiten nennt man die Rechnung mit D e c i m a l b r ü c h e n . Andere „Brüche" bei benannten Zahlen können entstehen wenn man als kleinere Einheiten andere Theilungen als in zehn Theile benutzt Die alte Eintheilung von Fuss, Zoll, Linie, von Pfund und Loth, von Thaler und Groschen u. s. w. liefern Beispiele hierfür. Aus der Wissenschaft sind sie indessen mit Ausnahme der Zeittheilung schon ganz verschwunden, und aus dem praktischen Leben fast ganz, da sie eine ganz überflüssige Rechnerei mit sich bringen. Die Entwicklung unserer Cultur geht unzweifelhaft in der Richtung, dass schliesslich nur noch decimale Untereinheiten übrig bleiben werden. —
Z USA MME NFA SS UNG
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Fassen wir endlich die Ergebnisse der bisherigen Betrachtungen zusammen, so wird uns die nachstehende Uebersichtstafel einen kurzen Ausdruck dafür gewähren. Wir gehen von der ganz allgemeinen Thatsache der E r l e b n i s s e aus, und sondern aus diesen zunächst die einzeln empfundenen Dinge ab, neben denen der übrige Theil unseres Erlebens als eine zusammenhängende Masse erscheint, an deren Sonderung wir kein Interesse nehmen. Die Dinge werden wieder gemäss dem allgemeinen Verfahren unseres Geistes auf Grund irgend welcher Gemeinsamkeiten zu M a n n i g f a l t i g k e i t e n zusammengefasst, deren Bestandteile entweder frei bleiben oder geordnet werden können. Hierdurch entstehen die u n s t e t i g e n oder aus einzelnen Gliedern zusammengesetzten M a n n i g f a l t i g keiten. Daneben giebt es noch die s t e t i g e n M a n n i g f a l t i g keiten. Diese stellen sich als Erlebnisse dar, deren Zusammenhang wir nicht durch unsere Denkoperationen aufgehoben haben, so dass wir neben der Auffassung von Verschiedenheiten in ihrem Bestände oder Verlaufe noch den erlebten Zusammenhang wahren. Diese stetigen Mannigfaltigkeiten sind daher an und für sich geordnet. Durch die Betrachtung der willkürlich geordneten unstetigen Mannigfaltigkeiten gelangten wir zu dem Begriffe eines Ordnungstypus, der Reihe, als deren bequemste Darstellung die Zahlenr e i h e gefunden wurde. In dieser Anwendung heissen die Zahlen dann Ordnungszahlen. Unter Verzicht auf die Berücksichtigung der Individualität der Einzeldinge ergiebt sich andererseits der Begriff der Zahl oder Grundzahl. Beide Formen der Ordnung finden sich an stetigen Mannigfaltigkeit wieder. Allgemein lassen sich ausgewählte Punkte derselben dem durch die Ordnungszahlen gegebenen Schema zuordnen. Während aber gewisse stetige Mannigfaltigkeiten, welche wir S t ä r k e n genannt haben, wegen der Verschiedenheit der Antheile, die man bei ihrer Zerlegung erhält, keine weitere Behandlung gestatten, giebt es andere, die G r ö s s e n , welche eine Zerlegung in gleiche Theile gestatten, und die daher mit dem Begriffe der Zahl in Beziehung gesetzt werden können. Diese beiden Beziehungen sind aber nur Zu-
138
DIE
GRÖSSEN
Ordnungen, die nicht vollständig sein können, da der Unterschied der Stetigkeit und Unstetigkeit sich nur überbrücken, nicht beseitigen lässt.
Uebersichtstafel.
Erlebnisse \ Nichtunterschiedene Erlebnisse / \ Mannigfaltigkeiten Unverbundene Einzeldinge / \ freie geordnete / \ unstetige stetige I I Ordnungszahlen . . Stärken / Dinge
I Grundzahlen
I . . . Grössen
ACHTE VORLESUNG
ZEIT, RAUM, SUBSTANZ achdem wir die Begriffe der Mannigfaltigkeit und ihrer Ordnung als die allgemeinsten erkannt haben, in denen die einzelnen Bestandteile unserer Erfahrung oder die Dinge untergebracht und benutzbar gemacht werden können, haben wir die entsprechende A n w e n d u n g auszuführen. Sie ergiebt zunächst die Begriffe von Z e i t und R a u m . Aus den früheren Betrachtungen über diese beiden wissen wir, dass sie Mannigfaltigkeiten von ziemlich bestimmter Beschaffenheit sind und unter den denkbaren Mannigfaltigkeiten besondere, verhältnissmässig eng begrenzte Einzelfälle darstellen. Der von ihnen gebildete Rahmen ist also bedeutend enger, als ihn der allgemeine Begriff der Mannigfaltigkeit ergeben würde. Dass wir ihn so eng nehmen dürfen, ohne auf Schwierigkeiten oder Widersprüche in der Darstellung zu gerathen, ist der Ausdruck einer e r f a h r u n g s m ä s s i g e n Thatsache, und zwar einer ungemein ausgedehnten und mannigfaltigen Erfahrung. An dieser ersten Stelle, wo die Erfahrung so energisch einschränkend in die Gestaltung unseres Weltbildes einschneidet, wird es zweckmässig sein, den Einfluss der Erfahrung auf die Begriffsbildung genauer ins Auge zu fassen. Wir wissen ja, dass alle Begriffsbildung erst durch die Erfahrung möglich und nöthig wird. Die besondere Weise, wie sie die weitere Entwicklung der Begriffe beeinflusst, lässt sich dann allgemein so aussprechen, d a s s s i e d i e f o r m a l e n M ö g l i c h k e i t e n , d i e sich aus der B e g r i f f s b i l d u n g ergeben, mehr oder
140
ZEIT
weniger
RAUM
erheblich
SUBSTANZ
einschränkt.
Dies
m e h r , j e genauer unsere Erfahrung wird. ja jedesmal nur einzig;
macht
man
geschieht
um
die V o r a u s s e t z u n g ,
dass
alles Geschehen naturgesetzlich darstellbar i s t 1 ,
so muss
a u s gegebenen Zuständen
aus
die
nach
und
so
Die Wirklichkeit ist
nach
sich
ihnen er-
folgende Wirklichkeit ableiten lassen. Nun ist der unerfahrene Mensch dazu g a n z u n f ä h i g , a u s gegebenen Zuständen die folgenden abzuleiten. sich entwickelnde Erfahrung,
deren
Die allmählich
exacteste Formen
sich in
den Naturgesetzen aussprechen, bewirkt nun viel weniger, d a s s er bestimmt w e i s s , welche Folgen e i n t r e t e n w e r d e n , als vielm e h r , d a s s er bestimmt sagen schlossen gesetze,
das
kann,
sind.
So
besagt
eines
von
der
Erhaltung
welche
Folgen
ausge-
der allgemeinsten
der
Energie,
irgend eines beliebigen V o r g a n g e s jedenfalls
dass
Naturvermöge
nicht
eine V e r -
mehrung oder Verminderung der g e s a m m t e n Energie eintreten wird, welche U m w a n d l u n g auch stattfinden m a g ; e s b e s a g t aber keineswegs, lichen
welche
v o n den innerhalb
Umwandlungen
weiteren
Gesetze
der
denn
dieses R a h m e n s m ö g -
wirklich
Energie,
eintreten
insbesondere
wird.
der
Die
sogenannte
zweite Hauptsatz, schränken dann die Möglichkeiten noch weiter ein, bis schliesslich, falls die Gesetze der fraglichen Erscheinung vollkommen
bekannt
sind,
nur noch
der
einzige
Fall
übrig
bleibt, der die Wirklichkeit darstellt. Dieser einschränkende Charakter macht sich nun auch bei den
Erfahrungsbegriffen
Alles w a s geschieht,
der Zeit
lässt
sich
in
und
des
diesen
Raumes Formen
geltend.
darstellen.
Damit ist alles Nichtzeitliche überhaupt und alles Nichträumliche für die A u s s e n w e l t a u s g e s c h l o s s e n ;
was
aber
im
übrigen der
Inhalt der Erfahrung innerhalb d e s zeitlich-räumlichen R a h m e n s ist, bleibt noch vollkommen unbestimmt oder frei. Diese Freiheit hat K A N T dazu geführt, d a s s er in Zeit und Raum nur die Formen der A n s c h a u u n g s a h , und ihnen w e g e n ihres
regelmässigen
Vorkommens
in
aller
unserer
Erfahrung
Die Untersuchung der Frage, inwieweit diese Voraussetzung haltbar ist, wird später vorgenommen werden. 1
ZEIT
UND
RAUM
141
den Charakter von Anschauungen a priori zusprach. Heute, wo uns der Gedanke der E n t w i c k l u n g geläufig geworden ist, werden wir in Zeit und Raum nur während zahlloser Generationen erworbene und durch Vererbung festgelegte Formen sehen, in denen uns unsere Erfahrung erscheint, und wir werden zwar für uns persönlich die Unmöglichkeit zugeben, uns in anderen Formen ohne weiteres zu bewegen, nicht aber behaupten, dass nicht etwa ein abweichender Gang unserer geistigen Entwicklung möglich gewesen wäre, der zu einer anderen Ausbildung der Anschauungsformen hätte führen können. Wir können mit anderen Worten sagen, dass die besondere Mannigfaltigkeit, welche durch Zeit und Raum zusammen dargeboten wird, gegenwärtig zur Unterbringung und Ordnung unserer inneren und äusseren Erlebnisse ausreicht, und dass diese daher den Rahmen bilden, welcher alle möglichen Geschehnisse umfasst. Ueber die Beschaffenheit der beiden Mannigfaltigkeiten ist bereits früher (S. 80) das Nöthige gesagt worden. Nur über den G r ö s s e n Charakter ist noch einiges nachzutragen. Unter der bereits gerechtfertigten Voraussetzung, dass bei räumlicher Uebertragung die Abmessungen fester Körper keine Aenderung erfahren, darf der Raum durchaus als Grösse behandelt werden, denn es ist möglich, einen gegebenen Raum in Stücke zu zerlegen, die unter einander gleich sind, und die wieder in beliebiger Ordnung zusammengefügt werden können, wobei die Grösse des Raumes durch die Art der Zusammenstellung nicht geändert wird. Allerdings gilt dies zunächst nur für solche Raumtheile, die sich lückenlos zusammenfügen lassen, wie z. B. gleich grosse Würfel. Da aber der Raum unbegrenzt theilbar ist, so kann man ihn immer mit beliebiger Annäherung in solche sehr kleine Würfel zerlegen und durch deren Zusammenfügung eine beliebige Summirung des Raumes bewirken. Hierbei tritt auch die M e s s u n g des Raumes durch einen Einheitswürfel und dessen decimale Unterabtheilungen in die Anschauung. Ganz ähnliche Betrachtungen gelten für die anderen Raumgebilde, die Flächen und die Linien. Man kann beliebig ge-
142
ZEIT
RAUM
SUBSTANZ
krümmte Flächen stets mit beliebiger Annäherung in gleich grosse Ebenen überführen, und gleiches gilt für die „Rectifikation" krummer Linien. Die beliebige Zusammenfügung muss in beiden Fällen freilich auf die Elemente, d. h. auf so kleine Theile zurückgehen, dass deren Abweichung von der Ebene, bezw. von der Geraden, unter eine vorgeschriebene Grenze sinkt. Eine grundsätzliche Schwierigkeit, dies auszuführen, ist aber im allgemeinen nicht vorhanden. Es ist gleichfalls bereits hervorgehoben worden, dass wir den Raum als r i c h t u n g s f r e i anzusehen haben, d. h. dass ein irgendwie gestaltetes Gebilde keine anderen Eigenschaften annimmt, wenn wir es im Räume beliebig wenden oder umstellen. Hiermit ist nicht ausgeschlossen, dass innerhalb dieses richtungsfreien Raumes Gebilde entstehen können, denen diese negative Eigenschaft nicht mehr zukommt. Solche Gebilde sind beispielsweise die Krystalle; bei diesen ist es bekanntlich durchaus nicht gleichgültig, nach welchen Richtungen man sie beansprucht oder untersucht, und ein aus einem Krystall geschnittener Cylinder hat auch bei gleichen Abmessungen ganz verschiedene Eigenschaften je nach der Richtung, in welcher er aus dem Krystall geschnitten worden ist. Bei solchen Räumen ist die Addition von Raumelementen auch nur unter Einhaltung bestimmter Richtungen dieser Elemente ausführbar. Da sie aber im übrigen unbeschränkt ist, so dürfen auch solche mit Richtungseigenschaften ausgestattete oder a n i s o t r o p e Räume als wahre, in gleiche Elemente zerlegbare und aus ihnen wieder zusammensetzbare Grössen aufgefasst werden. Die Frage, ob auch die Zeit eine Grösse ist, oder ob ihr die Eigenschaften einer Stärke (S. 128) zukommen, lässt sich nicht so unmittelbar beantworten, wie beim Räume. Während nämlich beim Räume ein Vergleich hin und her möglich ist, so dass man die Beziehung zweier Raumtheile beliebig oft und eingehend untersuchen kann, ist bei der Zeit die Uebertragung eines Theiles auf einen anderen überhaupt nicht ausführbar. Damit hängt zusammen, dass man aus Zeittheilen eine Zeitsumme nicht in beliebiger Anordnung herstellen kann, sondern dass die Zeittheile mit ihren Trennungsstellen zusammengefügt
ZEITMESSUNG
143
werden müssen, um wieder eine Zeit zu ergeben, die als Summe dieser Stücke betrachtet werden kann. Diese sind die Kennzeichen einer S t ä r k e , und wenn wir uns auf diese beschränken wollten, so müssen wir der Zeit den Grössencharakter absprechen. Trotzdem führen wir Z e i t m e s s u n g e n aus; ja die Uhr, unser gewöhnliches Instrument für diesen Zweck, ist auch in ihren einfachen und wohlfeilen Ausführungsformen ein sehr genaues Messinstrument. 1 Hier liegt also ein scheinbarer Widerspruch vor, den wir heben müssen. Wir finden die Lösung, wenn wir uns die Methoden der Zeitmessung vergegenwärtigen. Sie beruhen alle darauf, dass man irgend ein Gebilde sich so ändern lässt, dass die Faktoren, von denen die Aenderung abhängig ist, möglichst constant bleiben. Bei der gewöhnlichen Pendeluhr erreicht man dies dadurch, dass man die Bewegung des Zeigers von den Schwingungen des Pendels abhängig macht, dessen Ausschlag möglichst gleich bleibt. Man erreicht hierbei leicht eine grosse Genauigkeit, weil auch ziemlich bedeutende Aenderungen des Ausschlages die Dauer einer Schwingung nur sehr wenig ändern. Stellt man nun verschiedene solche Uhren her, so findet man, dass die mit ihrer Hilfe gemessenen Zeiten i m m e r e i n a n d e r p r o p o r t i o n a l b l e i b e n . Hierbei ist es gleichgültig, welche Vorgänge man zur Herstellung der Uhren benutzt. Insbesondere zeigen auch die natürlichen Uhren: die Axendrehung der Erde, ihr Umlauf um die Sonne und die Bewegungen der Planeten, die gleiche Eigenschaft der proportionalen Zeiten. Misst man die genannten Bewegungen alle durch eine beliebige von ihnen, z. B. die Länge des Erdjahres, so erhält man für sie constante Zahlen, wann und wie lange man auch diese Vergleiche anstellen mag. 1 Eine Uhr, die täglich um eine Minute falsch geht, wird als eine ungewöhnlich schlechte angesehen, und dies mit Recht. Nun giebt es aber an »inem Tage 1440 Minuten, unsere schlechte Uhr macht also einen Fehler vor 0.07 Prozent. Eine chemische Analyse von solcher Genauigkeit auszuführen, gelingt nur den Meistern ihres Faches.
144
ZEIT
RAUM
SUBSTANZ
Diese Erfahrungen lassen sich dahin ausdrücken, dass ein im übrigen unverändert bleibender Vorgang seine Dauer nicht ändert, gleichgültig, in welche Zeit er verlegt wird, ebenso wie eine Raumgrösse ihren Betrag nicht ändert, gleichgültig an welchen Ort sie verlegt wird. Wir d e f i n i r e n also gleiche Zeiten als solche, in denen ein unverändert bleibender Vorgang gleiche Beträge ergiebt, in denen beispielsweise je eine Periode einer Schwingung a b l ä u f t Die Erfahrung lehrt uns, dass eine Definition der Zeit mit den beobachteten Thatsachen nicht in Widerspruch geräth, und dass wir somit berechtigt sind, u n t e r d i e s e n V o r a u s s e t z u n g e n die Zeit als eine messbare Grösse zu behandeln. Wiewohl wir die Zeit in Wirklichkeit nicht aus Stücken beliebig zusammensetzen können, so gestattet die erfahrungsmässige G l e i c h f ö r m i g k e i t der Zeit, vermöge deren sich alle Methoden der Zeitmessung als übereinstimmend erweisen, von dieser Unmöglichkeit abzusehen. Hieraus entsteht ein zweifacher Charakter der Zeit je nach den Erscheinungen, die wir in ihren zeitlichen Verhältnissen betrachten. Für solche, wie sie nach der eben gegebenen Beschreibung zur Zeitmessung dienen, d. h. die unter constanten Bedingungen beliebig lange verlaufen können, ist die Zeit eine gleichförmige Grösse. Für alle anderen Erscheinungen ist sie es aber nicht. Unter die letzteren gehört unser eigenes Leben. J e ein J a h r im Kindes-, Mannes- und Greisenalter werden von uns keineswegs als g l e i c h e Zeiten empfunden, weil unser Körper und Geist dabei keine constanten, sondern einseitig veränderliche Verhältnisse eingehalten und durchgemacht hat; daher können auch die einzelnen Zeittheile des Lebens nicht in willkürlicher Ordnung addirt werden. Demgemäss rechnet man auch nicht die Lebenszeiten als Grössen, und die Wendung: dieser Tag ist mir lang oder kurz geworden, wird von uns nicht als Widerspruch oder Unsinn empfunden, obwohl sie eine Veränderlichkeit des Verhältnisses zwischen subjektiver und objektiver Zeit ausdrückt Die Zeit ist also im allgemeinen keine Grösse im strengsten Sinne, lässt sich aber für gewisse Erscheinungen als solche behandeln, ohne dass Widersprüche mit der Erfahrung entstehen.
DAS
145
URDING
Haben sich so Zeit und Raum als die besonderen Mannigfaltigkeiten erwiesen, in die wir alle unsere Erlebnisse einordnen können, so bleibt doch noch die Frage nach den Besonderheiten dieser Erlebnisse selbst übrig, d. h. nach den Eigentümlichkeiten der Dinge, durch welche wir verschiedene Räume und Zeiten von einander unterscheiden können. In den genannten Begriffen liegt eine solche Unterscheidungsmöglichkeit n i c h t , da wir beide ausdrücklich als gleichförmig, d. h. in ihren Theilen nicht unterscheidbar, anerkannt hatten. Unsere Erlebnisse enthalten also noch andere, engere Mannigfaltigkeiten, die wir nun aufsuchen wollen. Die Bildung der Begriffe beruht auf der Aufsuchung des Gemeinsamen oder W i e d e r k e h r e n d e n . Dieses letztere scheint eine besonders bevorzugte Existenz dem Wechselnden oder Verschiedenen gegenüber zu haben, vermöge deren es sich eben in den Vordergrund der Erfahrung stellt. So findet sich denn im philosophischen oder theoretischen Denken von jeher die Frage nach dem U r d i n g , das allen Dingen zu Grunde liegt, aus dem die Dinge werden, und dessen mannigfaltige Erscheinungsform die Dinge sind. Insbesondere die Anfänge der griechischen Philosophie sind erfüllt von diesem Gedanken, und statt der Untersuchung, ob und in welchem Umfange er berechtigt ist, sieht man den Streit der Meinungen nur um die Frage sich bewegen, w e l c h e m Dir.ge man den Rang des Urstoffes zuzuschreiben hat. In der That giebt die Beobachtung der täglichen Erscheinungen allerlei Anlass zu derartigen Vorstellungen. Die Berge und das Meer erscheinen je nach der Tages- und Jahreszeit in den verschiedensten Farben, das Wasser lässt sich in die mannigfaltigsten Gefässe giessen, der Thon nimmt alle Gestalten an, die man ihm geben mag, Stimmung und Thun eines Menschen wechselt von Tag zu Tag, und doch erkennen wir in Bergen und Meer, Wasser und Thon, im einzelnen Menschen doch immer etwas Bleibendes, Dauerndes, das die verschiedenen Farben, Formen, Stimmungen und Handlungen an sich vorübergehen lässt, ohne dadurch seiner Natur nach geändert zu werden. ARISTOTELES, das grosse Konversationslexicon des OSTWILD, Naturphilosophie,
in. Auflage.
10
146
ZEIT
RAUM
SUBSTANZ
antiken Wissens, hat denn auch schliesslich die Gesammtheit dieser Gedanken auf ihre klassische Form gebracht, indem er in jedem Dinge etwas Unveränderliches annahm, das dessen S u b s t a n z genannt wurde, und ausserdem Veränderliches von mancherlei Art, dem der Name A c c i d e n z zukam. Man wird in dieser Gedankenbildung zunächst insofern einen ganz angemessenen Zug anerkennen müssen, als ja für die Herstellung der Begriffe als des allgemeinen Denkmittels die Hervorhebung eines wiederkehrenden Bestandtheiles oder besser gesagt einer wiederkehrenden Seite (denn wir dürfen nicht von vornherein behaupten, dass das Wiederkehrende sich wie ein Bestandtheil aussondern lasse) die grundlegende Verrichtung ist. Andererseits ist uns der Umstand bereits vielfach entgegengetreten, dass ein gegebenes Erlebniss je nach der Seite, die wir in Betracht ziehen, sich ganz verschiedenen Begriffen unterordnet Dies macht uns auf eine Gefahr des Denkweges aufmerksam. Man darf nicht von vornherein voraussetzen, dass jedes Ding nur e i n e „Substanz" besitze, sondern wird sich vielmehr bereit halten müssen, deren mehrere, je nach den Fragen, die man an das Ding stellt, anzuerkennen. Dadurch werden wir aber wiederum auf den gleichen Weg der Begriffsanalyse gedrängt, dem wir unsere bisherigen Ergebnisse verdanken, denn hier werden wir am sichersten die allgemeinste Substanz bezw. die allgemeinsten Substanzen finden, welche die Erfahrung uns zu erkennen und zu bezeichnen gestattet. Im Sinne dieser Begriffsanalyse haben wir also die Frage zu stellen: was ermöglicht uns für die Aussenwelt die Bildung des Dingbegriffes? Und diese Frage löst sich in die beiden anderen Fragen: Was findet sich am allgemeinsten in den Dingen der Aussenwelt, was ist also die allgemeinste Substanz? und: Wodurch unterscheiden wir die Dinge der Aussenwelt von einander, also (in bestimmtem Sinne) was ist das allgemeinste Accidenz? Die Antwort auf beide Fragen ist nach dem Stande des heutigen Wissens in einem Worte zu geben, in dem Worte: : die Energie. Die E n e r g i e ist die allgemeinste Substanz, denn sie ist d a s V o r h a n d e n e in Zeit und Raum, und sie ist d a s ;
DAS
DING
AN
SICH
allgemeinste Accidenz, denn sie ist d a s U n t e r s c h i e d l i c h e Zeit und Raum.
147 in
Zunächst besteht diese Antwort für Sie nur in einem Worte, dessen Inhalt je nach der Richtung Ihrer Vorbildung eine sehr verschiedene Beschaffenheit haben kann. Ich werde es mir angelegen sein lassen, den sehr bestimmten Sinn, den ich mit diesem Worte verbunden wissen möchte, eingehend g e n u g auseinanderzusetzen, um über die Art des von mir gemeinten Inhaltes keinen Zweifel zu lassen. Vorläufig bedeutet also dies Wort noch keine Antwort, wohl aber ein Programm. Der Substanzbegriff hat in der Philosophie wie in den Naturwissenschaften eine lange und mannigfaltige Entwicklung durchgemacht, und auch die eben bei ARISTOTELES gekennzeichnete Form desselben ist nur eine Seite von mehreren, mit denen er dort erschien; allerdings die Seite, welche in der Folge am meisten in den Vordergrund trat. Der Entwicklungsgang lässt sich kurz dahin kennzeichnen, das immer mehr von dem, w a s ursprünglich der Substanz der Dinge zugeschrieben wurde, unter die Accidenzen verwiesen wurde, bis schliesslich bei KANT der Zustand des „Dinges an sich" erreicht wurde, das gar keine Eigenschaften mehr hatte. Nachdem nämlich alle Eigenschaften richtig als die Beziehungen erkannt worden waren, welche das Ding zum erkennenden Subjekt, sei es unmittelbar oder mittelbar, aufweist, wurde der Schluss gemacht, dass wenn man diese subjektiven Bestandtheile von dem Dinge fortnimmt, als der vom Subjekt unabhängige Rest das D i n g an s i c h nachbleibe. V o n diesem können wir nichts wissen, als dass es vorhanden ist, denn alles, w a s wir sonst von ihm erfahren, zeigt uns nur das Ding, wie es uns erscheint, nicht aber, wie es an sich i s t Wie wir überhaupt wissen können, dass dem Ding der Erfahrung ein Ding unterliegt, von dem wir keine Erfahrung haben, ist auch für KANT eine grosse Frage gewesen, auf die er verschiedene Antworten gegeben hat. Auf eine Kritik von KANT'S Beweisen für die Existenz des Dinges an sich wollen wir nicht eingehen, sondern nachsehen, wie die Wissenschaften, 10*
148
ZEIT
RAUM
SUBSTANZ
welche zunächst praktisch bei der Sache interessirt sind, die Physik und Chemie einerseits, die Physiologie und die Psychologie andererseits, sich dazu gestellt haben. Hier zeigt es sich nun, dass die beiden ersten unbekümmert um die Kantische Vernunftkritik die Dinge mit ihren Eigenschaften als Wirklichkeiten zu betrachten gewöhnt sind, während andererseits die Sinnesphysiologie und der von ihr bestimmte Theil der Psychologie in der Erkenntniss der mannigfaltigen Verschiedenheiten, die „dasselbe" Ding in unserer Erfahrung je nach der Art seiner Einwirkung auf unsere Sinne zeigen kann, sich viel mehr der Kantischen Auffassung zugeneigt haben. J a , man kann sogar sagen, dass der seit einem halben Jahrhundert gepredigte und ausgeführte „Rückgang auf KANT" in der Wissenschaft und Philosophie entscheidend durch die Fortschritte der Sinnesphysiologie beeinflusst worden ist. Es sind also zwei Gruppen verschiedener Gründe vorhanden, von denen die eine das Festhalten an der Wirklichkeit der Dinge, wie sie uns erscheinen, die andere das Abgehen von dieser Ansicht unterstützt. Wenn der hier vorhandene Widerspruch sich soll lösen lassen, so wird dazu der Nachweis erforderlich sein, dass bei beiden Ansichten Unvollständigkeiten vorhanden sind, deren Ausfüllung die Vereinigung bewirken wird. Diese Unvollständigkeiten werden natürlich in der beiderseitigen Abgrenzung des Substanzbegriffes zu suchen sein. Die Substanz der Physik und Chemie des neunzehnten Jahrhunderts führt den besonderen Namen der M a t e r i e . Diese ist sozusagen als Verdampfungsrückstand hinterblieben, nachdem viele von den Substanzen des achtzehnten Jahrhunderts, insbesondere der Wärmestoff, die elektrischen und magnetischen Materien, das Licht und noch manche andere, im Laufe der Zeit ihres Substanzcharakters verlustig gingen und als „Kräfte" ein mehr geistiges Dasein zu führen angewiesen wurden. Was gegenwärtig unter Materie verstanden wird, ist nicht ganz leicht unzweideutig festzustellen; denn versucht man bestimmte Definitionen zu ermitteln, so findet sich, dass meistens die Kenntniss dieses Begriffes bereits vorausgesetzt wird, und
MATERIE
149
hernach von der Materie als etwas Selbstverständlichem gehandelt wird. Indessen werden doch die in den Lehrbüchern der Physik vorhandenen Angaben über die Eigenschaften der Materie uns die Möglichkeit einer ungefähren Umgrenzung dieses Begriffes gewähren. Nehmen wir solche zur Hand, so finden wir gleichfalls die Spuren einer Entwicklung. Während die älteren Lehrbücher hierüber sehr bestimmt sind, macht sich bei den neueren die Neigung geltend, diese Fragen als bedenklich und unsicher zu umgehen, und sie überhaupt nicht zu erörtern. Folgendes lässt sich indessen zusammenfassend sagen. Alle Materie hat eine bestimmte Menge; die Menge der Materie wird gewöhnlich M a s s e genannt. 1 Ferner kommen der Materie bestimmte qualitative Verschiedenheiten zu, die sich auf die Existenz von 70 bis 80 Elementen zurückführen lassen, welche nicht in einander umwandelbar sind. Ferner kommt der Materie eine A u s d e h n u n g im R ä u m e und eine F o r m b e g r e n z u n g zu; die letztere ist aber nur in gewissen Fällen (bei festen Stoffen) von der betrachteten Materie selbst abhängig, in den anderen wird sie durch die Umgebung bestimmt. Ferner wird der Materie U n d u r c h d r i n g l i c h k e i t zugeschrieben, d. h. es können nicht zwei verschiedene Stücke Materie gleichzeitig in demselben Räume sein. Endlich wird die Materie als u n z e r s t ö r b a r bezeichnet. Von diesen w e s e n t l i c h e n Eigenschaften der Materie werden gelegentlich noch die a l l g e m e i n e n Eigenschaften unterschieden, welche sich zwar auch an aller Materie finden, aber nicht wesentlich zu ihrem Begriff gehören. Hierher werden die T r ä g h e i t oder die Fähigkeit, einen vorhandenen Bewegungszustand beizubehalten, die S c h w e r e , die T h e i l b a r keit und die P o r o s i t ä t gerechnet Indessen herrscht wenig Uebereinstimmung darüber, welche von diesen Eigenschaften 1 Das Wort Masse bedeutet im wissenschaftlichen Sinne etwas ganz anderes, nämlich eine Grösse, welche das Verhalten der Körper bei Aenderungen der Bewegung misst. Dass diese beiden Angelegenheiten von einander grundsätzlich verschieden sind, wird allerdings heute kaum noch unbefangen anerkannt.
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ZEIT
RAUM
SUBSTANZ
wesentlich, und welche nur allgemein sind; auch wird häufig der Unterschied zwischen beiden Gruppen überhaupt nicht gemacht. Man kann den wissenschaftlichen Zustand, der hier zu Tage tritt, nichts weniger als befriedigend nennen. Wenn Sie sich der ersten Stunden erinnern, in denen Sie mit den Grundbegriffen der Physik vertraut gemacht worden sind, so wird Ihnen auch das dumpfe Gefühl erinnerlich sein, das Ihren Versuchen, sich einigermaassen Bestimmtes bei diesen Erörterungen zu denken, gefolgt ist, und das durch das Bild vom Mühlrad im Kopfe nur zu deutlich gekennzeichnet wird. Wir haben alle aufgeathmet, der Lehrer eingeschlossen, wenn wir uns von diesen Betrachtungen zum Hebel, zur Fallmaschine oder sonst etwas Reellem wenden durften. Was mit diesen Definitionen versucht wird, ist offenbar die Ermittelung und Aussonderung einer Reihe von allgemeinen Eigenthümlichkeiten, die den Dingen der Aussenwelt anhaften. Der alte Stoffbegriff suchte alles Physische zu umfassen. Durch die Forderung der bestimmten Abgrenzung und der Tastbarkeit, die man mehr und mehr mit dem Stoff begriffe verband, besonders aber durch die Forderung der Unzerstörbarkeit, ist die oben geschilderte Einschränkung auf die mit Masse (im mechanischen Sinne) und mit Gewicht behafteten Dinge hervorgebracht worden. Dadurch sind aber zahlreiche wichtige Erscheinungen, wie z. B. die des Lichtes und der Elektricität, ausgeschlossen. Sie bet ä t i g e n sich anscheinend durch den von Materie freien Raum, von den Sternen und der Sonne zur Erde, ohne inzwischen an etwas Materiellem zu haften. Es ist zwar versucht worden, durch die Annahme einer immateriellen Materie, d. h. einer solchen, welche die oben angegebenen Eigenschaften nicht hat, dagegen als Träger von gewissen anderen Eigenschaften oder Zuständen dienen könnte, des sogenannten A e t h e r s , die vorhandene grobe Lücke auszufüllen, und wir finden in den Lehrbüchern und Jahresberichten die Physik der Materie von der des Aethers getrennt behandelt. Doch handelt es sich ersichtlicherweise hier nur um einen Nothbehelf. Denn alle Versuche, die Eigen-
SUBSTANZEN
151
Schäften des Aethers nach Analogie der bekannten Eigenschaften der Materie gesetzmässig zu formuliren, haben zu unlösbaren Widersprüchen geführt. So schleppt sich die Annahme von der Existenz des Aethers durch die Wissenschaft, nicht weil sie eine befriedigende Darstellung der Thatsachen gewährt, sondern vielmehr, weil man nichts Besseres an ihre Stelle zu setzen versucht oder weiss. Stellen wir uns nun die Aufgabe, auf dem Wege, der uns bis hierher geführt hatte, auch eine saubere und in sich zusammenhängende Darstellung der Verhältnisse der Aussenwelt aufzusuchen, so werden wir vor allen Dingen den Substanzbegriff in möglichst genauem und vorurtheilslosem Anschluss an die Erfahrung zu gestalten haben, da er thatsächlich die Aufgabe ausspricht, dasjenige ausfindig zu machen, was die Eigenschaft der Erhaltung oder des dauernden Bestandes besitzt, und wenn es mehrere solcher Begriffe giebt, unter ihnen den zu bezeichnen, welcher den nie fehlenden Bestandtheil a l l e r äusseren Dinge bildet. Seitdem zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts das Gesetz von der U n v e r ä n d e r l i c h k e i t d e s G e s a m m t g e w i c h t e s bei chemischen und physikalischen Vorgängen aller Art entdeckt worden ist, hat sich der Sprachgebrauch festgesetzt, nur die w ä g b a r e n Dinge Substanz oder Materie zu nennen. Indessen sind die wägbaren Stoffe keineswegs die einzigen Dinge, welche sich unter allen bekannten Umständen erhalten. Es giebt z. B. in der Mechanik eine gewisse Grösse, welche man die Bew e g u n g s g r ö s s e nennt; sie hängt von den Massen und Geschwindigkeiten ab und hat gleichfalls die Eigenschaft der Erhaltung. Es ist ebensowenig wie beim Gewicht der wägbaren Stoffe irgend ein Vorgang bekannt, durch welchen die Bewegungsgrösse eines gegebenen Gebildes geändert werden könnte. Zwar kann man sie dadurch ändern, dass man andere mit Geschwindigkeiten behaftete Massen zu den bisher betrachteten stossen lässt. Da aber Massen sich gleichfalls nicht erschaffen oder vernichten lassen, so beruht diese scheinbare Ausnahme nur darauf, dass man die Bewegungsgrösse des Gebildes zu-
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ZEIT
RAUM
SUBSTANZ
nächst ohne Rücksicht auf diese später zutretende Masse gebildet hatte. Berücksichtigt man sie von vornherein, so bleibt das Gesetz von der Erhaltung der Bewegungsgrösse in aller Strenge bestehen, und Ausnahmen sind nicht bekannt. Die gleiche Eigenschaft der Erhaltung, oder der Unerschaffbarkeit und Unvernichtbarkeit, kommt noch verschiedenen anderen aus der Physik bekannten nicht wägbaren Grössen zu. Ein Beispiel ist die E l e k t r i c i t ä t s m e n g e , die gleichfalls, wenn man die positiven und negativen Mengen unter Berücksichtigung des Zeichens addirt, durch keinen bekannten Vorgang geändert werden kann. Denn es entstehen immer gleiche Mengen positiver und negativer Elektricität, deren Summe Null ist und somit den vorhandenen Gesammtbetrag nicht ändern kann. Endlich giebt es noch eine Grösse, welche den Namen A r b e i t oder E n e r g i e führt, und deren Erhaltung (in einem bestimmten Sinne) seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bekannt und anerkannt ist. Sie schliesst sich also gleichfalls den unvernichtbaren und unerschaffbaren Dingen an. Prüfen wir diese und die anderen dem Erhaltungsgesetze unterworfenen Grössen, so ergiebt sich folgendes. Mit Ausnahme der Energie finden alle die anderen Begriffe, deren Grösse dem Erhaltungsgesetze unterliegt, nur auf begrenzte Gebiete der Naturerscheinungen Anwendung. Einzig die E n e r g i e f i n d e t sich o h n e A u s n a h m e in a l l e n b e k a n n t e n N a t u r e r s c h e i n u n g e n w i e d e r , oder mit anderen Worten, alle N a t u r e r s c h e i n u n g e n l a s s e n sich in d e n Begriff der Energie einordnen. Somit eignet sich dieser Begriff vor allen dazu, als vollständige Lösung des im Substanzbegriff aufgestellten, aber durch den Begriff der Materie nicht vollkommen gelösten Problems zu gelten. Die Energie ist aber nicht allein bei allen Naturerscheinungen anwesend, sie ist auch f ü r alle b e s t i m m e n d . Jeder Vorgang ohne Ausnahme lässt sich dadurch exact und erschöpfend darstellen oder beschreiben, dass man angiebt, welche Energieen zeitliche und räumliche Veränderungen erfahren. Umgekehrt kann man auf die Frage, unter welchen Umständen überhaupt ein Vorgang eintritt, oder etwas geschieht, eine all-
ENERGIE
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gemeine Antwort geben, welche auf dem Verhalten der vorhandenen Energieen beruht. Also auch die zweite Seite, die für den allgemeinsten Begriff der Aussendinge erfordert wurde, findet sich bei der Energie vor. Man kann thatsächlich sagen: A l l e s , w a s w i r v o n d e r A u s s e n w e l t w i s s e n , k ö n n e n w i r in der G e s t a l t v o n A u s s a g e n ü b e r v o r h a n d e n e E n e r g i e e n d a r s t e l l e n , und daher erweist sich der Energiebegriff allseitig als der allgemeinste, den die Wissenschaft bisher gebildet h a t Er umfasst nicht nur das Problem der S u b s t a n z , sondern auch noch das der C a u s a l i t ä t . Es sind sehr weitgehende Behauptungen, die ich Ihnen hier vorgelegt habe, und ich bin mir der Pflicht bewusst, sie zu begründen und zu belegen. Dass ich das Ergebniss in so weitem Maasse vorausgenommen habe, ist geschehen, um von vornherein Ihre Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der bevorstehenden Untersuchung hinzulenken. Dies erschien um so nöthiger, als es sich hier um Ansichten handelt, die nicht wie die bisherigen sich in der Wissenschaft bereits mehr oder weniger vollständig vertreten finden, sondern um solche, die in der Oeffentlichkeit bisher weit mehr Widerspruch als Anerkennung gefunden haben. Ich beeile mich, hinzuzufügen, dass dieser Widerspruch ausser seiner vorwiegend psychologischen auch manche sachliche Begründung gehabt hat, vor allem deshalb, weil es an einer geschlossenen und hinreichend eingehenden Darstellung dessen, was die Energielehre oder Energetik in Bezug auf die allgemeine Weltauffassung anstrebt, gefehlt hat. Vielleicht darf ich hoffen, durch den Versuch einer solchen Darstellung bei dem Einen oder Anderen diesen Widerstand zu beseitigen. Andererseits darf ich mir nicht verhehlen, dass möglicherweise an anderer Stelle das Gegentheil erzielt wird. Denn nach BISMARCK, dem tiefsten Kenner deutschen Wesens, genügt es bei uns, irgend eine Ansicht bestimmt hinzustellen, um sofort leidenschaftlichen Widerspruch gegen sie bei Leuten hervorzurufen, die der Sache selbst bis dahin gleichgültig gegenübergestanden hatten. Um eine Vorstellung von dem Inhalte des Begriffes Energie zu gewinnen, wollen wir von der Thatsache ausgehen, dass
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ZEIT
RAUM
SUBSTANZ
wir durch unseren Willen mittelbar fähig sind, Geschehnisse in der Aussenwelt hervorzurufen. Dies kommt zu Stande, indem in Folge der Willensbethätigung sich bestimmte Muskeln verkürzen und dadurch Bewegungen unserer Glieder hervorrufen, welche ihrerseits Bewegungen in der Aussenwelt bewirken. Die Erfahrung lehrt uns alsbald, dass verschiedene Dinge sich nicht gleich leicht bewegen lassen. Einen Federhalter oder ein Buch zu heben, erfordert verschiedene Anstrengung, ein Stuhl noch mehr, und das Heben eines erwachsenen Menschen liegt ungefähr an der Grenze unserer Leistungsfähigkeit Andererseits macht es einen erheblichen Unterschied, ob wir den Stuhl nur so weit heben, als wir brauchen, um ihn fortzustellen, oder ob wir ihn die Treppe hinauf bringen. Im zweiten Falle ist die Anstrengung merklich grösser. Das, was wir vorläufig als Anstrengung bezeichnet haben, ist also eine stetige Mannigfaltigkeit. Ob sie als eine Grösse in dem S. 128 angegebenen Sinne aufgefasst werden kann, hängt davon ab, ob sie sich addiren lässt. Dies ist nun offenbar der Fall, denn zwei Stühle, die gleichzeitig die Treppe hinaufgetragen werden müssen, bedingen eine vermehrte Anstrengung, die wir ohne Widerspruch als die zweifache der ersten werden bezeichnen können. Die gleichen Bewegungswirkungen, welche durch menschliche Thätigkeit hervorgebracht werden, lassen sich durch Maschinen aller Art bewirken, denen man keine „Anstrengung" zuschreiben darf. Es wird also zweckmässiger sein, für die hier auftretende Grösse einen allgemeineren Namen zu wählen; wir nennen sie Arbeit. Die Fälle von Arbeit, welche bisher erwähnt worden sind, bestehen in der Hebung schwerer Gegenstände. Aber zum Aufziehen einer Federuhr ist ebenso Arbeit erforderlich, desgleichen zum Aufpumpen des Gummireifens am Fahrrade. Hier handelt es sich um andere Formen der Arbeit. Diese haben mit den genannten Fällen gemeinsam, dass gewisse Körper oder Theile von Körpern durch bestimmte Strecken gegen einen vorhandenen Widerstand bewegt werden. Ob dieser Wider-
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DER
ARBEIT
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stand im Gewicht oder in der Elasticität der Feder oder schliesslich im Luftdruck, der auf den Pumpenkolben wirkt, bethätigt ist, macht für die Art der Sache selbst keinen Unterschied; in jedem Falle wissen wir, dass wir eine bestimmte Menge solcher Arbeit leisten können, und dass nach kürzerer oder längerer Arbeit eine Erschöpfung unserer Arbeitsfähigkeit oder unseres Arbeitsvorrathes eintritt. Der Verlust wird von einem normalen Organismus nach einiger Zeit ersetzt, insbesondere durch entsprechende Aufnahme von Nahrungsmitteln. Ferner wissen wir, dass sich eine Arbeit in die andere umwandeln lässt. Jedes Seil, an dessen einem Ende ich ziehe, gestattet mir, Arbeit mit dem anderen Ende zu verrichten und sie an Orte zu bringen, an denen ich mich nicht befinde. Die Arbeit ist also eine ü b e r t r a g b a r e Grösse. Die Arbeit, welche ich beim Aufziehen in meine Taschenuhr gethan habe, dient während ganzer 24 Stunden dazu, die Uhr in Bewegung zu halten: Arbeit ist also a u f b e w a h r b a r . Endlich ist Arbeit u m w a n d e l b a r , denn durch Maschinen verschiedener Art kann ich Arbeiten ausführen, die ich ohne deren Hilfe nicht machen kann; ich kann beispielsweise einen schweren Stein mittelst einer Stange, eines Hebels bewegen, den ich ohne dies Werkzeug nicht hätte bewegen können. Bei derartigen Umwandlungen der Arbeit macht sich nun ein E r h a l t u n g s g e s e t z des Inhaltes geltend, d a s s n i e m a l s durch die U m w a n d l u n g die M e n g e der Arbeit v e r m e h r t w e r d e n kann. Verwandele ich also die Arbeit A in eine Form B, und B in C und so weiter, bis ich schliesslich die letzte Form Z wieder in A zurückverwandele, so erhalte ich niemals mehr Arbeit, als die ursprüngliche Menge A betrug. Meist erhalte ich sogar viel weniger; aber es lässt sich zeigen, dass dies nur daher rührt, dass ein Theil meiner angewendeten Arbeit unterwegs geblieben und in andere Formen übergegangen ist. Wird dieses vermieden oder in Rechnung gebracht, so macht sich das allgemeine Gesetz geltend, dass alle Umwandlungen der Arbeit, wenn man diese zuletzt auf ihre ursprüngliche Form wieder zurückführt, ihren Betrag unverändert lassen. Habe ich also beispielsweise ein bestimmtes Gewicht um eine
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RAUM
SUBSTANZ
bestimmte Höhe gehoben, so kann alle Arbeit, die ich beim Absinken des Gewichtes in irgend einer Weise, und bei irgend welchen weiteren Umgestaltungen dieser Arbeit gewinne, bestenfalls nur dazu ausreichen, d a s s e l b e G e w i c h t zu d e r s e l b e n H ö h e zu h e b e n , nicht aber ein grösseres Gewicht zu derselben Höhe oder dasselbe Gewicht zu einer grösseren Höhe. Wenn dies das Ergebniss ist, so liegt der Schluss nahe, dass auch die Z w i s c h e n f o r m e n der Arbeit dem gleichen Gesetz entsprechen. Um einen solchen Satz zu prüfen, müssen wir aber ein Mittel haben, die Arbeit so zu messen, dass man ihre Beträge in den verschiedenen Formen vergleichen kann. Hierbei zeigt es sich, dass zwei verschiedene Dinge von Einfluss auf den Betrag der Arbeit sind. Einmal die S t r e c k e , über welche die Last bewegt worden ist; sodann aber die Grösse des Widerstandes, der bei der Bewegung überwunden werden muss. Diesen Widerstand nennt man eine K r a f t ; in der Anstrengung unserer Muskeln bei einer Arbeitsleistung haben wir ein annäherndes Maass für die Grösse der Kraft Die Arbeit nimmt zu mit der Länge des Weges und mit der Grösse der Kraft Wir können also verschiedene Arbeiten mit einander vergleichen, wenn wir eine zusammengesetzte Grösse aus Weg und Kraft bilden, welche diese Eigenschaft zeigt. Die einfachste derartige Funktion ist das P r o d u c t , und in der That stellt sich heraus, dass bei allen Umwandlungen der Arbeit in andere Formen das Product aus Kraft und Weg gleich bleibt. Mit Rücksicht hierauf können wir das Gesetz von der Erhaltung der Arbeit erweitern. Galt es in seiner ersten Gestalt nur für den Fall, dass man eine der u r s p r ü n g l i c h e n g l e i c h e Arbeit wieder nach den verschiedenen Umwandlungen herstellt, so gilt es jetzt auch für alle Z w i s c h e n s t u f e n d e r U m w a n d l u n g , und somit allgemein. Um uns ein klares Bild über die Bedeutung dieses Ergebnisses zu verschaffen, müssen wir uns Rechenschaft darüber geben, wie Kraft, Weg und Arbeit gemessen werden. Ueber den Weg ist nicht viel zu sagen; er wird durch die entsprechende Raumstrecke gemessen und der Betrag wird in der üblichen Einheit ausgedrückt. Als solche gilt in der Wissen-
KRAFT
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schaft nicht das Meter, sondern dessen hundertster Theil, das Centimeter, abgekürzt cm. Die Kraft ist schon weniger leicht zu messen. Da wir sie als das bezeichnen, was sich der Bewegung der Körper widersetzt, so werden wir gleiche Kräfte durch gleiche Lagenänderungen an demselben widerstehenden Körper messen können. Nehmen wir als Vergleichsinstrument beispielsweise eine Feder, wie sie bei gewissen Briefwagen verwendet wird, so können wir Lasten, die mit gleichen Kräften nach unten wirken, darnach bestimmen, dass sie die Wage um gleich viel aus ihrer Lage bringen. Richtet man auf solche Weise mehrere gleiche Lasten oder G e w i c h t e her, so kann man die zweifache, dreifache u. s. w. Kraft in der ein für allemal gewählten Einheit herstellen, indem man eine entsprechende Zahl der gleichen Gewichte zusammenfügt. In der Möglichkeit dieser Zusammenfügung in beliebiger Ordnung liegt andererseits die Gewähr dafür, dass wir hier die Kräfte als G r ö s s e n in dem bestimmten, S. 128 angegebenen Sinne betrachten dürfen. Als Einheit der Kraft dient nicht etwa die Kraft, mit der sich die Einheit der Masse, ein Gramm oder ein Kilogramm nach der Erde zu bethätigt. Diese Kraft ist veränderlich, worüber bereits früher (S. 120) eine Angabe gemacht worden ist. Man hat deshalb auf einem anderen Wege, der hier noch nicht erörtert werden kann, eine von der Veränderlichkeit der Schwere unabhängige Definition der Kraft gesucht und gefunden. Die Einheit ist auf diesem Wege sehr klein ausgefallen, sie beträgt ein wenig mehr, als das Gewicht von einem tausendstel Gramm oder einem Milligramm, rund Veso Gramm. (Da die Schwere veränderlich mit der Lage des Ortes ist, so hat dieser Bruch für jeden bestimmten Ort einen etwas anderen Werth.) Man nennt die Krafteinheit eine Dyne. Die Einheit der Arbeit ist gleich dem Product aus der Krafteinheit und der Wegeinheit; sie ist mit anderen Worten gleich der Arbeit, welche die Kraft einer Dyne über die Strecke von einem Centimeter leistet Die Einheit der Arbeit heisst ein Erg. Wirkt die Kraft von f Dynen über den Weg von s cm, so ist die dabei geleistete Arbeit gleich fs Erg.
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RAUM
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Wir müssen noch sorgfältig unterscheiden, ob bei einer gegebenen Veränderung das betrachtete Gebilde Arbeit g e w i n n t oder v e r l i e r t . Wenn wir unsere Uhr aufziehen, so verliert unser Körper den Betrag an Arbeit, den wir der Uhr zuführen, und diese ist um ebensoviel reicher an Arbeit. Das aus einem g e h o b e n e n Steine und der Erde bestehende Gebilde enthält mehr Arbeit, als nachdem der Stein zu Boden gefallen ist, denn im ersten Zustande kann der Stein bei seinem Sinken noch Arbeit leisten. Gleiche Beträge Arbeit, von denen der eine dem Gebilde zugeführt, der andere demselben abgenommen worden ist, lassen es in Bezug auf seinen Arbeitsinhalt unverändert, heben sich also zu Null auf. Daher kann man die Werthe der eingetretenen und ausgetretenen Arbeiten an einem gegebenen Gebilde wie positive und negative Zahlen behandeln. Man ist übereingekommen, die Arbeit als eine wesentlich positive Grösse zu bezeichnen, und rechnet daher die von dem Gebilde aufgenommenen Arbeiten positiv, die abgegebenen negativ. Die eben beschriebene Art der Arbeit ist nicht die einzige, und eine gegebene Menge derartiger Arbeit kann sich nicht nur in andere Arbeit, die durch Kraft mal Weg gemessen wird, verwandeln, sondern auch noch in viele andere Formen, von denen Wärme, elektrische Arbeit, chemische Arbeit beispielsweise genannt werden mögen. Gewöhnlich nennt man diese anderen Formen nicht mehr Arbeit, sondern E n e r g i e , und wir werden allgemein E n e r g i e a l s A r b e i t , o d e r a l l e s , w a s a u s A r b e i t e n t s t e h t u n d s i c h in A r b e i t u m w a n d e l n l ä s s t , definiren. Die Beschreibung der verschiedenen Arten Energie soll erst später vorgenommen werden, soweit sie für unseren Zweck von Bedeutung ist; zunächst wird uns das angegebene Kennzeichen der Bildung aus Arbeit und Umwandlung in sie genügen. Für alle diese verschiedenen Arten der Energie gilt nun das gleiche E r h a l t u n g s g e s e t z , welches für die Arbeit ausgesprochen worden ist. Erstens gewinnt man, wenn man Arbeit nacheinander in eine Reihe verschiedener Energieformen umgewandelt hat, bei der schliesslichen Rückverwandlung in Arbeit den Ausgangsbetrag wieder zurück, vorausgesetzt, dass die Um-
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DER
ENERGIE
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Wandlungen vollständig waren, bezw. die Unvollständigkeit in Rechnung gebracht worden ist. Andererseits erhält man aus einer gegebenen Menge irgend einer Energie bei der Umwandlung immer eine proportionale Menge einer anderen. Nennt man solche Mengen verschiedener Energieen, die bei vollständiger Umwandlung aus einander entstehen, g l e i c h , so kann man ferner den Satz aussprechen, dass b e i a l l e n U m w a n d l u n g e n die G e s a m m t m e n g e der v o r h a n d e n e n E n e r g i e e n u n v e r ä n d e r t b l e i b t . Dieses ausserordentlich wichtige und allgemeine Gesetz ist 1842 von dem deutschen Arzte JULIUS ROBERT MAYER e n t d e c k t worden.
Von den hier gewonnenen Gesichtspunkten aus wollen wir nun unsere Aussenwelt betrachten. Zunächst erkennen wir, dass eine Bethätigung unserer Sinnesapparate, von deren Wirkung ja unser Begriff der Aussenwelt abhängt, s t e t s n u r d a d u r c h e r f o l g t , d a s s an i h n e n A r b e i t g e l e i s t e t , d.h. i h r e E n e r g i e g e ä n d e r t wird. Ebenso, wie wir Arbeit leisten müssen, wenn wir durch Anreden oder Ziehen an der Glocke oder einen Schlag auf die Schulter die Aufmerksamkeit der Menschen erregen, mit denen wir in Verkehr zu treten wünschen, und ebenso wie wir diesen Verkehr wieder nur durch Arbeitsaufwand: Sprechen, Schreiben, Armbewegung und dergl. bewirken können, so findet auch der Verkehr aller Dinge der Aussenwelt mit uns nur unter entsprechender Arbeitsleistung statt Was wir h ö r e n , rührt von der Arbeit her, welche die Schwingungen der Luft an dem Trommelfell und in den inneren Theilen unseres Ohrs leisten. Was wir s e h e n , ist nichts als die strahlende Energie, welche auf der Netzhaut unseres Auges chemische Arbeiten bewirkt, die als Licht empfunden werden. Wenn wir einen festen Körper t a s t e n , so empfinden wir die mechanische Arbeit, die bei der Zusammendrückung unserer Fingerspitzen und gegebenenfalls auch der des getasteten Körpers verbraucht wird. R i e c h e n und S c h m e c k e n beruhen auf chemischen Arbeitsleistungen, die in den Organen der Nase und des Mundes stattfinden. Ueberall sind es Energieen oder Arbeiten, deren Bethätigung uns davon Kunde giebt, wie die Aussenwelt geordnet ist, und welche Eigenschaften sie hat, und die Gesammtheit der Natur erscheint uns unter diesem
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Gesichtspunkte als eine Austheilung räumlich und zeitlich vei> änderlicher Energieen in Raum und Zeit, von der wir in dem Maasse Kenntniss erhalten, als diese Energieen auf unseren Körper, insbesondere auf die für den Empfang bestimmter Energieen ausgebildeten Sinnesorgane übergehen. Diese wichtige und für unsere ferneren Betrachtungen grundlegende Thatsache kann gar nicht eindringlich genug betont und erläutert werden, und so werden Sie mir verzeihen, wenn ich das Gesagte in einer etwas anderen Form wiederhole, in welcher es Ihnen vielleicht noch lebendiger zum Bewusstsein kommen wird. Denken Sie sich, von allen Ihren Sinnen sei nur der Geschmack ausgebildet, und etwaige sonstige Energieübergänge auf Ihren Körper kämen Ihnen nicht zum Bewusstsein. Wie klein wäre dann unsere Welt! Die Mundhöhle umschlösse Alles, wovon wir Kunde haben. Durch den Umstand, dass verschiedene Stoffe in den Mund gelangen, würden wir eine zeitliche Veränderung in unserem Dasein spüren; da wir aber nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür haben, welche Dinge nach einander erscheinen, so wäre uns der Verlauf unseres Daseins noch um ein gutes Theil unverständlicher, als er uns unter den thatsächlichen Verhältnissen ist Ein wenig grösser wäre unsere Welt, wenn noch der Ger u c h s s i n n dazukäme, aber die Erweiterung ist noch sehr dürftig. Wir könnten Gerüche und Geschmäcke einander zuordnen und hätten darin eine neue Quelle geistiger Entwicklung, aber unsere ganze Welt hätte noch immer in einem Kasten von weniger als einem Meter Kante Platz. Bildet sich zu den genannten Sinnen noch der T a s t s i n n aus, so wird unsere Welt schon etwas grösser, und vor allen Dingen können wir uns in ihr viel genauer orientiren. J e nach dem Umfange, den wir ablangen können, haben wir eine Welt von einigen Kubikmetern Raum, dessen Inhalt wir etwa auf Unterschiede von einem Millimeter genau studiren können. Also wieder eine grosse Entwicklungsstufe, aber wie undenkbar weit noch entfernt von der Welt, welche wir kennen 1 Sehr viel weiter wird nun unsere Welt durch das Gehör. Vermöge der grossen Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Luft-
DER
UMFANG
DER
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WELT
wellen und der sehr kleinen Energiemengen, die zur Ausbildung einer Gehörsempfindung genügen, erfahren wir durch diesen Sinn schon viel mehr von den Vorgängen der Aussenwelt; unser Gebiet erweitert sich auf einen Umfang, der bis zu einem Kilometer oder noch weiter gehen kann. Allerdings gestattet dieser Sinn uns keine sehr bestimmten örtlichen Feststellungen in der Aussenwelt, so dass ein ausschliesslich auf unseren Schallerfahrungen beruhendes Weltbild räumlich ungemein verschwommen und wolkenhaft erscheinen müsste. Der Sinn nun, durch welchen wir gleichzeitig den weitesten Umfang und die genaueste Einzelkenntniss der Aussenwelt erlangen, ist der G e s i c h t s s i n n . Die besondere Energieart, welche unser Auge bethätigt, heisst Licht oder allgemeiner strahlende Energie. Sie durchmisst mit äusserster Geschwindigkeit die weitesten Räume und mit ihrer Hilfe erfahren wir das Vorhandensein von Quellen strahlender Energie aus Entfernungen, aus denen keine andere Kunde, d. h. keine andere Art der Energie mehr zu uns gelangt. Unsere Kenntniss jener fernsten Dinge, der Weltkörper, ist daher auf das beschränkt, was uns die strahlende Energie sagt, und der Fortschritt der physischen Astronomie beruht darauf, dass man mehr und mehr Besonderes aus der Art und Form der Strahlung zu entnehmen weiss, die wir von jenen Körpern erhalten. Unsere Fernrohre, mit denen wir tiefer und tiefer in den Himmelsraum dringen, sind nichts als Apparate, um möglichst viel von der strahlenden Energie zu sammeln und sie in das Auge zu schicken; daher ist ihre Wirkung unmittelbar von der Flächenausdehnung ihrer Sammellinse abhängig, und wir sehen mit jedem Fernrohr bestenfalls nur solche Dinge, deren Energiestrahlung nach der Sammlung durch die Linse eben ausreicht, um die Lichtempfindung im Auge zu erregen. Dadurch, dass an Stelle des Auges die photographische Platte gesetzt wird, welche die auftreffenden Energiemengen zu chemischer Wirkung aufspeichert, was im Auge infolge des Stoffwechsels nicht geschieht, ist es gelungen, den uns bekannten Weltraum noch um ein erhebliches Stück zu erweitern. Sie sehen: unser Weltbild ist davon abhängig, welche EnerOSTWALD, Naturphilosophie. III. Auflage.
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gieen wir so aufzunehmen vermögen, dass ihre Arbeit als Sinnesempfindung in unser Bewusstsein übergeführt wird. Hätten wir einen elektrischen Sinn und einen Temperatursinn, der aus der Ferne bethätigt werden würde, so würden wir am Himmel und auf der Erde eine ausserordentlich viel grössere Mannigfaltigkeit erblicken, als uns jetzt zum Bewusstsein kommt, und die elektrischen Stimmungen einer Landschaft würden in uns unter Umständen ähnliche reiche Empfindungen erwecken, wie der Anblick eines Sonnenunterganges oder einer blühenden Wiese. Das ist das energetische Weltbild, das Sie von nun an dauernd im Bewusstsein behalten werden. Meine Aufgabe wird darin bestehen, die weiten Umrisse dieses Gemäldes mit anschaulichen Formen und Farben auszufüllen, und Sie auf eine Reihe besonders wichtiger Einzelheiten in diesem Bilde aufmerksam zu machen. Aber die Gedanken, in denen wir uns von jetzt ab vorwiegend bewegen werden, sind nun festgelegt
NEUNTE
VORLESUNG
DAS ENERGETISCHE
WELTBILD
Weh! Weh!
Du Die Mit Sie Ein
hast sie zerstört, schöne Welt, mächtiger Faust; stürzt, sie zerfällt! Halbgott hat sie zerschlagen!
So singt der unsichtbare Geisterchor am Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Der Halbgott aber hiess MAYER und hatte sein Werk bereits ein halbes Jahrhundert vorher vollbracht. Nur hatte es keiner so recht gemerkt, und vermöge des Trägheitsgesetzes blieb die alte Welt noch immer scheinbar stehen, wenn es auch deutlicher und deutlicher wurde, dass sich in ihr nicht mehr sicher und auskömmlich wohnen Hess. JULIUS ROBERT MAYER, ein Heilbronner Arzt, hatte im Jahre 1842 eine kleine Abhandlung unter dem Titel: B e m e r k u n g e n ü b e r die K r ä f t e d e r u n b e l e b t e n N a t u r veröffentlicht, in welcher er zuerst zeigte, dass es ausser der sogenannten Materie noch andere Realitäten giebt, die gleich ihr und in noch weiterem Sinne als sie unerschaffbar und unvernichtbar sind. Er widmete diese seine Arbeit „Freunden klarer, hypothesenfreier Naturanschauung", erzielte aber wegen der ungewohnten Beschaffenheit seiner Gedanken nur, dass sie nicht von der führenden physikalischen Zeitschrift aufgenommen wurde und Unterkunft in einer chemischen, den von JUSTUS
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LIEBIG geleiteten Annalen der Chemie und P h a r m a c i e (Bd. 42 S. 233), suchen musste. Auch ist ihm, dessen grundgesunde erkenntnisstheoretischen Ansichten erst heute in ihrem vollen Werthe erkannt zu werden beginnen, der ungerechte Vorwurf nicht erspart geblieben, dass er seine Entdeckung nicht auf die Erfahrung, sondern auf zweifelhafte Speculationen gegründet habe. Man braucht nur die in jener ersten Arbeit bereits enthaltene Berechnung des mechanischen Wärmeäquivalents ins Auge zu fassen, um sich zu überzeugen, dass es sich auch für ihn nicht um unbestimmte Gedanken oder Vermuthungen, sondern um völlig klare und zu Ende gedachte Begriffe gehandelt hat Nur die, durch die vorhergegangenen schlechten Erfahrungen beim Versuch der Veröffentlichung gebotene Kürze der Darstellung hat ihr einen anscheinend dogmatischen Charakter gegeben. Die späteren Veröffentlichungen MAYER'S und der durch die Herausgabe seiner Briefe und Aufzeichnungen vermittelte Einblick in seine Gedankenbildung lässt keinen Zweifel über die rein erfahrungsmässige Gestaltung seiner grossen Entdeckung übrig. Wir werden später, wo von der Wärme die Rede sein wird, auf die Einzelheiten von MAYER'S Arbeiten eingehen. Hier soll noch geschichtlich erwähnt werden, dass unabhängig von MAYER die Entdeckung der Proportionalität zwischen verbrauchter Arbeit und entstandener Wärme durch den genialen englischen Bierbrauer JOULE gemacht worden ist, der sie ein Jahr später veröffentlicht hat Dann ist im Jahre 1847 eine Arbeit von dem damals 26 jährigen Mediciner HELMHOLTZ erschienen, in welcher wiederum in selbständiger Weise die Anwendung des Gedankens der äquivalenten Umwandlungen der verschiedenen Energiearten in einander durch das ganze Gebiet der damals bekannten Physik und Chemie aufgezeigt und entwickelt wurde.1 Wenn auch durch diese an verschiedenen Stellen auftretenden Wirkungen in gleichem Sinne der Energiegedanke all1 Ueber die Erhaltung der Kraft, Berlin 1847 bei G. REIMER. — Wörtlich abgedruckt in OSTWALD'S Klassikern der exacten Wissenschaften, Nr. 1;
L e i p z i g , W . ENGELMANN.
MATERIE
UND
ENERGIE
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mählich seinen Einzug in die Wissenschaft hielt, so fand diese doch, einem allgemeinen Gesetze der Wissenschaftspsychologie entsprechend, zunächst in der Gestalt statt, dass man die neuen Gedanken soviel wie möglich mit den bis dahin benutzten theoretischen und hypothetischen Vorstellungen verband. MAYER und alle seine Nachfolger hielten insbesondere an dem Dualismus M a t e r i e und E n e r g i e fest, die sie beide als gleichwerthige Begriffe neben einander behandelten. Ueber noch engere hypothetische Annahmen, die auf die „Deutung" aller Energiearten als mechanischer hinausliefen, waren allerdings die Auffassungen getheilt; während JOULE und HELMHOLTZ ihnen huldigten, hielt sich MAYER frei von ihnen. Erst nachdem die Entdeckung des Energiegesetzes ein halbes Jahrhundert alt geworden war, wurde die Frage ernsthaft erörtert, in welchem Verhältniss Materie und Energie zu einander stehen. Ueber die zuerst angenommene Meinung hinaus, als seien beide gleichwerthige Begriffe, entwickelte sich langsam die Einsicht, dass ihre Beziehung noch enger ist, dass sie nämlich u n t r e n n b a r sind. Wenigstens kann man eine Materie nicht begreifen oder definiren, ohne dabei von Energieeigenschaften unaufhörlich Gebrauch zu machen. An den umgekehrten Versuch, die Energie ohne Materie begreifen zu wollen, getraute man sich lange nicht heran, wenn auch schon bald nach der Aufstellung des Energiegesetzes von RANKINE, MAXWELL, und später HELM eingesehen und ausgesprochen worden war, dass in der That alles, was wir von der Welt erfahren, in der Kenntniss ihrer Energieverhältnisse besteht. Es wurde doch im allgemeinen die Materie wenigstens als T r ä g e r der verschiedenen Energieen aufgefasst, wobei sie allerdings allmählich in die ebenso ehrenvolle wie ungestörte Stellung gelangte, die auch KANT'S „Ding an sich" einnimmt. Wir wollen daher den Versuch wagen, eine Weltansicht ohne die Benutzung des Begriffs der Materie ausschliesslich aus energetischem Material aufzubauen. Dass diese Aufgabe einmal gelöst werden muss, ist oft ausgesprochen worden; auch einzelne Ansätze finden sich, um das eine oder andere Gebiet in solchem Sinne darzustellen. In der für die neuere Chemie
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grundlegenden Abhandlung von WILLARD GIBBS 1 ist sogar dies Postulat praktisch in weitestem Umfange durchgeführt worden, allerdings ohne dass es ausdrücklich aufgestellt worden wäre. Es ist natürlich, dass in dem engen Rahmen dieser Vorlesungen nur eine Skizze des Planes gegeben werden kann, dessen Durchführung die Arbeit einiger Generationen kosten wird. Aber es handelt sich zunächst auch nur darum, dass Sie eine Vorstellung davon gewinnen, wie ein solcher Aufbau thatsächlich möglich ist, und wie die so gestaltete Welt aussieht. Ich mache mich darauf gefasst, dass mir in Zukunft manche Missgriffe nachgewiesen werden mögen, insbesondere dass ich hier und dort unbewusst wieder in die alten Anschauungen zurückgefallen bin. Denn auch diese Thatsache, so widersprechend sie aussieht, findet der Wanderer durch die Geschichte der Wissenschaft immer wieder: Jeder, der die Beseitigung einer unhaltbar gewordenen allgemeinen Auffassung und ihren Ersatz durch eine neue sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, muss an irgend einer Stelle seiner Vergangenheit den Tribut zahlen. So hat VOLTA zwar die elektrische Natur der galvanischen Erscheinungen mit unübertrefflicher Schärfe nachgewiesen; den chemischen Ursprung der Berührungselektricität hat er aber verkannt und bestritten. So hat COPERNICUS Erde und Sonne ihre Plätze tauschen lassen und dadurch die Theorie ihrer Bewegung auf eine wunderbar einfache Form gebracht; den gleichen Gedanken für die anderen Planeten durchzuführen, hat er unterlassen. So hat KANT durch die Feststellung der subjektiven Natur aller unserer Erkenntniss der ganzen künftigen Philosophie ihre Richtung gegeben; in der Kategorientafel finden wir ihn auf dem von ihm überwundenen Standpunkte wieder. Wenn solches an den ersten Geistern ihrer Zeiten geschieht, wie soll denn ein bescheidener Mitarbeiter, der nur die von ihm übernommenen Gedanken seiner grossen Vorgänger getreulich durchzuführen sich bemüht, von ähnlichen Fehlgriffen frei bleiben? 1
On the equilibrium of heterogeneous substances. Trans. Connecticut Academy 1 8 7 6 — 7 8 . Deutsch von W . OSTWALD unter dem Titel „Thermodynaraische Studien von W . G I B B S " , Leipzig, W. ENGELMAHN 1 8 9 2 .
DIE
KÖRPER
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So will ich denn getrost an die Arbeit gehen; was an ihr verfehlt ist, wird keinen Bestand haben, und was an ihr haltbar ist, von dem hoffe ich ernstlich, dass es bald von geschickteren Händen schöner und weiter umgebaut werden wird. An Stelle des energetischen Weltbildes, dessen allgemeine Benutzung der Zukunft angehört, ist gegenwärtig ein anderes in Gebrauch, dessen Bestandtheile wir mit grosser Geläufigkeit, wenn auch nicht mit entsprechender Klarheit handhaben. In welchem Verhältniss stehen die beiden Anschauungen, und wie gelangt man von der älteren auf die neuere hinüber? Dies sind die Fragen, mit denen wir uns nun beschäftigen wollen. Unsere gewöhnliche Anschauung führt uns in erster Linie tastbare feste Körper vor, die sich uns als das Realste oder Wirklichste darstellen, was uns die Aussenwelt zu bieten vermag. Daneben giebt es noch flüssige und gasförmige Körper, die zusammen das ausmachen, was man unter Materie oder Stoff versteht Wie haben wir die Materie und die Körper energetisch aufzufassen? Ein fester Körper, etwa ein Stück Glas, besitzt zunächst eine bestimmte G e s t a l t o d e r F o r m , die man zwar durch mechanische Einwirkung zu ändern vermag, aber nur in geringem Maasse. Nach dem Aufhören der Einwirkung nimmt der Körper seine Gestalt wieder an. Wir erkennen alsbald, dass die Gestaltsänderung des Körpers nur dadurch hervorgebracht wird, dass A r b e i t an ihn gewendet wird. Er nimmt diese Arbeit auf und behält sie so lange, als er die veränderte Gestalt behält; in dem Maasse, wie er sich der ursprünglichen wieder annähert, giebt er die Arbeit wieder aus, und hat sie ganz ausgegeben, wenn er seine erste Gestalt wieder angenommen hat. Man übersieht diese Verhältnisse am leichtesten an einer gespannten Uhrfeder; sie wiederholen sich aber, wenn auch oft in kleinen Abmessungen, bei allen festen Körpern. Man nennt diese Eigenschaft E l a s t i c i t ä t . Die Arbeit oder Energie, welche ein elastisch entstalteter Körper aufgenommen hat, hängt von seiner Form ab, und wird
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daher F o r m e n e r g i e genannt. Der ungestörte feste Körper behält seine Form, weil jede Aenderung derselben mit einer Aufnahme von Energie verbunden ist. Da die Energie nicht aus nichts entstehen kann, so liegt auch keine Möglichkeit vor, dass ein fester Körper aus seinem gewöhnlichen Zustand, wo er einen Minimalwerth an Formenergie besitzt, freiwillig, d. h. ohne Zufuhr fremder Energie, in den entstalteten Zustand mit mehr Energie übergehen könnte, und die Thatsache der F o r m e r h a l t u n g der festen Körper ist nichts als eine nothwendige Folgerung aus dem Gesetz der Energieerhaltung. 1 Ausser durch Entstaltung, wie Biegung oder Drillung, kann man durch allseitigen Druck gleichfalls die Form eines festen Körpers ändern. Er bleibt dabei (im einfachsten Falle) sich selbst geometrisch ähnlich und nimmt nur ein kleineres Volum ein. Dieser Vorgang erfordert gleichfalls zu seiner Ausführung Arbeit, und die in den Körper gesteckte Arbeit kann ihm wieder entzogen werden, während er sein früheres Volum wieder annimmt Wie im vorigen Falle jeder zwischenliegenden Form, so entspricht hier jedem zwischenliegenden V o l u m ein bestimmter Werth der Arbeit Da hier die Arbeit vom Volum abhängt, so nennt man die entsprechende Energie V o l u m energie. Bei festen Körpern entspricht einer sehr bedeutenden Arbeit nur eine kleine Verminderung des Volums; man nennt sie daher wenig zusammendrückbar. Die Gase zeigen umgekehrt eine sehr grosse Zusammendrückbarkeit. Ganz dieselbe Betrachtung, wie wir sie eben für die Formenergie angestellt haben, lässt sich auch hier geltend machen, und da sowohl auch eine Verkleinerung, wie auch eine Vergrösserung des Volums der Energieinhalt des festen Körpers vermehrt wird, so muss auf Grund des Erhaltungsgesetzes ein fester Körper sein V o l u m ebenso beibehalten, wie er seine Form beibehält, solange keine fremde Energie zugeführt wird. 1 Vermöge eines anderen allgemeinen Energiegesetzes, das wir bald kennen lernen werden, ist auch ausgeschlossen, dass der feste Körper auf Kosten eines Theils der anderweit in ihm enthaltenen Energie freiwillig Formenergie bilden, d. h. sich freiwillig umgestalten könne.
VOLUM- UND FORMENERGIE
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Die Form- und die Volumenergie sind bei festen Körpern eng mit einander verbunden, so dass insbesondere die letztere bei den Bethätigungen der ersteren sehr stark nach bestimmten Gesetzen hineinspielt. Die Einzelheiten dieser Verhältnisse entziehen sich der Erörterung an dieser Stelle. Das Verhalten eines festen Körpers gegenüber der betastenden Hand beruht nun ganz und gar auf den eben geschilderten Energieverhältnissen. Wir spüren die Arbeit, die zur Entstaltung und Volumänderung des Körpers erforderlich ist, und dies ist unser Kennzeichen für den festen Körper. Ich halte es für wesentlich, zu betonen, dass auch beim schwachen Berühren sich diese Wirkungen geltend machen, denen ähnliche Arbeiten an den Geweben des betastenden Fingers entsprechen. Also sind es thatsächlich die r ä u m l i c h e n V e r h ä l t n i s s e der V o l u m - und F o r m e n e r g i e , welche wir bei der Betastung erfahren; und die Feststellung des Vorhandenseins eines „Körpers" durch Betasten, die mit Recht als eines der sichersten Kennzeichen für die thatsächliche Anwesenheit eines körperlichen Dinges angesehen wird, ergiebt zunächst nichts als das Vorhandensein dieser besonderen Energieen. Nun besteht weiter die überaus wichtige Thatsache, dass an denselben Orten, wo sich Formenergie findet, stets auch noch andere Energieen vorhanden sind. Tastbare Räume zeigen immer gleichzeitig G e w i c h t und M a s s e , wenn auch umgekehrt mit Gewicht und Masse ausgestattete Räume nicht immer tastbaren Inhalt zeigen; ein solcher fehlt bei den Gasen oder ist nur unter besonderen Bedingungen wahrnehmbar. Diese regelmässige Anwesenheit von Masse und Gewicht bei den tastbaren oder festen Körpern ist ein Naturgesetz, für welches wii zunächst keine „Erklärung" haben, d. h. dessen Zusammenhang mit anderen Naturgesetzen wir noch nicht einsehen können. 1 Da aber Ausnahmen von dem Gesetz nicht bekannt sind, und dies Zusammensein sich unaufhörlich der Erfahrung darbietet, so ist es ganz erklärlich, dass diese stets gleichzeitig erscheinende Gruppe von Eigenschaften sich in einen Begriff, den der M a t e r i e , 1
Später wird ein solcher Zusammenhang aufgezeigt werden.
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verdichtet hat, und dass in unserem Bewusstsein die Anwesenheit von Gewicht und Masse uns für den festen Körper ebenso wesentlich erscheint, wie seine Form. Diese Verhältnisse haben ihren Ausdruck in der S. 149 geschilderten Zusammenstellung, der sogenannten wesentlichen und allgemeinen Eigenschaften der M a t e r i e gefunden. Was zunächst die Erscheinungen der S c h w e r e anlangt, so machen diese sich, wenn man wieder einen möglichst unmittelbaren Ausdruck für die Thatsachen sucht, in dem Vorhandensein von Arbeitsbeträgen an den Körpern geltend, die von ihrem Orte abhängen. Es ist bereits früher (S. 154) dies allgemein bekannte Verhalten zur ersten Einführung in den Begriff der Arbeit benutzt worden. Wir wollen es jetzt genauer betrachten. Im allgemeinen ist jede Lageänderung eines schweren Körpers mit einer Aenderung der in ihm enthaltenen Arbeit verbunden. Um ihn zu heben, müssen wir ihm Arbeit zuführen. Lassen wir ihn umgekehrt sinken, so kann er Arbeit leisten. Dazwischen muss es aber offenbar Bewegungen geben, bei denen die positive Energieänderung in die negative durch den Nullw e r t h hindurchgeht, d. h. es muss Bewegungen geben, die o h n e Aenderung des Arbeitsinhaltes des Körpers ausgeführt werden können. Die Gesammtheit dieser Bewegungen mit der Arbeit Null liegt in einer durch den Körper hindurchgelegten Fläche, die für nicht zu grosse Erstreckungen (einige hundert Meter) als eine horizontale Ebene angesehen werden kann. In Bezug auf die ganze Erdoberfläche ist sie eine (nicht ganz genaue) Kugelfläche. Der scheinbare Widerspruch mit der Erfahrung, der darin liegt, dass sehr schwere Körper sich auch in dieser Fläche nicht ohne Arbeit fortbewegen lassen, erklärt sich aus dem Umstände, dass es nicht vollkommen gelingt, die Körper so zu lagern, dass sie bei ihren Bewegungen nicht auch noch andere Arbeiten, als in Bezug auf die Schwere zu leisten haben. Durch die verschiedene Leichtigkeit, mit der sich z. B. ein Karren und ein gleich schweres, gut gebautes Fahrrad über die gleiche Fläche bewegen lassen, wird man von der Anwesenheit dieser anderen Arbeiten (Reibung) überzeugt. Die jetzt anzustellenden Betrach-
SCH WEREENER
GJE
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tungen gelten für den Fall, dass die Reibung ausgeschlossen, bezw. in Rechnung gebracht ist. Eine solche Fläche, in welcher Bewegung ohne Arbeit erfolgen kann, wird durch die Oberfläche einer ruhigen Flüssigkeit dargestellt, denn in den Flüssigkeiten können sich die Antheile der Schwere entsprechend frei bewegen, und sie stellen sich daher endlich so ein, dass alle möglichen Schwerebewegungen stattgefunden haben, und dass kein Antheil mehr vorhanden ist, durch dessen Senkung Arbeit gewonnen werden könnte. Jede Richtung in dieser Fläche nennen wir wagerecht und können daher die Fläche selbst die Wagfläche nennen; im Deutschen wird vorwiegend das Wort Niveaufläche angewendet. Durch jeden beliebigen Punkt oberhalb der Erdoberfläche lässt sich eine solche Wagfläche legen, und diese alle umhüllen die Erde r in Gestalt immer grösser werdender Kugeln. ; Wir legen nun durch einen bestimmten Punkt A, in dem sich ein schwerer Körper be^ findet, eine Wagfläche^^'. Dann denken wir uns diesen Körper auf einen höheren Punkt B gehoben und legen durch diesen eine zweite Wagfläche BB. Für die Hebung wird eine bestimmte Arbeit verbraucht, die durch das Product fh gegeben ist, wo f das Gewicht des Körpers (in Dynen vgl. S.157) und h die Erhebung AB bedeutet. Die Arbeit gewinnen wir wieder, wenn wir den Körper wieder in seine erste Lage bringen. Nun braucht es keine Arbeit, um den Körper aus irgend einem Punkte der Wagfläche in irgend einen anderen Punkt derselben Wagfläche zu bringen. Daraus folgt, dass die Bewegung des Körpers von irgend einem Punkte der Wagfläche A zu irgend einem Punkte der zweiten immer dieselbe Arbeit fh erfordert. Denn wir können zuerst den Körper aus seiner Lage in den zuerst betrachteten Punkt der ersten Wagfläche bringen, wozu keine Arbeit erforderlich ist. Dann lassen wir ihn seinen früheren Weg h ansteigen, wozu die Arbeit fh dem Körper zugeführt wird, und schliesslich verschieben wir ihn innerhalb der
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oberen Wagfläche weiter bis zu dem zweiten gewählten Punkt. Hierzu ist wieder keine Arbeit erforderlich. Das Gesammtergebniss ist wieder nur die Arbeit fh. Man könnte sagen, dass allerdings auf d i e s e m bestimmten Wege nur die Arbeit fh aufgenommen wird, dass aber auf irgend einem anderen Wege zwischen diesen beiden Punkten eine andere Arbeit stattfinden könne. Nehmen wir an, dies sei wahr, und die Arbeit auf dem Wege AB sei gleich a, die auf einem anderen Wege zwischen den durch die Linien AÄ und BB' dargestellten Wagflächen, etwa auf dem Wege A'B' sei a\ verschieden von a. Dann können wir den Körper auf dem W e g e - A B B ' A ' A herum und wieder in seinen Ausgangspunkt zurückführen, und würden dabei folgende Arbeitsrechnung erhalten. Von A nach B gewinnt er die Arbeit a; von B nach B' ist die Arbeit Null, von B' nach A' verliert er die Arbeit a und von A' nach A ist die Arbeit Null. Der Gesammtgewinn beträgt a — a, nachdem der Körper wieder an seinen Ort zurückgekommen i s t Da seine Arbeit nur von seinem Orte abhängt, so muss dieser Gewinn gleich Null sein, denn hätte er einen endlichen Betrag, so wäre Arbeit aus nichts entstanden, oder in nichts verschwunden. Da beides nicht eintritt, so muss in der That a — e'=0 sein, oder a — a\ was zu beweisen war. So simpel diese Beweisführung aussieht, so brauchbar ist sie, und auch in den fortgeschrittensten Theilen der Wissenschaft wird sie immer wieder angewendet; es hat daher einen Werth, dieses Beweisverfahren mittelst eines „Kreisprocesses" in dem vorliegenden einfachsten Falle kennen zu lernen. Es beruht, wie man sieht, darauf, dass man den Körper durch eine Reihe von Aenderungen wieder in seinen anfänglichen Zustand zurückkehren lässt, und alles, was mit ihm unterwegs geschehen ist, in Rechnung setzt. Da durch die Rückkehr in den Anfangszustand der Körper auch seinen früheren Energiewerth wieder angenommen hat (hierin besteht ja die Definition eines bestimmten Zustandes), so muss die Summe aller eingenommenen und ausgegebenen Energiebeträge gleich Null sein, und stellt man die einzelnen Posten dieser Summe auf, a, a\ a" u. s. w., so kann man immer eine Gleichung von der Gestalt a + a' + a"
PERPETUUM
MOBILE
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+ . . . . = 0 aufstellen, aus der sich dann mannigfaltige Schlüsse ziehen lassen. Eine Bemerkung muss noch an den Beweisgang geknüpft werden. Er ist so geführt worden, dass das Gesetz von der Erhaltung der Arbeit vorausgesetzt war, und daraus der Schluss gezogen worden ist, dass die Arbeit zwischen zwei Wagflächen unabhängig vom Weg ist Der geschichtliche Entwicklungsgang war umgekehrt. Es wurde anfangs vermuthet, dass die Arbeit thatsächlich vom Wege abhängig sei, und die Erfinder strengten ihren Scharfsinn an, einen solchen Gesammtweg zu finden, dass dabei ein positiver Arbeitsbetrag übrig blieb, der zu anderen Leistungen verwendet werden könnte. Die Herstellung eines solchen P e r p e t u u m m o b i l e , oder vielmehr A u t o m o b i l e , wollte auf keine Weise gelingen, und so wurde allmählich die Unmöglichkeit eines solchen anerkannt. Dies sah aus, als wäre an dem Problem ein „grosser Aufwand schmählich verthan", und als wären alle diese Bemühungen nutzlos gewesen. Es ist aber niemals nutzlos, bestimmteThatsachen allseitig festzustellen; man muss nur wissen, wo der Nutzen zu suchen ist Hier h a t sich a u s der U n m ö g l i c h k e i t d e s P e r p e t u u m m o b i l e der p o s i t i v e S a t z v o n der E r h a l t u n g der A r b e i t e r g e b e n , und dies ist ein Erfolg, dessen Nutzen gar nicht überschätzt werden kann. Denn die ganze Entwicklung der exacten Wissenschaften seit einem halben Jahrhundert ist unmittelbar von dieser Erkenntniss abhängig. Hält man die eben angestellten Betrachtungen mit der S. 156 angegebenen Zerlegung der Arbeit in ihre Factoren Weg und K r a f t zusammen, so wird man bei der Betrachtung der Figur alsbald gewahr, dass für die gleichen Arbeiten zwischen den Wagflächen A und B ganz verschieden lange Wege AB und A'B zurückgelegt worden sind. Daher müssen auch nothwendig die zugehörigen K r ä f t e verschieden sein. Dies ist in der That der Fall; denn es ist ja eine elementare Wahrheit, dass auf einer schiefen Ebene eine Last mit viel geringerer Kraft, aber dafür auf einem entsprechend längeren Wege gehoben werden kann. Die gewöhnliche Physik betrachtet die Kräfte als das Grundlegende, und lehrt die Berechnung der-
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selben auf ihren verschiedenen Wegen durch geometrische Betrachtungen über Kräftezerlegung und wirksame wie wirkungslose Componenten. Von all dieser Verwicklung können wir absehen, wenn wir einfach den Arbeitsbegriff zu Grunde legen. Kennen wir die Arbeit zwischen zwei Wagflächen, so brauchen wir nur den Weg zu messen, der für die Beförderung unserer Last vorgeschrieben ist, um durch Dividiren dieses Weges in die Arbeit die (mittlere) Kraft über diesen Weg zu erhalten. Ich bin auf diesen Punkt eingegangen, um Ihnen zweierlei zu zeigen. Aus diesem einfachen Beispiele ergiebt sich die grosse Vereinfachung der Anschauung und Rechnung, die man in der Mechanik durch die Begründung auf den Arbeitsbegriff gewinnt Hieraus lässt sich zunächst schliessen, dass der Arbeits- und der allgemeine Energiebegriff in der That viel zweckmässigere Denkmittel zur Bewältigung der Erscheinungen sind, als die früher gebräuchlichen K r a f t b e t r a c h t u n g e n . Es ist nicht überflüssig hierauf hinzuweisen, denn seit einem Jahrhundert besteht das Verfahren der mathematischen Physik darin, jedem Problem gegenüber zunächst die dabei wirksamen K r ä f t e anzusetzen, und hieraus die weiteren Schlüsse zu ziehen. Man kann sich in jedem einzelnen Falle überzeugen, dass es bei weitem zweckmässiger ist, zunächst nicht nach den Kräften, sondern nach den A r b e i t e n , allgemein den E n e r g i e e n zu fragen, und nach deren Ansatz die weiteren Rechnungen vorzunehmen. Mathematisch gesprochen, e r s p a r t m a n sich d a d u r c h eine I n t e g r a t i o n , und was dies für ein gewaltiger Gewinn ist, weiss jeder, der auch nur einen Blick in die Summe von Scharfsinn und Arbeit geworfen hat, welche die mathematische Physik an die Integration ihrer Ansätze hat wenden müssen, und in die nothwendigen Vernachlässigungen und willkürlichen Annahmen, unter denen allein häufig die erforderliche Integration nur ausführbar wird. Zweitens aber ist die gleiche Vereinfachung auch für den e l e m e n t a r e n U n t e r r i c h t erzielbar, wenn man vom Arbeitsbegriff ausgeht Ich habe diese Ansicht nach dem Vorgange grösserer Männer immer wieder vertreten, und bei den Verfassern der physikalischen Lehrbücher wenigstens soviel erreicht, dass
KRAFT
ÜND
ENERGIE
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sie sich entschuldigen, warum sie diese immer wiederholte Forderung nicht erfüllen. Die gewöhnliche Begründung ist, dass der Energiebegriff ein zu schwieriger, und dass der Kraftbegriff das „natürlich Gegebene" sei, da ja erst durch das Product aus Kraft und Weg die Energie entstehe. Hierbei hat eine Verwechselung zwischen dem stattgefunden, was den Autoren vermöge des von ihnen erfahrenen Bildungsganges als das Näherliegende erschien, und dem, was vermöge seiner objektiven Beschaffenheit das Einfachere ist Das Gegebene ist, was wir durch unsere Sinne erfahren, und diese reagiren, wie wir eben gesehen haben, nicht auf „Kräfte", sondern auf Energieen. Schon in solchem Sinne ist also unzweifelhaft die Energie das Ursprünglichere. Aber auch insofern, als sie in Factoren zerlegt werden kann, muss sie als das Ursprünglichere angesehen werden. Denn w i e man die Zerlegung vornimmt, ist, wie wir eben gesehen haben, in grossem Umfange willkürlich; man kann den Weg zwischen den Wagflächen auf beliebig viele Weise wählen, und erhält demgemäss beliebig viele verschiedene Kräfte für dieselbe Arbeit. Die Arbeit ist also der allgemeinere Begriff gegenüber dem zufälligen Product von Kraft und Weg, das man gewählt hat, und daher im Sinne der früher (S. 71) angestellten Betrachtungen auch ganz sicher der elementarere Begriff. Es handelt sich hier um eine praktische Frage von grösster Bedeutung. Auch die Energiemenge, welche der jugendliche Geist für die Erlernung seines Denkmaterials aufwenden kann, hat einen begrenzten Betrag, und um die höchste Leistung zu erzielen, müssen die nutzlosen Energieverluste durch ungeeignete Wege ebenso sorgfältig vermieden werden, wie wir an unseren Maschinen die unnützen Energieverluste durch Reibung vermeiden. Solche Verluste bedeuten nicht nur eine zwecklose Vernutzung brauchbarer Energie, sondern die vernutzte Energie beginnt nur zu leicht einen unmittelbaren Schaden aus2uüben, wie z. B. das Heisslaufen und die entsprechende Zerstörung der Axenlager zeigt. Die entsprechenden geistigen Erscheinungen, wo die zwecklos vergeudete Energie zu positiven Schädigungen der geistigen Werkthätigkeit führt, sind so zahlreich, dass ich
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Ihnen die Aufsuchung derselben aus Ihrer eigenen Erfahrung überlassen darf. Fragt man, wodurch die Lehre auf diesen ungeeigneten Weg gelangt ist, so ergiebt sich die Antwort dafür aus der Form, in welcher die Arbeitsverhältnisse der schweren Massen des Weltraumes zuerst der wissenschaftlichen Rechnung zugänglich gemacht worden sind. Die ersten Wege, welche die Wissenschaft findet, sind sicher nicht immer die einfachsten, und in der subjektiven Form, welche ein objektives wissenschaftliches Ergebniss in dem Kopfe seines ersten Entdeckers annimmt, liegt viel mehr Willkür, als man gewöhnlich vermuthet So verdanken wir ISAAC NEWTON die grosse Entdeckung, dass die gleichen Gesetze, nach welchen die Bewegungen der schweren Körper auf der Erdoberfläche verlaufen, sich unter passender Ausgestaltung auch auf die Bewegungen aller Himmelskörper anwenden lassen. Seine Formulirung dieses Ergebnisses ist bekanntlich die nachstehende. Während GALILEI, der Entdecker der Gesetze der Schwere, die irdischen Bewegungen einer c o n s t a n t e n K r a f t , der Schwerkraft zugeschrieben hatte, und sie unter dieser Voraussetzung mathematisch im Einklang mit den Beobachtungen entwickelte, hatte NEWTON gezeigt, dass wenn man diese Kraft nicht als constant betrachtet, sondern als eine Function der Entfernung der aufeinander wirkenden Körper, man zu einer mathematischen Darstellung der an den Weltkörpern vorhandenen Bewegungen gelangt. Und zwar ist die zwischen zwei Weltkörpern wirkende Kraft gegeben durch den Ausdruck f = MM'jr2, wo M und M' zwei den Körpern eigenthümliche Constanten sind, die ihren Massen proportional sind, während r der gegenseitige Abstand der Körper ist. Der ausserordentliche Erfolg, welchen dieser Ansatz für die Darstellung der gesammten Schwerebewegungen, der himmlischen wie der irdischen, gehabt hat, liess die sehr naheliegende Meinung entstehen, dass in gleicher Gestalt auch alle anderen Erscheinungen erklärt werden könnten. Indem man übersah, dass die von NEWTON gewählte Form zwar geschichtlich, aber nicht gleichermaassen methodisch begründet ist, hielt man an dieser Form als dem grossen wissenschaftlichen Hilfsmittel fest, und
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KRÄFTE
bemühte sich, den Kraftbegriff auch auf die anderen Erscheinungen anzuwenden. Die Entwicklungsgeschichte der Physik hat gezeigt, dass es sich hier um einen grossen Irrthum gehandelt hat. Selbst die Gebiete, in denen zunächst ein mit dem NEWTON'schen Gesetz formal übereinstimmendes Kraftgesetz der Wechselwirkung entdeckt wurde, die Lehre von der Elektricität und vom Magnetismus, haben unter dem Drange der Nothwendigkeit diese Beziehung in die zweite oder dritte Stelle schieben müssen, und die heutigen Darstellungen lassen das Anziehungsgesetz der elektrischen oder magnetischen Massen als ein sekundäres Nebenergebniss der allgemeinen Theorie erscheinen. Hierbei handelt es sich nicht sowohl, wie man es meist dargestellt findet, um den Ersatz der Lehre von den Fernkräften durch eine solche von den Nahekräften, sondern es tritt vielmehr der Kraftbegriff selbst mehr und mehr in den Hintergrund, und die Ansätze und Schlüsse beziehen sich auf die elektrischen und magnetischen Arbeiten, bezw. die Factoren dieser Energiearten. Wir werden demgemäss auch die allgemeine Schwereenergie nicht im NEWTON'schen Sinne der Kraftwirkung, sondern im Sinne der Arbeitswirkung aufzufassen haben. Wir folgen hiermit den Wegen, die zuerst der Begründer der gesammten Energetik, JULIUS ROBERT MAYER, gewiesen hat und gegangen ist, ohne bisher viel Nachfolge zu finden. Hiernach werden wir zunächst sagen, dass die Energie, welche zwei Körpern vermöge ihres gleichzeitigen Vorhandenseins im Räume zukommt, von ihrer gegenseitigen Entfernung abhängt. Sie ist am grössten, wenn die Entfernung am weitesten ist, und nimmt mit zunehmender Näherung ab. Berühren sich die Körper, so stellt sich ein Gleichgewicht zwischen ihrer Distanzenergie (oder Gravitationsenergie) und ihrer Formenergie heraus, welche eine weitere Annäherung verhindert Dies ist beispielsweise bei allen auf der Erdoberfläche liegenden Körpern der Fall. Es enthalten also zwei im Räume getrennte Körper (und ebenso beliebig viele) eine bestimmte Menge Distanzenergie, die OSTWALD, Naturphilosophie.
Auflage.
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bei weitester Entfernung den grössten Werth hat. Hennen wir diesen grössten Werth D, so ist die in der Entfernung r vorhandene Distanzenergie E gegeben durch die Formel E = D —jMl Mjr, die bei unendlich grossem r in E = D übergeht, wie es nach der Voraussetzung sein soll. Ihr k l e i n s t e r W e r t h ist durch den kleinsten W e r t h b e s t i m m t , welchen r vermöge der Gestalt und der Formenergie der beiden Körper annehmen kann. Da sich hierfür noch keine bestimmte Zahl angeben lässt, so bleibt auch D unbekannt; nur muss D jedenfalls grösser sein als der grösste Werth, den j M l M i ! r bei grösster Annäherung der Körper, also kleinstem r annehmen kann. Uebrigens ist D ein zwar unbekannter, aber ganz bestimmter, für die Körper unveränderlicher Werth. Die beiden Grössen und M2 sind Constanten, die von der Natur der Körper abhängen und ihren Massen proportional sind; / endlich ist die sogenannte allgemeine Gravitationsconstante, eine Zahl, die nur von den benutzten Einheiten abhängt und für die Gravitationsenergie charakteristisch ist. Die Grössen M 1 und M 2 misst man in G r a m m e n , denn da das Gewicht der Körper an der Erdoberfläche auch eine Wirkung ebenderselben Energie ist, so sind zwei Körper von gleichem Gewicht solche, deren M-Werthe gleich sind. Die Entfernung r wird in Centimetern ausgemessen, die Distanzenergie E in Erg (S. 157). Setzt man diese Einheiten voraus, so ergiebt sich die Constante / = 6 - 6 X 10" 8 . Man findet diese Zahl, indem man für zwei Körper von bekanntem Gewicht wi, und m2 die Arbeit misst, 1 welche bei einer Näherung von der Entfernung rx auf r2 geleistet wird. Diese ist offenbar der Unterschied der entsprechenden beiden Energien El und E2. Beim Subtrahiren hebt sich die ungekannte Grösse D heraus, und man erhält die Gleichung El — E2 =y»llWi2(l/ra-l/r1) 1
und daraus y =
Die gewöhnliche Darstellung besagt, es werde die Kraft bestimmt,
welche zwischen den beiden einander anziehenden Massen besteht. sagen beide Ausdrucksweisen das Gleiche; bevorzugt, weil sie allgemeiner ist.
Sachlich
ich habe die im Text gegebene
SCHWERE
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Wie man sieht, ist j ausserordentlich klein. Dies entspricht dem Umstände, dass man für gewöhnlich von den Arbeiten bei der gegenseitigen Näherung oder Entfernung der irdischen Körper nichts merkt und sehr empfindlicher Messinstrumente bedarf, um sie überhaupt kennen zu lernen. Nur die aus den Lageänderungen der Körper zur Erde (deren Masse sehr gross ist) entspringenden Arbeiten kommen in unserer gewöhnlichen Erfahrung vor. Die dieser Gravitationswirkung entspringende Kraft nennen wir das G e w i c h t . Wie kommen wir nun zu dem Satze, dass die Arbeiten, welche auf der Erdoberfläche gegen das Gewicht geleistet werden, der Erhebung einfach proportional sind? Aus der obenstehenden Gleichung geht dies nicht unmittelbar hervor, denn sie ergiebt, wenn wir diese Arbeit Ex — E1 = E setzen, und mit M die Masse der Erde, mit m die des Körpers bezeichnen, E=jMm (i/r 2 — i / r j ) . Nun sei R der Erdradius und h die Erhebung unseres Körpers, so ist zu setzen ^ — R + h und r a = R. Hieraus folgt nach einer einfachen Umformung E=jMmh\ (Ri+ Rh), während das Galileische Gewichtsgesetz nur E = mgh ergiebt, wenn g das Gewicht der Masseneinheit ist. Damit beide Gleichungen übereinstimmen, muss offenbar g = jMI(R2+ Rh) gesetzt und der letzte Ausdruck als eine Constante angesehen werden, was offenbar nicht streng zulässig ist. Das Veränderliche an dem Ausdrucke ist R2+Rh, da h beliebig i s t Hat nun aber h einen im Verhältniss zu R sehr kleinen Werth, so ist auch das Glied Rh sehr klein im Verhältniss zu R 2 , und es ergiebt keinen messbaren Unterschied, ob man es beibehält oder vernachlässigt. Nun ist R = 636000 Meter; wenn wir also auch Hebungen über mehr als 600 m betrachten, so ändert sich hierdurch der Werth des Ausdruckes nur um ein Tausendstel seines Betrages. Auf Grund der eben angestellten Betrachtungen gewinnen wir nun auch ein Verständniss dafür, warum stets die Formenergie mit der Schwereenergie zusammen vorkommt, d. h. warum die uns bekannten festen Körper alle schwer sind. Denken wir uns, es gäbe einen festen Körper, der nicht schwer ist, d. h. dessen Entfernung von der Erde ohne Arbeitsleistung 12*
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bewerkstelligt werden könnte. Dann würde er jedenfalls längst aus unserem Gesichtskreise entschwunden sein. Denn da ihn auf der Erde nichts festhält, so wird er eben nicht auf ihr bleiben, weil der geringste Stoss ihn von hier fortbewegt, ohne dass eine Ursache für seine Rückkehr vorhanden ist Alles, was der Erde bleibend angehören soll, muss daher nothwendig schwer sein, und wir können in unserem Wohnkreise gar keine anderen begrenzten Energiegebiete dauernd anzutreffen erwarten, als solche, die gleichzeitig Schwereenergie enthalten. Eine Ausnahme bildet nur in gewissem Sinne die strahlende Energie, die von der Schwere frei ist, und von deren Anwesenheit auf der Erde wir doch Kunde haben. Aber die strahlende Energie besucht die Erde auch nur zu flüchtigem Grusse und enteilt alsbald wieder in den Weltraum, wenn sie nicht in andere Energiearten umgewandelt wird, die wieder mit der Schwereenergie verbunden sind. Auch die umgekehrte Betrachtung ist lehrreich. Denken wir uns, wir hätten einen gewissen Raum, der ebenso ein Träger von Schwereenergie wäre, wie es ein fester Körper ist, in diesem Räume sei aber keine Formenergie enthalten. Dann können wir auch nichts anstellen, um aus diesem Gebilde Arbeit zu gewinnen, denn wir können es auf keine Weise packen und an andere Orte bringen. Praktisch ist es also einerlei, ob diese besondere Art Schwereenergie vorhanden ist, oder nicht Um halbwegs eine Anschauung zu haben, denke man an die Luft, die Schwere besitzt, aber nicht wie ein Gewicht an der Uhr aufgezogen werden kann. Aus der Luft kann man nicht, wie aus einem festen Körper, Arbeit gewinnen, indem man sie für sich an einen anderen Ort bringt. Erst wenn man sie oder ein anderes Gas in einen aus festen Körpern gebildeten Raum einschliesst, den sie nicht verlassen kann, lässt sie sich wie ein fester Körper zur Gewinnung von Schwerearbeit gebrauchen. Hier treten indessen noch andere Energiearten in Mitwirkung, auf die erst später eingegangen werden kann. Ein genaueres Beispiel wäre ein schwerer ausdehnungsloser Punkt, der alle festen Körper durchdringen kann. Ein solcher Punkt könnte sehr wohl Schwereenergie enthalten, würde uns aber in keiner
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DER
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Weise zur Kenntniss kommen, da wir ihn nicht fassen und seine Lage nicht ändern könnten, und er daher die Energieverhältnisse anderer, kontrolirbarer Dinge nicht beeinflussen würde. Diese Betrachtungen, denen sich für die anderen Energiearten ähnliche anschliessen lassen, zeigen, dass das Zusammenvorkommen der verschiedenen Energieen, das uns anfangs so räthselhaft erschien, und zu dessen sogenannter „Erklärung" die Annahme eines besonderen Trägers, der Materie, gemacht worden ist, eine N o t h w e n d i g k e i t d a f ü r ist, d a s s wir von d i e s e n E n e r g i e e n ü b e r h a u p t K u n d e h a b e n . Die Sache liegt also nicht so, dass man fragen muss: warum kommen diese verschiedenen Energieen immer in denselben begrenzten Räumen, den Körpern, zusammen vor? Sondern man muss sagen: nur von den Räumen, wo sie zusammen vorkommen, haben wir Kunde; sie mögen auch einzeln vorkommen; solche Energieen können aber nie auf unsere Sinne oder Messapparate übergehen, und bilden daher keinen Bestandtheil unseres Weltbildes. Durch diese Betrachtungen haben wir zunächst eine Uebersicht über das gewöhnliche Verhalten der festen Körper gewonnen. Wir sehen, dass die energetische Darstellung den grossen Vorzug hat, dass wir für die Thatsachen einen Ausdruck gewinnen, der v o l l k o m m e n f r e i v o n h y p o t h e t i s c h e n A n n a h m e n ist. Dies lässt sich daran erkennen, dass jeder für diese Darstellung eingeführte Begriff eine a u f w e i s b a r e und m e s s b a r e Grösse oder Stärke hat, und dass nichts von den Körpern angenommen oder behauptet wird, was man nicht durch Versuch und Messung prüfen und nachweisen kann. Die gleiche Forderung werden wir weiter an die Darstellung der Erscheinungen stellen müssen, welche eintreten, wenn man die Formänderungen eines festen Körpers über ein bestimmtes Maass hinaus stattfinden lässt. Dann verhalten sich die verschiedenen Körper verschieden: einige ändern bloss ihre Gestalt, andere theilen sich dabei in kleinere Theile, sie zerreissen oder zerbrechen. Im ersten Falle nehmen wir stets eine Erwärmung wahr.
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Das heisst, die dem Körper für die Veränderung seiner Form mitgetheilte Arbeit bleibt nicht als Formenenergie in ihm, sondern geht in eine andere Energieart, die W ä r m e , über. Diese aber zerstreut sich alsbald durch Leitung im Innern des Körpers und durch Strahlung nach aussen, so dass sie nicht mehr für die entgegengesetzte Umwandlung zur Verfügung bleibt. Dann ist keine Energie vorhanden, durch welche der Körper wieder in seine frühere Form gebracht werden könnte, und dieser behält seine neue Gestalt. Man bezeichnet solche Körper als u n e l a s t i s c h gegenüber den elastischen Körpern, welche die zugeführte Entstaltungsarbeit als Formenergie aufnehmen und aufbewahren, und aus denen daher diese Arbeit unter Eintreten der früheren Gestalt wieder entnommen werden kann (S. 167). Aber auch die elastischen Körper nehmen Formenergie nicht bis ins Unbegrenzte auf; biegt man einen Stahlstab weiter und weiter, so tritt zunächst ein theilweiser Uebergang in Wärme ein, und es kann nur ein Theil der zugeführten Arbeit wiedergewonnen werden, indem der Stab seine frühere Gestalt nicht wieder annimmt, sondern etwas verbogen bleibt. Bei noch weiter fortgesetzter Biegung b r i c h t der Stab endlich. Solche Theilungen treten bei jeder Art der Formbeanspruchung, beim Drillen, Dehnen, Drücken u. s. w. ein. Gewöhnlich schreibt man diese Erscheinungen einer zwischen den kleinsten Theilchen des Körpers bestehenden „Cohäsionskraft" zu, indem man annimmt, dass zwischen diesen Theilchen Anziehungskräfte nach Art der Gravitation wirken, deren nähernder Einfluss aber wieder durch eine andere Kraft die „Repulsionskraft", bei einer bestimmten Stellung aufgehoben werden soll. Da man mit den kleinsten Theilchen oder den sogenannten Molekülen der Körper, zwischen denen diese Kräfte thätig sein sollen, nicht experimentiren kann, so ist es auch nicht möglich irgend eine Entscheidung darüber zu gewinnen, ob sie wirklich vorhanden oder nur eingebildet sind; von den kleinsten Theilchen oder Molekülen selbst gilt dasselbe. Das einzige, was man auf diesem Wege thun kann, um die thatsächlichen Verhältnisse darzustellen, ist, dass man diese Kräfte womöglich so
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UND
BRECHEN
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annimmt, dass ihre Wirkungen die Arbeiten darstellen, welche man experimentell bei Formänderungen beobachtet. Diese Aufgabe zu lösen ist bisher nur sehr unvollkommen gelungen, und so sieht sich die heutige Molekularphysik vor zahllosen Schwierigkeiten, die nicht in der Natur der Sache liegen, sondern in dem willkürlich eingeschlagenen Wege. Was nun das Zerreissen und Zerbrechen in e n e r g e t i s c h e r Betrachtung anlangt, so nehmen wir wahr, dass es eintritt, wenn die Formenergie, die man einen gegebenen Körper aufzunehmen zwingt, einen bestimmten Betrag für die Raumeinheit überschreitet. Wir werden also die Thatsachen dahin zusammenfassen, dass jeder feste Körper eine specifische, d. h. ihm eigenthümliche Aufnahmefähigkeit für Formenergie hat. Diese ist natürlich proportional der Menge des Körpers; beim Biegen, Drillen u. s. w. werden aber die verschiedenen Theile des Körpers mit verschiedenen Mengen Formenergie beladen, und wird die maximale Grenze an irgend einer Stelle überschritten, so muss an d i e s e r der Arbeitsüberschuss andere Formen annehmen. Die nun eintretenden Vorgänge des Zerbrechens u. s. w. sind durch die B i l d u n g n e u e r F l ä c h e n am Körper ausgezeichnet. Nun kann man allgemein sagen, däss die Vermehrung der Oberfläche gleichfalls Arbeit erfordert, oder dass es eine O b e r f l ä c h e n e n e r g i e giebt, wie es eine Distanz- und Volumenergie giebt. Zwar haben wir von der Oberflächenenergie bei festen Körpern keine sehr eingehende Kenntniss; bei Flüssigkeiten aber, wo die Veränderungen der Oberfläche viel leichter stattfinden, ist die Oberflächenenergie sehr gut bekannt; von ihr rühren die sogenannten C a p i l l a r i t ä t s e r s c h e i n u n g e n her. Das Zerreissen, Zerbrechen u. s. w. beruht also einfach darauf, dass die überschüssig zugeführte Arbeit dort, wo sie sich nicht mehr in Formenergie verwandeln kann, Oberflächenenergie bildet. Die ganze Kunst des Spaltens, Sprengens und ähnlicher, auf die Zertheilung fester Körper durch Formung gerichteter Thätigkeiten besteht darin, dass man das Maximum der Formenergie genau an den Stellen überschreitet, wo man die Trennung, d. h. die neue Oberfläche erzeugen will. Die Beobachtung der Arbeit eines Steinmetzen
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oder Bildhauers erläutert die Richtigkeit dieser Darstellung übrigens besser, als es lange Auseinandersetzungen könnten. — Ausser den bisher geschilderten Arten dei Energie können die Körper noch eine besitzen, die ihnen vermöge ihrer Bew e g u n g zukommt Lässt man einen festen Körper frei fallen, so verliert er einen Theil seiner Distanzenergie, und zwar proportional der Strecke, die er zurücklegt (S. 179). Da die Energie erfahrungsmässig ebensowenig in nichts verschwinden, wie aus nichts entstehen kann, so muss der fallende Körper seine Distanzenergie in etwas anderes verwandeln. Er zeigt keine andere neue Erscheinung, als dass er eine gewisse G e s c h w i n d i g k e i t annimmt, und wenn hierin seine neue Energie stecken sollte, so müsste umgekehrt ein Körper, indem er Geschwindigkeit verliert, Arbeit leisten können. Dass dies in der That der Fall ist, wissen wir. Ein mit einer gewissen Geschwindigkeit in die Höhe geworfener Körper vermehrt vermöge seiner Entfernung von der Erde seine Distanzenergie; gleichzeitig vermindert sich seine Geschwindigkeit, und ist alle Energie, die er aus letzterer Ursache besitzt, verbraucht, d. h. ist die Geschwindigkeit Null geworden, so steigt er auch nicht mehr an, da er keine weitere Distanzenergie mehr bilden kann. Er beginnt dann zu fallen, und langt er schliesslich wieder unten an der Stelle (oder in derselben Wagfläche) an, von der aus er geworfen worden ist, so hat er auch die gleiche Geschwindigkeit wieder angenommen, nur dass sie jetzt nach unten gerichtet ist. Diese gegenseitige Umwandlung der beiden Energieen ist noch anschaulicher am Pendel zu beobachten, wo immer wieder die Umwandlung der einen Form in die andere stattfindet, so dass die Geschwindigkeit im höchsten Punkte Null, und im niedrigsten am grössten ist Wir nennen diese neue Art der Energie die B e w e g u n g s energie, und fragen uns, ob ausser der Geschwindigkeit noch ein anderer Umstand auf ihren Betrag Einfluss hat Die Antwort muss bejahend lauten, denn wenn ein Kork und ein Stein mit derselben Geschwindigkeit gegen unseren Körper geworfen werden, empfinden wir den Stein sehr viel stärker. Ebenso kostet es, wie die unmittelbare Empfindung erkennen lässt,
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viel mehr Arbeit, um einem grossen Stein eine bestimmte Geschwindigkeit zu ertheilen, als einem kleinen. Diese besondere Eigenschaft, von der die Energie eines bewegten Körpers ausser seiner Geschwindigkeit abhängt, nennt man M a s s e . Man muss daran ganz bestimmt festhalten, dass im wissenschaftlichen Sprachgebrauch das Wort Masse keine andere Bedeutung hat, als diese B e z i e h u n g z u r B e w e g u n g s e n e r g i e . Insbesondere die Definition, die man überall, auch in sonst sorgfältig geschriebenen Lehrbüchern findet, die Masse sei die Q u a n t i t ä t der M a t e r i e , ist ein schädlicher Unsinn, denn es wird hierbei niemals erklärt, was erstens die Materie ist, und wie zweitens ihre Quantität bestimmt werden soll. Wie man im Sinne der Bewegungsenergie diese Masse definirt, werden wir alsbald genau sehen. Denken wir uns einen Körper so angeordnet, dass seine Bewegungen in einer Wagfläche erfolgen, dass er also keine Schwereenergie aufnehmen oder verlieren kann, und führen ihm, etwa durch Entspannung einer Feder, eine bestimmte Menge Arbeit zu, so gewinnt er eine gewisse Geschwindigkeit. Wir nehmen einen anderen Körper, und wenden die gleiche Arbeit an ihn; er wird im allgemeinen eine andere Geschwindigkeit erhalten. Nehmen wir etwas von dem Körper fort, oder fügen wir etwas zu, so wird sich die Geschwindigkeit ändern, die er durch die gleiche Arbeit erhält, und wir können ihm schliesslich eine solche Grösse geben, dass er die gleiche Geschwindigkeit annimmt, wie der erste Körper. Dann s a g e n wir, d a s s b e i d e K ö r p e r g l e i c h e M a s s e n b e s i t z e n , denn es kann der eine für den anderen genommen werden, ohne dass bei gleicher Arbeit die Geschwindigkeit eine andere wird. Da die zwei Körper sich neben einander mit dieser gleichen Geschwindigkeit bewegen können, ohne einander zu stören, so können wir beide neben einander in Bewegung setzen. Dabei werden wir für jeden die gleiche Arbeit wie früher brauchen, also für beide zusammen, d. h. die doppelte Masse, die doppelte Arbeit. Es wächst also die Arbeit, welche zur Herstellung einer bestimmten Geschwindigkeit erforderlich ist, und also auch die B e w e g u n g s e n e r g i e p r o p o r t i o n a l der Masse.
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DAS ENERGETISCHE
WELTBILD
Nennen wir eine Geschwindigkeit verdoppelt, wenn der Körper in derselben Zeit den doppelten Weg zurücklegt, so können wir nicht ohne weiteres auch behaupten, dass bei doppelter Arbeit an derselben Masse auch die Geschwindigkeit verdoppelt wird. Denn zwei Massen lassen sich allerdings durch einfaches Aneinanderlegen addiren; zwei gleiche Geschwindigkeiten beeinflussen sich aber überhaupt nicht, und lassen sich daher n i c h t unmittelbar addiren. Geschwindigkeit ist im energetischen Sinne nicht eine Grösse, sondern eine S t ä r k e (S. 128), und erst der Versuch kann über die Beziehung zwischen Arbeit und Geschwindigkeit bei constanter Masse entscheiden. Der Versuch ergiebt, dass, um die doppelte Geschwindigkeit an derselben Masse zu erzielen, die Arbeit nicht nur verdoppelt, sondern vervierfacht werden muss. Allgemein verhalten sich die verbrauchten Arbeiten und damit die entstandenen Bewegungsenergieen wie die Q u a d r a t e der erzeugten Geschwindigkeiten. Nimmt man dies mit dem vorigen Ergebniss zusammen, so ist die Bewegungsenergie proportional dem Producte aus der Masse und dem Quadrate der Geschwindigkeit zu setzen. Aus bestimmten Gründen setzt man beide nicht gleich, sondern nennt das h a l b e Product aus Masse und Geschwindigkeitsquadrat die Bewegungsenergie. An Stelle des letzteren Namens benutzt man auch den der l e b e n d i g e n K r a f t . Doch ist diese Bezeichnung sehr unzweckmässig, da es sich gar nicht um irgend eine Kraft, sondern eben um eine Energie handelt. Ich habe den Namen nur genannt, damit Sie wissen, was gemeint ist, wenn Sie ihn anderswo finden. Jetzt sind noch die Einheiten festzustellen, in denen man diese Bewegungsenergie misst. Die Geschwindigkeit ist gleich dem Verhältniss zwischen dem Wege, den der Körper zurücklegt und der dazu verbrauchten Zeit. Die Einheit des Weges ist das Centimeter, die der Zeit die Secunde, die der Geschwindigkeit also ein Centimeter pro Secunde, und wenn l cm in t Secunden zurückgelegt werden, so ist die Geschwindigkeit c=///.
EINHEIT
DER
ENERGIE
187
Die Masse ist willkürlich festgestellt worden als das G r a m m oder der tausendste Theil des aus Platin hergestellten Kilogrammstückes, das in Paris aufbewahrt wird, und von dem genaue Copieen im Besitz der meisten Staaten sind. Mit Hülfe dieser ein für allemal festgesetzten Masseneinheit hat man nun die Einheit der Energie festgestellt. Nach dem eben Gesagten gilt die Gleichung e = |kmca, wo e die Bewegungsenergie, m die Masse und c die Geschwindigkeit ist; k bedeutet einen Factor, der von den Einheiten abhängt. Nun ist die E i n h e i t der Energie mit Hilfe der B e w e g u n g s energie definirt worden, indem man den Factor k willk ü r l i c h g l e i c h E i n s g e s e t z t h a t . Dadurch wird e = \mcz, und wenn man m und c gleich Eins setzt, d. h. eine Masse von einem Gramm mit der Geschwindigkeit von einem Centimeter in der Secunde in Bewegung setzt, so ergiebt sich e = -¡, d. h. eine so bewegte Masse enthält die halbe Einheit der Bewegungsenergie. Wird eine Masse von 2 Grammen mit der Geschwindigkeit Eins in Bewegung gesetzt, so enthält sie gerade die Einheit der Bewegungsenergie. Dies ist die Definition des E rg (S. 157), und auf solchem Wege hat man die Einheit der Energie festgestellt. Als Grundmaasse dienen hierbei, wie man sieht, die Einheiten der Zeit, der L ä n g e und der M a s s e . Die Frage, warum man diesen ziemlich umständlichen Weg gegangen ist, beantwortet sich dahin, dass die A u f b e w a h r u n g der Einheiten von Länge und Masse sich mit grösserer Leichtigkeit und Sicherheit bewerkstelligen lässt, als die irgend welcher anderer Einheiten, insbesondere auch einer Energieeinheit. Was die dritte Einheit, die der Zeit anlangt, so ist sie gleichfalls in hohem Maasse sicher durch die astronomischen Erscheinungen bestimmt, indem die Secunde als der 86400ste Theil eines mittleren Sonnentages definirt ist. Das Gesetz von der Erhaltung der Energie führt nun in dem Falle der Bewegungsenergie zu der Erklärung eines vielfach widerspruchsvollen Begriffes der älteren Mechanik, der T r ä g h e i t Mit diesem Namen wird die Eigenschaft bezeichnet, vermöge deren jeder Körper den Zustand der Ruhe oder Bewegung beizubehalten strebt, den er im Augenblicke hat, wobei
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DAS ENERGETISCHE
WELTBILD
die Bewegung insbesondere geradlinig zu bleiben strebt. In dieser gebräuchlichen Ausdrucksform, die wesentlich von NEWTON herrührt, sieht die Sache auffallend persönlich aus, als wenn sich die Körper gerade ein gewisses, an sich willkürliches Verhalten in den Kopf gesetzt hätten. Eine viel einfachere Gestalt gewinnt sie im Lichte der Energetik. Das Gesetz von der Erhaltung der Energie bezieht sich nicht allein auf die Vorgänge, bei denen vorhandene Energie in andere Formen übergeht, sondern ebenso auf solche, wo dies nicht der Fall ist. Dann berichtet das Gesetz, dass überhaupt keinerlei Aenderung in der Beschaffenheit der vorhandenen Energie eintreten kann, und dass diese also ihren Werth und ihre Art beibehalten muss. Bei der Bewegungsenergie muss nun gemäss dem Gesetze Werth und Art gleichfalls erhalten bleiben. Ist ein Körper „sich selbst überlassen", d. h. findet keinerlei Energieaustausch zwischen ihm und seiner Umgebung statt, so muss also zunächst die Masse unverändert bleiben; ferner die Geschwindigkeit Von der M a s s e werden wir alsbald lernen, dass sie unter allen Umständen unverändert bleibt, auch wenn Energiewechsel verlaufen, und dass hier die einzig möglichen Vorgänge in der Zusammenfügung und Trennung der Massen bestehen. Die G e s c h w i n d i g k e i t ist durch das Verhältniss zwischen Zeit und Weg bestimmt; letzterer hat aber zu seiner Kennzeichnung nicht nur ein« Grösse, s o n d e r n a u c h e i n e R i c h t u n g , und die Unveränderlichkeit bei dem Fernbleiben anderer Energieen bezieht sich auf b e i d e Eigenschaften der Geschwindigkeit. Was man nun Trägheit nennt, ist nichts als die Thatsache, dass eben die Bewegungsenergie unverändert ihren augenblicklichen Werth beibehält, so lange man keine andere Energie zuführt, die diesen Betrag ändert Dann behält auch c seinen Werth und seine Richtung, d. h. der Körper bewegt sich gleichförmig und geradlinig, bezw. bleibt in Ruhe, wenn er vorher in Ruhe war. Auch über das „Streben" ist zu sagen, dass man dem Körper keinerlei besondere Wünsche und Neigungen zuzuschreiben braucht Er hat durchaus nichts dagegen, dass ihm andere
MASSE
UND
189
GEWICHT
Energie zugeführt wird, und w e n n es geschieht, ändert er demz u f o l g e g a n z bereitwillig seine G e s c h w i n d i g k e i t
Nur giebt es
eben kein anderes Mittel, die Geschwindigkeit nach Grösse und Richtung zu
ändern,
als die Zuführung v o n Energie, und
so
l a n g e eine solche nicht erfolgt, kann eben auch keine Aenderung eintreten.
Die Sache
ist also
ganz
„natürlich",
und
nur
die
u n a n g e m e s s e n e V o r s t e l l u n g v o n dem menschlichen Willen vergleichbaren „Kräften", die a u s der Ferne den Körpern befehlen können, wie sie sich zu verhalten haben, die sich in Folge des von
NEWTON
körpern
eingeführten
durch
den
Begriffes der zwischen
Raum
waltenden
den
Welt-
Anziehungskräfte
aus-
gebildet hatte, Hess und lässt diese g a n z einfachen Dinge auffallend erscheinen.
—
Die Beziehungen Formen
der Energie
der sind
Bewegungsenergie theilweise
zu
bereits
den
anderen
berührt
worden.
Es tritt uns in erster Linie die gegenseitige Umwandlung der Schwereenergie
entgegen,
die sich bei
den
mit
Erscheinungen
des Fallens und W e r f e n s kennzeichnet. Wenn
ein
schwerer
früheren Höhe Arbeit
Körper
verliert,
durch
Absinken
s o geschieht
von
seiner
dies nicht immer
so, d a s s hierbei beständig irgend ein anderer Widerstand überw u n d e n wird, der die verfügbar werdende Energie verbraucht; beim „freien" Falle findet gar kein derartiger Verbrauch
statt.
Dann geht eben die Arbeit in B e w e g u n g s e n e r g i e über, und wir gewinnen unmittelbar die Hauptgleichung des freien Falles, w e n n wir diese U m w a n d l u n g g e m ä s s dem Erhaltungsgesetz in eine
Gleichung
bringen.
unter dem Einflüsse fh;
Fällt der Körper
dafür nimmt er eine Geschwindigkeit
Werth
seiner Bewegungsenergie
haben,
indem wir
\mci
die verbrauchte
Nun
lehrt die fallen,
Beobachtung,
w e n n man
an,
die durch
bestimmt
ist, und
Distanzenergie
gewonnenen Bewegungsenergie setzen, fh = schnell
durch die Höhe h
der Kraft f , s o verbraucht er die Arbeit
dass
alle
die U m w a n d l u n g
Körper ihrer
energie in andere Formen ausser Bewegungsenergie zwei
Körper
durch
die gleiche
wir der
juic8.
also insbesondere den Luftwiderstand ausschliesst. lässt man
gleich
den
gleich Schwere-
vermeidet, Das heisst,
Höhe h fallen,
so
190
DAS ENERGETISCHE
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nehmen beide auch die gleiche Geschwindigkeit c an. Schreibt man die eben erhaltene Gleichung für diese beiden Körper hin, indem man die Werthe durch Anhängen der Zeichen x und a unterscheidet, so erhält man zunächst fxhx =|-in 1 c 1 ! ! und fth^ = \mici i. Setzt man, wie eben gesagt, = k2, so folgt auch nach der Erfahrung cx = c 2 , also auch c * = c 2 z . Dividirt man die erste Gleichung durch die zweite und hebt die gleichen Werthe fort, so folgt f\\fi —mx\m2, d. h. die Kräfte, welche die beiden Körper bewegen, verhalten sich wie deren Massen. Die Kräfte sind in diesem Falle die Gewichte: die Erfahrung führt uns also zu dem sehr merkwürdigen Gesetze, d a s s d i e Gewichte aller schweren Körper sich wie ihre M a s s e n verhalten. Bei den wenig bestimmten Vorstellungen, die im gewöhnlichen Leben mit den Worten Gewicht und Masse verknüpft sind, erscheint dieser Satz wie eine Selbstverständlichkeit, die keines Beweises bedarf. Ueberlegen wir uns aber den Sinn unseres Ergebnisses, so werden wir uns zunächst sagen, dass zwischen dem Gewicht, durch welches die Körper bei der Annäherung an die Erde Arbeit leisten können, und der Masse, welche ihre sogenannte Trägheit, d. h. ihr Verhalten bei der Aufnahme und Aenderung ihrer Bewegungsenergie, bestimmt, zunächst überhaupt kein Zusammenhang ersichtlich ist. Dass ein solcher vorhanden ist, und sogar im Sinne einer so genauen Proportionalität, dass die Beobachtung bisher keinerlei Abweichung hat erkennen lassen, ist eine rein erfahrungsmässige Thatsache, die sich zunächst in der Gleichheit der Fallgeschwindigkeit aller Körper ausspricht. Die gleiche Thatsache bewirkt, dass die Schwingungsdauer eines Pendels nur von seiner Länge, nicht aber von seinem Gewicht und Material abhängig ist, und am Pendel hat die Prüfung dieses Gesetzes mit einem sehr hohen Grade von Genauigkeit stattgefunden. Beim Nachdenken über den Zusammenhang zwischen den von der Schwereenergie und den von der Bewegungsenergie abhängigen Grössen werden wir nun zunächst auf Betrachtungen geführt, wie wir sie bei einer ähnlichen Frage bereits (S. 180) angestellt haben. Hätte ein Körper nur Masse, aber keine
MASSI:
UND
GEWICHT
191
Schwere, so würden wir ihn nicht auf der Erde antreffen, da er irgendwo im Weltenraume seine einsame, durch keinen Genossen beeinflusste geradlinige Bahn verfolgen würde. Und wenn er zufällig einmal auf die Erde gelangte, so würde er sie ebenso schnell wieder verlassen, da es ja für ihn keine Ursachen giebt, die ihn dort hielten. Dies ist die eine Seite der Sache. Hätten wir andererseits einen Körper mit Schwere, aber ohne Masse, so würden wir ihn gleichfalls nicht handhaben können. Wenn wir ihm noch so wenig Bewegungsenergie durch irgend welche Handhabung ertheilen, so muss seine Geschwindigkeit dadurch alsbald unendlich gross werden. Denn die Bewegungsenergie ist hat der Ausdruck einen endlichen Werth, und ist m—O, so muss nothwendig c2 und daher auch c unendlich sein, da sonst das Produkt keinen endlichen Werth erhalten kann. Also auch ein masseloser schwerer Körper kann auf der Erde nicht zur Beobachtung gelangen, und somit können den Gegenstand unserer Erfahrung nur solche Raumtheile bilden, in d e n e n M a s s e u n d S c h w e r e gleichzeitig v o r h a n d e n sind. Lässt sich auf solche Weise auch grundsätzlich die Nothwendigkeit der gleichzeitigen Anwesenheit von Masse und Schwere an demselben „Körper" einsehen, so ergiebt sich doch noch nicht die Nothwendigkelt einer strengen Proportionalität zwischen beiden, wie sie die Erfahrung erkennen lässt Beim Nachdenken über die Frage bin ich schliesslich bei den folgenden Ueberlegungen stehen geblieben, die ich zwar selbst nicht für ganz befriedigend halte, die aber doch als Anregung zu Verbesserungen hier ihre Stelle finden mögen. Für die Bildung des Sonnensystems ist bekanntlich von K a n t die Vermuthung aufgestellt worden, dass es sich aus Körpertheilchen gebildet habe, die ursprünglich sehr weit im Räume zertheilt gewesen sind. Durch das Fallen nach dem Massenmittelpunkte haben sich diese Körper im Laufe der Zeit genähert und schliesslich (infolge einer noch unerklärten Excentricität dieses Falles) einen rotirenden Centraikörper gebildet, der während seiner Contraction die Theile abgeschleudert hat, welche jetzt die Planeten bilden.
192
DAS ENERGETISCHE
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Wie bekannt, stimmen die meisten Thatsachen gut mit dieser Annahme überein, so dass sie als wissenschaftlich wohlbegründet gelten kann. Geht man von ihr aus, so muss man den Schluss ziehen, dass die Zusammensetzung dieses Centraikörpers, falls die ursprünglich im Weltraum vorhandenen Theilchen ein verschiedenes Verhältniss zwischen Masse und Schwere besitzen, d u r c h die d i e s e n T h e i l c h e n e i g e n e F a l l g e s c h w i n d i g k e i t b e s t i m m t w o r d e n ist. Es werden in den Centraikörper nämlich zunächst solche Massen gelangen, deren verhältnissmässige Schwere am grössten ist, oder umgekehrt bei Körpern von gleicher Schwere die, deren Massen am kleinsten sind. Es findet eine A u s l e s e aller vorhandenen Körper statt, welche dahin wirken muss, dass im Centrum zunächst die am schnellsten fallenden eintreffen. Für diese wird das Verhältniss zwischen Schwere und Masse denselben Werth haben, und zwar den grössten vorkommenden. Gegen diese Ansicht lässt sich einwenden, dass im Laufe der Zeiten auch die langsamer fallenden Massen eintreffen werden, und dann das Verhältniss sich ändern muss. Indessen beträgt gegenwärtig die Zunahme des Sonnensystems durch fremde Massen, wie sich aus der Constanz der Bahnelemente entnehmen lässt, so ausserordentlich wenig im Verhältniss zu den vorhandenen Massen, dass ein solcher Einwand sich wohl widerlegen Messe. Gewichtiger ist vielleicht die Bemerkung, dass doch schon während der bisherigen Existenzdauer des Sonnensystems auch die langsam fallenden Massen Zeit genug gehabt haben müssten, um sich dem System anzuschliessen. Indessen wissen wir auch hierüber nichts und könnten umgekehrt die Thatsache der Proportionalität zwischen Schwere und Masse dazu verwerthen, das verhältnissmässig geringe Alter unserer Erde daraus abzuleiten. Auch bleibt zu bedenken, dass in Folge der Rotation des Centraikörpers gleichfalls eine Auslese stattgefunden hat, durch welche die mit viel Masse bei wenig Schwere behafteten Theile fortgeschleudert worden sind. Da diese Auslese in demselben Sinne gewirkt haben muss, wie die Auslese durch den
DAS RÄTHSEL
DER SCHWERKRAFT
193
schnellsten Fall, so lässt sich auch diese Betrachtung im gleichen Sinne verwerthen. Diese Darlegungen lehren wenigstens, dass eine Erklärung jener merkwürdigen Proportionalität nicht ausserhalb des Kreises unserer gegenwärtigen Kenntnisse liegt.1 Aus den Wechselbeziehungen zwischen Schwere- und Bewegungsenergie ergeben sich die Gesetze, nach denen die Weltkörper ihre Wanderungen durch den Raum durchführen. Zunächst m u s s m a n die G e s a m m t h e i t aller mit S c h w e r e b e h a f t e t e n K ö r p e r — und alle uns sichtbaren scheinen in diese Klasse zu gehören — als ein in sich z u s a m m e n g e h ö r i g e s G e b i l d e a u f f a s s s e n , dessen reale Existenz keineswegs auf den von der „Materie" jedes einzelnen Weltkörpers eingenommenen Raum beschränkt ist. Auf diesen letzteren Raum ist nur Form und Masse der Körper als der Ausdruck der entsprechenden Energieen beschränkt; i h r e Dist a n z e n e r g i e a b e r e r s t r e c k t s i c h ü b e r den g a n z e n Raum. Man sieht die Nothwendigkeit einer solchen Auffassung alsbald ein, wenn man sich überlegt, dass ein e i n z e l n e r mit Distanzenergie ausgestatteter Punkt undenkbar ist. Denn diese Energie besteht gerade in dem Vorhandensein von Arbeitsbeträgen, die bei der Näherung oder Entfernung z w e i e r (oder mehrere) Körper in andere Formen der Energie umgewandelt werden, oder aus solchen entstehen. Es ist also mindestens noch ein anderer von dem ersten um einen gewissen Betrag entfernter Körper nothwendig, damit überhaupt Distanzenergie vorhanden ist. Da ferner diese Energie von der Entfernung abhängt, so ist diese ebenso ein wesentlicher Theil der Distanzenergie, wie die Masse oder die Geschwindigkeit ein Stück der Bewegungsenergie ist. Durch derartige Ueberlegungen fällt das anscheinende „Räthsel", wie ein Körper auf einen anderen in die Ferne soll wirken können, also sich an einer Stelle bethätigen soll, wo er 1
In jüngster Zeit sind von H . A . L O R E N T Z und W . W I E N Betrachtungen angestellt worden, um die Schwere und Masse elektrodynamisch darzustellen. Diese haben gleichfalls zu einer angenäherten Proportionalitat zwischen Masse und Schwere geführt. OSTWALD, Naturphilosophie, i n . Auflage.
13
194
DAS ENERGETISCHE
WELTBILD
gar nicht „ist", als sinnlos zusammen. Es beruht auf dem Denkfehler, als sässe die „Anziehungskraft" eben nur in dem durch die Formenergie bestimmten Räume des betrachteten Körpers, und streckte von dort ihre Arme aus, um alles zu erfassen, was von wägbarer Materie in ihr Gebiet kommt Wir wissen umgekehrt nichts anderes, als dass die gegenseitige Beziehung der gravierenden Körper ebensolange und unter gleichen Bedingungen vorhanden ist, wie diese Körper selbst Es ist vermöge des Gesetzes von der Erhaltung der Energie nicht möglich, dass irgendwo ein schwerer Körper aus Nichts entsteht, der vorher nicht dagewesen war, und auf den nun die übrigen schweren Körper ihre Wirkung zu äussern anfangen. Sondern die Schwerebeziehungen sind von vornherein mit den Körpern selbst gegeben; die Schwereenergie ist als eine Art der Distanzenergie an ihre Bethätigung im Räume gebunden, und gehört der Gesammtheit aller gravitirenden Gebilde gleichzeitig mit ihrer Existenz an. Das „Räthsel von der Schwerkraft" löst sich demnach in die Thatsache der Distanzenergie auf, und dass es eine Art der Energie giebt, die von der Entfernung abhängig ist, kann ebenso wenig als räthselhaft angesehen werden, wie dass eine andere von Volum, und eine dritte von der Oberfläche und eine vierte von der Gestalt abhängig ist Viel eher hätten wir Anlass uns zu wundern, wenn eine von der Entfernung abhängige Energie n i c h t vorhanden wäre. — Ob nun ein bestimmter Weltkörper sich um einen Centraikörper bewegt, oder nicht, hängt von dem Verhältniss zwischen seiner Bewegungs- und seiner Distanzenergie ab. Dies ergiebt sich aus folgenden Betrachtungen, die grösstentheils schon von R. MAYER angestellt worden sind. Denken wir den Weltkörper aus sehr grosser Fernen gegen den Centraikörper fallend, so wandelt sich in jedem Augenblicke die verlorene Distanzenergie in Bewegungsenergie um, und die augenblickliche Geschwindigkeit ist n u r von der Entfernung abhängig, in welcher sich der Körper eben vom Centraikörper befindet. Ist die Bewegung nicht genau central, so schwingt er um den Centraikörper herum, und hat dann, ähnlich wie ein
REINE
195
MECHANIK
Pendel, gerade die erforderliche Geschwindigkeit, um sich wieder ins Unbegrenzte zu entfernen. Ist nun die Geschwindigkeit, die ein beliebiger Weltkörper hat, grösser, als die soeben bestimmte Geschwindigkeit in Bezug auf irgend einen anderen Körper, so wird er von diesem zwar in seinem Wege beeinflusst, er kann aber nicht der Satellit dieses Körpers werden, sondern entfernt sich wieder aus dessen Nähe. Ist dagegen die Geschwindigkeit kleiner, so reicht seine Bewegungsenergie nicht aus, um ihm eine beliebige Entfernung von dem Centraikörper zu gestatten, und er muss seine Bewegungen dauernd um diesen erfolgen lassen. Aehnliches gilt, wenn ein Weltkörper einen kleinen Theil ausschleudert; auch dann hängt es von der Geschwindigkeit seiner Bewegung ab, ob er seinen Stammkörper als Satellit umkreisen wird, oder sich aus seiner Nähe zunehmend entfernt — Mit der Durchführung der soeben dargelegten allgemeinen Gesetzmässigkeiten auf einen möglichst grossen Kreis von Fällen beschäftigt sich die Wissenschaft der Mechanik. In der sogenannten reinen, d. h. beschränkten Mechanik werden die Körper zunächst als absolut starr betrachtet. Da es solche nicht giebt, liegt hier wieder ein Abstractionsverfahren zur Vereinfachung der Darstellung und Bearbeitung vor. Im Sinne unserer Darlegungen ist ein starrer Körper ein solcher, dessen Formenergie sehr grosse Werthe bei einer geringen Veränderung der Form annimmt; ein absolut starrer Körper wäre dann ein solcher, bei dem für jede endliche Formänderung unendlich viel Energie verbraucht werden würde. Eine derartige Annahme wird eben nur gemacht, damit man bei der Rechnung keine Rücksicht auf die Formenergie zu nehmen braucht, und die Rechnung wird falsch, wenn letztere eben nicht verschwindend gering ist Wird umgekehrt die Formenergie eines Körpers sehr klein, so gelangen wir zu einem anderen theoretischen Grenzfall, bei welchem sie Null ist. Solche Körper heissen dann F l ü s s i g k e i t e n oder Gase. Beide unterscheiden sich durch die Art der Volumenergie, welche sie besitzen. 13»
196
DAS ENERGETISCHE
WELTBILD
Bei Flüssigkeiten ist (neben Resten von Formenergie) noch Volumenergie in demselben Sinne vorhanden, wie bei den festen Körpern. Es giebt auch für sie ein bestimmtes Volum, dessen Veränderung in irgend einem Sinne einen Arbeitsaufwand erfordert; ihr Volum kann ebensowenig verkleinert wie vergrössert werden, ohne dass zu diesem Zweck Energie aufgenommen werden muss. Demgemäss haben Flüssigkeiten auch ein e i g e n e s , mit dem äusseren Drucke etwas veränderliches Volum. Bei den „idealen" Flüssigkeiten wird von dieser Veränderlichkeit abgesehen und sie werden theoretisch als incompressibel betrachtet. Es ist einleuchtend, dass ein solches Absehen von einer vorhandenen Eigenschaft zwar in vielen Fällen in erster Annäherung zulässig ist, dass aber bei allen Schlüssen, die man aus dem theoretisch berechneten Verhalten idealer Flüssigkeiten zieht, für die Uebertragung auf die Wirklichkeit eine Untersuchung darüber erforderlich wird, ob im vorliegenden Fall die Vernachlässigung zulässig ist Die sehr geringe Volumänderung bei Druckänderungen macht Flüssigkeiten besonders geeignet zur Uebertragung von Druck. So prüft man beispielsweise Dampfkessel und andere Gefässe, welche einen starken inneren Druck auszuhalten haben, durch Einpressen von Wasser bis zu dem vorgeschriebenen Drucke und hat keinerlei Gefahr für die Umgebung zu befürchten, falls der Kessel reisst, während ein Reissen bei gleicher Belastung mit zusammengepresster Luft (oder Dampf) eine zerstörende Explosion zur Folge haben würde. Der Unterschied liegt nur darin, dass Wasser vermöge seiner sehr geringen Zusammendrückbarkeit auch nur sehr geringe Mengen Volumenergie in sich aufnehmen kann, aus der auf die losgerissenen Stücke des zerspringenden Kessels auch nur sehr geringe Bewegungsenergie übergehen kann. Umgekehrt muss ein Gas oder ein Dampf sehr bedeutende Mengen Volumenergie aufnehmen, um auf einen höheren Druck zu kommen, und diese wandelt sich unter den angegebenen Verhältnissen in entsprechend grosse Mengen zerstörender Bewegungsenergie um. Allen Flüssigkeiten besitzen Schwereenergie. Der Grund, dass wir keine Flüssigkeit kennen, die von dieser Eigenschaft
FL
ÜSSIGKEITEN
197
frei wäre, ist ganz derselbe, wie für die entsprechende Eigentümlichkeit der festen Körper (S. 191). Die Folge hiervon ist, dass die Flüssigkeiten ihre freie Oberfläche immer in Gestalt einer wagerechten Ebene formen, da nur bei dieser Begrenzung Gleichgewicht vorhanden ist. Denn Gleichgewicht tritt in allen Fällen dann ein, wenn kein Theil des Gebildes so bewegt werden kann, dass dabei Arbeit gewonnen wird. Solange noch ein Antheil der Flüssigkeit über die Gesammtoberfläche hervorragt, ist dies möglich. Nach unten sind die Flüssigkeiten durch die Gestalt der festen Körper begrenzt, auf denen sie aufruhen. Die Gefässe werden allerdings durch das Gewicht der Flüssigkeit auch etwas entstaltet, unter Umständen zerrissen. Für die Frage, ob dies letztere geschieht, sind die S. 183 dargelegten Umstände maassgebend. In einer schweren Flüssigkeit besteht ein Druck, der proportional der Tiefe unter der Flüssigkeitsoberfläche zunimmt. Indem man die Flüssigkeit unter einem solchen Drucke austreten lässt, kann sie eine entsprechende Menge Arbeit als Volumenergie ausgeben, welche gleich dem Product aus Druck und Volum ist. Hieraus ergiebt sich die Bestimmung der Druckeinheit: Der Druck Eins ist der, welcher für die Volumeneinheit, 1 ccm, die Arbeitseinheit, 1 Erg giebt. Für gewöhnlich ist bisher noch eine andere Druckeinheit im Gebrauch, welche ungefähr gleich dem mittleren Drucke der Luft ist und daher eine A t m o s p h ä r e heisst. Sie ist sehr viel grösser, als jene systematische oder absolute Druckeinheinheit, denn sie beträgt 1,033x10® dieser Einheiten und wird durch eine Wassersäule von 1033 cm oder eine Quecksilbersäule von 76 cm Höhe dargestellt. Diese Flüssigkeiten sind ausserdem der Sitz einer anderen Energieart, von der wir eine Andeutung bereits bei Gelegenheit der festen Körper gewonnen hatten (S. 183), der O b e r f l ä c h e n energie. Diese kennzeichnet sich dadurch, dass die Oberfläche einer Flüssigkeit nicht vergrössert werden kann, ohne dass dazu Arbeit verbraucht wird. Demgemäss verwandelt sich diese Energie in andere Formen, wenn hierfür weniger Arbeit ver-
198
DAS ENERGETISCHE
WELTBILD
braucht wird, als sie hergeben kann. Da die Oberflächenenergie proportional der Oberfläche ist, so giebt sich die Verkleinerung der vorhandenen Oberflächenenergie durch Verkleinerung der Oberfläche zu erkennen, d. h. die Flüssigkeiten zeigen das Bestreben, ihre freie Oberfläche möglichst zu verkleinern. Dies ist die Ursache der runden Gestalt der Regentropfen und kleiner Quecksilbermassen. In den Lehrbüchern pflegt sich die Darstellung dieser Erscheinungen und der Festigkeit der starren Körper auf die Hypothese von Anziehungen zwischen den kleinsten Theilchen oder Molekeln der Körper zu stützen, und man findet demgemäss diese Gebiete auch oft als Molekularmechanik von der Mechanik der Massen abgegrenzt. Ein Grund zu solchem Vorgehen ist nicht vorhanden; vielmehr werden nur entbehrliche Verwicklungen und schädliche Trübungen der wirklichen, d. h. mess- und nachweisbaren Beziehungen in die an sich klaren und einfachen Verhältnisse hineingebracht Die Ursache dieses fehlerhaften Vorgehens lag in der Gewöhnung, die Distanzenergie neben der Bewegungsenergie als die einzige Art mechanischer Energie anzusehen. Daher glaubte man die Flächen- und Volumenenergie nothwendig auf Distanzenergie zurückführen zu müssen, und versuchte diese Aufgabe durch die Annahme von Molekularkräften zu lösen. Da man diese aber nicht messen kann, so entstand nur eine Umschreibung der thatsächlichen Verhältnisse, welche die entscheidenden Punkte nur verdeckte, nicht aber aufklärte. Wir werden uns bald mit den hier zu Tage tretenden Bestrebungen nach hypothetischen „Veranschaulichungen" aufweisbarer Verhältnisse eingehender beschäftigen. Ebenso wie sich die Distanzenergie als ein Product von Kraft und Weg, die Volumenergie als eines von Druck und Volum darstellt, so erscheint die Flächenenergie als ein Product von S p a n n u n g und Fläche. Diese Spannung oder Oberflächenspannung hängt von der Natur der beiden Körper ab, die an einander grenzen. Bei einer Flüssigkeit kann man als normale oder typische Oberflächenspannung die bezeichnen, welche sie gegen ihren eigenen Dampf in einem
OBERFLÄ
CHENENER
GIE
199
sonst leeren Räume zeigt. Im übrigen sind die Oberflächenspannungen noch mit der Temperatur veränderlich, indem sie ohne Ausnahme mit steigender Temperatur abnehmen. Der Betrag der in dieser Gestalt vorhandenen Energieen ist im allgemeinen nicht gross; so ist die Arbeit, um 1 qcm Wasserfläche zu erzeugen, gleich 82 Erg. Die Einheit der Oberflächenspannung ist natürlich die, welche ein Erg für ein qcm ergiebt; die Oberflächenspannung des Wassers beträgt also nur 82 absolute Einheiten. Da die anderen Flüssigkeiten Oberflächenspannungen von noch geringerem Betrage zu haben pflegen, und die der festen Körper ungefähr um gleiche Werthe liegt, so hat im allgemeinen die Oberflächenenergie keinen erheblichen Antheil an der Gestaltung unserer Aussenwelt. Anders wird dies erst, wenn durch eine bedeutende Vergrösserung der Oberfläche der andere Factor dieser Energie stark vermehrt wird. Dies tritt namentlich in den Organismen ein, die vermöge ihres zelligen Aufbaus (und der wabigen Beschaffenheit des Baumaterials nach BÜTSCHLI) eine sehr bedeutende Entwicklung der Oberfläche zeigen, und daher entsprechende Energiemengen bethätigen. Auf die Einzelheiten dieser noch viel zu wenig gekannten Verhältnisse kann hier nicht eingegangen werden. Während die Oberflächenenergie an der Grenzfläche zwischen Flüssigkeiten (oder festen Körpern) und Gasen von der Beschaffenheit ist, dass eine Vergrösserung der Oberfläche Arbeit verbraucht, so bestehen zwischen Flüssigkeiten und festen Körpern Oberflächenenergien entgegengesetzten Zeichens, d. h. bei solchen wird Arbeit durch die Vergrösserung der gegenseitigen Berührungsfläche frei, und es kostet Arbeit, diese Oberfläche zu verkleinern. Hierauf beruhen die Erscheinungen der B e n e t z u n g . Diese werden gewöhnlich durch die Annahme von Anziehungskräften zwischen den Theilen des festen Körpers und denen der Flüssigkeit, der Adhäsionskräfte „erklärt", d. h. hypothetisch benannt. Es liegt hier wieder ein störender und unklarer Umweg vor, dessen Veranlassung dieselbe ist, wie sie eben für die Einführung der „Cohäsionskräfte" ge-
200
DAS
ENERGETISCHE
WELTBILD
schildert worden ist Sie sollten beide aus der rationellen Darstellung der Physik vollständig verschwinden. Zwischen festen und flüssigen Körpern besteht ein durch die Temperatur geregelter Uebergang: jeder feste Körper schmilzt bei einer bestimmten Temperatur, indem er flüssig wird. Auch diese Erscheinung wird fast nur hypothetisch durch eine Lockerung der Anziehungen zwischen den kleinsten Theilchen „erklärt". Der Thatbestand ist, dass eine bestimmte Menge Energie, meist in Gestalt von Wärme, beim Schmelzen aufgenommen wird, so dass die flüssige Form immer mehr Energie enthält, als die gleiche Menge der festen. Da die Unterschiede des Körpers in nichts anderem bestehend, als in Unterschieden ihrer Energieen, so bedarf es keiner „Erklärung", dass durch Zufuhr von Energie zu dem festen Körper ein anderer mit anderen Eigenschaften gebildet wird. Wir sagen daher nur, dass der feste Körper beim Schmelzpunkt eine Umwandlung erfährt, bei welcher er seine Formenergie verliert und auch eine Reihe anderer Eigenschaften ändert. Insofern schliessen sich diese Zustandsänderungen den chemischen Vorgängen an. Man bezeichnet im Deutschen den die Schmelzung und die analoge Verdampfung als Aenderungen des A g g r e g a t z u s t a n d e s . Auch dieser Name ist ein Ausdruck der mehrfach erwähnten Hypothese von der molekularen Zusammensetzung der Körper, und daher für die Bezeichnung eines von allen Hypothesen unabhängigen thatsächlichen Verhältnisses nicht geeignet. Ich will statt seiner den bereits anderweit vorgeschlagenen Namen F o r m a r t benutzen. Was nun die dritte Formart, den G a s z u s t a n d anlangt, so besteht deren Unterschied von den anderen darin, dass die Volumenergie nicht bei einem bestimmten Volum durch den Werth Null geht, wie bei den festen und flüssigen Körpern, sondern stets einen positiven Werth hat. Mit der flüssigen Formart theilt die gasige die Abwesenheit von Formenergie, die allein der festen zukommt Der stets positive Werth der Volumenenergie bedingt, dass ein Gas jeden Raum, der ihm dargeboten wird, vollständig ausfüllt; dabei ist es gleichgültig, ob in diesem Räume bereits ein
GASE
201
anderes G a s enthalten ist oder nicht; nur ist im ersten Falle die A u s b r e i t u n g langsamer.
Zu jedem V o l u m gehört bei einer
g e g e b e n e n G a s m e n g e ein bestimmter Druck, der ausserdem von der Temperatur
abhängt;
bei
bestimmter
Temperatur
ist
der
Druck dem V o l u m umgekehrt proportional. Lässt
man
daher
ein
Gas
gegen
einen
entsprechenden
Druck sein V o l u m vermehren, s o giebt e s eine g e w i s s e Menge Volumenergie aus, welche in andere Arbeit verwandelt werden kann.
Hierbei wird es kälter, und der Wärmeverlust ist gerade
gleich der entzogenen Arbeit. Temperatur,
wenn
es
Raum,
ohne
Arbeitsleistung
also
sich
Daher ändert e s auch nicht seine durch
Austreten
in
ausdehnt.
Diese
einen
leeren
wichtigen
Verhältnisse haben die experimentelle Grundlage für die Entwicklung
der
allgemeinen
Energielehre
gegeben,
deren
Ent-
stehung v o n der richtigen A u f f a s s u n g des V e r h ä l t n i s s e s zwischen Wärme und Arbeit a b h ä n g i g war.
Wir g e h e n in der nächsten
V o r l e s u n g genauer auf diese Begriffsbildungen ein. Für den Antheil der Gase an der Gestaltung unseres Weltbildes
ist
ihre
verhältnissmässig
immaterielle
Beschaffenheit,
d. h. ihr Mangel an Formenergie und an einem eigenen V o l u m neben
der geringen
Masse
von
grosser
Bedeutung
gewesen.
Durch diese Eigenschaften haben sich diese Körper lange
der
Kenntniss entzogen, und nur zögernd hat man ihnen während der Entwicklung der W i s s e n s c h a f t e n ihre Stellung anderen Körpern eingeräumt.
neben
den
Andererseits haben sie a u s dem
gleichen Grunde als Vorbilder für die hypothetische S c h a f f u n g immaterieller Materien förmigen oder
gedient,
und
die A n n a h m e
ultragasförmigen A e t h e r s
eines
spielt noch bis
gasauf
den heutigen T a g e eine nicht geringe Rolle in der theoretischen Physik, trotzdem
schon
„grosse Wort" g e s a g t Materien.
vor
hat:
f ü n f z i g Jahren J. R. MAYER es
giebt
keine
das
immateriellen
ZEHNTE
VORLESUNG
DIE W Ä R M E Kenntnisse und Zusammenfassungen, welche zu der Aufstellung einer mechanischen Energetik etwa in dem Umfange der vorigen Vorlesung erforderlich sind, waren bereits vor mehr als hundert Jahren vorhanden, und es wäre längst möglich gewesen, ein entsprechendes Weltbild zu gestalten, wenn sich nicht bei den täglichen Erscheinungen ein unerklärtes Entstehen und Verschwinden von Arbeitsmengen gezeigt hätte, von denen die Mechanik keine Rechenschaft zu geben im Stande war. Die nächstliegende Annahme, welche seinerzeit bereits gemacht worden ist und bis heute von den meisten Physikern noch gemacht wird, besteht darin, d a s s t h a t s ä c h l i c h n u r m e c h a n i s c h e E n e r g i e (nach E i n i g e n s o g a r n u r B e w e g u n g s e n e r g i e ) in der W e l t v o r h a n d e n ist. Wo scheinbar mechanische Energie verschwindet, geschieht dies nicht wirklich, sondern sie nimmt nur Formen an, in denen sie nicht mehr unmittelbar als mechanische Energie zu erkennen ist. Lässt man beispielsweise ein Gas sich unter Arbeitsleistung ausdehen, so wird Arbeit gewonnen, ohne dass andere sichtbare Arbeit verschwindet; dass einzige, was man merkt, ist dass das Gas k ä l t e r geworden ist. Wir sagen von unserem Standpunkte aus: die Wärmeenergie des Gases hat sich theilweise in Arbeit verwandelt, und darum ist das Gas kälter geworden. Die mechanische Hypothese sagt: die u n s i c h t b a r e mechanische Energie des Gases hat sich in s i c h t b a r e Arbeit
HYPOTHESEN
203
verwandelt, darum ist sie kleiner geworden. Erscheint uns dabei das Gas kälter, so ist dies ein Beweis dafür, d a s s die W ä r m e d e s G a s e s in u n s i c h t b a r e r m e c h a n i s c h e r E n e r g i e besteht. Welche von beiden Auffassungen ist nun richtig? Der Versuch kann hierüber nicht entscheiden, denn da man in den zu machenden mechanischen Annahmen frei ist, so kann man sie offenbar auch so machen, dass die durch den Versuch gegebenen Resultate herauskommen. Die erste Auffassung stellt dieselbe Sache dar, indem sie einfach die zwischen den verschiedenen beim Versuch auftretenden Grössen vorhandenen Beziehungen statuirt. Man geht also bei der zweiten Auffassung einen Umweg, indem man der einfachen Darstellung der Verhältnisse eine verwickeitere vorzieht, die bestenfalls ebensoviel Thatsächliches ausdrückt, wie die erste. A b e r m a n d r i n g t b e i der m e c h a n i s c h e n A u f f a s s u n g t i e f e r in d a s W e s e n der S a c h e ein, sagen deren Anhänger, denn während die einfache Beschreibung und Zusammenfassung der gemessenen Grössen uns nur über das Bestehen dieses Zusammenhanges etwas sagt, sagt uns die mechanische Anschauung etwas über das Wesen derselben. Dies ist zunächst ein grober Irrthum, denn die mechanische Auffassung sagt uns nicht, wie die Dinge in ihren „Wesen" sind, sondern nur, wie sie sein könnten, wenn es gelänge, die Gesammtheit der Verhältnisse im mechanischen Bilde darzustellen. So „erklärt" eine vielbenutzte mechanische Hypothese über die Natur der Gase deren Druck gegen die Gefässwände durch die Annahme, die Gase beständen aus elastischen sehr kleinen Theilchen oder Molekeln, die mit einer bestimmten Geschwindigkeit durch den Raum fliegen und durch ihr An- und Abprallen bezüglich der Gefässwände den Anschein des Druckes hervorrufen. Geht man von diesen Voraussetzungen aus, so kann man bei gegebener Masse und gegebenem Volum des Gases die Geschwindigkeit berechnen, welche man den Theilchen in Gedanken zuschreiben muss, damit der thatsächlich gegebene Druck herauskommt. Die Berechnung dieser Geschwindigkeiten, welche seinerzeit C l a u s i u s zuerst ausgeführt hat, wurde
204
DIE
WÄRME
vielfach als eine sehr wichtige wissenschaftliche Entdeckung angesehen. Wie man sieht, ist sie thatsächlich nichts, als die Ausführung einer unbewiesenen Voraussetzung, und der thatsächliche Inhalt dieses wissenschaftlichen Fortschrittes besteht in folgendem Satze: Nimmt man an, dass die Gase aus bewegten Molekeln bestehen, die durch ihren elastischen Stoss den Druck verursachen, so muss man sie sich mit bestimmten Geschwindigkeiten ausgestattet denken, die man aus ihrer Masse und ihrem Druck und Volum berechnen kann, damit auf solche Weise von den beobachteten Thatsachen Rechenschaft gegeben wird. Der Inhalt des Fortschrittes ist also ungefähr von der Beschaffenheit: Dieser Mann hat jährlich zwanzigtausend Mark zu verzehren; wenn dies von Zinsen herrührt, so hat er bei einem Zinsfuss von 4 % eine halbe Million Kapital. Ob er thatsächlich irgend welches Kapital besitzt, oder auf welche andere Weise er zu seinen Einnahmen kommt, bleibt ganz unbekannt und wird auch durch diese Rechnung nicht klarer. In das „Wesen" seines Erwerbslebens sind wir durch diese Rechnung nicht um das Geringste eingedrungen. Mit dieser Abweisung der hypothetischen Darstellung der Wärme als einer Art der Bewegung bleiben wir nun auf dem Standpunkte, den J . R. MAYER in seiner ersten grundlegenden Abhandlung eingenommen hatte. Er sagt über diese Frage ausdrücklich: „So wenig indessen aus dem zwischen Fallkraft und Bewegung bestehenden Zusammenhange geschlossen werden kann, das Wesen der Fallkraft sei Bewegung, so wenig gilt dieser Schluss für die Wärme. Wir möchten vielmehr das Gegentheil folgern, dass, um Wärme werden zu können, die Bewegung — sei sie eine einfache oder vibrirende, wie das Licht, die strahlende Wärme u. s. w. — aufhören müsse, Bewegung zu sein." Jeder, der die Geschichte des Gegenstandes kennt, weiss, dass diese Mahnung MAYER's zunächst in den Wind gesprochen war. Vielmehr wurde die Hypothese, dass Wärme eine unsichtbare Art der Bewegung sei, von den zeitgenössischen Forschern mit dem grössten Eifer aufgenommen und verfolgt, und es macht ganz den Eindruck, als hätten sie die Durchführung
WÄRME ALS
BEWEGUNG
205
dieser Hypothese für eine weit wichtigere wissenschaftliche Angelegenheit gehalten, als die Durchführung des Energiegesetzes selbst. TYNDALL, der mehr als irgend ein anderer Zeitgenosse für die Hervorhebung von MAYER's Verdiensten thätig gewesen ist — was ihm um so höher anzurechnen ist, als er darüber von seinen englischen Landsleuten heftig getadelt und des Mangels an Patriotismus beschuldigt wurde — hat seiner wirksamsten Schrift, in der er die neue Lehre verkündigte, den Titel: Die W ä r m e , b e t r a c h t e t a l s e i n e Art der B e w e g u n g gegeben. Und wenn auch CLAÜSIÜS, einer der eifrigsten Vertreter der Bewegungshypothese, die Verschiedenheit zwischen der reinen Energetik und der Bewegungshypothese sorgfältig betonte und die beiden Gebiete sauber getrennt hielt, so hat auch dieses sachgemässe Verhalten eine immer wieder auftretende Vermischung der beiden nicht zu verhindern vermocht. Bis in die allerneueste Zeit lässt sich nachweisen, dass beide Anschauungskreise als gleichwertig angesehen werden. Diese Erörterungen bieten einen willkommenen Anlass, die ganze Frage nach dem Verhältniss der Wissenschaft zu den Hypothesen möglichst klar zu stellen. Unsere heutige Wissenschaft macht von Hypothesen einen sehr ausgedehnten Gebrauch, ganz im Gegensatze zu dem von MAYER eingenommenen Standpunkte, der seine berühmte erste Schrift den „ F r e u n d e n e i n e r h y p o t h e s e n f r e i e n N a t u r a u f f a s s u n g " widmete, und auch bei anderer Gelegenheit den gleichen, später von KlRCHHOFF u n d MACH v e r t r e t e n e n S t a n d p u n k t
verfocht
In d e n 1 8 5 0
erschienenen „ B e m e r k u n g e n ü b e r d a s m e c h a n i s c h e A e q u i v a l e n t der W ä r m e " findet sich ganz zu Anfang das Programm dieser Geistesrichtung, das auch meinen Bemühungen zu Grunde liegt: „Die wichtigste, wenn um nicht zu sagen einzige Regel für die ächte Naturforschung ist die, eingedenk zu bleiben, dass es unsere Aufgabe ist, die Erscheinungen k e n n e n zu lernen, bevor wir nach Erklärungen suchen oder nach höheren Ursachen fragen mögen. Ist einmal eine Thatsache nach allen ihren Seiten hin bekannt, so ist sie eben damit erklärt und die Aufgabe der Wissenschaft ist beendigt. „Mag auch dieser Ausspruch von Einigen für trivial erklärt,
206
DIE
WÄRME
von Anderen mit noch so vielen Gründen bekämpft werden, so bleibt doch gewiss, dass diese Grundregel bis in die neueste Zeit herab nur allzu oft vernachlässigt wird, dass aber alle speculativen Operationen selbst der glänzendsten geistigen Capacitäten, die statt von den Thatsachen als solchen Besitz zu ergreifen, sich über dieselben erheben wollten, bis jetzt nur taube Früchte getragen haben." Dieser Vorwurf gilt heute nach einem halben Jahrhundert noch ebenso, wie er seinerzeit gegolten hat. Bis auf den heutigen Tag wird eine Unsumme von Zeit und Arbeit verschwendet, um über die grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit dieser oder jener Hypothese zu discutiren, ohne d a s s es dabei den Streitenden einfällt zu sagen, worin der thatsächliche oder experimentell aufzeigbare Unterschied der gegen einander ausgespielten Hypothesen denn eigentlich besteht. Von den Vertretern der Notwendigkeit der Hypothesen in der Naturforschung wird immer wieder betont, dass es unmöglich sei, in der Wissenschaft ohne Hypothese vorzudringen, und d a s s jeder unserer mathematischen Ansätze zur Darstellung der thatsächlichen Erscheinungen bereits Hypothesen enthalte. So sei in der Mechanik von absolut starren Körpern, absolut reibungslosen Flüssigkeiten u. s. w. die Rede, die es ja doch nicht giebt, und deren Annahme daher eine „Hypothese" sei. Dies gelte für alle Naturgesetze, denn diese drückten das Verhalten der Erscheinungen in gewissen idealen Fällen aus, die in der Wirklichkeit sich nie in reiner Gestalt antreffen Hessen, und daher handele es sich nothwendig überall in der Wissenschaft nicht um wirkliche Dinge, sondern um „hypothetische" Grenzfälle. Bei diesen Betrachtungen liegt eine Verwechselung zwischen zwei ganz wesentlich verschiedenen Dingen vor. Es ist unzweifelhaft, d a s s die mittelst der Naturgesetze dargestellten Verhältnisse sich in der Wirklichkeit niemals genau vorfinden, denn jene beziehen sich wie alle Ergebnisse unserer Denkthätigkeit auf A b s t r a k t i o n e n , d. h. auf die wirklichen Erscheinungen minus gewisser Seiten derselben, auf deren Berücksichtigung wir bewusst Verzicht leisten. Dies gilt für alle die vernach-
ERKLÄREN
207
Iässigten Grössen, die wir als Null betrachten, nicht weil sie Null sind, sondern weil sie kleiner sind als das, was wir messen können (vgl. S. 131). Ja, in vielen Fällen müssen wir auch noch messbare Beträge vernachlässigen, weil wir noch nicht die naturgesetzliche Form gefunden haben, sie in Rechnung zu bringen. Wir wollen dies Verfahren, das uns ja in den messenden Wissenschaften nicht zum ersten Male entgegentritt, sondern von dem unsere ganze geistige Thätigkeit abhängt, das A b s t r a k t i o n s v e r f a h r e n nennen, um es von anderen wissenschaftlichen Methoden zu unterscheiden. Die Annahme, dass die Wärme eine Art der Bewegung sei, gehört nun offenbar nicht in das Gebiet des Abstraktionsverfahrens, denn durch sie wird von dem Beobachtbaren der Erscheinungen nicht etwas f o r t g e l a s s e n , sondern es wird ihnen im Gegentheil etwas z u g e f ü g t , was vorher nicht in ihnen enthalten war. Die Wärmeerscheinungen lassen als solche unmittelbar keine von den Eigenschaften der Bewegung erkennen, und wenn man annimmt, sie beständen in Bewegung, so hat man keinen weiteren oder allgemeineren Begriff gebildet, sondern vielmehr einen engeren. In solchem Sinne ist dies Verfahren gerade das Gegentheil des Abstraktionsverfahrens. Aus welchem Grunde macht man denn überhaupt eine solche Annahme? Die Antwort ist, dass man mit ihr die Wärmeerscheinungen „erklären" will. Erklären heisst hier so viel, wie unbekannte Verhältnisse auf bekannte zurückführen oder sie als besondere Fälle bekannterer Verhältnisse nachweisen. Im vorliegenden Falle hält man die m e c h a n i s c h e n Erscheinungen für die bekannteren, die thermischen für die weniger bekannten, und sieht daher einen Fortschritt darin, die thermischen Erscheinungen als mechanische darzustellen. Welche Erscheinungen die bekannteren und welche die weniger bekannten sind, ist aber eine Frage, die nicht von der unmittelbaren Beschaffenheit der beiden Gebiete allein abhängt, sondern von allen Zufälligkeiten, welche die Reihenfolge unserer Bekanntschaften beeinflusst hat. Kennen wir FRITZ genau, so „erklären" wir uns PETER am leichtesten, wenn wir ihn als einen Vetter von FRITZ kennen lernen. Haben wir aber vorher
208
DIE
WÄRME
den Vorzug persönlicher Bekanntschaft von PETER gehabt, so ist der Weg, um unsere Bekanntschaft mit FRITZ ZU vermitteln, durch seine Beziehung zu PETER gegeben. Hätten mit anderen Worten unsere Forschungen sich zunächst und am eingehendsten auf die Wärme, statt auf die Mechanik bezogen, so würden wir Neigung empfinden, Bücher unter dem Titel „Die Bewegung, betrachtet als eine Art der Wärme" zu schreiben, und wir hätten hierzu ebensoviel Recht, wie zu dem umgekehrten Verfahren. Wie verfährt man nun, um die Wärme als eine Art der Bewegung erscheinen zu lassen? Man denkt sich die Körper als aus sehr kleinen „Molekeln" zusammengesetzt, welche bestimmte Bewegungen ausführen, und nimmt diese Bewegungen so an, dass deren Wirkungen mit gewissen Eigenschaften der Wärme übereinstimmen. So dehnen sich die meisten Körper durch Erhöhung der Temperatur aus. Man „erklärt" dies durch die Annahme schwingender Bewegungen der Molekeln, und die Steigerung der Temperatur durch eine Verstärkung dieser Schwingungen. Dann werden die Amplituden grösser und die Molekeln entfernen sich von einander, um diesen weiteren Schwingungen Raum zu geben: daraus folgt die Vergrösserung des Volums durch Erwärmung. Wenn allerdings statt der Vergrösserung Verkleinerung mit steigender Temperatur stattfindet, wie bei Wasser unter 4°, so treten Schwierigkeiten auf, die zu ihrer Beseitigung neuer Hypothesen bedürfen. Es handelt sich bei diesen H y p o t h e s e n im e n g e r e n S i n n e , wie man sieht, um die Herstellung von B i l d e r n o d e r b e s t e n f a l l s M o d e l l e n der w i r k l i c h e n E r s c h e i n u n g e n , w e l c h e g e w i s s e S e i t e n d e r l e t z t e r e n in ü b e r t r a g e n e r W e i s e d a r s t e l l e n . Diese Bilder oder Modelle sind fast ausnahmelos dem Gebiete der Mechanik entnommen, weil diese uns die bekanntesten Vorbilder für solche Zwecke liefert. Hiervon überzeugt man sich leicht, wenn man die üblichsten älteren und neueren Hypothesen in solchem Sinne betrachtet. Am deutlichsten fast lassen sich diese Eigentümlichkeit bei den verschiedenen Hypothesen über die Natur des L i c h t e s beobachten. Solange von den Lichterscheinungen die Spiegelungen im
LICHTHYP
O THESEN
209
Vordergrunde standen, konnte man sie durch das entsprechende m e c h a n i s c h e Bild elastischer Theilchen darstellen.
E b e n s o wie
eine elastische Kugel von einer gleichfalls elastischen W a n d so zurückgeworfen wird, d a s s die beiden Bewegungsrichtungen
mit
dem Einfallsloth gleiche Winkel machen und alle drei Geraden in einer E b e n e liegen, bündel,
der
s o verhält sich auch ein enges
„Lichtstrahl".
Auch
die Brechung
Hess
Lichtsich
in
gleicher Weise darstellen, wenn man die A n n a h m e hinzufügte, d a s s die Geschwindigkeit der Bewegung dieser Lichtkügelchen in den stärker brechenden Mitteln in einem bestimmten V e r hältniss machte
grösser war.
Aber
schon die Erklärung
verwickeitere Annahmen nöthig,
und
der Farben
als
gar
die Er-
scheinungen der Beugung und der Polarisation entdeckt wurden, da versagte die Emissionshypothese. d a s s ihre Vertreter Diese waren
gesagt
hätten:
vielmehr von
der
überzeugt, dass sie s a g t e n : ja
die
Emissionstheorie
Annahmen, und
Zwar nicht in der Gestalt, nun geht es
Richtigkeit
nicht
suchten
den
von
so
es m u s s gehen, denn s o n s t wäre
falsch.
Sie
machten
also
um die neu entdeckten Thatsachen
solche Eigenschaften
weiter.
dieser Ansicht
ihnen
zu
angenommenen
weitere
„erklären",
Lichttheilchen
zu geben, d a s s ein Abbild der
thatsäch-
Iichen Erscheinungen nothdürftig wieder hergestellt wurde. Um diese Zeit wurde die schon lange vorher von HÜYGENS und EULER aufgestellte Schwingungstheorie aufgenommen.
des Lichtes
wieder
Diese war von der Aehnlichkeit zwischen Licht
und Schall, die sich in ihrer Fortbewegung durch den zeigt, hergenommen worden.
Raum
Da die Versuche zeigen, d a s s das
Licht durch alle „leeren" R ä u m e ebensogut durchgeht, wie durch die „Materie",
so m u s s t e allerdings
für
einen
Ersatz für die
Luft, die beim Schall die Schwingung erfährt, S o r g e werden. nahm
Da
man
hierfür
kein
bekannter
einen u n b e k a n n t e n
Diesem Aether
an
m u s s t e man
Stoff und
die
getragen
aufzuweisen
nannte
Eigenschaft
ihn
war,
Aether.
zuschreiben,
nicht wie ein G a s oder eine Flüssigkeit Längswellen durch sich fortzupflanzen,
wenn
er
irgendwie
in Schwingungen
versetzt
wurde, sondern wie ein fester Körper Querwellen. Zunächst wurde
hierauf
kein
OSTWALD, Naturphilosophie. III. Auflage.
besonderes
Gewicht gelegt, 14
210
DIE
WÄRME
da aus der Schwingungstheorie selbst eine grosse Anzahl von Schlüssen gezogen wurde, die alle mit der Erfahrung gut übereinstimmten. Es gelang sogar, diese Theorie zu Voraussagungen noch unbekannter Erscheinungen zu benutzen, die später durch die Beobachtung bestätigt werden konnten. Gegenwärtig ist auch die Schwingungstheorie in ihrer älteren Form, nach welcher es sich um e l a s t i s c h e Schwingungen handeln sollte, fast ohne Kampf verlassen worden; an ihre Stelle ist die elektromagnetische Theorie getreten, nach welcher die Schwingungen nicht mehr elastischer Natur sein, sondern aus gegenseitigen Umwandlungen elektrischer und magnetischer Energie in einander bestehen sollen. Hierbei hat sich das Bildliche oder Modellmässige zwar zum grössten Theile, aber doch nicht ganz verflüchtigt, und die gegenwärtigen Anschauungen beginnen sich einer rein energetischen, d. h. hypothesenfreien Zusammenfassung der vorhandenen Thatsachen mehr und mehr zu nähern. Was hat nun diesen Wechsel veranlasst? Es war jedesmal der Umstand, dass das zur Darstellung der Wirklichkeit benutzte Bild nicht mehr für den Zweck ausreichte, und dass gewisse Seiten im Verhalten des Bildes das Gegentheil von der Wirklichkeit ergaben. So wurde die Emissionstheorie zu Fall gebracht, als experimentell nachgewiesen wurde, dass die Geschwindigkeit des Lichtes in stärker brechenden Mitteln nicht grösser ist, wie die Emissionstheorie verlangte, sondern kleiner als in schwächer brechenden. Die Schwingungstheorie hatte das Umgekehrte ergeben, und so wurde das Resultat des Experiments als eine Widerlegung der Emissionstheorie und als eine Bestätigung der Schwingungstheorie aufgefasst. Von diesem Schlüsse ist nur die erste Hälfte richtig, die sich auf die Emissionstheorie bezieht. Diese ist allerdings durch den Versuch als unangemessen und daher unbrauchbar erwiesen worden. Von einer Bestätigung der Schwingungstheorie darf aber nicht geredet werden, denn durch diese eine Uebereinstimmung war ja keineswegs bewiesen, dass auch alle künftig zu entdeckenden optischen Thatsachen sich mit der Theorie des elastischen Aethers in gleich guten Einklang
NATURGESETZE
UND HYPOTHESEN
211
würden bringen lassen. So lebt denn jede dieser Theorieen fort, wie ein entwichener Sträfling. Es mag ihr wohl gelingen, der Gefangennahme durch diese oder jene glückliche Wendung zu entgehen. Das Geschick der vorausgegangenen Brüder oder Vettern zeigt aber, dass es immer nur eine Sicherheit auf Zeit ist, und dass früher oder später auch ihre Stunde schlägt, wo sie nicht mehr entweichen kann und das unvermeidliche Schicksal aller abgethanen Hypothesen theilt. Eben ist die Schwingungstheorie vom Schicksal ereilt und von der elektromagnetischen Theorie verdrängt worden. Liegt nun ein solcher Gang im Wesen der Sache, müssen alle wissenschaftlichen Theorieen diese kurzlebige Existenz, die durch ein ruhmloses Ende beschlossen ist, über sich ergehen lassen? Fragt man die Geschichte der Wissenschaft, so braucht man nicht J a zu sagen. Es giebt, namentlich in der Mathematik und Mechanik, aber auch in den übrigen Theilen der Physik und in der Chemie grosse Gebiete, in denen man zwar noch allerlei Erweiterungen, aber keine Umwälzungen mehr erwarten kann. Die stöchiometrischen Gesetze werden in der Chemie bestehen bleiben, wenn auch längst die Atome nur noch im Staube der Bibliotheken zu finden sein sollten, und O h m ' s Theorie der elektrischen Stromleitung behält ihre Gestalt, welche Vorstellung vom „Wesen" der Elektricität auch die Zukunft bringen mag. Ebenso ist die einzige Aenderung, die den Gesetzen der Mechanik schlimmsten Falls bevorsteht, die, dass sie als besondere Fälle allgemeinerer Gesetze erkannt werden; als unrichtig oder verwerflich werden sie niemals dazustehen haben. Es giebt also unveränderlich dauernde Ergebnisse der Wissenschaft, und daneben vergängliche; wie kann man sie unterscheiden? Die Antwort ist bald gegeben: N a t u r g e s e t z e s i n d dauernd, Hy p o t h e s e n sind vergänglich. Hypothesen sind, wie wir gesehen haben, Bilder, welche die Darstellung weniger bekannter Erscheinungen durch bekanntere gestatten. Man wählt natürlich die Bilder so, dass die bekannten Eigenschaften der darzustellenden Erscheinung durch 14*
212
DIE
WÄRME
entsprechende Eigenschaften der Bilder dargestellt werden. Für die noch nicht bekannten Eigenschaften kann man nicht Vorsorgen; es trifft sich aber zuweilen, dass auch diese durch das gewählte Bild ihre angemessene Darstellung finden. Warum geht nun dies nicht ins Unbegrenzte vor sich, warum kann man nicht ein Bild finden, welches alle Eigenschaften der Erscheinung gleich vollkommen darstellt? Denn dass ein solches Bild nicht gefunden werden kann, ist durch unendliche Fehlschläge in der Geschichte der Wissenschaft nur zu sicher gestellt Die Antwort liegt darin, dass man durch die Benutzung des Bildes in die Darstellung der Erscheinung Bestandtheile hineinbringt, die dem Bilde angehören, nicht aber der Ers c h e i n u n g s e l b s t . Zwischen diesen fremden Bestandtheilen und den entsprechenden Theilen der Erscheinung stellt sich dann früher oder später der Widerspruch heraus, der das Bild als unbrauchbar erkennen lässt. Aber kann man den nicht gleich das Bild so wählen, dass ein Widerspruch nicht auftreten kann? Die Antwort auf diese Frage ist ein rundes Nein. Denn wenn Bild und Gegenstand in allen Stücken übereinstimmten, so wären sie eben dasselbe, d. h. man kann eine Erscheinung vollkommen nur durch sich selbst abbilden. Jede Abbildung durch eine andere Erscheinung enthält nothwendig fremde Elemente, die zunächst ungeprüft bleiben, und deshalb keinen Widerspruch erkennen lassen. Wenn aber der Vergleich zwischen Bild und Wirklichkeit immer weiter geführt wird, so muss unvermeidlich der Widerspruch zu Tage treten, und damit ist das Urtheil gesprochen. Dann kann man ja überhaupt nichts Bestimmtes in der Wissenschaft aussagen! rufen die Verfechter der Hypothesen aus. Alle unsere mathematischen Formeln, durch welche wir etwa die Beziehungen zwischen Fallzeit und Geschwindigkeit oder zwischen Spannung und Strom ausdrücken, sind ja auch nur Bilder der Wirklichkeit und nicht die Wirklichkeit selbst, und die Wissenschaft ist von A bis Z auf die Benutzung solcher Bilder angewiesen!
VORAUSSETZÜNGSLOSE
DARSTELLUNG
213
Die Antwort ist, dass eben zwischen F o r m e l n und Bildern ein entscheidender Unterschied besteht. Formeln sind Anweisungen zur Herstellung gewisser Mannigfaltigkeiten, die man den in den Formeln auftretenden Grössen zuordnet. Wenn ich die Formel von S. 189 fh = hinschreibe, so ist allerdings das Zeichen f ein Bild für die messbare Grösse Kraft, und c eines für die Geschwindigkeit. Aber diese Bilder haben keine e i g e n e n Bestandtheile, s o n d e r n nur s o l c h e , die i h n e n b e w u s s t und in controlirter W e i s e e r t h e i l t w o r d e n sind. Jeder der Buchstaben bedeutet, dass es sich um eine Mannigfaltigkeit mit Grössencharakter handelt, und nicht mehr, und diese Voraussetzung muss geprüft und bejahend beantwortet worden sein, bevor man überhaupt eine Formel für das Verhalten solcher Mannigfaltigkeiten aufstellen kann. Weitere Eigenschaften sind durch die Zuordnung der Buchstabenzeichen (an deren Stelle beliebige andere Zeichen stehen könnten) zu den Grössen nicht vorausgesetzt, und damit sind auch alle Bestandtheile vermieden, welche etwa künftig die Kritik der Erfahrung nicht aushalten könnten. Ganz anders ist es mit den Hypothesen oder mechanischen (und physikalischen) Bildern. Durch die Annahme, dass das Licht aus geradlinig durch den Raum fliegenden Körperchen bestehe, sollte zunächst nur das Gesetz der geradlinigen Fortpflanzung der Strahlen zum Ausdruck gebracht werden; das gleiche Bild, erweitert durch die Annahme elastischer Eigenschaften, diente dann zur Darstellung der Spiegelung. Mit dieser Annahme waren aber alle die anderen Eigenschaften, welche bewegten Massen zukommen, in das Bild aufgenommen worden, ohne dass irgend eine Wahrscheinlichkeit oder gar Sicherheit darüber bestand, dass ihnen ähnliche Eigenschaften des Lichtes entsprechen würden. Ziehen wir die Summe dieser Betrachtungen, so stellt sich für die Wissenschaft die Aufgabe heraus, die in ihr auftretenden Mannigfaltigkeiten in solcher Weise darzustellen (oder wenn man will abzubilden), d a s s nur die t h a t s ä c h l i c h in den darzustellenden Erscheinungen angetroffenen und n a c h g e w i e s e n e n E l e m e n t e in die D a r s t e l l u n g a u f -
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DIE
WÄRME
g e n o m m e n w e r d e n , alle anderen ungeprüften Elemente aber fernzuhalten. Dadurch sind alle sogenannten anschaulichen Hypothesen oder physikalischen Bilder ausgeschlossen, und als Mittel der Darstellung verbleiben allein die allgemeinen Hülfsmittel für die Darstellung der Mannigfaltigkeiten, die Z a h l e n und die für diese stehenden allgemeinen Zahlenzeichen oder algebraischen Ausdrücke. Oft erscheinen allerdings auch die Hypothesen in dem Gewände mathematischer Darstellung und es ist bei dem gegenwärtigen Zustande der Wissenschaft wichtig, einer vorgelegten Formel sofort ansehen zu können, ob sie eine Hypothese enthält oder nicht. Das Recept hierzu ist einfach genug. W e n n j e d e in der F o r m e l a u f t r e t e n d e G r ö s s e f ü r s i c h m e s s b a r ist, so handelt es sich um eine dauernde Formel oder ein Naturgesetz (vorausgesetzt, dass sie wirklich die erfahrungsmässigen Beziehungen der enthaltenen Grössen darstellt); treten dagegen in der Formel Grössen auf, welche nicht messbar sind, so handelt es sich um eine Hypothese in mathematischer Gestalt, und in der Frucht sitzt der Wurm. So wird beispielsweise in der kinetischen Gastheorie der Druck durch die Formel pv=\mnci dargestellt. Wenden wir unser Prüfmittel an, so ergiebt sich, dass die linke Seite der Formel messbare Grössen, den Druck p und das Volum v enthält Die rechte enthält dagegen die nicht messbaren Grössen m = Masse einer Molekel, n = Anzahl der Molekeln, c = Geschwindigkeit der Molekeln. Folglich stellt die Formel kein Naturgesetz dar, sondern eine Hypothese. Aber, wird der Kinetiker sagen, bei constanter Temperatur sind alle Grössen auf der rechten Seite constant, und dann stellt die Formel ganz richtig das BOYLE'sche Gesetz dar. Darauf antworte ich: Schreibe Deine Formel pv = const für constante Temperatur, und es kann niemand etwas gegen sie sagen. Sowie Du aber Dinge hineinschreibst, über die Du zwar etwas behaupten, nicht aber beweisen kannst, steht mehr darin, als Du vor der Wissenschaft verantworten kannst Alles dies ist ja nichts, als eine breitere Darlegung dessen, was in den Worten von 3. R. MAYER (S. 205) bereits gesagt
WERTHLOSIGKEIT
DER
HYPOTHESEN
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ist. Aber es erschien nothwendig, diese breite Darlegung zu entwickeln, denn die Anwendung von Hypothesen hat in der Wissenschaft keineswegs in dem Maasse abgenommen, als man sich überzeugt hat, dass die bisher benutzten unbrauchbar waren. Es ist wie mit dem Gewohnheitsbiertrinker; an jedem Morgen, wo er unter den Folgen seiner Genüsse leidet, beklagt er sich, dass ihm gerade d a s Bier nicht gut bekommt, das er gestern getrunken hat, und er sucht nach einem Stoff, den er besser vertragen kann. Den Schluss, dass Bier überhaupt schädlich ist, kann er zu ziehen sich nicht entschliessen. Ein Vertheidigungsmittel der Hypothesen, welches ihre Vertreter für unwiderleglich zu halten pflegen, ist der Hinweis, dass mit ihrer Hilfe doch so viele schöne Entdeckungen gelungen seien. Darauf kann ich nur antworten, dass ohne diese Hypothesen wahrscheinlich von den Entdeckern mehr geleistet worden wäre. Die Entdeckungen sind nicht d u r c h die Hypothesen, sondern t r o t z derselben gelungen, denn Entdeckungen gelingen immer nur durch Arbeit und nicht durch Vermuthungen. Auf welchem Wege man an den Punkt geführt worden ist, wo man seinen Schacht abgesenkt hat, ist ziemlich gleichgültig; wenn man ernstlich und mit offenen Augen arbeitet, ist man sicher, etwas zu finden. Man sieht dies am besten an der Thatsache, dass auch Hypothesen, die uns jetzt als der Gipfel alles Unverstandes erscheinen, wie z. B. die vom Wärmestoff, nicht weniger zu wichtigen Entdeckungen geführt haben, wie andere, die wir jetzt noch als „richtig", d. h. noch nicht in ihrer Unangemessenheit nachgewiesen anerkennen. Aber wir bedürfen doch eines vorläufigen Führers ins Unbekannte beim Arbeiten, wird wieder eingewendet, und wenn nichts anderes, so wird doch die „working hypothesis", die vorläufige Annahme bestimmter Möglichkeiten gegenüber dem Unbekannten als ein berechtigtes Verfahren hingestellt. Es ist insofern ein berechtigtes Verfahren, als die Krücke ein berechtigtes Bewegungsmittel ist: für den, der nicht anders zu gehen versteht. Dies muss allerdings zugegeben werden, dass die bewusste Handhabung des Mannigfaltigkeitsbegriffes
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DIE
WÄRME
für die Durchführung wissenschaftlicher Forschung noch wenig verbreitet ist, und unsere jungen Forscher meist angeleitet werden, die Krücke für ein unentbehrliches Hilfsmittel zu halten. Aber wir haben doch grosse Gebiete, wo die Ueberlegenheit der voraussetzungslosen Methode, die nichts sucht als begrifflich oder womöglich mathematisch darstellbare Zusammenhänge messbarer und aufweisbarer Grössen, sich in ihrem unvergleichlichen Werthe unzweideutig gezeigt hat. Das beste Beispiel hierfür ist das glänzendste Gebiet der heutigen Physik und Chemie, die reine T h e r m o d y n a m i k , oder, da dieser Name viel zu eng ist, die reine E n e r g e t i k . Ein anderes, sehr deutlich zu den Augen, die sehen wollen, und den Ohren, die hören wollen, sprechendes Beispiel ist die heutige grossartige Entwicklung der theoretischen wie praktischen Elektrik. Es findet sich gelegentlich die kopfschüttelnde Bemerkung, dass trotz dieser grossen Fortschritte wir über das „eigentliche Wesen" der Elektricität gerade ebenso unklar wären, wie vor hundert Jahren. Wenn etwas aus dieser Bemerkung hervorgeht, so ist es nur, dass die F r a g e nach dem Wesen der Elektricität heute noch gerade ebenso u n k l a r g e s t e l l t wird, wie vor hundert Jahren. Wenn wir das Verhalten der elektrischen Erscheinungen in ihren kleinsten wie grossartigsten Bekundungen so genau kennen, dass wir sie auf das feinste nach unseren Wünschen und Bedürfnissen regeln können, so dürfen wir sagen, dass wir in der That ein recht weitgehendes Wissen über ihr Wesen haben. Es sei denn, dass man unter dem „Wesen" einer Sache etwas anderes, als die Gesammtheit ihrer möglichen Beziehungen versteht; dann aber müssen jene Frager doch erst sagen, was sie mit dem Worte Wesen eigentlich meinen. Das Suchen nach mechanischen Hypothesen für nichtmechanische Dinge erinnert lebhaft an die den früheren Jahrhunderten angehörenden Bemühungen um die Verwandlung unedler Metalle in Gold und die Herstellung des Perpetuum mobile, und wir dürfen mit Vertrauen darauf rechnen, dass unsere Kinder und Kindeskinder unsere Hypothesen mit eben demselben liebevollen Bedauern ansehen werden, das wir selbst
DIE MA NNIGFA L TIGKEIT
DER
ENE R GIEEN
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an jene irregeleiteten Alchemisten und Mechaniker wenden. Aber wie aus der Unmöglichkeit des Goldmachens das wichtige Gesetz von der Erhaltung der Elemente bei ihren Umwandlungen, und aus dem unmöglichen Perpetuum mobile das noch weit wichtigere Gesetz von der Erhaltung der Energie hervorgegangen ist, so wird eine ähnliche Erkenntniss von der Eigenart des Mannigfaltigkeitscharakters, die jeder zusammengehörigen Gruppe von Erscheinungen zukommt, ein Gesetz von der Erhaltung des Typus der Erscheinungen als positive Folge der negativen Ergebnisse aller Versuche zur Erfindung dauerhafter Hypothesen sich allmählich ans Licht arbeiten, und auch hier wird es sich zeigen, dass kein Gebiet menschlicher Anstrengung fruchtlos bleibt, wenn auch oft eine lange Zeit vergeht, bis der Mann kommt, der die Frucht zu sehen und der, der sie zu pflücken weiss. Die vorangegangenen Darlegungen über das Verhältniss zwischen naturgesetzlichen und hypothetischen Beziehungen waren nöthig, um allen noch bevorstehenden Betrachtungen der nichtmechanischen Energiearten gegenüber alsbald die angemessene Stellung zu gewinnen. Denn für jede dieser Arten sind zu verschiedenen Zeiten die mannigfaltigsten Hypothesen versucht worden, ohne dass auch nur eine von ihnen eine gesicherte Existenz hätte gewinnen können. Wir entnehmen aus den gestellten Betrachtungen den Hinweis, alle unsere Ansätze streng daraufhin zu prüfen, dass sie nur messbare Dinge enthalten. Ein anderer Punkt, der hier noch keine eingehende Untersuchung erfahren kann, soll wenigstens berührt werden; er betrifft die Frage nach den wirklichen Verschiedenheiten der Energieformen. Wenn in so bestimmter Weise, wie es eben geschehen ist, die Unausführbarkeit vollkommen zutreffender hypothetischer Veranschaulichungen behauptet wird, so kann man ausser dem bisher allein erwähnten geschichtlichen Grunde noch nach einem sachlichen fragen. Ein solcher liegt in den V e r schiedenartigkeiten des Mannigfaltigkeitscharakters der v e r c h i e d e n e n E n e r g i e e n . Was damit gemeint ist, kann vorläufig an den Unter-
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schieden zwischen verschiedenen Arten der mechanischen Energie anschaulich gemacht werden. Die Bewegungsenergie ist eine g e r i c h t e t e Grösse, die Volumenergie nicht. Ein zusammengepresstes Gas leistet überall Arbeit, wo man eine Vergrösserung des Volums gestattet, und eine Beschränkung findet nur insofern statt, als die Vergrösserung nothwendig von der bisherigen Begrenzung des Volums ausgehen muss. Aber wenn wir gleich grosse Volume zweier auf denselben Druck zusammengepresster Gase von beliebiger Gestalt haben, so kann das eine ohne weiteres für das andere gesetzt werden, wenn eine Umwandlung beabsichtigt ist, und ein Unterschied ist nicht vorhanden. Haben wir dagegen zwei gleiche Massen, die sich mit gleich grosser Geschwindigkeit durch den Raum bewegen, so kann darum noch keineswegs die eine Bewegungsenergie für die andere gesetzt werden, sondern die beiden Geschwindigkeiten müssen auch noch der Richtung nach übereinstimmen, wenn sie Gleiches bei einer vorgeschriebenen Umwandlung leisten sollen. Drucke sind mit anderen Worten d u r c h i h r e G r ö s s e a l l e i n bestimmt, Geschwindigkeiten haben ausserdem noch eine Richtung. Ja selbst in dieser einen Richtung können noch zwei verschiedene Fälle unterschieden werden, je nachdem die Bewegung innerhalb der Richtung in einem Sinne oder im entgegengesetzten erfolgt. Deshalb ist es auch nicht möglich, Bewegungsenergie durch Volumenergie darzustellen, denn letztere enthält nicht die erforderlichen Mannigfaltigkeiten. Das Umgekehrte ist allerdings möglich, aber nur, indem man auf die vorhandenen Mannigfaltigkeiten der Bewegungsenergie verzichtet Dies geschieht bekanntlich durch die Annahme der kinetischen Hypothese, dass die vorhandenen Bewegungen nach allen Richtungen und mit allen möglichen Geschwindigkeiten erfolgen. Es kann an dieser Stelle noch nicht näher auf diese Betrachtungen eingegangen werden; doch dürften sie genügen, um die wesentlichen Punkte erkennen zu lassen. Später wollen wir eine eingehendere Untersuchung über die Frage anstellen, wodurch überhaupt die verschiedenen Energieen als verschieden gekennzeichnet sind, und ob es ausser den bekannten noch
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andere mögliche Energieformen giebt. Dabei wird sich zeigen, dass sogar Mittel vorhanden sind, gewisse Eigenschaften noch unbekannter möglicher Energieformen vorauszusagen, wenn deren noch vorhanden sind. Von den nichtmechanischen Energiearten ist sachlich und geschichtlich die W ä r m e die wichtigste. Sachlich wegen ihrer Verbreitung und wegen ihrer Rolle für die Gewinnung nutzbarer mechanischer und chemischer Energie; geschichtlich, weil sie die erste Energieart war, die den mechanischen Arten als gleichwerthig angeschlossen wurde. Dies geschah im Jahre 1 8 4 2 erstmalig durch JULIUS ROBERT MAYER, f e r n e r d u r c h JOULE, COLDING u n d n a m e n t l i c h HELMHOLTZ,
von denen jeder selbständig und in originaler Weise den allgemeinen Energiegedanken aussprach und durchführte. MAYER hatte seine Gedanken, entsprechend seinem Berufe als praktischer Arzt, auf Grund physiologischer Erfahrungen und Betrachtungen gefunden, und es hatte ihm bei der ungenügenden mathematisch-physikalischen Ausbildung, unter der seinerzeit die Mediciner nicht weniger litten, als sie heute noch leiden müssen, eine ganz ausserordentliche Mühe gekostet, ihn in Formen zu kleiden, in denen er den Physikern geläufig gemacht werden konnte. Trotzdem die Zeit einigermaassen reif für den Gedanken war, wie schon aus seinem gleichzeitigen Auftreten in verschiedenen unabhängigen Köpfen geschlossen werden kann, so kostete es doch eine lange und mühsame Arbeit, ihn allseitig durchzuführen. J a , man kann sagen, dass trotz der 6 0 Jahre, die seitdem vergangen sind, die Aufgabe noch nicht vollkommen gelöst ist. MAYER'S Gedankengang in Bezug auf die Wärme ist dadurch angeregt worden, dass er das Venenblut der Europäer, die frisch nach den Tropen gekommen waren, bei Aderlässen viel röther fand, als es im Norden ist. Er schloss daraus, dass im Körper ein viel geringerer Oxydationsvorgang stattfinden müsse, entsprechend dem geringeren Wärmebedarf im tropischen Klima. Hieran schloss sich die folgende Frage: Der Körper kann durch mechanische Arbeit Wärme erzeugen, indem er sie
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in Reibung oder dergleichen verbraucht. Andererseits erzeugt er Wärme in sich durch Athmung, d. h. Verbrennung. Ist nun eine gewisse Menge Nahrungsmittel gegeben, so würde diese bei u n m i t t e l b a r e r Verbrennung eine bestimmte Wärmemenge erzeugen. Wenn nun der Organismus gleichzeitig mechanische Arbeit und hieraus Wärme producirt, tritt diese Wärme dann noch neben der gewöhnlichen Verbrennungswärme als ein Plus auf, oder ist die S u m m e der directen und indirecten Wärme zusammen auf Rechnung der Verbrennung zu bringen? Wenn man den schon damals als richtig angenommenen Satz zugiebt, dass durch die Verbrennung gegebener Stoffe immer nur dieselbe Wärmemenge entwickelt werden kann, unabhängig von dem Wege, auf dem die Verbrennung erfolgt, so muss die zweite Möglichkeit die richtige sein. „Denn wenn man nicht dem Organismus die Fähigkeit der Wärmeerschaffung, die ihm soeben abgesprochen wurde, gleich wieder zutheilen will, so bleibt nichts übrig als anzunehmen, dass die g e s a m m t e , theils unmittelbar, theils auf mechanischem Wege vom Organismus entwickelte Wärme dem Verbrennungseffecte quantitativ entspricht oder gleich ist. Daraus aber folgt nun mit derselben Notwendigkeit, d a s s die v o m lebenden K ö r p e r e r z e u g t e m e c h a n i s c h e W ä r m e mit der d a z u v e r b r a u c h t e n A r b e i t in e i n e m u n v e r ä n d e r l i c h e n G r ö s s e n verhältnisse stehen muss. Denn wenn, je nach der verschiedenen Construction der zur Wärmegewinnung dienenden mechanischen Vorrichtungen u. dergl. durch die nämliche Arbeit und bei gleichbleibendem organischen Verbrennungs-Processe v e r s c h i e d e n grosse Wärmemengen erzielt werden könnten, so würde ja die producirte Wärme bei einem und demselben Material-Verbrauche bald kleiner, bald grösser ausfallen können, was gegen die Annahme ist. Da aber ferner zwischen den mechanischen Leistungen des Thierkörpers und zwischen anderen, anorganischen Arbeitsarten kein qualitativer Unterschied besteht, s o i s t f o l g l i c h e i n e unveränderliche G r ö s s e n b e z i e h u n g z w i s c h e n d e r W ä r m e und der Arbeit ein P o s t u l a t der p h y s i o l o g i s c h e n V e r b r e n n u n g s t h e o r i e . " JOULE und COLDING sind ohne die Vermittelung der Orga-
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HELMHOLTZ
JOULE
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nismen zu ähnlichen Betrachtungen geführt worden, indem sie unmittelbar die Erzeugung von Wärme durch Arbeitsaufwand (Reibung) ins Auge fassten. Dabei wurde JOULE insbesondere durch seine Erfahrungen über die Erzeugung mechanischer Arbeit mittelst Elektromagneten geleitet. HELMHOLTZ ist seinerseits sehr nahe den gleichen Weg gegangen, wie MAYER, und ist, da er gleichfalls Mediciner war, wesentlich durch die physiologischen Verbrennungserscheinungen zum Nachdenken über diese Fragen veranlasst worden. In seiner ersten Darstellung der erhaltenen Ergebnisse ist indessen wie in MAYER'S erster Darstellung der Ausgangspunkt nicht sichtbar. Vielmehr leitet er dort das Gesetz von der Erhaltung der Energie aus der Annahme ab, dass alle Erscheinungen in letzter Linie auf die Existenz anziehender oder abstossender Kräfte zurückführbar seien. Da nun für die mechanischen Erscheinungen das Erhaltungsgesetz gilt, so folgt, dass es für alle Erscheinungen gelten muss, wenn alle in letzter Linie mechanische sind. MAYER giebt seinerseits in seiner ersten Abhandlung erkenntnisstheoretische Betrachtungen, die auf dem Satze beruhen: c a u s a a e q u a t e f f e c t u m , wobei eine c a u s a von ihm als ein Ding definirt wird, welches verschwindet, wenn es in seine Wirkung übergeht. Als solche causae erkennt er einerseits die Materie, andererseits die Kräfte (Energieen) an und definirt letztere als unzerstörliche, wandelbare, imponderable Objecte. Er thut dies, um dem Begriff der Kraft das Hypothetische zu nehmen und „ihn ebenso präcis wie den der Materie aufzufassen, und damit nur Objecte wirklicher Forschung zu bezeichnen". Unter Objecten wirklicher Forschung versteht er aber messbare Objecte. Das Urtheil der Zeitgenossen über die beiderseitige Begründung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie war durchaus zu Gunsten von HELMHOLTZ. Das Urtheil der Nachwelt wird anders lauten. Wie wir uns aus den gleichzeitigen Briefen und den späteren Schriften MAYER'S überzeugen können, handelt es sich für ihn um den Nachweis eines Naturgesetzes, der in letzter Linie nur erfahrungsmässig erfolgen kann, und er weist immer wieder alle Hypothesen über das sogenannte Wesen
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der verschiedenen Energieen ab. Bei HELMHOLTZ ist allerdings der erfahrungsmässige Nachweis gleichfalls die Hauptsache; ihm erscheint aber die Ableitung des Gesetzes aus der mechanistischen Hypothese als eine so wichtige und überzeugende, dass er sie an den Anfang seiner im übrigen streng empirischen Darstellung setzt. Bei Gelegenheit einer viel späteren Neuausgabe hat er allerdings die damaligen Betrachtungen sehr erheblich eingeschränkt. Was JOULE anlangt, so geht dieser gleichfalls von der mechanistischen Hypothese aus, und zwar in der noch bestimmteren Form, dass die Wärme ein Schwingungszustand (state of Vibration) sei. Auch ihm sind die atomistischen Vorstellungen eine unbezweifelte Nothwendigkeit, und er „erklärt" beispielsweise die Wärmeentwicklung bei chemischen Reactionen durch den Fall der sich anziehenden Atome gegen einander. Aus der allgemeinen Ueberlegung, dass zwischen der verbrauchten Arbeit und der entstehenden Wärme eine bestimmte Grössenbeziehung vorhanden sein müsse, ergab sich die Aufgabe, diesen Zahlenwerth festzustellen. MAYER löst sie auf eine ungewöhnlich sinnreiche Weise. Die bisherigen Untersuchungen über die Wärmeverhältnisse der Gase hatten ergeben, dass zur Erwärmung einer bestimmten Gasmenge um ein bestimmtes Temperaturintervall verschiedene Wärmemengen erforderlich sind, je nachdem die Erwärmung bei constantem Volum (unter Druckzunahme) oder bei constantem Druck (unter Volumzunahme) erfolgt Die anfangs gehegte Vermuthung, dass die Volumzunahme an sich einen Wärmeverbrauch bedinge, wurde durch Versuche von GAY-LUSSAC widerlegt, welcher zeigte, dass bei Ausströmung eines zusammengepressten Gases in einen vorher leergepumpten Ballon insgesammt keine Temperaturänderung, also auch kein Wärmeverbrauch eintritt, wenn auch die ausströmende Gasmasse eine Abkühlung, die sich im leer gepumpten Räume sammelnde eine Erwärmung erfährt Während die Zeitgenossen MAYER'S diese Thatsachen nicht unter einen zusammenhängenden Begriff zu bringen vermochten, fasste dieser die Erscheinungen folgendermaassen auf. Bei der
MECHANISCHES
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Erwärmung bei constantem Volum ist dem Gase nur Wärme zuzuführen; bei der unter constantem Druck muss es ausserdem nach aussen Arbeit abgeben, die gleich dem Product aus der Volumvermehrung in den Druck ist. Diese Arbeit kann nicht aus nichts entstehen, und so muss, da andere Arbeitsformen nicht vorhanden sind, entsprechend mehr Wärme zugeführt werden, wie es auch der Versuch ergiebt. Andererseits ist dies Mehr an Wärme das richtige Aequivalent der entstandenen Arbeit, da zur blossen Volumvermehrung des Gases gemäss dem Versuche von GAY-LUSSAC keine Wärme erforderlich ist. Bei diesem Versuche wird ja insgesammt keine Arbeit geleistet, da die Ausdehnung in einen leeren Raum stattfindet. Zwischen den verschiedenen Antheilen des Gases am Anfange und am Ende der Ausströmung erfolgen allerdings Arbeiten, diese bleiben aber in dem Gebilde darin, und kommen daher für die Gesammtrechnung nicht in Betracht. Von ihnen rühren die Temperaturunterschiede zwischen den beiden Gefässen am Schlüsse des Versuches her. Man braucht jetzt nur für eine bestimmte Gasmenge die Werthe der zugeführten Wärmen, des Druckes und der Volumzunahme aus den Messungen zu entnehmen, um die gesuchte Beziehung zwischen der Arbeit und der Wärme zu haben. Das von MAYER erhaltene Resultat war wegen der Unsicherheit der damals bekannten Daten um etwa ein Fünftel zu klein. JOULE ging einen ganz anderen und doch im Grunde ähnlichen Weg. Er hatte, wie erwähnt, über die Erzeugung von Arbeit durch Elektromagnete Untersuchungen angestellt. Seine Untersuchungen über die Stromerzeugung aus galvanischen Batterieen hatten ihn schon zu der Ansicht gebracht, dass die Wärmemenge, welche durch den chemischen Vorgang der Kette sonst unmittelbar erzeugt wird, bei der Umwandlung in elektrischen Strom durch diesen nur an andere Stellen getragen wird, während für dieselbe Menge verbrauchten Zinks auch dieselbe Wärmemenge insgesammt entsteht. Ebenso war es für die Gesammtmenge der entwickelten Wärme gleichgültig, ob sie einfach in Folge des Widerstandes der Leitungsdräthe entstand, oder beispielsweise in einer Eisenstange, welche sich
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in einem starken Magnetfelde drehte. Wenn aber durch passende Umkehrung des Stromes Sorge getragen wurde, dass die Wechselwirkung immer in einem bestimmten Sinne stattfand, so wurden ganz verschiedene Wärmemengen beobachtet, j e nachdem die Drehung in solcher Weise erfolgte, dass der Elektromagnet Arbeit aufnahm, oder in entgegengesetzter. JOULE schloss daher, „ d a s s in d e r M a g n e t e l e k t r i c i t ä t e i n A g e n s g e g e b e n s e i , um d u r c h e i n f a c h e m e c h a n i s c h e M i t t e l W ä r m e zu e r z e u g e n o d e r v e r s c h w i n d e n zu l a s s e n . " Die Messung der Wärme- und Arbeitsmengen ergab, dass zwischen den beiden ein constantes Verhältniss bestand. Erst später verfiel JOULE auf den Gedanken, an Stelle der elektromagnetischen Bremse einfach die Reibung zu verwenden, und so zu einer anderen und unmittelbareren Messung der Beziehung zwischen Wärme und Arbeit zu gelangen. Dem gegenwärtigen Beschauer mag es sonderbar erscheinen, wie auch in diesem Falle das Einfachste erst zuletzt kommt; doch ist dies eine allgemeine Erscheinung in der Wissenschaft. JOULE ist j a nicht mit der Frage nach dem mechanischen Aequivalent der Wärme an seine Arbeiten herangegangen, sondern mit elektrotechnischen Aufgaben. Seine Grösse besteht eben darin, dass er zur Lösung dieser Aufgaben die mitwirkenden Umstände einzeln soweit untersuchte, bis er über ihren Antheil an der Gesammterscheinung klar sein konnte. Dass einer dieser Umstände das Energiegesetz war, konnte er nicht voraus wissen; während aber seine Zeitgenossen fast alle die hier auftretenden Verhältnisse nicht zu verstehen vermochten, isolirte er nach seiner Methode der wissenschaftlichen Durcharbeitung die hierher gehörige Gruppe von Erscheinungen, und stellte auch i h r e Gesetze fest. Auch die ersten Ergebnisse von JOULE waren recht weit von der Wahrheit entfernt; doch hat er später durch sehr sorgsame Versuche den Mangel ersetzt, und ihm verdanken wir die ersten genauen Messungen der fraglichen Grösse. Ich habe noch anzugeben, welche Zahlenbeziehung die hier auftretenden Grössen im Sinne unserer bisher benutzten Einheiten
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aufweisen. Da die Wärme eine Form der Energie ist, indem sie ebensowohl aus Arbeit entstehen, wie in diese verwandelt werden kann, so ist das Erg auch für sie die natürliche Einheit. Indessen wurden Wärmemengen gemessen, lange bevor diese Beziehung bekannt war, und noch bis auf den heutigen Tag ist man bei der damaligen, jetzt veralteten Art der Messung stehen geblieben. Wir brauchen hier nicht alle die Schwierigkeiten zu betrachten, welche sich diesen Aufgaben entgegenstellen, und ich begnüge mich mit der Angabe des schliesslichen Ergebnisses. Hiernach ist die übliche Einheit, die C a l o r i e , d. h. die Wärmemenge, welche zur Erwärmung von 1 g Wasser von 17° auf 18° erforderlich ist, gleich 41830000 Erg. Wie man sieht, entsprechen sehr kleinen Wärmemengen sehr grosse Arbeitsmengen, und die auffallende Arbeitsfähigkeit der Wärmemaschinen ist verständlich. Hierzu ist allerdings noch zu sagen, dass auch unsere besten Wärmemaschinen nur einen verhältnissmässig geringen Theil, höchstens ein Fünftel der zugeführten Wärme wirklich in Arbeit verwandeln; der übrige Antheil geht unverwandelt durch die Maschine. — Eine für alle nichtmechanischen Energiearten zu beantwortende Frage steht noch aus, die wir zum Zweck möglichster Klarheit betrachten wollen. Es ist die, inwiefern wir eine bestimmte Wärmemenge der Arbeit g l e i c h setzen dürfen, aus der sie entstanden ist. Oder allgemein: dürfen wir die aus einander durch Umwandlung entstehenden Energiemengen gleich setzen? Was hierbei gemeint ist, tritt vielleicht aus einem Vergleich deutlicher hervor. Wir können Knallgas in Wasser, Wasser in Eis, ferner Kaliumchlorat in Kaliumchlorid und Sauerstoff u. s. w. verwandeln; dürfen wir die Umwandlungsproducte und die Stoffe, die sich in diese Producte verwandeln können, g l e i c h nennen? Als allgemeine Definition der Gleichheit haben wir festgestellt, d a s s d a s g l e i c h g e n a n n t w e r d e n s o l l , w a s f ü r einander gesetzt werden und einander ohne Aenderung OSTWALD, Naturphilosophie. III. Auflage.
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v e r t r e t e n k a n n . Man wird daher zwei Dinge gleich oder ungleich nennen können, je nach den Verhältnissen, in denen sie sich vertreten sollen. Ein Kilo Gold und ein Kilo Blei sind gewiss in Bezug auf ihr Gewicht gleich, und wenn es sich um die Bestimmung von Gewichten handelt, so kann das eine Kilo an Stelle des anderen gebraucht werden, ohne dass ein Unterschied eintritt. Für chemische oder Münzzwecke sind aber beide sehr verschieden. Ebenso sind die auf den beiden Seiten einer chemischen Gleichung stehenden Stoffmengen einander gleich in Bezug auf das Gewicht und auf die elementare Zusammensetzung; in allen anderen Beziehungen sind sie aber verschieden. Man wird also den gegenseitigen Umwandlungsproducten der verschiedenen Energiearten gegenüber nicht fragen dürfen: sind sie gleich? sondern: inwiefern sind sie gleich und inwiefern verschieden? Nun liegt hier in der That ein noch geringeres Maass von Gleichheit vor, als zwischen den Stoffen auf beiden Seiten einer chemischen Gleichung. Einzig die gegenseitige Umwandlungsbeziehung lässt sie als gleich erscheinen. So können gewisse Mengen von Distanz-, Volum-, Bewegungs- und Wärmeenergie einander gleich gesetzt werden, wenn sie bei der Umwandlung in irgend eine gemeinsame Energieform gleiche Mengen derselben liefern. Aber dies ist auch die einzige Gleichheit, die zwischen ihnen besteht, und in jeder anderen Beziehung sind sie verschieden. Dies geht am deutlichsten daraus hervor, dass es gar keine andere Methode giebt, die Gleichheit oder Ungleichheit zweier verschiedener Energieen in Bezug auf ihre Menge zu ermitteln, als die Umwandlung in eine gemeinsame Form. Man misst Wärmemengen unmittelbar, indem man sie zur Erwärmung bestimmter Körper, meist Wasser, benutzt und die Temperaturerhöhungen misst. Der Messung liegt also einerseits die Temperaturmessung, andererseits die Erwärmungsfähigkeit (Wärmecapacität) einer bestimmten Menge eines bestimmten Stoffes zu Grunde. Diese Grössen lassen sich durchaus nicht auf die Maasseinheiten zurückführen, in denen
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GLEICHHEIT
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man andere Energiearten, z. B. mechanische Arbeit, misst; letztere ist das Product von Kraft und Weg, von denen kein Uebergang zu jenen anderen Grössen führt. Aus dieser grossen Unabhängigkeit der verschiedenen Energiearten von einander erklärt sich die geschichtliche Thatsache, dass ursprünglich jede von ihnen in einer anderen Einheit gemessen wurde, und dass bis heute eine Gleichförmigkeit in dieser Beziehung noch nicht erreicht ist. Indessen werden gegenwärtig bereits so viele Energiearten in Erg, bez. Zehnerpotenzen des Erg gemessen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann diese Messungsweise allgemein sein wird.
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ELFTE VORLESUNG
DIE ANDEREN ENERGIEEN die bei der Wärme dargelegten Verhältnisse auf die " anderen Energiearten vielfach Anwendung finden, so können wir uns bei deren Betrachtung kürzer fassen, zumal es sich an dieser Stelle nicht um eine auch nur einigermaassen erschöpfende Kennzeichnung handeln kann. Eine solche ergäbe insgesammt j a nichts weniger, als ein Lehrbuch der rationellen Physik und Chemie, denn die Gesammtaufgabe dieser Wissenschaften lässt sich als die Kennzeichnung der verschiedenen Energiearten und ihrer gegenseitigen Umwandlungen definiren. 1
Zunächst sei die e l e k t r i s c h e und die mit ihr in naher Beziehung stehende m a g n e t i s c h e Energie erwähnt. Sie unterscheiden sich von den meisten anderen Energiearten dadurch, dass sie nicht mit einem besonderen Sinnesapparat unseres Körpers in Beziehung stehen. Wir verdanken daher alle unsere Kenntnisse dieser wichtigen Formen ihren Umwandlungsproducten in andere Energiearten, wie insbesondere in mechanische und strahlende. Dass geriebener Bernstein leichte Körperchen anzieht, d. h. mechanisch in Bewegung setzt; dass eine elektrische Entladung Funken und Geräusch giebt, dass die frei aufgehängte Magnetnadel sich nach Norden einstellt, sind alles Erscheinungen, die der elektrischen oder magnetischen Energie nicht unmittelbar zukommen, sondern durch ihre Umwandlung entstehen. Man kann fragen, warum diese Energieen ihre physiologische Ausnamestellung einnehmen und unseren Sinnen nicht unmittelbar zugänglich sind. Die Antwort wird wohl darin liegen, dass
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unter den gewöhnlichen Lebensbedingungen keine erheblichen Anhäufungen derselben vorkommen, so dass beim Energieverkehr unseres Körpers mit seiner Umgebung keine Nothwendigkeit einer Controle über diese Energiearten sich eingestellt hat. Dies liegt weiter daran, dass durch das überall vorhandene Wasser die meisten Körper mehr oder weniger gute Leiter der Elektricität werden, so dass sich Unterschiede einerseits nicht leicht in erheblichem Betrage ausbilden können, andererseits sich sehr schnell verlieren, wenn sie irgendwo entstanden sind. Dies ist um so mehr der Fall, j e weniger unsere Existenzbedingungen sich vom ursprünglichen Zustande unterscheiden, weil dort die Anwesenheit von Feuchtigkeit am wenigsten ausgeschlossen wird. Je mehr unsere Wohnungen trocken gehalten werden, um so mehr isolirende Dinge bilden sich um uns a u s , und so treten am Culturmenschen bei der Handhabung von Hartgummikämmen oder seidenen Kleidern im trockenen Zimmer gelegentlich elektrische Erscheinungen auf, für deren Entstehung der goldene Kamm der Lorelei und die leinenen Gewänder der alten Deutschen keine Gelegenheit boten. Für die magnetische Energie gilt ähnliches. Sie ist allerdings überall vorhanden, aber in so gleichförmiger Vertheilung, dass man ihre Anwesenheit ebensowenig merkt, wie die Anwesenheit des gleichförmigen Druckes der Atmosphäre. Auch besteht unser ganzer Körper aus Stoffen, die nur äusserst geringe Unterschiede ihres magnetischen Verhaltens zeigen, so dass auch örtlich beschränkte Umwandlungen der magnetischen Energie nirgend ein Organ finden. Die grosse t e c h n i s c h e Bedeutung der elektrischen (und magnetischen) Energie, die in der äusserst schnellen Entwicklung der Elektrotechnik und dem überall sich vollziehenden Eingreifen derselben in die Gestaltung unseres täglichen Lebens zu Tage tritt, ist in erster Linie darin begründet, dass sie sich leichter und weiter als jede andere Energieart an die Orte leiten lässt, wo man sie verwenden will. Ueberlegen wir uns, dass beispielsweise alle Arbeitsleistungen unseres Körpers daran gebunden sind, dass er seine Energievorräthe in Gestalt
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aufgenommener Nahrung bei s i c h hat, so sehen wir, wie enge Grenzen für deren Menge und Ausgiebigkeit gezogen sind. Auch unsere Lokomotiven und Dampfschiffe beruhen auf demselben Princip, und jedermann weiss, wie hülflos diese Kolosse werden, wenn ihnen ihre Kohlennahrung nicht in genügender Menge zu Gebote steht Im Seekriege ist ja nur deshalb die Wirkungsfähigkeit einer Flotte auf das engste durch die Frage nach der Kohlenversorgung begrenzt. Die Fortleitung der Energie von der Stelle, an der sie die gewünschte Form (z. B. die mechanische) angenommen hat, an den Ort ihrer Bethätigung erfolgte nun bisher gewöhnlich mittelst mechanischer Mittel. Die Arbeitsleistung unserer Muskeln wird durch die Sehnen und Knochen an ihren Ort gebracht, und die Dampfmaschine ist durch Stangen, Wellen oder Riemen mit der Arbeitsmaschine verbunden. Es ist leicht einzusehen, dass durch solche Mittel eine einigermaassen entfernte Wirkung nicht ausgeführt werden kann; einige hundert Meter bilden eine Grenze, die nur schwer zu überwinden ist. Etwas weiter gelangt man mit Wasser- oder Luftdruck, aber auch diese lassen sich vortheilhaft nicht über einige Kilometer weit leiten, da sie feste Röhren erfordern. Für die Fortleitung der e l e k t r i s c h e n Energie bildet dagegen die gut isolirende Luft selbst die feste Röhre. Man braucht nur mittelst eines Drahtes von guter elektrischer Leitfähigkeit ein Loch in sie zu stechen, um alsbald ein ideales Rohr für die Festhaltung und Fortleitung der elektrischen Energie zu haben. Für das Dichtmachen braucht man nicht viel zu sorgen, denn die Luft dichtet sich ja selbst ab. Schwierigkeiten entstehen nur dort, wo man die Luft durch Unterlagen oder Stützen für den Draht unterbrechen muss. Hier allein treten die Möglichkeiten von „Leckstellen" ein und die Anlage vert e u e r t sich durch die Notwendigkeit anderer und meist unzuverlässigerer Isolatoren. Ein anderer wesentlicher Vortheil der elektrischen Energie ist ihre leichte Umwandlungsfähigkeit in andere Formen. Mechanische Arbeit, Wärme, Licht und chemische Energie, die grossen Energiebedürfnisse der Cultur, lassen sich aus elek-
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trischer Energie ohne Schwierigkeit und ohne erheblichen Verlust herstellen, und so erweist diese sich sozusagen als die Universalenergie, die bereit ist, uns jede beliebige Form zu liefern. Im engen Zusammenhange mit der grossen V e r t h e i l u n g s f ä h i g k e i t der elektrischen Energie steht ihre geringe A u f b e w a h r u n g s f ä h i g k e i t . Es gehören verhältnissmässig grosse und schwere Apparate (Condensatoren) dazu, um elektrische Energie als solche in einiger Menge aufzunehmen, und die Aufbewahrung ist schwer durchzuführen, da eine genügende Isolirung (d. h. Verhinderung, sich in andere Formen umzusetzen) nur sehr unvollkommen erreichbar ist. Man ist daher bei der Benutzung der elektrischen Energie auf eine leitende Verbindung mit der E n e r g i e q u e l l e , der Dynamomaschine oder Batterie, angewiesen. Die wenig anmuthige Verzierung der Strassen unserer grossen Städte mit Telephondrahtbündeln und Trambahnleitungen ist ein Ausdruck dieser Notwendigkeit. Die Lösung der Aufgabe einer möglichst leichten und transportfähigen Aufspeicherung der elektrischen Energie ist daher auch mittelst einer anderen Form, der chemischen, erfolgt. Die elektrischen A c c u m u l a t o r e n enthalten nicht elektrische, sondern chemische Energie, allerdings in einer Gestalt, welche die wechselseitige Umwandlung mit der elektrischen möglichst vollkommen gestattet. Die M e s s u n g der elektrischen Energie geschieht so, dass man die beiden Factoren, in die man sie zerlegen kann, einzeln misst. Man nennt diese beiden S p a n n u n g und E l e k t r i c i t ä t s m e n g e und misst erstere in Volt, letztere in Coulomb. Beide Grössen sind so gewählt, dass das Product der beiden Einheiten 10 Millionen Erg giebt. Meist misst man die in einer Secunde gebrauchte Elektricitätsmenge, die man Ampere nennt. Wie diese Einheiten abgeleitet worden sind, kann hier nicht dargelegt werden. Nur soll bemerkt werden, dass es sich auch hier um eine willkürliche Bestimmung handelt. Denn man kann ja einen Factor eines vorgeschriebenen Products beliebig wählen, vorausgesetzt, dass man den anderen Factor passend bestimmt. So ist auch in diesem Falle verfahren worden. Es ist nothwendig, diese Bemerkung zu machen, da der Irrthum,
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es handle sich hier um „absolute" Bestimmungen, durch den nicht ganz angemessenen Gebrauch dieses Wortes sehr verbreitet ist In dieser Beziehung besteht bei der elektrischen Energie kein Ausnahmeverhältniss den anderen Arten gegenüber. Ueberall ist die Zerlegung des Erg in seine Factoren willkürlich. Diese Willkür bringt keinerlei systematischen Schaden hervor, denn während die Energie selbst ein allgemeiner Begriff ist, der in allen Gebieten der Physik Anwendung findet, so finden die Factoren der verschiedenen Energiearten individuelle Grössen, und es giebt von ihnen zu den Factoren der anderen Arten keinen eindeutigen Uebergang. Dieser Umstand ist ein weiterer Beleg für die wichtige Thatsache von der Eigenartigkeit jeder Energieform (S. 217). Er ist andererseits die Ursache, dass wirkliche Irrthümer in der vermeintlichen Ableitung einzelner dieser Grössen aus den Grössen anderer Gebiete keinen bleibenden Fehler in der Sache hervorgerufen haben. Denn wenn eine Wahl frei ist, so kann man sich zu ihr auch durch einen Irrthum bestimmen lassen, ohne dass dadurch ein Fehler im Resultat bewirkt wird. Denn durch die entsprechende Wahl des anderen Factors hat man immer wieder richtig das Erg erreicht. — Eine überaus verbreitete und wichtige Energieform ist die c h e m i s c h e Energie. Sie kommt zur Wirkung, wenn wir Holz oder Kohle in unseren Oefen und Fabriken verbrennen, um Wärme oder mechanische Arbeit zu gewinnen; sie dient, um technisch wichtige Stoffe aller Art aus anderen herzustellen, und schliesslich stellt sie die Energie dar, welche vom lebenden Organismus, vom Menschen nicht minder als vom Thier und der Pflanze, aufgespeichert und für Umwandlungen in alle anderen Formen vorräthig gehalten wird. Die chemische Energie bethätigt sich bei den gegenseitigen Umwandlungen der Stoffe. Wenn Kohle verbrennt oder Eisen rostet oder irgend ein anderer der zahllosen Vorgänge stattfindet, bei denen gewisse Stoffe verschwinden und andere an ihrer Stelle erscheinen, so ändert sich immer der Energieinhalt der sich umwandelnden Stoffe. Bei der Umwandlung im einen
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Sinne wird Energie ausgegeben, bei der entgegengesetzten wird gleich viel aufgenommen. Indem man nun solche Vorgänge stattfinden lässt, bei denen Energie ausgegeben wird, erlangt man die Möglichkeit, diese Energie in andere Formen zu verwandeln und so zu benutzen. Die Mannigfaltigkeit der chemischen Vorgänge ist ausserordentlich gross, so dass Einzelheiten über sie hier nicht mitgetheilt werden können. Es muss genügen, auf die wichtigsten Eigenschaften dieser Energie hinzuweisen und diese an einigen allgemein bekannten Beispielen zu erläutern. Diese sind die A u f b e w a h r b a r k e i t und die C o n c e n t r a t i o n der chemischen Energie. Erstere Eigenschaft kommt beispielsweise in den Kohlenlagern zur Geltung. Kohle giebt bei der Verbrennung, d. h. bei der chemischen Verbindung mit dem Sauerstoff der Luft, sehr bedeutende Mengen Energie aus, und zwar bei der hohen Temperatur unserer Oefen mit einer nahezu beliebig grossen Geschwindigkeit. Dieselbe Energie hat aber vorher viele Jahrtausende lang innerhalb der Erde gelegen, ohne einen erheblichen Theil verloren zu haben, so dass wir gegenwärtig von den Energievorräthen zehren, welche die Pflanzen vor unabsehbar langer Zeit aufgehäuft haben. Im Kohlenkeller verwahren wir diese Energiemengen weiter unvermindert bis zu dem Augenblicke der Verbrennung im Ofen, wo sie in kürzester Zeit verfügbar werden. Ueberlegt man, dass die heutige Industrie fast ausschliesslich auf der Anwendung der Dampfmaschine als des Arbeiters für alle Zwecke beruht (auch die elektrische Energie wird noch vorwiegend durch diese erzeugt), so sieht man, dass in der That die chemische Energie die Quelle nahezu aller technisch gebrauchten Arbeit ist. Ebenso ist die chemische Energie die Quelle aller Lebensthätigkeit, denn der thierische und pflanzliche Organismus bewerkstelligt alle seine Arbeiten durch die Verwendung seiner chemischen Vorräthe. Allerdings sind die chemischen Energieen der Organismen im Allgemeinen nicht in hohem Maasse aufbewahrbar, sondern mehr dem Zwecke der regelmässigen und hinreichend schnellen mittelbaren Verwendung angepasst Aber die Pflanzen (und auch gewisse Thiere) häufen
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im Interesse der Fortpflanzung um den Keim des Individuums auch ziemlich dauerhafte chemische Energie an, da diese Keime oft lange Zeit warten müssen, bis günstige Bedingungen für ihre Entwicklung eintreten. Ein grosser Theil der Nahrungsmittel, insbesondere der menschlichen, stammt von solchen Ansammlungen für die Keime der künftigen Organismen, wie sie in den Samen, Knollen, Eiern u. s. w. zu finden sind. Mit dieser Eigenschaft der Aufbewahrbarkeit steht in Beziehung die wichtige Eigenschaft der C o n c e n t r a t i o n . Die Energiemenge, welche man in einen gegebenen Raum oder in ein gegebenes Gewicht irgend welcher Stoffe hineinbringen kann, ist nicht unbegrenzt gross, sondern strebt vielmehr einer Grenze zu, die von der Energieart abhängt. So kann ich beispielsweise in einen Körper von einem Gramm Gewicht nicht unbegrenzt viel Schwereenergie hineinbringen, indem ich ihn unbegrenzt weit von der Erde entferne (ganz abgesehen von der technischen Ausführbarkeit dieses Vorganges), sondern nur 6 X 10 11 Erg, wie sich aus der früher (S. 178) angegebenen Formel ergiebt. Ebenso wenig kann ich unendlich viel Energie in ein Gas dadurch hineinbringen, dass ich es immer stärker und stärker zusammendrücke. Denn um dies auszuführen, muss ich das Gas in ein Gefäss einschliessen, und zwar muss dieses um so dicker sein, je stärker der Druck des Gases wird. Schliesslich erreiche ich eine Grenze, wo auch der härteste Stahl anfängt zu fliessen, d. h. wo Gefässe zur Erhaltung des Druckes nicht mehr herstellbar sind. Auf ähnliche Hindernisse stösst man überall, wenn man in Gedanken versucht, in einen endlichen Raum unbegrenzt viel Energie hineinzuschaffen, und wir kommen zu der Frage: in welchen Formen lässt sich die meiste Energie im engsten Räume und bei dem geringsten Gewichte unterbringen? Die Antwort auf diese Frage wird uns bereits durch die natürliche Auslese der verschiedenen Energieen gegeben. Wir sehen, dass überall, wo es sich um die M i t n a h m e von Energie handelt, von der fliegenden Mücke bis zum Oceandampfer, ausschliesslich c h e m i s c h e Energie benutzt wird. Kohle ladet der Dampfer und nicht etwa zusammengepresste Luft oder
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flüssige Kohlensäure, und Kohlenstoffverbindungen ladet die Mücke, und keine andere Form der Energie ermöglicht ihr, ihren kleinen Leib durch so unverhältnissmässig grosse Entfernungen zu tragen. Die Rechnung überzeugt uns, dass thatsächlich keine Möglichkeit vorliegt, in anderer Gestalt mit so wenig Raum und Gewicht so viel Arbeit zu verbinden. Die Aufgabe des lenkbaren Luftschiffes hat die Frage nach der leichtesten Arbeitsmaschine mit leichtestem Energievorrath als Grundproblem ergeben: andere Lösungsformen, als durch die Umsetzung chemischer Energie in mechanische sind noch nicht gefunden worden. Allerdings handelt es sich hier noch um sehr verbesserungsfähige Dinge. Gegenwärtig wird für den Zweck der Gewinnung der mechanischen Energie aus der chemischen diese erst in Wärme verwandelt, aus welcher durch eine zweite Umwandlung mechanische Energie entsteht. Hierbei müssen noch sehr grosse Unvollkommenheiten in den Kauf genommen werden, und zwar liegen sie ausschliesslich bei der Umwandlung der Wärme in mechanische Arbeit, denn die Wärme entsteht aus der chemischen Energie ohne jeden Nebenvorgang. Das g r o s s e t e c h n i s c h e P r o b l e m der Z u k u n f t ist die u n m i t t e l b a r e G e w i n n u n g der m e c h a n i s c h e n E n e r g i e a u s der c h e m i s c h e n . Vor einer Reihe von Jahren habe ich selbst auf die Umwandlung der chemischen Energie in e l e k t r i s c h e als das nächste Zukunftsideal unserer technischen Entwicklung hingewiesen, und einige Grundsätze für diese Umwandlung entwickelt. Doch brauchen wir elektrische Energie als solche kaum, höchstens als Zwischenform für den leichten Transport auf grosse Entfernungen. Könnten wir die chemische Energie unmittelbar in mechanische verwandeln, so würde nötigenfalls die elektrische Zwischenstufe leicht einzuschalten sein, da dies sehr vollständig, mit wenigen Procenten Verlust bereits jetzt ausführbar ist. Also, wenn auch die Erzeugung elektrischer Energie aus Kohle ein grosser Fortschritt wäre, ein noch grösserer muss in der unmittelbaren Erzeugung von mechanischer Arbeit aus Kohle gesehen werden. Für die grosse Ueberlegenheit der chemischen Energie in Bezug auf ihre Concentration ist allerdings noch ein zweiter Punkt entscheidend. Chemische Energie wird im Allgemeinen
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DIE ANDEREN
ENERGIEEN
nur verfügbar, wenn zwei oder noch mehr verschiedene Stoffe unter Wechselwirkung in neue übergehen. Als zweiter Stoff für die Verbrennung des Kohlenstoffs und Wasserstoffs unserer Brennstoffe und Nahrungsmittel dient nun der überall in der Luft vorhandene S a u e r s t o f f . Dieser braucht nicht mitgenommen zu werden, und damit entfällt ein sehr bedeutender Theil des Gesammtgewichtes. Beim Kohlenstoff ist das Verhältniss 3 : 8 , beim Wasserstoff gar 1 : 8 , d. h. von 11 g Gesammtgewicht der betheiligten Stoffe brauchen wir in Form von Kohlenstoff nur 3 g mitzunehmen, beim Wasserstoff gar nur 1 g von 9 g. Als concentrirteste Energieform in Bezug auf Gewicht erscheint daher der Wasserstoff; doch tritt dem der Nachtheil des grossen Volums entgegen, da Wasserstoff ein sehr leichtes Gas ist, das sich nur durch sehr starken Druck auf etwas kleinere Räume bringen lässt. Daher sind am zweckmässigsten wasserstoffreiche, flüssige Kohlenstoffverbindungen, wie beispielsweise das für Selbstfahrer fast ausschliesslich benutzte Benzin. In solchem Sinne ist Weingeist ein weniger zweckmässiges Material; besser diente für den Zweck Aether, der aus dem Weingeist ohne erhebliche Kosten zu gewinnen ist Anders werden die Verhältnisse, wenn wir gezwungen sind, chemische Energie in Räumen zu entwickeln, wo kein Luftzutritt möglich ist Dies ist beispielsweise in den Geschützen und Gewehren der Fall, und das Schiesspulver muss nicht nur die verbrennlichen Stoffe, sondern auch den zu der Verbrennung erforderlichen Sauerstoff enthalten. Wäre letzterer ebenso wohlfeil wie der Sauerstoff der Luft in concentrirter Form zu erhalten, so würden unsere Geschütze uns als Modelle zu viel vortheilhafteren Arbeitsmaschinen dienen können, denn in ihnen findet grossentheils eine Umwandlung von chemischer Energie unmittelbar in mechanische statt Vielleicht ist die vor kurzer Zeit gelungene technische Darstellung von flüssigem Sauerstoff ein Mittel zur Lösung dieses allgemeinen Problems. Die Anwendung als Sprengmittel, also an Stelle des Schiesspulvers, ist schon vielfach versucht worden; die motorische Anwendung meines Wissens noch nicht —
CHEMISCHE
ENERGIE
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Die unmittelbare M e s s u n g der chemischen Energie bereitet besondere Schwierigkeiten, die in der grossen Mannigfaltigkeit ihres Auftretens liegen. Während es nur eine Art Elektricität giebt (die positive und die negative bedingen sich gegenseitig und kommen ohne einander nicht vor), so giebt es unzählige Arten chemischer Stoffe, und zwischen diesen noch viel mehr Combinationen, durch deren Wechselwirkung chemische Energie frei wird. Man darf sich nicht etwa denken, dass man die chemische Energie von den Stoffen unabhängig handhaben könnte, wie die elektrische, die zwar an den Stoffen, den Leitern und Nichtleitern erscheint, aber doch sich in jedem Augenblicke von ihnen loslöst und dabei ihre Natur nicht ändert. Bei der chemischen Energie ist dies ganz anders, denn sie ist eben an die Verschiedenheit der Stoffe gebunden, und die verschiedenen Mengen Energie, die den Stoffen anhaften und von ihnen bei chemischen Umwandlungen entnommen werden können, sind der wesentlichste Bestandtheil in dem Begriff der Verschiedenheit der Stoffe und damit in dem der Stoffe selbst. Wir müssen die genauere Betrachtung dieser Verhältnisse, welche zu einer weiteren Vertiefung der energetischen Deutung der Materie führt, auf einen späteren Anlass verschieben, nachdem einige hierzu erforderliche allgemeinere Gedanken entwickelt sein werden. Hier wurde die Sache nur erwähnt, um den Umstand zu erklären, dass man chemische Energie nie als solche misst, sondern sie immer in eine andere Form umwandelt. Fast ausnahmelos ist dies die Wärme, welche leicht und vollständig aus chemischer Energie entsteht Da wir diese bereits zu messen gelernt haben, ist weiteres hierüber nicht zu sagen. Die Bestimmung der chemischen Energieen in Wärmemaass ist die Aufgabe eines besonderen Wissenzweiges, welcher T h e r m o c h e m i e genannt wird. Es bleibt uns nur noch eine Energie kennen zu lernen, deren Bedeutung für die Entstehung und Entwicklung unseres Weltbildes bereits dargelegt worden ist. Es ist dies die s t r a h l e n d e E n e r g i e , von der ein gewisses Gebiet uns als Licht bekannt ist.
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Während die Form-, Volum- und Bewegungsenergie, denen sich die chemische Energie anschliesst, nur gemeinsam vorkommen, und in ihrer Gemeinsamkeit das bilden, was wir die Materie nennen, zeigen sich Wärme und elektrische Energie zwar mit dieser verknüpft, aber nicht untrennbar. Wir sehen beide beständig von einem Körper auf den anderen übergehen; während die Wärme noch durch die Abhängigkeit der Formarten, des flüssigen, des festen und des Gaszustandes von der Temperatur wenigstens an einzelnen Punkten eine erhebliche Beeinflussung der Körperzustände bewirken kann, so ändern durch die Aufnahme gewöhnlicher elektrischer Ladungen die Körper nicht merklich ihre Eigenschaften. 1 Noch unabhängiger von der Materie, d. h. von anderen Energiearten, erweist sich die strahlende. Sie braucht beispielsweise etwa 9 Minuten, um von der Sonne bis zur Erde zu gelangen, und ist in der Zwischenzeit von jeder Verbindung mit irgend einer bekannten Materie frei; auch ändert der Raum, durch den sie fliesst, nicht in merklicher Weise seine Eigenschaften, gleichviel ob er strahlende Energie enthält oder nicht Von der strahlenden Energie ist bekannt, dass sie eine p e r i o d i s c h e Erscheinung von sehr kleiner Periode ist; ferner dass sie unter Umständen zwei ausgezeichnete Ebenen, die zu einander senkrecht stehen, aufweist, deren Durchschnitt mit ihrer Fortpflanzungsrichtung zusammenfällt Es wurde bereits erwähnt, dass man diese Eigenschaften früher darauf hat zurückführen wollen, dass es sich um die elastischen Schwingungen eines sonst unbekannten Mittels, des Aethers, handelt, dem man allerdings recht widersprechende Eigenschaften hat zutheilen müssen. Gegenwärtig fasst man die periodische Erscheinung als eine wechselseitige Umwandlung von elektrischer und magnetischer Energie in einander auf, wobei dem früheren elastischen Aether gegenwärtig die Aufgabe zufällt, Träger dieser elektromagnetischen Energieen zu sein. Da uns unsere früheren Betrachtungen gezeigt haben, dass die Forderung eines Trägers 1 Die Auffassung der Ionen der Elektrolyte als elektrisch Theilchen enthalt noch hypothetische Bestandteile.
geladener
STRAHLENDE
ENERGIE
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der Energie überflüssig ist — in der That handelt es sich hierbei nur um einen Rückstand der Scholastik —, so werden wir auch den Aether als entbehrlich ansehen können, und die Energie ohne ihn als im Räume vorhanden und sich periodisch umwandelnd betrachten können. Irgend eine Schwierigkeit in der Darstellung und Auffassung entsteht dadurch nicht. Diese elektromagnetische Theorie des Lichtes ist noch nicht erwiesen, sondern ihre Wahrscheinlichkeit beruht auf der grossen Aehnlichkeit in den Gesetzen der Fortpflanzung wirklicher elektromagnetischer Wellen mit denen des Lichtes. Doch besteht zwischen den kleinsten elektromagnetischen und den grössten Lichtwellen immer noch ein erheblicher Zwischenraum, und es ist noch nicht gelungen, unmittelbar, elektrische oder magnetische Eigenschaften an der strahlenden Energie des Lichtes nachzuweisen. Zwar sind Zusammenhänge dieser Energieformen zahlreich bekannt; da solche aber auch zwischen anderen Energiearten bestehen, so ist ihr Vorhandensein kein Beweis für die Identität. Der stärkste Grund für die Annahme der Identität liegt in der erwähnten Uebereinstimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Energie mit der der Lichtenergie. Eine sehr wesentliche Eigenschaft des Lichtes ist die Kleinheit seiner Periode. In Folge der ausserordentlichen Kürze einer Schwingung ist die Länge einer Lichtwelle trotz der sehr grossen Fortpflanzungsgeschwindigkeit gering. Letztere beträgt 3 x 10 10 cm in der Secunde, erstere für gelbes Licht aber nur 2 X10" 16 Secunden, so dass die Länge einer Welle oder der Abstand zweier entsprechender Stellen der Periode nur 6 X10" 6 cm beträgt. Hieraus ergiebt sich, dass wir mittelst des Lichtes Gegenstände, d. h. räumliche Verschiedenheiten bis zu ebendiesem Betrage (eigentlich einem noch etwas kleineren), wahrnehmen können, wenn wir die übrigen Einrichtungen darnach treffen. In der That sind die heutigen Mikroskope bis an diese Grenze gelangt Dies Ergebniss hängt allerdings nicht allein von der Kleinheit der räumlichen Periode der Lichtbewegung ab, sondern auch von dem Umstände, dass sich diese durch den
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Raum wesentlich ungestört fortpflanzt. Hiernach ist die Beschaffenheit der auf unser Auge treffenden Lichtenergie in erster Linie durch die Beschaffenheit des a u s s e n d e n d e n Körpers bedingt, und nur in zweiter Linie durch die des dazwischen befindlichen Mittels. Letzteres gilt allerdings ohne weiteres nur für den Weltraum. Schon die kleinen Verschiedenheiten der Luft bewirken eine beginnende Verwirrung des Bildes, und andere Stoffe zerstören es meist vollständig. Demgemäss sehen wir zwar sehr weit in den Weltraum hinaus, und ziemlich weit durch die Luft; durch die anderen Bestandtheile der Erdoberfläche vermögen wir aber im Allgemeinen nicht durchzusehen, und es bedarf besonderer Sorgfalt, um feste oder flüssige Körper in solche Bedingungen zu bringen, dass sie dem Lichte einen ungestörten Weg über etwas längere Strecken sichern. Dies ist der Nachtheil, den wir mit dem Vortheil der kurzen Wellen in den Kauf nehmen müssen. J e länger die Wellen sind, um so weniger werden sie durch Ungleichartigkeiten auf ihrem Wege beeinflusst, und die langen elektromagnetischen Wellen, die in neuerer Zeit zur drahtlosen Telegraphie benutzt werden, gehen ziemlich ungestört durch Bäume und Wände hindurch. — Man muss bekanntlich s e l b s t l e u c h t e n d e Körper von b e l e u c h t e t e n unterscheiden. Erstere senden die strahlende Energie auf Kosten irgend welcher in ihnen vorhandener Energie aus, die sich in strahlende verwandelt. Auch hier ist es meist chemische Energie, die im Verbrennungsvorgange theilweise diese Umwandlung erleidet, wie dies in den leuchtenden Flammen für den technischen Zweck der Beleuchtung geschieht. Andererseits haben alle Körper die merkwürdige Eigenschaft, bei erhöhter Temperatur einen Theil ihrer Wärmeenergie in Gestalt von Strahlung auszugeben, und zwar verhältnissmässig um so mehr, je höher die Temperatur wird. Deshalb kann man für Leuchtzwecke auch jede andere Vorrichtung benutzen, durch welche hitzebeständige Körper auf möglichst hohe Temperatur gebracht werden. Hierauf beruhen die verschiedenen Verfahren der elektrischen Beleuchtung. B e l e u c h t e t e Körper sind solche, die von den auf sie
SCHEIN
UND
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SEIN
fallenden Strahlen gewisse zurückwerfen. Die Verschiedenheiten der Farben beruhen auf Unterschieden in der Periode des Lichtes 1 , und je nach der Verschiedenheit des von den beleuchteten Körpern zurückgeworfenen Lichtes erscheinen diese in verschiedenen Farben. Es sind somit zwei unabhängige Umstände maassgebend für die Farbe der Körper: einmal die v e r ä n d e r l i c h e Beschaffenheit des auf sie fallenden Lichtes, und andererseits ihre c o n s t a n t e Fähigkeit, gewisse Perioden zurückzuwerfen, andere aufzunehmen. Daher kann ein und derselbe Körper sehr verschieden gefärbt erscheinen, je nach dem Lichte, mit dem er beleuchtet wird. Ich bringe diese einfache Sache in Erinnerung, da gerade dieser Fall eine gewisse philosophische Wichtigkeit erlangt hat. Er ist von den Idealisten zum Nachweis des Satzes benutzt worden, dass die Körper durchaus nicht so sind, wie sie uns erscheinen, denn wenn einer uns je nach Umständen blau, roth oder grün erscheint, so kann man nicht sagen, dass er wirkblau oder roth oder grün „ist". Man sieht leicht, dass es sich hier wieder um eine ungenaue Ausdrucksweise handelt. Ob wir den Körper mit dem einen oder dem anderen Licht beleuchten, hat auf seine Eigenschaft, bestimmte Perioden aufzunehmen und andere zurückzuwerfen, gar keinen Einfluss, und was den Körper angeht, so verhält er sich durchaus constant, welches Licht ihn auch treffen mag. Auch ist man berechtigt, ihn roth zu nennen, wenn er hauptsächlich rothes Licht zurückzuwerfen fähig ist. Die Farbe, in der er erscheint, ist aber nicht seine Sache allein, sondern auch Sache der auffallenden Lichtenergie, und was wir sehen, ist die gemeinsame Wirkung dieser beiden Factoren. Die Idealisten haben dem Körper zugeschoben, was dem Lichte zuzuschieben war, und sind so zu ihrem Irrthum gelangt. Denn um einen Irrthum handelt es sich thatsächlich bei 1 Hiermit soll nicht g e s a g t sein, dass durch die Verschiedenheiten der Periode die Farben „erklärt" seien, sondern es wird nur der Zusammenhang zwischen der physikalischen Thatsache der Periode und der physiologischen der Farbenempfindung ausgesprochen. Wie die eine die andere bewirkt, ist eine Frage der Sinnesphvsiologie, die hier nicht zu erörtern ist.
OSTWALD, Naturphilosophie,
i n . Auflage.
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DIE ANDEREN
ENERGIEEN
dem Unterschiede zwischen den Dingen „an sich" und den Dingen, wie sie uns erscheinen. Wie uns die Dinge erscheinen, hängt ganz und gar von den Energieen ab, die zwischen ihnen und unseren Sinnesapparaten verkehren. Etwas anderes, als diese Energieen, kennen wir nicht, einen „Träger" für diese Energieen brauchen wir nicht: wo bleibt also da das „Ding an sich"? Da wir thatsächlich mit dem Begriff der Energie alles erschöpfen können, was wir mit dem Namen der Aussenwelt bezeichnen, so liegt eine unbewusste oder bewusste Täuschung vor, wenn wir die Existenz, d. h. die Wirklichkeit und Wirksamkeit von Dingen behaupten, die nicht unter den Begriff der Energie gebracht werden können. — Eine besondere wichtige Rolle spielt die Strahlung bezüglich der Versorgung der Erde mit verwandelbarer Energie. Wir werden sehr bald sehen, dass die Anwesenheit von Energie allein nicht ausreicht, um Umwandlungen derselben, oder G e s c h e h n i s s e im allgemeinsten Sinne des Wortes hervorzurufen, sondern dass hierzu noch bestimmte Verhältnisse gehören. Hier sei gesagt, dass nur ein Theil der vorhandenen Energieen verwandelbar oder „frei" ist, und dass dieser Antheil sich durch den Ablauf der natürlichen Geschehnisse beständig verkleinert. Der strahlenden Energie, die von der Sonne zur Erde übergeht, kommt nun die wichtige Rolle zu, dass sie die wesentlichste Quelle der f r e i e n Energie ist, deren Umsetzung das irdische Leben im weitesten Sinne und unter Einschluss der meteorologischen und geologischen Ereignisse ausmacht Wie die Sonnenstrahlung, indem sie sich beim Auftreffen auf die Erde zum Theil bereits in der Luft, zum grösseren Theile erst auf der Erdoberfläche in Wärme umsetzt, die Bewegung der Luft und die Verdampfung des Wassers mit der ganzen Fülle der hiervon abhängigen Erscheinungen von Regen und Schnee, Quellen und Flüssen, Verwitterung und Sedimentbildung hervorruft, ist bekannt. Ebenso ist bekannt, dass die Strahlung der Sonne durch die Pflanzen in Gestalt chemischer Energie angehäuft wird, indem die Verbindung zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff, die bei der Nutzbarmachung der chemischen
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ENERGIE
DER
SONNE
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Energie in den Organismen und in der Technik entsteht, durch die Pflanzen unter Aufwendung der strahlenden Energie des Sonnenlichtes wieder gelöst wird. Man hat oft den Kreislauf des Stoffes dargestellt, indem der Kohlenstoff einerseits bei der Ernährung und Verbrennung mit dem Sauerstoff verbunden wird, während er andererseits in den Pflanzen wieder vom Sauerstoff getrennt wird, worauf die beiden Elemente ihren Kreislauf wieder beginnen können. So richtig diese Darstellung eine Seite der Vorgänge angiebt, so wenig trifft sie den Kern der Sache. Thatsächlich handelt es sich nicht um einen Kreislauf, sondern um einen einseitigen Energiestrom, der von der Sonne sich auf die Erde ergiesst und dort theilweise unmittelbarverwendet, theilweise durch die Pflanzen in Gestalt chemischer Energie gespeichert wird, um weiterhin von den Pflanzen und Thieren zur Ausführung ihrer Lebensthätigkeit verbraucht zu werden. Es ist ein ähnlicher Irrthum, als wollte man das Kreisen des Mühlrades als das Wesentliche bei dem Gange der Mühle ansehen, ohne auf den Strom der Arbeit Rücksicht zu nehmen, der sich aus dem im Rade fallenden Wasser in das Innere der Mühle ergiesst, um dort die gewünschte Wirkung zu äussern. Bei der Verwerthung der strahlenden Energie, die wir von der Sonne erhalten, gehen noch ausserordentlich grosse Mengen ungenutzt verloren. Von den enormen meteorologischen Energiemengen werden nur ganz kleine Antheile in den fallenden Wässern der Flüsse und Bäche ausgenutzt, und die durch Windmühlen brauchbar gemachten Mengen sind verschwindend gering. Aber auch die ohne menschliches Zuthun erfolgende Aufspeicherung durch Pflanzen hat nur einen sehr geringfügigen Nutzeffect, der ein Procent kaum überschreitet Ueberlegt man, dass es sehr ausgedehnte Gebiete der Erdoberfläche giebt, auf denen nicht einmal diese kleinen Beträge nutzbar gemacht werden, so sieht man, welche ungeheuren Hilfsquellen dem Menschen noch gegenüber der möglichen Erschöpfung der Kohlenlager zur Verfügung stehen. — Werfen wir rückschauend einen Blick über das Weltbild, das sich vor uns unter Benutzung der Energiebeziehungen auf16*
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DIE ANDEREN
ENERGIEEN
baut, so sehen wir, dass wir mit diesem Begriff wirklich alles Physische umfassen können, was sich unserer Erfahrung darbietet. Wir nehmen wahr, dass alles, was in der Aussenwelt geschieht, sich erschöpfend kennzeichnen lässt, wenn man die Energieen der Art und dem Betrage nach angiebt, welche bei dem fraglichen Vorgange sich verschieben oder sich umwandeln. Insofern wir unseren Körper als einen Theil der Aussenwelt betrachten, können wir auch auf ihn dieselbe Betrachtung anwenden. Wir erleben, dass wir ebenso, wie alle anderen Menschen, ja alle Organismen Energie aufnehmen müssen, um Verrichtungen aller Art auszuführen. Wir werden aber auch durch abstrakte Denkarbeit ohne jede äussere Bewegung ebenso erschöpft, wie durch mechanische Leistungen, und die experimentelle Physiologie hat einen entsprechend grösseren Verbrauch chemischer Energie hierbei nachgewiesen. Wir müssen daher schliessen, dass auch die unmittelbare geistige Thätigkeit, die Aufnahme und Vergleichung der Sinneseindrücke, dem allgemeinen Gesetze des Geschehens unterliegt, oder dass auch dieses Geschehen nicht ohne Energieänderungen möglich ist. Hiermit soll nicht der Irrthum wachgerufen werden, als seien alle Vorgänge durch den Aufweis der stattfindenden Energieänderungen „erklärt", oder als bleibe nichts mehr zu fragen übrig, wenn man die Energieänderungen in ihrem Betrage kennen gelernt haben wird. Die Energie ist zwar ein Rahmen, der alle diese Dinge umfasst, und ausserhalb der Energiegesetze finden erfahrungsmässig keine Vorgänge irgend welcher Art statt. Aber der Rahmen ist nicht das Bild, und innerhalb des energetischen Rahmens sind noch ungezählte Mannigfaltigkeiten denkbar. Gerade die umfassende Beschaffenheit des Energiebegriffes bedingt die Nothwendigkeit weiterer Bestimmungen. Was wir bisher in dieser Beziehung kennen gelernt haben, regelt ja nur die S c h l u s s b i l a n z in dem mannigfaltigen Verkehr der verschiedenen Energiearten. Welche Wege diese im Einzelnen gehen, wie sie einander verschieben und auf einander folgen, ist hierbei noch völlig frei. Und wenn wir in der nächsten Vorlesung auch in dieser Beziehung gewisse Gesetz-
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mässigkeiten kennen lernen werden, so genügen auch diese, so bestimmt sie sich auch erweisen werden, noch nicht vollständig, um aus der unendlichen Reihe der Möglichkeiten je eine einzige so hervorzuheben, dass man den Ablauf des Weltganzen wie den einer Uhr zu bestimmen versucht sein sollte. Als besonders erhebliches Ergebniss der energetischen Betrachtungen ist die A u f l ö s u n g d e r M a t e r i e in e i n e n r ä u m lich z u s a m m e n g e o r d n e t e n Complex g e w i s s e r Energieen zu bezeichnen. Von den Denkern aller Richtungen ist die Gegensätzlichkeit und doch Untrennbarkeit der M a t e r i e und ihrer K r ä f t e immer wieder hervorgehoben worden, aber selbst sonst sehr kühne Denker haben sich gescheut, auf die eine zu Gunsten der anderen zu verzichten. Die Erhaltung dieses unwillkommenen Dualismus beruhte wohl in erster Linie darauf, dass es an einem Grunde mangelte, warum die verschiedenen „Kräfte" räumlich zusammen bleiben müssten, wenn sie nicht durch einen von ihnen unabhängigen „Träger" zusammengehalten würden. Die oben (S. 191) angestellten Betrachtungen überzeugen uns, dass zwar ein Grund a priori, dass sie zusammenhalten müssten, nicht angegeben werden kann, dass aber a posteriori eingesehen werden kann, wie nur solche Energieanordnungen, bei denen der Zusammenhalt vorhanden ist, zu unserer Kenntniss gelangen können. Wir können also immerhin annehmen, dass beide möglichen Fälle, der Zusammenhalt und die Abwesenheit von Schwereenergie und Bewegungsenergie, bezw. Masse denkbar sind, wir wissen aber, dass nur die Fälle, wo ein Zusammenhalt vorliegt, zu unserer Kenntniss gelangen können. Dass an derselben Masse die dritte materielle Eigenschaft, die Formenergie bald vorhanden, bald abwesend sein kann, lehren uns die Zustandsänderungen der Stoffe beim Schmelzen und Verdampfen. Unsere nächste Aufgabe wird sein, zu untersuchen, ob sich der bisher gezogene energetische Rahmen nicht noch mehr einengen und zu bestimmterer Kennzeichnung des Geschehens gestalten lässt.
ZWÖLFTE
VORLESUNG
DER ZWEITE HAUPTSATZ ODER D A S GESETZ DES GESCHEHENS * T " \ a s Gesetz von der Erhaltung der Energie oder der e r s t e H a u p t s a t z der E n e r g e t i k giebt eine Antwort auf die Frage, in welchem Verhältniss die Mengen der verschiedenen Energieen zu einander stehen, wenn sie sich gegenseitig umwandeln. W a n n aber eine solche Umwandlung eintritt, und w e l c h e n U m f a n g sie unter gegebenen Bedingungen erreicht, darüber bestimmt das Gesetz nichts. Soviel Aufklärung daher auch aus dem ersten Hauptsatze zu gewinnen ist, so bleiben doch noch Fragen zu stellen und zu beantworten übrig. Einen erheblichen Schritt weiter in die Gesetzmässigkeit des Geschehens lässt uns eine neue Erkenntniss thun, welche den Namen des zweiten Hauptsatzes erhalten hat, und die Antwort auf die Frage enthält: w e l c h e V o r a u s s e t z u n g e n m ü s s e n erfüllt sein, d a m i t ü b e r h a u p t eine U m w a n d l u n g der E n e r g i e e i n t r i t t ? Auch in Bezug auf die Beantwortung dieser Frage lassen sich zwei Perioden, die mechanische und die allgemeine, unterscheiden. Für eine Anzahl mechanischer Verhältnisse ist es das Problem des G l e i c h g e w i c h t s gewesen, in welchem auch umgekehrt die Fälle der Umwandlung enthalten waren. Unter Gleichgewicht versteht man eben den Fall, dass im Gebilde nichts vor sich geht, d. h. dass keine Energie eine andere Gestalt annimmt. Hat man ein Kriterium des Gleichgewichts, so hat man damit zunächst die Fälle gekennzeichnet, in denen
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WICHT
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Umwandlung sicher ausgeschlossen ist. Ob anderenfalls n o t wendig Umwandlung eintritt, ist damit allerdings noch nicht unzweifelhaft gegeben, doch lassen sich auch die Bedingungen allgemein angeben, welche zur Umwandlung erforderlich sind. Schon im Alterthume sind die Gleichgewichtsfälle am Hebel und an einigen anderen einfachen Maschinen untersucht worden. Diese Arbeiten und die an GALILEI'S grundlegende Forschungen sich anschliessenden neueren haben nun das allgemeine Gesetz ergeben, d a s s G l e i c h g e w i c h t in s o l c h e n G e b i l d e n v o r h a n d e n i s t , in d e n e n k e i n e m ö g l i c h e A e n d e r u n g m i t V e r m i n d e r u n g d e r m e c h a n i s c h e n E n e r g i e v e r b u n d e n ist. Dies ergiebt zwei Unterfälle. Es kann nämlich mit einer möglichen Aenderung des Gebildes einmal gar keine Aenderung der Energiesumme verbunden sein, oder zweitens eine Vermehrung. Man nennt den ersten Fall den des i n d i f f e r e n t e n Gleichgewichts, den zweiten den des s t a b i l e n . 1 S o befindet sich ein Hebel im indifferenten Gleichgewicht, wenn er so belastet ist, dass bei einer Drehung die bei der Senkung des einen Armes gewonnenen Arbeiten in Summa gleich sind den für die Hebung der Lasten am anderen Schenkel verbrauchten. Eine Kugel auf einer Ebene befindet sich im indifferenten Gleichgewicht, weil bei ihren Bewegungen keine Hebung oder Senkung des Schwerpunktes, also keine Leistung oder kein Verbrauch von Arbeit stattfindet. Eine Kugel in einer Schüssel begiebt sich dagegen an den tiefsten Punkt, da sie erst dort in einer Lage ist, wo mit jeder Bewegung eine Hebung des Schwerpunktes, also ein Arbeitsgewinn der Kugel verbunden ist. Dort ist sie im s t a b i l e n Gleichgewicht. Wir erkennen hier alsbald einen für unsere Frage wesentlichen Unterschied. Wird der im indifferenten Gleichgewicht befindliche Hebel etwas gedreht, so bleibt er auch in seiner neuen Lage stehen; durch die Drehung ist also kein Zustand 1
Das in den Lehrbüchern auftretende „ l a b i l e " Gleichgewicht ist eine
mathematische A b s t r a k t i o n , kommt,
die
ausserhalb
der Lehrbücher nirgends
da ihr keine Wirklichkeit entspricht.
vor-
Die Erwähnung dieses un-
möglichen Falles in elementaren Werken sollte g a n z unterlassen werden, da sie nachweisbar z u einer grossen Anzahl folgenreicher Irrthümer geführt hat.
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DAS GESETZ
DES
GESCHEHENS
geschaffen worden, den der Hebel freiwillig verlässt, oder in dem etwas geschieht. Bei der Kugel in der Schüssel, allgemein bei den Zuständen des stabilen Gleichgewichts, wird dagegen durch die Entfernung des Gebildes aus dem Gleichgewichtszustande vermöge der zugeführten Energie (ohne welche nach der Voraussetzung eine Entfernung nicht möglich ist) ein Zustand geschaffen, aus welchem das Gebilde freiwillig in den ersten zurückkehrt, in welchem also etwas geschieht. Die Frage: wann geschieht etwas? lässt sich also für derartige mechanische Gebilde folgendermaassen beantworten. Giebt es für diese einen Zustand des stabilen Gleichgewichts, so ist der Umstand, dass das Gebilde mehr mechanische Energie enthält, als diesem Zustande entspricht, ein Grund dafür, dass etwas geschieht Und zwar geschieht der Vorgang, welcher das Gebilde dem Zustande des stabilen Gleichgewichts zuführt. Man kann dies Ergebniss auch in etwas anderer Gestalt aussprechen: In j e d e m G e b i l d e g e s c h e h e n d i e j e n i g e n V o r g ä n g e , d u r c h w e l c h e es s i c h dem Z u s t a n d e d e s G l e i c h g e w i c h t s n ä h e r t . Ist es in diesem Zustande, so geschieht nichts. Nun können wir alsbald noch einen Schritt weiter gehen, und fragen: w a s geschieht? Die Frage ist identisch mit der, was aus der überschüssigen Energie wird, wenn das Gebilde in den Zustand des stabilen Gleichgewichts übergeht Zufolge dem ersten fiauptsatze muss irgend eine andere Energie entstehen. Da das Gebilde den Gleichgewichtszustand nur durch eine Bewegung erreichen kann, so ist der Schluss gegeben, dass B e w e g u n g s e n e r g i e entstehen wird. Dies ist in der That der Fall, wie die Betrachtung beliebiger Fälle alsbald erkennen lässt. Und zwar gilt dies nicht nur für Schwereenergie, sondern für alle andern Arten Distanzenergie, und ebenso für Formund Volumenergie. Durch die angenommene Bewegungsenergie kann im allgemeinen das Gebilde, nachdem es seine Gleichgewichtslage erreicht hat, nicht in dieser bleiben, sondern verlässt sie wieder vermöge der erworbenen Geschwindigkeit. Dies geschieht so weit, bis die entstandene Bewegungsenergie durch eine entsprechende
PERIODISCHE
ERSCHEINUNGEN
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Menge der anderen mechanischen Energie wieder verbraucht ist. Dann ist aber das Gebilde wieder ausserhalb des Gleichgewichts, und dieselbe Reihe von Umwandlungen tritt von neuem ein. Hieraus folgt, dass im mechanischen Gebiete jeder Zustand, der von dem des stabilen Gleichgewichts entfernt ist, nothwendig auf einen p e r i o d i s c h e n gegenseitigen Umsatz zwischen Bewegungsenergie und einer anderen Form führen muss. Im Kleinen ist das Pendel das klassische Beispiel für diese Gruppe von Erscheinungen, im Grossen sind es die Bewegungen der Himmelskörper. Letztere sind mit so grosser Annäherung periodisch, dass sie uns als zuverlässigstes Z e i t m a a s s dienen. Ein Pendel bleibt dagegen nach einiger Zeit stehen. Gemäss dem ersten Hauptsatze sind wir berechtigt zu fragen, was aus der Energie geworden ist, die es anfangs über dem Gleichgewichtsbetrage enthalten hatte. Die gewöhnliche Antwort, dass sie für Reibung und Luftwiderstand verbraucht sei, ist nicht befriedigend, denn diese beiden sind keine Energiearten. Genauer wird man sagen, dass sie durch Reibung und Luftwiderstand in W ä r m e umgewandelt worden ist. Da der Wärme im Allgemeinen die Eigenschaft abgeht, das Gebilde zum räumlichen Verlassen seines Gleichgewichtszustandes zu zwingen, so tritt auch hier nicht die periodische Erscheinung ein, sondern die entstandene Wärme verbreitet sich in der Umgebung, ohne im Gebilde selbst zu bleiben. Die Himmelskörper ihrerseits haben keine Gelegenheit, ihre Bewegungsenergie in Wärme zu verwandeln (abgesehen von den durch Ebbe und Fluth bedingten verhältnissmässig äusserst geringen Beträgen) und bei ihnen bleibt daher die Periode bestehen. Fassen wir dies erste Ergebniss zusammen, so sehen wir, dass zunächst zum mechanischen Geschehen eine besondere Anordnung der Energie erforderlich ist, dergestalt, dass das Gebilde beim Verlassen dieser Anordnung Bewegungsenergie aus irgend einer anderen mechanischen Energie zu bilden fähig ist. Solange das Gebilde rein mechanisch bleibt, ist diese nothwendige Ursache des Geschehens gleichzeitig eine Ursache d a u e r n d e n Geschehens, denn die einmal eingetretene gegen-
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-DAS GESETZ
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seitige Umwandlung der Bewegungsenergie in die andere Form und umgekehrt wiederholt sich periodisch ins Unbegrenzte. Man erkennt hieran die bereits viel früher betonte Thatsache, dass für die reine Mechanik die Einsinnigkeit der Zeit nicht besteht. Bei den irdischen mechanischen Vorgängen findet indessen immer gleichzeitig ein Uebergang der mechanischen Energie in Wärme statt. Hierdurch verliert sich der Ueberschuss an Energie, den das Gebilde über den Gleichgewichtszustand hatte, als Wärme in die Umgebung, und wird schliesslich Null, so dass das Gebilde in den Zustand des stabilen Gleichgewichts übergeht Den letzteren Zustand kann wieder kein Gebilde aus eigener Gewalt verlassen. Denn er müsste, gemäss der Definition des stabilen Gleichgewichts, für diesen Zweck seinen Energieinhalt vermehren. Da keine Energie aus nichts entsteht, und kein Vorgang möglich sein soll, bei dem welche verfügbar wird, so ist eben nur Ruhe möglich, d. h. es geschieht nichts. Erst wenn Energie in irgend einer anderen Form zugeführt wird, kann wieder etwas geschehen. Wie ist es nun aber mit den indifferenten Gleichgewichten? wird mich hier ein scharf aufmerkender Zuhörer fragen; diese brauchen zum Verlassen ihres Zustandes doch keine Energie und bei ihnen könnte also freiwillig etwas geschehen. Die Antwort ist, dass sie praktisch mit den stabilen Gleichgewichten übereinstimmend sich verhalten. Betrachten wir eines der oben gegebenen Beispiele, z. B. die auf der Ebene liegende Kugel. Um sie über die Ebene zu rollen, braucht allerdings ihr Schwerpunkt nicht gehoben zu werden, also Schwerearbeit nicht zugeführt zu werden. Aber wenn die Kugel mit einer sichtbaren Geschwindigkeit rollen soll, so muss sie eine entsprechende Menge Bewegungsenergie aufnehmen. Man kann sich diese unbegrenzt klein denken; dann ist aber auch die Geschwindigkeit der Bewegung unbegrenzt klein, und die Kugel bleibt praktisch in Ruhe. Da alle unsere mechanischen Apparate aus mit Masse behafteten Körpern hergestellt werden, so gilt diese Betrachtung allgemein, und in der Masse der mechanischen Gebilde liegt die Bedingung, vermöge deren sich die im in-
RUHE
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differenten Gleichgewicht befindlichen Dinge praktisch verhalten, als befänden sie sich im stabilen. Umgekehrt giebt es zahlreiche stabile Gleichgewichte, die f ü r unbegrenzt kleine Bewegungen indifferent sind. Unsere Kugel In der Schüssel liefert gleich ein Beispiel. Den hohlkugelförmigen Boden der Schüssel können wir für eine sehr kleine Ausdehnung als eine Ebene ansehen, und in dieser ist das Gleichgewicht indifferent. Solche Verhältnisse sind in allen Fällen vorhanden, wo der Gleichgewichtszustand s t e t i g in die benachbarten Zustände übergeht, und bei der erfahrungsmässigen allgemeinen Stetigkeit der Naturerscheinungen kann man also sagen, dass streng genommen alle stabilen Gleichgewichte in diese Klasse gehören. Sie unterscheiden sich dann nur durch die mehr oder weniger enge Begrenzung des Antheils um das stabile Gleichgewicht, den man praktisch als indifferent ansehen darf. Hierdurch geben wir uns Rechenschaft von einer der alltäglichsten Erscheinungen, dem Ruhen oder Liegen der festen Gegenstände auf einander. Wenn etwa dies Tintenfass auf dem Tische steht, so handelt es sich um ein Gleichgewicht zwischen den beiden Formenergieen des Tintenfasses und des Tisches und der Schwereenergie des ersteren. Das Tintenfass fällt so lange, bis durch Zusammenpressen der Tischplatte deren Formenergie so gross geworden ist, dass ein weiteres Sinken mehr Arbeit erfordern würde, als das Tintenfass durch sein Fallen leisten könnte; dann tritt nach einigen Schwingungen stabiles Gleichgewicht ein. Gleichzeitig ist auch die Unterfläche des Tintenfasses zusammengedrückt worden, bis dessen Formenergie im Verhältniss zu der Bewegung des.Schwerpunktes des Tintenfasses die gleiche Bedingung erfüllt. Nach diesen Betrachtungen muss man fragen, warum nicht längst auf der Erdoberfläche überall Ruhe, d. h. stabiles mechanisches Gleichgewicht eingetreten ist, da ein einmal zur Ruhe gekommenes Gebilde sich nicht freiwillig in Bewegung setzen kann. Die Antwort ist, dass hieran die S o n n e die Schuld oder das Verdienst trägt. Durch die Erwärmung der Luft und die Verdampfung des Wassers mittelst der zugesen-
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deten Strahlungsenergie bewirkt sie immer wieder Störungen der vorhandenen Gleichgewichte, und durch Wind, Regen, Wasserläufe erhalten wir die Energiemengen, durch welche wir die ruhenden Dinge in unserem Interesse in Bewegung setzen können, zunächst auf mechanischem Wege. (Dass diese nur einen Theil der vorhandenen Mengen ausmachen, ist bei früherer Gelegenheit (S. 243) schon erwähnt worden.) Auch die unwillkommenen mechanischen Störungen durch Stürme und Ueberschwemmungen gehen auf die gleiche Quelle freier oder umwandlungsfähiger Energie zurück. Während auf solche Weise das Problem des Geschehens in der mechanischen Welt verhältnissmässig einfach zu lösen ist, machen die anderen Energiearten grössere Schwierigkeiten. Diese wurden, ganz ähnlich wie im Falle des ersten Hauptsatzes, zuerst bei der W ä r m e in Angriff genommen und gelöst. Und zwar hat sich hier die geschichtlich sehr merkwürdige Thatsache vollzogen, dass dies gedanklich schwierigere Problem zeitlich früher gelöst worden ist, als das von der Energieäquivalenz. Allerdings hat dann die allgemeine Anerkennung und Benutzung der Lösung noch bedeutend längere Zeit auf sich warten lassen, als in jenem Falle. Den Anlass für die Frage bot die schnelle Entwicklung der Dampfmaschine in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts. Die Thatsache, dass man durch Wärme Arbeit erhalten kann, wurde dadurch offenbar. Dass hierbei Wärme verschwindet und sich in Arbeit verwandelt, war eine Möglichkeit, an die man zu jener Zeit überhaupt nicht dachte, denn damals herrschte die Vorstellung, dass die Wärme eine unwägbare, aber unvernichtbare Flüssigkeit sei. Man musste also fragen: welches sind die Ursachen, vermöge deren die Wärme überhaupt Arbeit leisten kann? und die Antwort darauf wurde 1824 von dem bald darauf im Alter von nur 26 Jahren verstorbenen Artillerieleutnant S A D I C A R N O T folgendermaassen gegeben. Zunächst ist es klar, dass die ruhende Wärme keine Arbeit leisten kann. In einem Räume von constanter Temperatur findet kein Vorgang statt, mittelst dessen man Wärme in Arbeit
CARNOT'S
GEDANKE
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verwandeln kann, sondern es bedarf der Räume von v e r s c h i e d e n e n T e m p e r a t u r e n , um dies zu ermöglichen. Bei der Dampfmaschine sind diese Räume der Kessel und der Condensator. Ferner können sich aber auch Temperaturverschiedenheiten durch Leitung so ausgleichen, dass hierbei k e i n e Arbeit geleistet wird. Man muss also in Wärmemaschinen die Temperaturänderung so ausführen, dass sie n i c h t durch Leitung erfolgt. Dies geschieht in der Dampfmaschine, indem der heisse Dampf im Kolben arbeitet; dabei kühlt er sich ab. Für die Wirkung der Dampfmaschine wird also zweierlei maassgebend sein. Einmal wird sie um so mehr Arbeit leisten, je mehr Wärme a u s ihrem Kessel in den Condensator geht, andererseits um so mehr, je weiter die Ausdehnung des Dampfes und damit seine Abkühlung getrieben wird. Es ist mit anderen Worten für die Leistung sowohl die Wärmemenge wie der Temperaturabfall maassgebend, und sie verschwindet, wenn eine dieser Grössen Null wird. Hier bot sich nun eine Analogie an, die thatsächlich viele der vorhandenen Verhältnisse gut darstellt. CARNOT verglich die Wirkungsweise der Wärme mit der des Wassers in den Wassermühlen. Ebenso wie das Wasser um eine gewisse Höhe fallen muss, um Arbeit zu leisten, und die Arbeit proportional der Fallhöhe und der Wassermenge ist, so muss die Wärme um einen gewissen Temperaturbetrag fallen, um Arbeit zu leisten, und die Arbeit hängt von beiden Grössen ab. Die ungemein scharfsinnige Weise, in welcher CARNOT dann den Arbeitsbetrag berechnete, den man durch bestimmte Temperaturfälle aus bestimmten Wärmemengen erhalten kann, ist hier nicht zu erörtern; es mag die Bemerkung genügen, dass es sich um einen der gescheutesten Einfälle in der Wissenschaft handelt. Die Entwicklung von CARNOT'S Ideen und insbesondere ihre Verallgemeinerung auf die anderen Energiearten hat sehr lange auf sich warten lassen. Zunächst starb CARNOT, wie erwähnt, sehr jung, nachdem er seine Ergebnisse in einem kleinen Buche R é f l e x i o n s s u r l a p u i s s a n c e m o t r i c e d u f e u , niedergelegt hatte. Durch eine Arbeit eines Ingenieurs, CLAPEYRON, der die analytische Formulirung von CARNOT'S Gedankengang ausführte,
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wurde sie zehn Jahre später wieder vor das wissenschaftliche Publikum gebracht, ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen. Als dann der erste Haupsatz langsam in seiner Bedeutung erkannt wurde, gab es zunächst eine Schwierigkeit zu überwinden, da CARNOT seine Betrachtungen ohne die Kenntniss dieses Satzes und zum Theil im Widerspruch mit ihm angestellt hatte. Während W. THOMSON, ohne an die Lösung dieses Widerspruches zu gehen, aus den Ansätzen CARNOT's weitere wichtige Schlüsse zu ziehen wusste, hat dann CLAUSIUS 1 8 5 0 den Weg gezeigt, wie man die Fehler in diesen verbessern und doch den wesentlichen Gedankengang beibehalten konnte, und hat seine ausserordentliche Fruchtbarkeit erwiesen. Ich kann auf die weitere, recht verwickelte Geschichte des „zweiten Hauptsatzes", wie das CARNOT'sche Princip in der Folge genannt worden ist, nicht eingehen. 1 Meine Aufgabe soll vielmehr sein, Ihnen die wesentlichsten Seiten des hier vorliegenden Naturgesetzes in anschaulicher Gestalt vorzuführen, soweit sie für die Ziehung der genaueren Umrisse unseres energetischen Weltbildes erforderlich ist. Bei der Betrachtung der mechanischen Energieen hatte sich ergeben, dass Vorgänge, d. h. Bewegungen, eintreten, wenn die Möglichkeit vorliegt, dass für die Bildung von Bewegungsenergie andere mechanische Energieen verfügbar sind. Man wird dies Ergebniss alsbald dahin verallgemeinern können, dass Bewegungen eintreten werden, wenn irgend welche andere Energieen sich in Bewegungsenergie verwandeln können. Hierzu wird ebenso wie im ersten Fall erforderlich sein, dass es in dem betrachteten Gebilde mögliche Bewegungen giebt, bei denen sich die Menge der vorhandenen Energieen vermindert, so dass diese Beträge sich in Bewegungsenergie verwandeln können. Dies tritt beispielsweise bei der elektrischen und magnetischen Anziehung oder Abstossung ein; hier nimmt bei der fraglichen Bewegung der Gehalt des Gebildes an elektrischer, bezw. magnetischer Energie ab, und daher kann sich eine entsprechende Menge Bewegungsenergie bilden. 1 Eine ausgezeichnete Darstellung Principien der Wärraelehre, Leipzig 1896.
findet
sich
bei E. MACH, Die
ZWEITER
HAUPTSATZ
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Diese Betrachtungen gelten aber nur für den Fall, dass das Geschehniss in B e w e g u n g besteht. Nun giebt es aber ausserdem noch unzählige andere Veränderungen, bei denen andere Energieen sich bilden. Es kann beispielsweise das Geschehniss darin bestehen, dass irgend ein Körper wärmer oder kälter wird, als er vorher war, oder es können chemische Umwandlungen stattfinden, oder der Körper fängt an zu leuchten u. s. w. Bei allen diesen Ereignissen finden keine Ortsänderungen (oder nur sekundäre) statt, und für sie muss daher ein neues Gesetz aufgefunden werden. Für dieses haben die Betrachtungen von CARNOT die Grundlage gegeben. Es sei ein Raum von gleichförmiger T e m p e r a t u r gegeben. Dann wird nirgendwo im Räume eine Temperaturänderung stattfinden. Die Wärme bleibt in Ruhe, es tritt kein t h e r m i s c h e s Ereigniss ein. Dasselbe gilt für den Fall, dass elektrische Energie von gleichförmiger S p a n n u n g sich in einem gegebenen Räume befindet. Auch diese wird sich nicht freiwillig ändern, und so lange ein solcher Zustand vorliegt, kann nichts Elektrisches geschehen. Dass solche Betrachtungen auch auf mechanische Fälle Anwendung finden, ergiebt sich, wenn wir einen Raum von gleichförmigem D r u c k betrachten, wie er annähernd auf unserer Erdoberfläche vorliegt. Auch hier geschieht so lange nichts, als der Druck überall denselben Werth hat, und nur, wenn Druckunterschiede an verschiedenen Stellen vorliegen, setzt sich die Luft in Bewegung. Alle diese Fälle stimmen darin überein, dass eine gewisse messbare Grösse, die Temperatur, die elektrische Spannung, der Druck, sich in dem betrachteten Räume gleichförmig ausgebreitet vorfindet. Für die betreffende E n e r g i e gilt dies nicht, denn ist beispielsweise der betrachtete Raum von gleichförmiger Temperatur theils mit Wasser, theils mit Luft gefüllt, so ist die in der Raumeinheit enthaltene Wärmemenge viel grösser im Wasser als in der Luft, denn bei einer Aenderung der gemeinsamen Temperatur giebt das Wasser pro Raumeinheit etwa
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viertausend Mal mehr Wärme aus als die Luft. Trotzdem hat die Wärme keine Neigung aus ihrem dichten Gebiete in das dünnere zu gehen, und eine kleine Erhöhung der Temperatur der Luft bewirkt sogar den umgekehrten Uebergang. Doch ist diese Grösse, von welcher der Uebergang abhängt, mit der Energie auf das engste verbunden, denn sie erweist sich als ein F a c t o r d e r b e t r e f f e n d e n Energie. Beim Druck und der elektrischen Spannung ist dies bekannt, denn Druck mal Volum ist die Volumenergie und Spannung mal Elektricitätsmenge ist die elektrische. Bei der Wärme ist der andere Factor, der den Namen Entropie erhalten hat, nicht in den Vorstellungskreis der täglichen Physik übergegangen, er spielt aber in der Wärmetheorie eine überaus wichtige Rolle; Temperatur mal Entropie ist die Wärmeenergie. Der andere Factor der Energie hat n i c h t die Eigenschaft, dass seine Gleichheit den Ruhezustand kennzeichnet; Elektricitätsmengen, Volume, Entropieen können in beliebigen Werthen neben einander vorhanden sein, ohne dass ihre Verschiedenheiten Vorgänge der betreffenden Energieen bedingen. Wir wollen diese Eigenschaft, von deren Gleichheit die Ruhe der betreffenden Energie abhängt, deren I n t e n s i t ä t nennen. Die Temperatur ist also die Intensität der Wärmeenergie. Diese Intensitäten stellen stetige Mannigfaltigkeiten dar, doch geht ihnen der Grössencharakter ab, sie gehören vielmehr zu den S t ä r k e n (S. 129), wie das im Namen auch angedeutet ist. Um uns hiervon zu überzeugen, brauchen wir uns nur zu vergegenwärtigen, dass sich z. B. Temperaturen nicht physisch addiren lassen. Fügt man zwei Körper von gleichen Temperaturen zusammen, so ergiebt sich nicht etwa die doppelte Temperatur, sondern die gleiche. In der That haben uns die Temperaturen als Beispiele einer geordneten Reihe aus unverwechselbaren Stücken gedient (S. 125). Fassen wir das Dargelegte (das sich auch auf alle anderen Energieformen ausdehnen lässt) zusammen, so wird man ein allgemeines Gesetz des Geschehens dahin aussprechen können: damit etwas geschieht, müssen Intensitätsunterschiede
DAS
INTENSITÄTSGESETZ
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d e r a n w e s e n d e n E n e r g i e e n v o r h a n d e n s e i n . Den allgemeinen Ausspruch dieses Gesetzes verdanken wir G. HELM.1 Soviel ist zunächst klar, dass wenn Intensitätsunterschiede nicht vorhanden sind, auch nichts geschehen kann. Ob umgekehrt immer etwas geschehen muss, wenn Intensitätsunterschiede vorhanden sind, ist eine andere Frage. Es lassen sich bald Beispiele finden, wo trotz vorhandener derartiger Unterschiede nichts geschieht. Die ausgesprochene Bedingung ist also zwar n o t h w e n d i g , aber nicht z u r e i c h e n d . Auf die erforderliche Ergänzung wollen wir aber erst später eingehen, nachdem die einfacheren Fälle klar gestellt sind. Man wird zunächst fragen: wie kommt die Intensität zu dieser ihrer merkwürdigen Eigenschaft? — Auf die natürlichste Weise von der Welt: denn die Gleichheit der Intensität ist ja nur der Name des vorhandenen Gleichgewichts, nicht eine Zwangsursache, welche ein Geschehen verhindert. Fragen wir uns doch, wie wir etwa die Gleichheit zweier Temperaturen feststellen. Wir bringen ein Thermometer in den einen Raum, warten so lange, bis es sich nicht mehr ändert, lesen seine Temperatur ab, und überzeugen uns dann, ob es im anderen Räume dieselbe Temperatur zeigt, d. h. sich auch nicht ändert. Ein Thermometer ist ein Apparat, an welchem man auf irgend eine Weise, z. B. durch die Ausdehnung des in einem Glasrohr mit Kugel eingeschlossenen Quecksilbers, Verschiedenheiten der Temperatur erkennen kann. Jeder Temperatur ist eine Zahl zugeordnet, die den Charakter einer O r d n u n g s zahl hat. Wenn das Quecksilber seinen Stand ändert, nachdem wir das Thermometer in unseren ersten Raum gebracht haben, so geschieht es, weil beide nicht dieselbe Temperatur hatten. Es geht dann alsbald ein Ausgleich der Temperaturen an, und wenn dieser vollzogen ist, so zeigt das Thermometer einen unveränderlichen Stand. Die Messung wird also auf Grund der Thatsache ausgeführt, dass sich das Thermometer mit seiner Umgebung ins Wärmegleichgewicht setzt, wie das auch jeder andere Körper thut. F i n d e n wir d a s T h e r m o m e t e r d a n n 1
HELM,
Die Lehre von der Energie, Leipzig
OSTWALD, Naturphilosophie. IIL Auflage.
1887.
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GESETZ
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GESCHEHENS
im Gleichgewicht mit d em zweiten Räume, so s c h l i e s s e n wir, d a s s auch die beiden Räume mit e i n a n d e r im W ä r m e g l e i c h g e w i c h t sein werden. Dieser letzte Satz ist ein Erfahrungsgesetz, welches für alle Intensitäten gilt. Man darf ihn nicht etwa für selbstverständlich ansehen, da zwei Grössen, die einer dritten gleich sind, auch einander gleich sind. Temperaturen sind eben keine Grössen, sondern Stärken, und da der Gleichheitssatz allgemein (S. 117) ein Erfahrungssatz ist, so muss er in jedem Falle von neuem geprüft werden. Also die Feststellung, dass zwei Räume gleiche Temperatur haben, ist identisch mit der Feststellung, dass sie im Wärmegleichgewicht sind, und damit erledigt sich die scheinbare Merkwürdigkeit des Intensitätsgesetzes. Es bleibt eben nur die allerdings bemerkenswerthe Thatsache bestehen, dass Gleichgewicht irgend einer Energieart nicht gleiche räumliche oder sonstige Dichte der gesammten Energie voraussetzt, sondern durch Gleichheit des Intensitätsfactors allein bestimmt wird. Die hier beispielsweise für die Wärme durchgeführten Betrachtungen lassen sich unter passenden Aenderungen auf alle Energiearten anwenden, und haben eine sehr grosse Bedeutung, so einfach sie erscheinen. Insbesondere ist der Satz, d a s s zwei I n t e n s i t ä t e n , die einer dritten gleich sind, auch unter e i n a n d e r gleich sind, von grösster Wichtigkeit, da er weitgehende Aussagen über die Möglichkeit der Geschehnisse macht Um seine Bedeutung einzusehen, denken wir uns, er wäre nicht richtig, und zwei Körper A und B, die einzeln mit einem dritten C im Wärmegleichgewicht sind, seien es nicht, wenn man sie mit einander in Berührung bringt. Dann wird es nach dem Satze von CARNOT (S. 253) möglich sein, durch den Uebergang der Wärme zwischen A und B Arbeit zsu gewinnen. Nehmen wir an, A gebe dabei Wärme ab, und B nehme den nicht in Arbeit umgewandelten Theil auf. Dann ist hernach A in Bezug auf C kälter geworden, und bringt man beide zusammen, so wird Wärme von C nach A übergehen, und man kann wieder einen Theil davon in Arbeit verwandeln. Anderer-
PERPETUUM
MOBILE
ZWEITER
ART
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seits ist B wärmer geworden, und man kann Wärme von B nach C übergehen lassen und wieder Arbeit gewinnen. Dann haben um so mehr A und B wieder verschiedene Temperatur und man kann diese Vorgänge wiederholen, so lange noch Wärme in den Körpern ist. Wenn also die Gleichheitsbeziehung der drei Intensitäten nicht bestände, so könnte man aus drei derartigen Körpern unbegrenzt Arbeit gewinnen, denn wir können ja den dritten Körper C so gross nehmen wie wir wollen, z. B. das Weltmeer. Dies ist erfahrungsgemäss nicht möglich, vielmehr bleibt ruhende Energie einer Art auch in Ruhe, wenn man sie räumlich umordnet. Es setzt sich mit anderen Worten ruhende Energie nicht freiwillig in Bewegung. Dieser Satz hat eine grosse Aehnlichkeit mit der Form des ersten Hauptsatzes, der sich auf die Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile bezieht. Es wäre auch ein Perpetuum mobile denkbar, bei dem nicht etwa die Energie aus nichts erschaffen zu werden brauchte. Wenn die überall vorhandene Wärmeenergie von constanter Temperatur nur veranlasst werden könnte, sich freiwillig in andere Formen, z. B. mechanische Arbeit, umzuwandeln, so hätten wir praktisch das gleiche Ziel der aufwandlosen Gewinnung von Arbeit erreicht, denn Wärme liegt überall gratis in unbegrenzten Mengen herum. Aber sie ist eben r u h e n d e Energie, die zu Umwandlungen nicht zu bewegen ist, und nutzbare Energie ist nur die, welche sich in andere Formen verwandeln lässt. In solchem Sinne können wir eine Anordnung, durch welche vorhandene ruhende Energie in Bewegung gesetzt würde, ein Perpetuum mobile zweiter Art nennen, und der zweite Hauptsatz der Energetik nimmt dann die Gestalt an: ein P e r p e t u u m z w e i t e r Art i s t u n m ö g l i c h , während der erste dieselbe Unmöglichkeit in Bezug auf ein Perpetuum mobile erster Art, oder einen Apparat, der Energie erschafft, ausspricht. Dieser Satz ist ebenso ein Erfahrungssatz, wie der erste, und er ist auch nur eine andere Form des Satzes, dass zwei Intensitäten, die einer dritten gleich sind, es auch unter ein17*
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ander sind. Auch dieser letzte Satz ist daher eine Form des zweiten Hauptsatzes. Dagegen giebt es im Sinne des zweiten Hauptsatzes kein allgemeines E r h a l t u n g s g e s e t z . Zwar für die rein mechanischen Energieen würde, wie aus den Betrachtungen auf S. 248 alsbald folgt, ein derartiges Gesetz ausgesprochen werden können, da eine im Ueberschuss gegen das Gleichgewicht vorhandene Energiemenge immer in diesem Zustande verbleibt und nur zwischen mehreren Formen hin- und herpendelt. Wärmee n e r g i e verhält sich aber anders, denn Mangel an Temperaturgleichgewicht bewirkt nur eine einfache Ausgleichung der verschiedenen Temperaturen durch Wärmeleitung, ohne dass ein Pendeln eintritt Dies ist ein tiefgreifender Unterschied, auf dem in letzter Linie die Einsinnigkeit der Zeit beruht. Denn die anderen Energieen verhalten sich meist wie die mechanische, aber alle, die mechanische eingeschlossen, verwandeln sich äusserst leicht in Wärme, welche dann sich ohne Bildung anderer freier Energie ausgleicht. H i e r d u r c h v e r l a u f e n alle V o r g ä n g e auf d e r E r d e in s o l c h e m S i n n e , d a s s die freien oder v e r f ü g b a r e n Energiemengen beständig abn e h m e n . Dass nicht längst ein Stillstand aller Geschehnisse auf der Erde eingetreten ist, verdanken wir dem beständigen Zustrom freier Energie in Gestalt von Strahlung seitens der Sonne, und man braucht nur die Betrachtungen auf S. 242 nochmals zu durchlaufen, um sich von der Richtigkeit dieser Bemerkung allseitig zu überzeugen. — Wir haben nun unsere Betrachtungen auf die Fälle zu erweitern, wo Gleichgewichte bestehen, o b w o h l U n t e r s c h i e d e der I n t e n s i t ä t d e r v o r h a n d e n e n E n e r g i e e n in dem b e t r a c h t e t e n G e b i l d e v o r h a n d e n s i n d . Das früher gegebene Kriterium des Gleichgewichts, dass bei einer kleinen möglichen Aenderung das Gebilde keine Arbeit ausgeben darf, sondern entweder welche aufnehmen muss, oder die Aenderung ohne Arbeitsänderung ausführt, lässt sich auch hier anwenden, nur dass es sich um die gleichzeitige Aenderung m e h r e r e r Energiearten handelt. Die Betrachtung einiger einfacher Fälle wird uns die Auffassung der maassgebenden Gesetze erleichtern.
COMPENSIRTE
INTENSITÄTEN
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Denken wir uns eine Last an einer Spiralfeder aufgehängt, so wird einerseits die Last am Fallen verhindert, andererseits die Feder in einem gespannten Zustande gehalten; beide sind f ü r s i c h nicht im Gleichgewicht, wohl aber durch ihre gegenseitige Verbindung. Und das Gleichgewicht wird wieder durch den Umstand bestimmt, dass bei einer kleinen Hebung der Last ebenso viel Arbeit verbraucht wird, als die Feder durch ihre Entspannung leisten kann, oder dass umgekehrt eine kleine Senkung der Last so viel Arbeit ergiebt, als für die weitere Streckung der Feder erforderlich ist. Dies gilt aber nur für die allererste, kleinste Bewegung in einem oder dem anderen Sinne, sowie die Verschiebung endliche Werthe annimmt, ist beiderseits die erforderliche Arbeit grösser als die gewonnene, und daher besteht ein stabiles Gleichgewicht in dem S. 347 beschriebenen Sinne. Ebenso verhält sich ein geladener elektrischer Accumulator. In ihm befinden sich Stoffe, deren „chemisches Potential" sehr verschieden ist, das metallische Blei einerseits und das Bleisuperoxyd andererseits, die im Verein mit der vorhandenen Schwefelsäure sich zu Bleisulfat umzusetzen fähig sind. Diese Reaction tritt nicht ein, weil gleichzeitig die Platten des Accumulators sich unter diesen Umständen elektrisch laden, und zwar so, dass die elektrischen Wirkungen sich den chemischen widersetzen. Auch hier würde durch das Eintreten des chemischen Vorganges ein elektrischer hervorgerufen werden, und die hierfür erforderliche Arbeit ist gleich der, welche durch den chemischen Vorgang verfügbar werden würde. Daher besteht im ungeschlossenen Accumulator Gleichgewicht. Gestattet man der elektrischen Energie einen anderen Ausgleich durch leitende Verbindung der beiden Platten, so wird auch der chemische Vorgang eintreten, und es bildet sich Bleisulfat. Wenn wir uns recht besinnen, so haben wir schliesslich von derartigen Anordnungen schon den ausgedehntesten Gebrauch gemacht. Wir handhabten ja beständig Gebilde, in denen gewisse Energieen auf bestimmte Räume beschränkt waren. Wo eine Energie eine Grenze hat, muss auch ihre Intensität eine haben, und es giebt offenbar überhaupt keine
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endlichen Gebilde, in denen nicht Intensitätsunterschiede an ihren Grenzen vorhanden wären; wir könnten sie ja sonst überhaupt nicht wahrnehmen. So brauchen wir nur irgend einen begrenzten Körper herzunehmen, um an ihm gleichfalls dieselben Verhältnisse vorzufinden. Das Stück Radirgummi vor mir auf dem Tisch hat seine Form und Grösse nur unter Wechselwirkung mit dem auf ihm lastenden Luftdrucke angenommen und vergrössert sein Volum, wenn wir es unter einen geringeren Druck bringen. Sein Volum wird auch in jedem Augenblicke durch die Bedingung bestimmt, dass die Arbeiten einerseits gegen den Luftdruck, andererseits gegen seine Formenergie oder Elasticität entgegengesetzt gleich sind, und daher die formbestimmenden Ursachen sich das Gleichgewicht halten. Erinnern wir uns der Betrachtungen über das Ruhen des Tintenfasses auf dem Tische, so finden wir die gleichen Bedingungen wieder. Das Wasser im Trinkglase hat sein Gewicht gleichfalls mit der Formenergie des Glases ins Gleichgewicht setzen müssen, und haben wir eine Gasmasse in irgend ein Gefäss eingeschlossen, während sie einen vom Atmosphärendrucke verschiedenen Druck besitzt, so gelingt dies wieder nur durch die Beanspruchung der Formenergie. In den Aneroidbarometern werden die kleinen Formänderungen, die ein solches elastisches Gefäss bei Aenderungen des Luftdruckes erleidet, zur Messung eben dieses Luftdruckes angewendet und sichtbar gemacht. Also unsere ganze bunte Welt besteht aus derartigen zusammengesetzten Gleichgewichten, und es fragt sich, wie solche allgemein zu Stande kommen. Die Antwort ergiebt sich aus der immer wieder ausgesprochenen Bedingung der gegenseitigen Aufhebung der Arbeiten, welche bei einer Verschiebung des Gleichgewichtes erforderlich sind, bezw. frei werden. Damit also ein solches Gleichgewicht möglich ist, müssen die in Betracht kommenden Energieen so mit einander verknüpft sein, dass die eine nicht ohne die andere geändert werden kann. Es muss mit anderen Worten eine gegenseitige K o p p e l u n g der beiden Energieen stattfinden. Dritte und vierte Energieen, die zwar vorhanden sind, aber bei den Aenderungen ihrerseits
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DIE
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keine Aenderungen der anderen bedingen, haben auch keinen Einfluss auf das Gleichgewicht. So wird es in unserm Beispiel von der Last an der Feder gleichgültig sein, ob die Last kalt oder warm ist, denn die Verschiebung der Wärmeenergie der Last bedingt keine Verschiebung irgend einer anderen Energie. Dagegen hat es einen Einfluss, wenn die Last elektrisch ist und sich in der Nähe eines anderen elektrischen Körpers befindet. Dann bedingt die Verschiebung allerdings auch eine Aenderung der elektrischen Energie, und das Gleichgewicht mit der Feder wird ein anderes. Derartige Verknüpfungen sind nur möglich, wenn mehrere Energieen räumlich und zeitlich an einander gebunden sind, so dass die eine keine Aenderung erleiden kann, ohne dass die anderen mitbetheiligt sind. Wir werden hierdurch wieder auf die Thatsache solcher Verknüpfungen zurückgeführt, die wir als Anlass für die Bildung der Begriffe K ö r p e r und M a t e r i e bereits kennen gelernt haben. Hier werden wir einen neuen Grund dafür gewahr, dass solche thatsächlichen Verknüpfungen vorhanden sein müssen, damit wir das Vorhandensein der entsprechenden Energieen überhaupt wahrnehmen können. Wir werden also wieder sagen dürfen, dass zwar auch andere Fälle denkbar sind, in denen die Energieen unabhängig von einander bestehen. Aber wir werden uns nun sagen, dass wenn k e i n e Verbindungen bestehen, durch welche solche zusammengesetzten Gleichgewichte zu Stande kommen, die nicht gebundenen Energieen wegen der Intensitätsgefälle an ihren Grenzen einer unaufhörlichen Zerstreuung unterliegen, die nicht eher aufhören kann, als bis sich die fragliche Energie gleichförmig im gesammten Räume vertheilt hat. Es findet hierdurch in bestimmten Sinne eine A u s l e s e statt, und n u r solche Energieen können sich als räumlich gesonderte Erscheinungen erhalten, welche durch Verknüpfung mit a n d e r e n ein z u s a m m e n g e s e t z t e s Gleichgewicht e r g e b e n , in dem die I n t e n s i t ä t s s p r ü n g e der e i n e n F o r m durch g l e i c h w e r t h i g e I n t e n s i t ä t s s p r ü n g e der a n d e r e n Form c o m p e n s i r t w e r d e n . So verschwindet mehr und mehr das Bedürfniss nach dem
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traditionellen „Träger" der verschiedenen Energieen, und es verschwindet gleichzeitig die „Materie" hinter der Energie. Wenn wir also vorläufig das Gesetz der Geschehens dahin feststellten, das zum Geschehen räumliche Verschiedenheiten der Intensität irgend welcher Energieen vorhanden sein müssen, so werden wir den Satz weiter dahin bestimmen, dass diese Unterschiede n i c h t c o m p e n s i r t s e i n d ü r f e n . Die Compensation eines Intensitätsunterschiedes tritt ein, wenn mit der ersten Energie eine zweite so verbunden ist, dass bei jeder ausführbaren Aenderung die Summe der entstehenden und verschwindenden Energieen gleich Null ist. Dabei entspricht immer dem Sprung der einen Intensität ein entgegengerichteter der anderen. Dann lautet also das allgemeine Gesetz: Damit e t w a s g e s c h i e h t , m ü s s e n n i c h t c o m p e n s i r t e I n t e n s i t ä t s u n t e r s c h i e d e v o r h a n d e n sein. W a s in einem solchen Falle geschieht, lässt sich gleichfalls näher bestimmen. Das betrachtete Gebilde wird bei nicht vorhandener Compensation seinen Zustand so ändern, dass die nicht compensirte Intensität sich zu vermindern strebt. Man wird nämlich die vorhandenen und mit einander verbundenen Energieen im allgemeinen theilweise gegen einander compensiren können, und dabei wird die eine v o l l s t ä n d i g compensirt sein, während von der anderen ein nicht compensirter Ueberschuss bleibt. Dieser Ueberschuss nun wird sich so bethätigen, als wäre er allein vorhanden, und wird sich entsprechend der Beschaffenheit des Gebildes in andere Formen umwandeln. Unsere Last an der Feder wird also fallen, wenn ihr Gewicht nicht durch die Federspannung vollständig compensirt ist, und umgekehrt wird die Feder sich verkürzen, wenn die Last nicht schwer genug ist, um ihr das Gleichgewicht zu halten. Wie sich die Dinge unter verwickeiteren Umständen gestalten, kann hier nicht im Einzelnen dargelegt werden; grundsätzlich treten immer dieselben Verhältnisse auf. Nur eine Bemerkung mag noch gemacht werden. Die verschiedenen Energieen lassen sich mit grösserer oder geringerer Leichtigkeit compensiren. Während dies mit Distanzenenergie, mit Form-
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und Volumenergieen aller Art meist sehr leicht geht, stellen sich bei der elektrischen bereits grössere Schwierigkeiten ein, und für die Wärme giebt es gar kein Mittel vollständiger Compensation. Man kann mit anderen Worten die erstgenannten Energieen leicht ohne Verminderung einschliessen und aufbewahren, die elektrische schwerer, und Wärme lässt sich auf die Dauer überhaupt nicht einschliessen, denn es giebt keine Wärmeisolatoren, wie es elektrische und mechanische giebt. Andererseits lässt sich chemische Energie äusserst leicht unvermindert aufbewahren, denn zu ihrer Entwicklung sind im allgemeinen m e h r e r e Stoffe nöthig, und es bedarf nur des Getrennthaltens dieser Stoffe, um sie gegen Umwandlung zu sichern. Diese Verhältnisse sind sehr wichtig für die Gesammtheit der irdischen Erscheinungen. Die leichte Entstehung der Wärme aus den anderen Energieen, die Unvollständigkeit ihrer Rückverwandlung und die Unwiderstehlichkeit ihres Ausbreitungsbestrebens, bis der Zustand gleichförmiger Intensität, also gleichförmiger T e m p e r a t u r , erreicht ist, sind ebensoviele Ursachen, welche die einseitig verlaufenden, nicht umkehrbaren und nicht periodischen Vorgänge auf der Erdoberfläche in den Vordergrund treten lassen. Die erfahrungsmässige Zeit ist daher, vom Standpunkte der irdischen Erscheinungen aus angesehen, in ausgeprägtester Weise einsinnig, und der Unterschied zwischen früher und später tritt hier auf das schärfste hervor. Bei dem gegenseitigen Energieverkehr der Weltkörper treten dagegen diese Verhältnisse den rein mechanischen gegenüber ganz in den Hintergrund, und die Unveränderlichkeit der periodischen Bewegungen giebt der auf sie bezogenen Zeit den Charakter der Beständigkeit oder Ewigkeit. Allerdings haben wir aus der Betrachtung der weiteren astronomischen Verhältnisse hinreichenden Grund, diesen Eindruck für einen s c h e i n b a r e n zu halten. Auch die Weltkörper unterliegen den Einflüssen nicht umkehrbarer Vorgänge, nur in sehr viel geringerem Verhältnisse, und daher ist das einsinnige Fortschreiten der Zeit auch bei ihnen vorhanden, wenn es auch ganz und gar in den Hintergrund tritt. —
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Durch die zuletzt angestellten Betrachtungen werden wir auf eine Reihe von zeitlichen Erscheinungen aufmerksam gemacht, welche für die Gestaltung unseres Weltbildes von grösster Bedeutung sind. In unseren bisherigen Ansätzen hat die Zeit nur als Bestimmungsstück der B e w e g u n g s e n e r g i e eine Rolle gespielt, und wir haben nur Gleichgewichtszustände, d. h. von der Zeit unabhängig gewordene Gebilde neben den mit Bewegungsenergie behafteten betrachtet. Im ersten Augenblicke scheint damit die Zeitfrage grundsätzlich erschöpft zu sein, denn alle gegenwärtigen Hilfsmittel genauer Zeitmessung, die astronomischen Erscheinungen nicht minder wie die Uhren aller Art, kommen auf die Benutzung der Bewegungsenergie zurück, und die letztere erscheint als die einzige Quelle des Zeitbegriffes, zumal in den anderen Energiearten die Zeit anscheinend nicht vorkommt. Indessen lehrt die Betrachtung der verschiedenen Mittel der künstlichen Zeitmessung, wie sie im Alterthum vor Erfindung der Uhren mit schwingendem Regulator angewendet wurden, dass es noch andere Beziehungen der physischen Erscheinungen zur Zeit giebt. Im Alterthum wurden Wasserund Sanduhren verwendet. Wenn auch die letzteren lange Zeit nur eine Rolle als symbolisches Ausstattungsstück des als Gerippe dargestellten Todes gespielt haben, so sind sie doch in neuester Zeit wieder als Telephonuhren zu Ehren gekommen und ich darf ihre Einrichtung als bekannt voraussetzen. Hier wird eine Zeitmessung bewerkstelligt, bei der die Bewegungsenergie nicht entscheidend in Frage kommt; maassgebend ist das enge Loch, durch welches der Sand fallen muss, und von dessen Dimensionen die Zeitmessung abhängt. Noch deutlicher zeigt sich die Möglichkeit einer von der Bewegungsenergie ganz unabhängigen Zeitmessung an dem Verfahren, das von Karl dem Grossen erzählt wird: er maass die Stunden an der Länge einer brennenden Kerze, indem er die Voraussetzung machte, dass in gleichen Zeiten gleiche Längen derselben abbrennen. Untersuchen wir dies letztere Beispiel, so sehen wir, dass ein langsam und regelmässig verlaufender chemischer Vorgang
ZEITLICHE
AUSGLEICHVORGÄNGE
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benutzt wird, um die Zeit zu messen. Dies führt uns mit einem Male zu der Frage, warum denn dieser chemische Vorgang nicht in einem Augenblicke stattfindet, da doch die erforderlichen Stoffe, das Brennmaterial und die Luft, in zureichender Menge vorhanden sind und in ungestörter Berührung stehen. Aehnliche Fragen drängen sich uns überall auf. Zwei Körper, deren Temperatur verschieden ist, zwei Gase, deren Druck verschieden ist, zwei elektrische Leiter, deren Spannung verschieden ist, alle geben bei der Herstellung der Ausgleichmöglichkeit keineswegs augenblicklich den neuen Zustand des Gleichgewichts, sondern sie verbrauchen hierzu eine grössere oder geringere Zeit, auch wenn dabei keine Massen in Bewegung zu setzen sind, deren Bewegungsenergie sonst den Zeitverlauf der Geschehnisse regelt. Es handelt sich hier um einzelne Fälle eines allgemeinen Gesetzes, durch welches alle Geschehnisse, d. h. Energieausgleichungen gekennzeichnet werden: j e d e r E n e r g i e a u s g l e i c h b r a u c h t Zeit. Und zwar ist diese Zeit einerseits von dem Unterschiede der Intensitäten abhängig, durch welche das Geschehniss bedingt wird, andererseits von der Beschaffenheit des Gebildes, an dem der Vorgang stattfindet. Das Beispiel, welches geschichtlich zuerst in dieser Beziehung genau studirt worden ist, liegt bei der Leitung der Wärme vor. Es ist bereits erwähnt worden, dass es kein Mittel giebt, Temperaturunterschiede dauernd zu compensiren, weil es kein Mittel giebt, Wärmemengen mit anderen Energiemengen räumlich so zu verbinden, dass die eine nicht ohne die andere bewegt werden kann. Hätte nun jeder Temperaturunterschied den a u g e n b l i c k l i c h e n Erfolg, dass alsbald eine Wärmeverschiebung zu seinem Ausgleich sich vollzieht, so würden wir überhaupt von keinen Temperaturunterschieden erfahren, und wir kämen demgemäss überhaupt zu keiner Kenntniss der Wärmeenergie. Thatsächlich b e g i n n t zwar in demselben Augenblicke, wo ein Temperaturunterschied entsteht, auch eine Verschiebung der Wärmeenergie im Gebilde, sie v o l l z i e h t sich aber nicht in einem Augenblicke, sondern hat einen messbaren zeitlichen Verlauf. Und zwar können wir hier das all-
268
DAS GESETZ
DES
GESCHEHENS
gemeine Gesetz aussprechen, dass der Betrag der Verschiebung in der Zeiteinheit, oder die Menge des Wärmestromes proportional dem Temperaturunterschied ist, der diesen Strom in Bewegung setzt Hier besteht die grösste Aehnlichkeit mit einem Wasserstrome, der ja auch nur durch ein vorhandenes Gefälle in Bewegung gesetzt wird, und dessen Menge dem Gefälle proportional ist. Hieraus folgt zunächst das wichtige Ergebnlss, d a s s ein A u s g l e i c h n i e m a l s v o l l s t ä n d i g w e r d e n k a n n . Durch den Ausgleichvorgang wird der Intensitätsunterschied immer kleiner, dadurch wird wieder der Ausgleichvorgang immer langsamer, und so bewirkt der Vorgang selbst eine immer grössere Verzögerung seiner selbst, die seine endgültige Beendigung verhindert. Darnach giebt es gar keine wirklichen Gleichgewichte, sondern nur Gebilde, welche in Annäherung an solche begriffen sind. Dies verhindert nicht, dass p r a k t i s c h Gleichgewichte überall angetroffen werden; denn die nachbleibenden Intensitätsunterschiede werden immer kleiner und sinken früher oder später unter die Grenze der Messbarkeit hinab. Dies zeigt uns wieder einmal, dass nirgends ein Absolutes vorhanden ist. Im übrigen hängt bei gegebenem Intensitätsunterschiede die Geschwindigkeit des Ausgleichs in weitestem Maasse von der Beschaffenheit des Gebildes ab. Man kann eine Wärmemenge von höherer Temperatur gegen ihre Umgebung zwar nicht dauernd vollständig isoliren, aber man kann, je nachdem man sie mit Metallen oder Filz oder einem möglichst leeren Räume umgiebt, die Zeitdauer für einen bestimmten Betrag des Ausgleichs innerhalb sehr weiter Grenzen ändern. Die Eigenschaft, welche hier für die Wärme sich bethätigt, nennt man die Wärmeleitfähigkeit Sie hängt nicht nur von der Beschaffenheit des Materials ab, sondern auch von der Gestalt des Gebildes. Solche L e i t f ä h i g k e i t e n giebt es nun auch für die anderen Energiearten. Auch der Ausgleich elektrischer Spannungsunterschiede erfolgt nach genau den gleichen Gesetzen, wie der Temperaturausgleich, und dasselbe gilt für den Ausgleich
NORMALE
GESCHEHNISSE
269
chemischer Unterschiede und vieler anderer: alle brauchen Zeit, und alle verlaufen um so langsamer, je weiter der Ausgleich bereits vorgeschritten ist. Hierdurch kommt es, dass die Welt mit Gebilden erfüllt ist, die vom Standpunkte der Gleichgewichtslehre sozusagen keine Existenzberechtigung haben, und daher ihre Existenz nur auf Zeit geniessen. Jeder Fluss und Bach besteht nur auf solche Weise, dass das in ihm herabfallende Wasser nicht augenblicklich ins Meer fällt, sondern hierzu Zeit braucht, und er
Zeit
V
Fig. 6. Wasser in dem Augenblicke sich fortbewegt hat.
aus den Quellen nachfliesst, als
Fragen wir uns nach den möglichen Fällen solcher Zeitgebilde, so haben wir zunächst den eben geschilderten n o r m a l e n Ablauf eines vorhandenen Intensitätsunterschiedes. Proportional dessen Betrage erfolgt der Ausgleich der Energie, und wenn wir den Vorgang bildlich darstellen, indem wir die Stromstärke oder die in der Zeiteinheit übergeführte Energiemenge nach oben, die Zeit nach rechts zählen, so erhalten wir das Bild Figur 6. So verhalten sich beispielsweise die Ausgleichsvorgänge der Wärme und die meisten der Elektricität. Aber es giebt eine grosse Anzahl anderer natürlicher Vorgänge, die gerade umgekehrt beginnen. Sie sind zunächst gering und verstärken sich dann mehr und mehr, bis sie einen höchsten Werth erreicht haben. Von da ab tritt wieder der gewöhnliche Verlauf, d. h. eine zunehmende Beruhigung, ein. Das klassische Beispiel hierfür ist eine Lawine oder eine Feuers-
270
DAS GESETZ
DES
GESCHEHENS
brunst Es sind dies die Vorgänge, auf welche der fälschlich verallgemeinerte Satz von den kleinen Ursachen und grossen Wirkungen seine Anwendung findet. Untersuchen wir einen derartigen Vorgang, etwa eine Feuersbrunst, etwas eingehender, so finden wir folgendes. Es ist ein grösserer Energievorrath (die brennbaren Dinge und der Luftsauerstoff) vorhanden, der eine Umsetzung erfahren kann, wenn gewisse Bedingungen (Temperaturerhöhung) eintreten. Lässt man diese Bedingungen an einer kleinen Stelle stattfinden, so werden durch den eingeleiteten Vorgang selbst an den angrenzenden Theilen des Gebildes die gleichen Bedingungen hergestellt, und dies geht weiter und weiter und bewirkt eine zunehmende Geschwindigkeit des Umsatzes. Schliesslich beginnt aber der Energievorrath auszugehen, und wenn er verbraucht ist, so erreicht der Vorgang sein natürliches Ende, wie das früher geschildert worden ist. Bei der Feuersbrunst liegt in den verbrennlichen Stoffen und dem Sauerstoff der Luft der Energievorrath vor. Durch Anzünden irgend einer kleinen Menge des brennbaren Stoffes wird die Temperatur an dieser Stelle erhöht; durch die Erhöhung der Temperatur wird nach einem allgemeinen Gesetze auch die Geschwindigkeit der Reaction, hier der Verbrennung, gesteigert, und es werden weitere Wärmemengen entwickelt. Diese dienen wieder zur Erhitzung anderer Antheile, und so steigert sich der Vorgang selbstthätig, und würde sich ins Unbegrenzte steigern, wenn unbegrenzte Energievorräthe vorhanden wären. Dies ist aber nicht der Fall, und es muss daher ein Zustand eintreten, wo die weitere Wärmeentwicklung eine Beschleunigung der Verbrennung nicht mehr hervorrufen kann. Ist dieser Punkt überschritten, so tritt wegen Verminderung der vorhandenen Energie die normale Verlangsamung ein. Demgemäss besteht auch das Verfahren, die Feuersbrunst einzuschränken, darin, dass man die Verbrennungsgeschwindigkeit durch Erniedrigung der Temperatur und Abschluss des Sauerstoffs oder der brennbaren Stoffe möglichst einschränkt Ebenso liegt die Sache bei der Lawine. Die Schneemasse ist durch Reibung festgehalten, obwohl sie ihrer Lage nach
STATIONÄRE
ZUSTÄNDE
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gleiten, d. h. fallen könnte. Wird nun an einer kleinen Schneemenge die Bewegung hervorgebracht, so bewirkt deren Stoss zunächst an den angrenzenden Schneemassen, dass die Reibung überwunden wird und diese sich auch in Bewegung setzen. Hierdurch werden weitere Schneemassen gestossen und in Bewegung gesetzt, und schliesslich fällt aller bewegungsfähige Schnee. Er fällt aber auch nicht unbegrenzt, sondern begiebt sich zur Ruhe, sobald er in die Ebene gelangt ist, d. h. sobald er keine Distanzenergie mehr in verwandlungsfähigem Zustande besitzt. Ein besonderer Fall dieser zweiten Gruppe von Vorgängen tritt ein, wenn sich der mittlere Antheil besonders lang entwickelt. Betrachten wir an Stelle der Feuersbrunst eine brennende Lampe, so nehmen wir folgendes wahr. Zuerst, wenn die Lampe angezündet wird, ist der Verlauf der geschilderte: das zuerst kleine Flämmchen wird grösser und erreicht eine grösste Entwicklung. Dann hält sich die Flamme aber sehr lange auf gleicher Höhe, bis schliesslich, wenn fast alles Oel verbrannt ist, die normale Abschwächung des Verlaufes eintritt. Wir nennen einen Zustand wie den der Lampenflamme einen s t a t i o n ä r e n . Er unterscheidet sich von dem s t a b i l e n dadurch, dass bei diesem gar kein Energiewechsel vorhanden ist. Beim stationären Zustande ist allerdings ein Energiewechsel vorhanden, dieser verläuft aber mit constanter Geschwindigkeit, und deshalb sieht die Erscheinung so aus, als sei sie unveränderlich. . Solche stationäre Zustände können daher nur so lange dauern, als die erforderlichen Energiemengen zur Verfügung stehen, und wenn diese erschöpft sind, machen sie anderen, stabilen Platz. Sehen wir genauer zu, wie derartige stationäre Zustände sich entwickeln können, so erkennen wir alsbald, dass sie auf S e l b s t r e g u l i r u n g beruhen. Die Flamme der Lampe brennt deshalb regelmässig, weil sie nicht das ganze Oel ergreifen kann, sondern nur soviel, als ihr durch den Docht zugeführt wird; der Docht aber führt der Flamme immer neues Oel durch Capillarwirkung zu, weil es an seinem oberen Ende durch dei Verbrennung immer wieder verschwindet. Sowie eine dieser
272
DAS GESETZ
DES
GESCHEHENS
Bedingungen aufhört wirksam zu sein, geht auch der stationäre Zustand zu Grunde. Ein weiterer besonderer Fall entwickelt sich aus dem stationären Vorgange, wenn die Selbstregulirung zeitliche Verschiebungen ihrer Antheile erfährt. Betrachten wir statt der Flamme einer Lampe die einer Kerze; hier muss noch das feste Stearin durch die Wärme der Flamme geschmolzen werden, damit es im Docht aufsteigen und die Flamme unterhalten kann. Zünden wir eine Kerze an, so brennt sie einen Augenblick lang sehr hell, indem nur das im Dochte noch enthaltene wenige Stearin geschmolzen zu werden braucht. Dieses verbrennt und die Flamme wird sehr klein; sie nähert sich dem unteren Ende des Dochtes und dort beginnt das Stearin der Kerze zu schmelzen. Hierdurch wird dem Dochte wieder mehr Brennmaterial zugeführt, die Flamme wird langsam grösser und überschreitet bald die mittlere Höhe, da ihr mehr geschmolzenes Stearin zu Gebote steht, als unter mittleren Verhältnissen. Ist es verzehrt, so muss die Flamme sich wieder der Dochtbasis nähern, um neues Stearin zu schmelzen, und so wiederholen sich die Schwankungen mehr oder weniger regelmässig. Ganz dieselben Verhältnisse, nur vielleicht noch durchsichtiger, zeigen sich bei allen selbstregulirenden Einrichtungen an unseren Maschinen. Soll die Umdrehungszahl des Schwungrades einer Dampfmaschine gleich bleiben, so verbindet man es mit einem Schwungkugelregulator, welcher das Drosselventil des Dampfrohres schliesst, wenn die Geschwindigkeit zu gross wird, und es öffnet, wenn sie zu klein wird. Diese Wirkung kann aber immer erst eintreten, n a c h d e m die Aenderung bereits sich entwickelt hat, welche durch den Regulator verhindert werden soll; die Maschine muss beispielsweise bereits etwas zu schnell laufen, ehe die Abschlussvorrichtung in Thätigkeit tritt. Hierdurch wird bewirkt, dass der stationäre Zustand der Maschine nicht der einer c o n s t a n t e n G e s c h w i n d i g k e i t ist, sondern vielmehr in einem regelmässigen S c h w a n k e n um eine m i t t l e r e G e s c h w i n d i g k e i t besteht. Man hat mit anderen Worten keine gleichförmige, sondern eine p e r i o d i s c h w e c h s e l n d e Geschwindigkeit. Diese Periodicität
STATIONÄRE
PERIODEN
273
kann hier nicht vermieden werden, denn sie entsteht n o t wendig durch die Selbstregulirung; sie kann nur durch Anwendung eines möglichst empfindlichen, d. h. auf möglichst kleine Aenderungen ansprechenden Regulators auf kleinere und kleinere Grenzen eingeschränkt werden. Diese Entstehung von periodischen Vorgängen ist grundverschieden von periodischen Erscheinungen, die unter Mitwirkung der Bewegungsenergie zu Stande kommen, wie etwa die Schwingungen eines Pendels. Wenn ein Pendel schwingt, so bedarf es keiner dauernden Energiezufuhr, denn die Schwingung beruht auf einer gegenseitigen Umwandlung von Distanz- in Bewegungsenergie und umgekehrt, und wenn nur anderweitige Energieverluste vermieden werden könnten, so würde das Pendel unausgesetzt zu schwingen fortfahren.
Schwingungen solcher Art entstehen fast nur, wenn Bewegungsenergie eine der auftretenden Formen ist, 1 und rühren daher, dass diese vermöge des Geschwindigkeitsfactors die Zeit enthält (S. 185). Periodische Aenderungen in s t a t i o n ä r e n Zuständen rühren dagegen von gegenseitigen zeitlichen Verschiebungen der mit einander verbundenen Vorgänge her und dauern nur so lange, als der Energieüberschuss besteht, durch den sich der stationäre Zustand hält Versinnlichen wir diese verschiedenen Vorgange in ähnlicher Weise, wie den normalen Ablauf einer Energieausgleichung in Figur 6, so haben wir folgende Bilder. Der lawinenartige 1 Den einzigen mir bekannten magnetischen Schwingungen. OtrwALD, Naturphilosophie. III. Auflage.
weiteren
Fall
bilden 18
die
elektro-
274
DAS GESETZ
DES
GESCHEHENS
Vorgang wird durch Figur 7 dargestellt; die Erhebung der Curve
schliesslich seine Abnahme. Indem das Maximum durch Selbstregulirung mehr und mehr ausgedehnt wird (Fig. 8), entwickelt
Zeit
>
Fig. 9.
es sich zu einem stationären Zustande (Fig. 9). Ist endlich die Selbstregulirung mit der Eigenschaft des „Nachhinkens" be-
Zeit
>-
Fig. 10.
haftet, so geht der glatte stationäre Verlauf in einen periodischen über (Fig. 10).
MECHANISCHE
UND
DISSIPATIVE
ZEIT
275
Die eben angestellten Betrachtungen haben eine mehrfache Wichtigkeit. Einmal bieten sie uns das Schema für die meisten natürlichen Vorgänge dar, und zwar nicht nur im anorganischen Reiche. Wir werden bald sehen, dass die stationären Erscheinungen in bestimmtem Sinne die Form des L e b e n s sind, und dass alle Organismen sich als Gebilde auffassen lassen, deren verhältnissmässige Beständigkeit auf der Ausbildung stationärer, durch Selbstregulirung entstehender Zustände beruht. Ferner aber sehen wir, d a s s e s f ü r d i e E n t w i c k l u n g d e s Z e i t b e g r i f f e s zwei g a n z v e r s c h i e d e n e Quellen giebt. Einmal erhalten wir ihn aus den m e c h a n i s c h e n Vorgängen, von denen die Bewegungen der Himmelskörper das eindringlichste Beispiel liefern. In diese gelangt, wie mehrfach erwähnt, der Zeitbegriff durch den Geschwindigkeitsfactor der Bewegungsenergie. Die andere Quelle unseres Zeitbegriffes entwickelt sich aber aus der Beschaffenheit der freiwilligen Energieausgleichungen, der sogenannten D i s s i p a t i o n s v o r g ä n g e . Auch diese erfolgen nicht augenblicklich, sondern erfordern Zeit. Während aber die mechanische Zeit eindeutig bestimmt ist, wenn für irgend einen Augenblick die Massen und Geschwindigkeiten eines bestimmten Gebildes gegeben sind, so ergiebt jedes nichtmechanische Gebilde, in welchem irgend eine Energie einer einseitigen Ausgleichung unterliegt, eine andere Zeit, deren Bestimmungsstücke unverhältnissmässig viel mannigfaltiger sind, als die der mechanischen Zeit. Es ist ein wichtiger Erfahrungssatz, dass man auch diese „dissipativen" Vorgänge in einfache Gesetze fassen kann, wenn man sich der mechanisch gemessenen Zeit bedient; dies darf aber nicht zu einer Verkennung des grundsätzlichen Unterschiedes der beiden Quellen des Zeitbegriffes führen. 1 Zwischen den zuletzt ständen und den S. 260 Gleichgewichten bestehen Compensation der räumlich
geschilderten scheinbaren Ruhezubeschriebenen zusammengesetzten Zusammenhänge darin, dass die getrennten Intensitäten oft nach-
1 Näheres hierüber findet man in meiner Schrift: Das physikalischchemische Institut der Universität Leipzig und die Feier seiner Eröffnung. Leipzig, ENGELMANN 1898. 18*
276
DAS GESETZ
DES
GESCHEHENS
weisbar u n v o l l k o m m e n ist. Es findet der chemische Vorgang auch im ungeschlossenen Accumulator (S. 261) statt, nur sehr langsam, und ähnlich lässt sich für die meisten Energieen nachweisen, dass ihre Compensation eine zeitlich unvollkommene ist. Man wird daher grundsätzlich geneigt sein, alle Gleichgewichte als scheinbare aufzufassen, und in der ganzen Welt nur Gebilde zu sehen, welche in dissipativer Aenderung begriffen sind (R. LUTHER). Für die durch das Zeitmaass unserer persönlichen Existenz geregelten Erlebnisse erweist sich indessen die vorläufige Unterscheidung von Gleichgewichtszuständen und veränderlichen Vorgängen als so nützlich, dass sie in den Vordergrund gestellt wurde.
DREIZEHNTE
VORLESUNG
DIE SUBSTANZEN
I
n der Philosophie spielt der Begriff der S u b s t a n z von jeher eine wichtige Rolle. Man nennt Substanz das, was bei eintretenden Aenderungen b e s t e h e n bleibt, und es leuchtet abgesehen von aller Metaphysik ein, dass die Auffindung und Klarstellung solcher constanter Grössen, auf welche man den Wechsel der Erscheinungen beziehen kann, ein werthvolles Mittel zur Darstellung der thatsächlichen Verhältnisse sind. Nun ist, allerdings, wie dies nur zu leicht geschieht, aus dem Mittel oft ein Zweck geworden, und die mit der Eigenschaft des Bestehens ausgestatteten Antheile der Erscheinungen sind als das eigentlich Wirkliche, dem Wechselnden gegenüber als ein Werthvolleres und Wichtigeres angesehen worden. Dem gegenüber werden wir daran festhalten, dass die Ausbildung des Substanzbegriffes nur als eine besonders energische Bethätigung der allgemeinen Begriffsbildung anzusehen ist. Wenn die Aufgabe vorliegt, aus den einzelnen Erlebnissen das Gemeinsame herauszusuchen, so wird sie durch Ermittelung dessen, was einer grösseren oder kleineren Gruppe von Erscheinungen als das unveränderlich Bleibende anhaftet, in erster Linie gelöst. In solchem Sinne hat man beispielsweise den gemeinsamen Charakter, der den Handlungen eines einzelnen Menschen anhaftet, auf die Beständigkeit seiner „Seele" zurückgeführt, und daher eine Seelensubstanz angenommen. Ebenso hat man die Wärme, deren Menge bei einfachen Uebertragungen
278
DIE
SUBSTANZEN
(unter Ausschluss von Umwandlungen in anderen Energieformen) sich nicht ändert, als eine Substanz angesehen. Doch ist in solchen Fällen früher oder später die Veränderlichkeit dieser „Substanzen" erkannt worden. Der Mensch ändert sich mit den Jahren, und das Entstehen und Verschwinden von Wärme, beispielsweise beim Schmelzen und Erstarren der Stoffe, wurde durch den widersprechenden Begriff der versteckten oder latenten Wärme nur nothdürftig in einen formellen Einklang mit dem Substanzbegriff gebracht. Indessen hat die Forschung uns doch eine Reihe von Grössen erkennen lassen, welche sich bei allen bekannten Umwandlungen unverändert der Menge nach erhalten, und denen daher in solchem Sinne der Name von Substanzen zugeschrieben werden darf. Zuerst ist dies mit der M a s s e geschehen; das am Ende des achtzehnten Jahrhundert ausdrücklich aufgestellte, und seitdem im wesentlichen überall bestätigte Gesetz von der E r h a l t u n g der M a s s e bei allen Vorgängen, insbesondere auch bei chemischen, hat seitdem sich so in den Vordergrund gestellt, dass gegenwärtig sprachlich die Neigung besteht, unter Substanz n u r die mit Masse behafteten Dinge zu verstehen. Da wir für diese Dinge indessen bereits das in dieser Beziehung unzweideutige Wort M a t e r i e benutzen, so erscheint die in der älteren Philosophie und Naturwissenschaft stets festgehaltene allgemeinere Auffassung der Substanzen als der q u a n t i t a t i v u n v e r ä n d e r l i c h e n Dinge, unabhängig von ihren sonstigen Eigenschaften, auch als die angemessenere. Fragen wir uns, ob in solchem Sinne ausser der Masse noch andere Substanzen vorhanden sind, so müssen wir mit ja antworten. Vor allen Dingen ist es die Energie selbst, welche ein Erhaltungsgesetz erkennen lässt. Ferner giebt es ein Gesetz von der Erhaltung der Elektricitätsmenge, ein Gesetz von der Erhaltung der chemischen Elemente, eines von der Erhaltung des Schwerpunktes, und so noch einige weitere Erhaltungsgesetze. Wir wollen versuchen, ob sich diese verschiedenen Gesetze einer einigenden Betrachtung unterziehen lassen. Zu diesem Zwecke fassen wir zunächst unsere allgemeinsten
ERHALTUNG
DER
ZEIT
UND
DES
RAUMES
279
naturwissenschaftlichen Begriffe: Zeit, Raum und Energie ins Auge. Die Zeit ergiebt sich begrifflich aus der Erscheinung der Veränderlichkeit; bei ihr kann daher von Erhaltung, also Unveränderlichkeit, unmittelbar nicht die Rede sein. Wenn man will, kann man in der U n V e r ä n d e r l i c h k e i t d e r V e r g a n g e n h e i t ein Erhaltungsgesetz sehen, insofern alles, was gewesen ist, der Möglichkeit irgendwelchen Wechsels bleibend entzogen ist. Doch ist bei der nothwendigen Unvollkommenheit aller unserer Kenntniss von der Vergangenheit, und der Unmöglichkeit, neue Beziehungen zu ihr herzustellen, die Anwendung des Gesetzes zu bestimmten Zwecken beschränkt, wenn es auch allen unseren Ueberlegungen über den Verlauf der Erscheinungen zu Grunde liegt. Dagegen ist der Begriff des R a u m e s als Ausdruck einer wenigstens relativen Unveränderlichkeit gewisser Gebiete unserer Erlebnisse aufzufassen, und für ihn werden also Substanzbeziehungen zu erwarten sein. In der That ist uns das G e s e t z v o n d e r E r h a l t u n g d e s R a u m e s so geläufig, dass wir es uns nicht besonders zum Bewusstsein bringen, da es eben unaufhörlich in unserem Bewusstsein vorhanden ist. Es besagt, dass die Grösse eines gegebenen Raumes durch nichts, was in diesem Räume vor sich geht, geändert werden kann. Alles, was geschieht, bewirkt nur eine verschiedenartige Erfüllung des unveränderlich grossen Raumes. Dieser Satz hat allerdings eine bestimmte Bedeutung nur unter der früher entwickelten Voraussetzung, dass die festen Körper bei der Veränderung ihrer räumlichen Lage ihre Grösse und Form behalten. Wir haben gesehen, dass eine solche Voraussetzung zwar nicht bewiesen werden kann, insofern als die Möglichkeit gesetzmässiger Veränderlichkeit, die beim Zurückkehren in den alten Raum wieder rückgängig wird, nicht auszuschliessen ist. Die Annahme aber, dass thatsächlich keine Veränderung eintritt, bezw. die darauf beruhende Messung des Raumes, ist aber bei weitem die einfachste und zweckmässigste, die man machen kann, und der eben berührte Umstand, dass unter dieser Annahme auch ein Gesetz von der Erhaltung des
280
DIE
SUBSTANZEN
Raumes ausgesprochen werden kann, ist eine weitere Bestätigung dieser Zweckmässigkeit Wir wenden uns nun zum Gesetz von der E r h a l t u n g der Energie. Bei der umfassenden Bedeutung, welche die Energie für die gesammte Auffassung der natürlichen Erscheinungen hat, dürfte man sie gemäss dem Gesetz von ihrer Erhaltung wohl als die S u b s t a n z im e i g e n t l i c h s t e n S i n n e bezeichnen. Sie ist ebenso allgemein und unumgänglich, wie der Raum, aber unvergleichlich viel mannigfaltiger. Während die ganze Wandelbarkeit des Raumes nur in der Art liegt, wie er erfüllt ist, wobei alle seine allgemeinen Eigenschaften und daher auch seine Messbarkeit unverändert bleiben, tritt die Energie in den mannigfaltigsten Gestalten auf, von denen jede ihr eigenes, meist nicht einfaches Maass hat, und die nur durch das Umwandlungsgesetz mit einander zusammenhängen. Diesem Gegensatz entspricht auch die Entwicklungsgeschichte unserer Kenntnisse: während die über den Raum sehr frühzeitig entstanden sind, da schon die Aegypter und die Griechen eine hoch entwickelte Geometrie besassen, sind die über die Energie erst sehr spät, nämlich in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, entdeckt worden. Demgemäss hat auch das Eindringen dieser letzteren Gesetze in unser regelmässiges und unangestrengtes Denken noch nicht sehr weitgehend stattgefunden, und es giebt zahlreiche „gebildete" Menschen, die vor Widersprüchen gegen den ersten Hauptsatz nicht zurückschrecken. Sind solche unter den naturwissenschaftlich Gebildeten zur Zeit allerdings selten geworden, so wird auch durch Naturwissenschaftler der zweite Hauptsatz oft und grob verletzt, ohne dass sie dabei eine Missempfindung haben. Es muss der langsamen Entwicklung des menschlichen Geistes überlassen werden, diese Gesetze dermaassen in das Bewusstsein zu übertragen, dass ihre Verletzung alsbald empfunden und abgewiesen wird, ohne dass sich der Betreffende erst klar zu machen braucht, dass ein Widerspruch gegen diese bestimmten Gesetze vorliegt. In Bezug auf die Form des zweiten Hauptsatzes, welcher die E r h a l t u n g der f r e i e n E n e r g i e ausspricht, ist bereits
ERHALTUNG
DER
CAPACITÄTEN
281
bemerkt worden, dass sie nicht allgemein ist, da durch die Wärmeleitung (der sich nach den neuesten Forschungen vielleicht auch die Strahlung zugesellt) auch eine V e r m i n d e r u n g derselben möglich wird und auch beständig stattfindet. Es liegt hier eine Unregelmässigkeit unseres Weltbildes vor, deren Aufklärung, vermuthlich durch Unterordnung unter ein noch unbekanntes allgemeineres Gesetz, von der Zukunft zu erwarten ist. 1 Was nun die übrigen Dinge anlangt, für welche vorher (S. 278) Erhaltungsgesetze erwähnt worden sind, so ergiebt sich bei ihrer Zusammenstellung, dass sie sämmtlich Factoren verschiedener Energiearten sind, und zwar solche Factoren, die mit den Intensitäten (S. 256) multiplicirt die Energieen ergeben. Wir wollen für sie einen allgemeinen Namen einführen und nennen sie die C a p a c i t ä t s f a c t o r e n . Sie unterscheiden sich in vielen wesentlichen Punkten von den Intensitätsfactoren und verdienen durchaus eine eingehendere Betrachtung. Wir wollen, um den Ueberblick zu erleichtern, die Ergebnisse dieser Betrachtung in einigen Sätzen vorausnehmen, die sich dann bei der Einzeluntersuchung bestätigen werden. Zunächst sind die Capacitäten immer G r ö s s e n im Gegensatz zu den Intensitäten, welche Stärken sind. Sie lassen sich mit anderen Worten physisch addiren, oder der Betrag mehrerer zusammengelegter Capacitäten (der gleichen Art) lässt sich durch die Summe der Grössen der einzelnen Werthe darstellen. Bei den Intensitäten ist dies, wie erwähnt, nicht ohne weiteres möglich. Ferner unterliegen die Capacitätsgrössen einem E r h a l t u n g s g e s e t z . In einem abgeschlossenen Gebilde können beliebige Aenderungen, d. h. gegenseitige Energieumwandlungen stattfinden, ohne dass die Capacitäten der vorhandenen Energieen eine Aenderung erleiden. Dies ist dadurch möglich, 1 Vielleicht ist diese Aufklärung in der S. 276 angedeuteten Richtung zu finden, wonach die mit Verminderung der freien Energie verbundenen Zerstreuungserscheinungen, die der Wärmeleitung entsprechen, allgemein sind, und sich von letzterer nur durch ihren langsameren Verlauf unterscheiden.
282
DIE
SUBSTANZEN
dass die eintretenden Aenderungen der Energiemengen durch Aenderungen in den Intensitätsfactoren allein zu Stande kommen. Soll aber eine Capacitätsgrösse geändert werden, so ist dies nur durch Zu- oder Abführung der Energie möglich. Der Capacitätsfactor der Wärmeenergie, die Entropie, macht hiervon eine Ausnahme. Die Menge der Entropie kann zwar auf keine Weise v e r m i n d e r t werden, wohl aber wird sie leicht vermehrt, und alle natürlichen Vorgänge sind von Entropiezunahme begleitet. Dies ist eine andere Seite der S. 269 geschilderten Verhältnisse, durch welche die Einsinnigkeit unserer empirischen Zeit (S. 275) bewirkt wird. Diese erfolgt durch die W ä r m e l e i t u n g ; wird diese vermieden, so gilt auch ein Gesetz von der Erhaltung der Entropie in jedem geschlossenen Gebilde. Wir untersuchen zur Prüfung dieser allgemeinen Verhältnisse zunächst die B e w e g u n g s e n e r g i e . Sie wird durch den Ausdruck ^hmc* dargestellt, der sich, abgesehen vom Zahlenfactor 1 / 2 , auf zwei verschiedene Weisen in Factoren zerlegen lässt, nämlich in m und ca, und in mc und c. Es ist bemerkenswerth, dass die beschriebenen Eigenthümlichkeiten der Capacitätsgrössen für b e i d e Arten der Zerlegung gelten. Zunächst kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die G e s c h w i n d i g k e i t eine Intensitätsgrösse ist, denn zwei (an Werth und Richtung) gleiche Geschwindigkeiten addiren sich nicht, wenn sie physisch zusammengefügt werden, sondern sie lassen sich unverändert. Für die M a s s e erkennen wir ebenso sicher ihre Eigenschaft als eine wahre G r ö s s e , denn zwei Massen summiren sich beim physischen Zusammenfügen; die Masse ist also eine Capacitätsgrösse, und es ist für sie ein Erhaltungsgesetz zu erwarten. Dass dies zutrifft, ist wohlbekannt, und wir sehen hier das Gesetz von der Erhaltung der Masse, das in dem bisherigen Naturbewusstsein die Rolle eines ausgezeichneten und alleinstehenden Gesetzes von unvergleichlicher Wichtigkeit spielte, in eine Reihe mit den anderen Gesetzen von der Erhaltung der Capacitätsgrössen zurücktreten. Gleichzeitig wird sichtbar, dass eine Naturphilosophie, welche diesem Erhaltungs-
ERHALTUNG
DER
MASSE
283
gesetz eine besondere Stelle einräumt, wie die heutige Auffassung von der Materie, nicht als zweckmässig oder angemessen angesehen werden kann. Ob dies Gesetz in aller Strenge gilt, lässt sich a priori nicht entscheiden, und die verschiedenen Versuche, es als eine Denknothwendigkeit hinzustellen, mit denen sich unter Anderen auch ein so scharfer Denker wie SCHOPENHAUER befasste, kommen auf eine Art von ontologischem Beweis heraus. Denn sie beruhen auf folgender Schlussweise. Unter Materie verstehe man den unveränderlichen Träger veränderlicher Eigenschaften, folglich müsse dann eben die Masse, die eine Grundeigenschaft der Materie sei, auch sich als unveränderlich erweisen. Man kann ebenso der Wahrheit zuwider beweisen, dass die Materie ihren Raum nicht ändern kann, denn die Raumerfüllung ist ebenso eine Grundeigenschaft der Materie. Thatsächlich handelt es sich um eine Frage, die nur durch die Erfahrung entschieden werden kann, und der Umstand, dass bei der Entropie eine Ausnahme von dem Erhaltungsgesetz der Capacitäten besteht, legt die Vermuthung nahe, dass auch in anderen Fällen Abweichungen unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein können. Die in neuerer Zeit, insbesondere von LANDOLT angestellten Untersuchungen über mögliche Gewichtsänderungen bei chemischen Vorgängen beziehen sich allerdings in erster Linie auf das G e w i c h t , und wenn das regelmässige Auftreten solcher Aenderungen erst sicher festgestellt sein wird (was noch nicht der Fall ist), so wird noch eine Untersuchung darüber einzutreten haben, ob den Gewichtsänderungen Masseänderungen entsprechen oder nicht Als undenkbar sind aber solche Aenderungen durchaus nicht zu bezeichnen. Schliesslich ist zu dem Begriffe der Masse die folgende Bemerkung zu machen. Man findet als Definition der Masse auch in sonst guten Lehrbüchern die nichtssagende Wendung, die Masse sei die „Menge der Materie", wobei keine Auskunft gegeben wird, wie diese Menge zu messen ist. Aus den bisherigen Betrachtungen ergiebt sich die sachgemässe Definition der Masse als der C a p a c i t ä t f ü r Bewegungsenergie.
284
DIE
SUBSTANZEN
Hierdurch tritt insbesondere deutlich hervor, dass der Begriff der Masse mit dem der Bewegungsenergie allein in n o t wendiger Weise verbunden ist, und mit den übrigen Eigenschaften der „Materie" nur in mittelbaren Beziehungen steht Die zweite Zerlegung der Bewegungsenergie führt auf den Ausdruck, der in der Mechanik als B e w e g u n g s g r ö s s e bekannt ist. Auch für diese gilt ein Erhaltungsgesetz des Inhaltes, dass ohne Zutreten äusserer Energie d i e B e w e g u n g s g r ö s s e eines jeden Gebildes unverändert bleibt Diese Thatsache hat im Verein mit der Unveränderlichkeit der Bewegungsenergie \ mc2 zu dem berühmten Streite über das wahre Maass der Kräfte zwischen DESCARTES und LEIBNIZ geführt, an dem noch KANT in wenig befriedigender Weise Theil genommen hat. Gewöhnlich wird der Nachweis von D'ALEMBERT, dass es sich hierbei um zwei verschiedene Dinge handelt, je nachdem man die Wirkungen der Kräfte auf gleiche Zeiten oder gleiche Strecken bezieht, als die Entscheidung der Frage angesehen. Von unserm Standpunkte erkennen wir, dass in beiden Fällen ein Erhaltungsgesetz gilt nur im einen das der Energie, im anderen das einer Capacitätsgrösse. Das erste ist auf den Fall beschränkt dass keine Umwandlung in andere Energieen stattfindet; es gilt daher beispielsweise nicht mehr für den unelastischen Stoss, wo sich Wärme auf Kosten der Bewegungsenergie bildet Das zweite ist auf den Fall beschränkt, dass keine Ab- oder Zufuhr von Energie erfolgt, gilt aber auch bei inneren Umwandlungen, z. B. dem unelastischen Stosse. So ändert beispielsweise sich die Bewegungsgrösse einer Bombe nicht, auch wenn sie auf ihrem Fluge durch die Explosion der Pulverladung in viele kleine Stücke zerschmettert wird. Es entstehen an Stelle der Grösse MC, wo die grossen Buchstaben sich auf die ganze Bombe beziehen, viele kleine Produkte mc, indem zu jedem Stücke ein solches gehört. Bildet man aber die Summe aller dieser einzelnen Werthe 2mc, so erhält man wieder den Betrag MC — 2mc. Hierbei ist noch darauf Rücksicht zu nehmen, dass durch den Factor c in dem Werthe der. Bewegungsgrösse diese eine g e r i c h t e t e Grösse wird, d. h. eine solche, deren Werth ausser von einer Zahl
ERHALTUNG
DER
BE WEG UNGSGRÖSSE
285
auch noch von einer Richtung abhängt. Bei der Bildung einer Summe aus solchen Grössen muss dann die sogenannte g e o m e t r i s c h e Addition eintreten, d. h. man setzt gerade Linien an einander, die nach Grösse und Richtung die einzelnen Werthe mc darstellen, und die Gerade, welche den Anfangspunkt mit dem Endpunkte verbindet, stellt dann die geometrische Summe der Einzelwerthe dar. Dieser Satz ist identisch mit dem von der Erhaltung des Schwerpunktes und dem von der Relativität aller (geradlinigen) Bewegungen, doch würde die Darlegung dieser Verhältnisse uns zu weit in mathematische Betrachtungen führen. Das Gesetz von der Erhaltung der Bewegungsgrösse bildet endlich einen Bestandtheil des sogenannten Trägheitsgesetzes, dessen andere Theile wir bereits (S. 187) kennen gelernt haben. Während jene sich auf ungetheilte Massen bezogen, wird durch das neue Gesetz eine Erweiterung auf den Fall beliebig verbundener oder auch unabhängiger Massen bewirkt. Man kann es nämlich auch in der Gestalt aussprechen, d a s s unabhängig von allen inneren Veränderungen eines Gebildes dessen Schwerpunkt seine vorhandene Bewegung geradlinig und mit constanter Geschwindigkeit fortsetzt, solange keine Energie von aussen dazutritt Wenden wir uns zu den anderen mechanischen Energieen, so haben wir für die Volumenergie den Druck als die Intensitätsgrösse und daher das Volum als die Capacitätsgrösse anzusprechen. Das Gesetz von der Erhaltung des Volums ist nichts als das bereits erwähnte (S. 279) Gesetz von der Erhaltung des Raumes. Die anderen mechanischen Energieen ergeben entsprechende Zerlegungen und Verallgemeinerungen. Doch soll hierauf nicht näher eingegangen werden, da die erforderlichen geometrischen Betrachtungen einen zu verwickelten Charakter annehmen müssten. In der Elektrik haben wir als Capacitätsgrösse die sogenannte Elektricitätsmenge anzusprechen. Da sie gleichfalls einem (von FARADAY bewiesenen, von LIPPMANN analytisch formulirten) Er-
haltungsgesetz unterliegt, so hat man sie früher als das eigent-
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DIE
SUBSTANZEN
lieh Substanzielle an den elektrischen Erscheinungen angesehen, woher auch ihr Name stammt. Für den Laien liegt hier ein scheinbarer Widerspruch insofern vor, als man ja Elektricität, d. h. Elektricitätsmengen, mittelst der Elektrisirmaschine in beliebigen Mengen herstellen kann. Dies ist vollkommen richtig. Dass dabei das Gesetz von der Erhaltung der Elektricitätsmenge seine Erfüllung findet, beruht darauf, dass diese Grösse in zwei polar entgegengesetzten Formen auftritt, welche mit dem Zeichen + und — unterschieden zu werden pflegen. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass in der That gleiche Mengen positiver und negativer Elektricität sich zu Null addiren, d. h. unwirksam machen. Wenn nun in der Elektrisirmaschine oder auf sonst irgend eine Weise neue Elektricitätsmengen hergestellt werden, so entstehen erfahrungsmässig immer gleiche Mengen positiver und negativer Elektricität gleichzeitig, so dass die Gesammtvermehrung doch thatsächlich durch Null ausgedrückt werden muss. Ganz ähnliche Verhältnisse sind beim Magnetismus vorhanden. Es soll erwähnt werden, dass neben der Aehnlichkeit auch Verschiedenheiten vorliegen, doch betreffen diese nichts, was hier in Betracht kommt. Bei der chemischen Energie bestehen etwas verwickeitere Verhältnisse. Die Intensitätsgrösse fällt ungefähr mit dem zusammen, was man die chemische Verwandtschaftskraft genannt hat, als CapacitätsgrÖssen treten die S t o f f m e n g e n auf. Doch darf man durchaus nicht etwa in dem Gesetz von der Erhaltung der Masse bei chemischen Vorgängen das Erhaltungsgesetz der chemischen Capacität erblicken wollen. Die Masse ist nur ein Factor der Bewegungsenergie, nicht der chemischen. Vielmehr nimmt das Erhaltungsgesetz hier die Gestalt des Gesetzes von der E r h a l t u n g der E l e m e n t e an. Dieses Gesetz lässt sich folgendermaassen ausdrücken. Aus allen Stoffen lassen sich einfachste Bestandtheile darstellen, welche man die E l e m e n t e nennt, und deren chemische Aenderungen nur in Verbindungen, d. h. im Zusammentreten mit anderen Elementen bestehen. Umgekehrt lassen sich
CHEMISCHES
ERHALTUNGSGESETZ
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solche Verbindungen wieder in die entsprechenden Elemente verwandeln. Es lässt sich aber niemals ein Element in das andere verwandeln; ebensowenig ist es möglich, eine Verbindung aus anderen Elementen herzustellen, als solchen, die sie bei der Zerlegung ergiebt. Gewöhnlich stellt man diese Gesetze in der Gestalt dar, dass man sagt, die Elemente bestehen in ihren Verbindungen fort. Doch hat ein solcher Ausspruch nicht den unmittelbaren Sinn, der in diesen Worten liegt, sondern nur den eingeschränkteren, der durch das eben ausgesprochene Gesetz von der Erhaltung der Elemente ausgedrückt wird. Es handelt sich thatsächlich bei den chemischen Vorgängen im allgemeinen um vollständige Aenderungen der Eigenschaften, wenn ein Element in irgend welche Verbindungen übergeht; man braucht nur an Natrium und Chlor einerseits, an Kochsalz andererseits zu denken. Da jeder Stoff, also auch jedes Element durch die Summe seiner Eigenschaften gekennzeichnet ist so kann in einem solchen Sinne also nicht von dem Fortbestehen der Elemente als Stoffen in der Verbindung die Rede sein. Vielmehr ist dies „Fortbestehen" ausschliesslich auf die Möglichkeit beschränkt, das Element aus jeder seiner Verbindungen in unveränderter Menge wieder zu gewinnen. Hieraus fällt auch Licht auf die der früheren Zeit angehörigen Bemühungen der Alchemisten, Gold aus unedlen Metallen zu machen. An sich ist ein solches Bestreben nicht unsinnig, denn es lassen sich durch chemische Umwandlungen die mannigfaltigsten Veränderungen der Stoffe erzielen. Nur vermöge des Gesetzes der Erhaltung der E l e m e n t e ist das Gold von der künstlichen Herstellung ausgeschlossen, da es selbst ein Element ist Die ganz ähnliche Aufgabe der Herstellung von Diamanten ist dagegen nicht nur nicht unsinnig, sondern auch innerhalb des Gesetzes lösbar, da Diamant und gewöhnliche Kohle gleich zusammengesetzt sind, nämlich aus elementarem Kohlenstoff bestehen. Auch ist in neuerer Zeit diese Aufgabe gelöst worden, wenn auch nicht in technisch nutzbringender Weise. Andererseits fällt hieraus Licht auf eine andere Frage, die
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DIE
SUBSTANZEN
gegenwärtig häufig erörtert wird. Man fasst gern die chemischen Elemente als verschiedene Verbindungsformen einer hypothetischen Urmaterie auf, und postulirt damit die gegenseitige Umwandelbarkeit derselben, d. h. man stellt sich auf den Standpunkt der Alchemisten. Solche Vermutungen sind den Chemikern hauptsächlich durch gewisse Analogieen mit den sogenannten organischen Radikalen nahegelegt worden; irgend welche ernsthafte experimentelle Unterstützung haben sie bisher nicht gefunden. Im Sinne der eben angestellten Betrachtungen wird man das Gesetz von der Erhaltung der Elemente auf gleiche Stufe mit dem von der Erhaltung der Masse zu stellen und die Wahrscheinlichkeit einer Abweichung bei beiden als von gleicher Grössenordnung anzusehen haben. Es ist zu hoffen, dass die ergebnisslosen Speculationen über die Urmaterie, mit denen eine grosse Anzahl eifriger Männer bisher ihre Energie nutzlos verbraucht hat, bei schärferer Einsicht in die eben dargelegten Verhältnisse allmählich verschwinden werden. Während die Intensitätsgrössen der verschiedenen Energieen sich als bestimmend für das G e s c h e h e n erwiesen hatten, kommt den Capacitätsgrössen, ein wesentlicher Antheil an der Bildung der Zusammenhänge zu, welche wir als M a t e r i e bezeichnen. Dies beruht zunächst darauf, dass für chemisch vergleichbare Mengen, oder mit anderen Worten für die Einheiten der chemischen Capacitäten, sich auch die anderen Capacitätsgrössen entweder gleich oder in einfachen rationalen Verhältnissen stehend erweisen. Hierher gehören die Gesetze, dass chemisch verschiedene Mengen verschiedener Gase unter gleichen Umständen gleiche Volume haben (Gesetz von Gay-Lussac), ferner, dass bei der Elektrolyse die mit gleichen Elektricitätsmengen wandernden Stoffmengen chemisch äquivalent sind (Gesetz von Faraday) , ferner noch einige andere, weniger bekannte Gesetze. Vermöge dieser Gesetze erscheinen immer bestimmte Mengen dieser verschiedenen Energieen an gleichem Orte an einander gebunden, und dieses Zusammensein verschiedener Energieen haben wir eben als Materie bezeichnet Auch insofern stellen sich die Capacitätsgrössen sozusagen als die solideren Eigenschaften dar, als bei ihnen kein Aus-
DIE
VERSCHIEDENHEIT
DER
ENERGIEEN
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gleichsbestreben vorhanden ist, wie bei den Intensitäten. Vielmehr haben sie die Eigenschaft, constant zu bleiben, wie das eben in einer Anzahl von Fällen nachgewiesen wurde, und bringen auch insofern die substanzielle Seite der Erscheinungswelt zum Ausdruck. Werfen wir nun einen Rückblick auf das bunte Bild, das uns das Treiben und Wechselspiel der verschiedenen Energieen darbietet, so werden wir endlich zu der Frage geführt: worauf beruhen in letzter Linie die Verschiedenheiten der Energieen giebt es ausser den bekannten möglicherweise noch andere und wie könnte man einen Ueberblick über die Gesammtheit aller möglichen Energieen erhalten? Die Antwort auf alle diese Fragen lässt sich noch nicht sehr bestimmt geben. Wohl aber glaube ich einen Weg weisen zu können, auf dem sich eine einigermaassen ausreichende Antwort finden lässt, wenn auch die Ausführung der erforderlichen Untersuchungen noch vielerlei Arbeit nöthig macht. Bei der Beschreibung der verschiedenen Energieen und ihrer Factoren war uns bereits eine Reihe von Verschiedenheiten entgegengetreten, die grundsätzlicher Natur sind. Die Capacitäten sind zunächst Grössen im engeren Sinne, d. h. addirbare Mannigfaltigkeiten, während die Intensitäten dagegen sich als Stärken, d. h. nicht addirbare, wohl aber superponirbare Mannigfaltigkeiten auswiesen. Die Energieen selbst haben auch im wesentlichen Grössencharakter, aber ihre Addirbarkeit ist beschränkt und gewissen Bedingungen unterworfen. Letzteres heisst, dass beim Zusammenbringen verschiedener Energieen zwar eine einfache Summirung eintreten kann, oft aber auch vorher Umwandlungen stattfinden, bevor die Summirung physisch möglich wird. Letzteres ist immer der Fall, wenn nicht compensirte Intensitäten vorliegen (S. 264), doch sind in viele Fällen die eintretenden Uebergänge gering bis zur Unmerklichkeit. Die einfachen Capacitätsgrössen zeigen ihrerseits aber wieder gewisse Verschiedenheiten. M a s s e n sind Grössen, die durch OSTWALD, Naturphilosophie. III- Auflage.
19
290
DIE
SUBSTANZEN
eine Zahl eindeutig bestimmt sind, wenn die Einheit angegeben ist, was hier ein für alle Mal vorausgesetzt sein soll. Bew e g u n g s g r ö s s e n sind dagegen durch eine Zahl noch nicht eindeutig bestimmt, sie verlangen noch die Angabe einer Richtung im Räume, und in dieser Richtung eines Sinnes (ob vor- oder rückwärts), bevor sie vollständig definirt sind. Massen können femer nur positiv sein; negative Massen kommen physikalisch nicht vor. Elektricitätsmengen können dagegen positiv oder negativ sein. Das heisst physikalisch gesprochen: der Zahlenwerth einer zusammengesetzten Masse erweist sich immer als die Summe der einzelnen Massen, aus denen sie besteht; der Zahlenwerth einer zusammengesetzten Elektricitätsmenge kann auch gleich dem U n t e r s c h i e d e der betheiligten Mengen sein. Während ferner Massen sich ohne weiteres, Elektricitätsmengen unter Berücksichtigung des Zeichens addiren lassen, und keinerlei andere Unterschiede zeigen, als die ihrer Mengen, so sind die chemischen Capacitätsgrössen viel verschiedener. Sie zerfallen in so viele grundsätzlich verschiedene und auf keine Weise in einander überführbare, also auch nicht addirbare Arten, als es chemische Elemente giebt, also in Summe fast 80. Die anderen Arten der chemischen Capacitäten, die in den verschiedenen z u s a m m e n g e s e t z t e n Stoffen vorliegen, lassen sich zwar gleichfalls nicht unmittelbar zusammenfügen, sie stehen aber theilweise unter einander und mit den Capacitäten der Elemente in bestimmten Beziehungen, die durch die chemischen Reactionsgleichungen dargestellt werden. Aehnliche Betrachtungen lassen sich für die Intensitätsgrössen anstellen. Temperaturen werden durch eine Ordnungszahl allein eindeutig bestimmt und können nur positiv sein; Drucke haben die gleiche Eigenschaft, können aber auch negativ sein. Elektrische und magnetische Spannungen sind polar, d. h. sie m ü s s e n positiv und negativ sein. Geschwindigkeiten haben wie Bewegungsgrössen eine Richtung im Räume und einen Sinn; Kräfte können zwar eine Richtung haben, aber man kann von ihnen nicht angeben, dass sie von einem Punkte A nach dem anderen B oder umgekehrt gehen, sondern
DIE
TABELLE
DER
ENERGIEEN
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sie bestehen eben zwischen den beiden Punkten, ohne dass der eine einen Unterschied gegen den anderen zeigte. Die chemischen Intensitäten endlich theilen den Mannigfaltigkeitscharakter der chemischen Capacitäten. Diese Beispiele sollen die Mannigfaltigkeit der Verhältnisse nicht erschöpfen; sie dienen vielmehr nur dazu, die vorhandenen Verschiedenheiten darzulegen. Es ist nothwendig, dass die den Factoren anhaftenden Verschiedenheiten auch auf die aus ihnen zusammengesetzten Energiegrössen selbst übergehen; so werden Wärmemengen durch eine positive Zahl allein dargestellt, während Bewegungsenergie ausser ihrem Zahlenwerth noch eine Richtung im Räume hat. Demgemäss summiren sich Wärmemengen arithmetisch, Bewegungsenergieen dagegen geometrisch (S. 285). Wir können also allgemein sagen, dass die Energie und ihre Factoren von Fall zu Fall v e r s c h i e d e n e n M a n n i g f a l t i g k e i t s c h a r a k t e r zeigen. Nun lassen sich nicht zwei anderweit verschiedene Energiearten ausfindig machen, die in diesem Sinne gleichen Charakter hätten, u n d d a h e r w e r d e n w i r in d i e s e n U n t e r s c h i e d e n d i e G r u n d l a g e d e r V e r s c h i e d e n h e i t e n der Energiearten suchen. Wir denken u n s nun alle mögliche Arten der Mannigfaltigkeit gemäss den gegebenen Beispielen entwickelt, wobei wir durch die Aufstellung einer systematischen Tabelle nach Kräften dafür sorgen, dass kein Fall übersehen wird, und zwar sowohl für die Intensitäts- wie die Capacitätsgrössen. Dann können wir jedes Glied der einen Tabelle mit jedem Gliede der anderen Tabelle zusammenstellen, u n d d i e s i c h h i e r a u s e r g e b e n d e n g e m e i n s a m e n Charaktere werden die der e n t s p r e c h e n d e n E n e r g i e s e i n . Auf solche Weise bekommen wir eine Tabelle, welche nothwendig alle möglichen Energieen enthalten muss. Sie wird aber mehr enthalten, als die gewünschten möglichen Energiearten, denn sie wird auch unmögliche enthalten. Die Energie hat ja selbst bestimmte Eigenschaften; so ist sie eine wesentlich positive Grösse; es müssen also u. a. alle Fälle ausgeschlossen werden, in denen sich negative Energieen durch 19*
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DIE
SUBSTANZEN
die Zusammensetzung ergeben würden. Wir haben also aus unserer Tabelle sämmtliche Combinationen zu streichen, welche unmögliche Energiearten liefern würden; die übrig bleibenden stellen dann die möglichen Arten vor, unter denen wir alle wirklichen antreffen müssen. Wir werden aber voraussichtlich viel mehr mögliche Arten theoretisch abgeleitet haben, als wir w i r k l i c h e kennen, denn es ist nicht wahrscheinlich, dass uns bereits sämmtliche Energieen bekannt sind. Ich erinnere nur an die merkwürdigen Arten Energie, die in neuerer Zeit unter den Namen Röntgenstrahlen, Uranstrahlen u. s. w. bekannt geworden sind. Wir werden dann aber in der Lage sein, aus dem Mannigfaltigkeitscharakter der betheiligten Energiefactoren die Eigenschaften der zugehörigen unbekannten Energie in ziemlich eingehender Weise abzuleiten. Wir kommen in eine ähnliche Lage, wie sie MENDELEJEW nach der Aufstellung der systematischen Tabelle der Elemente vorfand; die vorhandenen Lücken dieser Tabelle wiesen auf die Existenz noch unbekannter Elemente hin, und aus der gesetzmässigen Beziehung zwischen der Stellung in der Tabelle und den Eigenschaften der Elemente konnten die Eigenschaften dieser unbekannten Stoffe mit grosser Annäherung abgeleitet werden. Zwar ist im Falle der Energieen die Aufgabe weit schwieriger, da ein Verfahren, die möglichen Mannigfaltigkeitscharaktere erschöpfend aufzustellen, noch erst ermittelt werden muss, und sich vermuthlich schwieriger finden lassen wird, als die Tabellirung nach der Grösse der Verbindungsgewichte. Dafür sind aber dann auch die Ergebnisse entsprechend bestimmter. Ich muss mich an dieser Stelle mit den gegebenen Ausblicken begnügen, und kann von etwaigen Ergebnissen einer in solcher Richtung angestellten Untersuchung noch keine Mittheilung machen, da ich bisher den Vorrath von Zeit und geistiger Energie, der zur Durchführung der Arbeit erforderlich ist, nicht habe zusammenbringen können. Zwar habe ich den Gedanken seit Jahren immer wieder erwogen und auch einzelne Ansätze zur Lösung der Aufgabe gemacht. Dabei hat sich bereits mit grosser Wahrscheinlichkeit ergeben, dass die Zahl der möglichen
MÖGLICHE
UND
WIRKLICHE
ENERGIEEN
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Energieen die der bekannten nicht unerheblich übersteigt. Aber meine bisherigen Ergebnisse sind nicht von solcher Beschaffenheit, dass ich sie an die Oeffentlichkeit bringen möchte. Andererseits scheint mir der Gedanke selbst wichtig genug zu sein, auch v o r seiner praktischen Durchführung, d a s s ich die Abrundung des energetischen Weltbildes, die er durch Eröffnung eines weiteren Horizontes ergiebt, an dieser Stelle nicht missen möchte. Vielleicht findet ein Anderer geringere Schwierigkeiten in der Bearbeitung der Aufgabe.
VIERZEHNTE
VORLESUNG
DAS CAUSALGESETZ m Schlüsse unseres Aufbaues eines energetischen Weltbildes haben wir uns noch mit einem Begriff zu befassen, der namentlich in der halbwissenschaftlichen Sprache eine grosse Rolle spielt und dessen angemessener und bewusster Gebrauch eine dringende Nothwendigkeit i s t Es ist der Begriff der C a u s a l i t ä t Unter dem Namen des Causalgesetzes fasst man Aussprüche zusammen, dass jedes Ding seine Ursache haben müsse, dass nichts ohne zureichenden Grund geschehe, dass es die Aufgabe der Wissenschaft im weitesten Sinne sei, die Ursachen der Dinge zu ergründen. Was soll damit gesagt werden? Während die älteren Denker die Erfahrungen des menschlichen Selbstbewusstseins als Erklärungsmittel für die Geschehnisse benutzten, und daher unter einer Ursache etwas wie ein mit Organen der Wirkung ausgestattetes denkendes und handelndes Wesen verstanden, setzt mit DAV D HUME eine entgegengesetzte Auffassung ein. Dieser scharfsinnige Kritiker konnte bei seiner Untersuchung über den menschlichen Verstand im Begriff der Ursache und Wirkung nichts Derartiges, auch keinen Bestandteil von Nothwendigkeit oder a priori Gegebenem finden, und so blieb ihm nur die z e i t l i c h e Folgeverknüpfung zweier (und mehrerer) Ereignisse als Inhalt dieser Beziehung übrig. Nun ist aber von jeher gegen HUME eingewendet worden, dass z. B. trotz der ununterbrochen seit Jahrtausenden sich voll-
URSACHE
UND
WIRKUNG
295
ziehenden regelmässigen Zeitfolgen zwischen Tag und Nacht, zwischen Sommer und Winter doch niemals der Tag als die Ursache der Nacht, und der Winter als die Ursache des Sommers bezeichnet wird. Es wird in der gebräuchlichen Benutzung dieser Begriffe doch noch ein weiterer Zusammenhang zwischen beiden Dingen ausgesprochen, der über den zeitlichen hinausgeht. Welches ist der Zusammenhang? Der Inhalt der oben angeführten Formen des Causalgesetzes besagt, dass das als Wirkung bezeichnete Ding nicht nur dem als Ursache bezeichneten nachfolgt, s o n d e r n d a s s die W i r k u n g a u s b l e i b e n w ü r d e , w e n n die U r s a c h e n i c h t v o r a u s g i n g e . Es wird damit auch eine sachliche Beziehung zwischen beiden Dingen, ausser der zeitlichen ausgesprochen. Sachliche Beziehungen, die über die Zeit (und den hier nicht in Frage kommenden Raum) hinausgehen, haben wir der früheren Behauptung gemäss nur in e n e r g e t i s c h e n Verhältnissen zu suchen, und hier werden wir in der That finden, was wir brauchen. MAYER hat in seiner ersten Abhandlung, welche die entscheidenden Gedanken seiner Weltanschauung in kurzer, dogmatischer Gestalt zusammenfasst, als Definition der Ursache in seinem Sinne, und damit als Definition der allgemeinen Ursache den Satz aufgestellt, dass die Ursache der Wirkung quantitativ gleich sei, und dass, wenn die Wirkung eintreten soll, dazu die Ursache aufhören, d. h. verbraucht werden müsse. Damit ist die Energie selbst als die Ursache angesprochen, und das Causalgesetz wird identisch mit dem Gesetz von der Umwandlung und Erhaltung der Energie. In der That sehen wir, dass eine solche Auffassung dem üblichen Gebrauch des Wortes ziemlich gut entspricht. Die zeitliche Folge ist gegeben; aus der vorher vorhandenen Energie A ist durch die Umwandlung die Energie B geworden, und wäre A nicht gewesen und umgewandelt, so hätte auch B nicht entstehen können. Hierbei ist noch besonders hervorzuheben, dass es sich bei dieser Auffassung des Ursachebegriffes nicht um logische oder Denknothwendigkeiten handelt, sondern um e r f a h r u n g s m ä s s i g e Zusammenhänge.
296
DAS
CAUSALGESETZ
Das entspricht allerdings nicht der sehr verbreiteten Auffassung vom Causalgesetze, dass es eine von der Erfahrung unabhängige Geltung a priori habe, da ohne das Gesetz eine Erfahrung überhaupt nicht möglich sei. In dieser Beziehung nimmt das Causalgesetz eine ähnliche Stellung ein, wie Raum und Zeit, von denen ja auch noch heute vielfach eine (allerdings inhaltlose) Geltung a priori angenommen wird. Aehnlich wie dort werden wir die Causalverknüpfung als ein p r a k t i s c h e s Ergebniss unserer Bemühungen, für die Beurtheilung der Zukunft unsere Erfahrungen zu sammeln und in Begriffe zu ordnen, auffassen können. Wegen der unaufhörlichen und ausschliesslichen Benutzung dieser Art der Ordnung können wir uns eine andere nicht anschaulich vorstellen, wenn wir auch grundsätzlich zugeben dürfen, dass andere Arten möglich sein können. Da alle Geschehnisse in räumlichen und zeitlichen Aenderungen der Energie bestehen, so ist diese Form des Causalgesetzes auch in gewissem Sinne erschöpfend, denn bei allem Geschehen ist der erste Hauptsatz erfüllt, und die neu entstandene Energie ist (unter Voraussetzung entsprechender Maasseinheiten, S. 159) gleich der verschwundenen. In solcher bestimmterer Gestalt heisst also das Causalgesetz: e s g e s c h i e h t n i c h t s ohne äquivalente Umwandlung einer oder mehrerer E n e r g i e f o r m e n in a n d e r e . Aber insofern bleibt dieses Gesetz noch unvollständig, als es nicht aussagt, w a n n etwas geschieht, und in w e l c h e r W e i s e es geschieht. Es ist ja schon dargelegt worden, dass der erste Hauptsatz zwar Auskunft über die Maassverhältnisse giebt, w e n n etwas geschieht, dagegen keine darüber, o b etwas geschieht. Dies thut der zweite Hauptsatz, welcher angiebt, dass bei nicht (oder nicht vollständig) compensirten Intensitätsunterschieden die Energie von der höheren Intensität zur niedrigeren übergeht. In den beiden Hauptsätzen haben wir in der That den Inhalt des sogenannten Causalgesetzes zunächst für alles physische Geschehen. Als Ursache für ein solches tritt immer und ohne Ausnahme eine Ernergie mit einem nicht compensirten Intensitätssprunge auf, und die Wirkung besteht in dessen Ausgleichung.
DAS
CA US ALGESETZ
UND
DIE
ENERGETIK
297
Im Sinne des zweiten Hauptsatzes erlangen nun allerdings Ursache und Wirkung eine etwas andere Bedeutung. Hier verschwindet der wesentliche Theil der Ursache, der Intensitätssprung, aber in der Wirkung findet er sich nicht immer wieder. Es ist bereits mehrfach betont worden, dass zwar bei den meisten Energiearten ein Gesetz von der Erhaltung der freien oder umwandlungsfähigen Energie besteht, so dass, wenn man das Vorhandensein freier Energie allgemein als Ursache eines Geschehens ansieht, auch der Satz seine Geltung behalten würde, dass Ursache und Wirkung einander gleichwerthig seien. Aber bei der Wärme liegt die bekannte merkwürdige Ausnahme vor, und Temperaturunterschiede gleichen sich aus, ohne dass andere Intensitätsunterschiede die Folge sind. Hier versagt dieser Satz, und Ursache und Wirkung Während beim bleiben sich in diesem Sinne nicht gleich. Pendel die Bewegungsenergie, welche es in der tiefsten Lage hat, die Ursache des Ansteigens, d. h. der Erwerbung von Distanzenergie ist, und das Vorsandensein der letzteren im uncompensirten Zustande (d. h. ohne Unterstützung der Pendellinse) wieder die Ursache der Aufnahme von Bewegungsenergie durch das Pendel ist, — während also in diesem Falle Ursache und Wirkung stets sich quantitativ in einander verwandeln, so kühlt sich eine glühende Eisenmasse an der Luft einfach ab, und der Intensitätsunterschied der Wärme geht verloren, ohne dass ein anderer Intensitätsunterschied dadurch bewirkt würde. Ist darum das Causalgesetz ungiltig? Niemand wird dieses behaupten wollen. Es nimmt nur in diesem Falle einen anderen Inhalt an, indem hier als Wirkung der Ursache eine Aenderung des Gebildes stattfindet, die man wissenschaftlich als eine Zunahme der Entropie bezeichnet. Dies ist eine Wirkung von ganz bestimmter, messbarer Beschaffenheit, und somit behält das Causalitätsgesetz auch hier seine Bedeutung. Es m u s s weiter gefragt werden, ob durch die beiden Hauptsätze der Energetik a l l e s Geschehen vollständig beschrieben wird. Die Antwort muss n e i n lauten, auch wenn man sich ausdrücklich auf das physische Geschehen allein beschränkt. Wir haben gesehen (S. 269), dass wenn auch das
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DAS
CAUSALGESETZ
Eintreten eines bestimmten Geschehens und die Stufen seines Ablaufes durch diese Gesetze hinreichend dargestellt werden, doch das Z e i t m a a s s dieses Ablaufes noch frei bleibt, und hier die grösste Mannigfaltigkeit möglich ist. Wir werden daher nach den Formen fragen, welche das Causalitätsgesetz hier annimmt. Betrachten wir die verschiedenen Arten der zeitlichen Abläufe bei einem gegebenen Umsätze bestimmter Energieen, so liegt eine wichtige Quelle der Mannigfaltigkeit darin, dass durch die mechanischen und räumlichen Bedingungen des Gebildes gewisse Geschwindigkeitscoefficienten eingeführt werden, welche dies Zeitmaass bestimmen. Diese Gestaltungen und Bedingungen pflegt man gleichfalls als Ursachen für die bestimmte Art des Geschehens zu bezeichnen. Man kann eine und dieselbe elektrische Ladung auf sehr verschiedene Weise sich in Wärme umwandeln lassen, je nach dem Widerstande des Leiters, durch den die Entladung erfolgt, und dieser Widerstand ist die „Ursache" dafür, dass in einem Falle eine aperiodische Entladung stattfindet, im anderen elektrische Schwingungen entstehen. Aehnlichen Einfluss hat eine eingeschaltete Selbstinduction. In die gleiche Kategorie von Ursachen gehören die katalytischen Factoren bei chemischen Reactionen; auch hier wird der allgemeine Charakter des Vorganges nicht geändert, wohl aber sein Zeitmaass. Ursachen dieser Klasse unterscheiden sich von denen der ersten dadurch, dass sie zu den Wirkungen nicht in dem einfachen Gleichheitsverhältnisse stehen. Oft sind beide proportional, aber selbst diese allgemeinere Beziehung findet keineswegs immer statt, sondern es können weit verwickeitere Functionen zwischen dem Betrage der Ursache und dem der Wirkung auftreten. Es wird deshalb für die wissenschaftliche Sprache zweckmässiger sein, diese Factoren, welche das Geschehen mitbestimmen, nicht mit demselben Namen zu bezeichnen, welchen wir für die Ursachen nach der Definition MAYER'S benutzt haben. Wir sehen, wenn wir diese Fälle und ihre allgemeinen Be-
BEDINGUNGEN
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dingungen betrachten, dass hier ausserdem immer eine Ursache in jenem ersten Sinne thätig ist, denn ohne einen Energieabfall können alle diese Dinge nicht geschehen. Die zweiten Ursachen entscheiden nur über das Zeitmaass, die zeitliche Ordnung (und gewisse andere zeitliche Eigentümlichkeiten) des Ereignisses. Wir wollen diese Ursachen daher lieber B e d i n g u n g e n des Geschehnisses nennen. Die Definitionen der Bedingungen in diesem Sinne liegt also in der z e i t l i c h e n Regelung eines energetischen Verlaufes. Aehnliche Betrachtungen lassen sich für die räumlichen Verhältnisse energetischer Geschehnisse anstellen und ergeben entsprechende r ä u m l i c h e B e d i n g u n g e n . Eine dritte Gruppe von Ursachen im weiteren Sinne sind solche Vorgänge, durch welche ein Vorrath von freier Energie zur Umwandlung gebracht wird, der vorher hieran verhindert war. Das klassische Beispiel hierfür ist der Funke im Pulverfass oder der elektrische Druckknopf. Es sind dies Fälle, für welche die unlogische Regel: k l e i n e U r s a c h e n , g r o s s e W i r k u n g e n gemacht ist, und man hat sie wegen ihrer auffallenden Beschaffenheit schon früh erkannt und bezeichnet. Man nennt solche Erscheinungen A u s l ö s u n g e n , und den Vorgang, durch welchen die Energie für ihre Umwandlung ausgelöst wird, den A n l a s s . Bei genauerer Untersuchung finden wir in dieser Gruppe zwei verschiedene Arten von Geschehnissen vereinigt, die zunächst von einander unterschieden werden müssen, wenn es auch in einzelnen Fällen nicht ganz leicht ist, ein vorhandenes Geschehniss der einen oder anderen eindeutig zuzuordnen. Wir betrachten zunächst den einfacheren Fall. Denken wir uns ein Schiff, das bereit ist vom Stapel zu laufen, oder ein gespanntes Gewehrschloss, oder ein durch einen Hahn abgesperrten, unter Druck stehenden Dampfkessel, so haben wir stets die Möglichkeit, durch einen verhältnissmässig kleinen Aufwand von Arbeit eine grosse Energiemenge zur Umwandlung zu bringen. Das Gebilde bleibt so lange man will in Ruhe; bethätigt man die Auslösung, so geht der Vorgang vor sich. Der Energieaufwand für die Auslösung ist nicht
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DAS
CAUSALGESETZ
Null, aber er steht in keinem Verhältniss zu der Menge der ausgelösten Energie. Die allgemeine Bedingung, dass ein Gebilde mit verfügbaren Energiemengen in Ruhe bleibt, besteht nun darin, dass man alle vorhandenen Intensitätsunterschiede compensirt. Die A u s l ö s u n g wieder besteht allgemein darin, dass man diese Compensation irgendwo aufhebt, und damit den Ausgleich der Energie ermöglicht. Das zum Ablaufen bereite Schiff stellt einen Vorrath von Distanzenergie dar; die haltenden Stützen compensiren den Druck, indem ihre Elasticität beansprucht wird, und so bleibt das Schiff in Ruhe. Zerstört oder entfernt man diese Stützen, so hört die Compensation auf und das Schiff beginnt zu fallen. Die elektrische Leitung verbindet zwei auf verschiedener Spannung stehende Elektricitätsmengen und diese würden sich entladen, d. h. in Wärme oder eine andere Energie verwandeln, wenn die Leitung nicht unterbrochen wäre. Schaltet man an einer Stelle eine Luftstrecke ein, so befindet sich diese vermöge der verschiedenen elektrischen Spannungen an den beiden Enden der Unterbrechungsstelle gleichfalls in einem (dielektrisch) gespannten Zustande, und es hängt von der Dicke der Luftschicht ab, ob eine Entladung verhindert wird. Sei die Entfernung hierzu gross genug, so bleibt das Gebilde beliebig lange in Ruhe; nähert man aber die Leiterenden einander, so genügt bei einer bestimmten Nähe die „elektrische Stärke" der Luft nicht mehr zur Compensation und die Entladung tritt ein. Zwischen dem Drucke, den das Schiff ausübt, und der entsprechenden Stärke der Stützen einerseits, und der Gesammtarbeit andererseits, die das Schiff bei seinem Herabgleiten ins Wasser leisten kann, besteht kein nothwendiges Verhältniss, denn wenn die Stützen die kleinste Bewegung verhindern, so verhindern sie auch die ganze Bewegung. Zwischen der elektrischen Beanspruchung der Luft und der Menge elektrischer Energie, die mit den Leitern verbunden ist, besteht kein nothwendiges Verhältniss, denn wenn die Spannung genügt, um irgend eine kleine Menge der Energie zu entladen, so entladet sich auch die ganze.
AUSLÖSUNGEN
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So kann man alle derartigen Gebilde fast mit denselben Worten in ihren wesentlichen Eigenschaften kennzeichnen und findet übereinstimmende Bedingungen für ihre „Entladung". Diese gemeinsame Bedingung ist immer die Aufhebung der Compensation der Intensitäten an e i n e r Stelle. H i e r i n l i e g t a l s o auch die z u r e i c h e n d e Definition der A u s l ö s u n g . Die zweite Gruppe von Vorgängen, die den Auslösungen in vieler Beziehung sehr ähnlich sind, fällt unter die S. 270 geschilderten mit Selbstbeschleunigung. Hier besteht keine eigentliche Compensation der vorhandenen Intensitätsunterschiede, sondern das Gebilde erscheint nur stabil, weil seine Umwandlungsgeschwindigkeit sehr klein ist. Hat der Vorgang nun die Eigenschaft, dass er sich durch seine eigenen Ergebnisse selbst beschleunigen kann, so hängt es von den Bedingungen des Gebildes ab, ob die Beschleunigung dadurch vermieden wird, dass der Beschleuniger sich hinreichend schnell wieder zerstreut, ohne die Geschwindigkeit über ein bestimmtes kleines Maass zu bringen, oder ob das Gegentheil eintritt. Im zweiten Falle entsteht dann ein explosiver Verlauf, und der Vorgang, welche die Zerstreuung des Beschleunigers verhindert, spielt die Rolle der Auslösung. Ganz ähnliche Verhältnisse entstehen, falls von vornherein ein Verzögerer anwesend ist, der durch Ablauf des Vorganges beseitigt wird, so dass die explosive Reaction eintritt. Auch hier wird man den Vorgang, durch welchen das gegenseitige Verhältniss zwischen Beschleunigung und Verzögerung zu Gunsten der ersteren geändert wird, eine Auslösung zu nennen geneigt sein, und dies um so mehr, je schneller die „explosive" Reaction verläuft. Die Aehnlichkeit der beiden Gruppen von Vorgängen ist nicht nur äusserlich, sondern beruht auf thatsächlichen nahen Beziehungen. Die Anordnungen, durch welche eine Compensation vorhandener Intensitätsunterschiede in dem vorigen Falle hergestellt wurden, waren nach der stillschweigend gemachten Annahme von der Zeit unabhängig. Dies würde zur Folge haben, dass solche compensirte Unterschiede sich unbegrenzt lange erhalten lassen, ohne der Energie einen Durchtritt zu
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DAS
CAUSALGESETZ
gestatten. Von den Verhältnissen der Wärme her wissen wir aber, dass die Intensität dieser Energieart, die Temperatur, sich durch kein bekanntes Mittel compensiren lässt. Denken wir uns aber, dass an Stelle der Menschen die Physik von anderen Organismen entwickelt worden wäre, deren Lebensdauer hundert oder tausend Male kleiner wäre, so würden diese Wesen von der Wärmeleitung kaum etwas merken und die Temperaturunterschiede für ebenso haltbar ansehen, wie wir es mit den Unterschieden der elektrischen Spannung thun. Solche Ueberlegungen legen den Gedanken nahe, dass schliesslich alle Compensationen nur auf Z e i t ausführbar sind, und dass daher jedes Gebilde mit compensirten Intensitäten nur wegen der Langsamkeit des Vorganges den Eindruck des Gleichgewichtes macht. Dann würden die eben geschilderten beiden Klassen von Auslöseerscheinungen thatsächlich nur eine Klasse bilden, deren äusserste Glieder die fraglichen Zeitunterschiede zwar sehr ausgeprägt erkennen lassen, die aber einen stetigen Uebergang von dem einen Gliede zum anderen zeigen. Hiermit sind die wesentlichen Fälle des physischen Geschehens erschöpft, und wir können versuchen, das allgemeine Causalgesetz auszusprechen. Dieses liegt nun in der Erfahrung, dass zwischen den Ursachen (im engeren Sinne), den Bedingungen und den Anlässen der Gebilde einerseits und dem Ablauf der Erscheinungen an ihnen andererseits ein eindeutiger functioneller Zusammenhang besteht, s o d a s s b e i H e r s t e l l u n g derselben V o r a u s s e t z u n g e n auch d e r s e l b e Ablauf eintritt. Hierbei ist wieder zu betonen, dass ein im strengen Sinne g l e i c h e r Ablauf in zwei Fällen nicht vorkommt; vielmehr werden beide immer in gewissen Punkten verschieden sein. Aber wir sind ja gewohnt, von Verschiedenheiten abzusehen, auf die wir kein Gewicht legen, und so werden wir jenes Gesetz genauer dahin aussprechen, dass bestimmte Voraussetzungen bestimmte Seiten des Ablaufes ergeben, so dass man beabsichtigte Vorgänge herstellen kann, wenn man jene Voraussetzungen herstellt, d. h. die erforderlichen Ursachen, Bedingungen und nöthigenfalls Anlässe eintreten lässt.
ENTSTEHUNG
DES
CAUSALGESETZES
303
Man hat mancherlei Erörterungen an dies Causalgesetz geknüpft und dabei vielfach die Stellung verkannt, die es in unserer Denkthätigkeit einnimmt. Insbesondere ist oft behauptet worden, dass es sich hier um ein denknothwendiges Postulat handele, und dass uns eine Welt unbegreiflich wäre, in der kein solches Gesetz herrsche. Dagegen dürfte einleuchten, dass eine von mir wenigstens zu einem grossen Theile unabhängige Welt keinen Anlass hat, besondere Eigenschaften anzunehmen oder zu entwickeln, deren Zweck nur ist, sich mir begreiflich zu machen, und dass ich von diesem Standpunkte auch gegebenenfalls mit einer Welt vorlieb nehmen müsste, die eine derartige freundliche Rücksicht auf mein geistiges Behagen nicht nimmt. Wir werden uns daher nach einem anderen, naturgemässeren Zusammenhang umzusehen haben. Dieser findet sich darin, d a s s w i r b e i d e r B e g r i f f s b i l d u n g d a s C a u s a l g e s e t z s e l b s t h e r s t e l l e n . Unter einen Begriff fassen wir das zusammen, w a s übereinstimmende Eigenschaften hat, und das Ergebniss der Zusammenfassung nimmt dann je nach dem Falle die Gestalt eines Namens oder eines Naturgesetzes an. Es ist also nur von der Zweckmässigkeit dieser Begriffsbildung abhängig, wie gross die Sicherheit ist, mit der wir die Uebereinstimmung in neuen Fällen der Begriffsanwendung erwarten können. Das Causalgesetz ist also nichts als die andere Seite der Begriffsbildung, und es rührt ganz und gar von der Art her, in welcher wir unsere Erlebnisse verarbeiten. Insofern stellt es sich an Bedeutung neben Zeit und Raum, die ja eine gleiche Rolle in der Bearbeitung unserer Erlebnisse spielen. Dies hat bereits SCHOPENHAUER sehr deutlich eingesehen, indem er der Zeit und dem Raum die Causalität als die dritte Anschauungsform des menschlichen Geistes zuordnete. Nur werden wir nicht mit ihm diese drei als angeborene und vor aller Erfahrung vorhandene, a priori gegebene Eigenschaften des Geistes ansehen, sondern als durch eine lange Entwicklung erworbene und durch Vererbung gefestigte Denkmethoden, die unter anderen Umständen auch wohl anders hätten ausfallen können. Die causale Ordnung
der energetischen Verhältnisse
legt
DAS
304
CAÜSALGESETZ
die Frage nahe, ob auch Zeit und R a u m allein, ohne Mitwirkung der Energie, causale Beziehungen aufweisen. Zwar rührt alle unsere Kenntniss von beiden aus dem Vorhandensein von Energieen in ihnen her, da diese allein das Unterschiedliche in Zeit und Raum sind; aber wir können von aller besonderen Art derselben absehen, und nur die von Zeit und Raum allein abhängigen Erscheinungen betrachten; auf diese bezieht sich die Frage. Bei den gesetzmässigen Beziehungen, wie sie durch die verhältnissmässig einfachen Eigenschaften der Zeit dargestellt werden, pflegt man nicht von causaler oder ursächlicher Bedingtheit zu reden. Wenn wir das Gesetz anwenden, dass falls der Zeitpunkt A vor B, und B vor C gelegen ist, auch A vor C fällt, so nennen wir diese Beziehung nicht ursächlich, weil A vor C liegt, auch wenn beide nicht auf den das zwischenliegende B bezogen werden. Bei den anderen Eigenschaften der Zeit ist es ebenso. Wir handhaben die in diesen Eigenschaften ausgedrückten Gesetzmässigkeiten so sicher und unabhängig, dass wir nie Anlass haben, uns auf ihre etwaigen Quellen zu besinnen. Anders ist dies bei den räumlichen Verhältnissen. Die viel grössere Verwicklung, welche durch die drei Dimensionen zusammen mit den übrigen Eigenschaften des Raumes gegeben ist, kommt bereits in dem Umstände zu Tage, dass es in der Geometrie eine Wissenschaft vom Räume giebt, während eine Wissenschaft von der Zeit nicht besonders erforderlich, weil Jedem geläufig i s t 1 In der Geometrie pflegt man nun gewisse, nicht zu Tage liegende Beziehungen dadurch zu beweisen, dass man ihren Zusammenhang mit anderen, bekannteren Eigen1
Es
hat
allerdings
kein
Geringerer
als KANT die Meinung
sprochen, dass die Arithmetik die Wissenschaft Zählen eine zeitliche Operation ist.
Dies
ist
von der Zeit sei, allerdings richtig;
ausgeda es
das trifft
aber für alle anderen geistigen Vorgänge in gleicher Weise zu, ohne dass man diese als zu einer Zeitwissenschaft gehörig bezeichnete. der Zahlenrechnung liegt (aber
zweckmassigen)
durch
Abstraktion
aus
übrigens
Begriffes der
in der Handhabung
der u n s t e t i g e n
stetigen
wie dies S. 102 dargelegt worden ist.
Wirklichkeit
des
Das Wesen willkürlichen
Mannigfaltigkeiten,
der
hergestellt worden
ist,
GEOMETRISCHE
GESETZE
305
schaften des Raumes aufzeigt; man betrachtet dann j e n e bekannteren Thatsachen als die Ursachen oder besser Gründe für die anderen. SCHOPENHAUER, dem wir eine tiefgehende und sorgfältige Untersuchung des Causalitätsbegriffes verdanken, unterscheidet diese Beziehung von denen, die wir unter die energetische Causalität gebracht haben, als Gründe des S e i n s von den Gründen des W e r d e n s (den energetischen Gründen), indem er so die unzeitliche Beschaffenheit der rein räumlichen Gesetze hervorhebt. Die geometrischen Beziehungen sind oft wechselseitig, und man kann die erste aus der zweiten ableiten, wie die zweite aus der ersten. Das von SCHOPENHAUER benutzte Beispiel, dass, wenn in einem Dreieck zwei Seiten gleich lang sind, auch die gegenüberliegenden Winkel gleich sein müssten, ist ein gutes Beispiel auch für dies Verhältniss. Denn man kann umgekehrt aus der Winkelgleichheit auch die Seitengleichheit ableiten. Abgesehen von diesem Unterschiede, der übrigens nicht durchgreifend ist (s. u.), stehen aber die geometrischen Gesetzmässigkeiten den energetischen insofern gleich, als beide in gleicher Weise erfahrungsmässige Beschaffenheit haben und nicht logische Denknothwendigkeiten darstellen. Die unaufhörliche Erprobung und Bestätigung der geometrischen Gesetze, welche wir in unserem täglichen Leben erfahren, hat uns für gewöhnlich vollständig der Bereitwilligkeit beraubt, ihre Quelle aus der Erfahrung einzusehen, und die vermeintliche absolute Geltung ihrer quantitativen Beziehungen hat die Schätzung ihrer Gesetze weit über das nothwendige M a a s s hinaus gesteigert. Man braucht sich nur der früher erörterten Betrachtungen über die ziemlich verwickelten Voraussetzungen zu erinnern, welche wir bereits bei den einfachsten räumlichen Messungen machen (S. 118), um die erfahrungsmässigen Elemente in der Geometrie zu erkennen. Insbesondere sieht man hierbei auch ein, dass alle geometrischen Gesetze keine grössere Genauigkeit beanspruchen können, als wir sie bei unseren räumlichen Messungen thatsächlich erreichen, und dass es z. B. keineswegs undenkbar ist, dass ein M a a s s s t a b , den wir eben einem anderen gleich gefunden haben, sich von ihm etwas verschieden zeigen wird, OSTWALD, Naturphilosophie.
I I I . Au Hage.
20
306
DAS
CAUSALGESETZ
w e n n man ihn inzwischen eine Reise um die Erde hat machen lassen.
Man
welche
wird
allerdings
physischen,
dann
Ursachen vorhanden g e w e s e n sind, haben,
und
spruchsfrei
annehmen,
d. h. energetischen
bisher
hat
man
dass
nicht
Annahmen
Aber
rein
irgend
räumlichen
die die A e n d e r u n g
solche
durchführen können.
und
bewirkt
auch
wider-
räumliche A e n d e -
rungen für „ a b s o l u t " e i n f l u s s l o s auf die M e s s u n g e n v o n Längen (und Winkeln) z u erklären, g e h t jedenfalls über das Competenzgebiet unseres G e i s t e s
hinaus,
da
das
Absolute
nirgends
in
unserem Bereiche liegt. Was
nun
die vorher
erwähnte
Gegenseitigkeit
der
geo-
metrischen Beziehungen anlangt, durch w e l c h e deren Unzeitlichkeit bewirkt w i r d , so gilt sie nicht allgemein, sondern nur für solche geometrische Verhältnisse, die an fertigen Gestalten auftreten.
Da die Geometrie der Alten f a s t ausschliesslich in dieser
Richtung
sich
entwickelt
hatte,
so
war
die Entstehung
einer
anderen Geometrie auf Grund der Fragestellung: w a s geschieht, w e n n ich g e w i s s e Operationen am geometrischen Gebilde nehme? in
erst
der
der
neueren
Entwicklung
Urtheil
über
die
Frucht
die
mehr
neuere sich
genähert,
Verzögerung
Wissensgebietes
hat
das
Fragestellung
beeinträchtigt.
Wissenschaft
Die
dieses
lange
Vermöge
indem
anderen sie
Charakter a n g e n o m m e n hat. geometrischen
Gebilde
geometrischen
dieser
richtige
Wahrheiten
Fragestellung, ist,
deren
hat
diese
Erfahrungswissenschaften
gleichfalls E s steht
bestimmten,
Operationen zu unterwerfen; steht aber nicht
der
oder synthetische Geometrie den
vor-
Zeit vorbehalten.
einen in von
unserer Willkür, uns
sondern
die
ausgewählten
das dabei entstehende
in unserer W i l l k ü r ,
viel
experimentellen
tritt
Ergebniss mit
natur-
gesetzlicher Regelmässigkeit ein, und unsere A u f g a b e beschränkt sich darauf,
es z u beobachten
und
seine
Beschaffenheit
fest-
zustellen. A u s s e r den Gründen d e s W e r d e n s und Seins
unterscheidet
SCHOPENHAUER noch G r ü n d e der E r k e n n t n i s s und solche des Wollens. bis
wir
haben.
Die Betrachtung der letzteren m ü s s e n wir verschieben, die
Erörterung
der
Willenserscheinung
durchgeführt
Bezüglich der E r k e n n t n i s s g r ü n d e ist f o l g e n d e s z u sagen.
MATHEMATIK
ALS ERFAHRUNGSIVISSENSCHAFT
307
In der unter dem Namen der formalen Logik z u s a m m e n gefassten Wissenschaft wird die systematische Anwendung einer Reihe von Gesetzen und Regeln gelehrt, durch welche aus gegebenen Aussagen oder Urtheilen andere gewonnen werden. Die hierzu benutzten Mittel werden häufig wie Zeit und Raum als a priori gegebene Gesetze des Denkens aufgefasst, und man hat die logischen Operationen namentlich in früherer Zeit bes o n d e r s deshalb sorgfältig gepflegt, weil man durch sie eine unmittelbare und dazu noch absolut wahre Vermehrung unserer Erkenntniss zu erlangen hoffte. Dass dies eine Täuschung war, soweit es sich um die ausschliessliche Betonung der logischen Mittel ohne besondere Berücksichtigung des durch sie bearbeiteten Gedankenmaterials handelte, ist aus dem vollständigen Schiffbruch der Scholastik gegenüber den neueren, auf Beobacht u n g gegründeten Wissenschaften allgemein ersichtlich geworden. Dass dagegen durch die logische Bearbeitung eines durch ausreichende Beobachtung gesicherten Gedankenmaterials weitgehende und wichtige Ergebnisse erhalten werden können, hat sich umgekehrt in der Entwicklung der Geometrie und der Mathematik gezeigt. Nur dadurch, d a s s früher der Erfahrungscharakter dieses Materials völlig verkannt wurde, erklärt sich der Irrthum, als Messe sich durch die Logik allein eine Wissenschaft herstellen. Nun wird man heute zwar in Folge der überzeugenden Forschungen von RIEMANN und HELMHOLTZ bereit sein, der G e o m e t r i e den empirischen Charakter zuzubilligen. Ob aber der M a t h e m a t i k die gleiche Beschaffenheit zukommt, scheint ganz zweifelhaft zu sein. Vielmehr ist man geneigt, wenn man auch die »absolute Wahrheit« der Mathematik preis giebt, in ihr eine freie oder willkürliche Schöpfung des menschlichen Geistes zu sehen. Der grosse Nutzen, welchen die Anwendung der Mathematik auf die verschiedensten Erfahrungswissenschaften hat, erscheint d a n n allerdings als ein merkwürdiger Zufall. Erinnern wir u n s der Entstehung der Zahlen, die ja die unbezweifelte Grundlage der Mathematik bilden, so sehen wir, d a s s sie allerdings der Erfahrung insofern entnommen sind, a l s sie durch- ein sehr weitgehendes Abstraktionsverfahren a u s 20*
308
DAS
CAUSALGESETZ
der Beschaffenheit unserer Erlebnisse abgeleitet wurden. Haben wir uns aber einmal zu der bestimmten Wendung auf die Isolirung der Einzeldinge aus unseren Erlebnissen und der Betrachtung ihres Verhaltens ohne Rücksicht auf einen anderen Inhalt, als ihre Unterscheidbarkeit entschlossen, so steht eine weitere Freiheit der Schöpfung uns nicht zu, wenn wir im Einklänge mit der Erfahrung bleiben wollen. Im ersten sind wir frei, im zweiten sind wir Knechte. Oder wenn wir dieselbe Sache von einer etwas anderen Seite sehen wollen: wir verfahren, wie HANS SACHS es dem eigenwilligen Junker angiebt, damit dieser sein Meisterlied machen lernt. Auf die Frage nach der Regel dazu antwortet er: Ihr s t e l l t s i e s e l b s t u n d f o l g t ihr dann. Dies will sagen: es ist denkbar, wenn auch für unseren einseitig gewöhnten Geist nicht vorstellbar, dass zum Zwecke des Zurechtfindens in der Erscheinungswelt ganz andere Seiten derselben in den Vordergrund gezogen werden können, d a s s man die vorhandenen Verhältnisse unter ganz andere Begriffe bringen kann, als Zeit und Raum, Mannigfaltigkeit und Energie. Dies ist einmal geschehen, und die einmal eingeschlagenen Denkwege sind durch Jahrtausende mittelst Gewöhnung und Vererbung immer fester und unausweichlicher geworden. Es bleibt uns zunächst nichts übrig, als unsere Denkmittel weiter in derselben Richtung auszubilden, und dabei sorgfältig Acht zu geben, d a s s sie mit der Beschaffenheit unserer Erlebnisse im Einklang und zu deren Darstellung nicht nur brauchbar bleiben, sondern immer zweckmässiger werden. Vielleicht gelingt es einmal einem kühnen und selbständigen Geiste, sich von den bisher üblichen Denkformen Zeit, Raum u. s. w, unabhängig zu machen, und andere zu finden, welche dasselbe oder auch mehr leisten. Es wäre dies eine Aufgabe, die keineswegs ausserhalb des Bereichs menschlicher Kraft zu liegen braucht, und deren Lösung dem verwegenen Entdecker vermuthlich über viele Dinge Aufschlüsse geben könnte, die dem in der bisherigen Bahn verweilenden Geiste nicht zugänglich, weil zu schwer erreichbar sind. Aber ein dahin gerichtetes Experiment wäre ein W a g n i s s , denn wenn es gelingt, könnte e s
DIE
LOGISCHEN
GESETZE
309
dem Forscher vielleicht nicht mehr möglich sein, wieder in seine früheren Denkwege einzulenken. Er würde dann nur zu leicht die Möglichkeit der Verständigung mit seinen zurückgebliebenen Genossen verlieren und die „Nervenheilanstalt" wäre von da ab sein Loos auf Erden. Diese Ueberlegungen kommen nun in Betracht für die Frage nach der Allgemeingültigkeit der logischen Gesetze. Es findet sich in der Litteratur fast einstimmig die Erklärung, dass sie D e n k n o t h w e n d i g k e i t e n seien, und dass es ausserhalb dieser Gesetze überhaupt kein vernünftiges Schliessen gebe. Das Kriterium der Denknothwendigkeit ist ein sehr unzuverlässiges, denn die Geschichte des menschlichen Denkens lehrt uns, dass es schwer, fast unmöglich ist, zwischen D e n k g e w o h n h e i t e n und D e n k n o t h w e n d i g k e i t e n einen bindenden Unterschied aufzustellen. Wie unzählig viele Male haben wir erlebt, dass scheinbare Denknothwendigkeiten, d. h. eingewurzelte Denkgewohnheiten, sich als unhaltbar erwiesen haben; ich brauche nur an den Wechsel der Vorstellungen über die gegenseitige Beziehung zwischen S o n n e und Erde zu erinnern. Ebenso findet sich heute noch vielfach die Behauptung ausgesprochen, die „Erhaltung der Materie" sei eine Denknothwendigkeit, während seit einem Decennium einer unserer gewissenhaftesten Naturforscher beschäftigt ist, das Gesetz von der Erhaltung des Gewichtes bei chemischen Umwandlungen mit allen Hilfsmitteln der heutigen Wissenschaft zu prüfen, also auf Abweichungen davon völlig gefasst ist. S o werden wir auch die Frage nicht so zu stellen haben: sind die logischen Gesetze Denknothwendigkeiten? sondern wir dürfen nur fragen: sind unsere allgemeinen Begriffe und unter ihnen die logischen Gesetze geeignet, die Gesammtheit unserer Erlebnisse aufzunehmen und darzustellen? Wir erleben es j a fortwährend, dass die vorhandenen Begriffe neuen Erlebnissen gegenüber nicht ausreichen. Werden solche Erlebnisse gewissenhaft studirt und werden die erforderlichen neuen Begriffe gebildet, bez. die alten zweckgemäss abgeändert, so reden wir von einem wissenschaftlichen Fortschritt. Bisher ist es nun im Allgemeinen möglich gewesen, die neuen
310
DAS
CAUSALGESETZ
Begriffe so zu bilden, dass sie mit den vorhandenen nicht in Widerspruch geriethen. Aber man m u s s den Umfang dieser Uebereinstimmung nicht zu hoch anschlagen; das Bedürfniss, Begriffe, die s e h r verschiedenen Denkgebieten angehören, in gegenseitigem Einklang zu halten, ist sehr verschieden stark entwickelt. Beispielsweise macht die geringe Ausbildung dieses Bedürfnisses bei vielen Engländern, die in der vollkommen getrennten Behandlung ihrer praktischen und ihrer religiösen Weltanschauung zu Tage tritt, auf Andere oft den Eindruck der Heuchelei, die doch erst vorliegen würde, wenn der v o r handene Widerspruch ein bewusster oder beabsichtigter wäre. Noch geringer ist die Dringlichkeit der Forderung, s ä m m t liche benutzten Begriffe in Uebereinstimmung zu halten, falls diese Begriffe sich nicht in einem einzelnen Bewusstsein vereinigt finden, sondern von verschiedenen Personen in verschiedener Thätigkeit angewendet werden. So sehen wir denn auch, dass ganz entgegengesetzte Anschauungen über wichtige und grundlegende Fragen in derselben Zeit, ja in derselben Gemeinschaft, z. B. unter den Professoren derselben Universität und Facultät, zu Tage treten. Es wird also ein Widerspruch innerhalb der Gesammtheit der angewendeten Begriffe keineswegs alsbald als ein unerträglicher Zustand empfunden. Das Bewusstsein des Gegentheils ist vielmehr allgemein vorhanden; die Erwerbung einer geschlossenen und widerspruchsfreien Weltanschauung, d. h. eines entsprechenden Begriffssystems, gilt als eine überaus schwierige Sache, die nur in früher J u g e n d durch die enge Begrenzung des Umfanges, und sehr selten in spätem Alter als Ergebniss vieljähriger Denkthätigkeit zu Stande kommt, und in beiden Fällen fast nur persönlichen Werth hat. Wir sind also thatsächlich von dem Ziel einer allseitig in zweifelsfreiem Z u s a m m e n h a n g e stehenden und die Gesammtheit unsererer Begriffe u m f a s s e n d e n Weltanschauung weit entfernt. Dieser Umstand ist nothwendig durch die Unvollkommenheit gegeben, welche der A u s f ü h r u n g der Begriffsbildung und der Herstellung der gegenseitigen Beziehungen vermöge der Unvollständigkeit unsererer Erfahrung immer anhaften muss. Es ist daher kaum möglich, falls eine Denkschwierigkeit auftritt,
WEL TA NS CHA UUNG
311
zu entscheiden, ob sie von der Beschaffenheit unserer gesammten Begriffsbildung herrührt, oder ob sie nur ein vorübergehendes Ergebniss jener Unvollkommenheiten in der A n w e n d u n g ist. Bisher ist es im Allgemeinen möglich gewesen, die letztere Annahme durchzuführen und etwa erforderliche Aenderungen der Begriffe ohne grundstürzende Umwälzung des ganzen Systems herzustellen. Und da das Hilfsmittel der Entschuldigung vorhandener Widersprüche durch die Unvollkommenheit menschlichen Denkens ungemein ausgiebig ist, so darf auch noch angenommen werden, dass ein ganz und gar tödtlicher Widerspruch sich so bald nicht einstellen wird.
FÜNFZEHNTE
VORLESUNG
DAS LEBEN enn auch die Erscheinungen der nichtorganichen Welt, die wir bisher betrachtet hatten, noch mancherlei Schwierigkeiten und Probleme boten, so darf doch das energetische Weltbild als ein im Grossen und Ganzen zureichendes bezeichnet werden. Denn wir haben dieser Welt gegenüber die Ueberzeugung, bereits eine Summe von allgemeinen Begriffen zu besitzen, welche uns die Beurtheilung der vorhandenen und die Voraussicht künftiger Verhältnisse erheblich erleichtern, und uns insbesondere nirgend vor „Räthseln" oder hoffnungslosen Aufgaben lassen. Wesentlich anders finden wir uns der organischen Welt gegenüber. Obwohl sie uns eigentlich näher steht, denn unser eigener Leib gehört in dies Gebiet, so fühlen wir uns in der Beurtheilung ihrer Erscheinungen doch unverhältnissmässig viel unsicherer, und unsere Hilflosigkeit gegenüber Misswachs, Seuchen und anderen Schädigungen des organischen Lebens steht in auffallendem Gegensatz zu der Sicherheit, mit welcher wir die anorganischen Bedingungen unserer Existenz handhaben. Die Ursache hierfür liegt in der unverhältnissmässig viel grösseren Verwickelung der organischen Geschehnisse gegenüber den anorganischen. Leben, Fortpflanzung, Tod sind Vorgänge, denen im unbelebten Reiche nichts wesentlich gleiches gegenübersteht, und die Bedingungen, unter denen jene erfolgen, sind so mannigfaltig und schwierig zu erkennen, geschweige zu beherrschen, dass die verhältnissmässige Langsamkeit der
DER
ENERGIESTROM
313
wissenschaftlichen Fortschritte diesen grossen Problemen gegenüber sehr erklärlich ist. So werde ich mir auch nicht die Aufgabe stellen können, eine Theorie des Lebens zu entwickeln, durch welche alle diese schwierigen Fragen erschöpfend beantwortet werden können. Ich werde mich vielmehr mit der bescheideneren Aufgabe begnügen, die bisher gewonnenen allgemeinen Anschauungen auf die Lebensfragen anzuwenden, damit wir wenigstens gewisse Richtungen dabei erkennen, in denen die Forschung ihnen näher kommen kann. Es ist natürlich, dass wir dabei im wesentlichen die Richtungen wiederfinden werden, welche die Wissenschaft bereits eingeschlagen hat. Denn die Philosophie kann niemals der Specialforschung ihre Aufgabe abnehmen wollen; versucht sie es, so sind die schwersten Irrthümer die alsbald oder doch nach kurzer Frist eintretende Folge. Vielmehr ist das Beste, was sie leisten kann, die Benutzung anderweit gewonnener Einsichten, um die von der Forschung gewonnenen Ergebnisse in nähere Beziehung zu einander zu bringen, und dadurch das Vorhandene zu gegenseitiger Beleuchtung und Unterstützung zu verwerthen. In solchem Sinne wollen wir uns zunächst die Frage vorlegen, nicht was das Leben „ist", sondern wodurch sich lebende Gebilde von nicht lebenden unterscheiden. Für alle Lebewesen ist ein nie fehlendes Kennzeichen der E n e r g i e s t r o m . Meist bezeichnet man den hier stattfindenden Vorgang mit dem Namen S t o f f w e c h s e l ; dieses Wort trifft aber nicht die Hauptsache. Es ist nicht unmittelbar einzusehen, wozu der thatsächlich stattfindende beständige Ersatz der Stoffe, aus denen ein Organismus besteht, durch andere Mengen des gleichen Stoffes dienen soll; zweckmässiger würde es erscheinen, wenn der einmal geformte Stoff den Leib des Lebewesens dauernd bildete, und sich nur dem etwaigen Wachsthum entsprechend vervollständigte. Statt dessen sehen wir, dass diese bessere Einrichtung nur für einige wenige Körpertheile, beim Menschen die Knochen, beim Baume das Holz, angewendet wird, während der grösste Theil des Körpers einem beständigen Stoffwechsel unterliegt, der an den verschiedenen Theilen allerdings mit sehr verschiedener Geschwindigkeit erfolgt.
DAS
314
LEBEN
In der That ist der Stoffwechsel nur die Begleiterscheinung des Energiestromes. Da die Organismen ganz vorwiegend chemische Energie verwenden, deren Gewinnung an die chemische Umwandlung von Stoffen gebunden ist, so tritt unaufhörlich die Notwendigkeit ein, einerseits die ihrer Energievorräthe beraubten Stoffe wieder aus dem Organismus zu entfernen, andererseits neue Energievorräthe in Gestalt von Stoffen aufzunehmen, die dann das gleiche Schicksal erfahren. Der Energiestrom aber ist die Bethätigung des Lebens. Wir haben gesehen, dass alles Geschehen sich auf die Aenderung der Energie in dem betrachteten Gebiete zurückführen lässt. Somit sind auch die Lebensvorgänge nur Energievorgänge. Während aber das nichtorganisirte Gebilde nur solche Energieänderungen erfährt, die ihm durch seine Beschaffenheit und die seiner Umgebung auferlegt werden, ohne dass irgend welche auf seine Erhaltung oder Wiedererzeugung gerichtete Tendenz in diesen Aenderungen zu bemerken wäre, verhalten sich die Lebewesen anders. Ob eine gegebene Wassermenge als flüssiges Wasser oder als Eis besteht, ist nur eine Sache der Temperatur der Umgebung, und das Wasser geht je nach derselben ebenso gern von dem einen Zustand in den zweiten über, wie vom zweiten in den ersten. Ganz entgegengesetzt bethätigen sich die Lebewesen. Sie haben die Fähigkeit einen gewissen Zustand zu b e h a u p t e n , auch wenn die Einflüsse der Umgebung sich ändern. Ein Warmblüter behält seine Temperatur von etwa 37° bei, auch wenn die Aussentemperatur, wie dies in unseren Breiten geschieht, um ganze 50° wechselt, und erst bei weitgehenden Ueberschreitungen hört die Fähigkeit des Organismus auf, sich gegen die Umgebungseinflüsse zu schützen. In d i e s e r F ä h i g keit d e r S e l b s t e r h a l t u n g w e r d e n w i r d i e w e s e n t l i c h s t e E i g e n s c h a f t d e r L e b e w e s e n zu e r k e n n e n h a b e n . 1 1
Eine rudimentäre Form des Selbstschutzes ist allerdings auch bei nichtorganisirten Gebilden vorhanden, wenn sie sich im s t a b i l e n Gleichgewicht befinden, insofern sie dieses nicht freiwillig verlassen, und im allgemeinen einen um so grösseren Widerstand ausüben, d. h. Energiewechsel beanspruchen, je weiter sie aus diesem Gleichgewicht entfernt werden sollen.
SEL BSTERHA
L TUNG
315
Zu dieser Selbsterhaltung dient in erster Linie der Energiestrom. Es ist einleuchtend, dass ein im Energiegleichgewicht befindliches Gebilde gegen die Einflüsse der Umgebung nicht aktiv reagiren kann; es geht nur, wenn auch mehr oder weniger langsam in die neue Gleichgewichtslage über, in welche die veränderte Umgebung es hineinzwingt. Die compensirten Intensitätssprünge, durch welche sich das Gebilde gegen seine Umgebung abgrenzt, nehmen andere Werthe an, und darnach gestaltet es sich um. Damit eine s e l b s t t h ä t i g e Erhaltung möglich wird, m u s s die andere Form der dauernden Existenz, die s t a t i o n ä r e (im Gegensatz zur stabilen), bestehen (S. 271). Das heisst, das Gebilde m u s s seine Beschaffenheit dadurch aufrecht erhalten, dass es nicht compensirte Intensitätssprünge vermittelst beständiger Nachlieferung der Energie, die zerstreut wurde, erhält — Wir haben die allgemeinen Bedingungen der stationären Gebilde bereits (S. 271) kennen gelernt, und u n s auch überzeugt, dass diese überaus leicht zu p e r i o d i s c h e n Erscheinungen führen. Die Erhaltung des stationären Zustandes beruht auf Selbstregulirung, indem durch die Wirkung des Energieverbrauches die Zuführung weiterer Energie so beeinflusst wird, dass immer annähernd der gleiche Zustand erhalten bleibt. Sowie nun diese gegenseitige Bedingtheit nicht völlig g l e i c h z e i t i g ist, treten Schwankungen um einen mittleren Zustand, d. h. periodische Aenderungen desselben ein. Demgemäss finden wir auch, abgesehen von den durch den Wechsel der Tages- und Jahreszeiten bewirkten äusseren Perioden überall bei den Organismen innere Perioden verbreitet, die aus der angegebenen Quelle stammen. Dass die Organismen stationäre Energiegebilde sind, ist zunächst eine n o t h w e n d i g e Bedingung des Lebens, aber keine So wird eine Wassermenge, wenn sie in eine Umgebung unter 0 ° gebracht wird, nicht sofort sich in Eis verwandeln, sondern bei der Eisbildung wird Wärme frei, welche die weitere Umwandlung verzögert. Aber es handelt sich doch immer nur um ein Verzögern, nicht Verhindern; während der Organismus gegen die Umgebungseinflüsse a k t i v reagirt, reagirt das unorganische Gebilde p a s s i v .
316
DAS
LEBEN
zureichende. In der stationären Beschaffenheit liegt die Aehnlichkeit, welche man von jeher zwischen dem Leben und verschiedenen stationären Zuständen nichtorganischer Gebilde, z. B. einer Flamme gefunden hat. Aber die Organismen enthalten noch etwas mehr, was durch das Wort S e l b s t e r h a l t u n g ausgedrückt wird. S i e h a b e n d i e F ä h i g k e i t , s i c h d e r E n e r g i e v o r r ä t h e s e l b s t t h ä t i g zu b e m ä c h t i g e n , deren sie zur A u f r e c h t e r h a l t u n g ihres stationären Z u s t a n d e s b e d ü r f e n . Sie wären also einer Lampe vergleichbar, welche sich das Oel, das sie braucht, auf irgend eine Weise immer wieder neu beschaffte. Hiermit glaube ich die wesentlichen energetischen Kennzeichen des Lebens ausgesprochen zu haben. Denn unter den Begriff der Selbsterhaltung fallen nicht nur die einfachen Vorgänge der Aufnahme aussen vorhandener Nahrung, sondern auch alle die Vorgänge, welche zur Erbeutung solcher, zur Anlegung von Vorräthen, zur Sicherung gegen Natureinflüsse und Feinde, zur Erleichterung der Lebensthätigkeit getroffen werden. In solchem Sinne gehören auch diese unsere gemeinsam angestellten Ueberlegungen philosopischer Natur zur Selbsterhaltung des menschlichen Geschlechtes, wenn ich mir auch nicht die mindesten Illusionen über den Betrag mache, den ich hierbei für diese Angelegenheit liefere. Man könnte die Thatsache der F o r t p f l a n z u n g der Organismen als ein weiteres wesentliches Kennzeichen des Lebens ansehen, da es niemals fehlt. Doch scheint es mir methodisch zweckmässiger, auch die Fortpflanzung als einen Theil der Selbsterhaltung aufzufassen, wie das ja wiederholt ausgesprochen worden ist. Die Aufgabe der Erhaltung geht dabei von dem auf das Individuum gerichteten Zweck auf die der Familie, des Stammes, schliesslich der gesammten Lebewesen hinaus; doch ist dieser Uebergang so naturgemäss und wird durch eine Fülle entsprechender Lebenserscheinungen so stetig vermittelt, dass die Durchführung einer grundsätzlichen Trennung zwischen Individuum und Gemeinschaft viel schwieriger erscheint, als die der Annahme eines stetigen Ueberganges.
ERKLÄRBARKEIT
DES
LEBENS
317
Indem auf solche Weise die wesentlichen Kennzeichen der Lebenserscheinungen angegeben worden sind, soll damit nicht der Anspruch erhoben werden, als sei das Leben hierdurch „erklärt", wie man dies Wort gewöhnlich nimmt. Eine so ungeheuer vielgestaltige Erscheinung, wie das Leben, lässt sich durch einige kurze Definitionen nicht erschöpfen. Wohl aber dienen diese dazu, die Fragestellung einzugrenzen und bestimmter zu gestalten, und darin liegt allerdings ein wissenschaftlicher Fortschritt. Wenn man in jedem einzelnen Falle angeben kann, durch welche Mittel, d. h. unter Bethätigung welcher Energieen die fundamentale Aufgabe der Erhaltung des Stromes gelöst wird, so wird man über das Problem des Lebens in jedem dieser Fälle gesagt haben, was gefragt werden kann. Es ist nur zu gut bekannt, wie weit wir noch überall von diesem Ziele entfernt sind; aber es muss gewissen neueren Strömungen gegenüber ausgesprochen werden, dass auch die reiche Mannigfaltigkeit der Lebenserscheinungen nach meiner Ueberzeugung nichts enthält, was sich einer solchen energetischen Darstellung entzieht. Ich sehe mit anderen Worten kein unlösbares Welträthsel in der Thatsache des Lebens und kann keinen Grund erkennen, der die Hoffnung auf zunehmendes Eindringen in die Gesetzmässigkeiten der Lebenserscheinungen als trügerisch erscheinen Hesse. Und in dem Maasse, wie wir angeben können, welche Energieen bei den Lebenserscheinungen betheiligt sind, und worauf die Mittel der Selbstregulirung und damit Selbsterhaltung beruhen, gelangen wir auch zu einer Erklärung des Lebens. „Ist einmal eine Thatsache nach allen ihren Seiten bekannt, so ist sie eben damit erklärt und die Aufgabe der Wissenschaft ist beendet." 1 Diese Erörterungen sind gegen die Lehre der „Neovitalisten" gerichtet, welche die „Unerklärlichkeit" der Lebenserscheinungen behaupten. Man kann die Stimmung dieser Naturforscher ganz wohl verstehen, wenn man die geschichtliche Entwicklung der Physiologie und ihre gegenwärtige Epoche ins Auge fast. Nachdem vor etwa 50 Jahren der Grundsatz, dass alle Vorgänge im 1
Warme.
3. R. MAYER, Bemerkungen über das mechanische Aequivalent der 1850.
318
DAS
LEBEN
lebenden Organismus den gleichen Gesetzen der Physik und Chemie unterliegen, wie die Vorgänge der anorganischen Welt, zu einem ausserordentlichen Aufschwünge dieser Wissenschaft geführt hatte, findet sich heute der weitere Fortschritt durch den Mangel neuer Gesichtspunkte einigermaassen beschränkt, und an Stelle des Bewusstseins, „wie wir's schon so herrlich weit gebracht", tritt ein lebhaftes Gefühl für die noch vorhandenen Lücken und für die gegenwärtige Hilflosigkeit der Wissenschaft gegenüber vielen von ihnen. Da entwickelt sich nun leicht der Gedanke, dass das, was uns zur Zeit unzugänglich erscheint, überhaupt unzugänglich ist. Dem gegenüber ist folgendes zu sagen: Der Organismus arbeitet hauptsächlich mit chemischer Energie und ist daher in erster Linie von deren Gesetzen abhängig. Nun ist die Zeit, während wir eine wissenschaftliche Kenntniss von den Gesetzen der chemischen Vorgänge haben, eine überaus kurze, denn erst seit etwa anderthalb Decennien hat die Forschung sich mit Erfolg dieser Aufgaben zu bemächtigen begonnen. So hat die Chemie noch heute so viel im eigenen Hause zu thun, dass sie noch kaum die Zeit gefunden hat, die Bedürfnisse der Nachbarinnen ins Auge zu fassen. Wenn daher die Physiologie den Vorgängen des Energiestromes und des für diesen bethätigten Stoffwechsels noch vielfach rathlos gegenübersteht, so rührt dies eben daher, dass die erforderlichen chemischen Hilfsmittel theils noch nicht vorhanden, theils den betreffenden Physiologen noch nicht geläufig sind. Besinnt man sich aber darauf, welchen enormen Fortschritt die Physiologie ihrerseits bei der Einführung der chemischen Betrachtungen durch LIEBIG gemacht hat, der die eben aufblühende organische Chemie in solchem Sinne zu verwerthen lehrte, so wird man einen nicht geringeren Fortschritt durch die Einführung der allgemeinen Gesetze der chemischen Reactionen und Gleichgewichte in die Physiologie erwarten dürfen. Dass die Aufgabe der Physiologie nicht in einer bestimmten Zeit vollständig zu lösen ist, und dass immer noch unerledigte Rückstände verbleiben, ist ein Schicksal, welches diese Wissenschaft mit allen anderen theilt. Weiter als die Philosophie hat es die Physiologie jedenfalls schon gebracht.
CHEMISCHE
ENERGIE
DER
LEBEWESEN
319
Haben wir uns dergestalt über die allgemeinen Grundsätze geeinigt, 1 unter denen wir die Erscheinungen des Lebens betrachten wollen, so werden wir uns nun zu der Erörterung einiger der wichtigsten Thatsachen zu wenden haben. Hierbei m u s s ich Ihre Nachsicht noch mehr in Anspruch nehmen, als bei den bisherigen Darlegungen, weil ich in der philosophischen Betrachtung des Lebens in doppeltem Sinne ein Laie bin. Dass ich alsdann nicht lieber überhaupt die Finger von der Sache lasse, hat seinen Grund in dem Wunsche, durch den Versuch der Anwendung der allgemeinen Grundsätze, welche uns bisher die Zeichnung eines hypothesenfreien Weltbildes ermöglicht haben, auf die Lebenserscheinungen die Fachmänner zu einer Prüfung der Frage zu veranlassen, ob sich auf diese Weise überhaupt eine haltbare Auffassung erzielen lässt. Dabei muss ich noch die weitere Bitte aussprechen, die etwaige Unhaltbarkeit der von mir versuchten Aufstellungen nicht alsbald als einen Beweis für die Unbrauchbarkeit jener. Grundlagen selbst anzusehen, sondern noch die Möglichkeit zu erwägen, dass die Grundlagen zwar richtig, meine Anwendungen derselben aber verfehlt sein können. Wenden wir uns nun zur Betrachtung des Energiehaushaltes der Lebewesen, so tritt uns die Thatsache entgegen, dass als Ausgangsform für alle anderen Bethätigungen ausschliesslich die c h e m i s c h e E n e r g i e dient. Der Organismus ist also wesentlich ein Complex chemischer Energieen, deren Umwandlung in andere Formen sich derart regelt, dass ein stationärer Zustand entsteht. Alle anderen Energieformen, welche im Organismus auftreten, insbesondere alle Arbeiten, welche er aussen leistet, rühren von der Umwandlung chemischer Energie her. Wie gelangen nun die Organismen in den Besitz dieser Energie? Der Ueberblick über das gesammte Leben, das wir kennen, lehrt uns, dass es nur zwei Wege dazu giebt. Die eine Gruppe der Organismen, die chromophyllhaltigen Pflanzen, nährt sich von s t r a h l e n d e r E n e r g i e , alle anderen von c h e m i s c h e r . 1
Vgl. W. PFEFFER, Studien zur Energetik der Pflanze. Abhandl, d. Kgl. Sächs, Ges. der Wiss. 1892.
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Was zunächst die Organismen der ersten Gruppe anlangt, so gehören sie zu den Pflanzen. Sie besitzen Apparate, die durch starke Färbung gekennzeichnet sind. Die Farbe ist in den weitaus häufigsten Fällen grün, doch giebt es auch gelbe, rothe und braune. In diesen Apparaten wird die strahlende Energie, welche in Form von Sonnenlicht zur Verfügung steht, in chemische Energie umgewandelt und in Gestalt chemischer Verbindungen gespeichert. Bei den besonderen Eigenthümlichkeiten der chemischen Energie in Bezug auf ihre Fähigkeit, sich in engem Räume zusammendrängen und ohne erhebliche Verminderung sich aufbewahren zu lassen, die schon früher (S. 233) dargelegt worden ist, muss man diese Wahl als überaus zweckmässig anerkennen, denn von allen Formen, in denen Energie aufgesammelt und für bestimmte Verwendungen verfügbar gehalten werden soll, ist die Sammlung der überall auf der Erdoberfläche erhältlichen strahlenden Energie und ihre Umwandlung in chemische die wirksamste. Die chemischen Vorgänge, durch welche die Speicherung stattfindet, sind in ihren letzten Ergebnissen ziemlich mannigfaltig; in Bezug auf die Ausgangsstoffe dagegen äusserst einfach. Man kann den allergrössten Theil dieser Vorgänge in einen Begriff fassen: R e d u c t i o n d e r K o h l e n s ä u r e . Diese in der Natur überall vorhandene Verbindung von Sauerstoff mit Kohlenstoff wird unter Aufnahme von strahlender Energie so verändert, dass der Sauerstoff gasförmig der Atmosphäre zugewiesen wird, während der Kohlenstoff mit den Elementen des Wassers (und zum geringeren Theil auch noch mit anderen Elementen, wie Stickstoff, Phosphor, Schwefel, Kalium u. s. w.) in Verbindungen übergeht. Diese sind ihrerseits wieder fähig, durch Oxydation oder Umsetzung mit freiem Sauerstoff die aufgespeicherte Energie auszugeben und so den Energiebedarf des Organismus zu bestreiten. Eine solche Verwendung findet zunächst in der Pflanze selbst statt. Alle Verrichtungen, durch welche sie ihr Dasein und das ihrer Nachkommenschaft sichert, erfordern den Aufwand entsprechender freier Energie: Wasser und anorganische gelöste Stoffe müssen aus dem Boden durch die Wurzeln nach oben gepumpt
DIE
PFLANZE
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werden, Blätter, Blüthen und Früchte müssen gebildet werden, durch Herstellung eines mechanisch widerstandsfähigen Körpers müssen die zerstörenden Einwirkungen von Wind und Wetter unwirksam gemacht werden. Alle diese Dinge erfordern Energie, und diese wird aus dem chemischen Vorrath hergenommen, der durch die „Assimilation", d. h. durch die Aufnahme der strahlenden Energie und ihre Speicherung als chemische beschafft worden ist. So sehen wir bei der grünen Pflanze die Voraussetzungen des selbsterhaltenden stationären Zustandes vereinigt. Die strahlende Energie a l l e i n würde hierzu nicht genügen, da sie während der Nachtstunden nicht zur Verfügung steht, und, wenigstens in den höheren Breiten, auch während des Winters sehr viel sparsamer zugemessen wird. Um also den stationären Energiestrom aufrecht zu erhalten, ist die Zwischenschaltung einer anderen Sammelform nothwendig. Andererseits sind die Organismen auf die Verwendung der strahlenden Energie als erster Quelle angewiesen. Denn auf und in der Erdrinde, soweit sie uns zugänglich ist, sind andere Vorräthe freier Energie nicht auffindbar, die nicht von gegenwärtiger oder früherer Sammlung der strahlenden herrührten. Von den verhältnissmässig nicht grossen Mengen verbrennlicher Stoffe, die wir in der Erde finden, wissen wir, zum Theil bestimmt, zum Theil mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass sie keine andere Quelle haben. Es sind dies die fossilen Kohlen, deren pflanzliche Abstammung keinem Zweifel unterliegt, und die nicht grossen Mengen von brennbaren Metallsulfiden und ähnlichen Stoffen, bei denen eine mittelbare Entstehung unter Mitwirkung der fossilen Kohle oft wahrscheinlich ist. Hierzu kommen allerdings möglicherweise noch oxydirbare Stoffe im Innern der Erde; über diese wissen wir aber wenig, und sie haben keinen nachweisbaren Einfluss auf den Energieverkehr der Erdoberfläche. Da somit das Bestehen stationärer Energiegebilde an die Benutzung der Strahlung gebunden ist, erklärt sich, dass das Leben an der festen Erdrinde auf eine äusserst dünne Schichte beschränkt ist, thatsächlich auf einige Meter an der Grenze zwischen Luft und Erde, wo die Umwandlung der strahlenden OSTWALD, Naturphilosophie.
III. Auflage.
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Energie fast ausschliesslich stattfindet. Ein wenig anders verhält sich der Theil der Erdoberfläche, der mit Wasser bedeckt ist. Auch das Wasser, insbesondere das der Oceane, ist der Sitz solcher Umwandlungen durch assimilirende Pflanzen. Da aber das Wasser durchsichtig ist, d. h. von der strahlenden Energie unter mässiger Umwandlung bis zu ziemlich grossen Tiefen durchdrungen wird, so ist die Schicht, innerhalb deren hier assimilirende Pflanzen gedeihen, bedeutend dicker anzusetzen. Das Leben erstreckt sich ausserdem noch erheblich tiefer, als die strahlende Energie dringt. Dies beruht darauf, dass die in den oberen Schichten gebildeten Pflanzenkörper, deren Stoffe dichter als Wasser sind, beständig, insbesondere nach dem Absterben, in die Tiefe sinken. Hierdurch setzt der Strom der strahlenden Energie sich in einen aus chemischer Energie bestehenden um, dessen untere Begrenzung erst der Meeresboden ist, und der die Existenz des Lebens auch in sehr grossen Tiefen ermöglicht. Allerdings ist dies Leben an die Bedingung geknüpft, dass es sich auf Kosten chemischer und nicht strahlender Energie erhält. Hierbei kommt noch ferner in Betracht, dass die chemische Energie der Pflanzenkörper der Mitwirkung des freien Sauerstoffs bedarf, um verfügbar zu werden, 1 und dass daher auch für dessen Anwesenheit gesorgt sein muss. Dies geschieht durch die senkrechten Antheile der Meeresströmungen und durch Diffusion aus den oberen Schichten des Wassers, in denen durch die Aufnahme aus der Luft und durch die Abscheidung seitens grüner Pflanzen ein reichlicher Vorrath von gelöstem freiem Sauerstoff vorhanden ist. Das grosse Heer der nicht assimilirenden Organismen ist nun auf die Verwendung von c h e m i s c h e r Energie für die Zwecke des Lebens angewiesen. Während die einfachsten derartigen Gebilde, Bakterien, Pilze und andere, in Bezug auf 1 Auch durch „Spaltung" (d. h. chemische Umwandlung ohne Oxydation) organischer Verbindungen, ohne die Mitwirkung des freien Sauerstoffs, werden chemische Energiemengen verfügbar, und es giebt Lebewesen, deren Verbrauch auf solche Weise bestritten wird. Diese Mengen sind aber verhältnissmässig viel geringer, als die durch Oxydation freiwerdenden.
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THIERE
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die chemische Energie, die sie verwerthen können, d. h. auf ihre Nahrung wenig wählerisch sind, werden im allgemeinen die Ansprüche an besondere Formen derselben, d. h. an besondere Stoffe, immer grösser und bestimmter, je höher die Stellung des Organismus in der Entwicklungsreihe und je verwickelter und mannigfaltiger demgemäss seine Functionen sind. Aehnliche Verschiedenheiten bestehen in der Weise, die Nahrung zu erlangen. Pflanzen und niederste thierische Organismen sind hierbei fast passiv; sie siedeln sich dort an, wo sich hinreichend Nahrung findet, und wenn diese ausgeht, so wandeln sie sich in Formen (Samen, Sporen) um, in welchen der Energieverbrauch des gesammelten Vorrathes durch Einschränkung aller Functionen auf ein Minimum herabgesetzt ist. Gelangen diese wieder unter günstige Ernährungsbedingungen, so treten wieder thätige Formen auf, welche sich auf Kosten der Nahrung schnell vermehren, bis wieder Mangel und damit die Nothwendigkeit der Sporenbildung eintritt. Man sieht, wie diese beiden Eigenschaften, chemische Anspruchslosigkeit und die Fähigkeit, bei Nahrungsmangel unthätige Dauerformen zu bilden, der zufälligen Weise angepasst sind, in welcher diese Gebilde zu ihrer Nahrung gelangen. In dem Maasse, als die Mittel, selbstthätig die Nahrung zu erreichen, sich entwickeln, kann auch eine sorgfältigere Auswahl derselben stattfinden, und hiermit sind im allgemeinen gesteigerte Leistungen verbunden. Als erste Stufe solcher Mittel werden wir die Organe zur Festhaltung von zufällig herangekommener Beute anzusehen haben; die Herstellung von Lockmitteln zur Heranziehung der Beute stellt eine weitere Entwicklung auf diesem Wege dar. Diese Verrichtungen können noch von Organismen ausgeübt werden, denen keine freie Ortsbewegung zukommt. Wird diese erlangt, zugleich mit der Ausbildung des erforderlichen Bewegungsapparates, so finden sich dadurch die Mittel der Nahrungsauffindung und -erbeutung ausserordentlich vermehrt, und die Auswahl der Nahrung kaqn eine noch viel bestimmtere werden. Dies sind die Voraussetzungen für die Existenz der höheren und höchsten Organismen. Es ist nun die allgemeine Frage zu beantworten, durch welche Mittel die Organismen die Geschwindigkeit der Um21»
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Wandlung der chemischen Energie in die anderen, von ihnen gebrauchten Formen regeln. Wenn wie angegeben die Oxydation verbrennlicher, insbesondere kohlenstoffhaltiger Stoffe mittelst freien Sauerstoffes die wesentlichste Quelle ist, aus der sie ihre Energie schöpfen, so sieht man sich vor der Schwierigkeit, dass bei den mittleren Temperaturen, bei denen die Organismen leben, eben diese Stoffe durch den Sauerstoff nur langsam, meist unmerklich oxydirt werden. Die Organismen müssen also über Mittel verfügen, die Oxydation und daneben die anderen chemischen Vorgänge, deren sie bedürfen, in angemessener Weise zu beschleunigen, und sie gegebenenfalls auch wieder zu verzögern. Solcher Mittel, die Geschwindigkeit bestimmter chemischer Reactionen zu beeinflussen, giebt es drei. Das eine ist die T e m p e r a t u r ; bei höherer Temperatur werden ganz allgemein die chemischen Vorgänge schneller, bei niederer langsamer. Die Erzielung einer passenden Temperatur wäre also ein Mittel für den Zweck. Wiewohl uns dieses Mittel als das einfachste erscheint und in der Technik wie im Laboratorium fast ausschliesslich angewendet wird, wenn es sich um die Herstellung geeigneter Geschwindigkeitsverhältnisse für bestimmte chemische Zwecke handelt, s o finden wir seine Anwendung bei den Organismen doch verhältnissmässig beschränkt. Nur bei den höchstentwickelten Wirbelthieren, den Warmblütern, sind Einrichtungen zur Einregelung bestimmter Temperaturen vorhanden, und zwar solcher, die oberhalb der Temperatur der Umgebung liegen. Dabei beschränken sich diese Einrichtungen aber auf die Erhaltung einer b e s t i m m t e n Temperatur innerhalb recht enger Grenzen; t h e r m o s t a t i s c h e Einrichtungen, und nicht Oefen, bezw. Kühlapparate sind es, welche die Organismen ausbilden. Während wir, wenn wir die Oxydation unseres Brennmaterials hinreichend schnell verlaufen lassen wollen, hierzu eine hohe Temperatur durch Einrichtung einer die Wärme zusammenhaltenden Feuerstelle und einer Zug- oder Blasevorrichtung für die Luft erzeugen, besitzen die Organismen keinerlei derartige Einrichtung und sorgen höchstens durch Erhaltung einer constanten, von
SELBSTREG
ULIR
UNG
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der Umgebung unabhängigen Temperatur für die Constanterhaltung der Geschwindigkeit ihrer wichtigsten chemischen Vorgänge. Das zweite Mittel zum Einreguliren der Geschwindigkeit wird gleichmässig in der menschlichen Technik wie im Haushalt der Organismen angewendet; es liegt in den Raumverhältnissen der reagirenden Stoffe. Ein gegebener Vorgang verläuft um so langsamer, je geringer die Mengen der betheiligten Stoffe sind, die im R e a c t i o n s g e b i e t e zur Wirkung kommen. Handelt es sich um die Wechselwirkung gelöster Stoffe, so werden diese Mengen durch die Concentration, d. h. das Verhältniss zwischen wirksamen Stoffen und dem durch Lösungsmittel und dergleichen bestimmten Gesammtraum ausgedrückt. Handelt es sich um die Wechselwirkung zwischen gelösten und festen Stoffen, so kommt ausser der Concentration des gelösten Stoffes noch die Berührungsfläche mit dem festen Stoffe in Betracht. Zwischen lauter festen Stoffen sind die Berührungen so gering, dass diese im allgemeinen überhaupt nicht messbar auf einander wirken. Diese Abhängigkeit des Umsatzes von den räumlichen Verhältnissen ist nun ein weitreichendes Mittel für die Selbstregulirung. Im Falle, dass lauter gelöste Stoffe vorliegen, bewirkt der Einfluss der Concentration auf die Geschwindigkeit, dass der Organismus um so sparsamer arbeitet, je mehr von den Stoffen verbraucht ist. Die allgemeine Eigenschaft gelöster Stoffe, dass sich die Unterschiede der Concentration stets durch Diffusion auszugleichen streben, hat die weitere Wirkung, dass örtlicher Verbrauch sofort das Zuströmen des verbrauchten Stoffes von anderen Stellen zur Folge hat. Ist der Stoff in Gestalt einer gesättigten Lösung neben fester Substanz vorhanden, so löst sich bei eintretendem Verbrauch stets soviel aus der festen Form auf, als verbraucht worden war, und die Concentration und damit die Geschwindigkeit kann unverändert erhalten werden, so weit der feste Vorrath reicht. Wird umgekehrt der Stoff erzeugt, so setzt sich von ihm so viel in fester Gestalt ab, dass die Concentration constant bleibt, und die sonst durch Anhäufung des gelösten Stoffes eintretende Verringerung der Bildungsgeschwindigkeit wird vermieden.
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Diese wenigen Hindeutungen genügen, um auf die mannigfaltigen Hilfsmittel hinzuweisen, die dem Organismus durch die Combination von festen und gelösten Stoffen für die Zwecke der Erhaltung stationärer Zustände zur Verfügung stehen. Die Ausscheidung in f e s t e r Gestalt bringt die Möglichkeit des chemischen Umsatzes auf ihren geringsten Werth, und tritt daher zweckmässig in allen Fällen ein, wo ein solcher vermieden werden soll. So werden insbesondere die Reservestoffe für spätere Lebensperioden, wo laufende Energiequellen nicht zu Gebote stehen, und die für die Nachkommen vielfach in fester Gestalt aufgespeichert. Ebenso nehmen die Stoffe, die nicht mehr am Energieverkehr theilzunehmen brauchen, sondern zu mechanischen Zwecken dienen, wie Skelettheile, Stämme u. s. w. feste Gestalt an und sind dadurch gegen chemische Angriffe geschützt. Dass endlich durch die mechanische Gestaltung des Gebildes und dessen Ausstattung mit Wänden, Röhren, Oeffnungen der Umfang und die Richtung des chemischen Verkehrs in der mannigfaltigsten Weise geregelt werden kann, braucht nur erwähnt zu werden. Die Anwendungen dieses Mittels sind so ausserordentlich häufig, dass auch die flüchtigste Betrachtung irgend einer Pflanze oder eines Thieres eine beliebige Anzahl von Beispielen und Erläuterungen liefert. Das dritte Mittel endlich für die Regelung der Geschwindigkeit chemischer Reactionen wird von den Organismen viel mehr gebraucht, als in der Technik, und die letztere beginnt eben erst, die ausserordentlichen Vortheile gewahr zu werden, die hiermit erreicht werden können. Es liegt dies daran, dass erst in neuester Zeit die wissenschaftliche Erforschung dieses Hilfsmittels begonnen hat, und die Grundlagen für seine rationelle Benutzung erst geschaffen werden müssen. Dieses Hilfsmittel heisst K a t a l y s e . Der Ablauf eines chemischen Vorganges und die Beschaffenheit seiner einzelnen Stufen ist im allgemeinen durch die Art und Menge der Stoffe, sowie durch die äusseren Bedingungen, wie Temperatur und Druck so weit gegeben, dass die Reihenfolge der Vorgänge und die v e r h ä l t n i s s m ä s s i g e n Zeiträume,
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HILFSMITTEL
DER
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welche die einzelnen Stadien beanspruchen, fest bestimmt sind. Dagegen ist die Dauer der Z e i t , in der diese feste Folge von chemischen Ereignissen abläuft, durch die Natur der sich umwandelnden Stoffe und die äusseren Umstände noch nicht bestimmt, sondern sie hängt noch von der Anwesenheit anderer Stoffe ab, die durch den Vorgang selbst keine bleibende Aenderung zu erfahren brauchen (wenn sie auch eine solche zuweilen erfahren können), und die sich hernach unvermindert wiederfinden. Man nennt solche Stoffe K a t a l y s a t o r e n . Sie wirken so, als würde durch sie die Einheit der Zeit geändert, während die gegenseitigen Verhältnisse der für die verschiedenen Stufen des Vorganges erforderlichen Zeiten keine Aenderung erfahren. Man verstellt also gleichsam mittelst eines Katalysators die Pendellinse an der Uhr des Vorganges. Man sieht die Möglichkeit einer solchen Wirkung und ihre Verträglichkeit mit den Grundgesetzen der Energetik ein, wenn man sich überlegt, d a s s die chemische Energie als solche keine Zeitgrösse enthält. Wenn also ein chemisches Gebilde gegeben ist, so kann man allerdings aus seinen Energieverhältnissen entnehmen, o b es eine chemische Umwandlung erfahren wird; dies tritt ein, wenn durch die Umwandlung die Menge der freien Energie abnehmen kann. Ist der Anfangszustand gegeben, s o ist auch der Endzustand bestimmt: es ist der, in welchem die freie Energie nicht mehr abnehmen kann oder Gleichgewicht eingetreten ist. Ebenso kann man nachweisen, d a s s auch alle Zwischenzustände gegeben sind, insbesondere kann auch jeder Zwischenzustand nur in einen anderen mit g e r i n g e r e r freier Energie übergehen. Aber die Z e i t , in welcher alle diese Ereignisse stattfinden, ist n i c h t gegeben. Es handelt sich ja hier nicht um eine durch Bewegungsenergie mechanisch bestimmte Zeit, sondern um eine durch einen Zerstreuungs- oder Dissipationsvorgang geregelte, und von dieser letzteren haben wir gesehen (S. 275), d a s s sie je nach der Beschaffenheit des Gebildes ihr e i g e n e s M a a s s hat, und nicht durch die Energieunterschiede allein bestimmt ist. Haben wir uns so über die Möglichkeit, die katalytischen Wirkungen in die Gesammtheit unserer Anschauungen einzu-
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ordnen, Beruhigung verschafft, so werden wir uns leicht über den von oberflächlichen Beurtheilern immer wiederholten Vorwurf hinwegsetzen können, d a s s die Annahme der katalytischen Wirkung keine E r k l ä r u n g der zeitlichen Veränderung der Vorgänge enthalte. Es handelt sich nicht um eine Erklärung, sondern um eine B e z e i c h n u n g und Zusammenfassung der Thatsachen. Auf Grund unzweckmässiger mechanischer Analogieen hatte man sich in die Vorstellung hineingearbeitet, die Thatsache der Beschleunigung oder Verzögerung chemischer Vorgänge durch die Anwesenheit unverändert bleibender Stoffe bedürfe einer besonderen Erklärung, da sie eigentlich nicht möglich sei. Haben wir eingesehen, dass für chemische Vorgänge die Zeiteinheit noch frei ist, so ist es die natürlichste Sache von der Welt, dass durch die Anwesenheit fremder Stoffe über diese freie Zeiteinheit eine bestimmte Verfügung getroffen werden kann. Die Sache wird allerdings anders, wenn man die chemischen Gebilde als hypothetisch-mechanische auffasst, die nur wegen der Kleinheit ihrer Glieder, der Atome, nicht als solche unmittelbar erkennbar sind. Dann ist es freilich nicht einzusehen, wie fremde Stoffe, die keine chemischen „Kräfte" auf die am Umsätze betheiligten Stoffe ausüben, deren Geschwindigkeit sollen beeinflussen können. Dies ist aber kein Einwand gegen den Begriff der Katalyse, der ja eine experimentelle Thatsache bezeichnet, sondern ist nur ein Beweis mehr für die Unzulänglichkeit der atomistischen und mechanistischen Hypothesen gegenüber den höheren Aufgaben der Wissenschaft. Der Organismus benutzt nun die Freiheit in der Wahl der Reactionsgeschwindigkeit durch die Anwesenheit katalytisch wirkender Stoffe in ausgiebigster Weise, um seine Energiebedürfnisse zweckmässig zu befriedigen. Während in dem trocken aufbewahrten Gerstenkorn die unlösliche Stärke neben den gleichfalls in fester oder halbfester Gestalt vorhandenen Keimbestandtheilen nahezu unverändert ruht, 1 so beginnt beim 1 So lange das Korn keimfähig bleibt, verlaufen in demselben n o t wendig auch Lebensvorgänge, d. h. Energiewechsel, so dass auch der Stoffwechsel und insbesondere die Oxydation keineswegs Null wird, sondern nur
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Zuführen von Wasser (genügend hohe Temperatur vorausgesetzt) eine Reihe chemischer Reactionen, bei welchen die Stärke durch die vom Keim ausgeschiedenen Katalysatoren (Diastase) in lösliche Formen übergeführt wird, während andere E n z y m e , wie man die organischen Katalysatoren zu nennen pflegt, deren Verbrennung durch den Luftsauerstoff beschleunigen. Solche Oxydationskatalysatoren oder O x y d a s e n sind nun in den Organismen, den Pflanzen wie den Thieren, ungemein verbreitet, denn da die Kohlenstoffverbindungen, deren Verbrennung den Energiebedarf für die verschiedenen Verrichtungen dieser Organismen liefert, bei der gewöhnlichen Temperatur viel zu langsam verbrennen, so muss der Vorgang durch entsprechende Katalysatoren beschleunigt werden, um physiologisch brauchbar zu sein. Trotz dieser grundlegenden Wichtigkeit, und trotzdem die Anwesenheit solcher Stoffe durch SCHÖNBEIN seit einem halben Jahrhundert nachgewiesen ist, hat die exacte Forschung diese Fragen erst in jüngster Zeit zu bearbeiten begonnen. Die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung war die theoretische Scheu, welche man auf Grund der mechanistischen Bedenken gegen die katalytischen Erscheinungen überhaupt empfand. Es ist dies eines der auffallendsten Beispiele für die schädigende Wirkung der mechanistischen Hypothesen, und es ist nützlich, auf solche Beispiele hinzuweisen, da sonst nur die vortheilhaften Seiten derselben betont zu werden pflegen. Welche Arbeiten hat nun der Organismus mit seinem Energiebesitz zu bestreiten? Zunächst muss er seinen B e s t a n d e r h a l t e n . Die Stoffe, aus denen er besteht, sind dem Einflüsse des Luftsauerstoffs, oft dem des Wassers dauernd ausgesetzt, und unterliegen einer unaufhörlichen Oxydation, bezw. Lösung. Wenn auch die Organisation im allgemeinen derart ist, dass die Verluste von dieser oder anderer Seite möglichst gering werden, so sind sie doch niemals gleich Null, und müssen daher ersetzt einen sehr geringen Werth annimmt. Dies wird dadurch bestätigt, dass sich die Samen verschiedener Pflanzen sehr verschieden lange keimfähig erhalten, und dass schliesslich alle nach kürzerer oder längerer Zeit ihre Keimfähigkeit verlieren.
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werden. Wir haben ja von vornherein den Organismus als einen s t a t i o n ä r e n Energiezustand definirt, d. h. es ist ein beständiger Verlust und Wiederersatz der Energie und der Stoffe nothwendig. Dann pflegt der junge Organismus bis zu einem bestimmten Betrage zu w a c h s e n , d. h. seinen Körper zu vergrössern. Hiermit ist gleichzeitig die Anlage von stofflichen Vorräthen verbunden, auf deren Kosten die späteren Energiebedürfnisse befriedigt werden können, namentlich, wenn der Organismus durch anderweite Beanspruchung sich nicht mehr vorwiegend mit der Nahrungserlangung befassen kann. Endlich ist für die N a c h k o m m e n s c h a f t vorzusorgen. Es sind anscheinend Ursachen vorhanden, welche verhindern, dass ein und derselbe Organismus d a u e r n d seinen stationären Zustand aufrecht erhält. Da keine Selbstregulirung vollkommen genau wirken kann, so tritt früher oder später eine Abweichung von dem Zustande ein, der allein die Dauer verbürgt. Insbesondere scheinen gewisse Störungen auch durch die Selbstregulirung nicht sicher ausgeschlossen werden zu können, denn sie häufen sich in einem Sinne mehr und mehr an. Dann geht schliesslich die Möglichkeit des Dauerzustandes verloren, und der Organismus versagt an irgend einer Stelle. Bei dem engen Zusammenhange, in welchem die verschiedenen Theile des Organismus in der Abmessung ihrer Wirkungen mit einander stehen, pflegt durch eine solche Störung zugleich auch eine grössere Anzahl weiterer Störungen gegeben zu sein, und der Bestand kann nicht mehr aufrecht gehalten werden. Dann erlangen die e n e r g i e z e r s t r e u e n d e n Wirkungen die Oberhand über die e n e r g i e s a m m e l n d e n , und der Organismus stirbt. Diesen sehr allgemeinen Voraussetzungen gegenüber hat sich ein ebenso allgemeines Verhalten der organischen Welt dahin entwickelt, dass jeder Organismus durch Vervielfältigung seiner Individualität für seine m i t t e l b a r e Fortdauer, d. h. f ü r die Erhaltung seiner Art sorgt. Wie dies im Einzelnen a u s geführt wird, wollen wir später eingehender betrachten; hier ist nur hervorzuheben, dass auch diese wichtige Verrichtung nicht ohne Energieaufwand ausführbar ist. Es ist der Körper des
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neuen Individuums anzulegen, und es ist meist auch erforderlich, für die erste Zeit von dessen selbständigem Bestehen eine gewisse Menge verfügbarer Energie in Gestalt von Nährstoffen bereit zu stellen, bis der junge Organismus selbst im Stande ist, seine Nahrung zu beschaffen. Diese letztere Arbeit fällt dann fort, wenn dieser alsbald in günstige Nährverhältnisse gelangt. So sehen wir denn jedes Lebewesen die Zeitdauer seines Bestehens mit einer unaufhörlichen Beschäftigung zur Erlangung seiner Nahrung und zur Abwehr von Schädlichkeiten erfüllen. Es wendet immer wieder einen Theil der Energie, die es bereits besitzt, dazu auf, um grössere Mengen davon zu erwerben, und arbeitet daher mit seinem Energievorrath nicht anders, als der w i r t s c h a f t e n d e Mensch mit seinem Kapital. J e grösser dieses Kapital ist und je mannigfaltigere Verwendung es zulässt, um so mehr ist das Lebewesen im Stande, störende Eingriffe von aussen unschädlich zu machen. Doch giebt es gewisse Grenzen dieser Widerstandsfähigkeit, und plötzliche Eingriffe in die gegenseitigen Abgleichungen der Vorgänge wirken ebenso todtbringend, wie die langsamen Anhäufungen der Störungen mit dem Alter.
SECHZEHNTE
VORLESUNG
Z W E C K E UND M I T T E L DER L E B E W E S E N
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n den allgemeinen Betrachtungen über die Energieverhältnisse der Lebewesen ist uns immer wieder ein neuer Begriff entgegengetreten, der der anorganischen Welt nicht angehört. Es ist der der Z w e c k m ä s s i g k e i t . Wir haben die Lebenserscheinungen so behandelt, als sässe in jedem Organism u s ein denkender, urtheilender und insbesondere vorsorgender Geist von der Art des menschlichen, der anscheinend auf Grund einer sehr tiefen Kenntniss der chemischen und physikalischen Gesetze die Einrichtungen so trifft, dass die Ergebnisse dem Organismus einen möglichst dauernden Bestand und eine möglichst vortheilhafte Vermehrung sichern. Auch darin scheint dieser Geist dem menschlichen zu gleichen, dass er von sich sagen kann: allwissend bin ich nicht, doch ist mir viel bewusst. Denn thatsächlich sind nicht alle Einrichtungen des Organismus zweckmässig, und wir 'sehen viele Lebewesen vor dem natürlichen Ablauf ihrer individuellen Entwicklung durch innere oder äussere Schädlichkeiten sterben, die unter Umständen ganz wohl hätten vermieden werden können. Dieser Eindruck ist so unwiderstehlich, dass er sich bereits in einer sehr frühen Stufe der wissenschaftlichen Entwicklung geltend gemacht hat. Er hat dann meist nicht zu der Vorstellung geführt, dass die Organismen s e l b s t mit einem solchen, dem menschlichen ähnlichen aber ihm vielfach überlegenen Geiste ausgestattet sind. Hiergegen spricht die unzweifelhafte Dummheit der Organismen gegenüber neuen und ungewöhnlichen
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Verhältnissen, wie sie namentlich durch das Eingreifen der Menschen hergestellt werden. Sondern man hat vielmehr die Annahme gemacht, die Organismen seien durch eine höhere aber menschenähnliche Intelligenz hergestellt worden, wie der Mensch seine Geräthe und Maschinen herstellt. Eine solche Annahme war auch für den Menschen selbst zu machen, da sich auch in dessen Körper zahlreiche zweckmässige Einrichtungen befinden, deren nähere Beschaffenheit der einzelne Mensch, der sie benutzt, meist gar nicht kennt, und die sich dennoch vollkommen zweckentsprechend bethätigen. Die grossen und mannigfaltigen Schwierigkeiten einer solchen Annahme haben aber schon früh Versuche veranlasst, eine Erklärung dieser unzweifelhaften Thatsachen ausfindig zu machen, für welche nur aufweisbare und anderweit bekannte Begriffe und Erfahrungen Verwendung finden. Bei weitem der erfolgreichste Gedanke in dieser Hinsicht ist der yon der selbstthätigen Auslese des Angemessenen durch natürliches V e r s c h w i n d e n d e s U n a n g e m e s s e n e n oder Unz w e c k m ä s s i g e n gewesen. Bei einer Temperatur über 0 ° kann das Wasser dauernd nur im flüssigen Zustande bestehen, und wenn auf irgend welche Weise sich Eis gebildet hat, s o kann es sich doch nicht erhalten, weil es Wärme aufnimmt und dabei in Wasser übergeht. Ebenso wird man sagen müssen, d a s s von zwei organischen Gebilden dasjenige eine gesichertere Existenz haben wird, dessen Bestand durch die Beschaffenheit der Umgebung weniger beeinträchtigt oder mehr gefördert wird, so d a s s durch eine natürliche Auslese die zweckmässigeren, d. h. für den dauernden Bestand geeigneteren Gebilde um s o ausschliesslicher übrig bleiben werden, je länger die äusseren Einflüsse in gleicher Weise haben thätig sein können. Die bereits im Alterthume gelegentlich geäusserten Bruchstücke derartiger Ueberlegungen sind dann um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts durch CHARLES DARWIN zusammengef a s s t und ergänzt worden. DARWIN hat mit der Einsicht, d a s s d a s zweckmässigste Gebilde die weniger zweckmässigen nothwendig zeitlich überleben wird, die andere Betrachtung verbunden, d a s s erfahrungsmässig besondere Eigenschaften der Eltern auf die
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Kinder übergehen. Dadurch ist neben der Auslese der zweckmässigsten Individuen auch ein Weg gewiesen, wie die zweckmässigsten Eigenschaften in dem Geschlecht oder der Gattung heimisch werden. Das Zusammenwirken dieser beiden Factoren bringt dann schliesslich eine fortdauernde Vervollkommnung der Gattung beim Constantbleiben der äusseren Verhältnisse, wie auch ihre Anpassungsfähigkeit an neue Verhältnisse bei Veränderungen derselben zu Wege. Durch diese Ueberlegungen ist in der That eine intellektuell sehr befriedigende Einsicht in die Existenzverhältnisse der Lebewesen gewonnen. Wir brauchen nicht mehr zu fragen: warum sind die Organismen so verwickelt eingerichtet, um ihr Leben erhalten zu können; warum hat die „Natur" nicht lieber darauf überhaupt verzichtet, derartige verwickelte und schwierig zu erhaltende Gebilde zu schaffen? Die Antwort ist, dass hierzu gar keine Wahl oder Entschluss nöthig war. Ebenso wie beim Auswaschen des Goldsandes durch strömendes Wasser das Wasser die Goldkörner nicht zurücklässt, weil sie kostbar oder nützlich oder schön sind, sondern nur, weil sie wegen ihrer grösseren Dichte schneller zu Boden sinken, als der leichtere Quarzsand, bildet sich die zweckmässige Beschaffenheit der Organismen nicht aus, weil die „Natur" mit ihnen besondere Zwecke der Schönheit, der Belebung, der Energieausnutzung verfolgt, sondern d i e v e r m ö g e i h r e r g e r a d e v o r h a n d e n e n Beschaffenheit dauerhafteren Gebilde bleiben zurück, weil e b e n d i e a n d e r e n , n i c h t d a u e r h a f t e n d u r c h den S t r o m d e r Zeit s c h n e l l e r f o r t g e s c h w e m m t w e r d e n . Wir kommen auf den überaus trivial klingenden Satz: von den Formen der Organismen dauern die am längsten, welche am dauerhaftesten sind. . Hierbei ist die Dauerhaftigkeit allerdings nicht individuell gemeint, sondern bezieht sich vermöge der Vererbung auf die Gattung. Man soll sich durch die Einfachheit dieses Gedankens nicht zu der Vorstellung verführen lassen, als sei nicht viel an ihm. Dass durch einen solchen einfachen Gedanken das anscheinend so überaus verwickelte Zweckmässigkeitsproblem der Organismen wenigstens grundsätzlich den Charakter eines
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ERHALTUNGSGESETZ
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Räthsels verliert und den einer wissenschaftlichen Aufgabe annimmt, deren stufenweise Lösung im Bereiche menschlicher Forschung liegt, ist ein Gewinn, der gar nicht hoch genug geschätzt werden kann. Denn die Aufgabe der Voraussicht unserer Zukunft, die wir als das allgemeinste Mittel zur Sicherung unseres eigenen Lebens und des Lebens unserer Gattung kennen gelernt haben, kann nur durch die stufenweise Ueberführung der „Welträthsel" in die Gestalt bestimmter wissenschaftlicher Probleme ausgeführt werden, und wenn auch wahrscheinlich die bisher angestellten Entwicklungs- und Anpassungsbetrachtungen im Sinne der DARWlN'schen Lehre noch unvollständig genug und erhebliche Factoren nicht in Rechnung gezogen sein mögen, so hat doch die Erfahrung längst keinen Zweifel mehr über die wissenschaftliche Fruchtbarkeit dieser Gedanken auch in ihrer gegenwärtigen Form gelassen. Die Entwicklung der DARWlN'schen Ideen ist ein auffallendes Beispiel dafür, dass die gedankliche Bewältigung der Erfahrungswelt keineswegs den W e g vom Einfachen zum Zusammengesetzten geht, den man so gern als den „natürlichen" darstellt, sondern gerade den umgekehrten: auf das Einfachste kommt man immer erst zuletzt. Die gleiche Erscheinung zeigt sich beispielsweise bei der Entwicklung der Astronomie, w o dem einfachen System von COPPERNICUS und KEPLER die überaus verwickelten Epicyklensysteme der griechischen Astronomen vorausgegangen waren; sie zeigt sich noch jetzt in der Physik und Chemie, w o die ausserordentliche Vereinfachung der gesammten Auffassung durch die Energielehre sich noch durchaus nicht überall Bahn gebrochen und die verwickelten und unbefriedigenden mechanistischen Hypothesen verdrängt hat, und sie zeigt sich ähnlich in den verschiedensten Gebieten der Wissenschaft. Die Ursache ist leicht zu erkennen. Das Erste, was wir erfahren, sind die e i n z e l n e n Erlebnisse, und die einfachen, zusammenfassenden Gedanken werden erst durch eine weitgehende, ausgedehnte Einzelkenntnisse erfordernde Begriffsbildung gewonnen. Um eine begriffliche Zusammenfassung zu erzielen, müssen die Einzelerscheinungen vorher in einem genügenden Umfange bekannt sein, und deren Gesammt-
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heit ist nothwendig viel verwickelter, als der schliesslich daraus entwickelte Begriff. Hierzu kommt die allgemeine Neigung unseres Geistes, die Begriffsbildung neuen Erscheinungen gegenüber in möglichst nahem Anschlüsse an vorhandene Bildungen auszuführen. Eine solche Neigung wird ja durch das Verfahren der Begriffsbildung selbst hervorgerufen. Hierdurch werden wir verführt, geläufige Begriffe auch dort anzuwenden, wo sie nicht ganz angemessen sind, und dabei Factoren zu übersehen, welche in jenen geläufigen Betrachtungen nicht enthalten sind. So ist uns aus unserer täglichen Thätigkeit die Vorstellung von der Nothwendigkeit, zweckmässige Dinge herzustellen, die wir nicht fertig vorfinden, so geläufig, dass der erste Gedanke beim Antreffen einer von uns unabhängigen Zweckmässigkeit naturgemäss der ist, dass diese Dinge von einem Anderen für seine Zwecke angefertigt worden sind. Erst wenn wir einerseits diesen Anderen nicht ermitteln können, andererseits den ganzen Inhalt der beobachteten Zweckmässigkeit auf die Verlängerung der Existenzdauer jener Gebilde, nicht aber auf andere, ausserhalb der Gebilde liegende Zwecke gerichtet sehen, empfinden wir die Unangemessenheit jener ersten Begriffsbildung und sehen uns nach einer anderen um. Die hier in aller Kürze geschilderten Gedankenbildungen nehmen geschichtlich einen ungemein breiten Raum ein, da sie mit anderen, insbesondere ethischen und religiösen Angelegenheiten verknüpft und von ihnen für untrennbar angesehen worden sind. Dabei hat die Erörterung der Frage, ob sie durch andere zu ersetzen sind, einen Inhalt erlangt, der ihr ursprünglich nicht zukommt, und ist mit einer Erbitterung geführt worden, welche, obwohl aus jenen religiösen Quellen stammend, ohne Unterscheidung auf die wissenschaftliche Frage ausgedehnt wurde. Auf der Seite der Naturforscher, die für uns zunächst in Betracht kommt, ist mit der Ablehnung jenes p e r s ö n l i c h e n Zweckmässigkeitsbegriffes auch das Wort Zweckmässigkeit selbst stark verdächtig geworden, und die Bezeichnungen t e l e o l o g i s c h und u n w i s s e n s c h a f t l i c h haben lange Zeit als synonym gegolten. Wir entnehmen den angestellten Betrachtungen, dass wir durchaus das Recht haben, von Zweck-
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mässigkeit und Unzweckmässigkeit zu sprechen. Doch haben diese Worte für uns den bestimmten Sinn, d a s s s i e s i c h n u r auf die zeitliche Dauer der G e b i l d e beziehen. Zweckm ä s s i g i s t a l l e s , w a s die D a u e r v e r g r ö s s e r t , u n z w e c k m ä s s i g , w a s s i e v e r k l e i n e r t . Da ein und dasselbe Ding verschiedenen Gebilden grösseren und kleineren Umfanges angehören kann, so kann eine bestimmte Eigenschaft oder ein bestimmter Vorgang im Sinne des einen Zusammenhanges unzweckmässig, im Sinne des anderen zweckmässig sein. Das Absterben der Zellen eines Geschwürs ist vom Standpunkte des Geschwürs aus unzweckmässig, weil es dessen Dauer vermindert, vom Standpunkte des Gesammtorganismus dagegen zweckmässig, weil die kürzere Dauer des Geschwürs eine längere Dauer des Organismus sichert. An den Begriff der Zweckmässigkeit eines Organismus im Sinne einer möglichst grossen Zeitdauer schliessen sich entsprechende Begriffe für die r ä u m l i c h e Ausdehnung und den Besitz eines möglichst grossen E n e r g i e k a p i t a l s . Man kann diese beiden letzten Factoren als Hilfsmittel für den ersten Zweck ansehen, insofern reichliche Ausstattung in ihrem Sinne auch eine grössere zeitliche Dauer sichert. Doch ist in vielen Fällen die Beurtheilung der Zweckmässigkeit leichter in Bezug auf Raum und Energie durchzuführen, als auf Zeit, nämlich immer dort, wo es sich um Gebilde handelt, die im Verhältniss zum Menschen als langlebig anzusehen sind. Die Eroberung des R a u m e s durch einen bestimmten Organismus geht immer in der Gestalt vor sich, dass sich die Zahl der Einzelwesen entsprechend vermehrt, da die Grösse der letzteren nur in sehr engen Grenzen zu schwanken pflegt. Die Frage, warum ein bestimmtes Lebewesen nicht ins Unbegrenzte wachsen kann, wenn es reichlich Nahrung findet, sondern sich höchstens durch die Bildung von Nachkommen vermehrt, beantwortet sich dahin, dass die für die Erhaltung des stationären Zustandes wesentlichen Eigenschaften sich nicht proportional der Grösse ändern, sondern meist in anderen Verhältnissen. So nimmt das Gewicht eines Balkens proportional der dritten Potenz seiner Länge zu, wenn man die anderen OSTWALD, N a t u r p h i l u s o p l i i e .
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Abmessungen in gleichem Verhältniss vermehrt. Seine Bruchfestigkeit nimmt aber nur im Quadrat seiner Abmessungen zu Während also ein kleiner Stab von einigen Centimeter Länge das. Vielfache seines eigenen Gewichtes tragen kann, wenn er an seinen Enden unterstützt ist und in der Mitte hohl liegt, so bricht ein proportional vergrösserter Balken aus gleichem Material bei gleicher Lagerung unter seinem eigenen Gewichte schliesslich durch. An diese Ueberlegungen, welche schon von GALILEI angestellt worden sind, um eine Erklärung für die zunehmende Plumpheit in der Gestalt der grossen Landthiere zu geben, schliessen sich noch andere auf anderen Gebieten. Vergrössert man einen Wiederkäuer auf das Doppelte seiner Höhe, Länge und Breite, so ist ein achtmal so grosser Körper zu ernähren. Mund- und Darmquerschnitt haben aber nur um das Vierfache zugenommen, und das Thier muss entweder doppelt so schnell fressen, wie bisher, oder es muss hungern. Ebenso ist die Oberfläche des Darmes nur die vierfache, also die Ausnutzung der Nahrung verhältnissmässig viel schlechter, kurz das Thier fällt aus seinem beweglichen Gleichgewicht heraus und stellt nicht mehr ein stationäres Gebilde dar. Die stete Herstellung einer annähernd gleichen Grösse der Einzelwesen einer Art ist also eine Folge der nothwendigen gegenseitigen Abgleichungen der Functionen des Organismus, und sie kann nur verändert werden, wenn man diese Funktion selbst verändert. Dass dies durch passende Gestaltung der Nahrung und Lebensweise ganz wohl möglich ist, beweisen uns täglich die Ergebnisse der Züchter, durch welche die Massen der Einzelwesen bei Rindern und Pferden, noch mehr aber bei Früchten und Blumen auf den vielfachen Betrag der Stammform gebracht werden. Beim „Verwildern" solcher veredelter Rassen, d. h. bei der Herstellung der früheren Lebensbedingungen, stellt sich auch die frühere Grösse meist wieder nach einiger Zeit her. Durch diese Ueberlegungen wird auch die E n e r g i e f r a g e getroffen. Die Menge Energie, die ein Lebewesen aufspeichert, ist bei der wesentlich unveränderlichen Beschaffenheit der
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chemischen Verbindungen, in denen diese Aufspeicherung erfolgt, der Masse des Organismus einfach proportional, und somit machen sich alle Widerstände gegen die Aenderung der Grösse auch als Widerstände gegen die Vermehrung des individuellen Energiekapitals geltend. Dass auch in dieser Beziehung durch systematische Regelung der Existenzbedingungen Aenderungen bewirkt werden können, kommt in den Ergebnissen der Mästung der Schlachtthiere und der auf Arbeitsleistung gerichteten Züchtung der Lastthiere zur Geltung. Doch sind auch hier die Grenzen eng, und das bei weitem ausgiebigere Mittel liegt in der Vermehrung der Zahl der Einzelwesen. So ergiebt sich auch an dieser Stelle, in welch unwiderstehlicher Weise die Betrachtung der Lebensverhältnisse aller Organismen dahin drängt, den Umfang der Einzelexistenz auf den der Gattung oder des Geschlechtes zu erweitern. Diese Erweiterung kommt nicht nur für die äusseren physischen Verhältnisse in Frage, sondern bestimmt auch das geistige Leben bis in seine höchsten Spitzen hinauf. Durch die rationelle Auffassung der Zweckmässigkeit, wie wir sie in den vorangehenden Betrachtungen gewonnen haben, sind wir nun in unseren weiteren Erörterungen unmittelbar berechtigt, bei allen wesentlichen Eigenthümlichkeiten der Lebewesen nach der Zweckmässigkeit dieser Einrichtungen zu fragen, denn nur das Zweckmässige kann sich erhalten. Eine besondere Erklärung erfordern umgekehrt nur solche Dinge, deren Zweck wir nicht einsehen können, d. h. von denen wir nicht nachweisen können, wie sie zur Verlängerung der Existenzdauer des Gebildes beitragen, und die Erklärung wird gefunden, indem man erkennt, dass die Erreichung anderer Zwecke nicht ohne Betheiligung der fraglichen Erscheinung möglich war. Nachdem so die f i n a l e Seite der Angelegenheit erledigt ist, tritt dann eine weitere Frage auf, nämlich die c a u s a l e . Nachdem wir eingesehen haben, dass das, was der Organismus hat oder thut, zweckmässig ist oder seine Dauer verlängert, ist noch die Frage zu beantworten, welches die M i t t e l sind, durch welche diese Zwecke erreicht werden. An dieser Stelle wird uns nur zu oft die Unzulänglichkeit unserer bisherigen Kenntnisse entgegen22*
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treten, und hier ist es, wo die pessimistischen Anschauungen der Neovitalisten einsetzen. Betrachten wir zunächst einen einfachsten Organismus, etwa ein Bakterium, das in einer Nährflüssigkeit lebt. Die Existenz dieses Lebewesens beruht darauf, dass sowohl die Temperatur, die für die Entfaltung einer geeigneten Reactionsgeschwindigkeit angemessen ist, wie die chemische Energie, die zur Erhaltung des stationären Zustandes erforderlich ist, sich in der Umgebung vorfinden. Die Nährflüssigkeit ist eben durch die Anwesenheit oxydirbarer oder sonst durch Umwandlung chemische Energie ausgebender Stoffe als solche gekennzeichnet; fehlen diese Umstände und Stoffe, so kann sich der Organismus nicht entwickeln. In dem Körper des Bakteriums finden sich die Enzyme, durch deren Anwesenheit die erforderlichen chemischen Vorgänge passend beschleunigt werden. Hierdurch wird der Nährstoff verbraucht, d. h. in andere Stoffe verwandelt, und damit ist bereits die Ursache gegeben, dass durch Diffusion sich die verschwundenen Stoffe aus der Nährlösung ersetzen, denn durch Diffusion geht jeder Stoff dorthin, wo er nicht oder in geringerer Menge vorhanden ist. Damit ist also grundsätzlich nicht nur die Erhaltung, sondern meist auch das Wachsthum gesichert Nun geht das Wachsthum nicht unbegrenzt vor sich, sondern nach einiger Zeit tritt meist eine Theilung des einzelligen Organismus in zwei Zellen ein, die je nach Umständen sich trennen oder mehr oder weniger locker verbunden bleiben. Die Zweckmässigkeit eines solchen Vorganges lässt sich leicht begreifen, denn da die Zufuhr der Nährstoffe durch die O b e r f l ä c h e des Körpers stattfindet, so kann die aufgenommene Stoffmenge nur mit dem Quadrat der linearen Abmessungen wachsen, während die Körpermasse mit deren dritter Potenz zunimmt; es muss also eine Grenze geben, die der Körper nicht überschreiten kann, ohne seine Ernährung und damit seine Existenz zu gefährden (S. 338). Dieser Wechsel von Wachsthum und Theilung dauert so lange fort, als die Nährflüssigkeit die erforderliche chemische
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Energie liefert. Wird aber diese durch Verbrauch knapper und knapper, so sehen wir den Organismus eine andere Aenderung erleiden. Er wandelt sich in eine sogenannte Dauerform um, d. h. in ein Gebilde, das nur äusserst geringen Stoffwechsel erfährt, und das durch Umgebung mit einer widerstandsfähigen Rinde im Stande ist, sehr mannigfaltige äussere Schicksale zu ertragen, ohne zu Grunde gerichtet zu werden. Dass ein solches Verhalten zweckmässig ist, wird alsbald ersichtlich, denn es werden gerade durch die Zertheilung und Vermehrung die vorhandenen chemischen Vorräthe, die ja niemals unbegrenzt sein können, um so schneller verzehrt, und der Organismus müsste mit seinem ganzen Geschlecht aussterben, wenn nicht Einrichtungen vorhanden wären, durch welche seine Dauer auch über die nahrungslosen Zwischenzeiten gesichert wäre. Die Keime oder Sporen, welche auf solche Weise entstanden sind, fristen ihr langsam verlaufendes Leben auf Kosten der chemischen Energie ihrer Masse, mit der sie allerdings unerhört sparsam umzugehen wissen. Diese Eigenschaft ist allgemein entwickelt, da die sparsamsten die dauerhaftesten und daher die am meisten für die Zukunft gesicherten sind. Kommen diese Keime wieder in eine geeignete Nährlösung, so entwickeln sie sich wieder zu Organismen der früheren Art, und die ganze Reihe der Vorgänge beginnt von neuem. Für diese Entwicklung scheinen Wasser und Wärme zu genügen, da durch sie die chemischen Reactionen so beschleunigt werden, dass das Wachsthum eintritt. Finden sich im Wasser nicht Nahrungsmittel vor, so geht der junge Organismus zu Grunde. Von den vielen, die sich auf solche Weise entwickeln, werden aber einige auch Nahrungsmittel vorfinden, und durch diese werden neue Geschlechter erzeugt und wird die Dauer der Art gesichert. Nach dieser Darstellung der finalen oder Zweckseite dieser Vorgänge haben wir nach der c a u s a l e n , oder nach den physikalischen und chemischen Mitteln zu fragen, durch welche sie zu Stande kommen. Hier müssen wir zunächst eingestehen, dass vermöge der grossen Verwickelung der Vorgänge und der grossen Schwierigkeiten einer genaueren Kenntniss der Stoffe,
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aus denen sich der Körper der Lebewesen vorwiegend aufbaut (der sogenannten Eiweissstoffe), von einer Erklärung Stufe für Stufe noch lange nicht die Rede sein kann. Es scheint sogar, als sei die Möglichkeit einer physikochemischen Erklärung so mannigfaltiger und doch so regelmässig verlaufender Vorgänge ganz ausgeschlossen. Dies gilt beispielsweise für das merkwürdige Gesetz, dass durch alle diese Metamorphosen hindurch die Art des Lebewesens sich wesentlich erhält, so dass aus den Sporen immer wieder dasselbe Bakterium entsteht, aus dem sich seinerzeit die Sporen gebildet hatten. So ganz hoffnungslos ist indessen die Sache keineswegs. Zwar bringen die gewöhnlichen rohen Vergleiche der „Formung" dieser Gebilde nach einem Modell, nenne man dieses auch etwa die „Idee" dieses Organismus, uns nicht weiter. Wohl aber haben wir in gewissen anorganischen Erscheinungen, die bei der Bildung fester Stoffe, insbesondere der Krystalle auftreten, doch sehr weitgehende Aehnlichkeiten mit diesen Lebenserscheinungen, und wenn uns die Kenntniss dieser Vorgänge auch keine unmittelbare Auskunft darüber giebt, w i e das Lebewesen seine Zwecke erreicht, so beruhigt sie uns doch darüber, d a s s solche Ergebnisse auf rein physikochemischem Wege erreichbar sind. In solchem Sinne betrachten wir einige von diesen Vorgängen etwas näher. Läss.t man eine Flüssigkeit unter ihren Erstarrungspunkt, oder eine Lösung eines festen Stoffes unter den Sättigungspunkt erkalten, so scheidet sich bei der Temperatur, bei welcher die feste Form (man nennt sie die feste Phase) beständig wird, diese keineswegs mit Nothwendigkeit aus; vielmehr bleibt sie flüssig und kann, wenn die Ueberschreitung nicht gross ist, beliebig lange in solchem Zustande aufbewahrt werden. Man nennt sie dann übersättigt. Bringt man einen Krystall der festen Phase in diese übersättigte Flüssigkeit, so wächst der Krystall auf Kosten des flüssigen Antheils so lange, bis durch Aenderung der Temperatur oder der Concentration das Gleichgewicht erreicht ist. Energetisch liegt die Sache so, dass das aus dem Krystall in Berührung mit übersättigter Flüssigkeit bestehende Gebilde nicht im Gleich-
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gewicht ist, obwohl beide für sich im Gleichgewicht waren. Es besteht ausser dem Gleichgewicht der beiden getrennten Theile noch ein anderes, das sich erst bei ihrer gegenseitigen Berührung herstellen kann; lässt man daher diese eintreten, so kann das frühere Gleichgewicht nicht ferner bestehen, und es geschieht eine Reaction, die in dem Wachsen des Krystalls zum Ausdruck kommt. Daher nennt man die überkaltete oder übersättigte Flüssigkeit m e t a s t a b i l , weil sie zwar für sich stabil ist, nicht aber in Berührung mit einem Krystall ihrer Art. Wollen Sie sich ein anschauliches Bild von der Möglichkeit eines solchen Verhältnisses machen, so brauchen Sie nur an die S. 301 gegebenen Erörterungen über Auslösung und Aehnliches zu denken. Ein mechanisches Bild wäre etwa eine Kugel, die in einem kleinen flachen Becken liegt, das seinerseits hoch aufgestellt ist. In dem Becken ist die Kugel im Gleichgewicht, denn bei kleinen Verschiebungen kehrt sie immer wieder in die Anfangslage zurück. Sowie aber die Verschiebung ein gewisses Maass überschreitet, wenn nämlich die Kugel über den Rand des Beckens geführt wird, so ist kein Gleichgewicht mehr vorhanden, die Kugel kehrt nicht mehr zurück, sondern fällt zu Boden. So müssen wir auch einen Organismus, etwa ein Bakterium in seiner Nährflüssigkeit, auffassen. Der Uebergang vorhandener Stoffe aus der Lösung in den Leib des Organismus ist mit Verminderung der freien Energie verbunden und findet daher statt. Ebenso, wie aus einer Lösung, die den festen Körper nicht als solchen, sondern nur seinen Bestandtheilen nach enthält, sich dennoch dieser ausscheiden kann, indem er sich beim Festwerden aus seinen Bestandtheilen bildet, so wandeln sich im allgemeinen die in der Nährflüssigkeit vorhandenen Stoffe unter Energieverlust im Leibe des Organismus in andere Formen um, deren Entstehung durch ähnliche Ursachen veranlasst gedacht werden kann, wie das Wachsthum eines Krystalls in seiner Nährflüssigkeit. Nun hat das Bakterium ferner die besondere Eigenschaft, dass es sich vermehrt, und dass es, falls die Nährflüssigkeit erschöpft zu werden anfängt, eine andere Form annimmt, in
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welcher der Energiewechsel auf ein Minimum beschränkt ist, und in welcher es verbleibt, bis es wieder in reichliche Nährflüssigkeit gelangt. Auch hierfür sind anorganische Analogieen vorhanden. Haben wir eine Lösung von Glaubersalz, so können wir zunächst die vorher beschriebenen Uebersättigungs- und Wachsthumserscheinungen mit einem festen Krystalle des Salzes ausführen. Auch etwas der Theilung der Zellen Aehnliches tritt ein, indem bei fortdauernder Wirkung der Nährlösung, etwa durch Verdunsten des Wassers und dadurch immer wieder eintretende Uebersättigung, nicht nur der hineingebrachte Krystall weiterwächst, sondern an sich noch zahlreiche andere, jüngere Krystalle entstehen lässt, sodass schliesslich eine Anzahl annähernd gleich grosser Krystalle übereinstimmender Gestalt, entsprechend der einfachen Vermehrung der Zellen in der Nährfliissigkeit, vorhanden sind. Ist nun die Lösung ganz verdampft, so beginnt in trockener Luft schliesslich die Verwitterung der entstandenen Krystalle. Sie verlieren das Wasser, das sie enthalten, verlieren aber nicht gleichzeitig die Keimfähigkeit. Vielmehr ruft auch das Pulver des verwitterten Salzes in einer übersättigten Lösung von Glaubersalz wieder die Entstehung neuer wasserhaltiger Glaubersalzkrystalle hervor. Es bildet also auch das Glaubersalz anscheinend eine „Dauerform", die den neuen Bedingungen der Existenz in trockener Luft angepasst ist und der Vernichtung besser widersteht, als das krystallisirte wasserhaltige Salz. Unbedingt beständig ist diese Dauerform ebenso wenig, wie die Sporen der Bakterien es sind; vielmehr verliert durch Erhitzen das Pulver seine Fähigkeit, neue Glaubersalzkrystalle in der übersättigten Lösung zu erzeugen. Nun kann man sich die hier geschilderten Ereignisse ganz wohl in der Natur ohne menschliches Zuthun verlaufend denken. Es giebt z. B. in Südrussland zahlreiche Seen, die aus concentrirten Lösungen von Glaubersalz gebildet sind und die durch die Verdunstung Krystalle absetzen. In der Sommerwärme trocknen sie aus, und die Krystalle verwittern. Kommt dann im Herbst wieder Wasser hinzu, so sind die Bedingungen
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für die Entstehung neuer wasserhaltiger Krystalle noch immer vorhanden, denn wenn auch die vorhandenen durch Verwitterung wasserfrei geworden waren, so hat sich in ihnen doch eine Dauerform erhalten, welche alsbald wieder wasserhaltige Krystalle entstehen lässt, sobald die entsprechende „Nährflüssigkeit", d. h. Wasser, dazutritt. Und so kann durch den Wechsel der Jahreszeiten auch ein regelmässiger Generationswechsel der Krystalle zu Stande kommen. Dies Beispiel habe ich nicht erzählt, um in Ihnen die Meinung hervorzurufen, dass es bei den Bakterien gerade so gehe. Es kam mir nur darauf an, Ihnen zu zeigen, dass auch in der anorganischen Welt Vorgänge möglich sind, welche eine typische Aehnlichkeit mit dem zweckmässigen Verhalten der Organismen zeigen. Solche Beispiele leisten wenigstens so viel, dass sie die Möglichkeit der Entstehung zweckmässiger Lebewesen nicht als unendlich fern erscheinen lassen. Auf gleichem Gebiete treten uns noch zahlreiche andere Analogieen entgegen, die für den gleichen Zweck dienen können. Wir betrachten unter diesen zunächst die Thatsache der Entstehung aus Gleichem oder der Erhaltung der Art. Wenn man in eine metastabile Flüssigkeit von solcher Zusammensetzung, dass aus ihr verschiedene feste Formen entstehen können, kleine Krystalle oder Keime einer einzigen dieser Formen einsät, so wachsen auch nur die entsprechenden Krystalle, und die Flüssigkeit bleibt gegebenen Falles für die anderen Formen übersättigt. Dies entspricht dem Umstände, dass in einer gegebenen Nährflüssigkeit sich sehr verschiedene Organismen entwickeln können, und dass sich immer nur solche entwickeln, deren Sporen oder vegetative Formen in die Nährflüssigkeit gebracht werden. Bei den Organismen ist es bekanntlich bisher nicht möglich gewesen, sie aus organischen Stoffen herzustellen; sie bilden sich vielmehr nicht ohne Keime gleicher Art. Auch die Entstehung von Krystallen aus metastabilen Lösungen ist dem gleichen Gesetz unterworfen; eine Lösung von Glaubersalz, die nur wenig übersättigt ist, bleibt unbegrenzt lange Zeit flüssig, wenn der Zutritt fertiger Glaubersalzkeime ausgeschlossen ist
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(z. B. in zugeschmolzenen Gefässen), und es ist, wenn man gewisse Grenzen der Temperatur und Concentration einhält, ebenso unmöglich, Glaubersalzkrystalle freiwillig entstehen zu lassen, wie es unmöglich ist, ein Bakterium oder einen Schimmelpilz freiwillig entstehen zu lassen. Nur besteht beim Glaubersalz der Unterschied, dass wenn man die Uebersättigung immer weiter treibt, oder die Temperatur immer mehr erniedrigt, schliesslich ein Zustand eintritt, in welchem die spontane oder freiwillige Bildung von Krystallen auch o h n e Keim stattfindet. Man könnte also sagen, dass die Unmöglichkeit der Organismen, welche das bisherige Ergebniss der Versuche ist, nur auf der Unkenntniss der Bedingungen beruht, unter denen die „metastabile Grenze" der Nährlösung in Bezug auf organisches Leben überschritten wird. Auch in diesem Falle verwahre ich mich gegen die Annahme, als sollten die beiden ähnlichen Vorgänge identisch gesetzt werden. Es handelt sich wieder darum, aus der formalen Uebereinstimmung die Möglichkeit entsprechender Vorgänge im organischen Reich darzulegen und den Einwand zu beseitigen, als lägen solche Erscheinungen überhaupt ausserhalb der physikochemischen Welt. Wenn sich auf solche Weise zwar nur Veranschaulichungen für die Verrichtungen der a l l e r e i n f a c h s t e n Lebewesen finden lassen, so bestehen doch andererseits zwischen diesen und den höheren und verwickeiteren Gebilden so zahlreiche Zwischenstufen, dass von einem Sprung oder einer unausfüllbaren Lücke nirgend ernsthaft die Rede sein kann. Es liegt also eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass auch die verwickeiteren Lebenserscheinungen ihre physikochemische Erklärung finden lassen. Dies gilt in erster Linie für die so überaus mannigfaltigen ä u s s e r e n G e s t a l t e n der Lebewesen. Durch die Entwicklung aus anscheinend ganz ungestalteten Keimen entstehen die allergetreuesten Wiederholungen der Bildungen des elterlichen Leibes, und die Biologie kann zur Erklärung dieser Thatsache eine grosse Sammlung mehr oder weniger glücklicher Theorieen aufweisen. Auch hier finden wir ähnliche Verhältnisse bei den Krystallen, wo eine Lebensthätigkeit ausgeschlossen ist. Bei-
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spielsweise besitzt der im regulären System krystallisirende Salmiak eine besondere Fähigkeit zur Ausbildung gitterförmiger Gebilde, die durch eine bestimmte Aneinanderreihung der kleinen Krystallindividuen zu Stande kommen. Hier ist nicht einmal eine elterliche Uebertragung nöthig, durch welche irgend eine bestimmte Form in die Krystalle gelangt, denn wenn man die Verbindung auch wieder vollständig auflöst oder gar aus ihren Elementen Stickstoff, Wasserstoff und Chlor synthetisch aufbaut, so findet sich an dem entstandenen Product beim Krystallisiren alsbald dieselbe Formeigenthümlichkeit, welche den Salmiak unter Hunderten ähnlicher Stoffe auf einen Blick (unter dem Mikroskop) erkennen lässt. Und weiter haben wir experimentelle Hilfsmittel, durch Aenderung der äusseren Bedingungen diese Form zu ändern: sowie wir die Chlorverbindung eines Schwermetalls, wie Eisen oder Kobalt, in geringer Menge hinzufügen, geht das zierliche Gitter in weit plumpere Formen über. Also sehen wir, wie an einem ganz einfach zusammengesetzten Material sehr „persönliche" Formeigenschaften vorhanden sind, die ausschliesslich von der chemischen Zusammensetzung abhängen, und die durch die Anwesenheit anderer chemischer Verbindungen auf das Erheblichste beeinflusst werden können. Darum werden wir es auch als ganz möglich ansehen, d a s s bestimmte chemische Verbindungen, vielleicht auch Combinationen solcher, die in einem Lebewesen vorhanden sind, und die sich durch seine Enzyme aus der Nährflüssigkeit stets neu bilden können, bestimmte Formbildungen verursachen, wenn wir auch hier zur Zeit ebenso wenig wie beim Salmiak im Einzelnen sagen können, welcher nähere Zusammenhang zwischen Stoff und Form besteht.
SIEBZEHNTE
VORLESUNG
R E I Z B A R K E I T UND G E D Ä C H T N I S S * 1 " v i e Betrachtungen der letzten Vorlesung sind nicht angestellt, um die eingehende Forschung zu e r s e t z e n , sondern um ihr M u t h zu m a c h e n . So wird der Bergsteiger mit ganz anderer Sicherheit die Ueberwindung anscheinend unübersteigbarer Schwierigkeiten versuchen, wenn er an irgend einem Zeichen erkennt, dass sein Weg schon von einem Anderen begangen worden ist. Und mit solchem erhöhten Muthe können wir denn auch an die weiteren Probleme des Lebens herantreten. Unter diesen ist eines der wichtigsten die R e i z b a r k e i t der Lebewesen, d. h. ihre Eigenschaft, auf eintretende Beeinflussungen zu reagiren. Auch diese Eigenschaft hat man als eine specifisch organische angesehen, während sie bei eingehender Analyse als ein verwickelter Fall allgemeiner Verhältnisse erscheint. Reizbar im allgemeinsten Sinne ist jedes natürliche Gebilde, denn in jedem werden die Energieverhältnisse geändert, wenn man es in irgend einem Sinne beeinflusst, d. h. ihm Energie zuführt oder entzieht, und insofern reagiert Alles auf eine äussere Beeinflussung. Hierbei macht sich aber ein Unterschied geltend, da manche Gebilde nach eingetretener Beeinflussung ihren neuen Zustand behalten, während andere den früheren selbstthätig wieder herstellen. Die beiden Fälle treten uns in einem unelastischen und einem elastischen Drahte, etwa einem aus Blei und einem aus Stahl entgegen. Beide reagiren auf entstaltende Beeinflussungen, der Bleidraht behält aber seine neue Gestalt, während der Stahldraht seine frühere annimmt, wenn man ihn frei lässt
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Energetisch besteht dieser Unterschied darin, dass die vom Bleidraht aufgenommene Arbeit in Wärme übergegangen ist, die sich zerstreut und nicht mehr zur Herstellung der alten Form benutzt werden kann, während der Stahldraht die Arbeit in Formenergie umgewandelt hat, die er unter Annahme seiner früheren Gestalt wieder ausgeben kann. Die Reaction der Organismen ist nun meist vom zweiten Typus. Welches auch die unmittelbare Wirkung irgend einer Beeinflussung sein mag: schliesslich treten Vorgänge ein, die ihn wieder in seinen früheren Zustand zurückbringen oder wenigstens eine Annäherung dahin bewirken. Ob dies vollständig oder unvollständig gelingt, ist von dem Betrage des Einflusses und von der Reactionsfähigkeit des Wesens abhängig. Doch reagirt der Organismus im allgemeinen nicht wie der Stahldraht, indem er einfach die aufgenommene Energie in eine unwandelbare Form bringt und diese wieder zur Herstellung des früheren Zustandes benutzt. Vielmehr kommt hier die s t a t i o n ä r e Beschaffenheit seines Zustandes in Frage, und er wirkt daher derart, dass der Strom des Geschehens die veränderten Theile oder Zustände wieder fortspült, sodass der dem .regelmässigen, d. h. sich selbst erhaltenden Verlaufe entsprechende Zustand wieder hergestellt wird. Will man ein anschauliches Bild, so denke man an die Flamme einer Kerze, die durch Zugwind, fremde Körper oder dergleichen zwar vorübergehend entstellt werden kann, sich aber sofort in ihrer gewöhnlichen Form wieder aufbaut, sowie diese störenden Ursachen sich entfernen. Ja, besteht die Störung etwa in einem Holzstäbchen, so entfernt die Flamme sie selbstthätig, indem sie das Stäbchen verbrennen lässt. Man wird in diesen Beispielen unschwer Vorbilder für das Verhalten der Organismen erkennen. Wir sehen, wie die Pflanze entgegenstehende Hindernisse erst zu verschieben sucht, und wenn dies nicht geht, sich um sie herumschlingt, wie der Organismus eingedrungene Fremdkörper wenn irgend möglich in lösliche Formen bringt und so entfernt. Dass die Reactionen der Lebewesen dann mit der Stufe ihrer Entwicklung immer zweckmässiger werden, ist so wenig im Widerspruch mit dem,
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was wir bereits wissen, dass wir das Gegentheil für ganz unwahrscheinlich halten müssten. Dass gleichzeitig der Verlauf der Reaction immer verwickelter wird, lässt sich aus der zunehmenden Beeinflussung gegenseitig bedingter Vorgänge im hochentwickelten Organismus voraussehen. Also auch in dieser Beziehung lässt sich der Anfang organischer Bethätigung bei den anorganischen Vorbildern, den stationären Gebilden, nicht verkennen. Dies ist nun auch der Zusammenhang, in welchem uns die Ausbildung der S i n n e s a p p a r a t e verständlich zu werden verspricht. Anatomisch und entwicklungsgeschichtlich nehmen diese in der äusseren Haut ihren Anfang, als deren besondere Umbildungen sie erscheinen. Wie sich zahlreiche und empfindliche Organe für die Aufnahme von Druckreizen an solchen Stellen unserer Körperoberfläche ausbilden, die besonders häufig zum Tasten benutzt werden, oder wo es auf Feinheit der Empfindung zum Zwecke der Lebenserhaltung besonders ankommt, so macht es keine Denkschwierigkeiten, dass auch an der Oberfläche sich Stellen ausbilden, in denen etwa eine zunehmende Empfindlichkeit gegenüber der strahlenden Energie entwickelt wird. Damit ist der Grund zur Ausbildung von A u g e n gelegt. Das gleiche gilt für die anderen Sinnesapparate. Hierbei tritt zu Tage, weshalb zwischen den Sinnesapparaten und den Arten der Energie kein einfacher Parallelismus besteht. Da die ersteren auf Intensitätsunterschiede reagiren, so ist zunächst zu vermuthen, d a s s j e d e r Energieart ein Sinnesapparat entsprechen wird, welcher für die zugehörige Intensität empfindlich ist. Doch trifft dies nur sehr unvollkommen zu. Zwar haben wir Einrichtungen für Druck, d. h. Volumenergie, für strahlende Energie oder Licht und für Wärme. Aber das Ohr reagirt gleichfalls wie der Tastsinn auf mechanische Energie, und für chemische Energie haben wir im Geschmacks- und Geruchssinn zwar zwei, aber beiderseits wenig entwickelte Sinne, während schliesslich solche für elektrische und magnetische Energie uns ganz fehlen. Stellen wir u n s die Frage nach den Ursachen solcher Widersprüche oder Unvollkommenheiten, so liegt die Antwort in der p r a k -
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t i s c h e n Beschaffenheit der Sinnesapparate. Diese entwickeln sich n u r für solche Energieen, auf deren Verhältnisse zu reagiren für den Organismus besonders wichtig ist. So besteht bei den niedrigst organisirten Thieren, die im Wasser lebend auf ihre Nahrung warten, und nichts verstehen, als diese festzuhalten, zu umhüllen und zu assimiliren, wenn sie zufällig mit ihrer Körperoberfläche in Berührung kommt, ein c h e m i s c h e r O b e r f l ä c h e n s i n n , vermöge dessen diese Reactionen eintreten, wenn eine wirklich assimilirbare Nahrung vorliegt, dagegen nicht bei beliebigen Fremdkörpern. Aehnlich werden sich überall nur solche Sinnesapparate ausbilden, welche auf die Anwesenheit von Nahrung, Feinden oder der für die Fortpflanzung wesentlichen Dinge reagiren. Dies geht durch das ganze Reich der Organismen und findet selbst auf die secundaren Sinnesapparate, die Mess- und Beobachtungsinstrumente menschlicher Forschung Anwendung. Denn ohne die ausserordentliche praktische Bedeutung der elektrischen Erscheinungen im heutigen Culturleben hätten beispielsweise auch die elektrischen Messinstrumente bei weitem nicht die Entwicklung gewonnen, welche sie gegenwärtig besitzen. Die Frage, warum wir nicht für alle Energiearten Sinnesapparate haben, ist also übereinstimmend mit der Frage zu beantworten, warum nicht in allen Häusern Mikroskope vorhanden sind: weil der Bedarf darnach noch nicht dringend war. Eine ähnliche Antwort lässt sich auf die Frage nach den Fällen geben, in denen sich für dieselbe Energieart verschiedene Apparate gleichzeitig ausgebildet haben. Tastempfindung und Gehörsempfindung beruhen beide auf mechanischer Bethätigung. Da aber die Tastempfindungen durch Körper ausgelöst werden, welche mit dem Organismus in unmittelbare Berührung kommen, während Gehörsempfindungen durch Schallwellen der Luft ausgelöst werden, die durch Vorgänge in grösserer Entfernung entstehen, so bewirkt die p r a k t i s c h e Verschiedenheit dieser beiden Arten mechanischer Wirkung die Ausbildung entsprechend verschiedener Sinnesapparate. Hierbei kommen wir nun schliesslich auf die überaus merkwürdige Einrichtung der nervösen Apparate bei den Thieren. Während bei den niederen Organismen der Sinnesapparat meist
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in unmittelbarer Beziehung zu den Einrichtungen angebracht ist, welche auf die entsprechenden Eindrücke und Reize reagiren, ist bei den höheren eine mehr und mehr durchgeführte Trennung vorhanden. Zwischen den Aufnahmeapparaten und denen, welche sich in Folge des Reizes aktiv bethätigen, sind fadenförmige Leitungen angebracht, durch welche beide so verbunden werden, dass der Eindruck an der einen Stelle einen Vorgang an der anderen auslöst. Worauf die hier stattfindenden Vorgänge beruhen, ist noch ganz unbekannt. Die lange gehegte Vermuthung, es handele sich um elektrische Vorgänge, ähnlich denen in einem Telegraphendrahte, 1 hat sich nicht aufrecht erhalten lassen, seitdem am Anfange des neunzehnten Jahrhunderts 3. W. RITTER nachgewiesen hat, dass durch Zerschneiden und mechanisches Zusammenfügen eines Nervs zwar die elektrische Leitung ungestört bleibt, die Reizleitung aber vernichtet wird. Zudem hat HELMHOLTZ' Nachweis der verhältnissmässig kleinen Geschwindigkeit der Reizleitung im Nerv die scheinbare Analogie zwischen ihr und der elektrischen vollständig aufgehoben. Es ist zur Zeit nicht nur unbekannt, worin der Vorgang besteht, durch welchen der Reiz mittelst des Nervs geleitet wird, sondern es ist auch die Anzahl der Analogieen hierfür in der Physik und Chemie sehr beschränkt. Sieht man sich nach den anderen Mitteln um, deren sich der Mensch zu ähnlichen Zwecken bedient, so lässt sich die Uebertragung m e c h a n i s c h e r Energie durch Zug, Druck oder Schwingungen alsbald ausschliessen; die anatomische Struktur der Nerven als dünner, von einer halbweichen Masse erfüllter, von mehreren Häuten eingeschlossener Cylinder gestattet nicht, einen Nerv mit einem Klingelzug oder einer Sprechrohrleitung zu vergleichen. 1
Es ist für die Geschichte des menschlichen Geistes von Interesse, dass diese Aehnlichkeit im umgekehrten Sinne die Erfindung des elektrischen Telegraphen durch den Mediciner SÖMMERING veranlasst hat. SÖMMERING wurde durch die Analogie der elektrischen Stromleitung in Drähten mit der ihm wohlbekannten Reizleitung im Nerven auf die Idee gebracht, Nachrichten durch Elektricität zu senden, wie sie durch die Nerven geht. Vgl. OSTWALD, Elektrochemie, ihre Geschichte und Lehre, Leipzig 1895, S. 285.
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VENLEITUNG
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Am nächsten scheinen c h e m i s c h e Analogieen zu liegen; man könnte sich denken, dass durch den Reiz am Nervenende ein chemischer Vorgang ausgelöst würde, der sich durch die Substanz des Nervs fortpflanzt und am anderen Ende entsprechende Veränderungen des empfangenden Apparates hervorruft. Hält man indessen unter den chemischen Vorgängen Umschau, so findet man nur sehr wenige, die einigermaassen den gestellten Bedingungen entsprechen. Am ehesten scheinen noch die Erstarrungsvorgänge überkalteter Flüssigkeiten brauchbar zu sein; füllt man in eine Röhre eine derartige Flüssigkeit, z. B. geschmolzenen Phosphor, kühlt den Inhalt unter die Schmelztemperatur ab, und berührt ein Ende mit einem Stückchen festen Phosphors, so pflanzt sich die Erstarrung mit grosser Geschwindigkeit durch die Röhre fort und eine mit dem anderen Ende in Verbindung stehende überkaltete Phosphormasse kann auf solche Weise gleichsam von ferne zur Erstarrung gebracht werden. Nehmen wir im Nerv ferner eine Einrichtung an, um während eines Augenblicks die Temperatur wieder über den Schmelzpunkt zu steigern, so wäre der Nerv wieder für eine neue Botschaft bereit. Versuchen wir, aus diesem Beispiele das Allgemeine zu entnehmen, so werden wir darauf geführt, den Nerv als ein metastabiles Gebilde anzusehen (S. 343), in dem durch den Reiz eine Reaction ausgelöst wird, die sich durch den Nerv fortpflanzt. Der Vorgang in diesem würde also seinen Energiebedarf aus sich selbst decken, und der Reiz brauchte nur als Auslösung zu wirken. Hält man dies fest, so kann man sich noch eine Anzahl anderer Einrichtungen denken, welche in gleicher Weise eine Leitung des an einem Ende wirkenden Reizes zum anderen Ende ermöglichen. Solchen Vermuthungen wird aber der Boden durch die allgemeine Thatsache unsicher gemacht, dass die durch den Nerv übermittelte Nachricht mit der Stärke des Reizes wächst und abnimmt. Bei einem durch Auslösung verlaufenden Vorgang, der seinen Energiebedarf nicht aus der Anregung entnimmt, sondern aus seiner eigenen Beschaffenheit, kann eine derartige Beziehung OSTWALD, Naturphilosophie.
III. Auflage.
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REIZBARKEIT
UND
GEDÄCHTNISS
nicht vorhanden sein, denn die Stärke des Vorganges hängt hier nur von der Beschaffenheit des Gebildes selbst, nicht von der der Auslösung ab. Andererseits liegt die wohlbekannte Thatsache vor, dass durch einen in Bezug auf die angewendete Energiemenge geringen Reiz sehr erhebliche Wirkungen entstehen können, deren Energiebetrag weit über den des Reizes hinausgeht. Hieraus müssen wir nothwendig schliessen, dass dennoch an irgend einer Stelle zwischen Reiz und Reaction ein Auslösungsvorgang eingeschaltet ist. Wir brauchen nur daran zu denken, dass durch ein einziges Wort von verschwindend geringer mechanischer Energie die ganze Kraft eines Menschen für irgend eine bestimmte Handlung ausgelöst werden kann. Wir stehen also vor der Aufgabe, diese beiden anscheinend widersprechenden Thatsachen zu vereinigen: einerseits die verhältnissmässige 1 Wirkung des Reizes, andererseits den unzweifelhaften Auslösungscharakter der Reizwirkung. Wir wollen zunächst nachsehen, an welcher Stelle der ganzen Bahn die Auslösung belegen sein kann. An dem peripherischen Ende des Nervs kann sie nicht vorhanden sein, denn der Nerv übermittelt auch Reize, die ihm irgendwo in seiner Länge zugeführt werden, und thut dies auch, wenn sein Ende ganz zerstört worden ist. In allen diesen Fällen bleibt der Erfolg des Reizes im Verhältniss mit der Reizstärke, wie dies namentlich bei den Untersuchungen über die Wirkung des Muskels bei elektrischer Reizung des Nervs sehr eingehend nachgewiesen worden ist. Hieraus scheint mir der Schluss nothwendig, dass durch die Einwirkung des Reizes auf den Nerv die an diesem geleistete Arbeit in irgend eine andere Art Energie übergeht, deren Menge mit der Reizarbeit in Verhältniss steht, also im allgemeinen sehr klein sein wird. Diese Energie kann durch die 1
Ich benutze ausdrücklich das unbestimmtere Wort
weil die Wirkung im allgemeinen abnimmt, aber nicht proportional,
sondern zufolge des
Gesetzes im logarithmischen Verhältnisse, in noch verwickelterer Weise.
verhältnissmässig,
zwar mit der Stärke des Reizes zu- und psychophysischen
bezw. wo dies Gesetz nicht gilt,
NERVÖSE
AUSLÖSUNG
355
mannigfaltigsten Beeinflussungen des Nervs gebildet werden; insbesondere erscheint es gleichgültig für den Erfolg, ob man elektrische, mechanische oder chemische Reize wirken lässt. Hieraus ist weiter zu schliessen, dass nicht unmittelbar die in Gestalt des Reizes auf den Nerv wirkende Energie fortgeleitet wird, sondern dass der Nerv innerhalb seiner ganzen Erstreckung die Eigenschaft besitzt, zugeführte Energie verschiedenster Art in N e r v e n e n e r g i e , wie wir die unbekannte, im Nerv fortgeleitete Energie nennen wollen, zu verwandeln. Im allgemeinen wirkt nun die durch den empfindenden Nerv fortgeleitete Energie nicht unmittelbar auf den Theil, z. B. den Muskel, dessen Bethätigung durch den Reiz ausgelöst wird, sondern es ist ein mehr oder weniger verwickelter nervöser Apparat dazwischen geschaltet. Was innerhalb dieses vor sich geht, entzieht sich zunächst unserer Beurtheilung. Doch dürfen wir wohl mit Sicherheit sagen, dass auch in den Nerven, welche die Bethätigung auslösen, ganz ähnliche Vorgänge verlaufen, wie in denen der Sinnesapparate. Denn man kann auch beispielsweise Muskelzusammenziehungen durch ganz dieselben chemischen, elektrischen oder mechanischen Reize an den entsprechenden Nerven hervorbringen, welche an den empfindenden Nerven die Empfindungen hervorrufen. Es wird also allgemein zu sagen sein, dass entweder die im Sinnesapparate zuerst gebildete Nervenenergie durch alle diese Zwischenapparate hindurchgeht, oder dass sie in diesen verhältnissmässige Umwandlungen in andere Energiearten erleidet, die aber schliesslich wieder in Nervenenergie an der Stelle übergehen, wo der motorische Nerv beginnt. Die Auslösung wird man nun an der Stelle zu suchen haben, wo der Nerv in den Apparat, z. B. den Muskel übergeht. Denn auch bei unmittelbarer Reizung des zum Muskel gehörigen Nervs werden in der Muskelzusammenziehung Energiemengen bethätigt, welche weit über die zur Reizung erforderlichen Beträge hinausgehen. Da aber auch hier Reiz und Wirkung verhältnissmässig sind, s o m u s s d i e A u s l ö s u n g v o n d e r B e s c h a f f e n h e i t 23*
356 sein,
REIZBARKEIT dass
Energie
sie
noch
UND eine
GEDÄCHTNISS
Regelung
der
bethätigten
ermöglicht
Dies sieht auf den ersten Blick wie ein Widerspruch aus, denn bei der Entzündung einer Pulverladung oder beim Stürzen einer Lawine kann nicht davon die Rede sein, dass Auslösung und Vorgang in einem bestimmten Verhältniss verbleiben. Aber in anderen Fällen, beim elektrischen Knopf, ist doch derartiges möglich; wenn ich den Stromschlüssel öffne, ist die ganze Wirkung des Stromes wieder unterbrochen. Und der Führer des elektrischen Wagens regelt sogar durch eine blosse Auslösung, die Drehung seiner Kurbel, innerhalb weitester Grenzen die Mengen elektrischer Energie, welche er seinem Wagen zukommen lässt. Prüft man die Ursache dieses Gegensatzes, so liegt sie darin, dass im ersten Falle die Energie unmittelbar im reagirenden Gebilde vorhanden ist, während sie im zweiten dem thätigen Gebilde durch irgend einen Durchlass zugeführt wird, dessen Ausgiebigkeit beliebig von Null ab geregelt werden kann. Es liegen hier also Einrichtungen vor, welche die Entladung der vorhandenen freien Energie regeln. Wir werden schliessen, dass an der Stelle, wo der Nerv auf den Muskel wirkt, ein derartiger Hahn oder Durchlass vorhanden ist, und dass die primäre Wirkung der Nervenenergie darin besteht, diesen Durchlass zu regeln. Hiernach bedarf es eines bestimmten endlichen Werthes an Nervenenergie, um den Durchlass zunächst überhaupt in Bewegung zu setzen; diesen Betrag nennt man den Schwellenwerth. Dann erfolgt das weitere Vorschieben des Durchlasses im Verhältniss der angewendeten Nervenenergie und ergiebt einen entsprechenden Erfolg. Doch kann der Erfolg nicht ins Unbegrenzte wachsen, sondern nur bis zu dem Maximalwerth des ungestörten Verlaufes. Alles dies entspricht den b e o b achteten Thatsachen. Welcher Art dieser Durchlass ist, lässt sich noch nicht angeben. Man kann sich ihn mechanisch vorstellen, aber auch, und für diese Ansicht sprechen mancherlei Thatsachen, katalytisch (S. 326). Im letzteren Falle wären die Vorgänge so auf-
VER HÄL TN ISS MÄSSIG E AUSLÖSUNG
357
zufassen, dass durch die Nervenenergie entsprechende Mengen eines katalytischen Stoffes (oder auch Zustandes) gebildet werden, durch dessen Anwesenheit der Energieumsatz im reagirenden Gebilde entsprechend beschleunigt wird. Das Aufhören der Wirkung mit dem Aufhören des Reizes fände dann seine Erklärung in der weiteren Annahme, dass der Katalysator für sich unbeständig ist oder durch die Reaction unwirksam gemacht wird, so dass eine dauernde Wirkung nur durch unausgesetzte Wiederholung einzelner Augenblickswirkungen hervorgerufen werden kann. Dies würde die Ermüdung erklären, welche auch eintritt, wenn ein Muskel nur in Spannung gehalten wird, ohne dass er Arbeit leistet. Ich kann nicht unternehmen, das überaus verwickelte Problem der Nervenleitung hier eingehender zu behandeln; hierfür gehen mir die Kenntnisse und dem Buche der Raum ab. Nur die allgemein energetischen Umrisse konnten gezogen werden; sollten die dabei erzielten Ergebnisse die systematische Prüfung und Benutzung der gefundenen Gesichtspunkte durch einen Fachmann anregen, so wäre einer meiner Zwecke bei diesem Excurs erreicht. Ein anderer Zweck wird uns später entgegengetreten. Das Ergebniss einer (unmittelbaren oder übertragenen) Reizwirkung im Organismus besteht immer in einer Aenderung des Energiestromes. Diese kann eine V e r m e h r u n g oder V e r m i n d e r u n g sein; auch können beide Fälle gleichzeitig neben einander eintreten, so dass als Ergebniss eine A b l e n k u n g des vorhandenen Stromes erscheint. Unter allen Umständen muss aber festgehalten werden, dass durch den Reiz keine Energie erzeugt wird, sondern nur vorhandene freie Energieen in ihren Bethätigungen geändert werden können. Wenn die Zunahme irgend eines Vorganges von unmerklich kleinen Werthen zu wahrnehmbaren eintritt, so macht es wohl den Eindruck, als sei die Bethätigung überhaupt erst durch den Reiz hervorgerufen worden; doch wird man die Gesammtheit der Erscheinungen gleichmässiger und dadurch angemessener auffassen, wenn man alle Vorgänge als Beschleunigungen und Verzögerungen ansieht.
358
REIZBARKEIT
UND
GEDÄCHTNISS
Mit Ausnahme der magnetischen können so ziemlich alle Energiearten durch Reize im Organismus zur Bethätigung ausgelöst werden. E l e k t r i s c h e Vorgänge begleiten wegen der Anwesenheit von Elektrolyten und wegen der beständig eintretenden Concentrationsunterschiede ihrer Lösungen in allen Geweben das Leben wahrscheinlich ununterbrochen. Doch sind sie im allgemeinen nur von sehr geringer Stärke, so dass sie für den eigentlichen Energiehaushalt nicht erheblich in Frage kommen. Ob sie mit den Vorgängen in den nervösen Apparaten in engerer Beziehung stehen, wie dies namentlich früher vielfach angenommen worden ist, dürfte gegenwärtig recht zweifelhaft erscheinen. In ganz wenigen Fällen, bei den elektrischen Fischen, nehmen die vom Organismus hervorgebrachten Mengen elektrischer Energie einigermassen erhebliche Beträge an und werden als Mittel für die Erlangung von Beute und die Abwehr von Feinden wichtig. In solchen Fällen steht die Entwicklung elektrischer Energie wie die anderen Bethätigungen in höher entwickelten Organismen unter der Controlle des nervösen Apparates, welcher in Folge von Reizen eine verhältnissmässige Auslösung der vorhandenen Energievorräthe bewirkt. Es dürfte wahrscheinlich sein, dass die elektrische Energie in dem Organ der elektrischen Fische nicht als solche enthalten ist, sondern sich aus anderer Energie im Augenblicke der Entladung erst bildet. Dies ergiebt sich aus den S. 229 geschilderten Eigenschaften der elektrischen Energie. Die vorräthige Energie ist in diesem Falle wie in den meisten anderen sehr wahrscheinlich chemische. Ueber den Modus der Umwandlung der einen Form in die andere liegen noch keine entscheidenden Aufklärungen vor. Von ähnlich geringem Gesammtbetrage sind die Mengen s t r a h l e n d e r E n e r g i e , welche von einzelnen Organismen erzeugt werden. Es giebt einige leuchtende Insekten und zahlreiche leuchtende Meeresbewohner, die grösstentheils den niedrigen Klassen angehören. Das Leuchten ist in allen Fällen kein „Temperaturleuchten", d. h. keine Verwandlung von W ä r m e in strahlende Energie, sondern letztere entsteht aus anderen Arten, wahrscheinlich immer aus chemischer Energie. In dem
ENERGIELEISTUNGEN
DES
ORGANISMUS
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Leuchten des Phosphors an feuchter Luft haben wir ein Beispiel für ein solches chemisches Leuchten, bei welchem sich die durch Oxydation frei werdende chemische Energie unmittelbar in strahlende verwandelt. Diese Vorgänge stehen gleichfalls unter dem Einflüsse von Reizen; es ist bekannt, dass die kleinen Wesen, welche das Meeresleuchten verursachen, durch mechanische Reize zur Lichtentwicklung veranlasst werden. Auch in diesem Falle wird man zweckmässig eine durch den Reiz hervorgerufene Steigerung eines an sich langsam verlaufenden und daher keine sichtbare Lichtentwicklung verursachenden Vorganges, der im Organismus beständig erfolgt, annehmen dürfen. Viel bedeutsamer sind bereits die W ä r m e e n t w i c k l u n g e n der Lebewesen. Zwar findet sich in den niederen Klassen eine weitgehende Abhängigkeit der Körpertemperatur von der der Umgebung, und auch die in manchen grossen Blüthen beobachteten erheblichen Temperatursteigerungen treten wesentlich als U n t e r s c h i e d e gegen die Aussentemperatur auf. Aber es ist geringen Zweifeln unterworfen, dass alle Lebensbethätigungen von Wärmewirkungen und zwar wohl mit verschwindenden Ausnahmen von W ä r m e e n t w i c k l u n g e n begleitet sind. Dies rührt daher, dass bei allen Energieumwandlungen ein Theil der bethätigten Energie in Wärme übergeht, sei es in Folge von Reibung, von elektrischem Widerstand oder ähnlichen Nebenwirkungen. Es ist ja bereits mehrfach hervorgehoben worden, dass unter allen Energiearten Wärme am leichtesten entsteht und sich am schwersten in andere Formen verwandelt; so kennen wir in der That keinen praktisch thätigen Energietransformator, bei dem nicht ein kleiner oder grösserer Betrag der umgewandelten Energie als Wärme aufträte. Für den Organismus gilt unzweifelhaft das Gleiche; so kann er von der chemischen Energie der Muskeln bestenfalls etwa ein Drittel in mechanische verwandeln; die beiden anderen Drittel erscheinen als Wärme. Während somit die Wärmeentwicklung bei den niederen Organismen als eine unvermeidliche, aber wirthschaftlich unwillkommene Nebenerscheinung aufzufassen ist, sind die höheren Thiere, die Vögel und Säugethiere, mit Einrichtungen zur Er-
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REIZBARKEIT
UND
GEDÄCHTNISS
haltung einer constanten Temperatur ausgestattet, und sie verwenden einen ganz erheblichen Theil der in der Nahrung aufgenommenen chemischen Energie für den Zweck, die durch Strahlung und Leitung entstehenden unvermeidlichen Wärmeverluste vermittelst Erzeugung neuer Wärme zu decken. Die Frage, für welchen Zweck dieser Aufwand getrieben wird, scheint bisher von den Physiologen nicht erörtert worden zu sein. Beim Nachdenken darüber und bei der Beobachtung des Verhaltens solcher Thiere, welche keine constante Eigentemperatur haben, unter dem Einflüsse höherer und niederer Aussentemperaturen kommt man zu der Vorstellung, dass es sich hier um eine Sicherung der übrigen Körpervorgänge gegen Verzögerung in Folge von Temperaturerniedrigung handelt. Es ist bereits hervorgehoben worden, die Geschwindigkeit des Verlaufes chemischer Vorgänge von der Temperatur in hohem Maasse abhängig ist. Im allgemeinen bewirkt bereits eine Temperaturerniedrigung von zehn Graden eine Verzögerung chemischer Vorgänge auf die doppelte Zeit. Ein ähnliches Verhältniss ist für den Einfluss der Temperatur auf den Stoffwechsel der Pflanzen und die Geschwindigkeit der Nervenleitung nachgewiesen worden. Daraus geht hervor, dass der Organismus in seiner gesammten Bethätigung im höchsten Maasse von der Temperatur abhängig ist. Man kann dies an Eidechsen beobachten, die zwar im warmen Sonnenscheine ausserordentlich flink sind, bei niedriger Temperatur sich dagegen als träge und langsam bewegliche Thiere bethätigen. Die Erhaltung einer constanten Temperatur ist somit eine Maassregel, um dem Organismus eine gleichförmige Bethätigung unabhängig vom Wechsel der Aussentemperatur zu sichern. Hierdurch bleibt er auch bei äusserer Kälte fähig, seinen Feinden mit genügender Schnelligkeit zu entfliehen und seine Nahrung zu erlangen. Man findet das gleiche Princip in etwas anderer Gestalt beim Uebergang von niederer zu höherer Cultur am Menschen wieder: je höher die Cultur steigt, um so sorgfältiger werden grössere Temperaturunterschiede in der dauernden Umgebung vermieden, und um so regelmässiger
MECHANISCHE
WIRKUNGEN
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heizt man die Wohnungen im Winter und kühlt sie im Sommer. Umgekehrt reduciren gewisse Warmblüter, denen die Beschaffung der Nahrung im Winter schwer werden würde, ihren Energieverbrauch unter entsprechender Herabsetzung der Temperatur und Beweglichkeit, indem sie in den sogenannten Winterschlaf verfallen. Die Beschaffung der zur Erhaltung der Temperatur erforderlichen Wärmemenge bei den Warmblütern erfolgt ausschliesslich durch Umwandlung chemischer Energie, welche bei der Oxydation der Nahrungsstoffe durch den eingeathmeten Luftsauerstoff frei wird. Da bei der Körpertemperatur diese Oxydation an sich zu langsam erfolgen würde, so finden sich in den Geweben überall dort, wo sie stattfinden soll, katalytische Oxydationsbeschleuniger oder Oxydasen (S. 329). Eine viel wichtigere Energieform, welche die Organismen erzeugen, ist die mechanische. Die Pflanzen unterscheiden sich in dieser Beziehung sehr wesentlich von den Thieren, da sie verhältnissmässig viel geringere mechanische Leistungen ausführen, und ihren Haushalt vorwiegend innerhalb des Gebietes der verschiedenen chemischen Energieen bestreiten. Indessen ist bekanntlich gerade im Bereiche der niedersten Organismen der Unterschied zwischen Thier und Pflanze gering und undeutlich, und demgemäss treten hier mechanische Leistungen, namentlich Ortsbewegungen, auch bei den zu den Pflanzen gerechneten Organismen mehr in den Vordergrund. Daher soll bei unseren Betrachtungen auf den im Grunde willkürlichen Unterschied zwischen Thier und Pflanze in diesem Gebiete kein besonderes Gewicht gelegt werden. Die einfachsten mechanischen Einrichtungen zeigen sich bei den ungeformten niedersten Lebewesen, welche durch Ausstrecken ihrer schleimartigen Körpermasse nach bestimmten Richtungen vorübergehend Glieder bilden und mittelst dieser P s e u d o p o d i e n ihre wichtigsten Arbeiten: Ortsbewegung und Ergreifen der Beute ausführen. Es darf als sehr wahrscheinlich angesehen werden, dass diese Wirkungen dadurch zu Stande kommen, dass der Organismus an bestimmten Stellen die O b e r -
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REIZBARKEIT
UND
GEDÄCHTNISS
f l ä c h e n s p a n n u n g kleiner macht (was durch chemische Reactionen sehr leicht möglich ist), so dass vermöge des im Inneren herrschenden Druckes die Körpermasse an den betreffenden Stellen hervorgetrieben wird. Indem sich die geringere Spannung auf den äussersten Punkt des so hervorgetriebenen Pseudopodiums beschränkt, erklärt sich die Bildung langer, fadenförmiger Ausläufer. Hört umgekehrt dieser Unterschied der Oberflächenspannungen auf, so tritt die Gesammtwirkung der Oberflächenenergie ein, durch welche die Körpermasse wieder der Tropfenform zugeführt wird; dabei geht das Pseudopodium selbst beim „Einziehen" oft in eine Reihe von zusammenhängenden Tropfen über. Das gleiche tritt ein, wenn die Lebensthätigkeit und damit die Bildung des Poles mit geringster Oberflächenspannung unterbrochen wird. Bei den höheren Organismen sind die mechanischen Leistungen gewöhnlich besonderen Körpertheilen übertragen, deren einfachste die Geissein der Bakterien, Schwärmsporen u. s. w. sind, und die vorwiegend zu Ortsbewegungen dienen. Dies wird durch periodische Schwingungen der Geissein bewirkt, über deren Mechanismus noch nichts bekannt ist. Es ist zu erinnern, dass periodische Vorgänge überall auftreten, wo ein Energieablauf durch Selbstregulirung sich einschränkt, falls nur die Regulirwirkung nicht vollkommen gleichzeitig mit dem zu regelnden Vorgang eintritt (S. 272); somit lassen sich sehr vielfältige Einrichtungen denken, die zum gleichen Ergebnisse führen. Wenn der Organismus symmetrisch zu einer Axe gebaut ist, so muss eine solche Geissei eine Bewegung längs dieser Axe hervorbringen. Solange das Mittel, in welchem sich die Bewegungen folgen, allseitig gleichartig ist, herrscht keine bestimmte Richtung vor. Wird durch irgend einen Umstand (Licht, chemische Reize und dergl.) das Feld, in dem die Bewegung erfolgt, einseitig gemacht, so tritt sehr häufig ein Hinbewegen zu dem Ausgangspunkt des Reizes oder ein Fortbewegen davon ein, das wie ein Suchen oder Fliehen aussieht. Diese scheinbar absichtlichen Bewegungen finden ihre Erklärung in der Voraussetzung, dass der fragliche Reiz irgend eine Aende-
ORIENTIR
UNG
VON BEWEGUNGEN
363
rung in der Beschaffenheit der Bewegung an der Seite des Wesens ausübt, welche stärker als die andere getroffen wird. Dann treten hierdurch einseitige Bewegungsänderungen ein, welche erst wieder symmetrisch werden, nachdem sich der Organismus wieder völlig symmetrisch zu dem „Reizfelde" gestellt hat (J. LOEB). ES ist ganz dieselbe Ursache, welche den Pfeil zwingt, mit der Spitze voran, d. h. symmetrisch durch die widerstehende Luft zu fliegen, oder welche eine drehbare festgehaltene Platte in einer strömenden Flüssigkeit senkrecht zur Strömungsrichtung stellt. Derartige Richtungswirkungen durch ungleich vertheilte chemische Stoffe (Chemotaxis, W. PFEFFER) dienen für manche wichtige Verrichtung bei der Ernährung und Fortpflanzung, und das hier angedeutete Princip hat den Biologen vielfach die Möglichkeit gegeben, die physikochemischen Ursachen biologischer Erscheinungen aufzudecken, die auf den ersten Anblick den Eindruck tiefgehender zweckmässiger Ueberlegungen machten (s. w. u.). Bei den höheren Organismen werden die mechanischen Wirkungen dadurch hervorgebracht, dass an passenden Stellen vorhandene Fasern in Folge von Reizwirkungen eine Zusammenziehung erfahren. Am vollkommensten ist diese Einrichtung bei den quergestreiften Muskelfasern der Wirbelthiere entwickelt. Auch hier ist man trotz zahlloser Arbeiten über die energetischen Grundlagen dieser Vorgänge noch nicht ins Klare gekommen. Soviel ist allerdings sicher, dass die ursprüngliche Energieform, aus der die Arbeit bestritten wird, c h e m i s c h e Energie ist, denn man constatirt am arbeitenden Muskel einen entsprechend grösseren Sauerstoffverbrauch und eine gesteigerte Kohlensäureentwicklung und kann einen durch Sauerstoffverarmung unwirksam gewordenen Muskel mittelst zugeführten Sauerstoffs wieder leistungsfähig machen. Aber in welcher Weise sich die chemische Energie in mechanische umwandelt, ist unbekannt. Die gelegentlich gemachte und des breiteren ausgeführte Annahme e l e k t r i s c h e r Zwischenformen scheint allseitig als unzureichend erkannt zu sein. Fragt man, auf welche Weise sich chemische Energie in mechanische verwandeln lässt, so besteht zunächst das heute gebräuchliche t e c h n i s e h e Verfahren in der
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REIZBARKEIT
UND
GEDÄCHTNISS
Umwandlung der chemischen Energie in Wärme, und deren Umwandlung in mechanische Arbeit, wie sie in der Dampf- und Gasmaschine erfolgt. Bei der constanten Temperatur der Organismen ist nun dieser Weg ausgeschlossen, da ja f ü r Wärmemaschinen eine möglichst grosse Temperaturverschiedenheit eine nothwendige Voraussetzung ist (S. 253). 1 U n m i t t e l b a r e Umwandlung chemischer Energie in mechanische findet durch A e n d e r u n g e n d e s o s m o t i s c h e n D r u c k e s und durch A e n d e r u n g e n d e r O b e r f l ä c h e n s p a n n u n g statt. Wenn Stoffe, die in einer Flüssigkeit gelöst sind, von anderen Flüssigkeiten, in denen sie nicht vorhanden sind, durch solche Häute abgeschlossen werden, welche zwar das Lösungsmittel durchlassen, nicht aber den gelösten Stoff, so übt der letztere auf die trennende Wand einen Druck aus, welcher der osmotische Druck heisst und der Concentration des gelösten Stoffes proportional ist. Die Druckbeträge, welche in den Organismen auf solche Weise zu Stande kommen, bewegen sich um rund zehn Atmosphären (W. PFEFFER), sind also recht bedeutend. Nun erweist sich, dass die Zellhäute der Organismen fast alle die Eigenschaft haben, für viele Stoffe undurchlässig zu sein, während sie das überall als Lösungsmittel vorhandene Wasser durchlassen; es sind also im Organismus die Bedingungen zur Entwicklung osmotischer Drucke vorhanden, und ihre Anwesenheit ist vielfältig experimentell nachgewiesen worden. Finden nun chemische Vorgänge in der Zelle statt, so ändern sich mit der Aenderung der chemischen Beschaffenheit der gelösten Stoffe im allgemeinen auch die osmotischen Drucke, und damit sind die Bedingungen zu Arbeitsleistungen gegeben. Ebenso kommen solche zu Stande, wenn die Zellhaut durch 1 Zur Durchführung einer thermischen Theorie der Muskelwirkung ist wohl die Vermuthung ausgesprochen worden, dass im arbeitenden Muskel „molekulare" Temperaturverschiedenheiten bestehen können, die viele Hundert Grade betragen, und nur wegen der Kleinheit der Molekeln der Beobachtung unzugänglich sind. Eine solche Annahme ist übereinstimmend mit einem Verzicht auf weitere Forschung in dem Gebiete, da sie weder bestätigt noch widerlegt werden kann.
MUSKEL
WIRKUNGEN
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irgend eine chemische Aenderung ihre Durchlässigkeitsverhältnisse ändert. Dies tritt beispielsweise beim Tode der Zelle ein, wo die Zellhaut meist für fast alle vorhandenen Stoffe durchlässig wird und sie in die umgebende Flüssigkeit austreten lässt. Es kann hier nicht eingehend erörtert werden, in welcher Weise diese Vorgänge von den Organismen für die Herstellung mechanischer Leistungen benutzt werden; es m u s s genügen, dass dies in der That vielfach nachgewiesen worden ist. Dies wäre also die erste Art der unmittelbaren Umwandlung chemischer Energie in mechanische. Die andere, auf Oberflächenenergie beruhende Art spielt gleichfalls sicher eine Rolle in den Lebenserscheinungen; auf eine primitive Form derartiger Arbeitsleistungen ist ja bereits hingewiesen worden (S. 362). Für den Muskel kommen wahrscheinlich nur diese beiden Arten in Betracht; 1 welcher von beiden Wegen aber vom Muskel benutzt wird, ist wie bemerkt zur Zeit nicht ausgemacht. Die mikroskopischen Befunde über die Verschiedenheiten zwischen dem ruhenden und dem contrahirten Muskel lassen sich in beiderlei Sinne deuten. Somit ist hier für die weitere Forschung noch ein dankbares Feld vorhanden. Die letzte und wohl wichtigste Leistung der Organismen ist die U m w a n d l u n g d e r v e r s c h i e d e n e n chemischen E n e r g i e e n in e i n a n d e r . Denn die chemische Energie, wie sie das Lebewesen als Nahrung aufnimmt, ist im allgemeinen nicht geeignet, zu seinen Zwecken unmittelbar verwendet zu werden und bedarf daher einer weiteren Bearbeitung. Ebenso führen ja die assimilirenden Pflanzen die strahlende Energie zunächst in eine chemische Form über, welche nicht die dauernde ist. Jede Zelle ist daher ein chemisches Laboratorium, in welchem die mannigfaltigsten Reactionen ohne Ofen und Retorte durchgeführt werden. Das am meisten angewendete Mittel ist hier wahrscheinlich die k a t a l y t i s c h e B e s c h l e u n i g u n g d e r b r a u c h baren und die k a t a l y t i s c h e V e r z ö g e r u n g der u n z w e c k 1 Für die beiden anderen Formen mechanischer Energie, Distanz- und Bewegungsenergie, ist, soweit die gegenwärtige Kenntniss reicht, eine unmittelbare Entstehung aus chemischer Energie nicht zweifellos bekannt.
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REIZBARKEIT
UND
GEDÄCHTNISS
mässigen Reactionen. Hierfür spricht die regelmässige Anwesenheit derartiger Enzyme in allen Organismen und das Aufhören des Lebens bei Temperaturerhöhungen über 50 oder 60°. Denn es ist eine allgemeine Eigenschaft dieser Enzyme, dass sie bei derartigen mässigen Temperaturerhöhungen ihre Wirksamkeit einbüssen. Es ist natürlich, dass hier grosse Verschiedenheiten vorhanden sind. Insbesondere vertragen die Dauerformen (Sporen) der niederen Organismen, in denen der chemische Umsatz fast völlig ruht, und für die daher die Enzyme nicht in Betracht kommen, sehr viel höhere Temperatur, als die in lebhafter Thätigkeit befindlichen und daher enzymreichen Formen. Durch die Entstehung und das Verschwinden, bezw. Unwirksamwerden derartiger Katalysatoren ist nun eine unbegrenzte Reihe von Möglichkeiten gegeben, durch welche das Lebewesen seine Bedürfnisse befriedigen kann. Die neuere Chemie hat zu dem allgemeinen Satze geführt, dass in einem gegebenen chemischen Gebilde alle Vorgänge, die nur möglich sind, auch wirklich stattfinden, und zu allen Stoffen führen, welche überhaupt entstehen können. Durch die Ausbildung eines bestimmten Katalysators kann also die Zelle unter zahllosen möglichen Stoffen einen bestimmten in seiner Bildung so beschleunigen, dass er ganz vorwiegend entsteht. Auf solche Weise wird verständlich, wie ein hochzusammengesetzter Organismus, wie z. B. der menschliche aus der gleichen Nährflüssigkeit, dem Blute, in seinen verschiedenen Organen die mannigfaltigsten Stoffe bilden kann: ein Problem, welches noch heute manchem Physiologen so unlösbar erscheint, dass er auf die Möglichkeit einer physikochemischen Erklärung überhaupt verzichten zu müssen glaubt. Mit diesem vorläufigen Ueberblick über die Energieverhältnisse der Organismen müssen wir uns zunächst begnügen. Er hat uns dazu gedient, dass wir auch auf diesem schwierigen Boden eine Vorstellung darüber gewinnen konnten, wie unter der mit dem Energiebegriff gewonnenen und vom bisher üblichen Materiebegriff befreiten Problemstellung die vielen Fragen nach dem Zusammenhange der Lebenser-
CHEMISCHE
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scheinungen eine weit bestimmtere Form und schärfere Fassung annehmen. Hierdurch ist die Forschung erleichtert und damit ein entsprechender Fortschritt vorbereitet. Sache der Forscher auf diesen Gebiete wird es sein, die gefundenen allgemeineren Gesichtspunkte zu prüfen, zu benutzen oder n ö t i g e n f a l l s zu berichtigen. Wenn vorläufig auch nicht mehr erzielt wird, als den Betheiligten die Entbehrlichkeit der bisher benutzten molekularen Hypothesen und die Möglichkeit, sie durch viel bestimmtere energetische Fragen zu ersetzen, ins Bewusstsein zu rufen, so ist schon ein Grosses gewonnen. Denn wie oft findet man nicht heute irgend derartige Spekulationen mit den Worten schliessen: b e i u n s e r e r gegenw ä r t i g e n L J n k e n n t n i s s d e r m o l e k u l a r e n K r ä f t e lässt sich nichts mehr über die Sache feststellen — ohne dass es dem Autor, der auf solche Weise befriedigt vom Leser Abschied nimmt, in den Sinn kommt, dass es eine schlechte Theorie sein muss, welche die Arbeit immer wieder auf dies tote Gleis gerathen lässt. Die energetische Betrachtung führt, da sie nur mit messbaren oder aufweisbaren Dingen zu thun hat, schlimmsten Falls auf den Punkt: dies können wir noch nicht messen, und daher bleibt die entsprechende Frage offen. Aber sie zeigt gleichzeitig immer die Richtung, nach welcher die Anstrengungen zu verdoppeln sind, um die Aufgabe zu lösen. Noch eine merkwürdige physiologische Thatsache verlangt Erwähnung und energetische Kennzeichnung, da sie für die Ausgestaltung des Lebens von höchster Bedeutung ist und uns demgemäss bereits an der Schwelle unserer Betrachtungen entgegentrat; es ist dies das G e d ä c h t n i s s . Wir fassen dies Wort in dem ihm von E. HERING gegebenen allgemeinsten Sinne, indem wir darunter alle die Eigenschaften der lebenden Substanz verstehen, vermöge deren b e s t i m m t e V o r g ä n g e im L e b e w e s e n W i r k u n g e n hinterlassen, welche die W i e d e r h o l u n g d i e s e r V o r g ä n g e b e g ü n s t i g e n . Die Bedeutung dieser Eigenschaft kann gar nicht überschätzt werden. In ihren allgemeineren Formen ergiebt sie die A n p a s s u n g und V e r e r b u n g , in ihrer höchsten Entwicklung
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das b e w u s s t e G e d ä c h t n i s s . In welchem Maasse Anpassung und Vererbung für die Ausbildung zweckmässiger Eigenschaften der Lebewesen entscheidend sind, hat DARWIN längst gezeigt; dass auf der gleichen Eigenschaft das Vermögen beruht, durch die Kenntniss der Vergangenheit die Zukunft zweckmässig zu gestalten, war ja eine unserer ersten Betrachtungen. Dass schliesslich alles bewusste Denken auf die Bildung und Verbindung von Begriffen hinausläuft, letztere aber eine unmittelbare Frucht des Gedächtnisses sind, ist uns gleichfalls bereits aus früheren Erörterungen ganz geläufig. Hier werden wir zu fragen haben, wie eine solche Eigenschaft energetisch möglich ist. Diese Frage ist bisher kaum ernsthaft gestellt und behandelt worden. Die üblichen grobmechanischen Bilder von dem Einfahren eines Gleises in einer oft zurückgelegten Strasse oder von dem Glattlaufen eines Lagers oder Schlittens in einer neuen Maschine haben keine andere Bedeutung, als dass sie die Thatsache in einer etwas veränderten Gestalt uns nochmals vor das Auge stellen, ohne den Anspruch zu erheben, auch nur in gröbster Form eine Darstellung der vorhandenen Verhältnisse zu sein. Versuchen wir aber der Sache selbst dadurch ein wenig näher zu treten, dass wir uns nach genaueren und im Organismus wenigstens möglichen Analogieen umsehen, so müssen wir gestehen, dass solche nicht leicht zu finden sind. Ein Draht, durch welchen elektrische Ströme geleitet worden sind, wird dadurch keineswegs ein besserer Leiter; ein elektrolytischer Leiter, der ja im Organismus vorliegen müsste, wird sogar immer schlechter (in Folge von Polarisation und Stoffausscheidung an den Elektroden), und ganz allgemein wissen wir, dass ein im Gleichgewicht befindliches Gebilde sich um so mehr einer Störung, d. h. Bethätigung widersetzt, je mehr es aus dem Gleichgewicht gebracht ist. Auch für chemische Vorgänge können wir im allgemeinen sagen, dass ein solcher um so weniger leicht in einem Gebilde stattfindet, je mehr ein gleicher darin vorgeschritten war, und dass selbst wenn die Producte entfernt und die verbrauchten Stoffe ersetzt werden, doch die Reaktion höchstens
KÜNSTLICHE ihren anfänglichen einen grösseren.
Werth
ERINNERUNG wieder erreichen
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kann,
nicht
aber
Indessen finden sich bei weiterem Suchen doch einige analoge Fälle. Zwei Bleiplatten in Schwefelsäure „formiren" sich mehr und mehr, j e häufiger sie elektrisch geladen und entladen werden: hier geht der Vorgang der elektrischen Ladung in der That um so leichter und reichlicher vor sich, j e häufiger diese Reaction stattgefunden hatte. Die genauere Untersuchung lässt als Ursache dieser „ G e w ö h n u n g " oder „Erinnerung" eine zunehmende mechanische Zertheilung des Metalls an seiner Oberfläche erkennen. Die Anwendung dieser Beispiele auf das organische Problem scheitert indessen daran, dass bei den Lebewesen die durch Gewöhnung entstehenden Eigenschaften e r b l i c h sind. Sie müssen also die Beschaffenheit haben, dass sie durch den Vorgang der Vermehrung auf neue organische Individuen ü b e r t r a g e n werden können. Dieser Anforderung dürften nur die an bestimmten Stoffen entwickelten c h e m i s c h e n Energiearten entsprechen. Wenn man beobachtet, mit welcher Genauigkeit bei aller Vermehrung der Zellen die Theilung des Kernes durchgeführt wird, so wird man in den Stoffen, die den Zellkern bilden, die bestimmenden Ursachen für die jeweilige Entwicklung des Keimes zu einem bestimmten, den Eltern ähnlichen Lebewesen zu erblicken geneigt sein, und man wird daher die Thatsache der Erblichkeit am ehesten als eine c h e m i s c h e E i g e n t ü m l i c h k e i t deuten können. Versuchen wir diesen Gedanken durchzuführen, so stossen wir zunächst allerdings auf die eben erwähnten Schwierigkeiten. Aber nach einigem Suchen lassen sich doch Beispiele anführen, welche gewisse Aehnlichkeiten mit der Erscheinung der Gewöhnung aufweisen. Nimmt man zwei gleiche Proben verdünnter Salpetersäure und löst in der einen etwas metallisches Kupfer auf, so wird die Probe dadurch die Fähigkeit erlangen, ein zweites Stück desselben Metalls viel schneller aufzulösen, als die andere, unverändert gebliebene. Die Ursache dieser Erscheinung, die in gleicher Weise mit OCTWALD, Naturphilosophie.
I I I . Auflage.
24
370
REIZBARKEIT
UND
GEDÄCIITNISS
Quecksilber oder Silber und Salpetersäure beobachtet werden kann, liegt darin, dass die bei der Auflösung des Metalls entstehenden niederen Oxyde des Stickstoffs die Wirkung der Salpetersäure auf frisches Metall katalytisch beschleunigen. Man erzielt die gleiche Wirkung, wenn man etwas von diesen Oxyden in die Säure bringt; dann wirkt sie gleichfalls viel schneller, als reine Säure. Die „Gewöhnung" entsteht also hier durch die Bildung eines katalytischen Beschleunigers während der Reaction. Wir haben die gleiche Wirkungsweise bereits bei anderer Gelegenheit, als Beispiel für die Selbstbeschleunigung eines Vorganges kennen gelernt. Wir wollen nun sehen, ob wir den Fall für das Verständniss der Lebenserscheinungen verwerthen können. Wir nehmen versuchsweise an, dass irgend eine Handlung des Organismus dadurch zu Stande kommt, dass infolge des Reizes oder der Willensbethätigung ein Beschleuniger an der maassgebenden Stelle entsteht, durch welchen der beabsichtigte Vorgang ausgelöst wird. Dieser Beschleuniger kann nur eine ganz kurze Existenzdauer haben und muss infolge des Vorganges oder während desselben verschwinden, da sonst der durch den Vorgang bewirkte neue Zustand nicht wieder freiwillig in den früheren normalen zurückgehen würde, wie dies doch thatsächlich beobachtet wird (vgl. S. 353). Wir können uns diesen Zusammenhang so vorstellen, dass der Beschleuniger in einer unwirksamen Form stets anwesend ist, dass durch den Reiz eine dem Reiz entsprechende Menge davon in den wirksamen Zustand übergeführt wird, dass aber dieser wirksame Zustand alsbald, soweit nicht neue Reize eintreffen, freiwillig in den unwirksamen zurückgeht. Dann würde etwas wie eine Gewöhnung, d. h. eine Erleichterung der Wiederholung eintreten, wenn der Beschleuniger während seines wirksamen Zustandes noch die Eigenschaft hätte, seine Menge aus der anwesenden Ernährungsflüssigkeit zu vermehren. Denn alsdann wäre nach Ablauf des Vorganges ein grösserer Vorrath des Beschleunigers vorhanden, der wieder in die unwirksame Form übergeht, und beim nächsten Reiz könnte mehr von dem wirksamen Beschleuniger entstehen. Der unwirksamen Form müsste umgekehrt die Fähigkeit, sich
THEORIE
DER
ERINNERUNG
371
zu vermehren, abgesprochen werden, da ein Organ, welches sich nicht bethätigt, langsam weniger und weniger wirksam wird. Der letztere Umstand legt sogar den Gedanken nahe, dass die unwirksame Form wie alle Bestandtheile des Organismus einer langsamen Zerstörung oder Zerstreuung unterliegt. Ich bitte diese Vermuthung, über deren etwas ungefüge und verwickelte Beschaffenheit niemand mehr als ich im Klaren sein kann, als das zu nehmen, was sie sein soll. Es handelt sich nicht darum, eine Erklärung für die vorliegende Erscheinung der organischen Gewöhnung mit dem Ansprüche zu geben, dass die Dinge nun auch wirklich so und nicht anders verlaufen, sondern nur darum, zu zeigen, dass wirklich physikochemische Anordnungen denkbar sind, welche die fragliche Eigenschaft aufweisen. Man wird bei einigem Nachdenken wohl noch eine und die andere Einrichtung finden können, welche dasselbe leistet, und jede dieser Möglichkeiten wird eine entsprechende Reihe von Versuchen anregen können, durch die man die Brauchbarkeit einer solchen Annahme prüfen kann. Eine solche chemische Theorie der Gewöhnung wird insbesondere dadurch nahe gelegt, dass die Ergebnisse der Gewöhnung v e r e r b b a r sind. Nun wissen wir, dass durch die Zeugung zwar kleine aber doch ganz bestimmte Stoffmengen der elterlichen Organismen, nämlich je eine Zelle aus jedem, zusammentreten und die Grundlage des neuen Lebewesens bilden. Die grosse Aehnlichkeit zwischen Eltern und Kindern gestattet keine andere Auffassung, als dass die Beschaffenheit des wachsenden Wesens entscheidend durch die Beschaffenheit der Keimzellen bestimmt worden ist, und die Versuche über die Entwicklung getheilter und verletzter Keime haben bewiesen, dass es nicht Formeigenschaften der Keimzellen sind, welche für die Entwicklung maassgebend werden. Es bleiben somit nur die c h e m i s c h e n Eigenschaften übrig, und wenn auch die Forschung zunächst nahezu hilflos vor den hier auftretenden Problemen steht, so ist es doch der Anfang aller Arbeit, die Aufgabe zunächst in klarer, hypothesenfreier Weise hinzustellen; dann kann man frischen Muthes an ihre Lösung gehen. 24*
ACHTZEHNTE
DAS
VORLESUNG
GEISTIGE
LEBEN
ls eines der schwierigsten und unzugänglichsten Probleme der Philosophie wird von jeher die Frage angesehen, auf welche Weise Geist und Materie zusammenhängen. Die geistigen Erscheinungen sind nicht materiell, die materiellen stehen im Gegensatze zu den geistigen, und doch sind beide unlösbar mit einander verbunden. Denn die geistigen Erscheinungen sind an allen höheren Lebewesen vorhanden (wenigstens vermuthen wir dies mit guten Gründen, wenn wir thatsächlich auch nur von unseren eigenen geistigen Vorgängen Kenntniss haben), und sie lassen sich augenblicklich zum Verschwinden bringen, wenn man durch irgend eine zerstörende Wirkung deren Lebensthätigkeit aufhören macht. Umgekehrt haben wir in den Regungen unseres Willens und in der entsprechenden Bethätigung unserer Glieder ein Mittel, materielle Objekte zu beeinflussen, während doch die bewusste Zurückverfolgung der Ursachen dieser materiellen Ereignisse auf nichts Weiteres, als eben einen inneren oder geistigen Willensakt, also nichts Mechanisches führt. Die Geschichte dieses Problems, das zuerst von DESCARTES in dieser Form aufgestellt und zu lösen versucht worden ist, soll hier nicht gegeben werden. 1 Das Ergebniss der bisherigen Lösungsversuche besteht in einer Ausarbeitung von SPINOZA'S Ansicht, dass zwischen den materiellen und den 1
Eine
klare
Darstellung
findet
sich
bei
Philosophie, 7. Aufl., Berlin 1901, S. 6 1 u. ff.
F. PAULSEN,
Einl.
in
die
GEIST
UND
MATERIE
373
geistigen Dingen ein Parallelismus vorhanden sei. Dieser rühre daher, dass die materiellen und die geistigen Dinge zwei verschiedene Seiten desselben Geschehens darstellen, so dass jedem materiellen Vorgange ein geistiger entspreche und umgekehrt kein geistiger ohne einen materiellen verlaufen könne. Die verschiedenen Gestaltungen dieses Gedankens unterscheiden sich nur dadurch, dass bald die eine oder die andere Seite, die geistige oder die materielle, als die wichtigere oder tnaassgebende angesehen wird, und dass beide Seiten oder Reihen in näherer oder fernerer Beziehung gedacht werden. Für unsere Auffassung der Welt kann diese Formel nicht mehr ausreichen. Die Materie ist für uns als primärer Begriff nicht mehr vorhanden; sie entsteht als sekundäre Erscheinung durch das constante Zusammensein gewisser Energiearten. Wir werden somit eine neue Frage des Inhaltes zu stellen haben: wie v e r h a l t e n sich die g e i s t i g e n E r s c h e i n u n g e n z u m Energiebegriff? Zunächst werden wir von der Physiologie die Thatsache zu übernehmen haben, dass niemals ein geistiger Vorgang ohne Energieaufwand stattfindet. Die in neuerer Zeit mehr und mehr entwickelten experimentellen Methoden am unverletzten Organismus haben erkennen lassen, dass z. B. der Blutdruck in den zum Gehirn führenden Arterien sofort wächst, so wie der Versuchsperson irgend eine geistige Arbeit, etwa die Lösung eines Rechenexempels, aufgetragen wird. Die Thatsache der E r s c h ö p f u n g , d. h. der Unfähigkeit zu weiterer Arbeit nach ausschliesslich geistiger Anstrengung ohne jede äussere Arbeitsleistung, und die Ersetzbarkeit des eingetretenen Verbrauches durch Zufuhr von Nahrung, d. h. von chemischer Energie, drängt sich auch der einfachsten Beobachtung alsbald auf, und erweist gleichfalls die nothwendige Verknüpfung zwischen geistiger Arbeit und Energieverbrauch. Nun könnte man daran denken, die Ansicht SPINOZA'S einfach ins Moderne zu übersetzen und zu sagen: alle Energie ist mit geistiger Bethätigung verbunden, und Energie und Geist sind zwei verschiedene Seiten eines und desselben Dinges. Alle Energieverhältnisse sind unter einander gesetzlich, d. h. causal
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DAS
GEISTIGE
LEBEN
in dem S. 295 geschilderten Sinne verknüpft; neben diesen energetischen Vorgängen verlaufen geistige, die eine entsprechende gegenseitige Beziehung und Verknüpfung zeigen. Wir würden auf solche Weise gleichfalls zu einer Theorie von der Allbeseelung gelangen, nur dass diesmal nicht die Materie beseelt wäre, sondern die Energie. Indessen glaube ich nicht, dass Sie an einer solchen Theorie besonderen Geschmack finden würden. Bei dem Begriffe der Materie dachte man sich ein wirklich existirendes „Ding an sich", dem die verschiedenen materiellen Eigenschaften als Accidenzen anhaften, und dem man auch ganz wohl die Seele dazu anheften konnte, denn die Eigenschaften und das Verhalten der Materie erschienen durch nichts beschränkt. Gegenwärtig werden wir uns sagen müssen: ist mit jeder Energie Seele verbunden, so ist zunächst die Seele bei der unendlichen Theilbarkeit der Energie gleichfalls unendlich theilbar. Durch die unbegrenzte Umwandlungsfähigkeit der Energie muss die Seele gleichfalls getroffen werden, denn die verschiedenen Seelen haften ja an verschiedenen Energiecomplexen, und die Seelenbethätigung z. B. eines Milligramms Eisen muss eine ganz andere sein, je nachdem es einen Bestandtheil des menschlichen Blutes oder eines Hufeisens bildet. Ferner ist folgende Erwägung anzustellen. Einem anorganischen Gebilde, das keine Zustandsänderungen erfährt, wird man auch kein Seelenleben zuschreiben wollen; erst wenn irgend welche Ereignisse das Gebilde treffen, die von ihm entsprechend aufgenommen und umgewandelt werden, d. h. wenn Energieänderungen daran stattfinden, kann möglicher Weise eine Seele in Thätigkeit treten. Somit wird man eher geneigt sein, der f r e i e n Energie den Zusammenhang mit seelischer Thätigkeit zuzuschreiben, und man müsste in der zwar vorhandenen, aber nicht umwandlungsfähigen Energie ruhender Gebilde etwas wie eine l a t e n t e S e e l e annehmen. Dies ist formal zwar durchführbar, führt aber zu der folgenden Ansicht. Da in dem uns bekannten Weltgebiet die freie Energie beständig abnimmt, so müsste auch immer mehr Seele in den latenten Zustand übergehen, und die Weltentwicklung wäre
GEIST
UND
ENERGIE
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daher in geistiger Beziehung als ein unaufhörlicher Rückgang aufzufassen, indem am Anfange der Entwicklung ein Maximum an freier Seele vorhanden war, und diese mehr und mehr verschwindet. Da widerspricht aber allen unseren Vorstellungen von der Entwicklung, denn wir haben umgekehrt guten Grund zu der Annahme, dass die Gesammtmenge an freier Seele, nach ihrer Wirkung zu schliessen, im Laufe der Zeit zu- und nicht abnimmt. Insbesondere ist am menschlichen Geschlecht eine Zunahme des Einflusses des geistigen Lebens mit der Zeit ganz unverkennbar. Wenn nun auch dieser Einwand vielleicht nicht unwiderleglich ist, da man ja sagen kann, dass es sich hierbei nicht um eine Vermehrung, sondern nur um eine blosse Ansammlung der Seele in dem Menschen handele, ebenso wie der Mensch ja auch die aufgespeicherten freien Energiebeträge früherer Zeiten concentrirt und in intensiverer Weise zur Verwendung, d. h. Umwandlung, bringt, so verlangt doch die gesammte Ansicht von dem psycho-energetischen Parallelismus eine solche Summe von besonderen Annahmen und entfernt sich soweit aus dem Rahmen, innerhalb dessen wir unsere bisherigen Betrachtungen haben fassen können, dass wir uns wohl fragen dürfen, ob nicht ein kürzerer Weg zum Ziele zusammenhängender Ordnung der hier vorliegenden Thatsachen führen möchte. Hierfür sind insbesondere zwei Gesichtspunkte wichtig. Einerseits liegt Veranlassung, die Wirkung eines seelenartigen Agens anzunehmen, a u s s c h l i e s s l i c h b e i d e n L e b e w e s e n vor. Die anorganischen Geschehnisse haben uns nicht erkennen lassen, was zu einer solchen Vermuthung führte; sie lassen sich vielmehr erschöpfend mittelst der gewöhnlichen Energiebegriffe darstellen. Wenigstens werden wir dies grundsätzlich behaupten dürfen. Die thatsächlichen Geschehnisse sind ja allerdings wegen ihrer unbegrenzten Verwicklung nie ganz vollständig durch unsere Hilfsmittel darstellbar; die fortschreitende Wissenschaft gestattet aber eine weiter und weiter gehende Annäherung, und bisher hat sich nichts gezeigt, wo eine grundsätzliche Hilflosigkeit der Wissenschaft anzunehmen wäre.
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GEISTIGE
LEBEN
Die Theorie des psycho-energetischen Parallelismus würde diese Thatsache ungewürdigt lassen, da sie keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Beseelung eines Steines und eines Menschen zu machen in der Lage wäre, und daher den genannten erfahrungsmässigen Gegensatz nicht zur Darstellung bringen könnte. Dies ist der erste Punkt. Der andere Punkt ist der folgende. Wenn wir Vorgänge aufsuchen, die den Erschöpfungserscheinungen am Organismus nach geistiger Thätigkeit ähnlich sind, so bieten sich zahlreiche Analogieen. Eine Uhr ist erschöpft, wenn das Gewicht abgelaufen oder die Feder abgespannt ist, und durch Zufuhr neuer E n e r g i e wird sie wieder thätig gemacht. Eine Voltasche Kette ist erschöpt, nachdem sie grössere Mengen Strom hergegeben hat, und kann durch Zufuhr neuer chemischer E n e r g i e in Gestalt von Zink und Sauerstoff wieder belebt werden. So könnten wir noch eine beliebig lange Reihe ähnlicher Vorgänge des E n e r g i e v e r b r a u c h e s nennen, deren Aehnlichkeit mit der physischen Erschöpfung in Folge geistiger Thätigkeit in der Sprache zum unwillkürlichen Ausdruck gekommen ist. Wir können noch weiter gehen. Wenn der Organismus durch n i c h t g e i s t i g e Thätigkeit erschöpft ist, so können wir als die Ursache dieser Erschöpfung auch hier die Ausgabe von Energie, meist mechanischer, bezeichnen. Hierbei erfolgen in unserem Bewusstsein keineswegs Vorgänge, die mit denen g e i s t i g e r Anstrengung vergleichbar sind; es werden vielmehr im Widerspruch mit der Parallelismustheorie die geistigen Vorgänge durch die Ausgabe mechanischer Energie sehr eingeschränkt. Man erkennt dies beispielsweise daran, dass man die letzten Strecken eines bis zur Erschöpfung fortgeführten Marsches fast bewusstlos zurücklegt, und die geistige Thätigkeit streng auf das einschränkt, was die mechanische Arbeit erfordert. 1 1 Es ist deshalb ein schwerer und folgenreicher Irrthum, der von überangestrengten Geistesarbeitern oft begangen wird, wenn sie durch starke körperliche Beanspruchung ihren gestörten Lebenshaushalt wieder in Ordnung zu bringen versuchen. Was sie brauchen, ist Energiezufuhr, und körperliche Bewegung ist nur soviel erforderlich, um den Organismus zur
DIE
UM WA NDL UNGSTHEOR
IE
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Diese Thatsachen legen insgesammt eine andere Vermuthung nahe: nämlich d a s s e s s i c h b e i d e n g e i s t i g e n V o r g ä n g e n um die E n t s t e h u n g und U m w a n d l u n g einer b e s o n d e r e n E n e r g i e a r t h a n d e l t , die wir, um von ihr reden zu können, vorläufig geistige Energie nennen wollen. Um eine solche Vermuthung auf ihre Brauchbarkeit zu prüfen, müssen wir uns überzeugen, ob sie ihrerseits mit den bekannten Gesetzen der Energie vereinbar ist, und ob andererseits die bekannten geistigen Vorgänge sich ohne Widerspruch in diesen Rahmen fassen lassen. Zunächst entsprechen die oben erwähnten Thatsachen, dass alle geistige Thätigkeit mit einem Energieumsatz verknüpft, und dass in erster Annäherung der Umsatz dem Betrage der Thätigkeit proportional i s t , der Umwandlungstheorie. Wir können annehmen, dass die verbrauchte chemische Energie dazu verwendet worden ist, geistige zu erzeugen. Diese hat aber nur eine kurze Dauer, die mit der des geistigen Vorganges zusammenfällt; ist dieser abgelaufen, so ist auch die entsprechende Energiemenge in eine andere Form, sehr wahrscheinlich Wärme, verwandelt. Der erste Hauptsatz würde auch in Bezug auf die gewöhnlichen Energiearten erfüllt bleiben, wenn wir einen Zeitraum untersuchen, an dessen A n f a n g und Ende das Wesen sich im gleichen geistigen Zustande, also im Besitz der gleichen Menge geistiger Energie, befände. Der V o r g a n g wäre vielleicht am ehesten vergleichbar dem Arbeitsaufwande bei der Erzeugung eines Tones, wo auch die verbrauchte Energie nur vorübergehend die Form mechanischer Arbeit annimmt, um schliesslich vollständig in Wärme überzugehen. So lange der Ton erklingt, ist die Gleichung: v e r b r a u c h t e E n e r g i e g l e i c h e n t s t a n d e n e r W ä r m e nicht vollständig erfüllt, weil ein Theil der Energie in Gestalt von Schwingungsenergie vorhanden ist. Hat der Ton aber aufgehört, so ist die Gleichung vollständig erfüllt, und wenn man nur die Gesammtbilanz in Betracht zieht, so ist sie davon unabhängig, ob der Ton inzwischen erklungen Verwerthung der aufgenommenen Nahrung zu befähigen, wobei zweckmässig durch eine leichte anderweite,
der früheren möglichst heterogene Beschäfti-
g u n g eine Erholung des misshandelten Hirngebietes anzustreben ist.
378
DAS
GEISTIGE /
LEBEN
war oder nicht, d. h. ob inzwischen ein Theil der Energie die Gestalt von Schwingungsenergie gehabt hat, oder nicht. Ebenso ist es für die schliessliche Bilanz gleichgültig, ob im Organismus eine Zwischenform in Gestalt von geistiger Energie existirt hat oder nicht. Nur in der Zwischenzeit, während geistige Vorgänge im Organismus stattfinden, wäre also eine Entscheidung möglich. Bei der Theorie des Parallelismus muss in jedem Augenblicke die Bilanz für die gewöhnlichen Energiearten aufgehen, und für die geistige darf nie ein Antheil bleiben; bei der Theorie der Umwandlung muss dagegen während des Denkens ein Antheil der gewöhnlichen Energieen verschwunden sein, ähnlich wie bei der strahlenden Energie während ihrer Existenzdauer in dieser Gestalt die an den wägbaren Dingen haftende Energie scheinbar verschwunden ist. Es ist zur Zeit noch keine Aussicht vorhanden, dies Experimentum crucis mit Erfolg anzustellen, da insbesondere jede abgesonderte Handhabung etwa des Gehirns die vorherige Auslöschung aller geistigen Thätigkeit, d.h. den Uebergang aller vorhandenen geistigen Energie in die gewöhnlichen Formen, zur Folge haben muss. Doch braucht man darum die Sache nicht für ganz hoffnungslos anzusehen, denn da es sich um einen aufweisbaren Unterschied messbarer Grösse handelt, so darf immer mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass hinreichend entwickelte Messmethoden zur Entscheidung der Frage gefunden und ausgebildet werden können. Dann wird mit ja und nein über die Berechtigung der Annahme einer geistigen Energie entschieden werden können; inzwischen wollen wir die Schlüsse aus dieser Annahme weiter verfolgen. Zunächst werden wir festzustellen haben, dass sich geistige Energie in nachweisbarer Menge nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen bildet, wie sie in stufenförmiger Entwicklung bei den verschiedenen Lebewesen gegeben sind. Die Menge und Mannigfaltigkeit der geistigen Arbeitsleistungen nimmt so ersichtlich mit dem Aufsteigen in der Reihe der Lebewesen zu und übertrifft beim Menschen so erheblich die entsprechenden Beträge bei den niedrigen Organismen, dass man zu dem Schlüsse geführt wird, die geistige Energie sei eine Form, die
ENTSTEHUNG
DES
LEBENS
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nur unter bestimmten, nicht leicht herzustellenden Voraussetzungen von lebenden Organismen in bemerkbarer Menge gebildet werden kann, während sie unter gewöhnlichen Umständen in anorganischen Gebilden entweder gar nicht entsteht, oder doch in so geringer Menge, dass sie nicht nachweisbar ist. Wir müssen hier auf die Betrachtungen über die energetischen Bedingungen des Lebens zurückgreifen. Zunächst hatten wir den Organismus als ein im stationären Gleichgewicht stehendes Gebilde erkannt. In einem solchen findet ein beständiger Energieumsatz statt, und damit ist die Möglichkeit der vorübergehenden Entstehung einer besonderen Energieart, wie der geistigen, stets gegeben. Was die Möglichkeit der Ausbildung einer Anordnung anlangt, in welcher derartige Energie entstehen kann, so sind wir allerdings von eingehender Kenntniss weit entfernt. Denn bereits über die Art, in welcher möglicherweise das organische Leben zuerst aus dem anorganischen entstanden sein mag, lassen sich kaum Vermuthungen aufstellen. Unsere chemischphysiologische Kenntniss ist hierzu einstweilen noch nicht ausreichend. Ich möchte nur meine allgemeine Ansicht dahin aussprechen, d a s s ich eine solche Entstehung für möglich halte, und d a s s ich in der Auslese des Dauernden im Sinne des DARWlN'schen Gedankens ein zureichendes Princip sehe, um eine solche Entstehung entwicklungsgeschichtlich denkbar zu machen. Ich möchte hierbei keineswegs die ausserordentlichen Schwierigkeiten verschleiern, die der Durchführung eines solchen Gedankens im Wege stehen. Aber es erscheint mir doch denkbar, d a s s im Laufe einer langen Zeit zwischen den zahllosen unvollkommen stationären Gebilden, die sich immer wieder bilden, einige vollkommen dauerhafte entstanden sind. Dass diese Dauer sich gerade an den eiweisshaltigen Gebilden zeigt, die wir gegenwärtig als Lebewesen kennen, und d a s s sie ausschliesslich auf dem Wege der individuellen Vermehrung durch Spaltung oder Zeugung durchgeführt wird, sind Eigenthümlichkeiten, deren Verständniss der Zukunft anheimzustellen ist. In dieser Beziehung dürfen wir uns nicht scheuen, sehr grosse Wechsel auf den wissenschaftlichen Credit
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BAS
GEISTIGE
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zu ziehen. Man macht gerade in solchen Fragen nur zu leicht den Fehler, dass man die Summe der g e g e n w ä r t i g e n wissenschaftlichen Kenntnisse als das Kapital ansieht, aus dem a l l e Bedürfnisse des Verständnisses und der Erklärung der vorhandenen Welt bestritten werden müssen. Ein solches Prinzip hat nur Geltung für den Theil der Erfahrung, der von unserer unmittelbaren Thätigkeit abhängt, d. h. für die künstlich gemachten Dinge. Die natürlich, d. h. ohne menschliches Zuthun, entstandenen Dinge sind dagegen vom Stande der menschlichen Kenntniss ganz unabhängig und benutzen ohne Rücksicht auf diese Mittel und Energieen, von denen wir vielleicht erst nach Jahrhunderten und Jahrtausenden Kenntniss haben werden. Wir werden uns also hüten müssen, in den eben behandelten Gebieten der Lebenserscheinungen alles mit Gewalt aus den vorhandenen Kenntnissen erklären zu wollen, und müssen uns zur Zeit darauf beschränken, die M ö g l i c h k e i t oder U n m ö g l i c h k e i t bestimmter Verhältnisse innerhalb des Kreises unserer gegenwärtigen Kenntnisse festzustellen. Nun würde die Entstehung stationärer Gebilde, die den Lebewesen entsprechen, mit keinem der bisher bekannten allgemeinen Gesetze in Widerspruch treten; insbesondere ordnen sich die Lebewesen, so eingehend man sie auch nach dieser Richtung geprüft hat, durchaus den Energiegesetzen unter. Gehen wir mit solchen Gesichtspunkten an unsere Aufgabe, so haben wir bereits (S. 363) einige Vorgänge an Lebewesen, die wegen ihrer Zweckmässigkeit den Eindruck bewussten Handelns machen, auf einfache physikochemische Wirkungen zurückführen können. In solchen Fällen ist also die Annahme einer besonderen geistigen Energie zunächst entbehrlich, und wir werden demgetnäss auch kein Mittel haben, eine solche nachzuweisen. D a g e g e n s c h e i n t ein d e r a r t i g e s B e d ü r f n i s s d o r t einzutreten, wo Reizleitungen mittelst nervöser Appar a t e in W i r k u n g k o m m e n . Schon bei den allgemeinen Betrachtungen über diese Vorgänge (S. 355) ergab sich als die kürzeste Form der Darstellung der vorhandenen Verhältnisse die Annahme einer „Nervenenergie", die sich aus den Energieen
NER VENEN ER GIE
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bildet, welche auf die Empfangsapparate übergehen, und welche andererseits die Auslösung irgend einer anderen vorräthig gehaltenen Energiemenge zu bestimmter Leistung bewirkt. Eine solche Annahme war nöthig, da zwar zwischen Reiz und Wirkung ein Verhältniss der Abstufung besteht, aber durchaus kein quantitatives Umwandlungsverhältniss, wie bei den gewöhnlichen Energieumwandlungen. Allerdings dürfen wir nicht behaupten, dass diese Reizübertragung nicht durch irgend eine bekannte Energie (oder eine Combination solcher) bewerkstelligt werden könnte. Wenn wir daher von einer besonderen Nervenenergie sprechen, so dürfen wir es nur unter dem Vorbehalt, dass vielleicht eine derartige Zurückführung oder Zerlegung sich später als ausführbar erweisen wird. Was wir also eben geistige Energie genannt haben, fällt mit dem früher aufgestellten Begriff der Nervenenergie zunächst zusammen. Wenn weiterhin der Ausdruck Nervenenergie benutzt wird, so soll darunter folgendes verstanden werden. Durch den Reiz wird dem Lebewesen eine bestimmte Menge freier Energie zugeführt. Diese verwandelt sich im Körper in eine zur Zeit nicht weiter bekannte Form, welche durch den nervösen Apparat an andere Körpertheile geführt wird, und dort je nach Umständen äussere Arbeiten oder andere Energiemengen ähnlicher nervöser Beschaffenheit auslöst. Ersteres findet in den Muskeln und den anderen Apparaten äusserer Thätigkeit statt, letzteres in den nervösen Zwischen- und Centraiorganen, den Ganglienzellen, dem Gehirn und Rückenmark. Die in d e m gesammten nervösen Apparat thätige Energieform n e n n e n wir N e r v e n e n e r g i e . Von dem Vorhandensein der Nervenenergie haben wir zunächst o b j e k t i v Kenntniss, indem wir die Thatsache der Reizleitung feststellen. Ferner ist uns die anatomische Aehnlichkeit der Empfindungs- wie der Bewegungsnerven mit den Leitungen bekannt, welche sich häufig zwischen diesen und dem Gehirn eingeschaltet finden, und wir wissen, dass eine Durchschneidung oder sonstige Hemmung in diesen Leitungen das Ausbleiben der B e w u s s t s e i n s e r s c h e i n u n g e n bewirkt.
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Wir haben darnach allen Grund, die subjektiv bekannten Bewusstseinserscheinungen mit den objektiven Reizleitungen in engen Zusammenhang zu bringen und die ersteren gleichfalls als Wirkungen oder Eigenschaften der Nervenenergie anzusehen. Hiernach läge in den Thatsachen des Bewusstseins eine zweite subjektive Quelle unserer Kenntniss der Nervenenergie vor. Diese fliesst zwar viel reichlicher, als die objektive, da sie sich stets bethätigt, wenn wir bewusste geistige Thätigkeit üben, sie hat aber den grossen Nachtheil, dass sie uns nur die Ergebnisse, nicht aber die Wege kennen lehrt, auf denen sie zu Stande kommt. Für eine wissenschaftliche Theorie des geistigen Lebens wird man aber beide Mittel der Forschung anzuwenden haben, und es wird Sorge zu tragen sein, die Ergebnisse des einen mit denen des anderen im Einklänge zu halten, d. h. jede Auffassung zu verwerfen, welche diesen Zusammenhang vernachlässigt. Dadurch, dass wir in dem nun betretenen Gebiete die Untersuchung der Denkgesetze selbst mittelst des Denkens vorzunehmen haben, gerathen wir in besondere Schwierigkeiten. Die so überaus nothwendige objektive Controle, welche in den anderen Gebieten des Wissens mehr oder weniger reichlich ausführbar ist, fällt nahezu fort, wenn wir durch die blosse Analyse unseres Bewusstseinsinhaltes zu allgemeinen Ergebnissen kommen wollen, und die objektive Untersuchung der Nervenleitungen ist in einigem Umfange nur bei Thieren dem Versuch zugänglich und versagt völlig den höheren geistigen Functionen des Menschen gegenüber. Hier gewähren gelegentliche und zufällige Beobachtungen bei Krankheiten und Verletzungen nur eine spärliche Hilfe, da in solchen Fällen die Heilung, d. h. die Abkürzung oder Beseitigung der Störung, die erste Aufgabe i s t So werde ich mich an dieser Stelle auch nur auf allgemeine Umrisse beschränken müssen und meine Aufgabe als erfüllt ansehen, wenn ich die Möglichkeit aufzeigen kann, auch die geistigen Erscheinungen unter dieselben allgemeinsten Begriffe zu ordnen, welche uns der physischen Welt gegenüber von Nutzen gewesen sind.
EMPFINDEN
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HANDELN
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Verfolgen wir nun zunächst die Schicksale der Nervenenergie im Körper, so werden wir drei Vorgänge unterscheiden können. Es kann erstens durch den Zutritt äusserer Energieen zu den Sinnesapparaten, allgemein zu den mit Nerven versehenen Körpertheilen eine E n t s t e h u n g v o n N e r v e n e n e r g i e stattfinden, welche den Nervenfaden entlang geleitet wird und an dessen anderem Ende ihre Wirkung ausübt. Diese Wirkung besteht zunächst immer in einer Umwandlung in andere Nervenenergie, welche dann in zwei verschiedenen Weisen sich weiter bethätigt. Entweder dient sie zur Auslösung einer H a n d l u n g . Hierunter soll ganz allgemein die Bildung einer nach aussen tretenden Energie verstanden werden, welche auf Kosten der im Organismus vorräthigen Energie (welche meist als chemische anwesend sein wird) erfolgt. Bei weitem die meisten und wichtigsten Handlungen bestehen in mechanischen Vorgängen, bei den höheren Thieren in Muskelzusammenziehungen. Aber wir haben gesehen, d a s s auch alle anderen Energieleistungen der Thiere, wie Wärme, Licht, chemische und elektrische Energie, durch nervöse Apparate ausgelöst und geregelt werden, und wollen also auch diese alle unter den Begriff der Handlungen fassen. Dass diese Handlungen b e w u s s t erfolgen sollen, ist dagegen hierbei nicht vorausgesetzt. Die zweite Art der Umwandlung und damit die dritte Art der Vorgänge, an denen die Nervenenergie betheiligt ist, besteht in solchen Erscheinungen, die mit B e w u s s t s e i n verbunden sind. Anatomisch und physiologisch sind diese Vorgänge an die Betheiligung des Grosshirnes gebunden. Sie entstehen nicht allein bei Bethätigung der durch äussere Reize entstandenen Nervenenergie, sondern haben die Eigenschaft, sich selbst in fast beliebig langer Reihe auszulösen. Die ersten Bewusstseinsvorgänge nennt man Empfindungen, die anderen Gedanken. Die drei Funktionen, welche von der Nervenenergie a b hängen, haben durch die Sprache seit langer Zeit ihre Kennzeichnung erhalten: sie werden als E m p f i n d e n , D e n k e n und H a n d e l n unterschieden und sind bereits von PLATO als die
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grundlegenden Verrichtungen bezeichnet worden. Zwar giebt es noch zahlreiche weitere Gruppen geistiger Thätigkeit, welche sprachliche Sonderung und Auszeichnung erfahren haben, doch dürfen wir zufolge der vorgenommenen energetischen Analyse die drei gefundenen als die wesentlichsten betrachten und den Anspruch erheben, die übrigen vorhandenen Arten unter eine jener drei Hauptgruppen zu bringen. Wir betrachten alle drei gesondert. Was zunächst die E m p f i n d u n g e n anlangt, so muss man eine im Namen liegende Irrthumsmöglichkeit alsbald ausschliessen. Gewöhnlich nennt man Empfindungen nur die B e w u s s t s e i n s v o r g ä n g e , welche durch die Umwandlung der äusserlich erregten Nervenenergie ausgelöst werden, während es bei der angestellten Betrachtung nur auf jene erste Nervenenergie ankommt. Die Entstehung bewusster Vorgänge ist nicht der einzige Weg, auf dem wir von dieser Nervenenergie Kenntniss haben, denn auch andere Vorgänge, z. B. die schwachen elektrischen Ströme, die im bethätigten Nerv verlaufen, verrathen gleichfalls das Auftreten und Verschwinden von Nervenenergie beim Reizen der Sinnesapparate. Wir wollen daher den Namen Empfindung nur dann benutzen, wenn eine mögliche Verwechslung mit den bewussten Umwandlungsprodukten unschädlich ist, und im anderen Falle von E i n d r ü c k e n reden. Der R e i z ist nur die äussere Energie, welche durch den nervösen Apparat in die Nervenenergie des Eindruckes verwandelt wird. Dass der Name Empfindung beibehalten wird, mag damit gerechtfertigt werden, dass die Umwandlung in bewusste Nervenenergie 1 fast der einzige W e g ist, um etwas über die Eindrücke zu erfahren. Das erste und wichtigste Gesetz, welches über die Empfindungen bekannt ist, ist das von JOHANNES MÜLLER aufgestellte Gesetz der s p e c i f i s c h e n S i n n e s e n e r g i e e n , welches besagt, dass die Art der Empfindung nur von der Beschaffenheit des gereizten Nervs abhängt, nicht aber von der Art der Reizung. Man erhält z. B. immer Lichtempfindungen, wenn 1
A u c h diese B e z e i c h n u n g wird alsbald g e r e c h t f e r t i g t w e r d e n .
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man den optischen Nerv reizt, gleichgültig, ob dies durch die Wirkung des Lichtes auf das normale Auge, oder durch die Wirkung irgend welcher Energieen (chemischer, mechanischer, elektrischer) unmittelbar auf den Nerv bewirkt wird. Von unserem energetischen Standpunkte aus ist dies ganz verständlich, ja es muss gefordert werden, denn der Nerv ist ein Apparat, welcher irgend welche andere Energie in die gleiche Nervenenergie verwandelt. Hierbei braucht die Umwandlung verschiedener Energieen keineswegs gleich vollständig zu sein, denn dies hängt ja ganz von der Beschaffenheit des Transformators ab; daher ist es ja auch ganz verständlich, wenn erfahrungsgemäss die verschiedenen Nerven gegen verschiedene Reize ganz abweichende Empfindlichkeiten zeigen. Ob auch die in verschiedenen Nerven entstehenden Nervenenergieen specifische Verschiedenheiten besitzen, ist zweifelhaft. Gemäss unserer Anschauung braucht eine solche Verschiedenheit n i c h t zu bestehen; sie kann vielmehr erst hervorgebracht werden, wenn die Nervenenergie des Eindruckes sich in bewusste Energie verwandelt, und ist dann von dieser zweiten Phase des Vorganges abhängig. Umgekehrt stützen die (freilich bestrittenen) Verheilungsversuche verschiedener durchschnittener Nerven mit einander, bei denen entsprechende Leitung erzielt wurde, vielmehr die Annahme, dass die Energie verschiedener Nerven nur quantitative, nicht qualitative Verschiedenheiten aufweist. Auch im übrigen ist uns die Nervenenergie der Eindrücke fast nur aus ihren unmittelbaren Umwandlungsprodukten, den bewussten Empfindungen, bekannt, und es ist sehr schwer, zu unterscheiden, was bereits im Eindrucke vorhanden war, und was erst bei der Umwandlung hinzukommt. Unter Vorbehalt möglicher Irrthümer sollen daher nur noch einige wichtigere Seiten dieser Geschehnisse erörtert werden. Zwischen dem Reiz und der Empfindung besteht in vielen Fällen eine quantitative Beziehung, welche nach ihren Entdeckern das WEBER-FECHNER'sche G e s e t z heisst. Es besagt, dass nicht die absoluten, sondern die relativen Aenderungen des Reizes die Verschiedenheiten der Empfindung bedingen. Bestimmt OSTWALD, Naturphilosophie. III. Auflage,
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GEISTIGE
LEBEN
man beispielsweise, um wieviel man zwei verschiedene Lichtreize vermehren muss, damit der Unterschied eben erkannt wird, so findet sich, dass nicht die Vermehrung um gleiche absolute Lichtmengen, sondern um gleiche Bruchtheile der vorhandenen Menge die gleiche Wirkung ergiebt. In mathematischer Form kann man dies dahin ausdrücken, dass die Aenderung der Empfindung nicht proportional der Aenderung des Reizes ist, sondern proportional der Aenderung des Logarithmus des Reizes. Je grösser also der Reiz ist, um so grösser muss auch seine Aenderung sein, damit sie gleiche Wirkung auf die Empfindung hervorruft. Es ist viel darüber verhandelt worden, an welcher Utnwandlungsstelle diese Abweichung von der Proportionalität eintritt. Ich darf mich nicht als zuständig in dieser Angelegenheit bezeichnen, und die nachfolgende Darlegung soll daher nur ein bescheidener Beitrag sein. Mir scheint, dass bereits beim ersten Uebergange der äusseren Energie in Nervenenergie dies Verhältniss eintritt, so d a s s die durch verschieden grosse Reize erzeugte Energie des Eindrucks nur dem Logarithmus des Reizes, nicht diesem selbst proportional ist. Denn durch W. PFEFFER ist bei sehr einfach organisirten Lebewesen ohne jedes gehirnähnliche Centraiorgan, nämlich bei Schwärmsporen von Algen und bei Bakterien nachgewiesen worden, dass ihre Anlockung durch chemische Reize gleichfalls dem WEBERFECHNER'schen Gesetze unterworfen ist, indem sie durch die V e r h ä l t n i s s e , nicht durch die D i f f e r e n z e n der Concentration der gelösten chemotaktisch wirkenden Stoffe bestimmt wird. Da in diesen Fällen sehr wahrscheinlich eine unmittelbare Bet ä t i g u n g der durch den Reiz gebildeten „Nervenenergie" für die Bewegung vorliegt, 1 so liegt auch die erwähnte Annahme nahe. Ein Ueberblick über die verschiedenen Arten der E m p f i n d u n g ergiebt sich durch die Betrachtung der verschiedenen Wege, auf denen die Energie in den Körper gelangt. Demnach giebt es so viele Klassen von Empfindungen, als es Arten von Sinnesapparaten giebt, und es ist auf die Betrachtungen 1
Ich verkenne nicht, dass dieser Sch'.uss beanstandet werden kann.
EMPFIND
UNG EN
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von S. 53 u. ff. zu verweisen, wo diese Arten einer allgemeinen Gruppirung unterzogen worden sind. Für uns ist es jetzt wichtig, daran zu erinnern, dass den Empfindungen, je nach ihrer Verwendung für die praktischen Zwecke unserer Lebenserhaltung und -gestaltung, eine verschiedene Klarheit und Bewusstheit zukommt, die aber keineswegs mit ihrer Wichtigkeit für die Lebenshaltung im allgemeinen zusammenhängt, sondern wesentlich durch die Beziehung zu den w i l l k ü r l i c h e n Handlungen bestimmt ist. Es ist leicht verständlich, dass nur solche Empfindungen den Weg durch den mit Bewusstsein arbeitenden Theil des Centraiorgans nehmen, welche zu irgend welchen b e w u s s t e n H a n d l u n g e n führen, während solche, deren Zusammenhänge mit den Lebensvorgängen die Mitwirkung des Bewusstseins nicht voraussetzen, auch nicht diesen Umweg gehen. Die letzteren pflegen erst dann in das Bewusstsein zu gelangen, wenn eine Störung des regelmässigen Ablaufes eintritt. Ein schon von HELMHOLTZ angeführtes Beispiel hierfür sind die Flecken im Gesichtsfelde infolge kleiner, meist beweglicher undurchsichtiger Bestandtheile des Glaskörpers im Auge, deren Anwesenheit im Gesichtsfelde überhaupt für gewöhnlich nicht ins Bewusstsein gelangt und deren Nachweis besonderer Maassnahmen bedarf. Werden diese Störungen durch irgend eine Ursache einmal besonders stark empfunden, so treten sie auch im Bewusstsein auf. Ebenso empfindet der Städter die unaufhörlichen Geräusche der Strassen nicht bewusst, während jeder ungewöhnliche Ton dazwischen, wenn er auch viel schwächer ist, als der allgemeine Lärm, alsbald seine Aufmerksamkeit erregt, d. h. in das Bewusstsein tritt. Deshalb besteht ein stetiger Uebergang zwischen den bewussten Sinnesempfindungen, den weniger bewussten und schliesslich solchen, bei denen nur eintretende Aenderungen oder Störungen bewusst werden. Dies ergiebt einen stetigen Uebergang der Empfindungen zu den G e f ü h l e n . Bei diesen letzteren tritt gleichzeitig auch die den höheren Sinnesempfindungen eigene ö r t l i c h e Bestimmtheit zurück, denn auch diese verliert sich in dem Maasse, als die verursachenden Vorgänge der willkürlichen Einwirkung sich entziehen, wie z. B. 25*
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DAS
GEISTIGE
LEBEN
alle im Inneren des Körpers verlaufenden animalischen Vorgänge. Die meisten Gefühle gruppiren sich um die Hauptgefühle der L u s t und U n l u s t , und es erscheint als durchführbar, die anderen Gefühle auf die Mitwirkung mehr oder weniger lokalisirter Empfindungen zurückzuführen. Doch soll auf diesen streitigen Punkt der heutigen Psychologie nicht näher eingegangen werden, da seine Entscheidung für die vorliegenden Fragen nicht unbedingt nöthig ist. Dem vollkommen stationären Energiestrome, der für das normale Leben kennzeichnend ist, entspricht ein neutraler „Gefühlston", indem die vorkommenden Empfindungen nicht als Störungen oder Förderungen dieses regelmässigen Verlaufes erscheinen, sondern zu dem normalen Bestände des Ablaufes gehören. Sie erwecken nur insofern ein Interesse, als sie die Kennzeichen gewähren, nach denen gewisse gleichfalls regelmässige und nützliche Handlungen ausgelöst werden. Das Interesse an ihnen ist mit anderen Worten mehr objektiv als subjektiv. Dagegen wird jede F ö r d e r u n g des E n e r g i e s t r o m e s als angenehm, jede Störung desselben als u n a n g e n e h m e m p f u n d e n . Da vermöge des Princips der Auslese (S. 333) alles Leben auf die Vermehrung seiner Dauer gerichtet ist, erhalten die Gefühle der Lust und Unlust ihre Zweckbegründung, indem ihretwegen die fördernden Einflüsse aufgesucht, die störenden vermieden werden. Lust- und Unlustgefühle sind also Hilfsmittel, welche im Sinne der Erhaltung des Organismus wirken, und deren Ausbildung daher vermöge ihrer Zweckmässigkeit begreiflich ist. Die Angemessenheit dieser Auffassung ergiebt sich bei etwas eingehender Betrachtung alltäglicher Erfahrungen. Das Spielen junger Menschen und Thiere, Singen und Tanzen, Turnen und Sport sind alles Beispiele für den Satz, dass ein gesteigerter Energiestrom im Organismus Lustgefühle hervorruft. Und zwar wird man hier mehrfache Seiten der Erscheinung zu bezeichnen haben. Zunächst ist nicht der Besitz, sondern der V e r b r a u c h überschüssiger Energievorräthe in solchem
LUST
UND
UNLUST
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Sinne von Lustgefühlen begleitet. Im jungen Organismus ist die Verwerthung der als Nahrung aufgenommenen chemischen Energie besonders lebhaft, und es sind daher die verfügbaren Ueberschüsse besonders gross. Daher die herzerfrischende Fröhlichkeit und Lebenslust der gesunden Jugend und ihr nicht zu bändigendes Bediirfniss, diesen Ueberschuss durch irgend welche Bethätigung nach aussen abzugeben. Daher erfährt auch die Lustempfindung ihre höchste Steigerung in dem mit maximaler Energieausgabe verbundenen Geschlechtsakt. In den meisten Fällen wird bei Gelegenheit solcher Ausgaben überschüssiger Energie mehr verausgabt, als dem Ueberschuss entspricht; es tritt daher eine Unterbilanz und das entsprechende Unlustgefühl ein. Dies ist die Quelle des „Katzenjammers" in allen seinen verschiedenen Formen; er ist dadurch gekennzeichnet, dass der Betrag des normalen Energiestromes nicht hergestellt werden kann. Das Mittel zu seiner Heilung ist naturgemäss die Zuführung genügender Energie, um die regelmässigen Vorgänge wieder zu ermöglichen. Allerdings ist dies durch die gewöhnliche Nahrungsaufnahme allein nicht gethan, denn es kann für das Gesammtgefühl nur der Theil der Energie in Betracht kommen, welcher wirklich ein Bestandtheil des Körpers ist, also der a s s i m i l i r t e Theil der Nahrung. Wenn der Organismus nicht fähig ist, den Verlust durch genügend schnelle Verarbeitung der Nahrung wieder einzubringen, so ist die Nahrungsaufnahme allein nutzlos. Dies tritt ein, wenn durch wiederholte übermässige Energieausgaben der gesammte Apparat in seiner regelmässigen Function gestört ist, und alle Wiederherstellung kommt daher in erster Linie auf Wiederherstellung der Assimilation hinaus. Die allmählich im Laufe der Zeit eintretende Verschlechterung auch des regelmässig lebenden Organismus in solcher Richtung ist das entscheidende Kennzeichen des A l t e r s , dessen durchschnittliche Stimmung daher vom mittleren oder neutralen Gefühlstone durchaus nach der Minusseite, im Sinne der Unlust, abweicht. Daher sind auch die Vorgänge, welche mit der A u f n a h m e und S p e i c h e r u n g der Körperenergie verbunden sind, sekundär
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mit Lustgefühlen gekoppelt. Essen und Trinken macht Mensch und Thier vergnügt, und es ist daher physiologisch ganz begründet, dass man Feste nicht feiert, ohne für das entsprechende Festessen zu sorgen. Die Wirkung der nicht als Nahrungsmittel aufzufassenden berauschenden und anregenden Getränke beruht hierbei auf der Unterdrückung der den Energiestrom h e m m e n d e n Factoren, deren Ausbildung im Organismus für die Zwecke des regelmässigen Haushaltes ebenso nothwendig ist, wie die der Beschleuniger. Daher ist mit dem Genüsse derartiger Excitantien eine darauffolgende besonders grosse Erschöpfung verbunden, weil der Verbrauch des Energievorrathes noch weiter unter den Normalzustand zu gehen pflegt, als bei einer gewöhnlichen Ermüdung. Dauernde Unlustzustände treten ausser im Alter auch in allen Fällen ein, wo durch irgend welche Ursache der Energiestrom unter die Norm vermindert wird. Schlechte Ernährung hat in allen Formen diesen Erfolg, sei sie unmittelbar durch ungenügende Aufnahme, sei sie durch ungenügende Verarbeitung der Nahrungmittel verursacht. In solchem Sinne wirkt beispielsweise alle Arbeit, bei der der Verbrauch nicht vollständig ersetzt wird. An und für sich wirkt Arbeit bei ausreichender Ernährung im Sinne der Lusterregung, da sie den Energiestrom vermehrt; die deprimirende Wirkung ist erst eine Folge davon, dass die Ausgabe dauernd die Einnahme überwiegt. Ist letzteres bei demselben Individuum während längerer Zeit der Fall, so erhält natürlich die Arbeit secundär einen negativen Gefühlston, und völliger Müssiggang erscheint als ein wünschenswerther Zustand. Ebenso werden aber dauernde Unlustgefühle erregt, wenn durch Störung des Stoffumsatzes der Energiestrom trotz reichlicher Nahrungszufuhr geschwächt wird. Der vielessende Melancholiker mit schlechter Verdauung stellt gegenüber dem hungernden Fabrikproletarier den anderen Typus des unlustigen Menschen dar. Es bedarf kaum einer näheren Auseinandersetzung, um die Umkehrung dieser Verhältnisse in solchem Sinne aufzuzeigen, dass durch anderweit verursachte Gefühlsdepressionen auch
LUST
UND
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der Energiestrom vermindert und durch Steigerung der Lustgefühle vermehrt wird. Die bleichen und hohlen Wangen und trüben Blicke des Traurigen gegenüber den runden gerötheten Wangen und den glänzenden Blicken des Heiteren reden in dieser Beziehung die deutlichste Sprache. Doch verhalten sich in Bezug auf ihre Selbststeigerung die beiden Gefühlsstimmungen verschieden. Die Lustempfindungen können im allgemeinen den Energiestrom nicht bis ins Unbegrenzte steigern, da durch die entsprechende Bethätigung der Ausgabe die Steigerung immer wieder aufgehoben wird; s i e w i r k e n a l s o s e l b s t e r h a l t e n d . Umgekehrt bewirkt die Unlust, wenn sie dauernd ist, eine Verminderung des Stromes gleichzeitig mit einer Verminderung der Energieaufnahme und der Organismus wird immer weiter nach der ungünstigen Seite verschoben. S i e w i r k e n a l s o s e l b s t z e r s t ö r e n d auf den Organismus. Daher gehen an trüben Empfindungen viel mehr Menschen zu Grunde, als an übermässiger Freude, und insofern haben die eudämonistischen Formen der praktischen Philosophie, d. h. solche, welche auf eine Vermehrung der Lustempfindungen Gewicht legen, in einem bestimmten, ziemlich ausgedehnten Umfange Recht. 1 1
Es ist vielleicht g u t zu bemerken, dass einigermaassen ähnliche Ge-
danken vielfach ausgesprochen worden nicht in der bestimmten hat
Form,
wie
sind,
die
der Astrophysiker ZÖLLNER den Satz Atome
verbunden
seien
auch
aktuelle
und
umgekehrt
Uebergänge seien.
Voraussetzung dieser
beiden
gemacht,
dass
Energieformen
zwischen
Umwand-
Lustgefühlen
der
Uebergänge
von
Hierbei
alle V o r g ä n g e
Wissens
Insbesondere
dass alle
mit
aktueller Energie in potentielle mit Unlustgefühlen. physische
meines
dargelegten.
aufgestellt,
lungen potentieller Energie in der Welt in entsprechenden
wenn
oben
in
ist die metader
Atomen
Welt
auf
zurückführbar
Wie man sieht, fehlt hier g a n z die im Text gegebene Beziehung auf
den Lebensbegriff,
abgesehen
Voraussetzungen.
Insbesondere
Verhältniss zwischen Lust
von ist
der
hypothetischen Beschaffenheit
nicht
und Unlust
leicht
einzusehen,
nicht gerade
das
der
warum
das
umgekehrte
ist.
Auch die der wissenschaftlichen Bearbeitung viel zugänglicheren Beziehungen zwischen verschieden starken E r r e g u n g s z u s t ä n d e n
und den Lust- und
Unlustgefühlen scheinen keine allgemeine und eindeutige A u f f a s s u n g zu möglichen.
er-
NEUNZEHNTE VORLESUNG
DAS
BEWÜSSTSEIN
n die Vorgänge der durch den Eintritt äusserer Energie bewirkten Eindrücke und Empfindungen, die wir als die Entstehung von Nervenenergie auf Kosten der äusseren . Energie auffassen, können sich zweierlei W i r k u n g e n schliessen. Entweder bewirken die Empfindungen unmittelbar eine Reaction in solcher Weise, dass eine H a n d l u n g im allgemeinsten Sinne, d. h. eine Energieleistung des Organismus nach aussen eintritt, oder es schalten sich noch Umwandlungen der zuerst entwickelten Nervenenergie in andere Formen derselben Energie dazwischen. Da auch die Auslösung einer Handlung meist auf einer dazwischen erfolgenden Umwandlung beruht, so ist diese die allgemeinere Erscheinung und soll zunächst besprochen werden. Die Umwandlung der im Sinnesapparat hervorgebrachten Nervenenergie geschieht sehr wahrscheinlich in den Organen, welche man als G a n g l i e n z e l l e n bezeichnet hat, und die sich stets an einem Ende jedes Nervenfadens befinden. Der hier stattfindende Vorgang darf nicht als eine blosse Energieumwandlung aufgefasst werden, sondern er hat den Charakter einer v e r h ä l t n i s s m ä s s i g e n A u s l ö s u n g (S. 354). Es wird mit anderen Worten die eintretende Nervenenergie dazu verwendet, vorhandene Energievorräthe, wahrscheinlich chemischer Natur, durch Bethätigung eines Auslösevorganges in neue Nervenenergie zu verwandeln, deren Betrag je nach Beschaffenheit des Transformators in sehr verschiedenem Verhältniss zu dem Betrage
BEWUSSTE
NERVENENERGIE
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der eintretenden Energie stehen kann. Insbesondere tritt hier die bereits mehrfach erwähnte Thatsache der G e w ö h n u n g ein, derart, dass um so weniger auslösende Energie für die Entstehung einer gegebenen Menge ausgelöster erforderlich ist, je häufiger ein gleicher oder ähnlicher Vorgang in dem betreffenden Gebilde abgelaufen ist. Diese neu entstandene Nervenenergie geht nun entweder in das Centraiorgan über, oder nimmt ihren Weg nach den Apparaten, in welchen der Körper nach aussen tretende Energie entwickelt. Im ersten Falle entsteht Bewusstsein, im anderen eine unbewusste Handlung oder ein R e f l e x . Diese Deutung der Nervenvorgänge ist durch die anatomischen und physiologischen Befunde so vielfältig nahe gelegt worden, dass wir sie als richtig ansehen dürfen. H i e r n a c h s c h l a g e ich I h n e n v o r , d a s B e w u s s t s e i n a l s e i n e E i g e n s c h a f t e i n e r b e s o n d e r e n Art d e r N e r v e n e n e r g i e a u f z u f a s s e n , n ä m l i c h der, w e l c h e im C e n t r a i o r g a n b e t h ä t i g t wird. Dass nicht alle Nervenenergie Bewusstsein bewirkt, scheint unzweifelhaft daraus hervorzugehen, dass nach der Ausschaltung des Bewusstseins im Schlafe, durch Betäubung oder Narkose eine grosse Anzahl von Nervenapparaten, nämlich alle, welche die unwillkürlichen Vorgänge des Körpers, wie Herzschlag, Athmen, Verdauung, Drüsenausscheidung, ordnen, regelmässig weiter arbeiten, ohne durch das Fehlen des Bewusstseins gestört zu werden. Ebenso werden in solchen Zuständen oft Handlungen richtig ausgeführt, die gewöhnlich bewusst und willkürlich' ausgelöst werden. In welcher Weise sollen wir nun Bewusstsein und Nervenenergie als verbunden ansehen? Mir scheint, dass man diese Verbindung so eng wie möglich auffassen muss, und ich bin geneigt, das Bewusstsein ebenso als ein wesentliches Kennzeichen der Nervenenergie des Centraiorgans anzunehmen, wie etwa die räumliche Beschaffenheit ein wesentliches Kennzeichen der mechanischen Energie und die zeitliche eines der Bewegungsenergie ist. Dies wird klarer, wenn wir uns auf den Ausgangspunkt unserer Betrachtungen besinnen. Nach diesem rührt ja unsere ganze Kenntniss der Aussenwelt von Vorgängen her,
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DAS
BEWUSSTSEIN
die in unserem Bewusstsein erfolgen. Aus den gemeinsamen Bestandtheilen dieser Erfahrungen hat sich der E n e r g i e b e g r i f f als der allgemeinste herausgestellt, und nach der Beschaffenheit dieser Erfahrungen und ihrer gegenseitigen Beziehungen haben wir verschiedene Arten der Energie unterschieden, die sich in einander umwandeln. Wir verfahren daher nur consequent, wenn wir die Quelle aller dieser Inhalte, unser Bewusstsein selbst, mit diesem allgemeinsten Begriff in Zusammenhang bringen und mit K A N T sagen: Alle unsere Vorstellungen von der Aussenwelt sind subjectiv insofern, als nur solche Bethätigungen derselben von uns aufgenommen werden, welche der Beschaffenheit unseres Bewusstseins entsprechen. Dass nun alle äusseren Geschehnisse sich als Vorgänge zwischen Energieen darstellen lassen, erfährt seine einfachste Deutung, wenn eben u n s e r e B e w u s s t s e i n s v o r g ä n g e s e l b s t energetische sind und diese ihre Beschaffenheit allen äusseren Erfahrungen aufprägen. Ich will von Ihnen für diesen Gedanken kein grösseres Entgegenkommen beanspruchen, als dass Sie ihn für einen Versuch nehmen, zu einer einheitlichen Weltauffassung zu gelangen. Er ist als ein vorläufiger Ansatz anzusehen, wie er immer gemacht werden muss, wenn es sich entweder um die gedankliche Bewältigung eines neuen Gebietes, oder um einen neuen Weg zur Bewältigung eines alten handelt. Die experimentelle Prüfung, welcher man einen solchen Gedanken unterzieht, besteht in der Entwicklung aller seiner Consequenzen und in dem Vergleich der bekannten Thatsachen mit diesen. Nun sind alle Psychologen darüber einig, dass energetische Vorgänge alle geistigen, insbesondere die bewussten begleiten, und dass alles Denken, Empfinden und Wollen einen Energieverbrauch bedingt Doch hat man sich zum Verständniss dieser Thatsache mit der Lehre vom p s y c h o p h y s i s c h e n P a r a l l e l i s m u s begnügt. Dieser hat in seiner älteren, ihm von SPINOZA gegebenen Gestalt den Inhalt, dass die geistigen und die physischen Vorgänge verschiedene Seiten desselben thatsächlichen Geschehens seien, und je nachdem man die Substanz nach der Seite der Ausdehnung (der physischen) oder der des Denkens
PS YCH 0 PH FS IS CHER
PARALLELISMUS
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(der psychischen) betrachte, erhalte man die einen oder die anderen Erscheinungen. Die neuere Lehre vom psychophysischen Parallelismus verwirft diese Auffassung als unwissenschaftlich und setzt dafür ein Parallelgehen zweier neben einander bestehender, aber vermöge der Unvergleichbarkeit ihrer Glieder niemals direct in einander greifender Kausalreihen. Es fällt mir schwer, zwischen diesem Prinzip und dem LElBNiz'schen der prästabilirten Harmonie einen anderen Unterschied zu entdecken, als er durch das Hinzutreten des hypothetischen Begriffes der Monade bei LEIBNIZ und der Materie bei den Modernen bewirkt wird. Auch geben die Vertreter dieser Anschauung zu, dass in diesem Nebeneinander etwas Unbefriedigendes liegt, was die fortschreitende Arbeit des Menschengeistes beseitigen muss. Dass der einigende Gedanke aber n u r im Gebiete der Metaphysik aufzufinden sei und über das Gebiet der Naturwissenschaft, der sowohl die Physiologie wie die Psychologie angehört, nothwendig hinausgehe, dürfte angesichts des Fortschrittes aller Wissenschaft kaum als eine wahrscheinliche Behauptung angesehen werden. Noch immer hat die Zeit dem Unrecht gegeben, der die Unmöglichkeit irgend eines im Sinne der regelmässigen Entwicklung liegenden Fortschrittes behauptet hat. Wenn man sich Rechenschaft darüber zu geben versucht, wodurch dieser schwierige Gedanke des unabhängigen Parallelismus entstanden ist, so ergiebt sich als seine Quelle der m e c h a n i s t i s c h e M a t e r i a l i s m u s . Bereits LEIBNIZ hat diesen Zusammenhang klar gesehen; in unserer Zeit hat DU BOIS-REYMOND durch die Aufstellung seines „Ignorabimus" die Sachlage deutlich beleuchtet. LEIBNIZ weist darauf hin, dass wenn wir uns ein menschliches Gehirn unter Wahrung aller Verhältnisse so gross dächten, dass wir hinein sehen und darin herum gehen könnten, „wie in einer Mühle", und alle Mechanismen der Gehirnatome vollständig kennen lernten, wir doch nur bewegte Atome sehen würden, und nichts von den Gedanken, welche diesen Bewegungen entsprechen. Aehnliches entwickelt DU BOIS-REYMOND in seiner Rede über die Grenzen des Naturerkennens. Indem er die Kenntniss der Massen, Geschwindigkeiten, Lagen und Kräfte der Gehirnmolekeln als astronomische
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DAS
BEWUSSTSEIN
Kenntniss derselben bezeichnet, sagt er: „Was aber nun die geistigen Vorgänge selbst betrifft, so zeigt sich, dass sie bei astronomischer Kenntniss des Seelenorgans uns ganz ebenso unbegreiflich wären, wie jetzt. Im Besitze dieser Kenntniss ständen wir vor ihnen wie heute als vor einem völlig Unvermittelten. Die astronomische Kenntniss des Gehirns, die höchste, die wir davon erlangen können, enthüllt uns darin nichts als bewegte Materie. Durch keine zu ersinnende Anordnung oder Bewegung materieller Theilchen aber Iässt sich eine Brücke ins Reich des Bewusstseins schlagen." Ich weiss keinen überzeugenderen Beweis für den philosophischen Werth der energetischen Weltanschauung, als den hier zu Tage tretenden Umstand, dass dieses alte Problem in ihrem Lichte alle seine Schrecken verliert. Denn die Schwierigkeit rührt ja nur daher, dass LEIBNIZ wie DU BOIS-REYMOND mit DESCARTES für die physische Welt die Annahme machen, sie bestehe aus nichts als bewegter Materie. In einer solchen Welt kann freilich der Gedanke keine Stelle haben. Wir, die wir die Energie als letzte Realität ansehen, empfinden von solchen Unmöglichkeiten nichts. Wir haben gesehen, dass sich zunächst die Bethätigungen der Nervenleitung ohne Widerspruch auf energetische Vorgänge zurückführen lassen, und wir haben gesehen, dass die mit Bewusstsein verbundenen Nervenvorgänge sich den unbewussten stetig anschliessen. Ich habe mir die grösste Mühe gegeben, irgend eine Absurdität oder Undenkbarkeit in der Annahme zu finden, dass bestimmte Energiearten Bewusstsein bedingen: ich habe nichts Derartiges zu entdecken vermocht. Wir werden uns alsbald bei der Untersuchung der wichtigsten Bewusstseinserscheinungen überzeugen, dass sie energetisch bedingt sind, und es macht mir nicht mehr Schwierigkeiten, zu denken, dass kinetische Energie B e w e g u n g bedingt wie dass Energie des centralen Nervensystems Bew u s s t s e i n bedingt. Gleichzeitig erkennen wir, dass die mit Bewusstsein verbundene Energie die höchste und seltenste Energieart ist, die uns bekannt ist. Sie entsteht nur in besonders entwickelten Orgarien, und auch die Gehirne verschiedener Menschen zeigen
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die grössten Verschiedenheiten in der Menge und Wirksamkeit solcher Energie. Es darf uns nicht wundern, dass solche Energie nur unter besonderen Umständen entsteht. Für die Bildung elektrischer Energie durch Druck sind auch unter den zahllosen Krystallen nur verhältnissmässig wenige befähigt, nämlich nur solche, in welchen einseitige Axen vorkommen. Und die in neuerer Zeit untersuchten Strahlungen des Urans und einiger anderer Elemente sind Energiebethätigungen, deren Vorkommen noch seltener und deren Entstehungsbedingungen noch eingeschränkter sind. Noch einem anderen schwierigen Gedanken entgehen wir auf gleichem Wege. Wenn im Menschen mit der „Materie" seines Gehirnes erfahrungsmässig Geist verbunden ist, so ist nicht einzusehen, warum nicht mit aller anderen Materie Geist verbunden sein soll. Denn die Elemente Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Phosphor im Gehirn sind keine anderen, als die überall auf der Erde vorkommenden; sie werden vermöge des Stoffwechsels immer wieder durch andere ersetzt, deren Herkunft fiir ihre Wirkung im Gehirn ganz gleichgültig ist. Ist also der Geist eine Eigenschaft oder Wirkung des Stoffes im Gehirn, so muss diese Eigenschaft gemäss dem Gesetz von der Erhaltung des Stoffes den von der Mechanistik vorausgesetzten Atomen unter allen Umständen zukommen, und der Stein, der Tisch, die Cigarre sind beseelt, ebenso wie der Baum, das Thier und der Mensch. In der That drängt sich dieser Gedanke, wenn man die Voraussetzung zugiebt, so unwiderstehlich auf, dass man in der neueren philosophischen Litteratur ihn entweder als richtig oder doch wenigstens als angemessen empfiehlt, oder aber zu seiner Vermeidung einen entschlossenen und unüberbrückbaren Dualismus zwischen Geist und Materie aufstellt. Auch diese Schwierigkeit verschwindet vor der Energetik. Während die Materie dem Gesetze von der Erhaltung der Elemente folgt, so dass die in einem begrenzten Räume vorhandene Menge von Sauerstoff, Stickstoff u. s. w. im verbundenen und unverbundenen Zustande durch keinen bekannten Vorgang verändert werden kann, so ist es im allge-
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DAS
BEWUSSTSEIN
meinen möglich, eine gegebene Energiemenge in eine andere zu verwandeln, ohne dass von der ersten ein messbarer Rest übrig bleibt. Die Erfahrung widersetzt sich also in keiner Weise dem Gedanken, dass besondere Energiearten auch besondere Verhältnisse brauchen, um zu entstehen, und dass vorhandene Mengen derselben auch wieder durch Umwandlung in andere Formen vollständig verschwinden können. Mit der geistigen Energie, d. h. der unbewussten und bewussten Nervenenergie ist dies der Fall. 1 Empfiehlt sich auf solche Weise die energetische Auffassung des Geistes durch die Auflösung grosser Schwierigkeiten, deren versuchte Beseitigung den Scharfsinn mehrerer Jahrhunderte herausgefordert hatte, so bleibt uns doch noch die wichtige Aufgabe übrig, zu prüfen, ob auch die Eigenschaften der bewussten Geistesthätigkeit sich ohne Widerspruch in den Rahmen der Energetik einfügen lassen. Ich glaube, dass man auch diese Frage mit ja beantworten kann. Ich schicke voraus, dass es sich hierbei nur um eine vorläufige Meinung handelt; die wissenschaftliche Entscheidung der Sache wird noch eine grosse Summe eingehender Arbeit schwierigster Art beanspruchen. Aber die folgende Ueberlegung scheint mir eine hoffnungsvolle Zukunft zu sichern. Die neuere Lehre vom psychophysischen Parallelismus geht von der Annahme aus, dass jedem geistigen Geschehen ein physisches zugeordnet sei oder entspreche, und soweit überhaupt eine Prüfung dieser Annahme hat ausgeführt werden können, hat man sie bestätigt gefunden. Ebenso wird von den Materialisten angenommen, dass der Geist nur eine Wirkung der Materie sei, und zur Stütze dieser sehr verbreiteten Weltanschauung wird eine grosse Zahl von erfahrungsmässigen 1
Bei
früheren
Ansätzen,
die
geistige
Energie
in
das
allgemeine
Energiegesetz einzubeziehen, ist häufig der Einwand erhoben worden,
dass
für sie nicht das Gesetz der Erhaltung gelte.
Dies beruht auf dem Irrthum,
als sollte die
erhalten
Schlüsse
giebt
geistige Energie aber
die
als
Energetik
solche durchaus
nirgend ein Gesetz, dass j e d e Energie in i h r e r A r t nur das Gesetz von der E r h a l t u n g d e r
bleiben.
keinen Anlass,
Zu diesem denn es gilt
sich erhält, sondern
Gesarnmtsumme.
PROTOTHESEN
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Thatsachen beigebracht. Die Energetik kann beide Armeen zu ihren Gunsten mobil machen, denn „physisches Geschehen" und „Wirkung der Materie" ist in unserem Sinne ja nichts, als Energieänderung. 1 Der Unterschied besteht nur in der dort vorhandenen unhaltbaren Annahme, dass die Materie ein letzter Realitätsbegriff sei. Entfernt man diese, so wendet sich die Front, und alle in jenen beiden Lagern beigebrachten Beweise dienen dem Interesse der energetischen Auffassung. 1 In seiner „Einleitung in die Philosophie" (Leipzig 1895), S. 133, hat 0 . KÜLPE die Annahme einer geistigen Energie den Materialisten als einzig consequente Vorstellung suggeriert. Bei dem grundsätzlichen Widerspruche, in dem er sich gegen die Materialisten befindet, darf man vielleicht diesen Vorschlag als eine ungewöhnlich scharfsinnig ausgedachte Kriegslist ansehen, um den Materialismus zum Selbstmord zu treiben. Leider hat er selbst den Gedanken dort als kaum anwendbar zurückgewiesen, während er ihn zur Stütze des von ihm als berechtigt angesehen Dualismus verwendet. Wenn er die Idee weiter durchgeführt hätte, so hätte er wahrscheinlich auch bemerkt, dass die Annahme einer geistigen Energie auch den Dualismus aufheben kann. Ich möchte mich an dieser Stelle gleich gegen einen Einwand wenden, den man mir mit Bezug auf die Schlussbemerkung in der Vorrede dieses Werkes machen könnte, wenn auch nicht mit Recht. Ich habe dort die Benutzung aller Hypothesen abgelehnt, und man könnte in der Annahme der energetischen Natur der Bewusstseinsvorgänge eine solche sehen. Dies wäre allerdings nur die Folge eines unbestimmten Sprachgebrauches; daher ist es wünschenswerth, die hier in Betracht kommenden Begriffe scharf zu begrenzen. Als H y p o t h e s e n waren an früherer Stelle (S. 212) solche Annahmen bezeichnet worden, welche über den nachweisbaren Thatbestand der darzustellenden Erscheinung hinausgehen und deren Richtigkeit sich nicht experimentell prüfen lässt. Insbesondere ist eine Hypothese dadurch gekennzeichnet, dass sie der Mannigfaltigkeit des Thatbestandes gedachte weitere Mannigfaltigkeiten hinzufügt, deren wirkliches Vorhandensein nicht nachweisbar ist. Das typische Beispiel solcher Hypothesen ist die Atomhypothese. Daneben giebt es ein völlig legitimes wissenschaftliches Hilfsmittel, welches man als vorläufige A n n a h m e , oder wenn man ein ähnlich klingendas Wort will, als P r o t o t h e s e bezeichnen kann. Eine Protothese stellt man auf, wenn man auf Grund vorhandener, aber noch nicht genügend umfassender Beobachtungen eine bestimmte mathematische Beziehung zwischen den gemessenen Grössen, oder eine causale zwischen beobachteten Veränderungen annimmt, und nun weitere Versuche dahin richtet, zu prüfen, ob diese Annahme auch die späteren Beobachtungen darstellt oder nicht. Hier wird also der Beobachtung nichts hinzugefügt, was sich der Prüfung
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Fragt man nun nach den allgemeinen Eigenschaften der bewussten Geistesthätigkeit, so ist zunächst hervorzuheben, dass das Bewusstsein in weitem Umfange b e l i e b i g m i t d e n Vorgängen der Nervenenergie v e r b u n d e n werden kann. Es ist schon wiederholt darauf hingewiesen worden, wie Sinneseindrücke aller Art von den Organen aufgenommen werden, ohne zum Bewusstsein zu gelangen, und wie durch eine Operation, welche man das R i c h t e n d e r A u f m e r k s a m k e i t nennt, ein vorhandener unbewusster Eindruck in eine bewusst wahrgenommene Empfindung verwandelt werden kann. Wir verhalten uns den Erlebnissen gegenüber ungefähr wie ein Mann mit einer Laterne oder ein Schiff mit einem Scheinwerfer, indem wir aus der jederzeit vorhandenen Mannigfaltigkeit nur einen bestimmten kleinen Kreis mittelst der Aufmerksamkeit „beleuchten", wobei wir wissen, dass wir ebensogut jeden anderen Theil des Erlebnisses in gleicher Weise bewusst machen könnten. Es ist daher von bestimmten Motiven praktischer oder theoretischer Art abhängig, auf welchen Theil unseres jeweiligen Erlebnisses wir die Laterne des Bewusstseins richten. In ähnlichen Bildern bewegen sich alle Darstellungen dieser Seite unseres Erlebens. Ein vielgebrauchtes Bild ist beispielsweise das vom B l i c k p u n k t e des Bewusstseins. Aehnlich wie unser Gesichtsfeld zum grössten Theile aus undeutlichen Feldern besteht und nur in einem kleinen Gebiete scharfe Bilder bietet, so verhält sich auch unser Bewusstsein, und ähnlich wie durch Wenden des Blickes auf die Stelle, welche uns interessirt, d. h. durch Hineinbringen des Bildes der fraglichen Stelle in das scharfsichtige Gebiet, das Erkennen der dort vorhandenen Gegenstände ermöglicht wird, so führen wir einen nach vorentzieht, sondern umgekehrt aus der Erfahrung ein Schluss gezogen, zu dem Zwecke, ihn der Prüfung auf den Umfang seiner Geltung zu unterwerfen. So liegt auch hier der erfahrungsmässige Zusammenhang zwischen Energieverbrauch und geistiger Thätigkeit vor, und es wird zwischen beiden eine Functionalbeziehung aufzustellen versucht, welche keine der Sache fremden Voraussetzungen
enthält,
von
allen
möglichen
die
experimentellen Prüfung im Einzelnen zugänglich ist.
einfachste
und der
Es handelt sich also
bei der im Text aufgestellten Beziehung um eine P r o t o t h e s e in typischer Ausprägung.
UNBEWUSSTE
GEDANKEN
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handenen Interessen willkürlich gewählten Theil des Gesammterlebnisses durch einen Willensakt unter entsprechendem Energieaufwand in das Gebiet des bewussten Erlebens über. Wenn wir von allen solchen Bildern absehen, so bleibt die Thatsache übrig, dass d e r A b l a u f e i n e s nervenenergetischen P r o c e s s e s willkürlich mit der E i g e n s c h a f t des Bewusstwerdens ausgestattet werden kann. Und zwar kann das Bewusstsein alle drei Arten von derartigen Vorgängen begleiten: wir haben bewusste Empfindungen, bewusste Gedanken und bewusste Handlungen. Dass wir auch u n b e w u s s t e Empfindungen, d. h. blosse Eindrücke in dem S. 3 8 4 angegebenen Sinne haben können, steht ausser Zweifel; die Thatsache der „Schwelle" beweist dies bereits. Ebenso giebt es zweifellos unbewusste H a n d l u n g e n ; hierzu gehören beispielsweise alle Reflexthätigkeiten. Zweifelhafter kann es erscheinen, ob wir auch unbewusste G e d a n k e n haben, doch möchte ich auch diese Frage im bejahenden Sinne beanworten. Die Schwierigkeit liegt darin, dass man zwar bei den Eindrücken wie bei den Handlungen objective Kennzeichen dafür hat, dass ein Eindruck oder eine Energiebethätigung erfolgt ist; man bedarf also des Bewusstseins in beiden Fällen nicht, um den Vorgang nachzuweisen. Die G e d a n k e n dagegen, deren gesammter Energieverkehr innerhalb des Organismus abläuft, scheinen keine andere Möglichkeit des Nachweises, als durch das Bewusstsein zu gewähren, und somit scheint der Annahme unbewusster Gedanken der Boden der Wirklichkeit zu fehlen. Indessen ist doch eine Möglichkeit des Nachweises vorhanden, wenn man nämlich solche Vorgänge untersucht, bei denen Gedanken mitwirken, die in eine Handlung hinauslaufen. Als Beispiel bitte ich Sie das J e d e m von Ihnen bekannte Wandern auf steinigen und schwierigen Wegen, etwa Bergpfaden, sich zu vergegenwärtigen. Man schaut einige Meter vor sich auf den Boden und setzt dabei die Füsse innerhalb eines Gebietes, d a s m a n n i c h t m e h r s i e h t , vollkommen richtig und zweckentsprechend auf oder zwischen die Steine. Nur wenn ganz besondere Schwierigkeiten kommen, so wendet OSTWALD, Naturphilosophie. III. Auflage.
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man den Blick unmittelbar auf die Punkte, an die man hintreten will. Hieraus geht hervor, dass man das Erinnerungsbild der Steine auf dem Wege unaufhörlich für die Abmessung der Schritte benutzt, d. h. eine Beurtheilung der Beschaffenheit des Weges und eine Wahl der zweckmässigsten Stellen für den Fuss ausführt, ohne dass diese Reihe von geistigen Operationen ihren Weg durch das Bewusstsein nimmt. Denn wenn man sich plötzlich auf die Anordnung der Steine in der eben angesehenen Strecke besinnen will, so gelingt die Herstellung eines Erinnerungsbildes nicht. Hier liegen also ganz offenbar unbewusste Schluss- und Wahlakte vor, d. h. unbewusstes Denken. Ein anderes Beispiel ist die Z e i t w i r k u n g bei schwierigen Gedankenoperationen. Das „Beschlafen" zweifelhafter E r schliessungen, das Klarwerden verwickelter Gedankengänge, nachdem man seit ihrer ersten Aufnahme einige, beliebig mit anderen Gedanken ausgefüllte Zeit hat vergehen lassen, und eine grosse Zahl ähnlicher Erscheinungen, die dem Geistesarbeiter und dem aufmerksamen Pädagogen geläufig sind, weisen alle auf die Zwischenwirkung von Denkarbeit hin, die ausserhalb des Bewusstseins stattgefunden hat. Natürlich hat man nur in solchen Fällen ein Recht, von unbewussten geistigen Vorgängen zu sprechen, wo man Ergebnisse beobachtet, welche nicht ohne geistige Vorgänge überhaupt erreichbar sind, und wo doch keine bewusste Thätigkeit beobachtet worden ist. 1 Wir werden somit die Bethätigung des Bewusstseins als einen energetischen Vorgang anzusehen haben, der sich dem gewöhnlichen geistigen Vorgang, genauer gesprochen, dem gewöhnlichen Umsatz von Nervenenergie zufügen kann, und dessen Auftreten einen weiteren Energieverbrauch bedingt. Die drei 1
Es ist gegen die Bündigkeit derartiger Schlüsse gelegentlich eingewendet worden, dass in solchen Fällen zwar bewusste Geistesarbeit gethan sei, dass aber diese unmittelbar nach ihrer Ausführung vergessen worden sei. Diese Darstellung erinnert an das berühmte Bild eines Hundes und einer Hundehütte, welches die besondere Eigenschaft hatte, dass der Hund immer in die Hütte kroch, wenn man das Bild ansah, so dass man stets nur die Hütte und nie den Hund zu Gesichte bekam.
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Hauptbethätigungen der Nervenenergie werden dadurch je in besonderer Weise ausgestaltet: aus dem Eindruck wird eine Empfindung im engeren Sinne, und der Zusatz nimmt beim Hervortreten den Charakter der A u f m e r k s a m k e i t an. Die Eigentümlichkeiten des bewussten Denkens treten im E r i n n e r n und V e r g l e i c h e n hervor, und die des bewussten Handelns in W o l l e n . Wir betrachten diese drei Gruppen im einzelnen. Es ist bezüglich der E i n d r ü c k e bereits früher betont worden, dass sie keineswegs immer zu bewussten Empfindungen führen. Sind sie sehr stark, so geschieht dies allerdings selbstthätig; sind sie jedoch gering, so bedarf es einer besonderen geistigen Operation, welche man das Richten der A u f m e r k s a m k e i t nennt. Dass es sich um einen neuen Energieaufwand und nicht etwa nur um eine andere Betrachtung vorhandener Verhältnisse handelt, geht mit Sicherheit aus den Ermüdungserscheinungen hervor, welche mit der Bethätigung der Aufmerksamkeit verbunden sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist die erhebliche Beschleunigung, welche Rennfahrer auf dem Zweirade durch den „Wegmacher" erzielen, der ihrem Centraiorgan die Arbeit abnimmt, auf den Weg zu achten, und ihnen dadurch ermöglicht, die sonst für diesen Zweck verbrauchte Energie auf die Vermehrung ihrer Geschwindigkeit zu verwenden. Umgekehrt erleidet der Rennfahrer im Kraftwagen, der fast gar keine mechanische Arbeit zu leisten hat, durch die beständige Anspannung seiner Aufmerksamkeit für die Einzelheiten des Weges und die entsprechende Bethätigung der Steuerungen eine deutliche Erschöpfung seiner Energie. Wir müssen also die Betheiligung des Bewusstseins bei der Empfindung als einen neuen Energievorgang auffassen, der der einfachen Aufnahme der Nervenenergie seitens der Empfindungsapparate unter Bethätigung eines anderen Apparates hinzugefügt wird. Dieser Apparat liegt, wie bekannt, in der Grosshirnrinde. Seine Bethätigung erfolgt, wie aus den eben erwähnten Ermüdungserscheinungen geschlossen werden muss, wieder durch eine g e r e g e l t e A u s l ö s u n g , und zwar scheinen die physiologischen Untersuchungen über die Blutdruckschwankungen im Gehirn den sicheren Schluss zu gestatten, 26*
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dass die erforderlichen Energievorräthe eben dort gesammelt werden und ihrer Verwerthung harren. Wir werden uns also im Sinne unserer bisherigen Betrachtungen zu denken haben, dass die zum Gehirn führende Nervenleitung dorthin Nervenenergie überträgt, welche zur Auslösung der „Hirnenergie" dient. Will man ein physikalisches Bild haben, so kann man sich denken, dass parallel einer Telegraphenleitung ein Draht gezogen ist, in welchem jeder Stromstoss, der in der Leitung verläuft, eine Stromwelle inducirt. Diese wird zu einem Relais geführt und schliesst dort den Lokalstrom, welcher entsprechende Arbeit leistet. Der Paralleldraht, das Relais und die Lokalbatterie mit ihren Apparaten veranschaulichten die Einrichtung des Centraiorgans und gewährten eine Vorstellung davon, dass dieses je nach Bedarf angelegt oder durch Oeffnung des Lokalstromes, bezw. durch Unterbrechung des Paralleldrahtes oder seiner Leitung ausser Dienst gestellt werden kann. Dieses „Anlegen" des Centraiorgans an anderwärts verlaufende Nervenleitungen ist nicht überall möglich, da es die Ausbildung der erforderlichen centralen Nervenleitungen voraussetzt. Hält man einen Ueberblick über die vorhandenen Einrichtungen, so ergiebt sich naturgemäss, dass vorwiegend solche Empfindungsleitungen mit Anschlüssen zum Centraiorgan ausgestattet worden sind, welche von den mannigfaltig wechselnden Energieverhältnissen der Aussenwelt beeinflusst werden, und ein entsprechendes zweckmässiges Eingreifen des Organismus erfordern. Solche Vorgänge dagegen, welche durch die Aussenwelt in der Regel nicht gestört oder nur eindeutig beeinflusst werden, entbehren der Anschlüsse. In die erste Gruppe gehören die Vorgänge in allen ausgebildeten Sinnesorganen wie Auge, Ohr u. s. w. Zu der zweiten gehören einerseits alle nervösen Regelungen der stetig ablaufenden animalischen Processe; von den Bewegungen des Herzens und Darmes, von den zahllosen chemischen Vorgängen in den Geweben erhält das Centraiorgan keine Nachricht. Ferner sind hierher alle constant bleibenden äusseren Einflüsse zu rechnen; auch der dauernde atmosphärische Druck, dem unser Körper ausgesetzt ist, gelan gt nicht
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in unser Bewusstsein, obwohl wir seinen Einfluss auf die Energieverhältnisse des Körpers werden zugeben müssen. Zwischen beiden Gruppen liegt ein Uebergangsgebiet, in welchem Leitungen zwar nicht vorhanden sind, aber ausgebildet werden können. Dies geschieht insbesondere im Anschlüsse an andere bereits vorhandene Leitungen und stellt sich als die Verfeinerung und Vermannigfaltigung der bewussten Sinneswahrnehmungen dar. Wir werden nämlich bei einiger Selbstbeobachtung bald gewahr, dass von den unaufhörlich auf alle unsere Sinnesapparate eindringenden Eindrücken nur ein ganz kleiner Theil in das Bewusstsein gelangt. Das optische Bild eines Baumes, auf den wir unseren Blick richten, enthält auf der Retina alle Einzelheiten, deren Sehwinkel und Lichtunterschied die Schwelle überschreiten; unsere bewusste Empfindung dagegen umfasst von allen Verschiedenheiten der Formen und Farben nur einen verschwindend geringen Theil, nämlich nur die Seite der Erscheinung, auf welche eben unser Interesse gerichtet ist. So sieht der Knabe am Baum nur den Apfel, der Jäger den Vogel, der darauf sitzt und der Maler die blauen Reflexe des Himmelslichtes auf der Blattoberfläche, während doch alle Drei dasselbe Retinabild empfangen. Ein anderes Beispiel ist die bereits früher erwähnte Ausbildung des musikalischen Hörens, wobei je nach dem Hörer eine Klangmasse als Einheit empfunden oder in die vorhandenen Stimmen aufgelöst wird. Beide Hörer empfangen die gleichen Energiezuwendungen; bei dem Einen nimmt das Bewusstsein diese als nicht weiter analysirtes Ganzes entgegen, bei dem anderen hat das Interesse an dem Hören der einzelnen Stimmen eine entsprechende Vermannigfaltigung der im Centraiorgan ausgelösten Vorgänge entwickelt. Die Ausbildung solcher Fähigkeiten erfolgt nun in der Weise, dass man zunächst die Aufmerksamkeit mit besonderem Nachdruck auf das richtet, was man erkennen oder unterscheiden will. Die grösste Schwierigkeit ist das erste Erfassen des Kennzeichens; ist dies einmal gelungen, so erfolgt die weitere Entwicklung leichter. Hierbei macht sich bereits der
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Umstand geltend, dass solche Dinge, auf welche die Aufmerksamkeit besonders gerichtet war, auch besonders leicht und lange durch das Gedächtniss zurückgehalten werden. Doch tritt die Bedeutung des Gedächtnisses im bewussten D e n k e n so viel mehr hervor, dass seine Betrachtung bis dort aufgeschoben werden soll. Ebenso wird die Betheiligung des W i l l e n s bei dem Richten der Aufmerksamkeit bereits merklich, obwohl dieser Function ihre Stelle erst beim Handeln angewiesen war. An späterer Stelle wird die Aehnlichkeit der geistigen Verrichtungen in beiden Fällen sichtbar werden; hier dient uns dies Auftreten der für die anderen Gebiete kennzeichnenden Erscheinungen, um uns auf die grosse Zusammengesetztheit aller geistigen Vorgänge beim erwachsenen Menschen hinzuweisen. Es ist gerade dieser Umstand, welcher die Analyse so schwierig macht. Diese Schwierigkeit gelangt objektiv dadurch zum Ausdruck, dass es keine allgemein angenommene Klassifikation der psychologischen Erscheinungen giebt, vielmehr jeder Autor (wie auch aus der gegenwärtigen Darstellung ersichtlich wird) in diesem Gebiete seine eigenen Eintheilungen herstellt und denen der Anderen vorzieht. In der zweiten Gruppe, dem D e n k e n , überwiegt an Bedeutung der bewusste Theil dem unbewussten in so hohem Maasse, dass er das Gebiet fast ausschliesslich beherrscht und die Thatsache unbewussten Denkens, d. h. unbewusster gegenseitiger Umwandlung von Nervenenergie, überhaupt wiederholt in Frage gestellt worden ist. Allerdings hat es sich hierbei oft um einen Wortstreit gehandelt, indem man unter dem Worte D e n k e n von vornherein ausschliesslich die b e w u s s t e Verbindung innerer Erlebnisse verstand, und daher den Begriff des unbewussten Denkens als einen inneren Widerspruch abwies. In der eben gegebenen Fassung dürfte seine Berechtigung nach dem früher (S. 401) Gesagten unzweifelhaft sein. — Umgekehrt ist „das Unbewusste" durch ein viel gelesenes Buch von HARTMANN zu einer Art von allmächtigem metaphysischen Princip gemacht worden, und diese unzulässige Verwendung (deren Unhaltbarkeit auch von dem Erfinder zu-
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gegeben wird) hat die natürliche Folge gehabt, dass sie auch die berechtigten Anwendungen des Begriffs verdächtig machte. Die wichtigsten Thätigkeiten des bewussten Denkens sind bereits am Eingange unserer Betrachtungen abgehandelt worden, da auf ihrer Handhabung die Ausführung unserer ganzen philosophischen Arbeit beruhte. Die dort angestellten Betrachtungen können nicht nochmals wiederholt werden; vielmehr wird hier unsere Aufgabe sein, zu prüfen, ob auch dieses Erscheinungsgebiet sich den Begriffen der Energetik ohne Zwang unterordnen lässt. Als wichtigstes Mittel des bewussten Denkens tritt uns die E r i n n e r u n g entgegen. Energetisch werden wir sie als die Eigenschaft des Nervenapparates aufzufassen haben, einem einmal abgelaufenen Vorgang die Wiederholung zu erleichtern, und es ist schon an früherer Stelle (S. 370) dargelegt worden, dass sich für diese merkwürdige Eigenschaft ganz wohl physische Ursachen denken lassen. Hiermit soll, wie wiederholt betont wird, nur bewiesen werden, dass sich das Erinnern nicht unvereinbar und unvergleichbar ausserhalb des uns bekannten physischen Geschehens stellt; keineswegs aber sollen jene Darstellungen als Hypothese über den wirklichen Verlauf der Erinnerung aufgefasst werden. Es wird nun zunächst festzustellen sein, was die wesentlichen Eigenschaften eines Erinnerungsvorganges sind. Wir unterscheiden bei normaler Verfügung über unser Centraiorgan die Erinnerung sehr sicher von dem Erlebniss selbst; insbesondere ist erstere schwächer und weniger mannigfaltig, als das Erlebniss gewesen war. Da es sich in beiden Fällen schliesslich um innere Erlebnisse handelt, so hat man einige Schwierigkeiten darin gefunden, einen entschiedenen Unterschied zwischen beiden auszusprechen, so sicher dieser Unterschied Mir scheint eine Erinnerung auch von uns beurtheilt wird. am besten definirbar zu sein als eine W i e d e r h o l u n g d e r j e n i g e n T h e i l e d e s G e s a m m t v o r g a n g e s , w e l c h e im Bewusstsein verliefen. Darum lässt sich ein G e d a n k e n v e r l a u f , soweit er nicht vergessen ist, durch die Erinnerung vollständig und unverändert wiederholen, und die Erinnerung
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eines Gedankens und der Gedanke selbst sind nur zeitlich verschieden. 1 Dagegen fehlen in der Erinnerung eines Erlebnisses, welches uns in irgend welche Beziehung mit der Aussenwelt gebracht hat, ganz die unmittelbaren Empfindungen, die wir in Folge der Sinneseindrücke hatten, und ebenso die Theile des Erlebnisses, welche durch die Bethätigung von Energie unseres Körpers nach aussen entstanden waren. An deren Stelle ist nur die Wiederholung der Vorgänge getreten, mit denen das Centraiorgan jene nervenenergetischen Abläufe begleitet hat. Daher erklärt sich einerseits die geringe Lebhaftigkeit der Erinnerungen gegenüber den wirklichen Erlebnissen, andererseits ihre Brauchbarkeit für die Zwecke des Denkens an Stelle jener Erlebnisse. Aus dieser Ansicht über die Natur der bewussten Erinnerungen folgt, d a s s n u r s o l c h e E r l e b n i s s e r e p r o d u c i r t werden können, welche vorher einen ßestandtheil des B e w u s s t s e i n s g e b i l d e t h a b e n . Damit ist kein Widerspruch gegen die Auffassung der Erinnerung oder Gewöhnung ausgesprochen, welche früher als eine a l l g e m e i n e Eigenschaft der Lebewesen gekennzeichnet worden ist. Man muss nur die bewusste und willkürliche E r i n n e r u n g im engeren Sinne von der unbewussten Erinnerung oder G e w ö h n u n g unterscheiden. Die erstere bezieht sich zunächst auf bestimmte Ereignisse, die erst bei sehr häufiger Wiederholung ihren individuellen Charakter verlieren und durch die Begriffsbildung unzeitlich werden. So ist dem Knaben der erste Anblick eines Elephanten ein bestimmtes Ereigniss, an dessen Einzelheiten er sich mit sehr grosser Lebhaftigkeit erinnert; hat er solche Thiere aber viele Male gesehen, so verschwindet hinter dem dadurch entstandenen Begriffe vom Elephanten die Erinnerung an die einzelnen Male, wo dieser Anblick erlebt worden ist. Ebenso geht es dem Liebenden mit dem Gegenstande seiner Anbetung. 1 Hierbei ist natürlich von den kleinen unvermeidlichen Verschiedenheiten a b g e s e h e n , die durch die allgemeine Veränderung des denkenden Menschen in der Zwischenzeit eingetreten sind. Dazu g e h ö r t auch das Vergessen einzelner Bestandtheile des Gedankens.
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Dagegen ergeben Wiederholung im Unbewussten keine leichteren oder vollständigeren E r i n n e r u n g e n an die entsprechenden Vorgänge, sondern bewirken nur eine schnellere und genauere Ausführung der entsprechenden R e a c t i o n e n . Sie beziehen sich mit anderen Worten nicht auf das Vorstellen, sondern auf das Handeln. Auf die Frage, ob unbewusst erlebte Vorgänge nachträglich bewusst erinnert werden können, muss von dem hier angenommenen Standpunkte aus mit Nein geantwortet werden. Es ist mir allerdings bekannt, dass die gegentheilige Ansicht Vertreter hat, doch möchte ich auf eine eingehende Discussion verzichten. Es bleibt ja für derartige Fälle die Annahme übrig, dass es sich um Dinge handelt, die zwar im Bewusstsein gewesen waren, aber inzwischen vergessen worden sind. Ich weiss wohl, das ich mich mit dieser Bemerkung dem gleichen Einwände aussetze, den ich selbst den Gegnern unbewussten Denkens gemacht habe (S. 403); doch handelt es sich hier im Gegensatze zu dort nicht um häufige und leicht anzustellende Beobachtungen, sondern um seltene und zweifelhafte Erscheinungen. Es kann vielleicht noch die Frage nach dem Z w e c k e der Bewusstseinserscheinungen aufgeworfen werden, denn von unserem allgemeinen Standpunkte werden wir ja bei jeder Einrichtung der Lebewesen nach ihrem Zweck, d. h. nach ihrem Einfluss auf die Existenzdauer und Existenzbreite ihres Trägers, zu fragen haben. Die Antwort ergiebt sich aus dem eben festgestellten Umstände, dass nur bewusst erlebte Ereignisse durch die Erinnerung zurückgerufen werden können. Hierdurch ist das Bewusstsein das Mittel, durch welches uns die Sammlung von Erfahrungen ermöglicht wird, und durch welches wir jederzeit die früher gemachten Erlebnisse zum Vergleich mit neuen behufs Bildung angemessener Begriffe und zum Zwecke von Schlüssen auf künftige Ereignisse benutzen können. Ueberlegen wir, dass die gesammten Vorzüge der menschlichen Intelligenz auf den eben genannten Fähigkeiten beruhen, dass Wissenschaft, Kunst und Ethik sie zur nothwendigen Voraussetzung haben, so sehen wir ein, dass es sich hier allerdings um die Ausbildung
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einer fundamental wichtigen Eigenschaft handelt Demgemäss ist auch das für die Bethätigung des Bewusstseins ausgebildete Organ, das Gehirn, beim Menschen unverhältnissmässig viel reicher entwickelt, als bei allen niederen Organismen, und wir werden in der hohen Ausbildung des Bewusstseins und des damit ursächlich verbundenen Erinnerungsvermögens den wichtigsten Vorzug zu erblicken haben, welcher den Menschen von den niederen Lebewesen scheidet. So ist denn auch das, was man die P e r s ö n l i c h k e i t des Menschen nennt, entscheidend durch den Inhalt seiner gesammten Erinnerungen bedingt. Die Summe der Kenntnisse, Anschauungen und Erfahrungen, aus der er urtheilt und handelt, die Gewohnheiten des Geistes, nach denen er auch ohne lange Ueberlegung sich in gegebenen Fällen entschliesst, sind sämmtlich Ergebnisse früherer innerer oder äusserer Erlebnisse, deren entscheidende Bestandteile dem Gedächtnisse übergeben sind, um jederzeit sich bethätigen zu können. Die Summe von gedächtnissmässig verfügbarem Denkmaterial ist es, was den Erwachsenen geistig vom Kinde unterscheidet, und wenn in hohem Alter das Gedächtniss wieder versagt, so findet man keinen passenderen Vergleich für diesen Zustand, als den einer zweiten Kindheit. Den gleichen Eindruck macht uns der Mensch, wenn er infolge von schweren Verletzungen oder Erkrankungen des Gehirns seine Erinnerungen verloren hat. Diese Betrachtungen geben uns auch Aufschluss über das grosse Problem des I c h b e w u s s t s e i n s . Unser Ich besteht in unseren Erinnerungen und in dem Apparat, sie zu benutzen. Das Kind, das noch keine Erinnerungen hat, stellt auch noch keine Persönlichkeit und kein Ich dar; es braucht selbst nach dem Entstehen der ersten Erinnerungen und nach dem Beginn der sprachlichen Ausbildung meist noch einige Zeit, um sich an die sprachliche Unterscheidung seiner eigenen Person von den übrigen Dingen zu gewöhnen. Mit der Zunahme der bewussten Erlebnisse und der entsprechenden Erinnerungen wird unser Ich bestimmter und reicher. Wenn infolge irgend welcher tiefgreifenden Erlebnisse, die sich im Bewusstsein über die bisherigen ordnen und in unserer Erinnerung eine vorwiegende
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Stellung einnehmen, die Gesammtheit unseres Bewusstseins eine erhebliche Aenderung erleidet, so drückt dies die alltägliche Sprache anschaulich durch die Worte aus: er ist ein anderer Mensch geworden. So werden wir in unserem Ich verschiedene B e s t a n d t e i l e von verschiedener Beständigkeit zu unterscheiden haben. Die täglichen kleinen Aenderungen unseres Bewusstseinsinhaltes sind zwar nicht ohne Einfluss auf das Ich; sie bringen aber nur geringe und vorübergehende Schwankungen hervor. Daneben verlaufen aber „säkuläre" Aenderungen, indem wir beständig ältere Bewusstseininhalte durch Vergessen verlieren, und ebenso beständig neue durch Erleben aufnehmen. Diese Aenderungen sind zwar in jedem Augenblicke gering gegenüber dem grossen, unverändert gebliebenen Bestände, und daher macht uns das Ich einen beständigen und anscheinend unveränderlichen Eindruck. Aber im Laufe der Zeit werden die geänderten Beträge immer grösser, und wenn wir nach langer Trennung Personen wiedersehen, die wir vordem gut gekannt haben, so müssen wir meist feststellen, wie fremd uns unsere früheren Freunde geworden sind, d. h. wie sehr ihr Ich sich gegen das geändert hat, welches wir früher an ihnen gekannt hatten. Die Einheit und Selbständigkeit des Ich werden wir nach allem nicht in seiner Unveränderlichkeit oder Substanzialität zu suchen haben, sondern in der S t e t i g k e i t seiner Aenderungen und in dem Umstände, dass die dem Ich gehörigen Erlebnisse und Erinnerungen in e i n e m Gehirn oder Geist entstanden und vorhanden, und daher auf e i n a n d e r b e z i e h b a r sind. Hierin liegt die synthetische Beschaffenheit, auf welche KANT als die charakteristischste Eigenthümlichkeit des Ichs hinweist.
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VORLESUNG
DER WILLE on den drei Gruppen geistiger Vorgänge, dem Empfinden, Denken und Wollen, ist uns noch die letzte zu betrachten übrig geblieben. Wir räumen dem Wollen eine eigene Vorlesung ein, da es wegen seiner allseitigen Wichtigkeit in der Philosophie von jeher, und insbesondere seit SCHOPENHAUER, eine bevorzugte Rolle gespielt hat. Erinnern wir uns des Eintheilungsgrundes dieser drei Gruppen, so handelte es sich um die Frage nach dem Gebiete oder Felde, in welchem die Nervenenergie abläuft. Bleibt sie innerhalb des Organismus, ohne sich weiter umzuwandeln, so haben wir es mit E i n d r ü c k e n zu thun, die durch den Zutritt des Bewusstseins zu E m p f i n d u n g e n werden. Wandelt sie sich innerhalb des Organismus in andere Formen von Nervenenergie um, so liegt D e n k e n vor, welches wir fast ausschliesslich in der Gestalt des bewussten, d. h. von der Arbeit des Centraiorgans begleiteten Denkens kennen. Hier trat uns die vorwiegende Wichtigkeit jener allgemeinen Eigenschaft der Organismen, mehrfach abgelaufene Vorgänge um so leichter zu wiederholen, je häufiger sie aufgeführt worden waren, in Gestalt des G e d ä c h t n i s s e s in all ihrer Bedeutung entgegen. Gelangt schliesslich das Ergebniss des nervenenergetischen Verlaufes in Gestalt irgend einer Energiebethätigung an die Aussenwelt, so haben wir es mit einer H a n d l u n g zu thun. Diese verläuft in vielen Fällen, namentlich solchen, die sehr häufig wiederholt werden, ohne Mitwirkung des Centraiorgans
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und daher des Bewusstseins. Eine solche Handlung nennt man eine Reflexhandlung, in verwickeiteren Fällen wohl auch eine instinctive Handlung. Tritt aber d a s Bewusstsein hinzu, so reden wir von Willenshandlungen. Aus dieser systematischen Stelle, welche dem Willen durch die energetische Eintheilung der geistigen Geschehnisse zugewiesen wird, geht zunächst hervor, dass ihm nicht die centrale und einzige Stellung zukommt, welche ihm von SCHOPENHAUER zugeschrieben worden ist. Er kommt nur für solche Vorgänge in Betracht, bei denen seitens des Lebewesens Energie nach aussen abgegeben wird. Ein Organismus, bei dem eine Beeinflussung seiner Umgebung ausgeschlossen ist, wie z. B. ein Eingeweidewurm, kann und wird auch keine Willenshandlungen ausführen, auch abgesehen von dem etwaigen Vorhandensein der erforderlichen nervösen Organisation. Nun geschieht die Beeinflussung durch die Aussenwelt um so erfolgreicher, je entwickelter das Lebewesen ist; so spielt denn auch der Wille eine zunehmend wichtigere Rolle, je weiter wir in der Stufenleiter aufwärts steigen. Ferner erscheint in unserer Auffassung auch die Betrachtung des Willens als eines s e l b s t ä n d i g wirkenden Factors ausgeschlossen, welche Ansicht bei SCHOPENHAUER eine allmählich immer mehr in den Vordergrund tretende Rolle gespielt hat. Wegen der zunehmenden Bedeutung der Willensvorgänge in den höheren Organismen und wegen der unmittelbar auf die Erhaltung der Existenz gerichteten Beschaffenheit der Willenshandlungen hat SCHOPENHAUER diese Erscheinung mehr und mehr verpersönlicht und in dem Willen schliesslich nicht mehr einen aus gewissen sehr verbreiteten Vorgängen abstrahirten Begriff, sondern ein selbständig wirkendes, alle Wesen, belebte wie unbelebte, mit höherer Gewalt zu gewissen Handlungen zwingendes Princip gesehen, von dessen Einfluss sich zu befreien, die schwierigste wie wichtigste Aufgabe des philosophisch entwickelten Menschen sei. Es scheint hier wie so oft der Fall vorzuliegen, d a s s an sich richtige, intuitiv erfasste Ergebnisse auf einem falschen W e g e abgeleitet und bewiesen werden sollen. Auch der unverhältniss-
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mässig viel nüchternere und schlichtere Weg, den wir gemäss der bisher eingehaltenen Richtung gehen werden, wird uns an Punkte führen, welche mit manchen praktischen Ergebnissen der SCHOPENHAUER'schen Philosophie des Mitleides nahe zusammentreffen. Dieses Zusammentreffen wird das Zutrauen in die gemeinsamen Ergebnisse stärken, selbst wenn auch der von mir eingeschlagene Weg sich künftig als nicht gerader erweisen sollte, als der von SCHOPENHAUER verfolgte. Zunächst erinnern wir uns der S. 333 angestellten Betrachtungen, nach denen die e r h a l t u n g s m ä s s i g e Bethätigung der Lebewesen die nothwendige Voraussetzung für ihre dauernde Existenz ist. Die Lehre vom Uebrigbleiben des Angemessensten lässt uns erwarten, dass zwar die meisten und wichtigsten Eigenschaften und Bethätigungen der Organismen z w e c k m ä s s i g im Sinne der Verlängerung der Existenzdauer und der Gewinnung eines möglichst grossen Vorrathes an freier Energie sein werden, dass aber vermöge der Unumgänglichkeit der natürlichen Verhältnisse vorhandene Vortheile oft durch gewisse Nachtheile erkauft werden müssen, so dass keineswegs a l l e Bethätigungen eines gegebenen Wesens unbedingt zweckmässig sein müssen oder können. So ergiebt sich eine gewisse Breite in der Lösung des Problems der zweckmässigsten Organisation unter gegebenen Verhältnissen, die in der Entstehung zahlreicher ähnlicher und doch in bestimmten Punkten wesentlich verschiedener Arten eines gewissen Thieres oder einer gewissen Pflanze ihren Ausdruck findet. Solche Arten leben oft neben einander unter sehr ähnlichen Bedingungen, ohne sich gegenseitig in absehbarer Zeit zu verdrängen. Dies entspricht der allgemeinen Eigenschaft der Functionen, dass ihr Differentialquotient in der Nähe der Maximalwerte gegen Null convergirt. In nicht mathematischer Sprache heisst dies für unser Problem, dass wenn eine zweckmässigste Organisation für gegebene Bedingungen erreicht ist, etwaige Abweichungen von dieser Organisation einen viel geringeren schädlichen Einfluss haben, als gleich grosse Abweichungen (im ungünstigen Sinne) bei
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einem Organismus, der dem zweckmässigsten Zustande noch nicht nahe ist. Demgemäss wird auch ein jeder Organismus auf innere und äussere Aenderungen seines Zustandes zwar im Allgemeinen zweckmässig reagiren; die Reaction wird aber nicht nothwendig die absolut zweckmässigste sein, und in vielen Fällen wird es einen geringen Unterschied ausmachen, ob der Organismus so oder etwas anders reagirt. Solche zweckmässige Reactionen werden den Eindruck der Wahl oder des Wollens machen, namentlich, wenn die Zweckmässigkeit dem betrachtenden Menschen geläufig ist. Nach der vorher festgestellten Bezeichnungsweise werden wir in solchen Fällen nicht von einem Willen reden, falls nicht nachweisbar (bei uns selbst) oder wahrscheinlich (bei anderen Menschen und bei höheren Thieren) der Vorgang von einem B e w u s s t s e i n des Zieles und der Mittel begleitet ist. Es wird für uns mit anderen Worten der Begriff des unbewussten Willens ausgeschlossen sein, da wir nur eben die mit Bewusstsein ausgeführten zweckmässigen Handlungen als gewollte zu bezeichnen übereingekommen sind. Dadurch erledigen sich alle Betrachtungen über den Willen in der unbewussten Natur. Dass wir Zweckmässigkeit in bestimmtem Sinne (nämlich dem der Erhaltung des betrachteten Gebildes) auch in dieser finden werden, ergiebt sich als nothwendig gemäss dem Princip der Auslese. Es ist aber eine sprachliche Willkür, deren wir uns nicht schuldig machen wollen, solche Erscheinungen auch mit dem aus dem bewussten Leben hergenommenen Namen Willen zu bezeichnen. Unbewusste oder willenlose Zweckhandlungen lassen sich in vielen Fällen auf einfache und begreifliche Ursachen zurückführen, wie dies namentlich von J. LOEB in vielen, gut durchgeführten Beispielen gezeigt worden ist. 1 Insbesondere die Erscheinungen des Gerichtetwerdens der Organismen, die T r o p i s m e n , gestatten eine allgemeine Deutung, welche vielfältig aufklärend wirkt. Sie liegt in den Mannigfaltigkeits1 J . LOEB, Einleitung in die vergleichende Gehirnphysiologie und vergleichende Psychologie, Leipzig 1899.
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eigenschaften des Organismus einerseits und der als Reiz wirkenden Energie andererseits. Nehmen wir beispielsweise den von PFEFFER in ausgezeichneter Weise untersuchten Fall, dass die Schwärmsporen gewisser Algen dadurch in die weibliche Blüthe geführt werden, dass diese Aepfelsäure ausscheidet. Die Sporen schwimmen unter allen Umständen dahin, wo die grösste Concentration der Aepfelsäure innerhalb der von ihnen bewohnten Flüssigkeit sich befindet. Unter normalen Verhältnissen gelangen sie so in die weiblichen Blüthen, aus deren Innerem die Säure in die umgebende Flüssigkeit diffundirt, und so wird in sehr zweckmässiger Weise die Befruchtung und damit die Fortpflanzung und die Erhaltung der Art gesichert. Bringt man aber ein Glasröhrchen mit Aepfelsäurelösung in die Flüssigkeit, so schwimmen die Sporen mit eben derselben Sicherheit und Energie in dieses hinein, wo sie in sehr unzweckmässiger Weise zu Grunde gehen. Die Ursache dieses zweckmässig-unzweckmässigen Handelns liegt in folgendem. Die Aepfelsäure beeinflusst die Bewegungsapparate der Schwärinsporen je nach ihrer Concentration in verschiedener Weise. Liegt nun eine Spore so in einer Lösung von räumlich verschiedener Concentration, dass verschiedene Seiten ihres Körpers von verschieden starker Lösung beeinflusst werden, so ist eine unsymmetrische oder Drehbewegung die nothwendige Folge. Und zwar muss ein solcher Einfluss so lange dauern, bis der Organismus sich mit seiner Symmetrieaxe im Sinne des Gefälles der Concentration orientirt hat. Dann werden gleichwerthige Seiten seines Leibes von gleichen Concentrationen beeinflusst, die Drehung hört auf und es bleibt nur die gerade Bewegung übrig. Je nachdem diese Orientirung so erfolgt, dass das vordere Ende im Sinne der stärkeren oder der schwächeren Concentration zu liegen kommt, wird das Wesen scheinbar die Quelle des Stoffes aufsuchen oder fliehen. Das Verhalten entspricht ganz dem eines magnetischen Stäbchens in einem inhomogenen Magnetfelde. Verallgemeinern wir diese Betrachtung, wie es von LOEB geschehen ist, so werden wir sagen müssen, dass ein ungleich-
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förmiges Energiefeld jedes darin befindliche Object orientiren muss, wenn es überhaupt einen räumlichen Einfluss darauf ausüben kann. Hat das Object eine Symmetrieaxe, so wird diese nothwendig im Sinne des stärksten Gefälles, d. h. parallel den sogenannten Kraftlinien, sich einstellen müssen. Wirkt auf das Object eine innere oder äussere Bewegungsursache, so ist die Folge eine Bewegung in der Kraftlinie, d. h. ein scheinbares Suchen oder Fliehen der Energiequelle. Ob Suchen oder Fliehen eintritt, hängt von der Beziehung zwischen den richtenden Ursachen und dem Sinne der Bewegung ab. Ich habe diese Analyse scheinbarer Willenshandlungen belebter Wesen deshalb so ausführlich und wiederholt gegeben, weil sie uns eine grosse Hilfe bei der Beurtheilung verwickelterer Verhältnisse sein wird. Sie lässt uns erkennen, wie derartige Vorgänge zwar ohne Mitwirkung bewussten Denkens, nicht aber ohne Mitwirkung einer Reizbarkeit des Organismus zu Stande kommen, wobei allerdings unter Reizbarkeit sachgemäss jede gesetzmässige Beeinflussbarkeit verstanden werden muss. Hieraus ergiebt sich auch die Beurtheilung der viel gerühmten und viel übertriebenen maschinenmässigen Sicherheit derartiger Handlungen der Thiere. Wir können oft nachweisen, dass sehr verwickelte Reactionsreihen unter Umständen stattfinden, bei denen bewusstes Handeln und vorangegangenes Wählen ausgeschlossen sind, und wir fassen solche Vorgänge als Wirkung einer besonderen, halbgeistigen Organisation auf, die wir I n s t i n k t nennen. Die übliche Auffassung, die auch ich als befriedigend bezeichnen möchte, dass nämlich den Instinkthandlungen vererbte Einübungen und Erfahrungen früherer Generationen des fraglichen Thieres zu Grunde liegen, wird in neuerer Zeit lebhaft bestritten. Dies geschieht insbesondere von den Neovitalisten, die sich die Aufgabe gestellt haben, in allen Gebieten der Biologie die Unzulänglichkeit der aus den DARWlN'schen Gedanken entwickelten Erklärungen nachzuweisen. Doch scheint es sich auch hier mehr um die Frage zu handeln, in welchem U m f a n g e diese früher aufgestellten Ansichten durchführbar sind, und wo sich neue Gedanken als OSTWAIJ), Naturphilosophie. III. Auflage.
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erforderlich erweisen, als mit ja und nein über die allgemeine Unzulänglichkeit der Idee der Entwicklung und der natürlichen Auslese zu entscheiden. Diese allgemeinen Grundlagen werden bestehen bleiben, wenn auch die besonderen Formen ihrer Anwendungen natürlich mit dem Umfange und der Beschaffenheit unserer Kenntnisse sich werden ändern müssen. So werde ich mich auch für berechtigt halten, die zweckmässigen Eigenschaften und Vorgänge am Organismus auf die gleichen Ursachen zurückzuführen, ohne das Bedürfniss nach vertiefter und eingehenderer Bearbeitung dieser Probleme in Abrede stellen zu wollen. Nun haben gerade die Instinkthandlungen eine Eigenschaft, welche mit der eben erwähnten Auffassung in guter Uebereinstimmung steht: sie sind zwar unter normalen Verhältnissen (d. h. unter denen, welche das Thier gewöhnlich umgeben) völlig zweckmässig, werden aber bei abgeänderten Verhältnissen nicht nur unnütz, sondern oft geradezu verderblich für das Wesen. Beispiele hierfür finden sich in dem oben erwähnten Werke von LOEB in grosser Zahl. Der Uebergang vom unbewussten oder instinktmässigen Handeln zum bewussten bedingt einen sehr wichtigen Fortschritt für die Erhaltung des Lebewesens. Man wird allerdings diesen Uebergang nicht als einen plötzlichen anzusehen haben, denn die Elemente des bewussten Handelns, die Schlüsse von gewissen vorhandenen Erlebnissen auf das wahrscheinliche Eintreten bestimmter Folgen, sind in einfachster Form wahrscheinlich bereits auf sehr niedriger Stufe vorhanden, und die Bestimmung der Entwicklungsstufe, bei welcher Selbstbewusstsein zuerst auftritt, ist schwierig und wird wohl immer eine gewisse Willkür enthalten. Gemäss den früheren Darlegungen (S. 403) werden wir die Stelle dort zu suchen haben, wo ein gesondertes Centraiorgan auftritt, in welchem besondere Vorgänge der Nervenenergie ablaufen können, welche die einfach reflektorischen Energiebethätigungen begleiten. Das Bedürfniss nach einer derartigen Verwicklung des Organismus tritt in dem Maasse auf, als die Lebensbedingungen
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ZUM
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LEBEN
selbst verwickelter werden. Wir haben gesehen, wie durch fortschreitende Theilung und Differenzirung der Zellen eine immer feinere Anpassung des Organismus für mannigfaltige Leistungen entwickelt wird. Während dadurch die Lebensbedingungen in solchem Sinne günstiger gestaltet werden, wird gleichzeitig der Organismus verletzlicher und leichter in der gegenseitigen Abgleichung seiner Vorgänge gestört; als Vortheil für den Kampf u m s Dasein bleibt daher nur die Differenz beim Abzug der unvermeidlichen Nachtheile von den erlangten Vortheilen der verwickeiteren Organisation übrig, die unter Umständen einen negativen Werth haben kann. Daher sehen wir, wie neben den verwickeltsten auch die einfachsten Organismen das Feld erfolgreich behaupten, ja aus dem Kampfe oft genug als Sieger hervorgehen. In der Mitarbeit des Bewusstseins an der Erhaltung des Organismus ist nun ein ganz besonders grosser Vortheil gegeben. Während wir uns die Erwerbung zweckmässiger Reflex- und Instinkthandlungen nicht anders vorstellen können, als auf Kosten unzähliger Opfer an Individuen vergangener Generationen, sei es bei der Anpassung oder bei der Auslese, so gestattet die Ausbildung des Bewusstseins und damit der willkürlichen Erinnerung an vergangene Erlebnisse einen viel schnelleren Fortschritt in der Erkennung des Schädlichen und der Gewinnung oder Ausübung des Nützlichen. Wir haben ja bereits ganz am Anfange unserer Betrachtungen gesehen, wie die Fähigkeit, mit möglichst grosser Wahrscheinlichkeit die Zukunft voraus zu bestimmen, uns das wichtigste Mittel für die Sicherung unserer Existenz bietet. Von hier aus sehen wir denn auch leicht die enorme Ueberlegenheit ein, welche der Organismus gewinnt, wenn er die Fähigkeit hat, seine einzelnen Erlebnisse unabhängig von der Zeit und Reihenfolge des Erlebens für die Gewinnung von Erfahrungen und die Ziehung empirischer Schlüsse zu verwerthen. In erster Linie und unmittelbar ist die Thätigkeit eines jeden Lebewesens auf die Erhaltung seiner Existenz, das ist Ernährung, Fortpflanzung und Schutz gegen Feinde, gerichtet. Dies gilt ebenso für den unbewusst lebenden niedersten Orga27*
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nismus, wie für den entwickeltsten Menschen. Somit ist dies auch die erste und unmittelbarste Richtung der bewussten Handlungen und des Willens. Diese grosse Einheitlichkeit aller einzelnen Willenserscheinungen durch die ganze Natur hat ihnen den eigentümlichen und übereinstimmenden Charakter gegeben, welcher SCHOPENHAUER und seine Nachfolger veranlasst hat, dem Willen eine so besondere Stellung unter allen übrigen geistigen Erscheinungen anzuweisen und seine Auffassung dinglich, ja persönlich zu gestalten. Thatsächlich wird man der Wirklichkeit ja ziemlich nahe bleiben, wenn man sich die Thätigkeit des Willens in der Gestalt der Thätigkeit eines Menschen vorstellt, der ein bestimmtes und zwar zunächst ziemlich brutales Ziel, das der ausschliesslichen Förderung des eigenen Daseins, mit allen Mitteln und mit unentwegter Hartnäckigkeit verfolgt. Und wenn man sich die Verhältnisse vergegenwärtigt, welche zur Bildung des Ichbegriffes führen (S. 410), so wird man bei dieser Einheit in der Richtung aller Lebewesen sogar etwas wie eine innere Einheit oder Persönlichkeit sich denken können. Aber man würde doch hierbei nur in die Nähe der Wahrheit und nicht zu ihr selbst kommen, und mit der Hypothese eines persönlich thätigen Willens auch nicht geprüfte Elemente in den Begriff aufnehmen, die sich schliesslich als fremd und falsch erweisen. So macht auch ein aus vielen Tausenden von Räupchen gebildeter Heerwurm oder eine dem Leithammel blindlings folgende Schafherde den Eindruck eines einzelnen Gesammtwesens, welches ein bestimmtes Ziel vermöge eines einheitlichen oder einzigen Willens verfolgt, während es nicht die E i n z i g k e i t des Willens, sondern die Gleichheit oder Uebereinstimmung des Handelns in allen Individuen ist, welche den Eindruck eines einheitlichen Willens hervorbringt. Auch der Wille in der Natur erscheint nur dadurch einheitlich, dass das Leben in allen seinen Erscheinungsformen immer dieselbe Richtung hat. Schon SCHILLER betont nicht ohne Ironie die Unwiderstehlichkeit dieser elementaren Motive im Gegensatz zu den sekundären, von zeitgenössischen Socialphilosophen hervorgehobenen der Geselligkeit und gegenseitigen Förderung:
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Doch weil was ein Professor spricht, Nicht gleich zu allen dringet, So übt Natur die Mutterpflicht Und sorgt, dass nie die Kette bricht, Und dass der Ring nie springet. Einstweilen, bis den Bau der Welt Philosophie zusammenhält, Erhält sie das Getriebe Durch Hunger und durch Liebe.
So werden wir denn die ganze hochentwickelte Philosophie des Willens im Sinne unserer energetisch-evolutionistischen Gesammtauffassung verwerthen können, ohne in dem Willen mehr zu sehen, als die Spitze einer ausserordentlich allgemeinen, nie fehlenden und meist kräftig hervortretenden Gesammterscheinung, die dem organischen Reich wegen der nothwendigen Voraussetzung der erhaltungsmässigen Gestaltung alles Lebens besonders eigen ist, indem sich aus der unbewussten, durch Auslese hervorgetretenen und befestigten Gattungseigenschaft der Selbsterhaltung sich die bewusste, auf das Lebensziel gerichtete Thätigkeit höherer Lebewesen entwickelt. Im anorganischen Gebiete wird dieser Zug dagegen nothwendig verschwinden. Denn der Umstand, dass jedes Lebewesen ein stationäres, kein ruhendes Gebilde ist, bedingt für dieses einen wirklichen Kampf ums Dasein, eine Concurrenz gegen die Lebensgenossen um die verfügbare Energie. Bei unbelebten Dingen findet zwar auch insofern eine Auslese statt, als nur die beständigeren Dinge einen dauernden Bestandtheil der wirklichen Welt zu bilden vermögen, während die unbeständigen verschwinden. Aber da die meisten anorganischen Gebilde wirkliche Gleichgewichtszustände (oder wenigstens solche, die sich dem endlichen Gleichgewicht sehr langsam nähern) darstellen, so entfällt aus diesem Kreise der Kampf und die Concurrenz. Ein Krystall befindet sich in einem Zustande, der zu seiner Erhaltung irgend welcher Einflüsse von aussen nicht bedarf, und er beansprucht von der Welt nichts mehr, als den Raum für seine Existenz. Und auch ein Gebilde, wie ein See, welches nicht eigentlich stabil, sondern ähnlich stationär wie ein Organismus ist, indem seine Erhaltung darauf beruht, dass zwischen
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dem zufliessenden Wasser und dem abfliessenden und verdunstenden Gleichheit besteht, zeigt keine Neigung, sich das Wasser auf andere Weise zu verschaffen, wenn einmal die Verdunstung überwiegt, sondern er wird einfach um so viel kleiner, ohne sich irgendwie gegen die Beeinträchtigung zur Wehr zu setzen. Wir gehen nun zur genaueren Analyse der Willenserscheinungen über. Zu diesem Zwecke muss zunächst die W i l l e n s e m p f i n d u n g von der gewollten bezw. ausgeführten H a n d l u n g unterschieden werden. Erstere ist, wie mehrfach hervorgehoben wurde, nur die im Centraiorgan verlaufende bewusste Begleiterscheinung der Handlung. Bei dem normalen Verhalten des überlegenden Menschen geht sie der Handlung voraus, oft lange vorher, und nicht selten unterbleibt eine gewollte Handlung, weil andere Gedanken auftreten und sich geltend machen, welche die erste Willensregung ändern. Andererseits giebt es impulsive Menschen, am zahlreichsten unter den Frauen und Kindern, bei denen Willensempfindung und Ausführung sich so unmittelbar folgen, dass sie als wesentlich gleichzeitig zu betrachten sind. Thatsächlich liegen kleine, von der experimentellen Psychologie sorgfältig und eingehend gemessene Zeitverläufe dazwischen, welche für den gegenseitigen Anschluss zusammengesetzter geistiger oder geistigkörperlicher Vorgänge erforderlich sind. Diese Zeiten bewegen sich aber in den einfacheren Fällen um die Dauer einer hundertste! Secunde. Durch den Umstand, dass sich beim überlegt handelnden Menschen ein Denkakt zu der Willensempfindung gesellt, wird folgendes erreicht. Indem im Centraiorgan der erfahrungsgemässe Erfolg der Handlung denkend vorausgenommen wird, ergiebt sich die Möglichkeit, über diesen ein vorläufiges Urtheil zu gewinnen, was bei einer blossen Reflexhandlung nicht erreichbar ist. Dadurch können zunächst den vorhandenen Umständen gemäss unzweckmässige Reflexhandlungen vermieden werden. Ferner aber ermöglicht die Erfahrung eine mehr oder weniger sichere Voraussicht über den Nutzen und Erfolg n e u e r Handlungen, die reflektorisch überhaupt nicht ausführbar sind.
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Dadurch wird die Mannigfaltigkeit der zweckmässigen Handlungen ausserordentlich vergrössert. Vergleicht man die monotone Art, in welcher gewisse Sandwürmer zu ihrer Nahrung kommen, indem sie unterschiedlos den ihnen vorliegenden Sand durch den Körper befördern und die löslichen Nahrungsbestandtheile daraus extrahiren, mit den mannigfaltigen Listen und Geschicklichkeiten, die der Fuchs beim Beschleichen seiner Beute anwendet, und diese mit dem unübersehbaren Apparat von mütterlicher und väterlicher Erziehung, Kindergarten, Elementar- und Volksschule, Gymnasien, Universität, Freiwilligenjahr u. s. w. u. s. w., welche ein heutiger Kulturmensch durchmachen muss, um schliesslich zu seiner Selbsternährung zu gelangen, so hat man eine einigermaassen anschauliche Vorstellung davon, welche ungeheure Vermannigfaltigung der Wille beim Problem der Erhaltung des Organismus durch das zunehmende Eingreifen des Centraiorgans erfährt. Mit dem Namen der Willensempfindung wird man nun allerdings nicht die Gesammtheit dieser Vorgänge bezeichnen, denn sie fallen offenbar grossentheils unter den Begriff des D e n k e n s , und zwar ganz vorwiegend des bewussten Denkens. Als Willensempfindung ist vielmehr nur der im Centraiorgan verlaufende Parallelvorgang zu der Handlung selbst auszusondern, ebenso wie Empfindung (im engeren Sinne) der im Centraiorgan verlaufende Parallelvorgang zu dem Sinneseindruck ist. Reine Willenserscheinungen liegen daher nur bei sogenannten impulsiven Handlungen vor, bei denen Absicht und That praktisch zusammenfallen. Durch das dazwischentretende Denken werden Hemmungen zwischen diese beiden Theile des Willensvorganges, der Willensempfindung und der Ausführung, eingeschaltet, und so wird die Willensempfindung von der Handlung abgetrennt und bleibt in vielen Fällen ganz ohne den Handlungserfolg. Dies geschieht um so häufiger, je reichlicher und umfassender die Betheiligung des Denkens am Handeln ist. So hat für uns Kulturmenschen der Begriff des Willens die Neigung, sich von dem des Handelns mehr und mehr abzutrennen. Dies geschieht, indem an Stelle des wirklichen Erfolges der gedachte oder auf Grund der Erfahrung
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construirte tritt, nach dessen Ausfall sich neue Willensregungen in anderer Richtung bethätigen, falls die entstandenen Hemmungen zu gross waren; nur im Falle, dass dieser gedanklich vorausgenommene Erfolg den Willen neuerdings in gleichem Sinne bethätigt, wie bei der ersten Regung, wird die entsprechende Handlung ausgeführt. Es ist daher wichtig, das Wollen von dem Denken zu unterscheiden, das sich so oft und mannigfaltig an das Wollen schliesst. Beide Thätigkeiten des Centraiorgans sind nicht nur inhaltlich verschieden, sondern verlaufen höchst wahrscheinlich an verschiedenen Stellen und in verschiedenen Organen des Gehirns. Denn wir können oft beobachten, insbesondere bei Neurasthenikern, dass der Wille viel stärker durch Krankheiten leidet, als das Denken. Ja, beide Functionen haben eine Tendenz sich gegenseitig zu hemmen und zu beeinträchtigen. Willenskräftige Menschen gewöhnlichen Schlages besitzen meist kein reich ausgebildetes Denkvermögen, und eine weitgehende Ausbildung des letzteren schädigt fast immer die Fähigkeit, zu wollen. Man braucht nur die ausgeprägten und erfolgreichen Vertreter verschiedener Stände, bei denen einerseits das Denken, andererseits das Wollen in den Vordergrund tritt, mit einander zu vergleichen, um eine Auswahl überzeugender Beispiele zu haben. Dies ist ein gewichtiges Argument für die Annahme getrennter Organe für diese beiden Bethätigungen im Gehirn. Ferner sehen wir, wie bei ungewöhnlich begabten und erfolgreichen Menschen beide Seiten einigermaassen übereinstimmend ausgebildet sein müssen, damit Erfolge auftreten. Das gewaltige Wollen eines BISMARCK würde keinen Erfolg gehabt haben, wenn es nicht mit einer ungewöhnlich reichen und vielseitigen Organisation zur Denkthätigkeit verbunden gewesen wäre. In unserer intellectuellen Zeit ist die Denkfähigkeit im allgemeinen viel besser ausgebildet, als die Fähigkeit des Wollens, und es ist daher eine wichtige Aufgabe der Erziehung, gerade in dieser Richtung vorzusorgen. Wir beurtheilen die Ergebnisse der Erziehungsthätigkeit leider oft genug viel mehr in
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dem Sinne, d a s s uns der Zögling möglichst bequem wird, als in dem, dass er fiir den Kampf ums Dasein möglichst geschickt wird. In gleicher Richtung geht die Tendenz zur Beeinflussung der Erziehung durch die Regierungen. So erschien und erscheint oft noch heute als eine der wichtigen Aufgaben der erziehlichen Thätigkeit die Erweckung des G e h o r s a m s , d. h. wir lassen die Fähigkeit des Wollens nicht nur unentwickelt, sondern beeinträchtigen sie sogar. Der richtigere, wenn allerdings auch erheblich schwierigere W e g ist, die Willensfähigkeit zu pflegen, gleichzeitig aber durch Verstand und Gefühl dahin zu wirken, d a s s die Richtung dieser Willensthätigkeit auf die Leistung erspriesslicher Arbeit geht. Die schädlichen Folgen eines Mangels an Wollen zeigen sich dann später grösseren Leistungen gegenüber, welche einen erheblicheren Aufwand an Anstrengung verlangen. Dem Lehrer, der aufmerksam seine Zöglinge beobachtet, tritt überaus deutlich entgegen, wie die erforderliche Intelligenz für bestimmte Leistungen viel häufiger anzutreffen ist, als die Fähigkeit, sich selbst lange und energisch genug bei der Arbeit festzuhalten. Ja, wenn ich aus eigener Erfahrung reden darf, so habe ich eine ganze Anzahl von versäumten Gelegenheiten zu erheblichen wissenschaftlichen Leistungen zu beklagen, deren A u s f ü h r u n g dann Anderen zugefallen ist, nicht weil ich intellectuell sie nicht hätte ausführen können, sondern weil ich die zur Durchführung der mir zugänglichen, wenn auch anstrengenden Denkoperationen erforderliche Willensenergie nicht zusammengebracht habe. — Eine Willensbethätigung tritt offenbar nur ein, wenn ein vorhandener Zustand zum Besseren verändert werden soll. Es handelt sich also entweder um die Beseitigung eines unangenehmen Zustandes, oder um die Erlangung eines angenehmeren. Die erste Bethätigung ist die unmittelbarere, denn ein unangenehmer Zustand ist thatsächlich vorhanden und bewirkt unmittelbar die entsprechende Willensregung. Die A u s f ü h r u n g dieses Willens setzt allerdings die Kenntniss eines Mittels für den gewollten Erfolg voraus; weiss man sich nicht zu helfen, so steigert sich die Unannehmlichkeit der Empfindung zu viel
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höheren Graden, wie denn (S. 388) jede erfolglose Bethätigung mit Unlustempfindungen verbunden ist. Die Willensbethätigung zur Verbesserung eines an sich erträglichen Zustandes wird andererseits erst ausgelöst, wenn sich das dazu dienende Mittel zufällig oder durch einen unabhängigen Anlass darbietet. So wird auch das nicht hungrige Thier sich auf eine Beute stürzen, wenn sie in seinem Gesichtskreise erscheint. Die vorausgenommene Erzeugung von Lustgefühlen löst hier die Willensregung aus, weil das Mittel zur Befriedigung sich unmittelbar darbietet. Alle diese erfahrungsgemäss wohlbekannten Thatsachen gewinnen eine erhebliche Aufklärung und Beleuchtung durch die Betrachtung der zugehörigen energetischen Verhältnisse. Hiernach beansprucht die Entstehung einer Willensregung einen Aufwand von Energie, denn sie selbst ist ja ein energetischer Vorgang in dem entsprechenden Organe. Der Vorgang wird durch andere Formen der Nervenenergie ausgelöst, die sowohl aus dem Gebiete des Empfindens wie dem des Denkens stammen können; dies ergiebt die eben erwähnten zwei Klassen der Willenserscheinungen. Wie in allen ähnlichen Fällen handelt es sich bei der Erzeugung der „Willensenergie"' um eine v e r h ä l t n i s s m ä s s i g e Auslösung, wobei die erforderliche Vorrathsenergie (wahrscheinlich in chemischer Gestalt) in dem betreffenden Organ aufgespeichert sein muss, damit ein Erfolg, d. h. eine Umwandlung eintreten kann. Die ausgelöste Menge hängt einerseits von dem Betrage der auslösenden Nervenenergie, also von der Stärke der Empfindung oder des Gedankens ab, andererseits von dem Energievorrath, der zur Umwandlung in Willensenergie bereit liegt. Daher bedingen verschieden starke Anlässe bei demselben Menschen auch verschieden starke Willenserregungen, entsprechend der verhältnissmässigen Auslösung (S. 356). Andererseits bewirken gleich starke Anlässe bei verschiedenen Menschen verschieden starke Willenserfolge, je nach dem vorhandenen Vorrath umwandlungsfähiger Energie. Solche Individuen, die grossen Vorrath haben, bezw. ihn leicht und schnell ergänzen, werden willenskräftig sein und umgekehrt. Durch regelmässigen Gebrauch und entsprechende Uebung kann
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das Willensorgan wie jedes andere Organ funktionsfähiger und wirksamer gemacht werden; durch Vernachlässigung und Nichtgebrauch kann es zurückgehen. Krankheiten und gewohnheitsmässige Schädigungen, insbesondere durch Alkohol, Opium und andere Narcotica, beeinträchtigen das Willensorgan meist früher, als die anderen Organe des Gehirns, und die Gefährlichkeit solcher Schädigungen oder Laster liegt eben darin, dass hierbei mit dem Willen die Fähigkeit des Widerstandes gegen Wiederholungen der Schädigung zuerst vernichtet wird. Eine besonders nahe Beziehung scheint das Willensorgan zum Geschlechtsleben zu haben, da dieses einerseits die kräftigsten Willensregungen hervorzurufen vermag, andererseits Schädigungen von dieser Seite sich am Willen besonders schnell und deutlich geltend machen. Ganz ähnliche Verhältnisse liegen an der anderen Seite der Wirkung des Willens auf die handelnden Organe vor. Die Willensenergie wirkt ihrerseits wieder verhältnissmässig auslösend auf diese, und der erzielte Erfolg wird einerseits proportional der Menge der zugeführten Willensenergie, andererseits proportional dem Vorrathe an Arbeitsenergie im Organe sein. Demgemäss giebt es zweierlei Arten von Erschöpfung: es kann bei leistungsfähigem Organe der W i l l e , und bei leistungsfähigem Willen das O r g a n erschöpft sein, d. h. keine verwandelbare Energie mehr besitzen. Der erste Fall liegt bei gewissen Geisteskranken, insbesondere den Melancholikern, in typischer Ausprägung vor; mehr oder weniger vorübergehend tritt er bei Neurasthenikern ein, bei denen man häufig beobachten kann, wie eine geringe Willensanstrengung sie für längere Zeit unfähig macht, weitere Entschlüsse zu fassen. Der zweite Fall lässt sich bei Bergsteigern, Rennfahrern und anderen Sportsmenschen beobachten, bei denen meist die physische Leistungsfähigkeit früher erschöpft ist, als die des Willens. Befindet man sich einer solchen Erschöpfung nahe, so kann man sehr gut die „katalytische" Wirkung des Willens beobachten; wenn man eben schon glaubt, die Sache aufgeben zu müssen, so pumpt ein weiterer Willensantrieb doch noch etwas Arbeit aus dem erschöpften Organ heraus. Indessen kann der Wille
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schliesslich auch nicht die Hauptsätze der Energetik ungültig machen, und das an verfügbarer Energie völlig verarmte Organ reagirt auch auf die stärkste Willensanstrengung nicht mehr. Sehr bemerkenswerth ist die Möglichkeit, durch Willensbethätigungen in a n d e r e n Menschen Willenswirkungen hervorzurufen. Es kann mit anderen Worten die Wirkung eines Willensvorganges von dem Menschen, in dem er erfolgt, auf einen anderen übergehen, der von diesem Vorgange auf irgend eine Weise Kenntniss nimmt. Die Thatsache lässt sich oft und leicht beobachten und führt unter Umständen zu einer ungeheuren Vervielfältigung der Wirkung, wenn etwa ein Heerführer seine nahezu erschöpften Soldaten durch die Sichtbarmachung seines eigenen, ungebrochenen Willens zu besonderen Leistungen anspornt. Von LIEBIG, der einer der erfolgreichsten Lehrer war, berichten seine Schüler übereinstimmend, d a s s er ungewöhnliche Leistungen seiner Schüler dadurch bewirkt hat, d a s s er sie immer wieder mit neuem Muth den auftretenden Schwierigkeiten der Arbeit gegenüber zu erfüllen wusste. Derartige Beeinflussungen nehmen gelegentlich auffallende Formen an, die in den Erscheinungen des Hypnotismus schwierig zu deutende, weil meist nicht hinreichend genau untersuchte und beschriebene Einzelheiten zeigen. An sich sind indessen diese Beeinflussungen des Willens nicht merkwürdiger, als Beeinflussungen des Intellects. Wer die Förderung empfunden hat, welche mit der Lösung eines lange bedachten Problems verbunden ist, wenn auch diese Lösung nicht selbständig, sondern durch einen gehörten oder gelesenen fremden Gedanken bewirkt worden ist, der ist auch im Stande, die Förderung eines unzureichenden Willens durch einen kräftigeren zu verstehen. Alle i n t e l l e c t u e l l e Erziehung und Ausbildung, die wir von anderer Seite erfahren, beruht ja darauf, dass wir durch Nachahmung Gedanken bilden lernen, die wir aus eigenen Kräften nicht oder nicht so bald gefunden hätten. In gleicher Weise kann einem schwachen oder unentwickelten W i l l e n dadurch eine ungemein grosse Förderung zu Theil werden, dass er die Bethätigungen eines kräftigen und ausgebildeten Willens nachahmt. Auch hat sich die Pädagogik von jeher nicht der Einsicht ent-
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ÜBER TRAG UNG
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ziehen können, dass Denken und Wollen zwar neben einander bestehen, aber doch zwei g e s o n d e r t e , wenn auch vielfach ähnliche Gebiete darstellen, wenn auch freilich, wie schon erwähnt, das letztere aus äusseren Gründen eine geringere und wohl auch vielfach falsch gerichtete Pflege erfahren hat. Wir werden also zum Verständniss solcher Willensübertragungen uns zu vergegenwärtigen haben, dass die N a c h a h m u n g einer jeden Bethätigung viel leichter erfolgt, als ihre s e l b s t ä n d i g e erste Ausbildung. Darum wird es uns viel leichter, einen bestimmten Entschluss zu fassen, wenn wir den gleichen Vorgang an einem Anderen beobachten. Ist an und für sich die Willensleistung dem betreffenden Menschen eine schwierige und ungern gethane Arbeit, so wird er um so bereiter sein, den am Anderen beobachteten Willen einfach für sich zu übernehmen und die entsprechende Handlung auszuführen. Man darf solche Vorgänge nicht so auffassen, als ginge „der Wille" von einem Menschen auf den anderen über, wie etwa ein elektrischer Strom, oder ohne Gleichniss, als würde psychische oder Willensenergie von einem Menschen auf den anderen übertragen. Dies lässt sich daraus widerlegen, dass wenn kein arbeitsfähiges Willensorgan beim Empfänger vorhanden ist, auch keine Uebertragung erfolgt. Ebenso muss das Vorhandensein des Willens von dem Empfänger erkannt und begriffen werden; alle telepathischen Versuche, bei welchen ein solches Erkennen (das oft aus äusserst geringfügigen Kennzeichen erfolgen kann) ausgeschlossen ist, verlaufen sehr viel unsicherer, als im anderen Falle. Wohl aber bringt die Erkennung des Willensvorganges einen entsprechenden Empfindungsverlauf in dem erkennenden Empfänger hervor, und dieser ist wieder die Ursache für einen zugehörigen Willensvorgang und die damit verbundene Handlung. Da hierbei aus naheliegenden psychologischen Gründen dazwischentretende G e d a n k e n meist ausgeschlossen werden, so fallen die zugehörigen Hemmungen fort, und die Wirkung erfolgt schnell und bestimmt. Es kann natürlich hier auf die genauere Theorie dieser Erscheinungen nicht eingegangen werden; ich muss mich damit begnügen, zu zeigen, dass auch auf diesem schwierigen Gebiete
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der Versuch einer energetischen Deutung der Thatsachen nicht ausgeschlossen ist. Endlich dürfen wir an der viel umstrittenen Frage nach der F r e i h e i t des W i l l e n s nicht vorüber gehen. Es ist dies so recht eine Philosophenfrage, denn thatsächlich und praktisch handelt ein jeder Mensch, auch der Philosoph, so, als wäre sein Wille frei, auch wenn er die Willenskraft aus theoretischen Gründen bestreitet. Man sollte also nicht fragen: ist der Wille frei oder nicht? sondern vielmehr: wie vereinigen wir unsere Empfindung des freien Willens mit der theoretischen Forderung, dass alles nach „ehernen, ewigen Gesetzen" geschieht? Auch hier scheint mir ein Fall vorzuliegen, wo der ungegeeignete Name G e s e t z für die übereinstimmenden Theile der natürlichen Erscheinungen einen Irrthum hervorgerufen hat, der nicht in der Sache, sondern nur im Worte liegt. Ich erinnere daran (S. 78), dass ein Naturgesetz nicht als ein Befehl aufgefasst werden darf, sondern nur als ein Bericht; es befiehlt nicht, was geschehen soll, sondern es berichtet, was thatsächlich geschieht. So können wir ohne jedes Bedenken zugeben, dass alle unsere geistigen Vorgänge, die bewussten wie die unbewussten, sich durchaus naturgesetzlich vollziehen, ohne damit auch nur den geringsten Einwand gegen die Willensfreiheit zugegeben zu haben. Denn wir sagen damit nicht, dass unser Wille unter Bestimmungen gezwungen wird, die ausser ihm liegen, sondern wir sagen nur, dass sich auch für den Ablauf der ungestörten Willensvorgänge übereinstimmende Antheile oder Merkmale auffinden lassen, die wir beobachten und aussprechen können, wenn wir hinreichend viele und mannigfaltige Willensvorgänge untersucht haben. Auch von einer anderen Seite, die von CHR. WIENER wohl zuerst hervorgehoben worden ist, gelangen wir auf den gleichen Punkt. WIENER betont, dass man etwas, was sein Verhalten selbst bestimmt, doch frei nennen muss. Unfrei ist nur das, dessen Verhalten durch Ursachen geregelt wird, die ausser ihm liegen. Da nun unsere Entschlüsse und Handlungen durch das bedingt werden, was wir wissen, denken und empfinden, was
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also einen Theil unseres eigenen Wesens bildet, so sind wir thatsächlich willensfrei. Wie steht es aber mit dem wirklich vorhandenen vielfältigen Zwang, dem der Mensch unterworfen ist? Hier existirt doch thatsächliche Unfreiheit! Dies kann ohne weiteres zugegeben werden, denn in der Behauptung der Willensfreiheit liegt nicht die Behauptung, dass es keine Factoren giebt, welche den Willen beeinflussen, sondern nur die, dass es keine Beeinflussung des Willens giebt, die nicht durch den Geist des Beeinflussten hindurchgegangen ist. Die Elemente, welche zu einem Entschlüsse beitragen, liegen nicht alle in unserer Gewalt, die Art aber, in welcher wir diese Elemente zu dem schliesslichen Willensvorgange zusammenwirken lassen, ist eine Folge unseres eigenen Wesens. Der Umstand, dass Andere in vielen Fällen voraus wissen, wie wir uns in einem gegebenen Falle entschlossen werden, bedeutet ja auch keine Unfreiheit, sondern nur Regelmässigkeit. Es ist zum Schlüsse noch auf den engen Zusammenhang in der Entwicklung des freien Willens mit der Entwicklung der Intelligenz hinzuweisen. Zu Zeiten, wo das Denken unthätig oder erheblich geschwächt ist, wie im Schlafe, in der Narkose, im Rausche, schreibt man dem Menschen keinen oder nur einen sehr beschränkten freien Willen zu, auch wenn er sonst ein normaler, willensfreier Mensch ist. Die gleiche Stufenfolge beobachten wir bei der allerdings hypothetischen Beurtheilung der Thiere; einer Pflanze, einer Raupe, ja einem Fische, dessen Verstandesthätigkeit unmerklich gering ist, billigen wir keinen freien Willen zu; einen ausgebildeten J a g d - oder Schäferhund behandelt dagegen sein Herr durchaus als ein mit freiem Willen ausgestattetes Wesen, und das Thier reagirt auch in solcher Weise, dass diese Behandlung angemessen erscheint. Der Zusammenhang liegt darin, dass die Wahlhandlung, welche das Kennzeichen des freien Willens ist, auch das Kennzeichen des überlegenden Verstandes ist. Nur dadurch, d a s s sich das handelnde Wesen die Möglichkeit verschiedener Handlungsweisen mit den zugehörigen verschiedenen Folgen vorstellt, dass es also fähig ist, Schlüsse aus vergangenen Erfahrungen
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auf die bevorstehende Zukunft zu thun, kommt es überhaupt in die Lage, einen freien Willen zu bethätigen oder eine Wahlhandlung auszuführen. Die Raupe reagirt auf den vom Blatte ausgehenden Reiz und verzehrt dasselbe; so geht sie von Blatt zu Blatt ohne zu wählen und zu überlegen. Der Hund aber wählt zwischen dem Reiz zur Verfolgung des aufspringenden Hasen und der Furcht vor der Strafe dafür und zeigt ein Verhalten, welches uns zu dem Schlüsse berechtigt, dass ihm die entsprechenden Folgen der einen und der anderen Handlungsweise vollkommen gegenwärtig sind. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass die Gelegenheit, w ä h l e n zu müssen, sich um so seltener einstellen wird, je einfacher das Wesen organisirt ist, und je eintöniger daher sein Verhältniss zur Umgebung ist. Mit zunehmender Verwicklung dieser Verhältnisse tritt in zunehmendem Maasse die N o t wendigkeit verstandesmässiger Bethätigung, d. h. des Vergleichens und Schliessens, ein. Um so mannigfaltiger werden gleichzeitig die Möglichkeiten des Verhaltens in einem gegebenen Falle, wobei sehr verschiedene Möglichkeiten ausgeführt werden können, ohne die Existenz oder selbst das Behagen des Wesens erheblich verschieden zu beeinflussen. Mit der zunehmenden Mannigfaltigkeit werden also die Motive bestimmter Handlungen auch durchschnittlich schwächer und wird die Wahl erschwert. Hiermit kommen wir wieder auf den bereits früher (S. 424) berührten Punkt von der Schwächung des Willens durch den Intellect zurück.
EINUNDZWANZIGSTE
VORLESUNG
DAS SCHÖNE UND DAS
GÜTE
eute wollen wir die Brauchbarkeit der bisher entwickelten Gedanken auf die härteste Probe stellen. Es soll sich nunmehr um die Frage handeln, ob die beiden Grundbegriffe, E n e r g i e u n d E n t w i c k l u n g , welche uns bisher einen Ueberblick über die physischen und die einfacheren seelischen Vorgänge ermöglicht haben, auch ausreichen, um jene Gebiete unseres Seelenlebens zu ordnen und zu erhellen, in denen wir die specifisch menschlichen Leistungen sehen, und deren Ausbildung auch den überzeugtesten Anhänger der Entwicklungslehre zur Anerkennung sehr wichtiger und weitgehender Unterschiede zwischen dem Menschen und dem höchstentwickelten Thier nöthigt. Dass dies thatsächlich der Fall ist, wird sich zunächst an der K u n s t nachweisen lassen. Vielleicht ist die Zeit noch nicht ganz vorüber, in welcher Erörterungen über die Kunst und das Schöne nur in einem blühenden Stile und unter sorgfältiger Vermeidung jedes bestimmten Gedankeninhaltes durchgeführt werden durften, um die Bewunderung des Laien zu erwecken. Derartiges soll hier nicht unternommen werden. Wir wissen es genau genug von den Künstlern selbst, dass ernste und tiefgreifende geistige Arbeit die Voraussetzung jeder erheblichen Kunstleistung ist, und dass die grössten Wirkungen nicht vermöge einer unbewussten Inspiration, sondern vermöge einer vollbewussten Verfügung über die geistigen und technischen Mittel der Kunst erreicht werden. OSTWALD, Naturphilosophie. III. Auflage.
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DAS SCHÖNE
UND DAS
GUTS
Zunächst werden wir einen allgemeinen Standpunkt zu suchen haben. Was will oder soll die Kunst? Die Antwort lautet meist: d a s S c h ö n e d a r s t e l l e n . Wir kommen hierbei nicht viel weiter. Zwar das D a r s t e l l e n oder H e r v o r b r i n g e n erkennen wir als zum Wesen der Kunst gehörig; was ist aber das Schöne? Lässt man eine Reihe von Kunstwerken der verschiedenen Gebiete im Geiste an sich vorübergehen, so erkennt man bald, wie weit und unbestimmt man den Begriff des Schönen fassen müsste, um alles das, was unzweifelhafte und grosse Kunstwerke uns darbieten, darin unterzubringen. Auch gelangt man in dieser Richtung nicht zur Sache selbst. Wir versuchen daher eine unmittelbare Analyse. Ein jedes Kunstwerk wendet sich an unsere Sinnesapparate und stellt sich insofern jedem anderen äusseren Erlebniss an die Seite. Es unterscheidet sich von letzterem dadurch, dass die entsprechenden Eindrücke nicht zufällig erfolgen, sondern zweck- und sinnvoll gewählt und geordnet sind. Sie rufen entsprechende Empfindungen und Gedanken hervor. Damit stehen wir bereits an den Schwellen der Kunst. Sie besteht in der willkürlichen Hervorbringung von Sinneseindrücken, welche bestimmte, beabsichtigte Empfindungen und Gedanken auslösen. Hier berührt sich die Kunst zunächst mit dem Verfahren der Z e i c h e n z u o r d n u n g , welches wir (S. 27) als das allgemeine Mittel des Verkehrs zwischen verschiedenen Individuen kennen gelernt haben. Auch werden wir alsbald gewahr, dass mit allen diesen Mitteln, mit der räumlichen, bildlichen, tönenden Darstellung beabsichtigter Gedanken und Empfindungen entsprechende Kunsttriebe verbunden sind, und dass alle diese Bethätigungen Ausgangspunkte bilden, von denen Kunstwerke wie Bauten, Bildwerke, Tonwerke, Gedichte ihre Entstehung nehmen. Aber wir sehen auch gleichzeitig einen Unterschied. Viele von diesen Aeusserungen oder Darstellungen verfolgen reine N ü t z l i c h k e i t s z w e c k e ; diese entbehren im allgemeinen der künstlerischen Gestaltung. Andere werden hervorgebracht, weil Freude, oder allgemeiner gesagt, weil ein
RAUM-
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ZEITKÜNSTE
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unmittelbares Interesse mit den Empfindungen und Gedanken selbst, die sie auslösen, verknüpft ist. Dies sind die Kunstwerke. Für die Beschaffenheit eines Kunstwerkes sind also zwei Factoren bestimmend: erstens die Mittel, welche zur Erzeugung der beabsichtigten Sinneseindrücke dienen, andererseits die Empfindungen und Gedanken, welche durch diese Mittel und die zugehörigen Sinneseindrücke ausgelöst werden. Daraus folgt eine doppelte Eintheilung der Künste, einerseits nach den Mitteln, andererseits nach den Erfolgen. Die erste ergiebt die übliche Eintheilung in Baukunst, Bildnerei, Musik, Poesie u. s. w., die andere wird meist zur Unterteilung der erstgenannten Gruppen in komische, sentimentale, tragische u. s. w. benutzt. Von diesen Gesichtspunkten aus lässt sich ein Ueberblick über d a s Gebiet der Künste unschwer gewinnen. Wir werden entsprechend den allgemeinsten Begriffsbildungen (S. 80) R a u m - und Z e i t k ü n s t e unterscheiden: zu den ersteren gehören Baukunst und Bildnerei aller Art, zu den zweiten Musik und Poesie. Für die Erfassung räumlicher Verhältnisse steht uns fast nur d a s Auge zu Gebote, da d a s Getast einen zu geringen Umfang und Zusammenhang der ihm zugänglichen räumlichen Verhältnisse ergiebt. Die entsprechenden Künste wenden sich daher so gut wie ausschliesslich an das Auge, und benutzen als Mitte! alle Sinneseindrücke, welche uns durch dieses vermittelt werden. Hierzu sind nicht nur Licht und Farbe zu rechnen; vielmehr steht die Gesammtheit unserer Raumerfahrungen diesen Künsten zu Gebote und wird von ihnen dienstbar gemacht. Es ist also vor allen Dingen die Mannigfaltigkeit der A u s s e n w e l t , in welcher sich die Raumkünste bewegen und in der sie ihren eigentlichen Boden finden. Von dort aus wirken sie mittelst der Zusammenhänge, welche die Erfahrung zwischen den Dingen der Aussenwelt und unserem geistigen und Empfindungsleben hergestellt hat, auf unser Inneres. — Einen unmittelbareren Weg nehmen die zeitlichen Künste. Die Zeit ist von KANT als die Anschauungsform des inneren 28*
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Sinnes bezeichnet worden; wir haben früher gesehen, welche Begründung und Beleuchtung dieser Satz von unserem Standpunkte aus gewinnt. So wenden sich die Zeitkünste unmittelbar an unseren inneren Sinn. Sind sie hierbei in ihrer Mannigfaltigkeit auch beschränkter, so sind sie ihrer Wirkung um so sicherer; Musik und Poesie haben es im allgemeinen leichter, in unser Inneres vorzudringen und ihre Wirkung zu entfalten, als Baukunst und Bildnerei. Dadurch, dass sich die Zeitkünste an den inneren Sinn wenden, sind sie weit unabhängiger von der Natur des Sinnesapparates. Die meisten benutzen das Gehör, so die Musik und die gesprochene Poesie. Aber der Umstand, dass wir Gedichte auch lesend geniessen können, zeigt uns, dass der Weg der Vermittelung nicht in entscheidender Weise den Kunsteindruck bestimmt. 3a, wir können ganz ohne irgend einen Sinnesapparat, bloss durch das Denken der Worte eines Gedichtes den unverkürzten Genuss desselben haben, während auch für die kräftigste anschauliche Erinnerung die Wirkung eines gedachten Bildes oder Gebäudes unvergleichlich viel geringer ausfällt, als die des unmittelbaren Anblicks. Darum hat denn auch der bildende Künstler eine so grosse Mühe, das im Geiste geschaffene Gebilde technisch auszuführen, während dem Dichter das Niederschreiben seiner Schöpfung eine ganz äusserliche Arbeit ist. Die Angemessenheit dieser Eintheilung der Künste zeigt sich sehr deutlich an ihren natürlichen Verwandtschaften. Die Raumkünste, Baukunst und Bildnerei, verbinden sich ebenso leicht mit einander zu einem Gesammtkunstwerk, wie sich die Zeitkünste, Poesie und Musik, verbinden. Eine Kreuzung herüber und hinüber gelingt dagegen nur schwer, und die erzielten Gebilde bleiben meist unfruchtbar. Sehr deutlich wird dies, wenn man sich die zurücktretende Rolle vergegenwärtigt, welche die Bildnerei im Drama spielt. SctilLLER's Räuber verlieren auch bei der elendesten Ausstattung nichts Erhebliches von ihrer künstlerischen Wirkung, während die schönsten Decorationen ein schlecht gespieltes Drama nicht zu retten vermögen.
MUSIK
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Auf die weitere Frage, w e l c h e D i n g e durch die Künste dargestellt werden, d. h. an welchen Gedanken und Empfindungen wir ein angenehmes Interesse (im weitesten Sinne) nehmen, beantwortet sich aus den S. 388 gepflogenen Erörterungen über Lust- und Unlustempfindungen. Als Quelle der Lustempfindungen war dort die erfolgreiche Bethätigung der überschüssigen Energie des Organismus erkannt und bezeichnet worden. So sehen wir in den ersten Anfängen der Kunstleistungen den räumlichen und zeitlichen R h y t h m u s allein als genügend lusterweckendes Moment thätig. Was hiermit gemeint ist, wird anschaulich, wenn man die Hingabe beobachtet, mit welcher ein sich selbst überlassenes Kind sein Liedchen unaufhörlich wiederholt, und wenn man andererseits sieht, wie die regelmässige räumliche Wiederholung irgend einer primitiven Zeichnung sich zu einem Ornament gestaltet, dessen Anwendung auch von wenig entwickelten Völkern früh erfunden wird. Hier ist es die mit der W i e d e r h o l u n g irgend einer Bethätigung verbundene Empfindung der leichten und mühelosen Ausführung, welche als Grundlage der Kunstwirkung anzusehen ist. Für den Betrachter des Ornaments macht sich dieselbe Empfindung in der Auffassung der stets wiederholten Form geltend. 1 In ihrer weiteren Entwicklung gehen nun die Zeit- und die Raumkünste erheblich auseinander. In der Musik bleibt das Princip der erfolgreichen Bethätigung lange erkennbar. Neben dem Rhythmus, dessen Begründung eben angegeben wurde, spielt die H a r m o n i e und M e l o d i e in der europäischen Musik die wichtigste Rolle. Erstere hat eine stark vorwiegende Bedeutung, da die Melodiebildung entscheidend durch die harmonischen 1 Eine wichtige Beziehung zwischen Rhythmus und Arbeit ist von BÜCHER dargelegt worden, der in einer sehr Iesenswerthen Schrift (BÜCHER, Arbeit und Rhythmus, Leipzig 1900) gezeigt hat, wie einerseits durch die rhythmische Regelung die Arbeit erleichtert wird, andererseits für den Zweck der Hervorhebung und Festhaltung des Rhythmus gewisse ungemein verbreitete Primitivformen der Poesie, die A r b e i t s l i e d e r , ausgebildet werden. Von dem hier eingehaltenen allgemeineren Standpunkte aus werden wir nicht nur Gesänge, sondern auch die anderen Formen der Zeitkünste fiir den gleichen Zweck in Anspruch zu nehmen haben.
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Beziehungen beeinflusst wird. Dies geschieht, indem die einer Harmonie angehörigen Töne nach einander verlautbart werden und so eine primitive Melodie bilden; die Signale der Jäger und Soldaten sind Beispiele hierfür. 1 Auch die weitere Ausbildung der Melodie erfolgt wesentlich, indem die Töne solcher Harmonieen nach einander gebracht werden, welche durch die Gesetze der Hartnonieverbindung auf einander beziehbar sind. Die harmonisch zusammenklingenden Töne sind bekanntlich durch einfache Verhältnisse der Schwingungszahlen mit einander verbunden. Die Ursache des Wohlgefallens an derartigen Zusammenstellungen lässt sich gleichfalls in dem Grundsatz der erfolgreichen Bethätigung erkennen. Denn da in harmonischer Beziehung die Töne ausschliesslich durch ihre Schwingungszahlen gekennzeichnet sind, so liegt die einzige Möglichkeit, verschiedene gleichzeitige Töne in gegenseitige Beziehung zu setzen, in dem Vorhandensein solcher einfacher Verhältnisse. Dadurch entsteht, wie bei einem Ornament, immer dieselbe zusammengesetzte Tonwelle, während dissonante Töne beständig veränderliche Combinationswellen bilden. Die künstlerische Benutzung der Musik geschieht zur Darstellung und damit zur Erweckung von Gefühlen. Da das Darstellungsmaterial nur geringen unmittelbaren Zusammenhang mit Naturerscheinungen hat, so bleibt es in einem ziemlich engen Kreise beschlossen. Beim Rhythmus sind es die zweiund dreitheiligen (und die aus diesen durch Vervielfältigung entstehenden) Tempi; bereits der fünftheilige Rhythmus gelangt nur versuchsweise und selten zur Anwendung. Ein wenig entwickelter sind die Zahlenverhältnisse der harmonischen Beziehungen, da neben den Verhältnissen der Schwingungszahlen z w e i (Oktave) und d r e i (Quinte) auch noch f ü n f (grosse Terz) nebst den durch Multiplication dieser Factoren entstehenden Verhältnissen benutzt wird. Aber bereits die Sieben findet harmonisch keine Verwendung mehr. Aus diesem einge1 Die Bildung dieser Melodieen ist technisch dadurch bedingt, dass die natürlichen Töne der Hörner und Trompeten übereinstimmen mit den Tönen der Grundharmonie, des Durdreiklangs. Aber dieses Zusammentreffen ist kein zufälliges, sondern liegt im Wesen der Sache.
POESIE
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schränkten Material, zu dem sich allerdings noch die Mannigfaltigkeiten des Zeitmaasses, des Klanges und der Tonstärke zur Mithilfe gesellen, wird die Fülle der musikalischen Kunstwerke gebildet. Die Ursache der Gefühlserregung durch Musik beruht zweifellos in erster Linie auf der Abbildung des zeitlichen und intensiven Verlaufs der Gefühle durch einen entsprechenden Ablauf des musikalischen Gebildes. Wir machen beim Anhören einer Symphonie von BEETHOVEN eine Empfindungsreihe durch, wie beim Erleben eines grossen Ereignisses. Die psychologische Analyse solcher Vorgänge im Einzelnen ist wohl kaum noch eingehend genug durchgeführt. In bestimmtem Sinne den Gegensatz zur Musik bildet die Poesie. Während bei jener die Mannigfaltigkeit der äusseren Erfahrungswelt gar keine Rolle spielte, bildet sie bei der Poesie gerade das vorwiegende Material, aus dem sie ihre Mittel holt. Während daher die Musik nur vorsichtig und in engem Umfange äussere Vorgänge darstellen kann, dagegen ihr eigentliches Gebiet in der Abbildung des inneren Lebens findet, hat die Poesie Schwierigkeiten zu überwinden, wenn sie die Feinheit, Stärke und Mannigfaltigkeit der inneren Empfindungen darstellen soll; sie macht für diesen Zweck gern Anleihen bei der Musik in der Verwendung von Klang und Rhythmus. Im Gegensatz dazu bietet sich ihr die Darstellung der äusseren Ereignisse durch das Wort unmittelbar an, und diese nimmt demgemäss auch den breitesten Platz in den Erzeugnissen dieser Kunst ein. Während daher in der Musik die Gefahr einer bloss verstandesmässigen Handhabung in der allzu weitgehenden Entwicklung der F o r m e n (Contrapunkt und Fuge) liegt, erleidet die Poesie die entsprechenden Nachtheile beim allzu starken Hervortreten des D e n k - und A n s c h a u u n g s m a t e r i a l s . Auf der anderen Seite liegt eine Gefahr der Musik in allzu weitgehender S p e c i a l i s i r u n g der Empfindung, wodurch die Reproduction im Hörer unsicher wird oder überhaupt nicht gelingt, während die entsprechende Gefahr für die Poesie in allzu weitgehender Specialisirung der zufälligen Erscheinung liegt, deren Zusammen-
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hang mit den t y p i s c h e n Formen vom Leser oder Hörer nicht mehr empfunden wird. Diese letzteren Gefahren sind aber nur relativ, denn es findet eine unaufhörliche gegenseitige Anpassung zwischen Schöpfer und Empfänger in aller Kunst statt. Jeder originale Künstler bewegt sich immer und naturgemäss an der äussersten Grenze der Mittel und der Inhalte, welche der Kunst seiner Zeit zu Gebote stehen, und sucht deren Grenzen zu erweitern. Eine jede derartige Erweiterung muthet aber den Empfänger zuerst nothwendig fremd an, um so fremder, je bedeutender sie ist. Daraus ergiebt sich der Conflict, an dem alle grossen und grössten Künstler zu leiden haben: sie werden zunächst nicht verstanden, d. h. der Empfänger ist noch nicht fähig und geneigt, dem Künstler bei der ausgeführten Grenzüberschreitung nachzufolgen. Ist aber diese Ueberschreitung in organischem Zusammenhange mit dem Vorhandenen erfolgt, so findet auch der Empfänger über kurz oder lang diesen Zusammenhang auf, und ist dem Künstler für die Erweiterung des Könnens und Empfindens dankbar. Der Ruhm, welchen der Künstler auf solche Weise gewinnt, ist denn auch für den grösseren Kreis der Empfänger ein erheblicher Vortheil, da er eine gewisse Gewähr dafür bietet, dass die Bemühung, dem Künstler zu folgen, ein werthvolles Ergebniss haben wird. Dem Künstler selbst dient dieser Ruhm als eine wirksame Erleichterung seiner eigenen Bestrebungen, denn wenn er e i n m a l seine Empfänger erfolgreich in neue Gebiete geführt hat, so darf er auf ein um so grösseres Zutrauen bei weiteren Vorstössen ins Uneroberte rechnen. Bei den Raumkünsten finde ich nicht den symmetrischen Gegensatz vor, wie er bei den Zeitkünsten vorhanden war. Ob zunächst die A r c h i t e k t u r als eine Kunst im engeren Sinne zu bezeichnen ist, kann zweifelhaft erscheinen, da bei ihr doch kaum je von dem technischen Zwecke abgesehen werden kann. Ein Gebäude, welches ausschliesslich zu Schmuckzwecken oder zur Erregung bestimmter Empfindungen errichtet ist, wird schwerlich den beabsichtigten Zweck unmittelbar erreichen lassen. Vielmehr dürfte die Baukunst zusammen mit dem
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Kunsthandwerk zu den Uebergangsgebieten gehören, wo es sich um künstlerische Ausgestaltung praktischer Dinge handelt, und der Zweck der Erregung angenehmer Empfindungen neben dem Nutzzweck angestrebt wird, sich ihm aber unterordnet. Reine Kunstzwecke liegen erst wieder in der B i l d h a u e r e i und M a l e r e i vor, die aber beide sich in Bezug auf das Gebiet ihrer Mittel der Poesie anschliessen. Eine der Musik parallele Kunst würde etwa die Gestalt einer ungegenständlichen Formenkunst annehmen, deren Anfänge uns in der Ornamentik entgegentreten. Ob eine derartige Kunst, die gerade in unserer Zeit von mancher Seite angestrebt wird, Aussicht darauf hat, sich ähnlich der Musik zu entwickeln, kann natürlich nicht von vornherein mit ja oder nein entschieden werden. Was gegenwärtig ihre Entwicklung in solchem Umfange unausführbar erscheinen lässt, ist der entscheidende Umstand, dass räumliche Formen und Farben nach den bisherigen Erfahrungen bei weitem keine so sichere Auslösung bestimmter Empfindungen erreichen lassen, wie dies mit musikalischen Hervorbringungen leicht geschieht. Und es scheint mir auch ein innerer Grund vorhanden zu sein, welcher eine derartige Entwicklung bisher verhindert hat und voraussichtlich auch künftig einschränken wird. Es ist dies der Umstand, dass die Betrachtung einer Form willkürlich vor- und rückwärts, überhaupt in jeder Reihenfolge vorgenommen werden kann. Da für die Beschaffenheit der meisten Empfindungen aber ein bestimmter Ablauf einer Reihe aufeinanderfolgender Theilempfindungen wesentlich ist, so sind offenbar solche Inhalte für die Ausdrucksmittel einer Formenkunst unzugänglich. So wird das, was sich auf diesem Wege ausdrücken lässt, sich wohl auch für die Zukunft auf die Steigerung und Hervorhebung bestimmter Empfindungstöne, die anderweit angeschlagen sind, beschränken. Die Bildnerei kommt wie erwähnt mit der Poesie darin überein, dass ihr Darstellungsgebiet der Aussenwelt entnommen ist. Doch hat die Poesie noch in einem ziemlich weiten Umfange die Möglichkeit und daher die Aufgabe, auch das innere Leben unmittelbar darzustellen. Bei der Bildnerei ist dagegen das Gebiet des Darstellbaren ganz und gar auf die Erscheinungs-
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weit beschränkt, und das Innenleben kann nur durch deren Vermittelung dargestellt werden, indem solche Erscheinungen nachgebildet und vorgeführt werden, mit denen in möglichst bestimmter Weise die zu erzeugenden Gefühle verbunden sind. Die Entwicklungsgeschichte der Bildnerei ist durch die technischen und gedanklichen Schwierigkeiten bestimmt, die sich aus der Aufgabe ergeben, die Aussenerscheinungen darzustellen. Die Gesammtheit der Eigenschaften eines gegebenen Gebildes, z. B. eines bestimmten Menschen, kann man nicht wiedergeben, denn man kann kein Nachbild schaffen, welches in allen Beziehungen mit dem Vorbild übereinstimmt. So ergiebt sich ganz ähnlich wie bei der Bildung der Begriffe die Nothwendigkeit, bestimmte Seiten oder Zustände der darzustellenden Erscheinung auszuwählen und auf die anderen zu verzichten. Je nach der Art dieser Einschränkung entstehen die verschiedenen Arten der bildenden Kunst. Am nächsten der Wirklichkeit kommt die Plastik, da sie die körperliche Erscheinung des Darzustellenden wiederholt und nur von der Bewegung absehen muss. Der bis in unsere Tage übliche gleichzeitige Verzicht auf die F a r b e rührt daher, dass die auf uns gekommenen Bildwerke des klassischen Alterthums während der durch fast zwei Jahrtausende erfahrenen Unbilden ihre Färbung eingebüsst haben, so weit sie ihnen durch äusseren Farbauftrag ertheilt worden war. Die zahlreichen theils in Nachrichten, theils im Original erhaltenen Fälle plastischer Gebilde aus in d e r M a s s e farbigem Material, wie Elfenbein, Gold, Bernstein und farbigen Steinen aller Art lehren uns, dass den Alten die Verwendung der Farbe in plastischen Darstellungen jedenfalls nicht fremd war. So ist der in neuester Zeit immer stärker hervortretende Zug nach farbiger Ausgestaltung der Bildnerei vollkommen berechtigt, und der Versuch, unter Berufung auf irgend welche unverletzlichen Normen, die der Kunst vorgeschrieben sein sollen, die Anwendung der Farbe als unkünstlerisch in Misskredit zu bringen, hat ungefähr ebensoviel Berechtigung, wie der Versuch, die Anwendung der Mathematik auf die Erforschung der chemischen Erscheinungen als „dem Geiste der Chemie wiedersprechend" zu brandmarken.
PLASTIK
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Allgemein muss ausgesprochen werden, dass die geschichtlich ausgebildeten Darstellungsformen irgend einer Kunst (oder Wissenschaft) niemals den Anspruch erheben können, als unverbrüchliche Normen für alle weitere Thätigkeit zu gelten. Wir können es aus der Geschichte der neueren Bildnerei mit grösster Deutlichkeit ablesen, dass je unbedingter die Verehrung irgend welcher Vorbilder, z. B. der Antike, zu einer Zeit gewesen war, um so unfruchtbarer und unselbständiger die eigene Kunst jener Zeit sich erwiesen hat. Mit schmerzhafter Deutlichkeit erkennt man dies, wenn man GOETHE'S verfehlte und erfolglose Bestrebungen betrachtet, die Malerei seiner Zeit durch Preisaufgaben und Aufträge, deren Gegenstände aus der Antike gewählt wurden, zu beleben. Der grosse Dichter, dessen Stärke so ganz in der Erfassung des Wirklichen und Wirksamen lag, hatte sich nicht gesagt, dass die Aufgabe, ein Leben darzustellen, welches die Künstler seiner Zeit nicht aus der Anschauung kennen konnten, nothwendig zu unlebendigen Darstellungen führen musste. So werden wir denn auch für alle Kunst den Grundsatz aufstellen müssen, d a s s a l l e M i t t e l g e l t e n , wenn sie nur dazu beitragen, den Zweck des Künstlers zu unterstützen. „Unkünstlerisch" wird die Anwendung von Farbe in der Plastik nur sein, wenn sie die Wirkung vermindert statt sie zu erhöhen. Eine solche Gefahr liegt beispielsweise vor, wenn man die Vorzüge eines bestimmten Materials, wie Marmor, dadurch vernichtet, dass man dessen durchscheinende Beschaffenheit und die daraus entstehende lebendige Wirkung unter einem dicken und undurchsichtigen Farbauftrage verschwinden lässt. Hier ist eben die farbige Technik in solcher Weise zu entwickeln, dass man den Marmor färben lernt, ohne ihn zu verdecken, was sich mittelst durchsichtiger, in das Material eindringender Färbungen ganz wohl erzielen lässt. Während das plastische Bildwerk dort seine Anwendung findet, wo der Beschauer naturgemäss veranlasst ist, es von sehr verschiedenen Standpunkten aus zu betrachten, tritt das Bild im engeren Sinne, die auf einer Ebene ausgeführte Darstellung, dort auf, wo ein einigermaassen bestimmter Standpunkt
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gegeben ist. Das im Auge entstehende Bild ist ja geometrisch von der Beschaffenheit, dass es sich auf einer Fläche darstellen lässt. Im Auge ist diese Fläche annähernd ein Theil einer Hohlkugel, und wir würden auch eine in vieler Beziehung vollkommene Darstellung der Wirklichkeit auf einer solchen Fläche, in deren Mittelpunkt sich der Beschauer befindet, ausführen können. Praktisch wird aber statt der Hohlkugel ganz allgemein und von jeher die E b e n e angewendet. Die Ursache dieser Wahl ist einerseits in der viel leichteren technischen Herstellung einer solchen gegenüber der Hohlkugel zu suchen, andererseits aber in dem noch wichtigeren Umstände, dass die Abweichungen des Bildes von der Wirklichkeit, welche eintreten, wenn das Auge des Beschauers nicht im Kugelmittelpunkte ist, hier sehr bald eine unerträgliche Stärke annehmen, während die Darstellung in der Ebene ziemlich bedeutende Verschiebungen des betrachtenden Auges aus dem constructiven Augenpunkte gestattet, ohne dass die auch hier vorhandenen Abweichungen störend wirken. Insbesondere ist es das Geradbleiben gerader Linien im Falle der Ebene, welches den Vorzug der ebenen Darstellung begründet. Denn da die Gerade von allen linearen Gebilden dasjenige ist, welches sich unserem Bewusstsein am bestimmtesten einprägt, so sind wir hier auch am empfindlichsten gegen Verletzungen unserer erfahrungsmässigen Anschauungen. Durch die Darstellung des Bildes auf einer Fläche tritt eine neue Schwierigkeit auf, welche bei der Plastik nicht vorhanden war: die P e r s p e c t i v e . Während bei der Plastik die räumlichen Abmessungen entweder unmittelbar oder nach verhältnissmässiger Verkleinerung oder Vergrösserung auf das Abbild zu übertragen sind, ergiebt sich bei der flachen Darstellung die Notwendigkeit, die optischen Grössenänderungen, die mit der Entfernung des Gegenstandes vom Auge zusammenhängen, zu berücksichtigen. Wie bekannt, ist die Lösung dieser Aufgabe erst in verhältnissmässig jungen Zeiten gelungen; für DÜRER und RAFFAEL gehörten die perspektivischen Probleme noch zu den schwierigsten der Kunst. So erklärt es sich auch, dass die Plastik trotz der anscheinend grösseren Umständlichkeit der
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Technik sich viel früher entwickelt hat, als die Malerei, und dass man bei den uns aus dem Alterthum überkommenen Versuchen der ebenen Darstellung den perspektivischen Schwierigkeiten möglichst aus dem Wege gegangen ist, indem man das Darzustellende in eine Ebene zu legen sich bemühte. Wo dies nicht anging, liegen denn auch grobe Fehler vor. In beiden Gebieten aber nehmen wir wahr, wie die allmähliche Gewinnung immer weiterer Gebiete von Mitteln und Inhalten die Entwicklung bedingt. Wenn in den ältesten plastischen Versuchen die menschlichen Gestalten mit angedrückten Gliedern in starrer Haltung gebildet werden, so erkennen wir darin ebensowohl die Hilflosigkeit der Technik in der Behandlung des Steines, insbesondere in der Herstellung freiragender Theile, wie auch die Eingeschränktheit der Anschauungen von der Mannigfaltigkeit der Bewegung menschlicher Gestalten. Nur das Einfachste und Zugänglichste auf beiden Seiten wird gewagt. Erst nachdem diese Mittel und Inhalte durch vielfache Wiederholung geläufig geworden sind, reicht die Energie des schaffenden Künstlers so weit, dass er neue Vorstösse nach beiden Seiten versucht. Die zunehmende Sicherheit in der technischen Behandlung des Steines gestattet eine zunehmende Mannigfaltigkeit der dargestellten Typen. Diese Bildung von Typen in den Anfängen der bildenden Kunst wird durch den Umstand bewirkt, dass zunächst nur die am deutlichsten unterschiedenen Dinge zur Darstellung gelangen. Dies ist in der Kunst wie in der Wissenschaft: ihre Entwicklung wird durch das bestimmt, was zuerst bewältigt werden kann. Denn beider Aufgabe lässt sich als die Bewältigung der u n e n d l i c h e n M a n n i g f a l t i g k e i t der Ers c h e i n u n g d u r c h d i e B i l d u n g a n g e m e s s e n e r B e g r i f f e bezeichnen; während die Wissenschaft aber g e d a n k l i c h e Begriffe bildet, stellt die Kunst a n s c h a u l i c h e her. In beiden Fällen ist es aber die Hinstellung des Allgemeinen und Wiederkehrenden unter Vernachlässigung des Einzelnen und Zufälligen, was das Wesen dieser Arbeit ausmacht.
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Die Bildung solcher Anschauungsbegriffe oder Typen wird als so wesentlich empfunden, dass selbst f a l s c h gebildete Typen eine nahezu unvernichtbare Existenz gewinnen. So wird bis auf den heutigen Tag der Blitz als Zickzacklinie dargestellt, während wir seit zwanzig Jahren aus photographischen Aufnahmen wissen, dass die wahre Form eine geschlängelte ist. Bei der weiteren Entwicklung der Kunst bemerkt man häufig einen.Wellengang, ein abwechselndes Hervortreten scheinbar entgegengesetzter Richtungen. Schulmässig pflegt man diesen Gegensatz Realismus und Idealismus zu nennen; thatsächlich handelt es sich um das Hervortreten einerseits der Darstellungsmittel, andererseits des Darstellungsgebietes. Jedes Mal, wenn ein grosser technischer Fortschritt gemacht ist, durch welchen eine weitere Annäherung der Darstellung an die wirkliche Erscheinung gewonnen ist, tritt ein vorwiegendes Interesse dafür hervor, dieses neue Mittel auf möglichst viele einzelne Erscheinungen anzuwenden. Dadurch legt sich der Schwerpunkt der Arbeit auf die Seite des M i t t e l s , und die Frage, w a s man auf solche Weise darstellt, tritt in den Hintergrund. Ist dann durch vielfache Anwendung auf alle möglichen Fälle die Wirkungsweise und Tragweite des Mittels festgestellt, so verliert diese Frage an Interesse und Bedeutung, und es entsteht das neue Problem, die gewonnenen Hilfsmittel für die Eroberung neuer I n h a l t e anzuwenden. Die erste Periode pflegt als die des Realismus, die zweite als die des Idealismus bezeichnet zu werden. Letztere findet ihr Ende dadurch, dass während des Suchens nach neuen Inhalten eine Vernachlässigung der Mittel (unter denen nicht nur die mechanische Technik, sondern auch die genaue Kenntniss der Form- und Farbeigenschaften der dargestellten Dinge zu verstehen ist) einzutreten pflegt, welche zu einem Missverhältniss zwischen beiden führt, dessen Abhilfe dann wieder durch eine neue Kunstrevolution nach „realistischer" Seite bewerkstelligt wird. Solche Schwankungen sind um so bedeutender, je erheblicher ein gegebener Fortschritt in dem einen oder anderen Sinne ausfällt. Dieser hängt aber entscheidend von der einzelnen
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wirksamen Persönlichkeit ab. 3e grösser die Anzahl und Verschiedenheit der Künstler wird, die gleichzeitig in einem Gebiete thätig sind, um so geringer wird der Einfluss des Einzelnen, und um so stetiger entwickelt sich die Kunst im Sinne der gleichzeitigen Ausbildung und Erweiterung ihrer beiden Seiten. Ich muss es mir versagen, in weitere Einzelheiten einzugeben, welche sich im Anschlüsse an unsere allgemeinen Betrachtungen bei der Untersuchung der Kunst ergeben. Kann es sich ja hier nur um eine Skizze handeln, um einen Nachweis, dass unsere allgemeinen Begriffsbildungen auch auf diesem Gebiete geistiger Bethätigung im Stande sind, Aufklärungen zu geben und Zusammenhänge herzustellen. So will ich mich begnügen, nur noch auf einen Punkt hinzuweisen, an dem die Wissenschaft die Kunst unterstützen kann. Bei der Wiedergabe der natürlichen Erscheinungen durch die heutigen Mittel der Malerei ist der Künstler oft in empfindlichster Weise durch den Umstand eingeschränkt, dass die Stufenreihe vom hellsten Weiss bis zum dunkelsten Schwarz, über welche er z. B. in der Oelmalerei verfügt, so ausserordentlich viel kürzer ist, als die Stufenreihe der in der Natur gleichzeitig vorkommenden Lichter. Wenn man auch gern darauf verzichten wird, die strahlende Mittagssonne darstellen zu wollen, schon weil uns wegen der Blendung ihr Anblick auch in Wirklichkeit unvertraut ist, so ist doch das Weiss der Malerei so weit von dem hellsten Licht entfernt, welches das Auge ohne Blendung verträgt, dass hier eine Erweiterung des Lichtgebietes eine sehr wesentliche Erweiterung der Hilfsmittel und damit des Darstellbaren in der Malerei bewirken würde. Fragt man sich nach den physikalischen Möglichkeiten, so giebt es deren zwei. Einmal kann man das Reflexionsvermögen der hellsten Stellen zu steigern versuchen. Dies würde beispielsweise gelingen, wenn man die Malerei mit durchsichtigen Farben auf einem möglichst gut reflektirenden Spiegel ausführte, und das Bild so betrachtete, dass recht helles weisses Licht durch diesen Spiegel in das Auge des Beschauers geworfen wird.
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Ein zweiter Weg zu dem gleichen Ziel läge in der Ausbildung der Technik d u r c h s i c h t i g e r Bilder. Wer die unnachahmliche Farbwirkung eines alten Kirchenfensters kennt, weiss, um wie viel diese dem leuchtendsten Gemälde überlegen ist. Nun würde es keine grossen technischen Schwierigkeiten machen, auf durchsichtigen Tafeln von Glas, gegerbter Gelatine oder Celluloid mit durchsichtigen Farben zu malen. Während bei solchen Bildern die tiefsten Schatten sich durch die Vermeidung alles Vorderlichtes beliebig dunkel gestalten lassen, ist andererseits für die hellsten Lichter eine Grenze nur durch die beliebig zu steigernde Intensität der Beleuchtung gegeben. Man möge eine derartige Technik nicht als „unkünstlerisch" verwerfen. Mit diesem Namen ist bisher jede erhebliche Erweiterung der künstlerischen Hilfsmittel bezeichnet worden, und man hat BEETHOVEN ebenso die Verwendung des Chors in der neunten Symphonie als unkünstlerisch verbieten wollen, wie WAGNER die ungewohnt reichliche Verwendung der Blasinstrumente. Derartige Vorwürfe entstehen leicht dadurch, dass ein solches neues Mittel die Erzielung von Wirkungen ohne grosse Mühe ermöglicht, für welche die ältere, beschränktere Technik ihr entwickeltstes Können hat aufbieten müssen; was ohne dies Können auf dem neuen Wege leicht erreicht werden kann, wird dann unkünstlerisch genannt. Wenn man sieht, wie leicht es ist, reizende und eindrucksvolle Licht- und Farbwirkung mit Transparentbildern zu erreichen, für deren Herstellung kein weitgehendes Kunstkönnen erforderlich war, so kann man daraus eben nur entnehmen, wie unverhältnissmässig viel wirksamer und ausdrucksvoller ein an Können und Wollen reicher Künstler mit diesem Mittel seine Bilder gestalten könnte. —
DAS
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Wir nähern uns dem Ende unserer Betrachtungen. mir
noch
übrig
geblieben,
den
Zusammenhang
der im S i n n e der e n e r g e t i s c h - e v o l u t i o n i s t i s c h e n aus
den
bisher
betrachteten
Gebieten
der
E s ist
aufzuweisen, Anschauungen
psychischen
Er-
scheinungen zu jenen Höhen führt, auf denen wir das Innerste und
Beste
finden,
was
uns
unser
Leben
werth
macht.
Es
würde nicht angebracht sein, diese Dinge s e l b s t in allen ihren Beziehungen hier zu erörtern; ich m u s s mich vielmehr mit dem Nachweise
begnügen,
vorhanden
sind,
schluss
dieses
d a s s auch
und
dass
Theiles
sich
unseres
behandelten Inhalte gewinnen Wir
beginnen
mit
hier
nahe
ein
Zusammenhänge
ungezwungener
An-
an die bisher
Lebensinhaltes
lässt.
der
Frage,
ob
sich
Regeln
für
das
e t h i s c h e V e r h a l t e n des M e n s c h e n zu seinen L e b e n s g e n o s s e n a u s den Ansichten entwickeln
lassen, die vorher über die Be-
ziehungen zwischen ihnen dargelegt worden sind. unbestrittener Bestimmung
giebt es nichts, w a s
gut zu nennen ist, als ein g u t e r W i l l e .
Nach KANT'S so
unbedingt
Das heisst, die Güte
stellt sich im H a n d e l n des M e n s c h e n gegenüber den Wesen
dar, und zwar in
hängig
dem
Theil des Handelns, der
ist
von
etwaigen
äusseren
Ausführung
der
gehegten
Absichten.
g u t in unserem S i n n e
anderen
Einschränkungen Was
werden
unabin
der
wir
nun
nennen?
Die einzige allgemeine Richtung, welche wir bisher an den Lebewesen aller Art entdecken konnten, ist die auf Gewinnung und Sicherung der eigenen zeitlichen Dauer.
S o lange ein einziges
Wesen auf seiner Welt, d. h. im Bereiche seines Einflusses und seiner Erfahrung existirt,
besteht der Begriff der G ü t e
nicht,
denn dies e i n s a m e Wesen h ä n g t in seiner Existenz ausschliesslich von seinen eigenen Eigenschaften und denen seiner Umgebung ab.
Gemäss
diesem
Zusammenhange
keine seiner Lebensäusserungen
wird e s bestehen,
und
ist mit einer Beeinträchtigung
oder Förderung eines anderen W e s e n s verbunden. Auch
im
anorganischen
Reiche,
wo
die
einzelnen
Existenzen neben und mit einander bestehen und sich seitig von
vielfach gut
oder
beeinflussen schlecht
OSTWALD, Naturphilosophie.
und
einschränken,
nicht reden wollen.
III. Auflage.
gegen-
werden
wir
Wir vermissen 29
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hier die Möglichkeit für jedes besondere Wesen, in einem gegebenen Falle sich anders zu verhalten, als es sich thatsächlich verhält, und mit dem Mangel an Wahlfreiheit tritt auch das Fortfallen der Verantwortlichkeit und das einer moralischen Beurtheilung ein. Erst wenn mehrere Wesen sich in ihren Lebenskreisen berühren, beginnen Erscheinungen aufzutreten, auf welche wir moralische Urtheile anwenden. Sie sind anfangs noch sehr unbestimmt, und werden um so bestimmter, je entwickelter das Wesen wird, je deutlicheres Selbstbewusstsein und je mehr Wahlfreiheit wir ihm zuschreiben. Beim Menschen werden wir alle Handlungen, durch welche er den Lebenskreis anderer Menschen willkürlich beeinträchtigt, als s c h l e c h t bezeichnen. G u t sind umgekehrt jedenfalls solche Handlungen, durch welche er anderen Menschen die Existenz erleichtert, und zwar werden wir eine Handlung im allgemeinen moralisch um so höher stellen, je grössere Opfer in Bezug auf die eigenen Güter sie dem Handelnden auferlegt. Während die Kennzeichnung der Gesammtgebiete im Grossen und Ganzen nicht allzu schwierig ist, beginnen allerdings Schwierigkeiten aufzutreten, wenn das Verhältniss zwischen dem gebrachten Opfer und der dadurch beim Anderen erzielten Förderung zu ungünstig im Sinne der letzeren ausfällt. Wenn ein Mensch hungert, um einem anderen durch ein kleines Geschenk ein schnell vorübergehendes Vergnügen zu verschaffen, wie dies manche Mutter gegenüber dem verzogenen Sohne thut, so werden wir eine solche Handlung vielleicht noch „rührend", aber jedenfalls nicht mehr ohne weiteres gut nennen. Welchen Grund haben wir nun, gut zu handeln, und warum schätzen wir gute Handlungen, auch wenn wir nicht selbst die aus ihnen folgenden Vortheile erfahren? Den rohen Nützlichkeitsstandpunkt, nach welchen wir auch eine uns nicht angehende gute Handlung darum schätzen, weil wir, wenn solche Handlungen häufig werden, auch selbst gelegentlich einmal von ihnen Vortheil erfahren können, dürfen wir alsbald verwerfen. Wir brauchen uns nur die sehr leb-
DIE
ENTWICKLUNG
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haften Empfindungen bei der Kenntnissnahme solcher Handlungen zu vergegenwärtigen: sie sind ganz verschieden von der viel massigeren und nach ganz anderer Seite liegenden Befriedigung, welche wir bei unmittelbarem Genuss der Wirkung jener Handlung empfinden würden. Unsere Freude über eine gute Handlung wird vielmehr durch eine Empfindung gekennzeichnet, als sei etwas geschehen, was ganz besonders im Sinne einer richtigen und allgemeinen Weltordnung liegt. Versuchen wir stufenweise in das Verständniss solcher Handlungen einzudringen, so sehen wir sie am häufigsten und vollkommensten bei dem Verhältniss der Mutter zum Kinde entwickelt. Hier finden wir bis in ziemlich tiefstehende Thierklassen hinunter eine Opferbereitschaft und Selbstlosigkeit seitens der Mütter ihrer Brut gegenüber, die uns mit den lebhaftesten Mitempfindungen erfüllt. Und auch beim Menschen halten wir die Mutterliebe für die selbstverständlichste Form der Güte; wir erwarten sie in jedem derartigen Falle anzutreffen und sind enttäuscht und entrüstet, wenn wir uns hierin geirrt haben. — Nun erinnern wir uns des Gesichtspunktes, wonach die Fortpflanzung als eine Verlängerung oder Fortsetzung der individuellen Existenz anzusehen ist. Die Liebe der Mutter zum Kinde ist in solchem Sinne nichts als der Ausdruck des jedem Lebewesen eigenen E r h a l t u n g s t r i e b e s , der sich von dem eigenen Leibe auf den des Kindes übertragen hat. So lange das künftige Kind noch einen Theil der Mutter bildet, ist es u n s ganz selbstverständlich, dass die Mutter diesem ihrem Theil die gleiche Sorgfalt angedeihen lässt, welcher Jeder sich selbst widmet; ja die grössere Verletzlichkeit unter diesen Umständen rechtfertigt eine gesteigerte Rücksicht und Schonung. Wie sollte nun dies Verhältniss dadurch vollständig unterbrochen werden, dass dieser Theil beginnt, eigene Athmung und eigenen Blutkreislauf zu bethätigen, zumal er normaler Weise noch durch die Nahrung und Pflege an den mütterlichen Organismus gefesselt ist? So sehen wir: die allgemeine Selbsterhaltungstendenz, welche die nothwendige Voraussetzung für die Existenz jedes 29*
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Lebewesens ist, erstreckt sich in diesem Falle auf einen Theil des eigenen Organismus, der sich allmählich von dem Haupttheil abtrennt und sich zu einem selbständigen Wesen entwickelt. Alle Handlungen, die dem eigenen Leibe gegenüber als selbstverständlich, aber eben deshalb in keiner Weise als lobenswerth und erfreulich erscheinen, gewinnen den Charakter der G ü t e , wenn sie dem abgetrennten Theile gegenüber erfolgen. Ausser der Mutter pflegt der Vater des jungen Wesens sich diesem gegenüber gütig zu erweisen, d. h. für sein Wohlsein auch auf Kosten des eigenen Nutzens oder der eigenen Bequemlichkeit thätig zu sein. Auch diese Erscheinung fassen wir als eine normale auf, und wenn auch der körperliche Zusammenhang des Abkömmlings mit dem Vater weit weniger deutlich in die Erscheinung tritt, so liegt doch wohl die gleiche Ursache den gleichen Empfindungen zu Grunde. Vater, Mutter und Kind betrachten sich naturgemäss und ohne weitere Reflexion als Theile eines und desselben Gesammtwesens, und so ist die gegenseitige Hilfsbereitschaft und Förderung, die gegenseitige G ü t e natürlich und selbstverständlich, da sie nur eben ein Ausdruck der allgemeinen Erhaltungstendenz ist. Die Erweiterung dieser Betrachtungen auf die Familie, den Stamm, das Volk liegt nahe und zeigt uns, warum wir auch die gegenseitige Förderung unter Familien- und Volksgenossen für natürlich halten, und jede Abweichung von dieser Norm als einen Widerspruch, als etwas, was nicht sein sollte, empfinden. Die egoistische Missachtung der Wünsche oder Ansprüche der Angehörigen wird als eine Anomalie empfunden, weil sie eine Hypertrophie an einer Stelle des Gesammtor ganismus darstellt. Dies ist ein Zustand, der die Existenz der Gesammtheit zu erschüttern und zu beeinträchtigen droht, und daher empfinden alle Glieder der Gemeinschaft den Widerspruch. Auch pflegt alsdann die Reaction einzutreten, und die Gesammtheit der übrigen Genossen wirkt auf dieses eine Glied in solchem Sinne ein, dass es wieder dem Gleichgewicht zugetrieben wird. Hier scheinen mir die Quellen des Begriffes von R e c h t und S t r a f e zu liegen.
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Verallgemeinern wir diese Betrachtungen, so sehen wir, dass vom gröbsten Egoismus bis zur selbstlosesten Güte ein ununterbrochener Uebergang vorhanden ist. Das allem Handeln zu Grunde liegende Motiv bleibt immer dasselbe: es ist der Trieb der Selbsterhaltung. Der Unterschied liegt nur in dem Umfange des Kreises, der das Selbst umschliesst. Je weiter dieser genommen wird, um so lobenswerther, besser, moralischer finden wir das entsprechende Handeln. Das biblische: l i e b e D e i n e n N ä c h s t e n , w i e D i c h s e l b s t , erfährt hier eine unerwartete Unterstützung von Seiten der Entwicklungstheorie. In gleicher Weise tritt dies ein für die von SCHOPENHAUER mit so viel Beredsamkeit vertretene indische Moral mit ihrer Lehre von der Einheit alles Seienden und ihrem stets wiederholten: D a s b i s t Du! Wie gross ist nun der Kreis des eigenen Selbst zu ziehen? Dass er die Familie und das Volk umfasst, ist eine sehr allgemeine Empfindung. Dass er die gesammte Menschheit umfassen soll, erscheint den Meisten als eine mehr theoretische als praktische Forderung. Auch pflegen wir den Mitmenschen niederster Entwicklungsstufe gegenüber die Ausführung der entsprechenden Handlungen mehr einzuschränken, als in Bezug auf Stammes- und Standesgenossen. Eine noch weiter gehende Einschränkung gestatten wir uns den Thieren und Pflanzen gegenüber und sehen nichts Böses darin, das Leben zahlloser Individuen zu vernichten, um uns Nahrung, Kleidung und andere Vortheile zu verschaffen. Ueberlegen wir, dass wir, um von einer Fliege nicht belästigt zu werden, sie ohne Umstände ums Leben bringen, ohne uns auch nur einen Augenblick mit der Frage zu beschäftigen, ob wir dazu ein Recht haben, oder ob wir nicht damit schlecht handeln, und vergleichen wir den Nachtheil, den wir von der Fliege erfahren, mit dem, den wir ihr zufügen, so kommen wir zu dem Ergebniss, dass eine einfache Anerkennung a l l e r anderen Wesen als gleichberechtigter Geschwister, wie sie die indischen Priester gelegentlich praktisch durchzuführen versucht haben, uns nothwendig wegen des Missverhältnisses der beiderseitigen Anzahl und der darauf begründeten Ansprüche zur Selbstvernichtung führen müsste.
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Es wird also nöthig sein, noch eine gegenseitige Abwägung der Ansprüche vorzunehmen, welche die verschiedenen Glieder des Gesammtwesens aller Lebendigen an einander zu stellen haben. Gehen wir auf ein einzelnes Lebewesen zurück, so sehen wir derartige Unterscheidungen an dessen Theilen überall durchgeführt. Wir opfern gern einen Finger, um den Arm zu retten, und verzichten auf die Erhaltung eines Beins, um unser Leben zu erhalten. Ebenso lässt der Gelehrte ohne Zögern, wenn auch vielleicht nicht ohne Bedauern, die Muskeln seiner Gliedmaassen durch Nichtgebrauch theilweise atrophisch werden, weil er ihre Entwicklung mit der von ihm angestrebten seines Gehirns nicht vereinigen kann, und ebenso verzichtet mancher Landwirth oder Soldat mit Nachdruck auf die ihm entbehrliche Cultur gewisser geistiger Eigenschaften, um den Theil seiner Organisation zu entwickeln, der ihm für seinen Beruf als der wichtigste erscheint. Hieraus ergiebt sich Folgendes. Die Gesammtheit der a n o r g a n i s c h e n Wesen werden wir ohne Zögern zu unserem Nutzen verwerthen und uns überall berechtigt sehen, diese Dinge, an denen sich kein Leben bethätigt, unter den Einfluss des Lebens zu bringen und für dessen Förderung zu gebrauchen. Aber auch dem L e b e n d e n gegenüber werden wir, wenn auch mit Vorsicht, von einem gleichen Recht Gebrauch machen, und werden das niedere Leben für die Förderung des höheren opfern. Hierdurch ist also zunächst ein z w e c k l o s e s Opfern vorhandenen Lebens ausgeschlossen; auch sträubt sich die ethische Empfindung des entwickelten Menschen gegen ein solches Thun. Aber hier entsteht die zweite, sehr schwierige Frage: woran erkenne ich ein höheres Leben gegenüber dem niederen? Die Antwort ist wie immer in den äussersten Fällen leicht. Wenn es sich darum handelt, ob ein Mensch seinen Körper der Ernährung von Typhus- oder Cholerabakterien opfern soll, so wird niemand zweifeln, dass Millionen dieser Geschöpfe ohne weiteres getödtet werden können, um einen Menschen zu erhalten, und dass es ein Gewinn für das Gesammtieben wäre» wenn man diese Lebewesen überhaupt vollständig ausrotten
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könnte. Aber auch wenn ein Mensch von einem Löwen oder einer Schaar Wölfe angegriffen wird, so besteht nicht der mindeste Zweifel über das moralische Recht, alle diese verhältnissmässig hoch stehenden Wesen zu opfern, um den Menschen zu retten. Selbst wenn es sich nicht um das Leben von Menschen, sondern von Hausthieren handelt, werden wir jedes Raubthier, das sie angreift, ohne weiteres tödten und die Empfindung haben, ein gutes Werk gethan zu haben. Wir werden also allgemein zwischen dem Leben eines Menschen und dem eines Thieres überhaupt kein Vergleichsverhältniss zugeben, und beliebig viele Thierleben als minderwerthig gegen ein einziges Menschenleben veranschlagen. Allerdings gerathen wir schon hier zuweilen in einen Conflict, da der Werth eines besonders entwickelten Thieres, z. B. eines edlen und treuen Hundes, dem eines verkommenen und schlechten Menschen gegenüber von uns nicht als verschwindend gering empfunden wird; zuweilen sind wir sogar geneigt, den ersteren höher einzuschätzen. Aber hier kommen praktische Erwägungen, wie sie für alle Rechtsbildung entscheidend sind, in Betracht: man hat ohne Rücksicht auf derartige mögliche Ausnahmen den Grundsatz allgemein festgestellt, dass ein Thierleben stets geringer zu bewerthen ist, als ein Menschenleben, weil man jedem beliebigen einzelnen Menschen nicht das Vertrauen schenken darf, d a s s er in jedem Falle richtig, d. h. im Sinne der Gesammtheit, entscheiden würde. Die Schwierigkeiten häufen sich, wenn es sich nicht mehr um das L e b e n des Menschen handelt, sondern um grössere oder geringere Vortheile für seine Existenz. Dies ist der Boden, wo Sitte und Gewohnheit die Grenzen bestimmen, deren fliessende Beschaffenheit dann nothwendig zu Widersprüchen und Conflicten zwischen den Vertretern der verschiedenen Anschauungskreise führen muss. Hier kommt namentlich der Gesichtspunkt in Betracht, dass die gleichen Verhältnisse, welche uns dazu führen, in allem Lebendigen unsere Angehörigen zu sehen, uns auch g e g e n d i e E r h a l t u n g d e s I n d i v i d u u m s g l e i c h gültiger machen. Denn das Individuum kann sich ja in seinen Abkömmlingen fortsetzen; sorgen wir dafür, dass letzteres
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reichlich möglich ist, so brauchen wir uns geringere Bedenken zu machen, wenn wir individuelles Leben in unserem Interesse vernichten. Ein derartiges Verfahren liegt j a unserer gesammten Lebenshaltung zu Grunde; der Landwirth, der allen übrigen Ständen die chemische Energie für ihre Bethätigung liefert, tödtet zahllose Pflanzen- und Thierindividuen, indem er gleichzeitig für die ununterbrochene Neuerzeugung derselben sorgt. Und wir Anderen sehen seine Arbeit nicht mit moralischem Schauder, sondern im Gegentheil mit innerer Genugthuung an und empfinden sie als durchaus in der Ordnung der gesammten Lebensgemeinschaft begründet. J a wir sind geneigt, in dieser sach- und erhaltungsgemässen Abwägung zwischen Tod und Leben ein Bild der Welt, wie sie ist, und wie sie g u t ist, zu erblicken. Derartige Betrachtungen führen uns zu dem Gedanken, dass im Laufe der gegenwärtigen Entwicklung auch beim Menschen wahrscheinlich allmählich zu viel Gewicht auf das Individuum gelegt worden ist. Hiermit ist allerdings nicht das a u s g e z e i c h n e t e Individuum gemeint; in einem solchen concentrirt sich eine solche Fülle von Leben und Lebensförderung, dass erhebliche Opfer für seine Entwicklung und Erhaltung ganz am Platze sind. Aber das durchschnittliche Individuum, dessen Verschwinden keine erhebliche Lücke in der Welt hinterlässt, sollte sich nicht mit gleichen Ansprüchen dem Leben gegenüberstellen. Bei einigen dem Naturzustande näher stehenden Völkern ist eine derartige zurückhaltende Stimmung des Einzelnen die Regel; so ist es diese dem Westeuropäer so ungewohnte und fremdartige niedrige Einschätzung des Werthes der persönlichen Existenz, welche bei guten Schilderungen des r u s s i s c h e n Volkslebens einen so tiefen Eindruck auf uns macht und in uns die Empfindung weckt, als b e s ä s s e jenes Volk eine uns unzugängliche Wahrheit, durch welche es näher mit der Natur verbunden blieb, als wir es sind. Auch eine andere praktische Folgerung aus der gleichen Gedankenreihe verdient Erwägung. Betrachten wir die tiefen Zerstörungen, die der Tod eines einzelnen Menschen in solchen Familien anrichtet, bei denen die gegenseitigen Beziehungen be-
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sonders eng und warm sind, erwägen wir die nicht selten durch derartige Fälle, z. B. den Tod eines Bräutigams, bewirkte vollständige Aufhebung der Wirkungsfähigkeit der Ueberbleibenden für die übrige Menschheit, so werden wir uns gleichfalls der Empfindung nicht verschliessen können, dass hier etwas nicht so ist, wie es sein sollte. Wie in dem brutalen Egoismus des Einzelnen eine Hypertrophie und eine Schädlichkeit liegt, so ist eine solche, wenn auch in milderer Form, vorhanden, wenn die Gefühle des Zusammenhanges und der Liebe sich zu ausschliesslich auf eine einzige Person oder einige wenige beziehen. Die Forderung, dass jeder einzelne Mensch den Kreis der Personen, denen er seine Liebe widmet, nicht zu eng bemessen soll, ist also nicht nur eine theoretische Consequenz der allgemeinen Lebensauffassung, sondern hat ihre sehr ernste praktische Bedeutung. Denn je weiter ein solcher Kreis ist, um so weniger leicht kann er durch Tod, Trennung oder anderes Ungemach zerstört werden. Mit der Breite der Grundlage nimmt auch die Sicherheit des Bestandes des persönlichen Glückes zu, und so kann der Mensch auf keine Weise besser für sich selbst sorgen, als indem er in möglichst weitem Umfange für Andere s o r g t Hier fliessen die meist unbewusst empfundenen Quellen der grossen Thaten, durch welche der Einzelne sich Vielen auf einmal segensreich erweisen kann, und in der hierbei entstehenden gewaltigen Erweiterung des eigenen Selbst liegt die Ursache für das Gefühl höchsten Glückes, das dem leuchtet, dem eine solche That zu thun gegeben ward.
ANMERKUNGEN Zu Seite 4. Es ist mir gelegentlich entgegengehalten worden, d a s s meine Anschauungen, insbesondere meine a u s g e p r ä g t e Energetik keineswegs sich mit MACHS Anschauungen decken, und d a s s ich d e s h a l b Unrecht thäte, mich s o bestimmt auf MACH ZU beziehen. Deshalb spreche ich hier a u s drücklich aus, d a s s ich keineswegs beabsichtige und beabsichtigt habe, MACH f ü r die in meinem Buche vorgetragenen Anschauungen als Vater verantwortlich zu machen. E s handelt sich nur um die allgemeine Denkrichtung, in welcher ich Uebereinstimmung erkenne, und um zahllose einzelne Anregungen, die ich ihm verdanke. D a s s er insbesondere mir die gleiche Wohlthat erwiesen h a t , welche KANT an HUME r a h m t , nämlich die Erweckung a u s dem dogmatischen S c h l u m m e r , habe ich bei früherer Gelegenheit bereits betont. Im Uebrigen bin ich mir b e w u s s t , d a s s der vorwiegend k r i t i s c h e n Arbeit MACHS gegenüber der die S y n t h e s e mehr in den Vordergrund bringende Charakter meiner Philosophie einen erheblichen Unterschied bedingt, der dieser vielleicht einen etwas mehr an die Zeit gebundene Beschaffenheit verleiht. Die biologische Bedingtheit jeder Wissenschaft macht sich nirgend s o deutlich bemerkbar, wie bei der Philosophie, weil in dieser g e m ä s s der Natur der S a c h e d a s persönliche Element mehr in den Vordergrund treten muss, als in irgend einer anderen, concreteren Disciplin. Zu Seite 16. E s ist vielleicht gut, bereits an dieser Stelle darauf hinzuweisen, d a s s die Erweiterung unserer Kenntniss sowohl über die Gegenwart hinaus, sowohl nach der Vergangenheit wie nach der Zukunft nicht den Charakter „ a b s o l u t e r " Gewissheit besitzt. Denn unsere Erinnerung kann uns t ä u s c h e n , und die V o r a u s s a g u n g der Zukunft ist mit einem Unsicherheitsfactor behaftet, der von Fall zu Fall verschieden und ausserdem um s o g r ö s s e r ist, j e weiter die V o r a u s s a g u n g hinausreichen soll. S o tritt uns bereits an der Schwelle unserer Betrachtungen die T h a t s a c h e entgegen, d a s s weder eine Philosophie, noch eine W i s s e n s c h a f t , noch d a s Leben überhaupt möglich w ä r e , wenn wir mit der Forderung beginnen wollten, uns ausschliesslich auf dem Boden a b s o l u t e r Gewissheit zu halten. Man darf in den Bemühungen, diese unerfüllbare Forderung wenigstens scheinbar zu erfüllen, die Quelle aller der wesentlichen Unvollkommenheiten sehen, deren Vorhandensein die Philosophie bisher verhindert h a t , einen wissenschaftlichen Körper v o n allgemein anerkannten Wahrheiten zu bilden, an dessen Grenzen allein die zweifelhaften und weiterer stetiger Vorarbeit bedürftigen
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Gebiete liegen. Statt dessen ist umgekehrt jede Philosophie, die nach dem unglückbringenden Vorbild des C A R T E S I U S mit der Frage beginnt: Was ist absolut gewiss? und sich dann vermisst, in rein deductiver Weise auf diesem absolut gewissen Grunde ein Gebäude absolut gewisser Folgerungen zu errichten, von vornherein des Einsturzes sicher. Auch hat bisher keine derartige Philosophie der Kritik der nachfolgenden Geschlechter Stand gehalten, und von dem Nachweis, dass in dem berühmten „cogito, ergo s u m " bereits das zu Beweisende im ersten Worte postulirt ist, bis zum Zusammenbruch des mechanischen Materialismus unserer Tage kann man diese schädlichen Wirkungen des „Absoluten" beobachten. Zu Seite 2 7 . Die Abhandlung, in welcher E W A L D H E R I N G seine Gedanken in grossen scharfen Linien zur Darstellung gebracht hat, ist im Almanach der Wiener Akademie vom Jahre 1870 erschienen und an dieser Stelle sehr wenig zugänglich geblieben. Sie hat auch lange Zeit hindurch nur eine beschränkte Wirkung ausgeübt, beginnt aber in neuerer Zeit allgemeiner ihrer Bedeutung gemäss gewürdigt zu werden. Durch ihren Abdruck in der Sammlung „Klassiker der exacten Wissenschaften" (Leipzig, W. E N G E L M A N N ) ist sie neben zwei anderen, gleich wertvollen Schriften desselben Verfassers der Allgemeinheit bequem zugänglich gemacht worden. Zu Seite 35. Gleichzeitig und unabhängig ist dieser Gedanke von der wissenschaftlichen und logischen Unvollkommenheit der Sprache von F. M A U T H N E R in einem ausgedehnten Werke (Beiträge zu einer Kritik der Sprache, 3 Bände, Stuttgart und Berlin) entwickelt worden. Der Verfasser steht den Naturwissenschaften ferner und daher erklärt es sich wohl, dass er zwar die Fehler der bisherigen willkürlichen und zufälligen Sprachbildung lebhaft erkennt, ihre Abhilfe durch eine regelmässige und exacte künstliche Sprache dagegen nicht einsehen will. Denn gerade aus seinen auf die Mathematik und die anderen Naturwissenschaften sich beziehenden Aeusserungen geht hervor, dass er die ausserordentliche Ausgiebigkeit der Zuordnung eines Zeichensystems von passendem Mannigfaltigkeitscharakter zu der darzustellenden Erscheinungsgruppe für die Zwecke der Wissenschaft, d. h. der geordneten Kenntniss und Voraussicht der Erscheinungen, nicht in ihrer Tragweite erfasst hat. Die künstliche Sprache ist ebenso wie die natürliche nur ein System solcher Zuordnungen f ü r möglichst viele Begriffe der Culturwelt; während aber die natürliche Sprache unordentlich und willkürlich ist, kann die künstliche wohlgeordnet und streng regelmässig sein. Zu Seite 37. Die Bewegung für die Weltsprache, welche von jedem Angehörigen der Culturwelt als zweite Sprache neben seiner Muttersprache gelernt und verstanden werden soll, hat inzwischen recht erfreuliche Fortschritte gemacht. Die internationale Commission in Paris hat eine überaus rege Werbethätigkeit entfaltet, welche zunächst in Frankreich besonders reiche Früchte getragen hat, daneben aber auch in vielen anderen Ländern. Insbesondere ist es gelungen, eine Anzahl namhafter Gelehrten für den Gedanken zu gewinnen. Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, dass künftig nach der Einführung eines derartigen allgemeinen Verständigungsmittels jeder Autor nicht nur für den engeren oder weiteren Kreis seiner Sprachgenossen, und die verhältnissmässig wenigen schreiben wird, die diese Sprache als fremde erlernt haben, sondern für die gesammte Menschheit, soweit sie an der allgemeinen Cultur Theil nimmt, um sich zu sagen,
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dass es sich um eine allgemeinmenschliche Arbeit ersten Ranges handelt. In der That ist kein Mittel denkbar, welches in gleichem Maasse die Arbeit der gesammten Menschheit an ihren gemeinsamen Aufgaben in gleicher Weise fördern könnte, wie die Schaffung eines allgemeinen sprachlichen Verkehrsmittels. Gleichzeitig würde der Einzelne, den sein Beruf irgendwie über den Kreis seiner Sprachgenossen hinausführt, von der Unsumme geistiger Anstrengung entlastet werden, die das Erlernen einer Anzahl natürlicher Sprachen kostet. Unsere Schulen verwenden gegenwärtig mehr als die Hälfte ihrer Zeit auf Sprachen; die Ueberlastungsfrage könnte somit auf einen Schlag gelöst werden, wenn wir den entbehrlich gewordenen Unterricht in fremden Sprachen fortlassen könnten. Man findet Näheres über diese Angelegenheit in meiner kleinen Schrift „Die Weltsprache" (Stuttgart, FRANCKFL'sche Verlagshandlung, Preis 10 Pfg.). Wer sich wissenschaftlich mit der Angelegenheit beschäftigen will, darf nicht versäumen, das gediegene Werk von L. COUTURAT und L. LEAU, Histoire de la langue universelle (Paris, HACHETTE & CIE., 1 9 0 3 ) zu studieren. Es darf vielleicht hinzugefügt werden, dass von den zahlreichen Versuchen der Schaffung einer künstlichen Sprache keiner so gut gelungen scheint, und jedenfalls keiner eine so ausgedehnte Verbreitung gewonnen hat, wie das E s p e r a n t o v o n Dr. ZAMENHOFF. Nach wahrscheinlicher Schätzung nähert sich die Anzahl der Anhänger dieser Sprache einer halben Million, oder hat sie inzwischen bereits überschritten. Es besteht demnach eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die durch die oben genannte internationale Commission künftig zu wählende Sprache Esperanto sein wird, und dass diejenigen, welche dieses inzwischen lernen, hernach nicht wieder umzulernen haben werden. Besser als alle allgemeinen Ueberlegungen Uber die Möglichkeit, den Wert und die Nützlichkeit einer künftigen Weltsprache wirkt der Nachweis, dass thatsächlich eine derartige künstliche Sprache vorhanden ist, dass sie in lebhaftem Gebrauch steht, und dass sie täglich neue Anhänger gewinnt. Sehr bemerkenswert ist hierbei die Thatsache, dass in England und Amerika, deren nationale Sprache sich in mehrfacher Beziehung dem Ideal der Weltsprache am meisten annähert, trotzdem Esperanto Boden gefunden hat und sich schnell verbreitet. Deutschland verhält sich im Gegensatz zu den sonst vorhandenen weltbürgerlichen Neigungen unseres Volkes auffallend träg dieser Bewegung gegenüber. Ein erhebliches ttinderniss bildet hier einerseits das Scheitern des „Volapük", durch welches namentlich in der Tagespresse die Gewohnheit entstanden ist, alle in gleicher Richtung zielenden Bemühungen entweder als lächerlich zu brandmarken, oder mit einigen für den allgemeinen Gebrauch bereit gehaltenen Phrasen vom „organischen Wachstum der Sprache" von oben herab abzuthun. Indessen sind auch hier bereits Besserungen erkennbar, und man wird bald die geistige Höhe einer Redaktion an ihrer Stellung zur Weltsprachefrage mit ziemlich grosser Sicherheit abschätzen können. Zu Seite 53 und 60. Die als fünfte Gruppe der Sinnesempfindungen genannten „Muskelempfindungen" werden besser B e w e g u n g s e m p f i n d u n g e n " genannt, da sie anscheinend an verschiedenen Stellen ausgelöst werden, wobei die G e l e n k f l ä c h e n eine wesentliche Rolle spielen. Da indessen keinerlei wesentliche Folgerungen an die Frage von dem Sitz der
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entsprechenden Sinnesapparate geknüpft werden, so mag die durchlaufende Verbesserung des Textes in solchem Sinne für diesmal unterbleiben, zumal keine Bewegung ohne Muskelbethätigung stattfindet. Zu Seite 59. Es ist gegenwärtig üblich geworden, das, was hier „innere Empfindungen" genannt wird, unter dem Namen der „Gefühle" in eine besondere Gruppe geistiger Erlebnisse zu vereinigen. Da es mir bei meinen Darlegungen mehr auf den Z u s a m m e n h a n g dieser verschiedenen mannigfaltigen inneren Erlebnisse als auf ihre V e r s c h i e d e n h e i t e n ankommt, so habe ich kein Gewicht auf die Hervorhebung dieser Trennung gelegt. So sind auch weiterhin im Text die Bezeichnungen Empfindung und Gefühl nebeneinander benutzt worden, ohne dass auf ihre Verschiedenheit im Sinne des gegenwärtigen psychologischen Sprachgebrauches Acht gegeben wäre. Eine Gefahr erheblicher Missverständnisse liegt nirgends vor, zumal wenn die eben gemachte Bemerkung berücksichtigt wird. Zu Seite 76. Genau genommen sind es nicht zwei, sondern vier Begriffe, indem der linke abgeschnittene Anteil durch A B und B A, der rechte durch A C und C A dargestellt werden kann. Dies ergibt sich auch aus dem Beispiel, das richtiger zu analysieren wäre: der fleissige Peter, Peters Fleiss, Peters Heiterkeit, der heitere Peter. Zu Seite 82. Gegenüber gewissen Erörterungen, die in der zeitgenössischen Philosophie einen breiten Raum einnehmen, ist es wohl zweckmässig, bereits bei der ersten Gelegenheit, die sich im Text darbietet, darauf hinzuweisen, dass eine jede Zusammenfassung unserer Erfahrungen, sei es zu unmittelbaren praktischen Zwecken, sei es zur Gestaltung einer Weltanschauung, ein Hinausgehen über den unmittelbaren Inhalt dieser Erfahrungen, also auch ein Verlassen des absolut Gewissen, mit Nothwendigkeit erfordert. Benutzt man den von KANT definirten Begriff des Transcendenten zur Bezeichnung dessen, was über die unmittelbare Erfahrung hinausgeht, so ist jeder Versuch, einen Zusammenhang unserer Erlebnisse herzustellen, nothwendig transcendent, und der Anspruch, eine von dieser Eigenschaft freie oder immanente Philosophie aufzustellen, ist uneinbringlich. So ist nicht nur die im Texte erwähnte zeitliche Interpolation, vermittelst deren wir uns in den Geschehnissen der Aussenwelt zurechtfinden, transcendent, sondern schon die Benutzung unserer E r i n n e r u n g e n für irgendwelche geistige Operationen ist es. Mit besonderem Nachdrucke hat F. BON (Die Dogmen der Erkenntnisstheorie, Leipzig 1902) auf diese Verhältnisse hingewiesen und sie klargelegt. Vgl. auch Anm. zu S. 16. Dieses rührt daher, dass keineswegs der g e s a m m t e Inhalt meines gegenwärtigen Bewusstseins die Beschaffenheit der absoluten Gewissheit hat, sondern nur der Theil desselben, der sich auf meinen gegenwärtigen Zustand bezieht. Wenn ich sage, ich sehe rot, so heisst das im Sinne der reinen Immanenz nicht etwa, ich sehe eine Farbe, welche ich früher an Rosen, Aepfeln, Siegellack u. s. w. gesehen habe und künftig an solchen Gegenständen wieder sehen werde, sondern es heisst nur, ich habe eine Empfindung, die mir bekannt erscheint. Dass ich früher Gegenstände von ähnlicher Farbe gesehen habe, beruht auf Erinnerungen, die mich möglicher Weise täuschen können, und dass ich künftig ähnliche Farben sehen werde, auf gleichfalls unsicheren Vorausnahmen. Die Forderung der Immanenz führt mit anderen Worten nicht nur zum S o l i p s i s m u s , d. h. zu der Annahme,
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dass ich selbst das einzige „wirklich" existirende Ding bin und alles Andere nur durch meine Vorstellung erzeuge, sondern auch zum i n s t a n t a n e n S o l i p s i s m u s , d . h . zu der Erkenntniss, dass auch meine eigene Vergangenheit und Zukunft für mich keinen absolut sicheren Inhalt hat, sondern nur der gegenwärtige Augenblick. Eine solche Philosophie ist aber zwecklos, da sie sich der Grundaufgabe der Wissenschaft entzieht, aus der Kenntnis der Vergangenheit die der Zukunft zu erschliessen. Zu Seite 112. Die in der sechsten Vorlesung gegebene Skizze des Mannigfaltigkeitsbegriffes und seiner Anwendung ist äusserst unvollständig und unvollkommen. Es giebt gegenwärtig eine vielfach gepflegte mathematische Disciplin, welche sich die Erforschung des Mannigfaltigkeitsbegriffes und die Ermittlung der hier giltigen Gesetze zur Aufgabe macht. Doch handelt es sich hierbei (vgl. den Artikel Mengenlehre von S C H Ö N F L I E S in der Encyclopädie der mathematischen Wissenschaften, I, S. 184 u. ff.) so gut wie ausschliesslich um nähere Bestimmungen eines erweiterten Unendlichkeitsbegriffes und die sich hieraus ergebenden Gesetze, sowie die Feststellung der zwischen diskreten Mengen und dem Continuum bestehenden Beziehungen. Die für die Physik so wichtigen Verschiedenheiten der Mannigfaltigkeitscharaktere je nach den Bedingungen, welche diese erfüllen sollen, und die hiermit in Zusammenhang stehende Aufstellung der möglichen Klassen von Mannigfaltigkeiten nebst Feststellung ihrer Gesetze scheint für sich noch nicht der Gegenstand einer allgemeinen Untersuchung gewesen zu sein. Vgl. hierzu auch die Abhandlungen von L. CoUTURAT über die Grundlagen der Mathematik in den Jahrgängen 1904 und 1905 der Revue de la metaphysique et de la morale, in denen viele der hiermit im Zusammenhange stehende Einzelfragen mit grosser Klarheit und Uebersichtlichkeit erörtert sind. Zu Seite 113. Bezüglich des Identitätsgesetzes bin ich freundlichst darauf hingewiesen worden, dass es den Sinn hätte, dass man während einer Untersuchung die Bedeutung eines einmal eingeführten Begriffes nicht ändern dürfe, und dass in dieser fundamentalen Forderung die Voraussetzung jeder erfolgreichen Philosophie liege. Mir scheint, dass diese Bemerkung auf dasselbe herauskommt, was später im Texte dargelegt worden ist. Wenn bei einer Untersuchung überhaupt etwas herauskommen soll, so muss der Ausgangsbegriff in Beziehungen gebracht werden, die bei seiner Aufstellung noch nicht untersucht waren, und dann ist die Frage der Identität nicht ein Postulat, sondern ein Gegenstand der Untersuchung. Zu Seite 132. Man könnte gegen diese Betrachtungen einwenden, dass durch sie die m a t h e m a t i s c h e Schwierigkeit der Beziehung zwischen continuirlichen und discontinuirlichen Grössen nicht erschöpft sei, da man sich beide mit unbegrenzter Genauigkeit bestimmt denken könne und daher ihr Verhältniss auch erschöpfend darstellen müsse. In der That handelt es sich hier um ein mathematisches Problem, welches sorgfältige und eingehende Untersuchung verdient. Es ist aber so zu stellen: welche Eigenschaften müssen wir begrifflich den einen oder anderen Mannigfaltigkeiten beilegen um zwischen ihnen eindeutige und consequente Beziehungen aufstellen zu können? Man darf nicht voraussetzen, dass es auf diese Frage nur eine einzige Antwort giebt; vielmehr ist es ganz wohl möglich, dass verschiedene Begriffssysteme die gleiche allgemeine Forderung erfüllen. Dann wird man
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verschiedene Grade oder Arten der Zuordnung zwischen stetigen und unstetigen Mannigfaltigkeiten festzustellen haben, von denen jede in sich consequent und gesetzmässig gestaltet werden kann. Aber gegenüber den s i n n l i c h e r f a s s b a r e n Gegenstanden findet man immer mit den im Texte gegebenen Betrachtungen sein Auslangen, weil es für jede Sinneswahrnehm u n g , auch wenn sie in beliebigem M a a s s e durch irgendwelche Hilfsmittel unterstützt und verfeinert ist, immer eine Grenze der Unterscheidbarkeit oder eine Unterschiedsschwelle giebt, hinter der der Unterschied zwischen Stetigkeit und Unstetigkeit keinen aufweisbaren Sinn mehr hat. Zu Seite 136. Bezüglich der allgemeinen Einführung des Decimals y s t e m s ist eingewendet worden, d a s s d a s Duodecimalsystem viel bequemer im Gebrauch sein würde, da sich die Zwölf durch zwei, drei, vier und sechs theilen lässt, während die Zehn nur Theilung durch zwei und fünf gestattet. Dies ist vollkommen richtig, und die geringere Theilfähigkeit m u s s als ein Nachtheil des Decimalsystems anerkannt werden, wenn auch nicht als ein besonders schwerwiegender. E s besteht nur die F r a g e , ob es leichter sein würde, die noch vorhandenen Reste des Duodecimalsystems (welches in früherer Zeit eine viel grössere Verbreitung gehabt zu haben scheint) zu beseitigen und durch decimale Anordnungen zu ersetzen, oder umgekehrt d a s Decimalsystem überall zu Gunsten des anderen abzuschaffen. Die Antwort sieht ziemlich zweifellos aus und liegt in der Richtung, d a s s wahrscheinlich die Erleichterung des Duodecimalsystems durch allzu grosse Uebergangsschwierigkeiten erkauft werden m ü s s t e ; wäre es doch nöthig, zwei neue Ziffern einzuführen und neue reale Grössenbegriffe mit den früheren Zahlenzeichen zu verknüpfen. Zu Seite 140. Die Wirkung der Erfahrung auf Einschränkung der formalen Möglichkeiten, die sich aus der Begriffsbildung ergeben, lässt sich erst vollständig übersehen, wenn diese formalen Möglichkeiten vollständig aufgestellt sind. Daher die g r o s s e Bedeutung, welche eine Wissenschaft besitzt, welche dies ermöglicht. Die entsprechende Disciplin ist demgemäss auch von Leibniz, der sie Combinatorik (ars combinatoria) nannte, immer wieder als Grundlage aller anderen Wissenschaften angesehen worden, allerdings von der unhaltbaren Vorstellung a u s , d a s s es möglich sei, die Gesammtheit der Wissenschaften aus wenigen Grundsätzen auf deductivem Wege abzuleiten. Aber auch ohne diese Annahme wird man der Combinatorik eine sehr grosse Bedeutung für die Systematisirung aller Wissenschaften und die Ermittlung ihrer ergänzungsbedürftigen Gebiete zuschreiben können. Schon jetzt lassen sich beispielsweise g r o s s e Theile der Chemie (z. B. die Anwendungen der Phasenlehre, ebenso die Isomerieprobleme der organischen Chemie) als Anwendungsgebiete der Combinatorik erkennen. Zu Seite 140. Die Voraussetzung der Gesetzlichkeit alles Naturgeschehens wird gewöhnlich nach H e l m h o l t z als ein P o s t u l a t des wissenschaftlichen Denkens bezeichnet. Für den gegenwärtigen Stand der Erkenntnisstheorie ist dies eine etwas zu weitgehende Behauptung. Thatsächlich dürfen wir behaupten, d a s s in vielen Fällen naturgesetzliche Zusammenhänge nachgewiesen worden sind, s o dass wir allen noch nicht unter derartige regelmässige Beziehungen gebrachten Erscheinungen mit der Hoffnung, j a Erwartung gegenüber zu treten pflegen, d a s s wir auch an ihnen constante Zusammenhänge irgendwelcher Art entdecken werden. Andererseits müssen
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wir zugestehen, dass jede einzelne Naturerscheinung in ihrer Gesammtheit so mannigfaltig und verwickelt ist, dass wir keine von ihnen v o l l s t ä n d i g unter Gesetz und Regel haben bringen können. Die Naturgesetze finden mit anderen Worten nur auf einen Theil der uns bekannten Welt Anwendung, und dieser Theil ist einer beständigen Erweiterung unterworfen, wenn er auch noch jetzt nur ein sehr bescheidenes Bruchstück der gesammten Welt bildet. Wo wir uns ausser Stande sehen, Regelmässigkeit oder Gesetzlichkeit nachzuweisen, wie z. B. bei den Wettererscheinungen in Mittel-Europa, schreiben wir dies der allzu grossen Mannigfaltigkeit der vorhandenen Beziehungen zu, die uns verhindert, ihre gleichzeitige Wirkung zu übersehen, und hoffen auf die Bewältigung solcher widerspenstiger Gebilde durch den wissenschaftlichen Fortschritt der Zukunft. Offenbar können wir bei einer solchen Auffassung nie eine Widerlegung der vorläufigen Annahme erfahren, dass uns die Erkenntniss von Gesetzmässigkeiten früher oder später in Bezug auf alle vorhandenen Erscheinungen gelingen werde, und insofern ist gegen diese Annahme p r a k t i s c h nichts einzuwenden. Zu Schlüssen allgemeiner Art darf sie aber in keinem Falle benutzt werden, denn ebenso wie sie u n w i d e r l e g b a r ist, ist sie auch u n b e w e i s b a r . Zu Seite 144. Die besonderen Verhältnisse, welche der Messung von Zeit und Raum zu Grunde liegen, werden vielleicht durch die nachfolgenden Betrachtungen noch etwas mehr aufgeklärt. Im strengsten Sinne kann man verschiedene Theile des Raumes ebenso wenig zum Zweck des Vergleiches auf einander legen, wie dies mit verschiedenen Stücken der Zeit möglich ist. Was wir thun, wenn wir verschiedene Raumtheile mit einander vergleichen, kommt in letzter Linie stets auf die Uebertragung von sogenannten starren Körpern aus einem Raumgebiete in das andere hinaus: ein Verfahren, dessen unvollständige Beweiskraft bezüglich der Unveränderlichkeit des von solchen Körpern eingenommenen Raumes bereits eingehend erörtert worden ist (S. 118); die verschiedenen Antheile des Raumes selbst können wir nicht gegenseitig verschieben. Die Verhältnisse liegen also hier ähnlich wie bei der Zeit, aber mit folgendem Unterschiede. Bei der Zeit ist infolge ihrer Einsinnigkeit nur die Uebertragung einer f r ü h e r e n Zeit auf eine s p ä t e r e mittelst eines irgendwie beschaffenen Zeitmaasses möglich, während wir niemals mit dem Maasse wieder auf die frühere Zeit rückwärts gehen können, um uns zu überzeugen, dass sie sich nicht inzwischen geändert hat. Beim Räume können wir beliebig die Uebertragung zwischen zwei zu vergleichenden Räumen wiederholen, da es hier keine Einsinnigkeit giebt. Wenn auch hierdurch der Einwand der gesetzmässigen Veränderlichkeit des Maasses mit der Lage im Raum nicht unwirksam gemacht wird, so gewinnen wir aus dieser gesteigerten Möglichkeit der Prüfung doch einen lebhafteren Eindruck von der Brauchbarkeit der Annahme von der Unveränderlichkeit des Raumes, und damit nimmt dieser für uns mehr die charakteristische Eigenschaft der G r ö s s e an. Zu Seite 152. Der hier angebahnten und weiterhin durchgeführten Auffassung der Energie als einer Substanz ist von sonst diesem Gedankenkreise nahestehenden Forschern entgegengehalten worden, dass im Grund die Energie nichts als eine Funktion der Zustandsvariabeln sei, welche die besondere Eigenschaft besitzt, bei allen uns bekannten Vorgängen invariant zu bleiben, und dass es daher nicht zulässig sei, oder doch ein Hinausgehen
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ANMERKUNGEN
Uber das E r f a h r u n g s g e m ä s s e b e d e u t e , wenn m a n s i e eine S u b s t a n z nennt u n d dadurch materiell a u f f a s s t . Hier handelt e s s i c h wohl wieder h a u p t s ä c h l i c h um u n b e w u s s t e Nebenbedeutungen v i e l f a c h g e b r a u c h t e r W ö r t e r . Die A u f f a s s u n g der E n e r g i e als der H a u p t i n v a r i a n t e n des natürlichen Ges c h e h e n s h a b e ich s e l b s t seit l a n g e r Zeit g e e i g n e t e n Falles in den Vorderg r u n d gestellt ( v g l . meinen V o r t r a g v o n 1 8 9 5 : Die Ueberwindung des w i s s e n s c h a f t l i c h e n M a t e r i a l i s m u s , in A b h a n d l u n g e n und V o r t r ä g e , Leipzig 1 9 0 4 ) ; w i e weit man d a n e b e n noch sich b e r e c h t i g t fühlen k a n n , s i e als reale S u b s t a n z zu b e z e i c h n e n , h ä n g t o f f e n b a r d a v o n a b , w e l c h e B e d e u t u n g man mit d i e s e n letzten Namen v e r b i n d e t . Untersuchen wir nun unseren Begriff der R e a l i t ä t , s o überzeugen wir u n s l e i c h t , d a s s wir d a s r e g e l m ä s s i g W i e d e r k e h r e n d e oder Naturgesetzliche mit diesem W o r t e a u s z e i c h n e n . Unsere T r ä u m e nennen wir u n w i r k l i c h bezüglich ihres Inhaltes, weil wir in diesem k e i n e G e s e t z m ä s s i g k e i t entdecken können, und u m g e k e h r t wird w i r k l i c h oder r e a l j e d e s Ding g e n a n n t , dessen E n t s t e h u n g s b e d i n g u n g e n oder dauerndes Dasein wir kennen. S o sind wir g e n e i g t , j e d e s v o m Gewöhnlichen, d. h. sich Wiederholenden abweichende E r l e b n i s s z u n ä c h s t als eine S e l b s t t ä u s c h u n g , als e t w a s Unwirkliches aufzufassen, und w ä h r e n d wir u n s in einem solchen E r g e b n i s s befinden, b e m ü h e n wir uns, durch H e r v o r r u f e n v o n s e h r o f t und l e i c h t wiederholbaren E r l e b n i s s e n , indem wir uns z. B . an die Nase f a s s e n , u n s zu überzeugen, d a s s wir u n s n o c h im R e i c h e der W i r k l i c h k e i t b e f i n d e n . Ueber d a s W o r t S u b s t a n z ist das E r f o r d e r l i c h e b e r e i t s im T e x t g e s a g t ; e s bedeutet t h a t s ä c h l i c h nicht m e h r a l s I n v a r i a n t e . Irgendwelche m e t a p h y s i s c h e Nebenbedeutung ist dabei n i c h t v o r h a n d e n . Der B e g r i f f der S u b s t a n z ist e b e n s o ein E r g e b n i s s d e s A b s t r a c t i o n s v e r f a h r e n s , wie etwa der B e Insogriff r o t h , und h a t u n g e f ä h r s o viel oder w e n i g R e a l i t ä t wie dieser. fern a l s bei einer s o u m f a s s e n d e n I n v a r i a n t e , wie wir sie bei den v e r schiedenen Anwendungen des B e g r i f f e s S u b s t a n z v o r f i n d e n , v o n sehr vielen S o n d e r e i g e n t h ü m l i c h k e i t e n des einzelnen E r l e b n i s s e s a b s t r a h i r t werden m u s s , k o m m t dem S u b s t a n z b e g r i f f ein e n t s p r e c h e n d kleinerer B e t r a g an u n m i t t e l b a r e r l e b t e r Wirklichkeit z u : insofern als diese I n v a r i a n t e auf eine u n g e w ö h n l i c h g r o s s e Anzahl v o n E r l e b n i s s e n s a c h g e m ä s s e A n w e n d u n g finden kann, k o m m t ihr ein ungeheuerer Umfang an W i r k l i c h k e i t zu. W e n n w i r daher die E n e r g i e die allerrealste S u b s t a n z n e n n e n , die wir b i s h e r kennen gelernt h a b e n , s o d r ü c k e n wir dadurch s a c h g e m ä s s a u s , dass sich diese I n v a r i a n t e in e i n e r g r ö s s e r e n Anzahl v o n E r l e b n i s s e n wieder f i n d e t , als irgendeine andere Inv a r i a n t e , welche die W i s s e n s c h a f t b i s h e r zu bilden g e w u s s t h a t . Von irgendwelcher M y s t i k kann ich hierbei n i c h t s e r k e n n e n , denn es ist alles einfach und klar, und s o m i t das Gegentheil v o n M y s t i k . E b e n s o wenig kann ich in dem G e b r a u c h der g e n a n n t e n W ö r t e r eine D e n k g e f a h r sehen, falls m a n s i c h nur erst ihren begrifflichen I n h a l t k l a r g e m a c h t h a t . Ich h a b e diese D a r l e g u n g , die sich m e h r o d e r weniger a u s g e s p r o c h e n überall im T e x t wiederfindet, hier n o c h m a l s z u s a m m e n g e f a s s t , weil ich gegen den Vorwurf der M y s t i k b e s o n d e r s empfindlich bin, da ich ihn für b e s o n d e r s u n g e r e c h t halte. Denn Klarheit des D e n k e n s und R e d e n s ist das e r s t e und w i c h t i g s t e G e b o t , d a s dem F o r s c h e r und S c h r i f t s t e l l e r auferlegt ist, und d a s zu befolgen ich mir zur ersten S o r g e g e m a c h t h a b e . M u s s der A u t o r , der solchen Grundsätzen f o l g t , auch auf m a n c h e g e f ü h l s m ä s s i g e Beeinflussung s e i n e s Lesers v e r z i c h t e n , s o weiss er a n d e r e r s e i t s , d a s s im Dunkel und Nebel OSTWALD, Naturphilosophie.
I I I . Auflage.
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nur S c h a t t e n p f l a n z e n gedeihen, die nur auf K o s t e n der von den L i c h t p f l a n z e n assimilirten E n e r g i e leben und daher zur V e r m e h r u n g des dauernden E n e r g i e s c h a t z e s der M e n s c h h e i t n i c h t s b e i t r a g e n . Zu S e i t e 1 5 2 . Nachdem in letzter Zeit der v o n BARTOU a u s t h e o r e t i s c h e n B e t r a c h t u n g e n g e z o g e n e S c h l u s s , d a s s ein Lichtbündel, d a s auf eine a b s o r b i r e n d e oder reflectirende F l ä c h e fällt, auf diese eine m e c h a n i s c h e Druckw i r k u n g ausüben m u s s , a u c h experimentelle B e s t ä t i g u n g erfahren h a t , d a r f das Gesetz von der E r h a l t u n g der B e w e g u n g s g r ö s s e n i c h t m e h r als vollk o m m e n allgemein a u f r e c h t e r h a l t e n w e r d e n , da ein v o n einem Lichtbündel g e t r o f f e n e r Körper s e i n e B e w e g u n g s g r ö s s e g e m ä s s j e n e r Druckwirkung ä n d e r t . Doch wird sich v o r a u s s i c h t l i c h diese A u s n a h m e in s o l c h e r W e i s e erledigen lassen, d a s s man d a s G e s e t z v o n der E r h a l t u n g der B e w e g u n g s g r ö s s e e i n e r entsprechenden V e r a l l g e m e i n e r u n g u n t e r z i e h t , durch w e l c h e das E r h a l t u n g s g e s e t z für eine ä h n l i c h e , nur z u s a m m e n g e s e t z t e r e G r ö s s e a u s g e s p r o c h e n wird. Ein m ö g l i c h e r W e g hierzu liegt in den neueren Bemühungen vor, e b e n s o w i e das Licht auch die M a s s e e l e k t r o m a g n e t i s c h zu „ e r k l ä r e n " , d. h. mit elektrom a g n e t i s c h e n G r ö s s e n in funktionelle Beziehung zu setzen. Zu S e i t e 1 7 4 . Eine S k i z z e eines derartigen elementaren U n t e r r i c h t s g a n g e s h a b e ich inzwischen in der Z e i t s c h r . f. m a t h . u. naturw. Unterricht, 1 9 0 2 , S . 10, v e r ö f f e n t l i c h t . E s sind gegen die dort g e m a c h t e n Darstellungen Einwendungen erhoben w o r d e n , die sich wesentlich b e r e i t s durch das b e a n t w o r t e t finden, w a s im T e x t dargelegt i s t . I n s b e s o n d e r e stellt sich i m m e r wieder die V e r w e c h s l u n g zwischen dem e i n , w a s dem Einzelnen v e r m ö g e seines B i l d u n g s g a n g e s g e l ä u f i g e r , und d e m , w a s allgemein e r k e n n t n i s s t h e o r e t i s c h n ä h e r liegend, weil begrifflich einfacher ist. Zu S e i t e 1 8 5 . Der B e g r i f f der M a s s e wird von a n d e r e r , sehr h o c h s t e h e n d e r S e i t e v e r m i t t e l s t der S c h w e r e definiert, s o dass die E i n h e i t d e r M a s s e n i c h t mit Hülfe der B e w e g u n g s e n e r g i e b e s t i m m t wird, sondern durch die besondere Art der Distanzenergie, die wir die G r a v i t a t i o n n e n n e n . Prakt i s c h kann man bei geeigneten V o r a u s s e t z u n g e n beiderseits zu c o n s e q u e n t e r Darstellung g e l a n g e n , g r u n d s ä t z l i c h s c h e i n t mir a b e r die im T e x t g e g e b e n e Auffassung den V o r z u g g r ö s s e r e r D u r c h s i c h t i g k e i t und G e s c h l o s s e n h e i t zu b e s i t z e n . Diese wird dadurch e r r e i c h t , d a s s man den M a s s e n b e g r i f f s t r e n g auf die B e w e g u n g s e n e r g i e b e s c h r ä n k t und die P r o p o r t i o n a l i t ä t z w i s c h e n M a s s e und Gewicht a l s E r f a h r u n g s t h a t s a c h e behandelt, ähnlich wie die Prop o r t i o n a l i t ä t zwischen c h e m i s c h e m V e r b i n d u n g s g e w i c h t und E l e k t r i c i t ä t s m e n g e ( d a s FARADAY'sche G e s e t z ) , oder z w i s c h e n der ersteren und dem G a s v o l u m (das
Gesetz
von
GAY-LUSSAC).
Zu S e i t e 1 0 6 . Ausser dem B e g r i f f e des Unendlichen oder I n f i n i t e n b e n u t z t die M a t h e m a t i k n e u e r d i n g s auch den Begriff des T r a n s f i n i t e n oder Ueberendlichen, und i n s b e s o n d e r e G. CANTOR h a t n a c h g e w i e s e n , d a s s sich ü b e r das letztere eine R e i h e v o n allgemeinen S ä t z e n aufstellen l ä s s t . Man kann sich auf eine f o l g e n d e W e i s e eine V o r s t e l l u n g v o n diesem Unterschiede m a c h e n . S i n d m und n b e l i e b i g e g a n z e Zahlen, s o kann j e d e r a t i o nelle Zahl in der F o r m mjn d a r g e s t e l l t werden. Nun denke man s i c h alle g a n z e n Zahlen m in einer beliebigen E i n h e i t als A b s c i s s e n , und e b e n s o die Zahlen n in einer anderen E i n h e i t (die am b e s t e n mit der ersten i n c o m m e n surabel i s t ) als Ordinaten in ein r e c h t w i n k l i g e s S y s t e m e i n g e t r a g e n . Diese Coordinaten b e s t i m m e n dann unendlich viele P u n k t e min in der Ebene»
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welche sämmtliche rationellen Zahlen darstellen. Obwohl die Anzahl dieser Zahlen unendlich ist, genügen sie doch keineswegs, um alle Punkte der unendlich grossen Ebene zu decken, sondern sie bedecken nur einen unendlich kleinen Bruchtheil davon, ja jeder Ebene von endlicher Grösse. Wenn man sich beide Coordinatenaxen gegen einander so gedreht denkt, dass sie schliesslich auf einander fallen, so werden sich alle Punkte min auf der entstandenen Geraden befinden, ohne diese überall zu besetzen; vielmehr werden sie von deren Raum wieder nur einen unendlich kleinen Bruchtheil beanspruchen. Hieraus geht hervor, dass die Unendlichkeit jener Punkte min und die Unendlichkeit aller Punkte einer Ebene oder einer Geraden von grundsätzlich verschiedener Ordnung sind. Das Gleiche gilt für die Unendlichkeit aller rationalen Zahlen und die aller Zahlen überhaupt. CANTOR bezeichnet diese Eigenschaft als M ä c h t i g k e i t , und die Uber diese Frage angestellten Forschungen haben ergeben, dass es nur zwei Mächtigkeiten giebt, die der diskreten oder abzählbaren Mannigfaltigkeiten und die des Continuums oder der stetigen Mannigfaltigkeiten. Ein Uebergang zwischen beiden besteht nicht. Im gleichen Sinne sind die Darlegungen über das Verhältniss der Zahlen zu den stetigen Grössen weiterhin im Text behandelt. Zu Seite 192. Bei Betrachtungen Uber zeitlich verlaufende Vorgänge findet sich sehr häufig die eben erwähnte Bemerkung, dass gewisse Zustände, deren Verlauf von „Anfang an", d. h. seit einer Zeit von unbekannt langer Dauer, angenommen wird, zu unserer Zeit jedenfalls abgelaufen sein müssten. Dieser Einwand ist z. B. in neuester Zeit wiederholt gegen die Theorie erhoben worden, nach welcher die radioactiven Elemente nur eine zeitliche Existenz infolge ihres freiwilligen Selbstzerfalles haben. Diese Stoffe müssten, so lautete der Einwand, dann jetzt eben schon alle zerfallen sein, da sie unendlich lange Zeit dazu gehabt hätten. Hierbei wird nun die Entstehungsgeschichte dieses praktischen Unendlichkeitsbegriffes sehr anschaulich: unendlich heisst nichts, als eine Zeit, die länger ist, als wir sie beobachten, oder mit anderen bekannten Thatsachen in Beziehung setzen können. Aber ebenso, wie die räumliche Grenze der Welt der Raum ist, aus welchem uns keine messbaren Energiemengen zukommen, ebenso wird die Zeit nach rückwärts durch derartige Beziehungen begrenzt, und beide Grenzen sind ihrerseits von unseren Hilfsmitteln abhängig. Jener Einwand wird somit durch den Hinweis hinfällig, dass wir keine Kenntniss davon haben, ob und wann etwa jene Elemente entstanden sind, und dass daher die Annahme, sie seien vor einer Zeit entstanden, die länger ist als ihre Existenzdauer im Sinne der erwähnten Theorie, eine willkürliche Annahme ist, für welche erst Unterlagen beschafft werden müssten, bevor man sie als wissenschaftliches Argument benutzen darf. Zu Seite 214. Diese Betrachtung lässt sich alsbald dahin erweitern, dass auch in nicht mathematisch formulirten Hypothesen deren willkürlicher Charakter dadurch erkannt werden kann, dass sie unaufweisbare und daher uncontrollirbare Aussagen enthalten. Ein sehr schönes Beispiel hierfür findet sich in einer Abhandlung von H. WOLF (Vierteljahrsschrift f. wiss. Philosophie und Soziologie 1905, S. 1 u. ff.). Hier wird als ein „Princip unserer Erkenntniss" aufgestellt, „dass wir Identificationen von Körpern auch dann noch principien wenigstens für durchführbar halten, wenn etwaige Verände30*
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rungen der Körper sich nicht unter unseren Augen vollzogen haben. Die erste Vorbedingung dieses Princips ist, dass wir eine grundsätzliche Unterscheidbarkeit aller Körper annehmen, die sich zugleich unseren Sinnen darbieten, mögen diese Körper noch so viele Eigenschaften gemeinsam haben. So sind zwei Wassermengen durchaus von einander verschieden, mögen sie auch gleiches Gewicht, gleiche Form haben, sich chemisch und physikalisch gleich verhalten u. s. w. Dasjenige nun, worin zwei Körper sich unterscheiden, wollen wir ihre Substanz nennen, und wir stellen sogleich den Grundsatz auf v o n d e r E r h a l t u n g d e r I n d i v i d u a l i t a t o d e r d e r S u b s t a n z der Körper." Wie dieser Grundsatz zu rechtfertigen ist, giebt der Verfasser freilich nicht an. Er nimmt ihn aber unbewiesen als richtig an und schliesst dann, nachdem er ihn ganz sachgemäss mit der Energetik im Widerspruch gefunden h a t , nicht, dass der Grundsatz falsch oder wenigstens controllbedürftig sei, sondern dass die Energetik widerlegt sei. Sehen wir nun zu, was der Grundsatz aussagt. Er sagt beispielsweise aus, dass, wenn wir zwei Mengen derselben Flüssigkeit, z. B. Wasser, zusammengiessen, dann noch in dem gemeinsamen Volum die „Wassertheilchen", die zu Anfang der einen Menge zugehört hatten, von denen der anderen Menge v e r s c h i e d e n seien. Dies ist offenbar eine ganz unbeweisbare Behauptung, denn es giebt zur Zeit auch nicht die kleinste Andeutung eines Mittels, durch welches wir die einen „Theilchen" von den anderen unterscheiden könnten, ebenso wenig wie es ein Mittel giebt, eine Trennung der beiden Wassermengen so auszuführen, dass die vorher getrennt gewesenen „Theilchen" nunmehr wieder getrennt sind. Auch wenn Jemand behaupten wollte, er hätte durch irgendein Mittel die Trennung vollbracht, so könnte er einen Gegner, welcher das Gegentheil behauptet, auf keine Weise widerlegen. Somit erweist sich jenes Princip als unhaltbar. Diese Verhältnisse hat zwar bereits LEIBNIZ klar eingesehen und grundsätzlich ausgesprochen, bei der geringen Beachtung indessen, welche die von diesem grossen Denker erzielten Fortschritte bisher in Deutschland gefunden haben, sind sie weit davon entfernt, Denkmittel der Allgemeinheit zu sein. So wird denn in der genannten Schrift auch ganz richtig betont, dass erst die Atom- und Molekularhypothese im Gegensatz zur Energetik gestattet, jenes Substanzprincip durchzuführen. Das ist ganz richtig, denn eine unbeweisbare Behauptung kann nur wieder durch eine zweite unbeweisbare Behauptung, nicht aber durch den reinen Ausdruck der Erfahrung gestützt werden. Zum Schluss des erwähnten Aufsatzes stellt der Verfasser es als ein einigermaassen bemerkenswerthes Resultat hin, dass sich bei Ablehnung der Molekularhypothese die Körper ähnlich wie die Energieen verhalten, da in beiden nach gleichförmiger Vereinigung die einzelnen Antheile nicht mehr unterschieden werden können. Er hat nicht bemerkt, dass dies ein unmittelbares Ergebniss der Energetik ist, nach welcher die Körper eben nichts sind, als localisirte Energieen. Zu Seite 225. Inzwischen hat die Wärmemaschine eine erhebliche Verbesserung erfahren, und Leistungen, wie die Umwandlung von mehr als
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einem Drittel der Wärme in Arbeit, werden gegenwärtig bereits dauernd und regelmässig erzielt. Zu Seite 239. Durch das von ZSIGMONDY und S I E D E N T O P F erfundene u n d von den ZEiss-Werken in J e n a hergestellte „Ultramikroskop" ist diese Grenze neuerdings erheblich erweitert worden, allerdings nur in dem Sinne, dass nur die A n w e s e n h e i t , nicht aber die Gestalt, Farbe und die sonstigen Eigenschaften noch viel kleinerer Theilchen erkennbar gemacht werden können. Die Erfindung beruht auf der Thatsache, dass Unstetigkeiten von noch viel geringerer Ausdehnung, als eine halbe Lichtwellenlänge, in einem sonst gleichförmigen Mittel eine Störung des Lichtverlaufes bewirken, die unter dem Namen der B e u g u n g bekannt ist, und durch welche sich der störende Körper einigermaassen wie ein selbstleuchtender verhält. Lässt man in ein derartiges inhomogenes Mittel eine starke seitliche Beleuchtung fallen, so entsteht um jeden Störungsmittelpunkt eine Beugungserscheinung in Gestalt eines leuchtenden Scheibchens, die im Mikroskop um so leichter sichtbar wird, je stärker jene Beleuchtung gewählt war. Zu Seite 242. Man kann diese Betrachtungen noch weiter ausdehnen und ein „Ding an sich" als im Gegensatze zu dem KANT'schen nicht als ein von allen Eigenschaften b e f r e i t e s , sondern v e r m i t t e l s t a l l e r s e i n e r E i g e n s c h a f t e n s i c h b e t h ä t i g e n d e s Object auffassen. Die Unvollkommenheit unserer Sinneswahrnehmungen b e r u h t nicht d a r a u f , dass die Sinne uns an den Dingen Einzelheiten wahrnehmen lassen, die nicht daran vorhanden sind, sondern dass sie uns die Anwesenheit vorhandener Einzelheiten, d. h. vorhandener Energieen, nicht Ubermitteln. So können wir beispielsweise einer Leidener Flasche nicht ansehen, ob sie elektrisch geladen ist oder nicht. Denken wir uns einen so vollendeten Organismus, dass sämmtliche in einem Dinge vorhandene, d. h. an einem Orte vereinigte Energieen mit ihm beständig nicht nur in Wechselwirkung treten (dies geschieht ohnedies, wenn auch meist nur in äusserst geringem Maasse), sondern dass diese Wechselwirkung auch von i h m e m p f u n d e n wird, so haben wir den von K A N T gesuchten Grenzfall nach der entgegengesetzten Seite aufgestellt. Die Vorstellungen, welche verschiedene derartig vollkommene Organismen von einem gegebenen Dinge haben würden, müssten bezüglich ihres Mannigfaltigkeitscharakters übereinstimmen, d. h. die verschiedenen Organismen würden trotz möglicher Verschiedenheiten ihrer Organisation alle das Ding in bestimmtem Sinne gleich oder übereinstimmend auffassen, und die Abhängigkeit ihrer „Vorstellung" dieses Dinges von ihrer körperlichen Organisation wäre ebenso ausgeschaltet, wie dies K A N T durch die Schaffung seines eigenschaftslosen Dinges an sich zu erreichen gesucht hat. Hierbei tritt noch in wesentlicher Umstand a u f , der diesem neuen „Dinge an sich" einen entscheidenden Vorzug gegenüber dem alten gewährt. Die Energetik h a t u n s gelehrt, dass jedes Ding nur vermöge der in seinem Räume vorhandenen Energieen existirt und nur vermöge eben dieser Energieen von uns erkannt oder als existirend anerkannt wird. Es giebt also im strengen Wortsinne überhaupt kein Ding a n s i c h , sondern nur ein Ding f ü r e i n a n d e r e s , nämlich für ein solches, mit dem es im Energieverkehr steht. Seine Eigenschaften sind eben die Besonderheiten dieses Energieverkehrs. Somit bedeutet die von KANT versuchte Entfernung der Eigenschaften von dem Dinge die Entfernung dieses Dinges selbst, und die Ausschaltung des sub-
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jectiven Factors kann nicht durch die Beseitigung der vorhandenen Beziehungen bewirkt werden, sondern nur durch die Zusammenfassung sämmtlicher möglichen Beziehungen. Denn der individuelle Factor liegt darin, d a s s von den möglichen Beziehungen nur eine beschränkte Anzahl zur Geltung kommt. Zu Seite 284. Hier ist an die in der Anmerkung zu S . 152 gemachten Bemerkungen Uber den Strahlungsdruck und seinen Einfluss auf die Geltung des Gesetzes von der Erhaltung der Schwerpunktsbewegung (das Trägheitsgesetz) zu erinnern. Zu Seite 285. An dieser Stelle soll mit einigen Worten auf eine Bemerkung eingegangen werden, die sich so häufig in den verschiedenartigsten Aeusserungen über die Energetik findet, d a s s man sie als eine Reaction auffassen m u s s , die in dem heutigen Menschen durch diese Anschauung mit einer gewissen Nothwendigkeit oder Selbstverständlichkeit ausgelöst wird. E s ist dies eine Art von missbilligendem Erstaunen über die g r o s s e Anzahl der verschiedenen Energiearten, welche zur Darstellung der vorhandenen Verhältnisse für nothwendig gehalten werden. Zuweilen findet sich erläuternd bemerkt, d a s s hierdurch ein etwaiger Gewinn der Energetik durch Zurückführung aller Dinge auf ein einheitliches Princip wieder verloren gehe. Nun liegt es von vornherein nicht in der Gewalt des Einzelnen, sei er auch ein noch so bedeutender Philosoph, willkürlich Uber die Anzahl von Energieen zu befinden, die zur Beschreibung der Wirklichkeit erforderlich sind. Die gleiche Beanstandung ist in früherer Zeit oft genug gegen die siebzig und mehr chemischen Elemente ausgesprochen worden, deren g r o s s e Anzahl gleichfalls d a s Einheitsbedürfniss der Kritiker verletzte. Allgemein m u s s g e s a g t werden, d a s s die Ableitung der gesammten Mannigfaltigkeit der Erscheinungen aus einem einzigen nicht differenzirten und nicht differenzirbaren Princip eine unlösbare Aufgabe ist. Das Princip muss nothwendig die gleichen Mannigfaltigkeitsmöglichkeiten enthalten, wie die darzustellende Wirklichkeit, und seine Einheitlichkeit kann in nichts anderem bestehen, als d a s s es trotz der Vielseitigkeit seiner Erscheinungsarten doch gewisse allgemeine Eigentümlichkeiten besitzt, die seine begriffliche Zusammenfassung gestatten. So wird in der Mechanistik (unbewiesener Maassen) angenommen, d a s s die Mannigfaltigkeit der B e w e g u n g e n nach Richtung, Geschwindigkeit, Bahngestalt g r o s s genug sei, um damit die Mannigfaltigkeiten alles Geschehens abzubilden. Bekanntlich erweist sich dies Denkmittel namentlich den geistigen Erscheinungen gegenüber als g a n z unzureichend, nämlich zu eng. In der E n e r g i e ist ein Begriff gegeben, der bei seiner ausgeprägten Einheitlichkeit (Energie ist in allen ihren Formen eine wesentlich positive, addirbare G r ö s s e , deren sämmtliche Aenderungen dem Gesetz der äquivalenten Umwandelbarkeit g e m ä s s erfolgen) den bisher bezüglich der Mannigfaltigkeit erhobenen Ansprüchen zu genügen vermocht hat. Zu Seite 272. Den im Text gegebenen Ausführungen ist hinzuzufügen, d a s s das Eintreten p e r i o d i s c h e r Erscheinungen in bestimmtester Weise als nothwendig und unumgänglich bei allen durch S e l b s t r e g u l i r u n g auf annähernd constante Geschwindigkeit gehaltenen Geschehnissen zu bezeichnen ist. Denn es giebt thatsächlich keinen Regulator, der vollkommen ohne Zeitverlust die Ausgleichung einer Abweichung bewirken könnte; somit bewirkt ein jeder
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Regulator unvermeidlich periodische Schwankungen um den Mittelwerth. Ebenso giebt es Regulatoren, welche, statt einen Mittelwerth dauernd zu erhalten, diesen Werth beständig langsam in einem oder dem anderen Sinne zu ändern bestrebt sind; auch solche haben unvermeidlich eine Zeitdifferenz und bewirken demgetnäss periodische Schwankungen. Ferner ist zu betonen, dass diese Ueberlegungen nicht nur für mechanische und physikochemische Vorgänge Geltung haben, sondern ebenso für biologische bis zu den höchsten Aeusserungen der Lebensthätigkeit hinauf. Unsere gesammte Cultur stellt in jedem ihrer Gebiete ein solches, durch Selbstregulirung in langsamem Fortschritt erhaltenes Gebilde dar. Durch das Interesse der betheiligten Gesellschaftsgruppe an den Culturgütern wird zunächst eine Selbstregulirung gegen Culturwidrigkeiten bethätigt, indem solche mit socialen Mitteln ausgeschlossen, eingeschränkt, bekämpft werden. Ferner aber wirkt die gleiche Ursache im Sinne der S t e i g e r u n g . Die resultirende Entwicklungslinie ist daher ein Aufsteigen mit periodischen Schwankungen, da jene regulirenden Wirkungen erst eintreten, n a c h d e m die Abweichungen sich bethätigt hatten. Deshalb pflegt auch die Regulirung im allgemeinen alsbald Uber das Ziel, nämlich die Mittellinie, hinauszuschiessen, so dass auf eine negative Schwankung eine positive folgt. An der Hand dieser Auffassung kann man ein leichtes Verständniss für die Nothwendigkeit und den Charakter der periodischen Culturschwankungen finden, namentlich wenn man noch die allgemeine Ueberlegung hinzufügt, dass die Schwankungen um so erheblicher ausfallen, je träger und unvollkommener die Regulirvorrichtungen ansprechen. Zu Seite 288. Inzwischen ist die Frage der Transmutation der Elemente in ein neues Stadium durch das genauere Studium der radioactiven Stoffe gelangt. Letztere sind chemische Elemente und Verbindungen, von denen unaufhörlich gewisse Energiewirkungen ausgehen, die sich in der Beeinflussung photographischer Platten, dem Leitendmachen der Luft und anderer Gase und endlich in gewissen Lichtwirkungen (Phosphorescenz) offenbaren. Werden alle derartigen Wirkungen durch Einschliessen der Präparate in dicke Bleihüllen unmöglich gemacht, so bleibt dennoch eine unverminderte Energiebethätigung übrig, die sich alsdann in einer andauernden W ä r m e e n t w i c k l u n g geltend macht. Zuerst sind solche Erscheinungen an dem bereits im achtzehnten Jahrhundert durch KLAPROTH entdeckten Metall U r a n und seinen Verbindungen bekannt geworden, doch sind s i e d o r t ziemlich schwach entwickelt. In dem aus Uranerzen dargestellten R a d i u m hat man dagegen ein Element, dessen sämmtliche Verbindungen diese Energieentwicklung in sehr hohem Maasse zeigen, und so dass ihre Temperatur dauernd in messbarem Betrage höher ist, als die ihrer Umgebung. Diese Verhältnisse waren so unerwartet, dass man bereits an eine Ausnahme vom ersten Hauptsatz der Energetik zu denken begann, als durch Ramsay die Thatsache entdeckt wurde, dass während dieser Vorgänge aus dem Radium ein anderes, seit längerer Zeit bekanntes (seiner Zeit auch von Ramsay entdecktes) Element, das H e l i u m , entsteht. Die Gesammtheit aller beobachteten Erscheinungen drängt daher zu der Auffassung, dass das Radium sich unter Energieverlust in Helium verwandelt. Die Energiemengen, die bei dieser Transmutation eines Elements in ein anderes frei werden, sind ganz ungeheuer gross; dies giebt wieder umgekehrt eine Erklärung dafür,
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d a s s im allgemeinen die Umwandlung eines Elements in ein anderes wegen der erforderlichen ungeheuren Arbeit nicht ausführbar ist. Genaueres über die hier in Betracht kommenden allgemeinen Auffassungen findet der Leser in meiner FARADA Y-Vorlesung „Elemente und Verbindungen" (Annalen der Naturphilosophie 3, S . 355, auch als Sonderdruck unter gleichem Titel bei VEIT & Co., Leipzig, erschienen). Welche Verallgemeinerung unter diesen Umständen d a s Gesetz von der Erhaltung der Elemente erfahren muss, lässt sich noch nicht übersehen. Zu Seite 285. Von aufmerksamen Lesern ist mir bemerkt worden, d a s s der hier gebrauchte Ausdruck „Intensitätsgrösse" einen Widerspruch in sich enthält, weil eine Intensität eben eine S t ä r k e und keine G r ö s s e ist. Ich m u s s mich schuldig bekennen, benutze aber den A n l a s s , um darauf hinzuweisen, d a s s eine rationelle, wenn auch nicht vollkommen von Willkür freie M e s s u n g der Intensitäten und somit ihre Annäherung an den Grössencharakter dadurch bewirkt wird, d a s s man einerseits Capacitäten, welche j a reine Grössen sind, messen kann, und andererseits Energieen, die gleichfalls Grössencharakter v e r m ö g e des Umwandlungsgesetzes besitzen. Da nämlich sich die Intensitäten als Quotienten der Energieen durch die Capacitäten ergeben, s o nehmen sie hierdurch an der Messbarkeit dieser beiden letzteren Grössen theil. Wohlgemerkt gilt dies nur für die Intensitäten im engeren Sinne, nämlich solche, die als Factoren bestimmter Energiearten definirbar sind. Andere Intensitäten, wie insbesondere die physiologischer Empfindungen, sind einer s o einfachen Ueberführung ins M e s s b a r e nicht zugänglich. Für j e n e ersten hat somit auch der anscheinend widerspruchsvolle Ausdruck „Intens i t ä t s g r ö s s e " eine g e w i s s e Berechtigung. Zu Seite 302. In Ergänzung dessen, w a s bereits in der Anmerkung zu S . 140 dargelegt worden ist, soll hier noch Folgendes zum Causalgesetz bemerkt werden. Man pflegt sich meist die Welt als eine g r o s s e M a s c h i n e vorzustellen, in welcher jedes Glied von jedem anderen a b h ä n g i g i s t , s o d a s s in jedem Augenblicke die Gesammtheit alles Geschehens g e s e t z m ä s s i g und eindeutig a u s dem w a s vorhanden ist und w a s früher geschehen war, abgeleitet werden könnte, falls man nur diese Voraussetzungen alle wüsste. Hierbei kommen unwillkürlich die Erfahrungen an technischen Maschinen aller Art in Betracht, ohne d a s s man gewahr wird, d a s s sämmtliche Maschinen, die für menschliche Zwecke ausgeführt werden, s o mannigfaltig sie im Uebrigen sein mögen, doch in einer Beziehung einen sehr speciellen S o n d e r f a l l darstellen, der gerade für diese allgemeinen Fragen von maassgebender Bedeutung ist. Alle Maschinen müssen nämlich, falls sie überhaupt brauchbar sein sollen, die Eigenschaft der Z w a n g l ä u f i g k e i t besitzen. Das h e i s s t , wenn man irgendeinem ihrer beweglichen Theile eine bestimmte Stellung giebt, s o sind auch alle anderen Theile in ihrer Stellung bestimmt und es besteht keine Freiheit mehr für sie, irgendeine andere Stellung einzunehmen. Man kennzeichnet daher auch die Bedingung, welche sie erfüllen m ü s s e n , dahin, d a s s sie nur e i n e n F r e i h e i t s g r a d haben dürfen. Die Nothwendigkeit einer solchen Einrichtung ergiebt sich daraus, d a s s nur unter dieser Voraussetzung der Betrieb der Maschine gesichert i s t ; anderen Falles könnte beim Vorhandensein mehrerer Freiheiten ein Maschinentheil zufällig
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eine solche Stellung einnehmen, dass die anderen Theile in ihren vorgeschriebenen Bewegungen gestört werden. Eine derartige Zwangläufigkeit liegt nun für die Naturgeschehnisse im allgemeinen sicher nicht vor. Um eine Anschauung von dem Unterschiede zu haben, denken wir uns eine Kugel, die einmal in einer horizontalen R i n n e , das andere Mal auf einer E b e n e liegt. Im ersten Zustande ist sie zwangläufig oder hat e i n e Freiheit, denn ihre Lage ist durch eine einzige Veränderliche (etwa eine Centimetertheilung längs der Rinne) ausdrückbar. Im zweiten Falle ist sie nicht zwangläufig, denn sie kann sich nach jeder Richtung in der Ebene bewegen, und ihre Lage ist durch z w e i Veränderliche (z. B. rechtwinkelige Coordinaten) darstellbar. Die erste Einrichtung kann als Maschinenelement Verwendung finden (und findet sie beispielsweise in den Kugellagern der Fahrräder), die zweite dagegen nicht. Für die allgemeinen Geschehnisse unserer Welt werden wir nun nicht nur zwei Freiheiten, wie in dem zweiten Beispiele, sondern unbegrenzt viele oder wenigstens unbekannt viele annehmen müssen. Die Weltgeschehnisse besitzen mit anderen Worten im mathematischen Sinne unbegrenzt oder wenigstens unbekannt viele Freiheitsgrade. Es ist demnach irreführend, diese Geschehnisse sich nach dem Schema einer Maschine abspielend zu denken. Es wäre dies nämlich identisch mit der Behauptung, dass sämmtliche Geschehnisse der Welt sich auf die Werthe e i n e r e i n z i g e n u n a b h ä n g i g e n V e r ä n d e r l i c h e n sollen zurückführen lassen. Für eine solche Behauptung liegt nicht der Schatten eines Beweises vor. Nur den rein zeitlichen Geschehnissen könnte man mit einer so einfachen Theorie gerecht zu werden versuchen, wobei an das S. 91 erwähnte Beispiel des Eingeweidewurms erinnert werden mag. Aber bereits die Existenz der für die Darstellung unserer Raumanschauung erforderlichen d r e i unabhängigen Veränderlichen reicht aus, um die Hypothese von der Maschinenstructur der Welt als unhaltbar nachzuweisen, da der Raum bereits drei Freiheiten statt der einen bietet. Alle die anderen unabhängigen Mannigfaltigkeiten, die sich in diesem Räume vorfinden, bedingen weitere Freiheiten. So haben wir die Welt als eine Function von unbekannt vielen unabhängigen Veränderlichen aufzufassen. Ebenso viele Freiheiten als Veränderlichkeiten giebt es nicht, denn ein jedes Naturgesetz lässt sich als eine Gleichung ausdrücken, durch welche zwischen einigen Veränderlichen eine gegenseitige Abhängigkeit gesetzt wird. Aber die Anzahl der Naturgesetze ist unvergleichlich viel kleiner, als die der Veränderlichen, so dass zwar eine Einschränkung in der Anzahl der unabhängig Veränderlichen durch jene bewirkt wird, dennoch aber diese Anzahl für uns noch unbestimmbar gross bleibt. Demgemäss ergiebt das sogenannte Causalgesetz nicht etwa in eindeutiger Weise aus gegebenen Bedingungen ein einzig mögliches Ergebniss, sondern es bedeutet, dass in einer sonst unbegrenzt freien Erscheinung zwischen gewissen Veränderlichen eine gegenseitige Abhängigkeit besteht, vermöge deren man den Werth einer von ihnen finden kann, wenn die Werthe aller anderen gegeben sind. Dies ist ziemlich genau das Umgekehrte der gewöhnlichen Vorstellung der Deterministen, welche meinen, dass wenn der Werth einer einzigen Veränderlichen, z. B. der Zeit, gegeben ist, hier-
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d u r c h die W e r t h e aller anderen V e r ä n d e r l i c h e n eindeutig b e s t i m m t seien. D i e s e A n s i c h t ist, wie o b e n d a r g e l e g t wurde, n i c h t nur p r o b l e m a t i s c h , s o n dern g e m ä s s unseren g e g e n w ä r t i g e n K e n n t n i s s e n mit u n b e g r e n z t g r o s s e r Wahrscheinlichkeit falsch. Zu S e i t e 3 0 7 . In neuester Zeit ist von H. P O I N C A R É ( W i s s e n s c h a f t u n d H y p o t h e s e , deutsch von F . und L . L I N D E M A N N , Leipzig 1 9 0 4 ) in Uebere i n s t i m m u n g mit anderen M a t h e m a t i k e r n b e t o n t w o r d e n , d a s s e b e n s o wie d i e M a t h e m a t i k auch die G e o m e t r i e ihre V o r a u s s e t z u n g e n willkürlich s c h a f f e und daher in ihren R e s u l t a t e n durch die E r f a h r u n g ü b e r h a u p t n i c h t widerlegt w e r d e n könne. Dies ist in g e w i s s e r W e i s e zweifellos r i c h t i g , doch ist e r f o r d e r l i c h , auch die v o n der E r f a h r u n g a b h ä n g i g e n Antheile dieser W i s s e n s c h a f t e n s a c h g e m ä s s in den V o r d e r g r u n d zu stellen. E s ist natürlich m ö g l i c h , wie dies etwa beim K a r t e n s p i e l g e s c h i e h t , g a n z willkürliche R e g e l n aufzustellen und dann innerhalb dieser die m ö g l i c h e n Constellationen d u r c h z u n e h m e n . A b e r ein s o l c h e s V e r f a h r e n e r g i e b t keine W i s s e n s c h a f t , s o n d e r n ein S p i e l . Die W i s s e n s c h a f t u n t e r l i e g t ausserdem der Bedingung, d a s s die Regeln derart g e w ä h l t w e r d e n , d a s s die Producte der Operationen g e w i s s e S e i t e n mit der Wirklichkeit g e m e i n s a m h a b e n . Diese Regeln heissen dann N a t u r g e s e t z e , und eine W i s s e n s c h a f t ist um s o v o l l k o m m e n e r , j e m a n n i g f a l t i g e r und b e s t i m m t e r ihre n a t u r g e s e t z l i c h g e w ä h l t e n Regeln sind. S o kann denn allerdings auch ein n a c h b e s t i m m t e n Regeln c o n s e q u e n t d u r c h g e f ü h r t e s S y s t e m v o n Sonderfällen und E r g e b n i s s e n nie als „ u n r i c h t i g " v o m E r f a h r u n g s s t a n d p u n k t e a u s n a c h g e w i e s e n werden, weil es (richtige A r b e i t v o r a u s g e s e t z t ) in sich r i c h t i g b l e i b t , wie a u c h die T h a t s a c h e n b e schaffen sein mögen. A b e r es kann sich als u n z w e c k m ä s s i g für die Darstellung der Wirklichkeit e r w e i s e n , wie dies b e i s p i e l s w e i s e mit den verschiedenen o p t i s c h e n T h e o r i e e n , der C o r p u s c u l a r t h e o r i e von N E W T O N und der T h e o r i e des elastischen Aethers von H U Y G H E N S , Y O U N G und F R E S N E L g e g a n g e n ist. W i e ich schon v o r l ä n g e r e r Zeit in ä h n l i c h e r V e r a n l a s s u n g b e t o n t habe, d a r f man nicht als A u f g a b e der W i s s e n s c h a f t wie gewöhnlich die E r m i t t l u n g der W a h r h e i t b e z e i c h n e n , s o n d e r n die B i l d u n g a n g e m e s s e n e r Begriffe. Der Grad der A n g e m e s s e n h e i t wird a b e r durch den Umfang bes t i m m t , in welchem diese B e g r i f f e zur D a r s t e l l u n g und V o r a u s s a g u n g der natürlichen E r s c h e i n u n g e n b e n u t z t werden k ö n n e n . Zu S e i t e 3 1 0 . Den üblichen D a r s t e l l u n g e n von der allgemeinen Gesetzlichkeit des W e l t g e s c h e h e n s g e g e n ü b e r ist e s z w e c k m ä s s i g , noch mehr als es im T e x t g e s c h e h e n i s t , die Un Vollständigkeit u n s e r e r w i s s e n s c h a f t l i c h e n Z u s a m m e n f a s s u n g e n und die U n r e g e l m ä s s i g k e i t des uns t h a t s ä c h l i c h bekannten W e l t b i l d e s zu b e t o n e n . Bei der Kleinheit des Antheiles, der leidlich g e o r d n e t g e n a n n t werden d a r f , g e g e n ü b e r den ungeheueren G e b i e t e n , die w i r geistig noch n i c h t b e h e r r s c h e n , e r s c h e i n t d a s von vielen Philosophen a l s allgemeine m e n s c h l i c h e E i g e n s c h a f t b e h a u p t e t e B e d ü r f n i s s nach einer „ a b g e s c h l o s s e n e n W e l t a n s c h a u u n g " wie d a s Greifen des K i n d e s n a c h dem M o n d . Am s c h ä r f s t e n hat gelegentlich E R N S T M A C H die Nothwendigkeit eines e r n s t h a f t e n Verzichtes auf dergleichen M ä r c h e n t r ä u m e a u s g e s p r o c h e n , indem er a l s d a s letzte E r g e b n i s s w i s s e n s c h a f t l i c h e n Denkens n i c h t die Bildung einer a b g e s c h l o s s e n e n W e l t a n s c h a u u n g , sondern d i e F ä h i g k e i t , e i n e u n a b g e s c h l o s s e n e u n d u n v o l l s t ä n d i g e z u e r t r a g e n bezeichnet h a t . Man f i n d e t s o oft die B e h a u p t u n g , ein denkender M e n s c h k ö n n e n i c h t
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anders existiren, als indem er sich die Gebiete, welche die Wissenschaft noch leer hat lassen müssen, der Wahrscheinlichkeit nach durch mögliche Annahmen ausfülle, und hierauf pflegen die Metaphysiker von naturwissenschaftlicher Färbung die Berechtigung ihrer Speculationen zu begründen. Aus der Geschichte der Wissenschaft lassen sich aber überall die Behinderungen erkennen, welche die Entwicklung angemessener Gedanken durch derartige metaphysische Voreingenommenheiten erfahren hat. Im Interesse einer möglichst unbehinderten und unter möglichst geringer Vergeudung von Energie erfolgenden Erweiterung unserer rationellen Weltkenntniss ist daher eine jede derartige Spéculation abzulehnen. Denn selbst angenommen, dass sie einmal zufällig in einem Punkt das Richtige trifft, so giebt es doch immer zahllose Concurrenten, die über den gleichen Punkt ganz andere Hypothesen gebildet haben, so dass in Ermangelung eines Critériums Richtiges und Falsches gleich ergebnisslos neben einander hergehen. Aber das angeborene metaphysische Bedürfniss! Selbst angenommen, es sei angeboren, so haben wir mancherlei angeborene Neigungen aus einer früheren unentwickelteren Periode ererbt, wie Raubsucht, Grausamkeit und dergleichen, deren thatsächliches Vorhandensein uns keinen Rechtsgrund für ihre Pflege und Erhaltung bildet. Andererseits handelt es sich beim metaphysischen Bedürfniss aber viel wahrscheinlicher um e r w o r b e n e Eigenschaften, die einem bestimmten Culturstadium entsprechen. Die Zeit ist noch nicht sehr weit hinter uns, wo allgemein geglaubt wurde, ein jedes Kind müsse nothwendig Masern und Scharlach durchmachen, um sich weiterhin regelmässig entwickeln zu können. Jetzt wissen wir, dass die fast ausnahmslose Regelmässigkeit dieser Erkrankungen auf der überaus häufigen Infection beruhte, gegen deren Wirkung keine Maassregeln getroffen wurden. In unserer Zeit, wo wir uns einigermaassen zu wehren verstehen, verschwinden diese Krankheiten auch mehr und mehr. So wird es wohl auch mit dem metaphysischen Bedürfnisse gehen. Eine Infection in solcher Richtung ist gegenwärtig noch so gut wie unvermeidlich, und nur das Antitoxin, das sich bei glücklichem Ueberstehen dieser Krankheit spontan innerhalb des betreffenden Organismus entwickelt, schützt diesen glücklichsten Falles gegen eine neue Infection. In den meisten Fällen nimmt aber die Einwirkung eine chronische Beschaffenheit an, und dann ist das „metaphysische Bedürfniss" nach einer Wissenschaft von den Dingen, die wir nicht wissen, in mehr oder weniger ausgeprägter Form vorhanden. Schon A. C O M T E hat diese Verhältnisse klar eingesehen; durch den allzu schematischen Ausdruck, den er ihnen in der Fiction der drei Zeitalter gab, sind diese ganz richtigen und tiefgreifenden Gedanken in Misscredit gerathen. Doch ist wohl die Zeit nicht ferne, wo sie wieder, wenn auch in erweiterter und allgemeinerer Form, zur Geltung kommen werden. Zu Seite 318. Seitdem diese Zeilen geschrieben worden sind, hat die Discussion über die biologischen Grundfragen sich mit unverminderter Lebendigkeit fortgesetzt. Hierbei ist den Neovitalisten von ihren Gegnern anscheinend mit Recht vorgeworfen worden, dass diese sich bei ihren e x p e r i m e n t e l l e n Arbeiten stets auf den gleichen Standpunkt stellen, wie diese selbst, dass nämlich eine rationelle, d. h. physikalisch-chemische Einsicht in die Einzelheiten der Lebensvorgänge mittelst entsprechender Hülfsmittel zu gewinnen sei. Dass es Gebiete giebt, in welchen diese, ihrer
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Natur nach zeitlich begrenzten Mittel versagen, wird von beiden Seiten zugestanden, ebenso wie dass gewisse Seiten der Lebenserscheinungen bereits durch jene Mittel erklart sind. Die Neovitalisten pflegen aber von den letzteren Erscheinungen zu behaupten, dass sie keine eigentlichen L e b e n s erscheinungen seien, indem sie diesen Namen für die noch unerklärten vorbehalten. Da die Grenze zwischen beiden Gebieten in beständiger Bewegung ist, indem sie sich in solchem Sinne verschiebt, dass das Gebiet der „eigentlichen" Lebenserscheinungen immer enger wird (wenn es auch zur Zeit noch viel grösser ist als das andere, und voraussichtlich noch für sehr lange Zeit so bleiben wird), so kommt der ganze Streit auf eine metaphysische, d. h. unserer gegenwärtigen Kenntniss entzogene Frage hinaus, ob es nämlich in diesem unbekannten Gebiete gewisse Stellen giebt, die uns für alle Zukunft unbekannt bleiben werden. Offenbar hat die allgemeine Bejahung oder Verneinung dieser Frage keinen verständlichen Inhalt, wenn man nicht gleichzeitig genau die Stellen bezeichnet, für welche die Behauptung gelten soll. Dies ist aber anscheinend bisher nicht geschehen. Andererseits aber haben unerwartete Fortschritte der neueren Zeit, ich erinnere nur an die experimentelle Parthenogenesis von 3. LOEB, uns die Hoffnung gegeben, dass auch die anscheinend geheimnissvollsten Einzelheiten des Lebens der Einbeziehung unter die wissenschaftlich beherrschten Vorgänge zugänglich sein werden. Zu Seite 334. In den letzten Jahren war es vielfach üblich geworden, die Gedanken DARWINS als im Wesentlichen verfehlt und die an diese Gedanken geknüpften Hoffnungen in Bezug auf die Entwicklung der Wissenschaft als gescheitert hinzustellen. Aus der sehr umfangreichen Erörterung, welche diese Fragen inzwischen erfahren haben, hat sich indessen herausgestellt, dass es sich auch bei dieser Gedankengruppe um verschiedenartige, theils mehr, theils weniger dauerhafte B e s t a n d t e i l e handelt, und dass nur den für den Daseinskampf geeignetsten ein Ueberleben gesichert erscheint. Zweifellos lebefähig ist der Gedanke von der Tendenz zur Bildung bestimmter Formen, denen eine grössere Dauer (individuell oder gattungsgemäss) zukommt, als den benachbarten. Jede Gattung stellt, wie ich dies bereits an anderer Stelle auszudrücken versucht habe, eine Lösung des Maximalproblems d a r : welche Combination von Eigenschaften ergiebt das dauerhafteste Gebilde? Derartiger Lösungen giebt es eine sehr grosse Zahl, doch ist diese immer von viel kleinerer Ordnung, als die der überhaupt möglichen Gebilde. Ebenso ist es eine mathematische Eigenschaft solcher Lösungen, dass sie im allgemeinen von einander entfernte, s i n g u l a r e P u n k t e darstellen: daher die deutliche und ausgesprochene Verschiedenheit der Gattungen. Welche Factoren nun aber einerseits die Variationen der Formen bewirken und wovon andererseits etwaige Uebertragungen der Variationen auf die Nachkommen abhängen, sind Fragen, die nicht eine einfache, sondern eine vielfache Beantwortung erlauben und daher erfordern. Hier wird man zugeben können, dass die von DARWIN in den Vordergrund gestellten Prinzipien der kleinen zufälligen Variationen und der geschlechtlichen Auslese zwar einzelne Antworten auf jene Fragen bringen, aber keine vollständige Lösung aller Probleme. Eine derartige Wirkung hat aber noch nie ein wissenschaftlicher Fortschritt gehabt. Beispielsweise ist auch NEWTONS Gravitationstheorie nicht ein A b s c h l u s s der Astronomie gewesen, sondern
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der A n f a n g einer langen und noch bei weitem nicht beendeten Entwicklung. So wird man in der gegenwärtigen antidarwinistischen Bewegung (so weit sie wissenschaftlichen Charakters ist) nur die ganz berechtigte Reaction gegen die allzu enthusiastische Auffassung erblicken können, nach der durch die von D A R W I N entwickelten Gedanken nunmehr alle Probleme der Biologie gelöst erschienen, eine Auffassung, von der übrigens D A R W I N selbst so entfernt wie möglich war. Zu Seite 339. In diesen Betrachtungen sind auch die Grundlagen für eine energetische Betrachtung der K u l t u r g e s c h i c h t e enthalten. Denn diese lässt sich als die Geschichte der zunehmenden Beherrschung der vorhandenen Energieen durch die Menschen kennzeichnen. Das Thier verfügt im allgemeinen nur über den Energievorrath, den es in seinem Körper mit sich trägt, und die Anlage von ausserhalb desselben befindlichen Energievorräthen, wie sie sich z. B. bei den Bienen und Ameisen findet, ist eine verhältnissmässig seltene Erscheinung. Ebenso ergiebt die eingehendere Betrachtung, dass alle Waffen und Werkzeuge der Menschen sich dadurch kennzeichnen lassen, dass sie einerseits die zweckmässigere Verwendung der körperlichen Energie ermöglichen, andererseits ausserkörperliche Energieen den Zwecken des Individuums dienstbar machen. Man braucht nur etwa die Erweiterung des durch die willensgemäss gelenkte Energie beherrschten R a u m e s zu betrachten, welche über den durch den Bereich der Hände gegebenen Radius hinaus gewonnen wird, indem Keule, Speer, Pfeil und Bogen, Schiessgewehr bis zum modernen Dreissigcentimetergeschütz zur Anwendung gelangt, um sich von der aufklärenden Fruchtbarkeit dieses Gedankens zu überzeugen. Dass andererseits alle C a p i t a l b i l d u n g nur auf Energiesammlung beruht, ist bereits oben angedeutet worden; das Geld ist andererseits ein anschaulicher Repräsentant für die Thatsache von der allseitigen Möglichkeit der Energieumwandlung. Zu Seite 347. Gegen diese Betrachtungen kann vielleicht der Einwand erhoben werden, dass es sich bei den Krystallen um Formen handelt, die, nachdem sie einmal gebildet worden sind, dauernd und im Wesentlichen unveränderlich bestehen bleiben, während die Organismen durch einen unaufhörlichen Stoff- und Energiewechsel gekennzeichnet sind, also die Bildung und Erhaltung ihrer Formen von ganz anderen Faktoren abhängig gedacht werden muss. Dies kann zugegeben werden, ohne die Nützlichkeit der im Text gegebenen Erörterungen zu beeinträchtigen. Auch solche stationäre Gebilde, in denen ein ununterbrochener Wechsel stattfindet, besitzen ganz bestimmte, durch die Bedingungen des Vorganges und durch die Natur der beteiligten Energieen bedingte Formen, deren Nothwendigkeit uns allerdings auch nur in den einfachsten Fällen anschaulich wird. Eine unter einfachen Bedingungen brennende Flamme, z. B. die eines aus weiter Oeffnung unter geringem Druck ausströmenden brennbaren Gases, hat die Gestalt eines K e g e l s , dessen Formconstanten aus den physikalischen Bedingungen, insbesondere aus der Ausfluss- und der Verbrennungsgeschwindigkeit des Gases berechnet werden können, und ein solches Gebilde stellt nach eingetretenen Störungen seine Gestalt alsbald wieder her, nachdem die normalen Bedingungen wieder vorhanden sind. Ebenso nimmt jede Störung einer ruhenden Wasserfläche notwendig die Gestalt einer Kreiswelle an, und die verwickelten Wellenformen eines Sturmes auf einem klippenreichen Meer
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sind auf derartige Kreiswellen zurückzuführen. So ist denn auch verständlich, wenn auch im Einzelnen noch bei Weitem nicht erklärbar, dass durch die bestimmte Reihe chemischer Vorgänge, die im keimenden Samen stattfinden, die betheiligten Stoffe schliesslich in solcher Weise gestaltet werden, dass je nach der ursprünglichen Beschaffenheit des Keimes eine Eiche oder ein Veilchen daraus wird. Auch die Gestalten dieser Gebilde lassen sich in a l l e n Einzelheiten nicht voraussagen, wenn man die Natur des Keimes kennt, denn sie sind ausser von dieser noch von den zahllosen Einwirkungen abhängig, die während ihrer Wachsthums-und Lebenszeit auf sie erfolgen; nur gewisse typische Formeigenthümlichkeiten pflegen festgehalten zu werden. So haben Eichenblätter stets den gebuchteten Rand, können aber im Uebrigen grösser oder kleiner, länger oder breiter sein, so dass überhaupt nie zwei Blätter ganz übereinstimmen. So wird man auch bezüglich der Frage, wieviel von der Form eines jeden Organismus bereits im Keime vorgebildet sei, die Antwort geben können, dass dies keineswegs für alle oder viele Formeigenschaften als nothwendig anzusehen ist. Die späteren Formen sind von der Art und Geschwindigkeit der chemischen Vorgänge abhängig, durch welche die entsprechenden Materialien beschafft werden, und jeder fertig gewordene Teil des organischen Gebildes wirkt als bestimmender Factor für die künftigen Theile mit, die unter diesem Einfluss neue, noch nicht vorhandene Formen annehmen können. Somit braucht der Keim nur die ersten Bedingungen so weit zu enthalten, dass die weitere Entwicklung annähernd eindeutig innerhalb gewisser, nicht allzu engerGrenzen bestimmt ist; die späteren Formen brauchen im Keim ebensowenig präformirt zu sein, wie die Form des krystallisirten Salmiaks in seinen Elementen, Stickstoff, Wasserstoff und Chlor, präformirt ist. Zu Seite 369. Hier finden die Betrachtungen der vorigen Anmerkung sachgemässe Anwendung. Zu Seite 380. Die energetische Auffassung der geistigen Vorgänge hat seitens der philosophischen und wissenschaftlichen Mitarbeiter eine ziemlich verschiedenartige Beurtheilung erfahren, die von einfacher Anerkennung ihrer Brauchbarkeit bis zur vollständigen Verwerfung als einer „Entgleisung" eines im Uebrigen leidlich verständigen Naturforschers gegangen ist. Ich habe mich dadurch veranlasst gesehen, den Gedanken wiederholt durchzuarbeiten, mit dem Ergebniss, dass ich vielleicht über manche Punkte klarer geworde n in der Hauptsache aber auf dem früheren Standpunkte stehen geblieben bin. Insbesondere sind vollständig jene leisen, halb bewussten Beunruhigungen ausgeblieben, welche, dem Sokratischen Dämon vergleichbar, so oft den Forscher auf die Bedenklichkeit dieser oder jener Ansicht aufmerksam machen, lange bevor ihm deren schwache Punkte sachlich klar geworden sind. So bleibt mir nichts übrig, als meinen wenigen Gesinnungsgenossen für ihren Beistand zu danken, und denen, die jene Ansicht anzunehmen zögern, ein erneutes Durchdenken derselben zu empfehlen. Dass der letztere Rath nicht unnöthig ist, ergiebt sich insbesondere aus dem häufigen Auftreten eines Missverständnisses, gegen dessen Möglichkeit ich im Text mich genügend durch eingehende Darlegungen gesichert zu haben glaubte, das aber trotzdem immer wieder auftritt. Es ist dies die Ansicht, dass das Entstehen und Verschwinden von
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geistiger Energie, ohne d a s s andere g e i s t i g e Energie dazu verbraucht oder dabei gebildet wird, eine Verletzung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie darstelle. S o findet sich beispielsweise die aus dem Verlaufe der Geschichte ersichtliche Vermehrung des geistigen Capitals der Menschheit als eine schlagende Widerlegung meiner Ansicht erwähnt. Dabei wird Ubersehen, d a s s es ein Gesetz überhaupt nicht giebt, wonach die Menge irgend einer e i n z e l n e n Energieart keiner Veränderung ihres Gesammtbetrages unterliegen solle; umgekehrt wird unter anderem allgemein angenommen, d a s s in jedem abgeschlossenen Gebilde die Menge der Wärme auf Kosten der anderen Energiearten beständig zunimmt. E s liegt also g a n z und gar innerhalb der Gesetzmässigkeit des ersten f i a u p t s a t z e s , d a s s sich geistige Energie unter geeigneten Umständen auf Kosten anderer Energieen bilden kann, und ebenso, d a s s solche verschwindet, indem sie sich beispielsweise in Wärme verwandelt. E s wirft kein gutes Licht auf die Gründlichkeit der Studien jener Gegner, d a s s ihnen diese einfachen Dinge wiederholt klargelegt werden müssen. Vgl. S. 398. Zu Seite 388. Die hier entwickelte Theorie der angenehmen oder willkommenen Empfindungen ist unvollständig und enthält nicht alle Elemente, die zu einer ausreichenden T h e o r i e d e s G l ü c k e s erforderlich sind. E s fehlt nämlich die Hervorhebung des negativen oder Unlustfactors, der durch die w i d e r w i l l i g ausgeführten Handlungen oder bethätigten Energieumsätze gekennzeichnet wird. Wie sich unter Aufnahme dieses Factors die Theorie des Glückes gestaltet, findet sich in den Annalen der Naturphilosophie Bd. 4, S . 459, dargelegt. Zu Seite 392. Man kann eine Stütze dieser Anschauungen in den Ergebnissen der neueren anatomischen Forschungen erblicken, nach welchen die verschiedenen Complexe a u s Nerven und Ganglien, die N e u r o n e n , mit einander nicht in s t e t i g e r Verbindung stehen, sondern dort, wo sie einander zu beeinflussen eingerichtet sind, in fein verästelte Apparate, die Endbäumchen, übergehen, die einander nahe gegenüberstehen, ohne mit einander zu verschmelzen. Hiernach ist es auch unwahrscheinlich, d a s s die in den Nerven verkehrende Energie, von welcher Art sie auch sein möge, aus einem Neuron in das andere u n v e r ä n d e r t übergehen kann, da hierzu die anatomische Continuität fehlt. Vielmehr wird man diese Anordnung als eine Einrichtung deuten können, vermöge deren die Energie des einen Neurons eine geeignete T r a n s f o r m a t i o n erleidet, bevor sie auf das andere übergehen kann. Ich gebe diese Andeutung mit all' den Vorbehalten, die dem Laien in allen Fällen geziemt, wo er die vorhandenen und festgestellten Thatbestände nur unvollständig kennt. Zu Seite 393. Der Versuch, d a s Bewusstsein in causalen Zusammenhang mit der Nervenenergie zu bringen, hat mannigfaltige Bedenken erregt, die zumeist a u s der Ansicht entsprangen, d a s s man die subjective Thatsache des Bewusstseins nicht ohne Weiteres mit dem objectiven Begriff der Energie verbinden könne. S o g a n z ohne Weiteres ist j a diese Verbindung auch nicht angenommen worden, denn wenn auch die Energie eine nothwendige Voraussetzung jeder Bewusstseinsthätigkeit genannt werden m u s s , so ist doch im Texte genügend betont worden, d a s s zur Entstehung dieser besonderen Erscheinung auch eine besondere Organisation gehört, die in der Grosshirnrinde vorhanden ist. Versuchen wir uns Rechenschaft von den wesent-
480
ANMERKUNGEN
lichsten
Kennzeichen
dieser
Organisation
zu g e b e n ,
F ä h i g k e i t , f ü r die Beurtheilung der G e g e n w a r t
so
nicht
besteht
nur
sie in der
die g e g e n w ä r t i g e n
S i n n e s e i n d r ü c k e zu b e n u t z e n , sondern d a n e b e n auch die E r f a h r u n g , die
Erinnerung
kennen
hier,
standtheil
an f r ü h e r e Erlebnisse
dass
ihre Z u s a m m e n h ä n g e .
des Z e i t b e g r i f f e s
des I c h b e g r i f f e s b i l d e t ,
s p r u c h in sich. der
die Bildung
und
denn
d. h.
Wir
er-
einen w e s e n t l i c h e n
Be-
ein z e i t l o s e s
Ich w ä r e
ein
Wider-
Es e r w e i s t sich w i e d e r u m die o r g a n i s c h e E i g e n t ü m l i c h k e i t
Erinnerung
als die G r u n d l a g e dieser höchsten A u s b i l d u n g des uns be-
kannten g e i s t i g e n Lebens.
Denn mit unseren Erinnerungen g e h t uns nicht nur
d a s Bewusstsein unserer P e r s ö n l i c h k e i t v e r l o r e n , sondern auch Charakter und E i g e n s c h a f t e n desselben, w i e dies aus z a h l l o s e n n o r m a l e n und p a t h o l o g i s c h e n Erscheinungen b e k a n n t
ist.
Hieraus scheint m i r so v i e l w e n i g s t e n s h e r v o r z u g e h e n , m e h r v o r dem P r o b l e m des Ich unzugänglichen Räthsel,
als v o r einem
dass w i r
aller rationellen
nicht
Bearbeitung
als einem v o n allen anderen Erscheinungen
durch
eine unüberbrückbare K l u f t g e s c h i e d e n e n G e h e i m n i s s g e g e n ü b e r s t e h e n , dern dass w i r g a n z w o h l
auch
an die nüchterne w i s s e n s c h a f t l i c h e
son-
Bearbei-
t u n g dieser A u f g a b e g e h e n können, w e n n w i r uns auch b e w u s s t sind,
dass
g e r a d e die g r o s s e N ä h e des G e g e n s t a n d e s dieser F o r s c h u n g uns die G e w i n n u n g eines w i s s e n s c h a f t l i c h e n Ueberblickes sehr erschwert. Problem steht,
mit
dem
ergiebt
der N e r v e n e n e r g i e
sich
aus d e m
in
bereits
einem
einen entsprechenden V o r g a n g h e r v o r z u r u f e n . warum
einige
Betätigungen
dies
Zusammenhange
im T e x t e h e r v o r g e h o b e n e n
d a s s ein g r o s s e r A n t h e i l der letzteren sich b e t h ä t i g t , vorgerufen,
Dass aber
einseitigen ohne
Umstände,
ins
Bewusstsein
Hierdurch w i r d d i e F r a g e her-
unseres
nervösen
Apparates
mit
B e w u s s t s e i n s e r s c h e i n u n g e n v e r b u n d e n sind und v i e l e andere nicht, und m a n erkennt,
dass
specielleres Daher
das
ist,
muss
als
man
Nervenenergie
Problem
des
Bewusstseins
auch
diese F r a g e durchaus
überhaupt,
Zu S e i t e 406.
Inzwischen
worden,
meine Annahme,
physischen
dass
trennen
Verwerthung
des
bin
Ich
von
ein
viel
allgemeinen.
der Frage
der
wäre.
ich v o n z u s t ä n d i g e r Stelle darüber E. v . HARTMANN
(einigermaassen
sei
von
persönlich
b e w u s s t e n z u r ü c k g e k o m m e n , irrthümlich g e w e s e n Zu Seite 411.
des
und die A n e r k e n n u n g der letzteren ist nicht a b -
h ä n g i g d a v o n , dass j e n e s P r o b l e m zuerst g e l ö s t
lehrt
oder
d a s der n e r v ö s e n u n d G e h i r n v o r g ä n g e im
der
be-
meta-
gedachten)
Un-
ist.
H i e r sind die A n m e r k u n g e n zu S. 393 n a c h z u s e h e n .
Zu S e i t e 421. D i e s e v o r v i e r J a h r e n g e s c h r i e b e n e n D a r l e g u n g e n scheinen m i r g e w i s s e n neuesten p h i l o s o p h i s c h e n B e w e g u n g e n g e g e n ü b e r , w e l c h e w i e d e r d e m W o l l e n , W ä h l e n u n d W e r t h e n eine e i n z i g e und a u s g e z e i c h n e t e zu
erobern
versuchen,
nicht nur r i c h t i g ,
sondern
auch
Stellung
beherzigenswerth
zu sein. Zu S e i t e 434. der
Kunst
(Leipzig Zu
Etwas sich
in
eingehendere meinem
Betrachtungen
Vortrage
„Kunst
über und
die
Theorie
Wissenschaft"
1905). S e i t e 448.
dingungen (Leipzig
finden
der
1904).
Die
Malerei
physikochemischen finden
sich
erörtert
und in
psychophysischen meinen
Be-
„Malerbriefen"
SACHREGISTER Die Abbildung, auf
der
einander
Zahlen
bezeichnen
Mannigfaltigkeiten 104. 2 1 3 ;
einer
Er-
s c h e i n u n g durch die andere bei der H y p o t h e s e 208—212; Unzulänglichkeit
jeder
scheinung
Abbildung durch
einer
Er-
die andere
212;
die
Seiten.
nächste V e r a n l a s s u n g 209. 238. 2 3 9 ; soll
in Querwellen s c h w i n g e n 209.
Aggregatzustand,
energetische
Deu-
t u n g ; u n a n g e m e s s e n e Bezeichnung, b e s s e r „ F o r m a r t " 200. Accum ulatoren,
enthalten
chemische
die A b b i l d u n g des V e r l a u f s der G e -
Energie
f ü h l e ist die A u f g a b e der M u s i k 439.
chemischen und elektrischen E n e r g i e
A b s o l u t , eine a b s o l u t e G e w i s s h e i t ist nicht zu erlangen 10. 12. 18. 132; absolute
Beträge
der
Sinnesem-
p f i n d u n g e n 5 9 . 6 1 ; absolute G r ö s s e n -
231;
Gleichgewicht
der
in d e n s e l b e n 261. 276. A l c h e m i s t e n , ihre Bemühungen
Gold
zu m a c h e n 216. 217. 287. A l g e b r a i s c h e Ausdrücke, als M i t t e l der
m e s s u n g u n m ö g l i c h 131. 132. 268.
Darstellung der Erscheinungen 214.
3 0 6 ; a b s o l u t e Einheiten nicht v o r -
A l p h a b e t , bildet eine w i l l k ü r l i c h e R e i h e
handen 135. 232.
9 6 ; als G r u n d l a g e einer O r d n u n g 99.
Abstraktionsverfahren, griffsbildung
22.
304.
strakte Hauptwörter Verwechselung
bei und
derselben
der
Be-
307;
ab-
Begriffe,
A n g s t , innere E m p f i n d u n g 60. Anlass,
den
der Z e i t bei der Bildung d e s R a u m Begriff
c h e m i s c h e und b e g r i f f l i c h e
50. 71.
mit
concreten 4 0 — 4 3 ; Abstraktion v o n begriffs 88; beim
Analyse,
der
un-
der V o r g a n g ,
welcher
eine
A u s l ö s u n g h e r b e i f ü h r t 299. A n p a s s u n g , d e r A u s s e n w e l t und Innenw e l t 6 ; des G e i s t e s an die Natur 1 2 ;
g e o r d n e t e n M a n n i g f a l t i g k e i t 9 8 ; bei
der G a t t u n g
der reinen M e c h a n i k 195; bei A u f -
der U m g e b u n g .
s t e l l u n g der N a t u r g e s e t z e 2 0 6 ; bei
t u n g e n 333. 334. 418. 4 1 9 ; als eine
der H e r s t e l l u n g des Causalgesetzes
Erscheinungsform
302;
unstetigen
nisses i m allgemeinsten Sinne 3 6 7 ;
bei der Bil-
z w i s c h e n S c h ö p f e r und E m p f ä n g e r
beim
Begriff
Mannigfaltigkeit
der
304;
d u n g d e s Z a h l b e g r i f f s 307. Accidenz,
Begriffsbildung
Wechselnde
für
an neue
Verhältnisse
Darwins des
BetrachGedächt-
in der K u n s t 440. das
in den Dingen 146.
Anschauung, gleichbedeutend mit Erlebniss, Vorstellung,
Erscheinung.
schädliche
V e r h ä l t n i s s z u m B e g r i f f 22; R a u m ,
Molekularmechanik
Zeit, Causalität a n g e b l i c h A n s c h a u -
A e t h e r , G e g e n b e g r i f f u. E r g ä n z u n g der
A n s t r e n g u n g , bei mechanischer A r b e i t
Adhäsion
und
Cohäsion,
H y p o t h e s e der
u n g s f o r m e n a p r i o r i 140. 303.
198. 199. M a t e r i e 1 5 0 ; die Gase als V o r b i l d der
als
A e t h e r h y p o t h e s e 201; d i e S c h w i n -
Grösse
g u n g s t h e o r i e des Lichtes und ihre
B e w e g u n g eines K ö r p e r s 184; kein
OSTWALD, Naturphilosophie.
I I I . Auflage.
stetige 154;
Mannigfaltigkeit Empfindung 31
bei
und der
482
SACHREGISTER
Gebiet menschlicher Anstrengung bleibt fruchtlos 217; Vernachlässigung der Willensanstrengung bei der Erziehung 425. Anwendung, der Begriffe 23. 303; des Energiebegriffs auf alle Naturerscheinungen 152. Anziehung, Formulierung ihrer Gesetze durch Newton 176. 189; Bestimmung derselben als Distanzenergie 177. 194; der Molekeln als Hypothese f. d. mechanischen Naturgesetze 198. 199. 200; massgebend für das ganze Naturgebiet nach der Annahme von Helmholtz 221. Arbeit, ihre Bezeichnung mit dem Wort „Kraft" bei Mayer 65; gleichbedeutend mit Energie 152; allgemeine Merkmale des Arbeitsbegriffs 154; sie ist aufbewahrbar, Ubertragbar, umwandelbar und wird durch Umwandlung nicht vermehrt 155; ihr Erhaltungsgesetz gilt nicht nur für die Zurückverwandlung, sondern auch für die Zwischenformen 156; ist in allen Formen gleich dem Produkt aus Kraft und Weg 156. 174. 227; bei Form Veränderung der Körper 167; bei Verkleinerung des Volumens 168. 169; der Satz von der Erhaltung der Arbeit als Ergebnis des Suchens nach dem perpetuum mobile 173; Ersatz der Kraftbetrachtungen durch den Arbeitsbegriff 174. 177; Verbesserung des Unterrichts durch den Arbeits- und Energiebegriff 174. 175; bei Veränderung der Oberfläche der Körper 183. 197; feste Grössenbeziehung zur Wärmeenergie zuerst dargestellt durch Jul. Rob. Mayer 219. 220; desgleichen durch Helmholtz und Joule 221—225; feste Grössenbeziehung zur Elektricität; leichte Herstellung aus dieser 230; ihre Concentration in d. chemischen Energie 235; Untersuchungen der Wärmearbeit durch Sadi Carnot 252. 253; Arbeitsleistungen des Organismus 329—331. Aristoteles,
erforschte die Begriffe
zunächst in der Sprache 31; Urheber der Begriffe Substanz und Accidenz 146. 147. Arithmetik, durch Kant als Zeitwissenschaft aufgefasst 304. Assimilation, Bezeichnung für Umwandlung strahlender Energie in chemische bei der Pflanze 321. Atmosphäre, der Luftdruck als Druckeinheit 197. 364; die Gleichförmigkeit ihres Druckes 229. Atom, atomistische Auffassung der Zeit 86; alle Atomtheorien werden untergehen 211; die atomistischen Auffassungen vielfach eine unbezweifelte Notwendigkeit (Joule) 222; Schädlichkeit atomistischer Hypothesen 328. 329. Aufbewahrung, der Begriffe in der Sprache 30; der mechanischen Arbeit 155; der Einheiten 187; der elektrischen Energie 231. 265; der chemischen Energie 233. 265; der Wärmeenergie 265. Auffassung, als erste geistige Operation bei der Begriffsbildung 77. Aufmerksamkeit, das Richten der Aufmerksamkeit ist gleichbedeutend mit der Erhebung seelischer Vorgänge zum Bewusstsein 387. 400. 403. 405; Betheiligung des Gedächtnisses und des Willens beim Richten der Aufmerksamkeit 406. Aufweisen, antreffen, nachweisen, messen sind die Grundlagen jeder wissenschaftlichen Darstellung 65. 181. 198. 206. 213. 214. 216. 217. 221. 367; Erklärung des Lebens nur durch aufweisbare Begriffe und Erfahrungen 333. 367. 378. Auge, Entwicklung desselben aus der äusseren Haut durch Lichtreize 350; Vergleich der Bethätigung mit der Anwendung des Bewusstseins 400; die Raumkünste wenden sich fast ausschliesslich an das Auge 435; Verschiebung des construkti ven Augenpunktes bei der Betrachtung eines Bildes 444. Ausdehnung, als Eigenschaft der Materie 149.
SACHREGISTER Auslese, zwischen Masse und Schwere bei der Bildung des Sonnensystems 192; der verschiedenen Energieen 234; als Erklärung für die Beschaffenheit d. Organismen 333.348. Auslösungen, allgemeine Bestimmung 299; durch Aufhebung der Compensation der Intensitätsunterschiede an einer Stelle 300. 301. 343; durch Selbstbeschleunigung 301; Auslösungsvorgänge im Nervenapparat zwischen Reiz und Reaktion 354—357. 392.393.403. 426. 427; Auslösung einer bestimmten zeitlichen Reihe von Empfindungen durch die Musik im Gegensatz zur Formenkunst 441. Aussenwelt, Beziehung zur Innenwelt 6. 14. 45. 64. 66. 81; subjektive und objektive Auffassung derselben als Streitfrage64.394; Fragestellung Über den Begriff und nähere Bestimmung 66; unter dem Einfluss des Willens 67.154; Nutzen dieser Begriffsbildung 67. 68; Mitwirkung der Sinnesapparate 68; Stetigkeit des zeitlichen Verlaufs 81. 82; ihre Gestaltung durch die Energie 146. 147. 242. 244. 394; ist eine Wirkung der Energieen auf unsere Sinnesapparate 159. 242; ihre Gestaltung durch die einzelnen Sinnesempfindungen 160. 161; ihre Auffassung abhängig von der Beschaffenheit unseres Bewusstseins 394; je höher das Lebewesen, desto mannigfaltiger die Beziehung zur Aussenwelt 413; die Aussenwelt als Gegenstand derRaumkünste435. Bakterien, sind in ihrer Nahrung nicht wählerisch 322; Ernährung und Fortpflanzung durch Teilung; Dauerformen 340. 341; Vergleich von Bakterien in der Nährflüssigkeit mit dem Krystall in der metastabilen Flüssigkeit 342. 343; Vergleich der Vermehrung und der Dauerformen mit dem Verhalten der Glaubersalzkrystalle 344. 345; Ortsbewegungen der mit Geissein
483
behafteten Bakterien und Schwärmsporen in Folge von Reizwirkungen 362. 363. 415—417. Batterie, die elektrische als Quelle elektrischer Energie 231. Baukunst, ein Zweig der Raumkünste 435; keine Kunst im engeren Sinne, sondern nur künstlerische Ausgestaltung von Gebäuden 440. : Bedingungen, als zeitliche und räumliche Regelung eines energetischen Verlaufs 298. 299. Beethoven, seine Tonwerke als Beispiel musikalischer Wirkung 439; Verwendung des Chores in der neunten Symphonie als angeblich unkünstlerisch 448. Begriffe, ihre Entstehung und Bildung; Hervorhebung des Gemeinsamen und Bleibenden 17. 22. 24. 27. 52. 76. 77. i39. 145. 146. 277. 303. 335. 336. 368. 409; Erkundung der Zukunft durch sie 18. 21. 24. 312. 409; Wiederholung von Zusammenhängen und Wiederkehr der Erlebnisse 19. 20. 27. 76. 145.146. 303. 409; Individualbegriffe 19. 20. 21. 74; der weiteste bezeichnet mit dem Wort Ding oder Objekt 22; Verhältniss zur Anschauung (Vorstellung, Erlebniss, Erscheinung) 22. 23. 74. 442; ihre Anwendung auf die Erscheinungen alsSchliessen 23. 24. 303; sind zunächst individueller Besitz, vom Gedächtniss abhängig und wandeln sich mit dem Alter 26; Fähigkeit zur Bildung wird vererbt 27; Zeichenzuordnung und Mitteilung 28. 29. 100; ausgedrückt durch Laut- und Schriftzeichen in der Sprache 29. 30; Bildung, Festlegung und Aufbewahrung mit Hilfe der Sprache 30; ihre Aufsuchung in der Sprache 31; ihre Unbestimmtheit und Veränderlichkeit 33. 310. 311; genaue Bestimmung der Maassbegriffe 37; Klarstellung und Ordnung durch Zerlegung 38. 39. 50; kein scharfer Unterschied zwischen conkreten und abstrakten Begriffen; Haupt31*
484
SACHREGISTER
unterschied 41. 42; w i e sind klare und bestimmte Begriffe zu erlangen 48. 49; elementare B e g r i f f e 49. 50. 63. 70. 71. 76; reine B e g r i f f e als Ergebniss der Wissenschaft 51; Elemente, Kennzeichen, Merkmale, Individuen 71; synthetische Stufenf o l g e der Elemente, aber nicht eind e u t i g , ein Ding fällt unter ganz verschiedene B e g r i f f e 7 2 . 1 4 6 ; Ausdruck des einzelnen Erlebnisses 73. 74; verschiedene Arten der Begriffsv e r b i n d u n g und Einschränkung 75. 76; ein reines Abbilden der Erscheinung nur durch Begriffe 212. 216; bei der Begriffsbildung wird das Causalgesetz hergestellt 303; Versuch zur Bildung andererGrundb e g r i f f e als Z e i t , Raum, M a n n i g faltigkeit, Energie 308; Anpassung unserer B e g r i f f s w e l t an neue Erlebnisse. Mangel an Einklang und durchgängiger Uebereinstimmung 309—311. 336; nur aufweisbare B e g r i f f e zur Erklärung des Lebens 333. 367; Erfassung der Willensv o r g ä n g e durch den Begriff 430; die Bildung angemessener B e g r i f f e ist die Ubereinstimmende A u f g a b e v o n Wissenschaft und Kunst 445. Benetzung, Erklärung durch Oberflächenenergie 199. Beschleunigung, Regelung der Zeitverhältnisse bei der Energieumwandlung im Allgemeinen 298.301; Selbstbeschleunigung und explosiver Verlauf 301; des Energieumsatzes bei den Organismen durch T e m p e r a t u r , Raumgestaltung und Katalyse 324—329. 365; des Energieumsatzes bei den Organismen durch Reize 357; Beschleunigung der Reaktionen und Entstehung der Gewohnheit durch Katalyse bei den Organismen 370. 371. Bewegungen, verursacht durch den Willen 6 7 . 1 5 4 ; der Himmelskörper nach dem Newtonschen Gesetz 176; in der W a g f l ä c h e 171. 185. 250; der Weltkörper, geleitet durch Distanz- und Bewegungsenergie 194.
195; der Himmelskörper als Beispiel der Periode 249; als das angebliche Wesen der W ä r m e 202 bis 205. 207. 208; verursacht durch andere Energieen 254; der O r g a nismen zum Zwecke der Nahrungsaufnahme 323. 361—363. Bewegungsenergie, Entstehung aus Distanzenergie und Umwandlung in dieselbe 184. 273. 297; gleich dem Produkt aus der Masse und dem Quadrat der Geschwindigkeit 186; Formel für dieselbe 187. 282; ihre Erhaltung als das Gesetz der Trägheit 187.188. 285; Entstehung aus Schwereenergie beim Fall 189; Bewegungen der Weltkörper 194. 195; zusammen mit Distanzenergie bisher als die einzigen mechanischen Kräfte anerkannt 198; als einzige Energie und Erklärung der W ä r m e 200—205; Vergleich z w i schen Bewegungs- und Volumenenergie; Eigenart der M a n n i g f a l t i g keiten 2 1 8 . 2 9 1 ; ihr Zusammensein mit F o r m - V o l u m - und chemischer Energie bildet den Begriff der M a terie 169.238.245; das mechanische Geschehen ist zunächst Umsatz in Bewegungsenergie und periodische Rückverwandlung 248. 249. 273; nächste Quelle des Zeitbegriffs 266. 275. 327; Zerlegung in ihre Faktoren Masse und Geschwindigkeit gleich Capazität und Intensität 282. 283. 286; unmittelbare Entstehung aus chemischer Energie nicht nachgewiesen 365. Bewegungsgrösse, ihre Unveränderlichkeit 151; Formel für dieselbe, Eigenschaften, Erhaltungsgesetz und Trägheitsgesetz 284. 285. 290; ist eine gerichtete Grösse 290. Beweis, mittels eines Kreisprocesses 172; Beispiel eines ontologischen Beweises 283. Bewusstsein, Wirkung einer besonderen A r t der Nervenenergie, welche sich im Gehirn bethätigt 381—383. 393; maassgebendfür die Auffassung und daher selbst energetischer
SACHREGISTER Natur 394. 398; die Lehre vom psychophysischen Parallelismus; Spinoza, Descartes, Leibniz, duBoisReymond 394—396; die Schwierigkeit der Lehre vom Bewusstsein entspringt aus dem Materialismus 395. 396; höchste und seltenste Energieart 396. 397; willkürliche Anwendung des Bewusstseins, Aufmerksamkeit, Vergleich mit der Bethätigung des Auges 400; bewusste und unbewusste Empfindungen, Handlungen und Gedanken. Begründung des unbewussten Denkens 401—403; Erhebung der Eindrücke zu bewussten Empfindungen durch besonderen Energieaufwand. Auswahl der Eindrücke; unbewusste organische Vorgänge 403 —405; bewusstes Denken, Erinnerung und Gewöhnung 406 — 411. 419; Bedeutung für die Erhaltung des Lebens 409. 410; das Ichbewusstsein, seine Entstehung, Einheit und Stetigkeit 410. 411. Beziehen, gleichbedeutend mit Verbinden bei geistigen Operationen 77. 79.112; erfahrungsmässige Beziehungen als Grundlage der Naturgesetze 214. 216; das Wesen einer Sache besteht in der Gesammtheit ihrer Beziehungen 216. Bild, die Hypothese als Bild 208. 211. 212; die Erscheinung und ihr Bild nothwendig verschieden 212. 442; Bildnerei (Malerei und Plastik) als ein Zweig der Raumkünste 435; ungegenständliche Formenkunst in der Bildnerei 441; Darstellungsgebiet der Bildnerei; Einschränkung des Nachbildes gegenüber der Wirklichkeit 441. 442. Biologie, hat die gleiche Methode wie die Philosophie 12; Anwendung nur aufweisbarer Begriffe und Erfahrungen in derselben 333. 367. 378; Bekämpfung des Darwinismus durch die Neovitalisten 417. Bismarck, Ausspruch über die deutsche Streitsucht 153; als Beispiel starken Wollens und reichen Den-
485
kens, die sich sonst in der Regel gegenseitig hemmen 424. Blut, Vielseitigkeit der Verwerthung im lebenden Körper durch Katalyse 366; Anwachsen des Blutdrucks in den Gehirnarterien durch geistige Arbeit 373. Boyle, Gesetz des Gasdruckes, Hypothese 214. Bruch, bei benannten Zahlen 136. Bücher, seine Untersuchung der Beziehung zwischen Rhythmus und Arbeit 437. Bütschli, Untersuchungen über die Organismen 199. Buchstabe, Zeichen des gesprochenen Lautes 30; als Zeichen für Grössen 213. Calorie, die alte Wärmeeinheit; ihr Verhältniss zum Erg 225. Capazität, ein Faktor der Energie; Gegensatz zur Intensität 256. 281. 288. 289; Gesetz von der Erhaltung der Capazitätsgrössen 281. 288; Capazität der Bewegungsenergie gleich Masse 283; der Volumenergie 285; der elektrischen Energie 285. 286; der chemischen Energie 286; die Capazitätsgrössen maassgebend für den Begriff der Materie 288; Verschiedenheit der Capazitätsgrössen insbesondere Masse, Elektricitätsmenge, chemischer Stoff 289. 290; Tabelle der Capazitätsu. Intensitätsgrössen zur Entdeckung neuer Energieformen 291—293. Capillarität, Auffassung als Oberflächenenergie 183; bei der Selbstzumessung chemischer Energie 271. Carnot, Sadi, Untersuchungen über die Arbeitsleistung der Wärme 252. 253. 258. Causalität, enthalten im Begriff der Energie 153. 295—297; erste Auffassung dieses Begriffs, zeitliche und sachliche Beziehung, Ansichten von Hume und Mayer 221. 294. 295; das Causalgesetz ist identisch mit den Energiegesetzen 295. 296. 297; die CausalVerknüpfung ist
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keine Denknotwendigkeit a priori, sondern erfahrungsmässiger Zusammenhang und praktisches Denkergebniss 295. 296. 303; Ursachen, Bedingungen, Auslösungen, Anlässe 298. 299; der Ablauf der Erscheinungen bestimmt 'durch seine Voraussetzung (Ursachen, Bedingungen, Anlässe) 302; das Causalgesetz entsteht mit der Begriffsbildung, steht mit Raum und Zeit auf einer Stufe und ist eine erworbene und vererbte Denkmethode 303; die Verhältnisse von Raum und Zeit als Causalgesetze 304. 305; Schopenhauers Untersuchung des Causalitätsbegriffes 305.306; causale und finale Betrachtung der Lebenserscheinungen 339. Centimeter, die Längeneinheit in der Wissenschaft, Anwendung auf die Bewegungsenergie 157. 186. Chemie, braucht die gleiche Methode wie die Philosophie 12; Umwälzung durch Einführung der Sauerstofftheorie 1 2 . 1 3 ; die chemische Analyse im Verhältniss zur Begriffsanalyse 50; desgleichen zurAnalyse der Sinnesempfindungen 52; ihre Stellung zum Kantischen Ding-ansich und zu den Begriffen Substanz und Materie 148; ihr gesicherter Bestand an Kenntnissen 211; ihr glänzendstes Gebiet dieThermodynatnik 216; eine noch junge Wissenschaft. Verhältniss zur Physiologie 318. Chemische Energie, Wärmeentwicklung bei chemischen Reaktionen, von Joule erklärt durch den Fall der Atome 222. 361. 364; Umwandlung chemischer Vorgänge in Elektricität und Wärme beim Galvanismus, entdeckt durch Joule 223; chemische Gleichung 226; leichte Herstellung chemischer Energie aus Elektricität 230; Kennzeichnung derselben im Allgemeinen. Umwandlung, Einnahme und Ausgabe, Mannigfaltigkeit, Aufbewahrung, Verteilung, Transport 232.233. 235. 236. 243. 265. 320; ihre Anhäufung
durch Pflanzen in den Kohlenlagern und um den Keim des Individuums 233. 234. 321; ist die Quelle aller Lebensthätigkeit und nahezu aller technischen Arbeit 233. 243. 320. 361; ihre Fähigkeit zur Concentration 234. 235; Mitnahme als Kraftquelle 235; ihre unmittelbare Umwandlung in mechanische Arbeit als das technische Problem der Zukunft 235; ein Fall dieser Umwandlung bei der Explosion 236; die Messung chemischer Energie 237; Umwandlung in strahlende Energie durch den Verbrennungsvorgang 240; Umwandlung in geistige Thätigkeit durch den Nervenapparat des Organismus 244. 373. 377; zu ihrer Entwicklung sind mehrere Stoffe nöthig 265; Intensität und Capacität; Gesetz von der Erhaltung der Elemente 286. 287. 290; chemische Elemente als Verbindungsform einer hypothetischen Urmaterie 288; die chemische Capacität zusammengesetzter Stoffe 290; Regelung des Zeitmaasses bei chemischen Reaktionen durch Katalyse 298. 326. 327. 356. 365. 366; chemische Energie im Haushalt der Organismen. Nahrung, Stoffwechsel 314. 319—329. 340. 341. 358. 361. 365. 366; zunehmende Vervollkommnung der Nahrungsaufnahme durch die Organismen 323; Regulirung der chemischen Vorgänge bei den Organismen durch Temperatur, räumliche Gestaltung und Katalyse 324 —329. 360. 361. 365. 366; Gesetz des Geschehens im chemischen Gebilde; Zeitbestimmung desselben. Die chemische Energie enthält keine Zeitgrösse 327; hypothetisch-mechanische Auffassung der chemischen Energie und deren Schädlichkeit 328. 329; Ursprung organischer Formen aus chemischen Verbindungen 347; Richtungswirkungen chemischer Stoffe auf Bakterien und Schwärmsporen;
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Chemotaxis 362. 363; unmittelbare Umwandlung chemischer Energie in mechanische bei den Organismen durch osmotischen Druck und Oberflächenspannung. Muskelthätigkeit 363—365; unmittelbare Umwandlung in Distanz- und Bewegungsenergie nicht bekannt 365. Clapeyron, seine Untersuchungen über die Wärmearbeit 254. Clausius, seine Berechnungen in der mechanischen Gashypothese 203; seine Unterscheidung der reinen Energetik und der Bewegungshypothese 205; seine Untersuchungen Uber die Wärmearbeit 254. Cohäsionskraft, Erklärungsart für Formenergie 182. Compensation, des Intensitätsfaktors einer Energie 263. 264. 289. 300; Compensation, Einschliessung, Aufbewahrung der verschiedenen Energieen 264. 265. 300; ihre UnVollkommenheit 276. 301. 302; Aufhebung der Compensation durch Auslösung 300. 301. Concentration, chemischer Energie 234. 235. 325; ist das Verhältniss zwischen Stoff und Gesammtraum der chemischen Reaktion 325; ist proportional dem osmotischen Druck bei d. Organismen 364; Wirkung verschiedener Concentration gelöster Stoffe auf Bakterien und Schwärmsporen 362. 363. 4 1 5 - 4 1 7 . Copernicus, Umgestalter des Begriffs „Sonnenaufgang" 35; führte seine Theorie nicht für alle Planeten durch 166; Einfachheit seines Sonnensystems gegenüber den griechischen Astronomen 335. Dampfkessel, Prüfung durch hydraulischen Druck 196. Dampfmaschine, Gebundenheit an die Kohlennahrung, Verbindung mit der Arbeitsmaschine 230; umfangreiche Anwendung in der Industrie 233; Anlass zur Untersuchung der Bedingungen der Wärmearbeit 252; als Beispiel periodischer Selbst-
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regulierung 272; vermittelt die Umwandlung chemischer Energie in mechanische Arbeit 364. Darstellung, der Erlebnisse durch den Begriff 20. 212. 309; der Begriffe durch Zeichen und Symbole 27. 100. 434; einzelner Erlebnisse durch Begriffe 73. 212; einer Mannigfaltigkeit durch die andere 104; mehrfacheMannigfaltigkeiten durch die Zahlenreihe 106. 107. 108; stetiger Mannigfaltigkeiten durch die Ordnungszahl 125; der Stärken durch die Ordnungszahl 129; der Grössen durch die Grundzahl 129. 130. 131; alles Geschehens durch Naturgesetze 140. 206; aller Naturerscheinungen durch die Energie 152. 153; bisher noch lückenhaft 153; die energetische Darstellung ist hypothesenfrei 181. 210; der mechanischen Energieen durch die Molekularmechanik 198; der thatsächlichen Erscheinungen durch Hypothesen 205—217; der Wärmeerscheinungen durch mechanische Hypothesen 202—205. 207; der Wirklichkeit durch hypothetische Bilder 210. 212; einer Erscheinung durch die andere in der Hypothese 211. 212; der Erscheinung durch Formeln und Zahlen 213. 214; der Hypothesen durch mathematische Formeln 214; der thatsächlichen Verhältnisse durch Klarstellung konstanter Grössen 277; die Wirklichkeit ist nie ganz vollständig darstellbar 375; Darstellen oder Hervorbringen als wesentliches Element der Kunst 434; die Darstellung von Gefühlen ist Aufgabe der Musik 438.439; dieDarstellung äusserer Ereignisse die der Poesie 439; Gebiete, Mittel und Formen der künstlerischen Darstellung 439—448. Darwin, Charles, Erklärung der Gestaltung der Organismen durch Auslese und Vererbung 333. 334. 368; Unvollständigkeit seiner Lehre; ihre Fruchtbarkeit 335. 379. 417. Dauerformen bei organischen Gebilden
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323. 341. 343. 366; Aehnlichkeit der organischen Dauerformen mit dem Verhalten der Glaubersalzkrystalle bei verdampfter Lösung 344. Dauerhaftigkeit als Zweck der Organismen 332—334.336. 337.409. 449. Denken, dessen Unvollkommenheit 6. 311; Abhängigkeit von der Erfahrung 7. 8. 409; als Norm aller Dinge 64; Abstraktionen und Begriffe als Ergebniss des Denkens 22. 206. 368. 409; Erschöpfung des Organismus durch Denkarbeit und Verbrauch von chemischer Energie 244. 373. 377; die Energiegesetze noch wenig in das alltägliche Denken eingedrungen 280; Denknothwendigkeit des Gesetzes von der Erhaltung der Materie 283; Denknothwendigkeit des Causalgesetzes 295. 296. 303; Denknothwendigkeit der geometrischen Gesetze 305. 306; Denknothwendigkeit der logischen Gesetze 307; Fruchtbarkeit der logischen Bearbeitung eines aus Beobachtung gewonnenen Gedankenmaterials307. 335; seine Mittel, Wege, Formen, Gewohnheiten und Nothwendigkeiten; Uebereinstimmung der beiden letzteren 308. 309; Trennung der Gebiete, Erklärung und Beseitigung der Schwierigkeiten 310. 311; die Organismen überhaupt als denkende Wesen betrachtet 332. 383; Annahme einer höheren menschenähnlichen Intelligenz 333; geht den W e g vom Zusammengesetzten zum Einfachen 335; Mangel einer objektiven Controle für die Vorgänge des Denkens 382; ist eine Bethätigung der Nervenenergie des Gehirns und in der Regel bewusster Vorgang 383. 406. 407. 412; Annahme und Begründung eines unbewussten Denkens 401.402.406; Betheiligung des Denkens beim Wollen und Handeln; überlegte und impulsive Handlungen 422. 423; Gegensatz von Denken und Wollen; gegen-
seitige Beeinträchtigung; unzweckmässige Bevorzugung des Denkens bei der Erziehung 424. 425; Uebertragung des Denkens von Mensch zu Mensch ist auch eine Art der Nachahmung 428. 429; Gedanken und Empfindungen als Zweck der Kunstwerke 434. Descartes, Streit über das wahre Maass der Kräfte 284; seine Lösung des Problems von Geist und Materie 372. 373. 396. Diamant, seine künstliche Herstellung 287. Diffusion, Ausgleichung der Concentration gelöster Stoffe 325. 340. Ding, als Bezeichnung für den elementarsten und weitesten Begriff 22. 71. 77. 94. 137. 308; Verhältniss zur Eigenschaft 44; als das erste Denkgesetz 78. 307; Willkürlichkeit dieser Begriffsbildung 94; Bezeichnung mit „Stück" als Element der Mannigfaltigkeit 94. 102. 103; ihre Vergleichung 113—117. 336; das Urding aus dem alle andern entstehen 145; Ding und Energie 146. 242; nur die Dinge sind wirklich, die unter den Begriff der Energie fallen 242; Dinge als Ursachen und Wirkungen 294. 295; zweckmässige Dinge; ihre Herstellung nur im Gebiet menschlichen Wirkens 336; künstliche und natürliche Dinge, die letzteren sind unabhängig vomStande derWissenschaft 379. Ding-an-sich, Ursprung des Begriffs Induktionsfehler 44; Entstehung aus dem Substanzbegriff 147; Stellungnahme der Wissenschaften zu diesem Begriff 148; irrthümliche Unterscheidung zwischen Dingan-sich und Erscheinung 242. Dissoziationsvorgänge, Ausgleichungen freier Energie als Quelle des Zeitbegriffs 275. 327. Distanzenergie, eine der mechanischen Energieen, deren besondere Art für die Erde die Schwere ist 177; die Formel für dieselbe 178.179; Um-
SACHREGISTER Wandlung in und Entstehung aus Bewegungsenergie 184. 189. 248. 271. 273. 297; ihre Elemente sind zwei Körper und deren Entfernung 193; giebt in Verbindung mit Bewegungsenergie den Weltkörpern ihre Bahnen 194.195; Distanz-und Bewegungsenergie bisher als einzige mechanische Kräfte anerkannt 198; Produkt von Kraft und Weg 198; leicht aufzubewahren 265; unmittelbare Entstehung aus chemischer Energie nicht bekannt 365. Dreieck, als Beispiel der Begriffsbildung 22. Druck, der allseitige ist ein Faktor der Volumenergie 168; Druckübertragung durch Flüssigkeiten 197; Bestimmung der Druckeinheit aus der Arbeitseinheit 197; Bedeutung des Druckes bei Gasen 201. 222. 223; Formel für den Druck bei der kinetischen Gastheorie 214; Druckunterschiede als Ursache mechanischen Geschehens 255; kann positiv u. negativ sein 290; Einfluss auf chemische Vorgänge 326; der osmotische Druck der Organismen 364. Druckempfindungen, Hautempfindung 57; Mitwirkung bei der Raumerfahrung 59; Wirkung der mechanischen Arbeit 159. 160. 350; eine Wirkung der Form- und Volumenergie 169. 350; Ausbildung ihrer Organe durch häufige Reaktion 350; praktische Verschiedenheit der Tast- und Gehörempfindung 351. du Bois-Reymond, Emil, Theorie des Parallelismus zwischen Geist und Materie 395. 396. Dürer, Schwierigkeiten der Perspektive für ihn 444. Dynamomaschine, Quelle elektrischer Energie 231. Dyne, Bezeichnung für die Krafteinheit; deren Grösse 157. Eigenname, Bezeichnung der engsten Begriffe 20. 22. Eigenschaft, Verhältniss zum Dingbegriff 44; ihr Stetigkeitsgesetz 127.
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Eigenschaftswörter, Ausdruck der Begriffsmerkmale 43. Einheit, ein Stück einer stetigen Mannigfaltigkeit 130; Herstellung dauernder Einheiten 133; ihr Betrag ist willkürlich 135; ihre Feststellung für die verschiedenen Grössen 135; ihre Ableitung und Bruchtheilung 136; Einheit der Kraft und der mechanischen Arbeit 157. 187; Einheit bei der Messung aller Energieen 227; Einheit und Stetigkeit des Ichbewusstseins 411. Einnahme und Ausgabe, von Arbeit oder Energie für ein Gebilde 158; als Erleben und Vergessen für das Bewusstsein 411. Elasticität, Eigenschaft aller festen Körper 167.195; unelastische Körper 182. 195. Elektricität (elektrische Energie), Unveränderlichkeit ihrer Menge 152. 285; elektromagnetische Schwingungen zur Erklärung des Lichts 210; grossartige Entwicklung der Elektrik, Erfolg hypothesenfreier Forschung 216; feste Grössenbeziehung zwischen Elektrizität und Wärmemenge, entdeckt durch Joule 223; die elektrische Energie steht nicht mit einem besonderen Sinnesapparat in Beziehung. Warum? 228. 229. 350; ihre technische Bedeutung begründet durch mannigfaltige und leichte Umwandlung und weite Leitung 229. 230. 231; leicht zu verteilen und schwer aufzubewahren 231. 265; ihre Energiequelle 231; ihre Zerlegung in Spannung und Menge. Messung nach Volt, Coulomb und Ampere 231. 256; Verhältniss zu Körper und Materie 238; Verwendung zur Beleuchtung 240; als Ursache mechanischen Geschehens 254; als Ursache des Geschehens überhaupt 255; Erhaltungsgesetz der Elektricitätsmenge 285. 286. 290; Auslösung elektrischer Spannung 300; Auslösung elektrischer Vorgänge im Organismus durch Reize 358;
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elektrische. Theorie der Nervenleitung und der Muskelleitung unhaltbar 352. 363. Elemente, des Begriffs im Verhältniss zu den chemischen 49. 50. 63.71; der Erscheinungen als Gegenstand hypothesenfreier Darstellung 216; Gesetz der Erhaltung der chemischen Elemente 217. 286. 287, 290; chemische Elemente als Verbindungsform einer hypothetischen Urmaterie 288; Tabelle chemischer Elemente zur Entdeckung neuer von Mendelejeff 292. Emissionshypothese des Lichtes, ihr Misserfolg 209. 210. Empfindungen, eine Art Bethätigung der Nervenenergie 383. 384. 412; Gesetz der specifischen Sinnesenergieen von Johannes Müller 384. 385; Gesetz der Grössenbeziehung zwischen Reiz und Empfindung. Weber-Fechnersches Gesetz 385. 386; Grade desBewusstseins bei den Empfindungen Uebergang zu den Gefühlen 387. 401; Empfindungen und Gedanken als Zweck der Kunstwerke 434; Auslösung einer bestimmten Reihenfolge von Empfindungen in der Musik 441. Energie, ihr Eintritt in den menschlichen Körper 60. 229. 244. 350; mechanische Arbeit ihr bekanntester Typus 62; ihr Einfluss auf die Bildung der Begriffe Ding, Accidenz, Substanz 146. 147. 152; Aussenwelt 159. 242. 280; ihre Anwendung auf alle Naturerscheinungen 152. 153. 232. 242. 244. 280; Mangel einer umfassenden Darstellung 153; Einführung in ihren Begriff 154—158; ist mechanische Arbeit und alles was aus ihr entsteht und sie ergiebt 158. 167. 168. 183. 197. 225; ihr Erhaltungsgesetz 158. 159. 187. 188. 217. 221. 246. 250. 280. 281. 283. 295. 297; Gestaltung des Weltbildes durch sie, insbesondere durch das Licht 159. 160. 161. 162. 242. 312; Verhaltniss zur Materie 165.
238. 245. 263. 288; bei Form Veränderung der Körper 168; bei Volumänderung 168.169; Beseitigung der Kraftbetrachtungen und Integrationen durch den Energiebegriff 174; Verbesserung des Unterrichts durch ihn 175. 335; unser Weltbild enthält nur Energiecomplexe 181. 242. 263; die energetische Darstellung ist hypothesenfrei 181. 210. 335. 367; ihre Einheit entnommen aus der Bewegungsenergie 187; mechanische Energieen 198; Energieen bilden den einzigen Unterschied der Körper 200; Ursprung der Energielehre aus der Untersuchung des Verhältnisses zwischen Wärme und Arbeit 201. 219; Annahme, dass nur mechaoder nur Bewegungsnische energie in der Welt vorhanden 202; die reine Energetik, das glänzendste Gebiet der heutigen Physik und Chemie 216; Eigenart des Mannigfaltigkeitscharakters der verschiedenen Energieen 217. 218. 232. 289. 290. 291. 292; Aussagen über noch unbekannte Energieen 219. 289; Entwicklung des Energiegedankens durch Mayer, Joule, Colding, Heimholtz 219. 221 ; die Gleichheit verschiedener Energieen 225. 226. 280; ihre einheitliche Messung 227. 296; ihre Kennzeichnung und die ihrer Umwandlungen ist die Gesammtaufgabe der Physik und Chemie 228; die Beschränktheit der mechanischen Energieleitung gegenüber der elektrischen 230; Energiequelle 231. 242. 260; Zerlegung der Energieen in ihre Faktoren und freie Annahme der Einheit des einen Faktors 232; begrenzte Aufnahme in einem gegebenen Raum. Auslese bei der Mitnahme 234. 235; ihre blosse Anwesenheit zur Umwandlung nicht ausreichend 242; Quelle der freien Energie auf der Erde ist die Sonne und ihre Strahlung. Der sogenannte Kreislauf der Dinge 242.
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243. 260; der allgemeine Begriff der Energie bildet nur den Rahmen oder die Schlussbilance in der Erforschung der Vorgänge 244; der erste Hauptsatz das Erhaltungsgesetz, der zweite Hauptsatz das Gesetz des Geschehens 246. 296; das Problem des Geschehens bei den mechanischen Energieen 246—252; dasselbe Problem bei den nicht mechanischen Energieen in Angriff genommen bei der Warme 252. 253; Zerlegung der Energieen in ihre Faktoren und Verhältniss derselben zum Geschehen 256. 257. 258. 281; Gleichgewicht einer Energieart, ruhende Energie 257. 258. 259; das energetische Geschehen ist im allgemeinen periodisch. Hauptausnahme die Wärmeenergie 260. 265. ihre beständige Abnahme durch die Wärmeenergie 260. 265. 281. 359; Verbindung von Energieen so, dass eine ohne die andre nicht geändert werden kann; Koppelung 262. 264. 265; Verbindung und Koppelung als Voraussetzung des Vorhandenseins von Körpern und Materie 263; Compensation, Aufbewahrung, Einschliessung von Energie 264. 265. 276; jeder Energieausgleich braucht Zeit 267; der Energieausgleich verläuft proportional dem Intensitätsunterschied und der Beschaffenheit des Gebildes. Leitfähigkeiten 268; graphische Darstellung des normalen Verlaufs 269; Vorgänge mit ansteigendem Energiestrom (lawinenartige) 270. 273; Vorgänge mit gleichmässigem dauerhaftem Energiestrom (stationäre) 271. 274. 315 321. 330; Vorgänge mit schwankendem dauerhaftem Energiestrom (periodisch stationäre) 272. 274; Erhaltung freier Energie 281; die Energiegesetze noch wenig in das allgemeine Bewusstsein eingedrungen 280; Capacitätsfaktor und Intensitätsfaktor der Energie 256. 281. 288. 289. 290; die Energieen sind aufweisbare und
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messbare Grössen 289. 367; Ermittelung noch unbekannter Energieen durch Combination der Capacitäts- und Intensitätsfaktoren der bekannten 291. 292. 293; die Energiegesetze sind identisch mit dem Causalgesetz 295. 296; Zerlegung des energetischen Geschehens in Ursachen, Bedingungen, Auslösungen, Anlässe 298. 299; die Arten der Auslösung im Besonderen 300. 301; die Energievorgänge des Lebens, Stoffwechsel, Energiestrom, Selbsterhaltung 313. 314. 329. 337; Wachsthum, Nachkommenschaft, Absterben 330. 331. 337. 338; Reaktion und Reizbarkeit als Folge der Einnahme und Ausgabe von Energie 348; unvollständiger Parallelismus zwischen Energiearten und Sinnesapparaten 350. 351; Beschleunigung und Verzögerung des Energiestromes im Organismus durch Reize 357; sichere Bahn für die biologische Forschung durch den Energiebegriff 366. 367; Verhältniss des Energiebegriffs zu den geistigen Erscheinungen. Frage der Identität von Geist und Energie 372—376; Annahme einer geistigen oderNervenenergie neben den anderen Energieformen 377.393.398.401. 403—407. 426; Nervenenergie des Centraiorgans, Bewusstsein 393. 394. 396. 398. 400. 401. 403. 404; Willensenergie 426; Energie und Entwicklung als Grundbegriff der natürlichen und geistigen Welt 433. Entropie, Einfluss bei der Wärmemessung 226; ist ein Faktor der Wärmeenergie; der andere die Temperatur 256; die Menge der Entropie kann nicht vermindert sondern nur vermehrt werden 282; bei ihr besteht eine Ausnahme von dem Erhaltungsgesetz der Capacitätsgrössen 283; Zunahme der Entropie in Folge Temperaturerniedrigung 297. Entstaltung, eines festen Körpers durch Aufnahme von Energie 167.168.182.
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Entwicklung, des Raum-, Zeit- und Causalitätsbegriffes 141. 303; einer der Grundgedanken in der Lehre Darwins 335; als Grundbegriff der energetischen Weltauffassung 433; Entwicklung der Kunst durch Eroberung weiterer Gebiete von Mitteln und Inhalten 445. Enzyme, Stoffe, welche in Organismen katalytisch wirken 329.340.347.366. Erde, Versorgung der Erde mit freier Energie durch die Sonne, Ursprung der meteorologischen und geologischen Ereignisse, Kreislauf der Dinge 242. 243; Versorgung derselben mit brennbaren Stoffen. Beschränkung des Lebens auf eine dünne Schicht 321. 322. Erfahrung, massgebend für das Denken 7 . 1 4 . 307. 408; ermöglicht uns den Anfang der Wissenschaft 11. 409; zunächst bewusste Erlebnisse und Innenwelt 14', demnächst Verarbeitung dieser Erlebnisse durch Erinnerung 15. 409; Voraussicht der Zukunft 16. 140. 296. 409; erfahrungsmässige Zusammenhänge, die sich wiederholen, als Material der Begriffe 19. 20. 139. 295. 409; Raum und Zeit, ihre Gesetze 80. 139. 140; wirkt einschränkend auf die Begriffswelt 139; erfahrungsmässige Beziehungen als Grundlage der Naturgesetze 214. 221. 222. 258. 259; Erklärung des gesammten Erfahrungsgebietes durch die Energiegesetze 244; erfahrungsmässige Zusammenhänge als Grundlage des Causalbegriffs 295; desgleichen als Grundlage der Logik und Mathematik307; geht den Weg vom Zusammengesetzten zum Einfachen 335. Erg, Bezeichnung für die Einheit der Arbeit 157; Ursprung aus der Bewegungsenergie 187; als Einheit des Druckes 197; als Einheit der Oberflächenenergie 199; als Einheit der Wärmeenergie 225; als Einheit aller Energiearten 227; als Einheit der elektrischen Energie 231. Erhaltungsgesetz, bei Umwandlung
der mechanischen Arbeit 155; bei der Energie Uberhaupt 158. 159. 217. 221. 246. 260. 280. 281. 283. 295. 297; bei der Bewegungsenergie der Ausdruck Trägheit 187. 188. 285; der chemischen Elemente 217. 286. 287. — des Typus der Erscheinungen 217; kein Erhaltungsgesetz für das Geschehen 260; der Zeit und des Raumes 279; Gesetz von der Erhaltung der Capacitätsgrössen 281. 282; Gesetz von der Erhaltung der Masse 278. 282; Ausnahmen von dem Erhaltungsgesetz der Energie 283; Erhaltungsgesetz der Bewegungsgrösse284.285; derVolumenergie 285; das Erhaltungsgesetz gleichbedeutend mit Causalgesetz 295; Gesetz der Erhaltung der Arten der Lebewesen 342. Erinnerung, als Grundlage des Begreifens und Lernens 17; als eine Form der Vererbung, Gattungserinnerung 27; Zusammenfassen einer Mehrheit von Dingen 79. Erinnerung, s. Gedächtniss. Erkenntniss, Untersuchung d.Erkenntnissgründe durch Schopenhauer306 ; rein logische Erkenntniss 307. Erklärung, Aufzeigung des Zusammenhanges mit bekannten Naturgesetzen 169; heisst unbekannte Verhältnisse auf bekannte zurückführen 207; Erklärung der Lebenserscheinungen. Robert Mayers Bemerkung über Erklären 317; Erklärung ist Bezeichnung und Zusammenfassung derThatsachen328. Erlebnisse, als Element der Erfahrung und subjektiv 14. 64. 137. 335. 409. 419; ihre Wiederholung bewirkt die Entstehung des Begriffs 17.19. 20. 21. 22; gleichbedeutend mit Anschauung, Vorstellung, Erscheinung 22. 23; sprachliche Sonderung der äusseren und inneren durch das Fürwort 45; ihre Zugehörigkeit zur Aussenwelt und Innenwelt 66; ein Erlebniss unter verschiedene Begriffe fallend 72. 146; ihre Ab-
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grenzung als erstes Denkgesetz 78. 308; Raum und Zeit, ihre Gesetze 80. 303; ihre Darstellung und Ordnung als Weltanschauung 82; zwei Erlebnisse nie vollkommen glcich 112; ihre Einordnung und Unterscheidung in Zeit und Raum 145; ihre Bearbeitung beim 'Abstraktionsverfahren und der Hypothesenbildung 207; ihre Bearbeitung bei Herstellung des Causalgesetzes 303; ihre Bearbeitung bei Herstellung des Ding- und Zahlbegriffs 308; Aufnahme neuer Erlebnisse in die vorhandene Begriffswelt 309; bewusste Erlebnisse und Erinnerungen als dieQuelle deslchbewusstseins 410; die Kunstwerke sind äussere Erlebnisse mit beabsicht. Empfindungen und Gedanken 434. Erscheinungen, gleichbedeutend mit Anschauungen, Vorstellungen, Erlebnissen 22; bei der Entstehung des Schliessens 23; ihre Bearbeitung bei dem Abstraktionsverfahren und der Hypothesenbildung 207. 208; Darstellung einer Erscheinung durch die andre bei der Hypothesenbildung 211. 212; Erklärung unbekannter durch bekannte bei der Hypothesenbildung 207. 211; ihre vollkommene Darstellung nur durch Begriffe nicht durch Bilder 212; ihre Darstellung durch Zahlen und algebraische Ausdrücke 213. 214; Erhaltung des Typus der Erscheinungen 217; räumlich gesonderte Erscheinungen kommen nur durch Koppelung von Energieen zu Stande 263; Zusammenhang des Gemeinsamen und Bleibenden in ihnen. Substanzbegriff277; die Capacitätsgrössen bilden die substantielle Seite der Erscheinungen 289; das Causalgesetz der Erscheinungen. Ursachen, Bedingungen, Anlässe 298—302; Versuch des Zurechtfindens in der Erscheinungswelt durch andere Grundbegriffe als Zeit, Raum, Mannigfaltigkeit, Energie 308; Geistige Erscheinungen
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an den höheren Lebewesen. Verhältniss zur Materie 372. 373. Erschöpfung, unserer Arbeitsfähigkeit durch Arbeit 155. 373. 376; des Willens einerseits und der handelnden Organe andererseits 427. Erziehung, Verbesserung des Unterrichts durch den Energiebegriff 175. 335; unrichtige Behandlung des Willens. Bevorzugung des Denkens 424. 425; Erziehung und Unterricht beruhen auf Nachahmung des Wollens und Denkens 428. 429. Euler, stellte fQr das Licht die Schwingungstheorie auf 209. Existenz, gleich Erlebniss 80; gleich Wirklichkeit und Wirksamkeit 242. Explosion, energetische Deutung 196; als Selbstbeschleunigung bei Auslösungen 301. Faktoren, der verschiedenen Energieen 232. Fall, seine Erklärung durch Distanzund Bewegungsenergie 184. 189. Faraday, Nachweis der Erhaltung der Elektricität 285; Verhalten der Elektricitätsmengen und Stoffmengen bei der Elektrolyse 288. Farben, eine stetige Stufenfolge. Mischung aus 3 Elementen 54; Farbenerklärung durch die Lichthypothese 209; Ursprung der Farben 241; Verwendung derselben in der Plastik 442. 443. Fechner, G. T., Zögling der Schellingschen Naturphilosophie 7; eine Bemerkung über wissenschaftliche Streitigkeiten 65; Gesetz über das Grössenverhältniss zwischen Reiz und Empfindung 385. 386. Festigkeit, s. Formenergie. Feuersbrunst, typisches Beispiel für Vorgänge m it ansteigendem Energiestrom 270. Flächen, teilen den Raum 89; sind geformt 90; ihre Grösseneigenschaft 142; Bildung neuerFlächen beiUeberschreitung der Formenergie 183; als Faktor der Oberflächenenergie 198. Flüssigkeiten, Volumenergie und
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Druckübertragung 196; formiren sich nach oben als Waagflache, nach unten wie das Gefäss und stehen unter Druck 197; ihr Verh ä l t n i s zur Oberflächenenergie, Tropfenbildung und Benetzung 197. 198. 199; haben mehr Energie als die Menge der gleichen Stoffe in fester Form 200; schwingen in Längswellen 209; metastabile d . h . überkaltete und übersättigte Flüssigkeiten; ihre Aehnlichkeit mit der Nährflüssigkeit eines Organismus 342. 343. 345; Verhalten derselben beim osmotischen Druck 364.
Eiern etc. 234. 331; durch sie vollzieht sich dieEroberung des Raumes seitens der Organismen 337. 338; die Entstehung der Glaubersalzkrystalle als Beispiel der organischen Fortpflanzung 344. Fragestellung, genaue Fragestellung bei wissenschaftlichen Streitigkeiten 65; beim Begriff der Gleichheit 115; bei Erörterung des „Wesens" einer Sache 216; bei der Erklärung des Lebens 317. Fürwort, Begriff und Entwicklung, Verhältniss zum Zeitwort 45. 46.
Formeln, als Begriffszeichen 29; sind keineBilderderWirklichkeit, sondern Ausdruck V.Mannigfaltigkeiten 212. 213; als Ausdruck v.Hypothesen 214. Formen, Raumformen sind Eigenschaften der Flächen 90; wesentliche Eigenschaft der Materie 149; energetische Darstellung ihrer Veränderung und Zerstörung 181.182; Formung des Salrniakkrystalls als Beispiel für die Gestaltung der Lebewesen 347; ungegenständliche Formenkunst in der Bildnerei 441. Formenergie, der festen Körper 168. 195; ihr Zusammensein mit Volumen, Gewicht und Masse; Materie 169. 238. 245; Gleichgewicht und Verbindung mit der Schwereenergie 177. 179. 180; elastischer und unelastischer Körper 182. 349; Ueberschreitung ihrer Grenze beim Zerbrechen 183; der Flüssigkeiten und Gase 195. 196. 200. 245; Verlust derselben beim Schmelzen und Verdampfen 200. 245; Umwandlung in Bewegungsenergie und periodische Rückverwandlung im mechanischen Gebilde 248. 249; Gleichgewicht von Formenergie mit Volumund Schwereenergie 262; leichte Aufbewahrung 265.
Galilei, Umgestalter des Begriffs Sonnenaufgang 35; bestimmte zuerst die Gesetze der Schwerkraft 176; seine Gleichgewichtsforschungen 247; Erklärung für die zunehmende Plumpheit der Landtiere 338. Gase, Abwesenheit von Formenergie 195. 199; positiver Werth ihrer Volumenergie. Zögernde Anerkennung als Körper. Vorbild f.d.Aetherhypothese201; Abkühlung b.VoIumzunahme 201. 202. 222. 223; die mechanische Hypothese zur Erklärung des Gasdrucks 203. 204. 214.' 218; schwingen in Längswellen 209. Gattung, ihre Vervollkommnung durch Vererbung 334. Gay-Lussac, Versuche bei Volumänderung der Gase 222. 223. 288. Gebilde, nicht richtungsfreie, die Krystalle 142; gleichförmige Aenderung eines Gebildes zum Zwecke der Zeitmessung 143; ein Gebilde gewinnt ( + ) und verliert ( — ) mechanische Arbeit 158; die gesammte Körperwelt ein Gebilde 193; Gleichgewicht eines mechanischen Gebildes 197. 246. 247. 248. 368; Arbeiten in einem Gebilde ohne Wirkung nach aussen 223. 281; wann geschieht etwas und was geschieht im mechanischen Gebilde. Gesetz des mechanischen Geschehens 248. 249; Rückkehr zum Gleichgewicht aus dem periodischen Vorgang durch die Wärme
Fortpflanzung, ist eine stetige Erweiterung des Einzellebens 27. 315. 330. 337. 339. 451; Ansammlung chemischer Energie um den Keim des Individuums in Samen, Knollen,
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250; Gleichgewicht in einem chemisch-elektrischen Gebilde (Accumulator) 261; Intensitätsunterschiede an den Grenzen aller Gebilde 261. 262. 315; Voraussetzung des Geschehens überhaupt 264. 315; Beschaffenheit des Gebildes massgebend für den Zeitablauf des Geschehens 267. 268. 326; dauernde Gebilde ausserhalb des Gleichgewichts. Gebilde auf Zeit 269. 276; lawinenartige, stationäre und periodisch stationäre Vorgänge im Gebilde 270—274. 315; das organische Gebilde ist ein stationärer Vorgang 275. 315; Energieumwandlungen in einem abegeschlossenen Gebilde können ohne Aenderung der Capacitätsgrösse erfolgen 281; Bewegungsgrösse eines Gebildes 284. 285; Erhaltung seines Schwerpunktes bei Veränderungen 285; Zunahme der Entropie im Gebilde als Wirkung der Temperaturerniedrigung 297; Ursachen, Bedingungen und Anlässe als Voraussetzung des Geschehens; Causalgesetz 298—302; Operationen am geometrischen Gebilde 306; chemische Vorgänge im organischen Gebilde. Beschleunigung und Verzögerung durch Temperatur, Raumverhältnisse und Katalyse 324—329 ; wann geschieht etwas im chemischen Gebilde 327; Auslese des Dauernden bei organischen Gebilden 333. 334. 336. 337; ein Organismus kann verschiedenen Gebilden angehören und danach von widersprechender Zweckmässigkeit sein 337; unfruchtbare Annahme der Formung organischer Gebilde nach einer Idee 342; Gleichgewicht metastabiler Gebilde 342. 343; Reizbarkeit und Reaktion als allgemeine Eigenschaft eines jeden natürlichen Gebildes 348; Mannigfaltigkeit der EntwicklungchemischerGebilde366. Gedächtniss, als Aufbewahrung der Begriffe 16. 26. 308. 409; als der allgemeine Ueberträger beim Ver-
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gleichen der Erlebnisse 122. 123. 409; Befestigung der bisherigen Grundbegriffe im Lauf der Jahrtausende 308; als Eigenschaft aller Lebewesen 367. 368; anorganische Beispiele, gleichbedeutend mit Gewöhnung, Erinnerung 368. 369; Vererbungen der Gewohnheiten; chemische Theorie derselben. Erklärung durch Katalyse 369—371. 393; Wiederholung derjenigen Theile seelischer Vorgänge, welche im Bewusstsein verliefen. Unterschied von Erinnerung und Gewöhnung 407—409. 412; Bedeutung für die Erhaltung des Lebens 409. 410. 419; ein Hauptmerkmal der Persönlichkeit 410; Erinnerung als Ursprung und Gestaltung des Ichbewusstseins 410. 411. Gefühle, Ursprung aus den Empfindungen. Lust und Unlust als flauptgefühle und Begleiterscheinungen der Förderung und Störung des Energiestromes 388—390. 426; Gefühlszustände wirken fördernd und störend auf den Organismus 391; Gefühle, welche die Kunst darstellt 437. Gehörsempfindung, sondert die Klangmassen 29; Töne und Klangfarben, Geräusch u. Rhythmus 57; Wirkung der mechanischen Energie 159.160. 350; praktische Verschiedenheit der Gehörs- und Tastempfindung 351. Geist, Abhängigkeit des geistigen Lebens von Natur und Aussenwelt 6. 12. 430; angeborene, vor aller Erfahrung vorhandene a priori gegebene Begriffe des Geistes 303; Betrachtung der Organismen als geistige Wesen 332; Geist und Materie. Auffassung dieses Verhältnisses bei Descartes und Spinoza 372. 373. 394—396; Energieverbrauch und Erschöpfung durch geistige Arbeit 373. 376; Widerlegung der Identität von Geist und Energie 373—376; Annahme einer geistigen Energie neben den anderen Energiearten 377. 378. 381. 382; Entstehungsweise geistiger
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Energie noch unbekannt 379. 380; Parallelismus von Geist und Materie; sein Ursprung aus dem Begriff der letzteren 394—396; drei Gruppen geistigen Geschehens: Empfinden, Denken, Handeln 383, 403.412; tiefgreifende geistige Arbeit als Bedingung jeder erheblichen Kunstleistung 433. Geistige Operationen; verarbeiten das Material der Sinne 52. 242; enthalten die Begriffselemente 63.76; ihre Eintheilung 77; Abhängigkeit von chemischer Energie 244; erfordern Zeit wie alles Geschehen 304. Geräusche, Entstehung 56. Geruchsempfindung, Eintheilung, Ort, Entstehung 57; Feinheit derselben u. raumzeitliche Bestimmung 58; Wirkung chemischer Energie 159.160.350. Geschehen, Bezeichnung für Umwandlungen der Energie im Allgemeinen 242. 296; Energieänderungen sind das allgemeine Gesetz des Geschehens 244. 296; das Gesetz des Geschehens als zweiter Hauptsatz der Energie neben dem Erhaltungsgesetz 246. 296; wann geschieht etwas und was geschieht im mechanischen Gebilde. Umsatz der überschüssigen Energie in Bewegung 248; periodischer Umsatz der Bewegung in andere mechanische Energie. Energieverlust durch Umwandlung in Wärme 249; ein rein mechanisches Geschehen ist ein dauerndes Geschehen 249. 250; das Problem des Geschehens bei den nichtmechanischen Energieen in Angriff genommen bei der Wärme durch Sadi Carnot 252. 253; Ursachen des Geschehens bei nichtmechanischen Energieen 255. 288. 327; das Gesetz der Intensitätsunterschiede als Grund des Geschehens 256. 257. 269 288. 296; compensirte und nicht compensirte Identitätsunterschiede 263.264.296; alles Geschehen braucht Zeit 267. 327; normaler Ablauf des Geschehens und typische Darstellung desselben
269; lawinenartiger Vorgang 270. 273; stationärer Vorgang mitSelbstregulirung 271. 274. 315.316; periodischer stationärer Vorgang in Folge Nachhinkens der Selbstregulirung 272. 274; Unterschied dieses Vorgangs von dem periodischen Umsatz der Bewegungsenergie 273; weitere Bestimmungen des Geschehens. Ursachen, Bedingungen, Auslösungen, Anlässe 298. 299; Auslösung an einer Stelle und Auslösung durch Selbstbeschleunigung 300. 301; Beschleunigung und Verzögerung des organischen Geschehens durch Temperatur, Raumverhältnisse und Katalyse 324—329; physikochemische Erklärung des organischen Geschehens (Lebensvorgänge) und anorganische Beispiele 342—345; drei Gruppen geist.Geschehens: Empfinden, Denken, Handeln 383.403.412. Geschmacksempfindung, Eintheilung, Ort, Entstehung 57. 58; raumzeitliche Bestimmung 58; Wirkung chemischer Energie 159. 350; als einziger Sinn eines Wesens 160. Geschütze, als Modelle von Arbeitsmaschinen 236. Geschwindigkeit, Faktor der Bewegungsgrösse 151; desgleichen der Bewegungsenergie 184. 186. 282; ist nicht eine Grösse, sondern eine Stärke, Verhältniss von Weg und Zeit 186. 282; hat durch das Element des Weges eine Richtung 188. 290; constante und wechselnde Geschwindigkeit bei stationären Vorgängen. Sellbstregulirung 272; des Energieumsatzes bei den Organismen. Anwendung der Temperatur, der Raumgestaltung und der Katalyse 324—329. Gesetze, im wissenschaftlichen und juristischen Sinne 78. 430; als Ordnung der Erscheinungen 82; sichere Gesetze im Gebiet der Naturwissenschaften 211; Erhaltungsgesetze, s. diese; die Gesetze der Energie unserm Denken nicht geläufig
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280; von Ursache und Wirkung s. Causalität; der formalen Logik und des Denkens 307—309; der Lebenserscheinungen Schwierigkeit ihrer Erkenntniss 317; psychische Gesetze 384—386. Gesichtsempfindung, Helligkeit und Farben 54; Formelemente und Gestalten 55; Wirkung der Energie 159; Bedeutung für die Gestaltung des Weltbildes 161. Gestalt, s. Form. Gewicht, Unveränderlichkeit des Gesammtgewichts 151. 283; Arbeitsleistung beim Heben und Senken 155.156; Zusammensein mit Form, Volumen und Masse; Materie 169. ist ein Element der Distanzenergie oder Gravitation 179; die Gewichte aller schweren Körper verhalten sich wie ihre Massen 190. 283; Nothwendigkeit des Zusammenseins von Masse und Gewicht 191; Ursachen derProportionalität zwischen Masse und Schwere 192; Gewichtsänderungen bei chemischen V o r gängen 283. 309; Gewicht und Bruchfestigkeit eines Balkens 338.
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im chemisch-elektrischen Gebilde 261; zusammengesetztes Gleichgewicht verschiedener Energieen als Körper und Materie 262. 263; Gleichgewichtszustände von der Zeit unabhängig 266; es giebt nur annähernde und keine vollendeten Gleichgewichte 268. 276. 302; dauernde Gebilde ausserhalb des Gleichgewichts 269; Gleichgewicht metastabiler Gebilde 242. 343. Gleichheit, vorhanden in der Beziehung, in welcher eine Stellvertretung stattfinden kann 114. 225. 226; nur für eine Beziehung, Operation, Eigenschaft, Frage, inwiefern? 114. 115. 226; und für ein bestimmtes Verfahren 121; ist Gleichheit der Wirkung und immer von begrenzter Genauigkeit 115; unabhängig vom Prüfungsmittel 116; das Gleichheitsgesetz eine Erfahrung und keine Denknothwendigkeit 117. 258; nur durch Prüfung festzustellen 117; Gleichheit verschiedener Energieen 159. 225. 226; der Gleichheitssatz der Intensitäten 258.
Glück, der Begriff Glück als Beispiel subjektiver und willkürlicher Begriffsbildung 50; die Erweiterung des Kreises sittlicher Handlungen als Bürgschaft persönlichenGlückes 457. Goethe, Kennzeichnung der Scholastik im Faust 31. 32; seine verfehlten Bestrebungen zur Hebung der Malerei durch Aufträge aus der Antike 443. Gold, die Bemühungen der AlchemistenGoldzu machen 216.217.287. Gramm, Einheit der Masse und des Gewichts 157. 187. Gravitation, Gravitationsenergie s. Distanzenergie; Gravitationsconstante 178. 179. Grenze, als einziges Merkmal des Ding- oder Object-Begriffes 22. 77. es giebt keine scharfen Grenzen bei Eintheilung der Dinge 41. 42. 66; Grenzfläche bei der Oberflächenenergie 198. 199. Grössen, Elementarsätze aus der Mannigfaltigkeitslehre 101. 102; 32 OSTWALD, Naturphilosophie. I I I . Auflage.
Gewissheit, eine absolute giebt es nicht 10. 12. 18. 132. 268. 306. Gewohnheit, s. Gedächtniss. Gibbs, Willard, Abhandlung Uber energetische Chemie 166. Glaubersalz, seine Lösung und Krystallisation als Beispiel organischen Wachstums und organischer Dauerformen 344. 345. 346. Gleichgewicht, Definition des Gleichgewichts im mechanischen Gebilde, indifferentes und stabiles Gleichgewicht 246. 247. 260. 261. 343; das mechanische Geschehen strebt zum Gleichgewicht 248. 368; Rückkehr zum Gleichgewicht aus dem periodischen Vorgang durch die Wärme 250; indifferentes und stabiles Gleichgewicht praktisch gleich 250. 251; Gleichgewicht nicht mechanischer Energieen besteht in der Gleichheit ihres Intensitätsfaktors 257. 258. 315. 327; Gleichgewicht
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sind stetige Mannigfaltigkeiten mit austauschbaren Antheilen 128.129; ihre Darstellung durch Zahlen 129. 130. 132; lassen sich nicht durch Zahlen in aller Genauigkeit darstellen 131. 132. 135; mechanische Arbeit eine Grösse 154; Vernachlässigung von Grössen bei der Messung 131; bei Aufstellung von Naturgesetzen 207; ihre Bezeichnung durch Buchstaben 213; Scheingrössen in Formeln für Hypothesen 214; die Klarstellung constanter Grössen ein werthvolles Mittel der Erkenntniss 277; der Capacitätsfaktor der Energie ist eine Grösse im Gegensatz zum Intensitätsfaktor 281. 289; die Masse ist eine Grösse 282; die Energieen selbst sind im wesentlichen Grössen 289. Grundzahlen,Unterschied von den Ordnungszahlen 103; Anwendungsfälle insbesondere für Grössen 105.129. Handlungen, allgemeine Bezeichnung für die nach aussen wirkende Energie des Organismus 383. 392. 412; Unterschied zwischen bewusster Handlung und Reflex 393. 401. 412. 413; Unterschied zwischen bewussten Handlungen und Instinkt 417—419; Uebereinstimmung bewusster Handlungen bei allen Lebewesen 420; Unterschied von Wollen und Handeln, Beteiligung des Denkens 422—425; Wirkung des Willens auf die handelnden Organe; beiderseitig unabhängige Erschöpfung 427; die Nachahmung einer jeden Bethätigung ist leichter als die selbständige Ausführung 429; Handlungen des Menschen als Gegenstand der Sittlichkeit 449. 450. Hartmann, Philosophie desUnbewussten 406. Hauptwörter, für Sachbegriffe vorwiegend gebraucht 40; Entstehung der concreten und abstracten 41; ihr Unterschied 42; Verwechslung 43. Hautempfindungen, Eintheilung 53.57. Hebel,GleichgewichtsfälleamHebel247.
Helium, seine Auffindung als Beispiel der Begriffsbildung 25. Helm, G., Ausspruch über den Umfang des Energiegesetzes 165; Formulirung des Gesetzes der Intensitätsunterschiede beim energetischen Geschehen 257. Helmholtz, seine Berechnung des mechanischen Wärmeäquivalents und Deutung aller Energieen als mechanischer 164.165.221; Forschungen im Gebiet der Raumwissenschaft307; Untersuchungen überdie Geschwindigkeit der Nervenleitung 352; desgleichen über Anwendung des Bewusstseins bei den Sinnesempfindungen 387. Hering, E., Untersuchungen über das Gedächtniss 367. Hume, David, Causalität ein reiner Zeitbegriff 294. Hunger, innere Empfindung 60. Huygens, stellte für das Licht die Schwingungstheorie auf 209. Hypnotismus, eine Art von Willensübertragung 428. Hypothesen, der mechanistischen Weltauffassung 2. 222. 328. 329; enthalten Grössen, die nicht aufweisbar und nicht messbar sind 181. 198. 213. 214. 399; der Molekularmechanik und ihre Schädlichkeit 198. 200; desgleichen der mechanischen Wärmetheorie 2 0 0 - 205; Verhältniss der Wissenschaft zu den Hypothesen 205 — 217; ihre Verwerfung durch Jul. Rob. Mayer 205. 221; die Zeitvergeudung ihrer Streitigkeiten 206; Unterschied und Verwechslung von Hypothese und Abstraktion 206. 207; sind Bilder oder Modelle aus dem Gebiete der Mechanik 208. 210. 213. 399; Hypothese über die Natur des Lichts als Beispiel hierfür 209. 210. 213; sind unsicher und vergänglich; Naturgesetze sind dauernd 211. 212. 217; im Gewände mathematischer Darstellung 214; Hinderniss für die wissenschaftlichen Entdeckungen und Fortschritte 215.
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328. 329. 367; als Fuhrer ins Unbekannte 215; Vergleich mit den Bemühungen der alten Alchemlsten und Mechaniker 216. 217; Hinderniss für die biologische Forschung 367; Unterschied zwischen vorläufigen Annahmen oder Protothesen und Hypothesen 399. 400. Ich, Beziehung zum Nichtich, ausgedrückt durch das Fürwort 46; seine Entstehung, Einheit und Stetigkeit 410. 411. Idealismus, irrtümliche Unterscheidung zwischen Schein u. Sein 241.242. Identitätsgesetz, der formalen Logik und des naturgemässen Denkens 114; ist keine Denknothwendigkeit sondern Erfahrungssatz 117. Individuen, ihr Verhältniss zum Begriff 71; gleichbedeutend mit Ding 79; Ansammlung chemischer Energie um den Keim des Pflanzenindividuums 234; untrennbarer Zusammenhang von Individuum und Gemeinschaft im Gebiet des Lebens; allmählicher Uebergang 316. 451 —453 ; dietierabsetzung ihresWertes im Gebiet der Sittlichkeit 455. 456. Induktion, der Schluss aus dem Vergangenen auf das Zukünftige 24. 83; deren Unsicherheit 84. Innenwelt Beziehung zur Aussenwelt 6. 14. 45. 64. 66. 81. 435; Fragestellung und Begriffsbestimmung 66; Stetigkeit des zeitlichen Verlaufs 81; wird durch die Raumkünste nur mittelbar beeinflusst435. Innere Empfindung, örtliche Unbestimmtheit 59. Instinkt, s. Wille. Integration, ihre Vermeidung durch Anwendung des Energiebegriffs 174. Intellekt, Intelligenz, s. denken. Intensität, gleichbedeutend mit Stärke 129; ein Faktor der Energieen mit dem Charakter der Stärke, deren Unterschied das Geschehen verursacht 256. 288. 289. 296; ihre Gleichheit ist Gleichgewicht der Energieen 257.258.315; der Gleich-
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heitssatz der Intensitäten und Beispiel seines Gegenteils 258; Intensitätsunterschied nicht zureichend für das Geschehen 257. 260. 261; Compensation eines Intensitätssprunges 263. 264. 289. 300. 302; Unvollkommenheit der Compensation 275. 302; Gegensatz zum anderen Faktor der Energie, zur Capacität 281. 288; Intensität chemischer Energie 286; Vergleich der verschiedenen Intensitäten 290.291; Tabelle der Intensitäts- und Capacitätsgrössen zur Entdeckung neuer Energieformen 291—293. Interpolation, beim Zeitbegriff 81. 82. 126. 127; beim Raum 88; bei stetigen Mannigfaltigkeiten 126. 127. doule, seine Entdeckung u. Berechnung des mechanischen Wärmeaequivalents und Deutung aller Energieen als mechanischer 164. 165. 2 2 2 - 2 2 5 . Kampf, der Kampf ums Dasein unter den Lebewesen 421; Erziehung des Willens zum Kampf ums Dasein 425. Kant, seine philosophischen Erfolge 9; sein Begriff Ding-an-sich 44. 147. 165; Grundlehre über Zeit und Raum 141; seine Kategorientafel 166; Theorie über Bildung des Sonnensystems 191; Streit über das wahre Maass der Kräfte 284; Auffassung der Arithmetik als Zeitwissenschaft 304; Abhängigkeit der Aussenwelt von der Beschaffenheit unseres Bewusstseins 394; Angabe über die synthetische Beschaffenheit des Ichs 411; bestimmte die Zeit als Anschauungsform des inneren Sinnes 435; er bestimmte den guten Willen als den Kern der Sittlichkeit 449. Karl der Grosse, maass die Stunden an d. Länge einer brennenden Kerze 266. Katalyse, Regelung des Zeitmaasses bei chemischen Reaktionen durch die blosse Anwesenheit von Stoffen 298. 326—329; bei der Reizleitung durch den Nervenapparat 357; Re32*
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gelung chemischer Vorgänge beiden Organismen 3 6 5 ; katalytische Erklär u n g von G e d ä c h t n i s s und Gewohnh e i t bei den O r g a n i s m e n 3 7 0 . 3 7 1 . K a u s a l e Beziehung, ihr U r s p r u n g aus dem Zeitbegriff 4 7 . K e i m e , die Pflanzen s a m m e l n chemische E n e r g i e um den Keim i h r e s Individuums 2 3 5 . Kepler, Einfachheit seines Sonnens y s t e m s g e g e n ü b e r den g r i e c h i s c h e n Astronomen 335. Kerze, die b r e n n e n d e Kerze als Zeitm e s s e r 2 6 6 ; dieselbe a l s Beispiel p e r i o d i s c h e r S e l b s t r e g u l i r u n g eines stationären Zustandes 272. 349. K i r c h h o f f , s e i n e S t e l l u n g zu den Hypothesen 205. K l a n g , K l a n g f a r b e durch Nebentöne 5 6 . K o h l e , die S t ä r k e und D a u e r h a f t i g keit ihrer E n e r g i e 2 3 3 ; M i t n a h m e als Energiequelle 2 3 4 . 2 3 5 . 2 3 6 ; u n m i t t e l b a r e E r z e u g u n g v o n Elekt r i c i t ä t und m e c h a n i s c h e r Arbeit a u s K o h l e als das g r o s s e t e c h n i s c h e Problem der Zukunft 2 3 5 ; Hilfsquellen nachErschöpfungd.Koh!enlager243; ihre pflanzliche A b s t a m m u n g 3 2 1 . K o h l e n s ä u r e , die Pflanzen verwenden s t r a h l e n d e E n e r g i e zu ihrer Reduktion 3 2 0 . K o h l e n s t o f f , seine V e r b i n d u n g mit dem S a u e r s t o f f in der V e r b r e n n u n g 2 3 6 ; desgleichen bei der V e r b r e n nung und E r n ä h r u n g ; Kreislauf des S t o f f e s 2 4 3 ; seine L ö s u n g v o m S a u e r s t o f f durch die s t r a h l e n d e E n e r g i e bei den Pflanzen 3 2 0 . K o n k r e t e , H a u p t w ö r t e r und B e g r i f f e 4 1 . 4 2 ; sind v o r g e f u n d e n e Zusammenhänge 43. K o p p e l u n g , zwei Energieen s o v e r bunden, d a s s die eine n i c h t o h n e die andere g e ä n d e r t werden kann 2 6 2 . Körper, der m e n s c h l i c h e als Theil der Aussenwelt 6 7 . 2 4 4 ; ihre F o r m e n e n e r g i e und V o l u m e n e r g i e 1 6 8 . 1 6 9 ; der Körper ein Complex b e s t i m m t e r Energieen 1 8 0 . 181. 1 6 9 . 2 6 3 ; e n e r g e t i s c h e B e t r a c h t u n g ihrer F o r m ä n d e r u n g , des Zerreissens, Zer-
brechens 1 8 2 ; Aufnahmefähigkeit für F o r m e n e n e r g i e 1 8 3 ; u n a n g e m e s s e n e V o r s t e l l u n g der F e r n k r ä f t e und des S t r e b e n s z w i s c h e n den Körpern 1 8 8 . 1 8 9 ; ihre G e w i c h t e v e r h a l t e n sich wie ihre M a s s e n 1 9 0 ; die G e s a m m t h e i t aller Körper ein Gebilde 1 9 3 ; B e w e g u n g e n der W e l t k ö r p e r 1 9 4 . 1 9 5 ; Beispiel der P e r i o d e 2 4 9 ; A g g r e g a t z u s t ä n d e und deren e n e r g e t i s c h e D e u t u n g . V o r s c h l a g des Namens F o r m a r t e n 2 0 0 . 2 3 8 ; K ö r p e r unterscheiden sich nur durch ihre Energieen 2 0 0 . 2 6 3 ; Verhalten der K ö r p e r bei der Wärmeaufnahme und Erklärung durch Molekularbewegungen 2 0 8 ; f e s t e Körper s c h w i n g e n in Querwellen 2 0 9 ; die W ä r m e e r z e u g u n g des lebenden K ö r p e r s 2 1 9 . 2 2 0 ; V e r h ä l t n i s s der K ö r p e r zu den v e r schiedenen Energieen 238. 263; D u r c h l ä s s i g k e i t für die s t r a h l e n d e Energie 2 4 0 ; selbstleuchtende, bel e u c h t e t e und f a r b i g e K ö r p e r 2 4 0 . 2 4 1 ; irrthümliche U n t e r s c h e i d u n g z w i s c h e n S c h e i n und S e i n 2 4 1 . 2 4 2 ; j e d e r Körper s e t z t sich mit seiner U m g e b u n g ins W ä r m e g l e i c h g e w i c h t 2 5 7 ; die Orts Veränderung h a t keinen E i n f l u s s auf die A b m e s s u n g eines K ö r p e r s 1 1 8 . l l ö . 1 2 1 . 2 7 9 ; C o m b i n a t i o n fester und g e l ö s t e r K ö r p e r im E n e r g i e h a u s h a l t der O r g a n i s m e n 3 2 5 . 3 2 6 ; KörperverhältnissebeimWachsthum der T i e r e 3 3 8 . 3 3 9 ; Zufuhr der Nahrung durch die O b e r f l ä c h e o r g a n i s c h e r Körper 3 4 0 . Kraft, G e b r a u c h des W o r t e s für den j e t z i g e n B e g r i f f „ A r b e i t " bei M a y e r 65; g l e i c h b e d e u t e n d mit W i d e r s t a n d als ein F a k t o r der m e c h a n i s c h e n A r b e i t 1 5 6 ; ihre M e s s u n g und E i n h e i t 1 5 7 ; K r a f t b e t r a c h t u n g e n e r s e t z t durch den A r b e i t s b e g r i f f 1 7 4 ; der K r a f t b e g r i f f ist g e g e n ü b e r dem der A r b e i t und E n e r g i e n i c h t der ursprünglichere und allgemeinere 1 7 5 ; lebendige Kraft A u s druck für B e w e g u n g s e n e r g i e 1 8 6 ;
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Kraft und Materie 245; Kraft als Intensitätsfaktor der Energie 290. Kreisprocess, eine Art des Beweisverfahrens 172. Kreislauf des Stoffes, eine unzureichende Vorstellung 243. Krystalle, nicht richtungsfrei 142; das Wachsthum der Krystalle in metastabilen Flüssigkeiten ist dem organischenWachsthum ähnlich 342. 343. 345; desgleichen ihre Vermehrung und Verwitterung der organischen Fortpflanzung und der Bildung von Dauerformen 344.345.346. Kulturentwicklung, geht auf die Ausbildung decimaler Untereinheiten bei den Maassbegriffen 136. Künste, Bestimmung der Begriffe Kunst und Kunstwerk 433. 434; Unterscheidung der Mittel und Inhalte der Kunstwerke 435; Eintheilung der Künste. Baukunst und Bildnerei als Raumkünste, Musik und Poesie als Zeitkünste; innere Unterscheidung derselben 435. 436. Verbindung der Raumkünste einerseits und der Zeitkünste andererseits 436; der räumliche und zeitliche Rhythmus als erster Anfang der Kunst 437; Vergleiche zwischen Musik und Poesie 439; die Bildung von Typen in der Kunst 440; Erweiterung des Kunstgebietes durch originale Künstler, die zunächst nicht verstanden werden 440; die Tradition in Kunst und Wissenschaft ist keine unverbrüchliche Norm 443; in der Kunst gelten alle Mittel, welche ihrem Zweck gemäss sind 443; Aufgabe und Entwicklung in Kunst und Wissenschaft sind übereinstimmend die Gewinnung angemessener Begriffe 445; Bildung von Anschauungsbegriffen oder Typen in der Kunst 445. 446 ; abwechselndes Hervortreten der Mittel und Inhalte in der Kunst als Realismus und Idealismus 446. Lampe, als Beispiel des stationären Energiestromes 271.
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Landolt, Untersuchungen über Gewichtsänderungen bei chemischen Vorgängen 283. Länge, die Auffindung von deren Einheit 38. 39; ihre Einheit in der Wissenschaft, das Centimeter 186. 187. Laute, als Begriffszeichen und Elemente der Sprache 29; ein rhythmisches Geräusch 57. Lawine, als typisches Beispiel von Vorgängen mit Ansteigen des Energiestromes (lawinenartige) 271. Leben, Unverständlichkeit unseres Lebens 160; sein Ursprung die Sonne und ihre Strahlung 242. 243; ist physikalisch ein stationärer Vorgang 275. 315. 421; Verwicklung der Lebenserscheinungen,Schwierigkeit ihrer Erkenntniss, Grundrichtungen 312.313. 379; Energiestrom, Stoffwechsel, Selbsterhaltung 314; die Erweiterung der Lebensthätigkeit und die Fortpflanzung kann unter den Begriff Selbsterhaltung gefasst werden, untrennbarer Zusammenhang von Individuum und Gemeinschaft 316; angebliche Unerklärlichkeit, Neovitalisten 317; Gründe dieser Enttäuschung. Ausblick vom Standpunkt der Chemie 318; vorwiegende Verwendung chemischer Energie 319. 320; Aufnahme und Verwendung strahlender Energie. Lebensprocess an der festen und flüssigen Erdoberfläche 321—322; Ernährung, Wachstum, Sterben, Fortpflanzung 329—331; Ausdehnung des Zweckbegriffs von dem menschlichen Leben auf das ganze Lebensgebiet 332; Zurückführung des Zweckbegriffs bei den Lebewesen auf Anpassung, Auslese, Vererbung und Dauerhaftigkeit 334. 409. 414. 449; das Wachstum der Lebewesen ist beschränkt wegen der Raumverhältnisse der Organe. Eroberung des Raumes durch Vermehrung 337. 338; physikochemische Erklärung der Lebensvorgänge, anorganische Beispiele 342 —347; stetige Entwicklungsreihe
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von den allereinfachsten Lebewesen zu den höheren Gebilden 346; die Formung des Salmiakkrystalls als Beispiel für die Gestaltung der Lebewesen 347; Reizbarkeit der Lebewesen im Vergleich mit der Reaktion eines anorganischen Gebildes; stationürer Zustand 348. 349; Ausbildung der Sinnesapparate, Beziehung derselben zu den Energiearten 350. 351; Ausbildung des nervösen Apparates und Einschaltung desselben zwischen Reiz und Reaktion; Auslösungsvorgänge. Annahme einer Nervenenergie 352—357; Wärmeentwicklung der Lebewesen zur Sicherung des gleichförmigen Energieumsatzes 359 — 361; Vielseitigkeit in der Verwertung der Nahrung durch chemische Umwandlung und Katalyse 365. 366; Förderung der biologischen Forschung durch den Energiebegriff und Verzicht auf den der Materie 366. 367; Gedächtniss, Erinnerung, Gewöhnung der Lebewesen. Definition und anorganische Beispiele 367—369; Lust- und Unlustgefühle des Lebendigen, Ursprung, Bedingungen und Verlauf derselben 388—391; je höher das Lebewesen, desto mannigfaltiger die Beziehung zur Aussenwelt 413; Instinkt und bewusster Wille 417 —419; Uebereinstimmung der Willensrichtung bei allen Lebewesen 420. 421; ihr Kampf ums Dasein 421; Opferung des niederen Lebens zur Förderung des höheren als Sittlichkeit 454; Abschätzung des Wertes der verschiedenen Lebewesen in sittlicher Beziehung. Vorrang des Menschen 454. 455. Leibniz, Streit über das wahre Maass der Kräfte 284; Theorie des Parallelismus von Geist und Materie 395. Leitfähigkeit, für die Wärme und für die Energie überhaupt 269. Licht, verursacht durch die strahlende Energie 159; eine Art der strahlenden Energie 161; seine Bedeutung
für die Kenntniss des Himmels 161; Hypothesen über die Natur des Lichtes 209. 210; geradlinige Fortpflanzung und Spiegelung 213; leichte Herstellung aus elektrischer Energie230; Lichtwellen239¡Durchgangsfähigkeit, Lichtquellen 240; selbstleuchtende, beleuchtete und farbige Körper 240. 241; Lichterzeugung der Organismen 358; Lichtreize bei Bakterien und Schwärmsporen 359; Vorschläge zur Erreichung grösserer Lichtwirkungen in der Malerei 447. 448. Liebig, seine Verurteilung der SchelIingschen Naturphilosophie 1. 2 ; nahm in seinen Annalen zuerst die bahnbrechende Schrift von Robert Mayer auf 164; Begründer der organischen Chemie; enormer Fortschritt der Physiologie 318; als willenskräftiger und erfolgreicher Lehrer 428. Linien, theilen die Flächen und sind einfache Mannigfaltigkeiten 90; ihre Grösseneigenschaft 142. Lippmann, formulirte das Erhaltungsgesetz der Elektricität 285. Loeb, J . , Untersuchungen über die Ortsbewegung von Bakterien und Schwärmsporen 363. 415. 416. 418. Logik, die formale ohne Fortschritt 23; Gegenstand und Misserfolge der formalen Logik 307; Denkmittel, Denkwege, Denkformen, Denkgewohnheiten, Denknothwendigkeiten 308. 309. Luft, isolierend für Elektricität230.300 ; Verwirrung d. Augenbilder durch sie 240; Gleichgewicht des Luftdruckes mit Form- und Volumenergie 262. Luftschiff, Hauptfrage des lenkbaren Luftschiffes 235. Lust und Unlust, s. Gefühle. Maassstäbe, ihre Behandlung 10; sind die ersten genauen Begriffsbestimmungen 38; der Längeneinheit 38. 133.134; als Hilfsmittel der Vergleichung (Normen) 123; ihr Betrag ist willkürlich 135; ihre Auswahl 135; ihre räumliche Aenderung 305. 306.
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Maasszahl, die Anzahl der Einheiten oder die Grösse einer steten Mannigfaltigkeit 130; gleichbedeutend mit benannter Zahl oder Werth 130. Mach, Ernst, Einfluss auf den Verfasser 4; seine Stellung zu den Hypothesen 205; Hinweisung auf dessen Buch Principien der Wärmelehre 254. Magnetismus, die magnetische Energie steht mit keinem besonderen Sinnesapparat in Beziehung. Waru m ? 228. 229; Erhaltungsgesetz des M a g n e t i s m u s ; Aehnlichkeit mit der Elektricität 286. Malerei, gehört zu den Raumkünsten 4 3 5 ; ihr Darstellungsgebiet die Aussenwelt 441; Goethes verfehlte Bestrebungen zur Belebung derselben 443; Verwendung der Ebene anstatt der sachgemässeren Hohlkugel 444; Schwierigkeiten der Perspective 444. 445; Vorschlage zur Erreichung grösserer Lichtwirkungen in der Malerei 447. 448. Mannigfaltigkeiten, allgemeiner Begriff derselben. Der nächste nach dem Dingbegriff 79. 94. 9 5 ; Raum und Zeit, Gesetze derselben 80. 9 3 ; die Zeit, eine einfache Mannigfaltigkeit, Kennzeichen der einfachen Mannigfaltigkeit 83. 90. 106; der Raum eine mehrfache, Kennzeichen der mehrfachen Mannigfaltigkeit 89. 133; ihre Theilung und Zusammensetzung 95; sind geordnet, wenn ihre Stücke in bestimmter Beziehung stehen; erleichterte Kenntniss und Beherrschung derselben 9 6 ; alle wirklichen Mannigfaltigkeiten sind stetig und geordnet 97. 124; Vergleichen zweier und Zuordnung der Stücke 9 8 ; gleiche und ungleiche, ärmere und reichere 101; ihr einfachster T y p u s und Entstehung der Zahlenreihe 102. 1 0 3 . 1 0 4 . 1 0 5 . 304; Darstellung einer Mannigfaltigkeit durch die andere oder „Abbildung" 104; Darstellung mehrfacherMannigfaltigkeiten durch die Zahlenreihe 106. 107. 1 0 8 . 1 3 3 ;
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Herstellung mehrfacher Mannigfaltigkeiten aus einfachen 109; der einfachste Fall einer zweifachen Mannigfaltigkeit; ausgedrückt durch die Zahlenreihe 109. 110. 111; Gleichheit der Anzahl der Stücke 1 1 4 ; Vergleichung stetiger Mannigfaltigkeiten 124; Gegensatz stetiger und unstetiger 124; Darstellung stetiger durch die Ordnungszahlen 125. 126; mit Grössencharakter 128; die stetigen sind entweder Grössen oder Stärken 128. 129; Uebersicht ihrer Entstehung und Entwicklung, Uebersichtstafel 137. 1 3 8 ; Einengung ihres Gebiets durch Zeit und Raum 139; ihr Ausdruck durch Formeln 213. 2 1 4 ; Mangel an Uebung in der Handhabung ihres Begriffs 215. 216; Eigenart des Mannigfaltigkeitscharakters der verschiedenen Erscheinungsgebiete oder Energieen 217. 218. 289—293; ihre unbegrenzte Menge 244; im zeitlichen Verlauf des energetischen Geschehens 298. 299; Mannigfaltigkeit der Lebenserscheinungen 317. M a s s e , Eigenschaft der Materie 149. 185. 283; Zusammensein mit Form, Volumen und Gewicht; Materie 169; Begriffsbestimmung. Faktor der Bewegungsenergie. Gleiche Massen 185. 2 8 3 ; Verhältniss zur Geschwindigkeit 186. 282; Gleichsetzung mit Gewicht, dessen Einheit das Gramm 187. 283; die Massen der Körper verhalten sich wie ihre Gewichte 190. 283; Nothwendigkeit des Zusammenseins von M a s s e und Gewicht 191; Ursachen der Proportionalität zwischen M a s s e und Schwere 192; der Gase 2 0 1 ; vermöge der M a s s e giebt es keine indifferenten Gleichgewichte 2 5 0 ; Gesetz von der Erhaltung der M a s s e , Gleichsetzung von Masse, S u b s t a n z , Materie 278. 282. 2 8 3 ; die M a s s e ist eine wahre Grösse 282. 290; M a s s e ist Capacität für Bewegungsenergie 283. 286; M a s s e nur eine Eigenschaft derMaterie284.
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Materie, der Substanzbegriff der Naturwissenschaft 148.278; Eigenschaften der Materie 149; ihre Definitionen unbefriedigender Zustand d.Wissenschaft 150; ihre Gleichstellung mit anderen Substanzen bei Robert Mayer 163. 221; Verhältniss zur : Energie 165. 238. 263. 288; ist das Zusammensein von Form, Volumen, Gewicht und Masse 169. 170. 193. 238. 245; nur Hilfsbegriff zur Bezeichnung von Energiecomplexen 181. 238. 245. 263. 288. 373; ihre Eigenschaft als Masse 185. 283; keine immateriellen Materien 201; Verhältniss zum Licht 209. 238; Auflösung dieses Begriffs in einen räumlich geordneten Complex von Energieen 245. 263. 288. 366; gleichbedeutend mit Masse 278. 283; das Gesetz ihrer Erhaltung ist keine Denknothwendigkeit 283; Spekulationen Uber eine Urmaterie als Einheit der chemischen Elemente 288; an der Bildung des Begriffs sind die Capacitätsgrössen vorwiegend betheiligt 288; sichere Bahn in der biologischen Forschung durch Verzicht auf den üblichen Begriff der Materie 366. 367; Materie und Geist; Auffassung dieses Verhältnisses bei Descartes und Spinoza 372. 373. 394. 396; Parallelismus von Materie und Geist und der Begriff der Materie als Quelle desselben 394—396. Mathematik, hat einen Bestand gesicherter Erkenntnisse 211; mathematische Formeln sind keine Hypothesen 212. 213; mathematische Formeln als Ausdruck von Hypothesen 214; mathematische Darstellung der Zusammenhänge, die Aufgabe der Wissenschaft 216; ihr Ursprung aus der Erfahrung 307. Maxwell, Ausspruch über den Umfang des Energiegesetzes 165. Mayer, Julius Robert, Einfluss auf den Verfasser 4; eine Bemerkung über wissenschaftliche Streitigkeiten 65; Entdecker des Erhalt-
ungsgesetzes der Energie 159; seine Schrift über die Kräfte der unbelebten Natur 163. 164; Begründer der gesammten Energetik 177; Be kämpfung der Aetherhypothese 201; Abweisung der mechanischen Wärmetheorie 204; Aeusserungüber Aufgabe und Erfolg des Wissenschaftsbetriebes mit Bezug auf den Gebrauch der Hypothesen 205. 206. 214; Darlegung des Zusammenhanges von Wärme und mechanischer Arbeit 219—223; Betrachtungen über Ursache, Materie, Kräfte 221. 295; Bemerkung über die Aufgabe der Wissenschaft und die Bedeutung des Erklärens 317. Mechanik, ihre einstige Bemühung um das perpetuum mobile 173. 217; die reine Mechanik nimmt die Körper als absolut starr 195; Bestand an gesicherten Erkenntnissen 211; Einsinnigkeit der Zeit in der reinen Mechanik nicht vorhanden 250; Schädlichkeit mechanischer Hypothesen 328. 329. Mechanische Energien, Bisherige Gewöhnung nur Distanz- und Bewegungsenergie anzuerkennen. Hinzuzufügen ist Oberflächen-VolumFormenenergie 198; Annahme, dass nur mechanische Energieen vorhanden 202. 221. 328. 329; Erklärung der Wärme durch mechaniche Energie 200—205. 207. 208; die Umwandlung aus chemischer Energie bisher nur mittelbar durch Wärme erfolgt 235; ihr Gleichgewicht in einem Gebilde 246. 247; ihre erste Bethätigung und ihr periodischer Umsatz im mechanischen Gebilde 248. 249. 260; ihre Zerstreuung durch die Reibungswärme und Wiedererzeugung durch die Sonnenwärme 250. 251. 260; ihre Erzeugung durch die Organismen 361—365. Medizin, ungenügende mathematischphysikalische Ausbildung der Mediziner 219. Mendelejeff, seine chemische Tabelle
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zur Entdeckung unbekannter Elemente 292. Mensch, seine wichtigsten Fähigkeiten sind Erinnerung und Vorausicht 16. 409; Energie verkehr seines Körpers mit der Umgebung 60. 229; sein Körper muss die Energievorräthe für Arbeitsleistungen bei sich haben 230. 244; das physikalische Weltbild abhängig von seiner Natur 302; die menschliche Zweckthätigkeit Ubertragen auf das Leben aller Organismen 332; Erschaffung des Menschen und aller Lebewesen durch eine höhere Intelligenz 333; die körperliche Anstrengung erschöpft den Menschen in gleicher Weise wie die geistige. Die erstere ist für den Geistesarbeiter keine Erholung 376; reiche Entwicklung seines Gehirns als Bedingung des bewussten Denkens 410; Merkmale und Eigenschaften des Begriffs der Persönlichkeit und des Ichs 410. 411; Uebertragung von Wollen und Denken von Mensch zu Mensch 428. 429; Willensfreiheit des Menschen 430—432; weitgehender Unterschied zwischen Mensch und Tier 433; Handlungen des Menschen als Gegenstand der Sittlichkeit 449. 450; Vorrang des Menschen vor dem Tier in sittlicher Beziehung 454. 455; Ueberschätzung des menschlichen Individuums in der Gegenwart. Hervorhebung des ausgezeichneten Individuums 456.
Messung durch Erg 225; aller Energieen durch Erg 227; elektrischer Energie durch Volt, Coulomb, Ampere 231; des Raumes und der verschiedenen Energieen 280; die geometrischen Gesetze abhängig von Messungen des Raumes 305. Metastabil, Ausdruck für überkaltete oder übersättigte Flüssigkeit und deren Aehnlichkeit mit der Nahrung des Organismus 343. 345. Meter, seine Herstellung und Aufbewahrung 39. 133. 134; ist nich* die Einheit der Naturwissenschaft 157. Mikroskope, ihre Leistungsfähigkeit 239. Mitnahme, von Energie als Aufgabe der Technik 234. 235. Mittheilung, kann sich nur auf Begriffe beziehen 27. Modell, die Hypothese als Modell 208. Moleküle, ihre Cohäsions- und Repulsionskraft und sie selbst sind unbeweisbare Annahmen 182; die Hypothese ihrer Anziehung als Erklärung mechanischer Gesetze. Molekularmechanik; ihre Schädlichkeit 198; die Erklärung des Gasdruckes durch Annahme von Molekularbewegungen 203. 204; desgleichen die Erklärung der Wärme 208; die Erklärung der Muskel wirkung durch Annahme molekularer Temperaturen ist weder zu bestätigen noch zu widerlegen 364; Schädlichkeit molekularer Hypothesen bei der biologischen Forschung 367.
Messung, der Zeit durch gleichförmige mechanische und nichtmechanische Vorgänge 121. 122.143. 144. 249. 266; absolute Messungen unmöglich 131. 132. 268. 305. 306; des Raumes durch Einheitswürfel 141; der mechanischen Arbeit und ihrer Faktoren, insbesondere der Kraft 157; die Grundlage jeder wissenschaftlichen Forschung und Feststellung 181. 198. 213. 214. 216. 217. 221. 305. 367. 378; der Wärme durch die Calorie und neue
Müller, Johannes, Gesetz der specifischen Sinnesenergieen 384. 385. Musik, ein Zweig der Zeitkünste 435; Harmonie, Melodie, Rhythmus,Zeitmaass, Klang und Tonstärke 437 —439; ihre Aufgabe die Darstellung und damit die Erweckung von Gefühlen 438. 439; Vergleich und Gegensatz mit der Poesie 439. Muskelempfindungen, Zusammenwirken mit dem Gefühlssinn bei der Raumerfahrung 55; desgleichen mit den Druckempfindungen 59; von
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innen heraus bewirkt und auf einen Complex von Muskeln bezogen 61. Muskeln, Leistung derselben als mechanische Energie und einziger Weg zur Gestaltung der Aussenwelt 62. 363; Verkürzung derselben als nächste Wirkung des Willens 154; die chemische Energie der Muskeln geht zu zwei Drittel in Wärme und nur zu ein Drittel in mechanische Arbeit über 359; bei der Muskelarbeit findet unmittelbare Umwandlung der chemischen Energie in mechanische statt 363. 365; elektrische und thermische Theorie der Muskelwirkung unhaltbar 363. 364. Nachahmung, leichter als die selbständige Bethätigung. Grundlage der Erziehung und des Unterrichts 428. 429. Nahrung, Erhaltung unserer Arbeitsfähigkeit durch ihre Aufnahme 155. 230; die Kohlennahrung der Lokomotiven und Dampfschiffe 230; ein grosser Theil der Nahrungsmittel entstammt den chemischen Vorräthen um den Keim des Individuums 234. 331; Ausdruck für chemische Energie, welche der Organismus verwerthet. Entwicklung der Nahrungsaufnahme. Dauerformen der Organismen 323. 331. 340. 341; Nahrungserlangung und Abwehr von Schädlichkeiten sind der Inhalt des Lebens 331; Nahrungsaufnahme beim Wachsthum der Tiere. Einfluss auf die Züchtung 338. 339; anorganische Aehnlichkeiten der Nahrungsaufnahme bei metastabilen Flüssigkeiten 342.343; Vielseitigkeit ihrer Verwerthung durch Katalyse 366; Nahrung und geistige Thätigkeit 373; Aufnahme undVerarbeitung der Nahrung als Bedingung von Lustgefühlen 389. 390. Natur, Beziehung zur Philosophie 3; Anpassung des Geistes an die Natur ist der Weg der Erkenntniss 12; Austheilung von Energieen in Raum
und Zeit 160; kein Subjekt des Wollens und Schaffens bei Einrichtung der Organismen 334. Naturanschauung, d. hypothesenfreie, eingeführt durch Robert Mayer 163. Naturgesetze, Unterschied von Rechtsgesetzen 78.79.116.430; Hilfsmittel 2ur Bewältigung derErlebnisse79.80. 81.82.116; können alles Geschehen, auch das geistige, darstellen 140. 430; als exakteste Form der Erfahrung, Mittel zur Erkenntniss der Zukunft 140; beziehen sich zunächst auf Abstraktionen und können deshalb die Wirklichkeit nie vollständig erschöpfen 206; sind dauernd; Hypothesen sind vergänglich 211. 212. 214. 217.221; ihr Nachweis nur erfahrungsmässig zu führen 221; beherrschen auch die geometrischen Operationen 306. Naturphilosoph, Bedeutung des Namens 3; Naturforscher als Naturphilosoph 3; die Anhänger Schellings 7. 8. Naturphilosophie, die deutsche um 1800 1; Bezeichnung als speculativ 2 ; Niederlage gegenüber dem Materialismus 2; ihr friedlicher Charakter 5; Fehler des Schellingschen Systems 7 ; dessen Erfolge 7; die Begründung einer neuen 8. Naturwissenschaft, Auffassung der Aussenwelt 64; Anwendung von Hypothesen 205—217; die Gesammtaufgabe derselben ist die Kennzeichnung der verschiedenen Energiearten und ihre Umwandlungen 228'; ihre Ablehnung der zweckmässigen Erschaffungd. Organismen und Erregung der religiösen Erbitterung 336. Neovitalisten, Erklärung ihres Misstrauens gegen den Fortschritt der Lebenserkenntniss 317. Nerven, Einschaltung der Nervenleitung zwischen Sinnesapparat und Reaktion. Unbekannte Vorgänge in derselben 352. 381; Erklärungsversuche. Annahme der Nerven als metastabile Gebilde 353; Einschaltung eines Auslösungsvor-
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ganges zwischen Reiz und Reaktion 354—357. 393. 426. 427; Umwandlung des Reizes in Nervenenergie 355. 381. 382; Zweitheilung des nervösen Apparates, empfindende und motorische Nerven 355. 381; Bethätigung der Nervenenergie als Empfinden, Denken und Handeln 383 —391. 393; Bethätigung der Nervenenergie als Bewusstsein 392 —394. 398. 400—406; Bethätigung der Nervenenergie als Wollen 426; Krankheiten des Nervensystems in ihrer Wirkung auf den Willen 427. Newton, Jsaac, sein Gesetz für die Bewegungen der Himmelskörper 176; dasselbe nicht ausdehnbar auf die nichtmechanischen Energieen 177; formulirte das sogenannte Trägheitsgesetz 188; desgleichen das der Anziehungskräfte 189. Null, der Zustand nach Wegnahme der letzten Einheit einer Zahlenreihe 103; Anfangspunkt der Zählung vorwärts und rückwärts 107. 132; einer beiderseits unbegrenzten Mannigfaltigkeit 108; die Addition positiver und negativer Elektricität zu Null 286. Oberflächenenergie, ihre Entstehung 183; bei Flüssigkeiten, Verhalten bei Verkleinerung und Vergrösserung der Flächen 197. 198. 199; im Verein mit der Formenergie Ersatz für die veraltete Molekularmechanik 198; Produkt aus Spannung und Fläche, Einheit und Werte 198. 199; Verhalten unter den verschiedenen Aggregatzuständen 199; die niederen Organismen bilden vorübergehend Glieder durch Verringerung der Oberflächenspannung. Pseudopodien 361. 362. 364. 365. Objekt, Bezeichnung für den weitesten Begriff 22. Oersted, Untersuchung elektromagnetischer Vorgänge 7. 8. Ohm, seine Theorie der elektrischen Stromleitung 211.
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Operation, die Vornahme einer Operation als wesentliches Merkmal der Gleichheit 144. Ordnung, der Erlebnisse in der Zeit 80; durch Naturgesetze 82; einer Mannigfaltigkeit; erleichterte Kenntniss und Beherrschung derselben 96; alle Mannigfaltigkeiten sind geordnet 97; Stetigkeit 97. 124. Ordnungszahlen, als Grundlage einer Ordnung 99. 100; Unterschied von der Grundzahl 103; Anwendungsfälle 105; verwendet zur Darstellung stetiger Mannigfaltigkeiten 125. 126. 257. 290; desgleichen zur Darstellung der Stärken 129. 257. Organismen, ihre wichtigste Fähigkeit 16; Entwicklung bedeutender Oberflächenenergie 199; Aufspeicherung chemischer Energie zur Umwandlung in alle anderen Formen 232. 318. 360; schnelle Verwendung der chemischen Energie 233. 319. 320. 360.361; Aufnahme von Energie Uberhaupt 244; sind stationäre Gebilde 275. 315. 349. 379. 421; organische Radikalen als Ausgang für die Annahme einer Urmaterie 288; Verwicklung der organischen Geschehnisse und Schwierigkeit ihrer Erkenntniss 312. 341. 342. 379; Energiestrom, Stoffwechsel, Selbsterhaltung 313. 314; die Vorgänge im Organismus den gleichen Gesetzen wie die anorganische Welt unterworfen 318. 342; ausschliessliche Verwendung chemischer Energie d. h. Nahrung 319. 320. 322. 340. 341; Zunehmende Vervollkommnung der Beschaffung und Aufnahme der Nahrung. Anpassung, Dauerformen, Ortsbewegung 322. 323. 341; Beschleunigung und Verzögerung ihres Energieumsatzes durch Temperatur, Raumgestaltung und Katalyse 324—329; Arbeitsleistungen der Organismen, Ernährung, Wachstum, Fortpflanzung, Schutz 329—331. 340. 341; Vergleich organischer Vorgänge mit der menschlichen Zweckthätigkeit
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3 3 2 ; ihre Dummheit und Unzweckmässigkeit. Erschaffung durch eine höhere Intelligenz 3 3 3 ; Ablehnung des gewollten Zwecks für die Einrichtung organischer Gebilde 334; ihr Endzweck ist Dauerhaftigkeit. Hilfsmittel sind räumliche Ausdehnung und Energiebesitz 332— 334. 336. 337. 339. 409. 414. 449; das Einzelwesen erweitert sich zur Gattung zum Zweck der Erhaltung 337. 339; anorganische Beispiele für die physikochemische Erklärung organischer Vorgänge 342—347; unfruchtbare Annahme d a s s sie nach einer Idee geformt werden 3 4 2 ; bisherige Unmöglichkeit, sie aus unorganischen Stoffen herzustellen 346. 379; Reizbarkeit der Organismen im Vergleich mit anorganischen Gebilden; stationärer Zustand 348. 349; Ausbildung der Sinnesapparate. Beziehung derselben zu den Energiearten 350. 3 5 1 ; Ausbildung des nervösen Apparates zwischen Reiz und Reaktion. Auslösungsvorgänge. Nervenenergie 352—457. 393; Beschleunigung und Verzögerung des Energiestromes durch Reize 3 5 7 ; Erzeugung elektrischer und strahlender Energie durch Reize 358. 3 5 9 ; Wärmeentwicklung der Organismen zur Sicherung des gleichförmigen Energieumsatzes 359— 3 6 1 ; Erzeugung mechanischer Energie bei den niederen Organismen, Bewegung der Pseudopodien und Schwärmsporen 361—363. 380. 415 — 4 1 7 ; desgleichen bei den höheren Organismen durch osmotischen Druck und Oberflächenspannung 363—365; sichere Bahn für die Erforschung der Organismen durch Anwendung des Energiebegriffs 366. 367; Gedächtniss, Erinnerung, Gewöhnung, Anpassung, Vererbung; chemische Theorie, Erklärung durch K a t a l y s e ; anorganische Beispiele 367—371; Erschöpfung des Organismus durch
geistige Arbeit 373—376; Entstehu n g organischen Lebens und geistiger Energie 379. 3 8 1 ; Lust- und Unlustgefühle des Organismus. Entstehung, Bedingungen, Verlauf 388—391; j e höher der Organismus, desto mannigfaltiger die Beziehung zur Aussenwelt 4 1 3 ; bewusster Wille und Instinkt 417— 419; Uebereinstimmung der Willensrichtung bei allen Organismen 420. 421; ihr Kampf ums Dasein 421. Ort, hat die Ortsveränderung Einfluss auf die Abmessungen des K ö r p e r s ? 1 1 8 . 1 1 9 . 1 2 1 ; freie Ortsbewegung der Organismen als höchste Stufe der Beschaffung und Aufnahme der Nahrung 3 2 3 ; Ortsbewegung der niederen Lebewesen durch Pseudopodien 3 6 1 ; desgleichen der Bakterien und Schwärmsporen durch Geissein in Folge vonReizeinwirkungen 362.363. Oxydasen, Stoffe, welche die Oxydation beschleunigen; eine Art der Katalyse 329. 361. Oxydation, der Nahrungsmittel im menschlichen Körper 2 1 9 ; der Kohlenstoffverbindungen im Organismus 320. 324—329; die oxydirbaren S t o f f e der Erde stammen grösstenteils von der strahlenden Energie 3 2 1 ; Beschleunigung und Verzögerung bei den Organismen durch Temperatur, Raumgestaltung und Katalyse 324—329. 360. 361. Partikeln, Beziehungswörter ohne Abwandlung 4 7 ; Bedeutungswechsel 47. Paulsen, F., seine Darstellung des Problems von Geist und Materie 372. Pendel, Beispiel für Umwandlung der Distanz- in Bewegungsenergie 184. 249. 273. 297; Schwingungsdauer unabhängig vom Gewicht 190; Beispiel für den periodischen Umsatz mechanischer Energie überhaupt 249. 273. 297. Periode, als Wiederkehr und Kreislauf der Dinge 86. 8 7 ; die Periode
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bei den mechanischen Energieen und ihr Ursprung 248. 2 4 9 ; die periodischen Vorgänge in stationären Gebilden 272. 274. 3 1 5 ; desgleichen bei den Organismen 315. Perpetuum mobile, d a s nutzlose Suchen nach demselben ergab das Erhaltungsgesetz der Arbeit 173. 217; ein perpetuum mobile giebt es weder zur Erschaffung von Energie, noch zur Bewegung ruhender Energie 259. Persönlichkeit, Merkmale und Eigenschaften 410. Perspektive, die Feststellung ihrer Gesetze in der Malerei gehört der neueren Zeit an 444. Pfeffer, W., Untersuchungen über die Ortsbewegungen der Bakterien. Chemotaxis 363. 386. 4 1 6 ; desgleichen Uber den osmotischen Druck 364. Pflanzen, Anhäufung chemischer Energie in den Kohlenlagern durch Pflanzen 233. 321; Anhäufung chemischer Energie durch Umwandlung der strahlenden Assimilation 242. 243. 319. 320. 365; Assimilation und Erhaltung des stationären Zustandes an der Erdoberfläche zu Lande und im Wasser 321. 322; geringe Entwicklung mechanischer Energie. Ortsbewegung. Unterschied vom Thier 361; das sittliche Verhalten des Menschen zu Thieren und Pflanzen 453. 456. Philosoph, V e r h ä l t n i s zum Naturforscher 3 ; Fachphilosoph 4 ; die Freiheit des Willens eine Philosophenfrage 430. Philosophie, des Naturforschers 4 ; deren A u f g a b e und Voraussetzung 9 . 3 1 3 ; Uebereinstimmung des Verfahrens mit den andern Wissenschaften 9. 1 0 ; desgleichen im Ergebniss 1 2 ; ihr Kampf mit den Unvollkommenheiten der Sprache 3 7 ; ihre Vorliebe für den Substanzbegriff 2 7 7 ; Aufgabe und Arbeitstheilung gegenüber den besonderen Wissenschaften 313; die Physiolo-
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gie ist weiter als sie 318; Verhältniss von Geist und Materie eines ihrer schwierigsten Probleme 372. 373. Phlogistontheorie 12. Physik, die gleiche Methode wie Philosophie 1 2 ; ihre Stellung zum Kantischen Ding-an-sich 1 4 8 ; ihr gesicherter Bestand an Kenntnissen 211; ihr glänzendstes Gebiet die Thermodynamik 216; das physikalische Weltbild abhängig von der Natur des Menschen 302. Physiologie, ihre Stellung zum Kantischen Ding-an-sich 148 ¡Verzögerung ihres Fortschrittes, beschränkte Hilfe seitens der Chemie 318. Plastik, Darstellungsgebiet und Verwendung der Farbe in derselben 442. 443. Poesie, ein Zweig der Zeitkünste 4 3 5 ; Darstellung äusserer Ereignisse durch das Wort, Vergleich mit der Musik 439; Darstellung des inneren Lebens 441. Polarisation des Lichtes, erschütterte die Emissionstheorie 209. Porosität, als Eigenschaft der Materie 149. Pronomen, s. Fürwort. Prüfung, Verfahren und Bedingung zur Auffindung der Gleichheit 115'; verschiedene Arten dasselbe Ergebniss bei derselben Eigenschaft 116; das Prüfungsmittel als Vermittlung der Gleichheit 116. 117. 118; Uebertragung des Prüfungsmittels von einem Dinge zum andern 121; Prüfungsmittel zwischen Hypothese und Naturgesetz 214. Pseudopodien, vorübergehende Gliederbildung bei niederen Lebewesen 361. Psychologie, ihre Stellung zum Kantischen Ding-an-sich 148. Raffael, Schwierigkeiten der Perspektive für ihn 444. Ramsay, als Entdecker des Heliums 25. Rankine, Ausspruch Uber den Umfang des Energiegesetzes 165.
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Raum, Gegenstand der Geometrie 55. 304—306; als Gesetz der Mannigfaltigkeit 80. 139; Raum ohne Zeit eine Abstraktion 88; Stetigkeit, Interpolation 88; nicht einfach, richtungsfrei 89. 90. 142; Theilung des Raumes durch Flächen 89, der Flächen durch Linien 90, Flächenformen 90; Ursprung des Raumbegriffs 91. 92. 141. 303. 304; umfasst alles, was in der Aussenwelt geschieht 140; hat die Eigenschaft der Grösse 141; die Ortsveränderung hat keinen Einfluss auf die Abmessungen eines Körpers 118. 119.121. 279; Durchgang des Lichts durch den „leeren" Raum 209. 240; Verhältniss zur Energieaufnahme 234; Verhältniss zur Energiebegrenzung 261; Erhaltungsgesetz des Raumes; seine Unveränderlichkeit .gegenüber der Raumerfüllung 279. 285; frühzeitige Kenntniss der Raumgesetze 280; Raum und Zeit ähnliche Begriffe wie das Causalgesetz 296. 303; räumliche Gestaltung des energetischen Geschehens; Ursachen, Bedingungen, Auslösungen, Anlässe 299; die Verhältnisse von Raum und Zeit als Causalgesetze 304. 305; die geometrischen Gesetze sind keine Denknothwendigkeiten und stammen aus der Erfahrung 305.307; analytische und synthetische Geometrie. Annäherung der letzteren an die Erfahrungswissenschaft 306; Bedeutung der Raumverhältnisse bei chemischen Reaktionen insbesondere in den Organismen 325. 326; räumliche Ausdehnung der Organismen beschränkt beim Wachstum, unbeschränkt bei der Fortpflanzung 337. 338; Raumkünste, Baukunst und Bildnerei 435. Reaktion, Vergleich derselben zwischen organischen und anorganischen Gebilden 348. 349; zunehmende Verwicklung bei den höheren Lebewesen 350; die Reaktion des Gemeinwesens gegen die Aus-
schreitung des Einzelnen als Recht und Strafe 452. Recht, die Reaktion des Gemeinwesens gegen die Ausschreitung des Einzelnen 452. Reibung, Erzeugung von Wärme durch sie 175. 219. 221. 224. 249; Umwandlung mechanischer Energie durch Reibung in Wärme und Aufhebung mechanischer Perioden 249; Verhinderung der Umwandlung von Distanz- in Bewegungsenergie 271. Reiz, Einwirkung der Energie auf den Organismus 348. 350. 352; Erklärungsversuche für die Reizleitung im Nervenapparat 353; Auslösungsvorgang zwischen Reiz und Reaktion, Grössenbeziehung zwischen beiden 354; Umwandlung des Reizes in Nervenenergie 355. 380—383; Reizeinwirkungen bei niederen Organismen ; Pseudopodien, Bakterien, Schwärmsporen 362. 363. 386. 415 —417; Verhältniss von Reiz und Empfindung das Weber-Fechnersche Gesetz 385. 386. Reizbarkeit, allgemeine Eigenschaft der Organismen. Vergleich mit der Reaktion bei anorganischen Gebilden 348. 349; Reizbarkeit ohne Nachweis eines Willens als Ursache von Bewegungen 415—417. Religion, Trennung der praktischen und religiösen Weltanschauung 310; religiöse Einmischung in den Streit der Naturforscher über die Zweckmässigkeit der Organismen und dessen Verbitterung 336. Reste, unvermeidlich bei der Grössenmessung 131. Rhythmus, zeitliche Gestaltung der Gehörsempfindung 56; der räumliche und zeitliche Rhythmus als Anfang der Kunst 437. Richtung, besonderes Element der Bewegungsenergie 218. 289; desgleichen der Bewegungsgrösse 290; Richtungswirkungen chemischer Stoffe auf Bakterien und Schwärmsporen. Chemotaxis 363.
SACHREGISTER Riemann, Forschungen im Gebiet der Raumwissenschaft 307. Ritter, J . W., Untersuchungen über Nervenleitung 352. Röntgenstrahlen 292. Ruhe, Ausdruck für stabiles mechanisches Gleichgewicht 251; Ausdruck für das Nichtgeschehen, Gleichgewicht der Energieen, überhaupt 250. 256; ruhende Energie nur durch Zuführung von Energie in Bewegung zu setzen 259. Sachs, Hans, ein Spruch als Gleichniss der Begriffsbildung und Anwendung 308. Salmiak, dessen [Formung als Beispiel für die Gestaltung der Lebewesen 347. Samen, Ausdruck für Dauerformen der Organismen beiNahrungsmangel 323. 341. 343. Sättigung, innere Empfindung 60. Sauerstoff, seine Verbindung mit dem Kohlenstoff und Wasserstoff 236; seine Trennung von Kohlenstoff durch die strahlende Energie bei den Pflanzen 320; Verwendung im Organismus 329. Schall, die Luftschwingungen des Schalles. Vorbild für die Schwingungstheorie des Lichtes 209. Schellirig, seine Bedeutung 1; sein Identitätsgesetz 5. 6. Schiller, poetische Betrachtung Uber die elementaren Motive des Lebendigen 421; seine Dramen als Beispiel für die lose Verbindung von Poesie und Plastik 436. Schlaf, und Bewusstlosigkeit, Narkose, als Unterbrechung des Zeitbewusstseins 81. Schliessen, entsteht durch Anwendung des Begriffs auf die Erscheinung 23; bezieht sich auf die Zukunft 24. 83. 409. 431. 432; gleiches Verfahren wie Begriffsbildung 24. 25; als elementare Geistesoperation 77. Schmelzen, als Aenderung des Aggregatzustandes 200.
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Schmerzempfindung, Begleiterscheinung bei der Sinnesempfindung 59. Scholastik, ihre Kennzeichnung in Goethes Faust 31. 32; ihre Annahme eines Trägers der Eigenschaften 239; ihr Schiffbruch gegenüber den empirischen Wissenschaften 307. Schönbein, Erforscher des Sauerstoffs und Entdecker des Ozons 7 ; hat das Vorhandensein der Enzyme und Oxydasen nachgewiesen 329. Schönheit, ist kein Naturzweck 334; als Gegenstand der Kunst; ihr Inhalt bedeutende Empfindungen und Gedanken 433—435. Schopenhauer, Aussage Uber die Feindschaft der philosophischen Systeme 5 ; sein Vergleich der philosophischen Bemühungen mit Münchhausens Abenteuer 9; seine Beweisführungen über die Materie 283; seine Ansichten über Raum, Zeit und Causalität 303; seine Untersuchungen über den Causalitätsbegriff 305. 306; Untersuchungen Uber die Natur des Willens 412. 413; seine Betonung der indischen Moral 453. Schrift, Vorzug der Dauer als Begriffszeichen 29; Anschluss an das gesprochene Wort 30. Schwere, s. Gewicht. Schwereenergie, als Eigenschaft der Materie 149. 245; besteht in Arbeitsbeträgen durch Veränderung der Höhenlage eines Körpers 170; das Gleichgewicht der schiefen Ebene, dargestellt ohne Kräfteparallelogramme 171.172.173.174; ihre Bestimmung als constante Kraft durch Galilei 176; ihre allgemeine Bestimmung als Distanzenergie 177. 178.179; Verbindung mit Formenergie 180; Umwandlung in Bewegungsenergie beim Fall 189; das „Räthsel der Schwerkraft" aufgelöst in Distanzenergie 194; Bewegungen in der Waagfläche ohne Schwereenergie 171.185. 250. Schwerpunkt, beim indifferenten und
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stabilen Gleichgewicht 247; Erhaltung des Schwerpunktes 285. Schwindel, innere Empfindung 60. Schwingungstheorie des Lichtes, löste die Emissionstheorie ab 209. 210. Seele, Annahme einer Seelensubstanz durch die ältere Philosophie 277; Widerlegung der Allbeseelung 374 —376; Annahme einer Beseelung nur bei den Lebewesen 375; keine allgemein anerkannte Klassifikation der seelischen Erscheinungen 406. Sein, Verhältniss zum Denken bei Schelling 5. 6; scheint nicht die Quelle der Begriffselemente zu sein 64; Unterscheidung der Gründe des Seins und des Werdens durch Schopenhauer 305. Sekunde, Einheit der Zeit 186. 187. Selbstbewusstsein, als Erklärungsgrund für die allgemeine Causalitat 294; als Persönlichkeit und Ich 410. 411. Selbsterhaltung, Fähigkeit der Organismen; Unterschied von nur stationärem Zustand 314—316; Erweiterung des Begriffs auf alle Lebensthätigkeit und auf die Fortpflanzung 316. 337. 339. 451. 452; Erweiterung der Selbsterhaltung zur Sittlichkeit 451—454. Selbstregulirung.Selbstzumessungder Energie bei den stationären Vorgängen 271.315; periodischeSelbstzumessung, bei welcher das Zuviel das Zuwenig, und umgekehrt, bewirkt: „Nachhinken" 272. 274. 315. 362; Selbstregulirung der Energieaufnahme bei den Organismen 315. 316. 317. 330. 362. Sinnesapparate, liefern bei der Begriffsbildung das Material 52; bestimmen die Sinnesempfindung 63. 383—385; ihre Betheiligung bei Gestaltung der Aussenwelt 68.159. 242; ihre Verschärfung und Verfeinerung durch Werkzeuge 123. 351; sie fehlen für die elektrische und magnetische Energie 228. 229. 350; Ursprung und Ausbildung der Sinnesapparate als Folge energe-
tischer Einflüsse 350. 351; unvollständiger Parallelismus zwischen Energiearten und Sinnesapparaten 350. 351; Einrichtung der Sinnesapparate für die Erhaltung und Fortpflanzung der Organismen; chemischer Oberflächensinn 351; unmittelbarer Zusammenhang mit den Reaktionsgebieten bei den niederen Organismen 352; ihre Betheiligung beim Erfassen der Kunstwerke 434. Sinnesempfindungen, sind Begriffselemente. Eintheilung 53. 386; unsichere Begriffselemente 57. 63. 76; sind Wirkungen in den Körper eintretender Energieen; bestimmt durch die Sinnesapparate 63. 383—385. 387; ihre Vergleichung 122. 123; Erweiterung des Weltbildes durch die einzelnen Empfindungen 160; Fehlen des elektrischen Sinnes 162; Grade des Bewusstseins bei denselben; nicht massgebend für ihre Bedeutung in der Lebenserhaltung 387. 404. Sittlichkeit, bezieht sich auf Handlungen des Menschen gegenüber anderen Wesen 449. 450; die Förderung anderer wird als gut, die Beeinträchtigung als schlecht beurtheilt 450; Ursprung der Güte in dem Verhältniss von Mutter und Kind. Erweiterung des Selbsterhaltungstriebes auf Familie, Stamm und Volk 451. 452; vom gröbsten Egoismus bis zur selbstlosesten Güte ein ununterbrochener Uebergang. Die Erweiterung des Kreises der Selbsterhaltung 453. 454; Opferung des niederen Lebens zur Förderung des höheren 454; sittliche Beurtheilung des geschäftlichen Lebens und der Aufsuchung der Vortheile 455; die Erweiterung des Kreises sittlicher Handlungen lässt den Werth des Individuums zurücktreten 455. 456; die Erweiterung des Kreises sittlicher Handlungen als Bürgschaft persönlichen Glückes 457.
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U m w a n d l u n g 2 7 1 . 2 7 4 ; die O r g a S o n n e , die S o n n e und ihre S t r a h l u n g ! nismen s i n d s t a t i o n ä r e Gebilde ist die w e s e n t l i c h s t e Quelle der 315. 321. 330. 349. 379. 421. freien Energie des irdischen Lebens S t e r b e n , Nothwendigkeit für den Orund G e s c h e h e n s 2 4 2 . 2 4 3 . 2 5 1 . 2 5 2 . g a n i s m u s und Z u s a m m e n h a n g mit 260. der F o r t p f l a n z u n g , n a t ü r l i c h e r T o d S o n n e n s y s t e m , seine Bildung nach 330; gewaltsamer Tod 331. der T h e o r i e K a n t ' s 1 9 1 . 3 3 2 ; Aufhören des osmotischen S p a l t u n g , B e z e i c h n u n g für UmwandDruckes in den Zellgeweben der lung organischer Verbindungen O r g a n i s m e n 3 6 5 ; der Gleichmuth ohne Oxydation 322. g e g e n ü b e r dem T o d e im sittlichen S p a n n u n g , a l s ein F a k t o r der O b e r Leben 4 5 6 . 4 5 7 . f l ä c h e n e n e r g i e 1 9 8 ; als ein F a k t o r Stetigkeit, der Zeit 8 0 . 8 1 ; des der elektrischen E n e r g i e 2 3 1 ; UnterR a u m e s 8 8 ; der Mannigfaltigkeiten schied der elektrischen S p a n n u n g 9 7 . 1 2 4 ; ihre Darstellung durch als U r s a c h e des G e s c h e h e n s 2 5 5 ; die O r d n u n g s z a h l 1 2 5 ; ihr allgee l e k t r i s c h e und m a g n e t i s c h e sind meines Gesetz 1 2 7 ; des Ichbepolar 290. wusstseins 411. S p i n o z a , seine T h e o r i e des ParalleStoff, B e z e i c h n u n g für chemische l i s m u s von Geist und M a t e r i e 3 7 2 . E n e r g i e und c h e m i s c h e E l e m e n t e 373. 394. 286. 287. 290. 314. 321. 324. 325. S p o r e n , A u s d r u c k für Dauerformen 3 2 9 ; C o m b i n a t i o n f e s t e r und geder Organismen bei Nahrungsl ö s t e r S t o f f e im E n e r g i e h a u s h a l t e mangel 323. der O r g a n i s m e n 3 2 5 . 3 2 6 . 3 2 9 . S p r a c h e , als F e s t h a l t u n g und MitStoffwechsel, bei den O r g a n i s m e n theilung der Begriffe 2 6 . 2 7 ; b e nur eine B e g l e i t e r s c h e i n u n g des s t e h t aus Laut- und S c h r i f t z e i c h e n Energiestromes 313. 314. 2 8 . 2 9 ; die in Beziehung stehen S t r a h l e n d e Energie, v e r u r s a c h t durch 3 0 . 5 7 ; ist n ä c h s t e s O b j e k t der das Auge die LichtempfindB e g r i f f s b e t r a c h t u n g 3 1 ; ihre Vorung 1 5 9 . 3 5 0 ; ihre Bedeutung züge und M ä n g e l 3 4 . 3 5 . 3 7 . 4 8 . für die K e n n t n i s s des H i m m e l s 7 6 ; Herstellung einer künstlichen 1 6 1 ; U n a b h ä n g i g k e i t von S c h w e r e 3 5 ; als G e s c h ä f t s - und W i s s e n und F o r m ; keine F e s t l e g u n g 1 8 0 ; schaftssprache 3 6 ; grammatische ein T h e i l derselben das Licht 2 3 7 ; Gruppirung der W ö r t e r 4 0 ; b e s t e h t U n a b h ä n g i g k e i t v o n der M a t e r i e in einer doppelten Z u o r d n u n g 1 0 0 . 2 3 8 ; p e r i o d i s c h e E r s c h e i n u n g früher Stabil, als Gleichgewichtszustand gedeutet als S c h w i n g u n g e n des 2 4 7 . 2 5 0 . 3 1 4 ; als Nullzustand des Aethers, j e t z t als e l e k t r o m a g n e E n e r g i e s t r o m e s , Unterschied v o n t i s c h e Umwandlungen 2 3 8 . 2 3 9 ; stationär 2 7 1 ; scheinbare Stabilität Kleinheit der Periode, G e s c h w i n eines Gebildes 3 0 1 . digkeit, Dauerhaftigkeit 2 3 9 . 2 4 0 ; S t ä r k e n , sind s t e t i g e M a n n i g f a l t i g s e l b s t l e u c h t e n d e , b e l e u c h t e t e und keiten mit u n v e r t a u s c h b a r e n Anfarbige Körper 240. 2 4 1 ; Entstehtheilen 1 2 8 . 1 2 9 ; die Zeit ist eine u n g aus c h e m i s c h e r E n e r g i e 2 4 0 ; S t ä r k e 1 4 2 . 1 4 3 ; desgleichen die B e d e u t u n g für das irdische Leben Geschwindigkeit 186. 282; desund G e s c h e h e n 2 4 2 . 2 4 3 . 2 6 0 . 3 2 0 . gleichen die T e m p e r a t u r 2 5 6 ; des3 2 1 ; v o n der strahlenden E n e r g i e gleichen der I n t e n s i t ä t s f a k t o r der der S o n n e g e h t der g r ö s s t e T h e i l Energieen 2 5 6 . 2 8 1 . 2 8 9 . u n g e n u t z t verloren 2 4 3 ; V e r m i n S t a r r h e i t , a b s o l u t e der Körper g i e b t d e r u n g der freien E n e r g i e durch es nicht 195. Strahlung 281; Umwandlung in S t a t i o n ä r , ein Z u s t a n d der E n e r g i e 33 OSTWALD, Naturphilosophie. I I I . Auflage.
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chemische Energie durch die Pflanzen 242. 243. 3 1 9 - 3 2 2 . 365. Streben, unangemessener Ausdruck für das Verhalten lebloser Körper 188. Streitigkeiten, wissenschaftliche Streitigkeiten entweder unerheblich oder Missverständnisse in der Wortbedeutung 64. 65. Stück, Bezeichnung für das Element der Mannigfaltigkeit 94. 102. 103. Substanz, historische Bedeutung. Begriffsbildung für das Unveränderliche und Wiederkehrende in den Dingen 146. 277; Veränderung des Substanzbegriffs zum „Ding-ansich" 147; im Gebiet der Naturwissenschaft gleich Materie 158; die Substanz ist die Energie 153. 280; gleichbedeutend mit Masse 278; gleichbedeutend mit den Erhaltungsgesetzen verschiedener Energieen 278; die Substanzialität des Ichbewusstseins 411. Symbole, als Begriffszeichen 29. 100. Symmetrie, des Raumes 90. Synthese, chemische und begriffliche 71. Tastempfindung, s. Druckempfindung. Technik, das technische Problem der Zukunft in der Verwendung chemischer Energie 235; fängt erst jetzt an die chemische Katalyse in ihrer Bedeutung zu erkennen 326. Temperatur, Temperaturmessung 107. 257; als Beispiel der Anwendung der Zahlenreihe für beiderseits unbegrenzte Mannigfaltigkeiten 108; als Beispiel der Anwendung der Ordnungszahl auf stetige Mannigfaltigkeiten 125. 257. 290; Temperatureinfluss bei der Oberflächenenergie 199; desgleichen bei den Aggregatzuständen 200; der Gase, insbesondere bei Volum Veränderungen 201; Temperaturunterschied als Voraussetzung der Wärmearbeit 253; des Geschehens überhaupt 255; als Beispiel der Stärke 256; Vergleichung und Gleichge-
wicht der Temperaturen 257; ihre Erhöhung steigert die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen 270. 324. 360; Regulin die Oxydation bei den Organismen 324. 326. 360. Temperaturempfindung, ist Hautempfindung 58; Verhältniss zur Druckempfindung 58; leichtere Auffassung der Intervalle als der Einzelgrade wie bei den Tönen 59. Theorien, theils Naturgesetze, teils Hypothesen; ihr Unterschied 211. cheThermochemie, Bestimmung mischer Energie in Wärmemaass 237. Thermodynamik, das glänzendste Gebiet der Physik und Chemie 216. Thermometer, ursprüngliche Eigenschaft und Vervollkommnung 126; Beschaffenheit und Anwendung bei Temperaturvergleichungen 257. Thomson, W., Untersuchungenüberdie Wärmearbeit 254. Thier, Schwierigkeit der Ernährung mit der Vergrösserung. Erfolge der Züchtung bei Hausthieren 338. 339; Einschaltung nervöser Apparate zwischen Reiz und Reaktion 352; Erhaltung einer constanten Körpertemperatur bei den höheren Thieren 360.361; Unterschied von Thier und Pflanze, insbesondere in mechanischer Hinsicht 361; thierische Instinkte als ein Fall unbewusster Zweckmässigkeit 417. 418; das sittliche Verhalten des Menschen zu Thieren und Pflanzen 453. 456; Vorrang des Menschen vor dem Thier in sittlicher Beziehung 454. 455. Tod, s. Sterben. Töne, Unterschied, Reinheit 56; leichtere Auffassung der Intervalle als der Einzeltöne wie bei der Temperatur 59; die Tonreihe hat den Charakter der Stärken 128. Träger, der Energieen eine überflüssige Annahme und Rückstand der Scholastik 239. 242. 245; die Materie als Träger der Kräfte 245. Trägheit, als Eigenschaft der Materie 149; ist nichts anderes als das
SACHREGISTER Erhaltungsgesetz der Bewegungs- j energie 187. 188. 285. Tropfenbildung, durch Oberflächenenergie 198. Tyndall, Vorkämpfer der Mayerschen Gedanken 205. Typen, als anschauliche Begriffe in der Kunst 445. 446. Uebelkeit, innere Empfindung 60. Üebertragung, der Dinge übereinander oder eines Prüfungsmittels von einem zum andern behufs Feststellung der Gleichheit 321; durch das Gedächtniss 122. 123; die räumliche ändert nichts an den Abmessungen fester Körper 141; die Üebertragung eines gleichförmigen Vorganges in eine andere Zeit ändert seine Dauer nicht 144; der mechanischen Arbeit an einen andern Ort 155; theoretischer Betrachtungen auf die Wirklichkeit 196; des Druckes durch Flüssigkeiten 196. Uhren, eine späte Erfindung 121; sind genaue Messinstrumente. Natürliche Uhren 143; Wasser und Sanduhren messen die Zeit ohne entscheidende Betheiligung der Bewegungsenergie 266. Umgebung, Einfluss derselben auf die Organismen 333. Umwandlung, der mechanischen Arbeit und ihr Erhaltungsgesetz 155; d a s Gesetz gilt nicht nur für Zurückverwandlung, sondern für alle Zwischenformen 156; der mechanischen Arbeit in Wärme 1 8 2 ; zwischen Arbeit und Formenergie 182; zwischen Arbeit und Oberflächenenergie 1 8 3 ; zwischen Distanz und Bewegungsenergie 184. 189. 248. 271. 273; gegenseitige Umwandlung elektrischer und magnetischer Energie zur Erklärung des Lichts 2 1 0 ; chemischer Vorg ä n g e in Wärme und Elektricität beim Galvanismus 2 2 3 ; in eine gemeinsame Form, allein m a a s s gebend für die Gleichheit verschie-
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dener Energieen 225. 226. 280; elektrische und magnetische Energie nur nach Umwandlung wahrnehmbar 228; leichte Umwandlungsfähigkeit der elektrischen Energie in Arbeit, Wärme, Licht, chemische Energie 2 3 0 ; der Stoffe als Quelle chemischer Energie 232. 265. 314; chemischer Energie in mechanische 2 3 5 ; die Anwesenheit von Energie allein nicht ausreichend zur Umwandlung 242; Umwandlung der verschiedenen Energieen als gesammtes Geschehen der Aussenwelt 244; die Umwandlungsgesetze der Energie als Erhaltungsgesetz und als Gesetz des Geschehens, erster und zweiter Haupts a t z 246. 247. 327; periodische Umwandlung mechanischer Energieen 248. 2 4 9 ; unterbleibt bei ruhenderEn ergi e259;lavinenartige, stationäreund periodisch-stationäre Umwandlung von Energie 270 bis 274; Energieumwandlungen in einem abgeschlossenen Gebilde 281; als Voraussetzung für die Summirung von Energieen 2 8 9 ; die Umwandlungsgesetze der Energie gleichbedeutend mit dem Causalgesetz 295. 296; Umwandlung der Energie als Auslösung 2 9 9 ; langsame, unmerkliche Umwandlungen auch der stabilen Gebilde 301. 302; Umwandlung der S t o f f e für den Haushalt der Organismen; Stoffwechsel 314. 324—329; Umwandlung strahlender Energie in chemische durch die Organismen 319—322; Umwandlung geistiger Energie in Wärme 377. 378. Undurchdringlichkeit, als Eigenschaft der Materie 149. Unendlichkeit, mit dem Wort ist viel Unfug getrieben, daher besser das Wort unbegrenzt 106. Unstetigkeit, Unterbrechung des Zeitbewusstseins 81. Unterricht, Verbesserung desselben durch den Arbeits- und Energiebegriff 174. 175. 33*
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Unterscheidung, als einziges Merkmal des Ding- oder Objektbegriffes 22. 77. 308; bei der Eintheilung giebt es keine scharfen Unterscheidungen 41.42; Unterschiedsschwelle bei den Sirineswahrnehmungen 54; Unterscheiden als elementare Geistesoperation 77; im Mannigfaltigkeitscharakter der verschiedenen Energieen 218. Unvergänglichkeit, als Eigenschaft der Materie 149; als Eigenschaft anderer physikalischer Grössen 151. 152. 162; gleichbedeutende Ausdrücke: „unerschaffbar, unveränderlich, unvergänglich, unvernichtbar, unzerstörbar" 149. 151. 152. 162. Ursache, ihre Definition bei Robert Mayer 221. 295; Auffassung derselben nach Analogie des Lebendigen 294; ist verbraucht wenn die Wirkung eintritt 295; Ursache, Bedingung, Auslösung, Anlass 298. 299; Ursachen des Seins und Werdens. Untersuchung von Schopenhauer 305. Ursache und Wirkung, s. Causalität. Verbinden, als elementare Geistesoperation 77. 79. 112. Verbrennung, Athmung und Wärmeerzeugung durch Verbrennung bei den Organismen 220; als häufiger chemischer Vorgang 232; chemische Verbindung von Kohlenstoff und Sauerstoff 233; als Ursprung des Lichtes 241. Verdampfung, als Aenderung des Aggregatzustandes 200. Vererbung, geistiger Fähigkeiten als Erinnerung aufzufassen 27; des Raum-, Zeit- und Causalitätsbegriffes 141. 303; der Grundbegriffe Zeit, Raum, Mannigfaltigkeit, Energie 308; bei der Vervollkommnung der Organismen 333; als eine Erscheinungsform des Gedächtnisses im allgemeinsten Sinne 367; chemische Theorie derselben, anorganische Beispiele, katalytische Erklärung 369—371.
Vergangenheit, Bedeutung fUr das Leben 16. 368; ihre UnVeränderlichkeit. Unvollkommenheit unserer Kenntniss derselben 279. Vergleichen, grundlegende Geistesthätigkeit und Hülfsmittel der Voraussicht 17. 77. 403. 409; mehrerer Mannigfaltigkeiten 98. 101; der Einzeldinge 113. 122. 123; der Sinnesempfindungen 122; stetiger Mannigfaltigkeiten 124; der Wirklichkeit mit ihrem Bilde 212. Verkehr, der Dinge der Aussenwelt mit uns 159. Verzögerung, Regelung der Zeitverhältnisse bei der Energieumwandlung im Allgemeinen 298. 301; Fehlen derselben bei der Selbstbeschleunigung und der explosiven Reaktion 301; des Energieumsatzes bei den Organismen durch Temperatur, Raumgestaltung und Katalyse 324 — 329. 365; des Energieumsatzes bei den Organismen durch Reize 357. Volta, verkannte den chemischen Ursprung der Berührungselektricität 166. Volumen, Verkleinerung durch Druck 168. 169; geringe Volumänderung bei Flüssigkeiten 196; Volumeinheit 197; Volumzunahme verbunden mit Abkühlung bei Gasen 201. 202. 222. 223; Volumzunahme durch Wärmeaufnahme 208. Volumenergie, als Arbeitsleistung aus dem Volumen 168. 169; bei Flüssigkeiten 196; gleich dem Produkt aus Druck und Volum 197. 198. 222. 223. 256. 285; ihre Zurückführung auf Distanzenergie 198 ; bei gasförmigen Körpern 201; Vergleich zwischen Volum- und Bewegungsenergie; Eigenart der Mannigfaltigkeiten 218; ihr Zusammensein mit Form- und Bewegungsenergie bildetden Begriff der Materie 169. 238. 245; Umwandlung in Bewegungsenergie und periodische Rückverwandlung im mechanischen Gebilde 248. 249; Gleichgewicht
SACHREGISTER von Volumenergie mit Form- und Schwereenergie 262; leichte Aufbewahrung 265; Erhaltungsgesetz der Volumenergie 285; Ursache der Tastempfindung 350. Voraussicht der Zukunft, als Zweck der Wissenschaft 16; nur mit Wahrscheinlichkeit 18. Vorgang, s. Geschehen. Vorstellung, gleichbedeutend mit Anschauung, ErIebniss,Erscheinung22. Wachsthum, Arbeitsleistung des Organismus 330. Waagfläche, Bewegungen in ihr 171. 185. 250; Formirung der Flüssigkeiten 197. Wagner, reichliche Verwendung der Blasinstrumente als angeblich unkünstlerisch 448. Wahrscheinlichkeit, Ergebniss der Wissenschaft 11. 12; auch der Philosophie 12; bei Voraussicht der Zukunft 18. Wärmeenergie, gleichzeitige Berechnung ihres mechanischen Aequivalents durch Mayer, Joule und Helmholtz 164. 219; Entstehung bei Formveränderungen der festen Körper 182. 349; Verschwinden bei Volumzunahme der Gase 202. 222. 223; Hypothese, dass sie eine Art von Bewegung sei 202—205. 207. 208; neben mechanischer Energie sachlich und geschichtlich die wichtigste 219; feste GrössenBeziehung zur mechanischen Arbeit, zuerst dargelegt durch Julius Robert Mayer, 219. 220. 225; feste Grössenbeziehung zur Elektricität entdeckt durch Joule 223; ihre alte Messung durch Calorieen, die neue durch Erg 225; leichte Herstellung aus Elektricität 230; vermittelt die Umwandlung chemischer Energie in mechanische Arbeit 235. 364; durch sie wird chemische Energie gemessen (Thermochemie) 237; Verhältniss zu Materie und Körper 238. 258; Umwandlung von Wärmeenergie in strahlende Energie 240;
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Umwandlung von strahlender Energie in Wärme 242; Aufhebung periodischer Vorgänge der mechanischen Energieen durch die Wärme 249. 250. 260. 265; Untersuchung der Arbeitsleistung der Wärmeenergie durch Sadi Carnot 252. 253; ihre Faktoren sind Temperatur und Entropie 256; Wärmegleichgewicht verschiedener Körper 258; überall in unbegrenzten Mengen zu finden 259; Einschliessung und Compensation auf die Dauer unmöglich 265.267.302; der Wärmestrom proportional dem Temperaturunterschied und der Beschaffenheit des Gebildes 268; ihre Auffassung als Substanz in der älteren Physik 278; beständige Verminderung freier Energie durch Wärmeleitung 281. 282. 297. 349. 359; Umwandlung geistiger Energie in Wärme 377. 378. Wärmecapacität, s. Entropie. Wärmemaschinen,ihreUnvollkommenheit 225; Untersuchung des Vorgangs durch Sadi Carnot 253. Wasser, Lebensprocess der Organismen im Wasser 322. Wasserstoff, seine Verbindung mit dem Sauerstoff und der Kohle 236. Weber, sein Gesetz über das Grössenverhältniss von Reiz und Empfindung 385. 386. Weg, ein Faktor der mechanischen Arbeit 156; ein Faktor der .Geschwindigkeit 186. Wellenbewegung, gewisser Lichtarten als Längeneinheit 134; strahlender und elektrischer Energie 240. Weltauffassung, die mechanisch-materialistische 2; eine Frage der Zweckmässigkeit und Einfachheit 82; die energetische 163. 165. 244. 245. 312. 373. 394; die Denknothwendigkeit von Raum, Zeit und Kausalgesetz 303; Trennung der praktischen und der religiösen Weltanschauung, besonders bei den Engländern 310; die Erwerbung
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einer geschlossenen Weltanschauu n g ist ü b e r a u s schwierig 310; Schwierigkeit der Erkenntniss der organischen Welt 312; Ueberführu n g der Welträthsel des organischen Lebens in eine wissenschaftliche A u f g a b e 335; Versuch einer einheitlichen W e l t a u f f a s s u n g d u r c h eine energetische Theorie des Bewusstseins 394. Weltkörper, Gesetz ihrer Bewegungen g e f u n d e n durch Newton 176; ann ä h e r n d e Unveränderlichkeit ihrer periodischen Bewegungen 265. 275. Werden, Gründe des Seins u n d des Werdens bei S c h o p e n h a u e r 305. Werkzeuge, Zwischenglied zwischen Wille und Erfolg 67. Werth, ist b e n a n n t e Zahl oder Maasszahl 130. Wesen, das Wesen einer S a c h e ist nicht durch H y p o t h e s e n zu finden 203. 204. 216—221; Unklarheit dieses Begriffs. Das Wesen einer Sache nichts anderes als die Ges a m m t h e i t ihrer Beziehungen 216. Widerstand, ein Faktor der mechanischen A r b e i t , g e n a n n t Kraft 156. Wiederholung, Wiederkehr, als Grundlage des Begreifens und Lernens 17. 19. 20. 145. 146; Wiederkehr der Zeit und der Dinge 84. 86; Definition der periodischen Erscheinungen 8 7 ; die Erleichterung der Wiederholung eine Eigenschaft des Lebendigen. Gedächtniss im allgemeinsten Sinne 367. 368; als Grundlage der K u n s t w i r k u n g 437. Wiener, Chr., Bemerkung ü b e r die Willensfreiheit 430. Wille, seine Bedeutung bei der Unt e r s c h e i d u n g von Aussenwelt und Innenwelt 66; E i n w i r k u n g auf die Aussenwelt z u n ä c h s t mechanisch 67. 154. 220. 372. 413; Schopenhauers Untersuchung über die Gründe des Wollens und über das Wesen des Willens 306. 413; als Element b e w u s s t e n Handelns 403. 4 1 3 ; ein Wollen ist nicht bei
natürlicher, sondern n u r bei bewusster Zweckmässigkeit anzunehmen 414—417; Wille und thierischer Instinkt 417. 418; Uebereinstimmung der Willensrichtung bei allen Lebewesen 420. 421; Unterschied der Willensemp f i n d u n g von der Handlung einerseits u n d vom Denken andererseits 422. 423; Gegensatz von Wollen u n d Denken; gegenseitige Beeinträchtigung. Falsche Behandlung des Willens bei der Erziehu n g 424. 425. 432; Eintritt einer W i l l e n s b e t h ä t i g u n g ; A u f w a n d von Energie; verhältnissmässige Auslösung. S c h ä d i g u n g des Willenso r g a n s 425—427; W i r k u n g des Willens auf die handelnden Org a n e ; beiderseitig u n a b h ä n g i g e Ers c h ö p f u n g 427; Willensübertragung auf andere Menschen 428. 429; Freiheit des Willens, Selbstbes t i m m u n g , Ueberlegung 430—432; die Wahl als Kennzeichen des freien Willens ist eine Folge des Denkens 431. 432. Wirklichkeit, nur zu erfassen durch den Begriff der Energie 242. Wirkung, als wesentliches Merkmal der Gleichheit 115; Verhältniss zur Ursache bei Robert Mayer 221. W i s s e n s c h a f t e n , ihr übereinstimmendes Verfahren 11. 309. 409; ihr G e s a m m t b e s t a n d durch fehlerhafte Theile nicht g e f ä r h d e t 12. 13. 309. 310; ihr Endzweck 16. 294; Haupta u f g a b e Herstellung reiner Begriffe 50; ihr W i d e r s t a n d gegen die Energetik 153; Rückfall neuerer Auff a s s u n g e n in alte Fehler 166; der Weg derselben geht v o m Verwickelten zum Einfachen 176. 224. 335; A n w e n d u n g der Hypothesen in ihnen 205—217; haben einen Bes t a n d gesicherter Erkenntnisse 211; ihre vergänglichen Ergebnisse sind die Hypothesen, die dauernden die Naturgesetze 211. 212; Darstellung der Erscheinungen nicht durch
SACHREGISTER H y p o t h e s e n , sondern durch Zahlen und algebraische Ausdrücke 213; enthalten H y p o t h e s e n im Gewände m a t h e m a t i s c h e r Darstellung 214; ihre Entdeckungen durch H y p o thesen nicht gefördert 215; in der Forschung ist die H a n d h a b u n g des Mannigfaltigkeitsbegriffes noch wenig ausgebildet 215. 216; die Wissenschaften des Raumes u n d der Zeit. A u f f a s s u n g der Arithmetik bei Kant 304; A u f g a b e u n d Arbeitsgebiete der besonderen Wissenschaften g e g e n ü b e r der Philosophie 313; ihre Aufgabe nach R. M a y e r 317; das Räthsel des Lebens als wissenschaftliche Aufg a b e 335; E r m u t h i g u n g der Lebensf o r s c h u n g durch leitende Gesichtsp u n k t e 348; die Wirklichkeit ist f ü r die Wissenschaft nur ann ä h e r n d erreichbar 375; Ueberschätzung der gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisse. Erw a r t u n g e n von der Z u k u n f t 380; die Tradition in Wissenschaft und K u n s t ist keine u n v e r b r ü c h l i c h e Norm 443; A u f g a b e und Entwickl u n g in W i s s e n s c h a f t und Kunst sind übereinstimmend die Gew i n n u n g angemessener Begriffe 445. Wohl- und Schlechtbefinden innere E m p f i n d u n g 60. Wörter, die gesprochenen Wörter als erstes Begriffszeichen 29; Dauerhaftigkeit mündlicher Ueberliefer u n g 3 0 ; Congruenz der g e s p r o chenen und geschriebenen 3 0 ; ihre Bedeutung u n b e s t i m m t und veränderlich 3 3 . 3 4 ; ihre g r a m m a t i s c h e Eintheilung 4 0 ; A b w a n d l u n g als Ausdruck ihrer Beziehungen 4 6 ; o h n e Abwandlung als weiterer Ausdruck der Beziehung a n d e r e r 46, Partikeln 47; verschiedene Bedeut u n g als Ursache von Streitigkeiten 65. Zahlenreihe, ist eine besondere Art der Mannigfaltigkeit 102. 304; Grundzahl und O r d n u n g s z a h l 103;
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ihre Definition 103; ist die einf a c h s t e aller möglichen Ordnungen 104; Bezeichnung nach Zehnereint h e i l u n g ; Ziffernschrift 104; verschiedene Definition je nach der Bedeutung der Null 107. 108; zweifache Zahlenreihe 110. 111; als A u s d r u c k von Grössen 129. 130. 132. 135; G r u n d l a g e der Mathematik 307. Zeichen, Z u o r d n u n g zum Begriff 27. 28. 100. 434; Laut- und Schriftzeichen, Formeln u n d S y m b o l e 28; Bezeichnung der Zahlen durch Ziffern 104. Zeit, als Gesetz der Mannigfaltigkeit und n ä c h s t e O r d n u n g der inneren Erlebnisse 80. 8 4 . 1 3 9 . 436; Stetigkeit 80. 81. 8 5 ; Interpolation 8 1 ; Uebertragung von den inneren auf die äusseren Erlebnisse 82. 8 4 ; Einfachheit, Darstellung durch eine Linie 83. 84. 8 5 ; o h n e Wiederkehr und einsinnig 84. 85. 250. 260. 265. 282; individuelle u n d allgemeine Zeit 8 5 ; scheinbare Wiederkehr und Kreislauf 86. 87. 249; Zeitbewusstsein ohne Raumbewusstsein ist möglich 8 8 ; ihre Theilung gegenüber der R a u m t h e i l u n g 8 9 ; Unbegrenztheit 106; ihre Messung durch gleichförmige Vorgänge 121. 122. 143. 144. 249. 266. 267. 273; u m f a s s t alles, w a s ü b e r h a u p t geschieht 140; U r s p r u n g des Zeitbegriffs 141. 266. 273. 303. 304; ist eine S t ä r k e 1 4 2 . 1 4 3 ; die Uebert r a g u n g eines gleichförmigen Vorg a n g e s in eine andere Zeit ä n d e r t seine Dauer nicht 144; als Faktor der Geschwindigkeit 186. 273. 275; ihre Einheit die Sekunde 1 8 6 . 1 8 7 ; Einsinnigkeit der Zeit b e s t e h t f ü r die reine Mechanik nicht 250; Einsinnigkeit der Zeit eine Folge der Wärmeenergie 260. 265. 282; anscheinende Beständigkeit oder Ewigkeit der Weltkörper 265; zun ä c h s t B e s t i m m u n g s s t ü c k der Bew e g u n g s e n e r g i e , s o d a n n aber des Geschehens ü b e r h a u p t 266. 2 6 7 ;
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SA
CHREGISTER
ihre Messung durch einen chemischen Vorgang 266. 267; alle Geschehnisse haben ihre Zeit 267. 298. 299; doppelte Quelle des Zeitbegriffs, mechanische unddissipative Zeit. Die chemische Energie enthält keine Zeitgrösse 275. 327; Erhaltungsgesetz der Zeit besteht in der Unveränderlichkeit der Vergangenheit 279; Gleichsetzung der Causalität und der zeitlichen Folge durch David Hume 294; Zeit und Raum ähnliche Begriffe wie das Causalgesetz 296. 303; Zeitmaass des energetischen Geschehens; Ursachen, Bedingungen, Auslösungen, Anlässe 298. 299; die Verhältnisse von Zeit und Raum als Causalgesetze 304. 305; eine Zeitwissenschaft ist nicht ausgebildet. Die Arithmetik ist keine solche 304; Regelung der Zeitverhältnisse bei chemischen Reaktionen durch Katalyse 298. 326. 327. 329; die zeitliche Dauer als der Endzweck der Organismen 332—334. 336. 337; ZeitkUnste, Musik und Poesie 435; bei den Zeitkünsten ist die Sinnesempfindung unerheblich 436. Zeitwort, Begriff und Beziehungen 45; Verhältniss zum Fürwort 46. Zerbrechen, ist energetisch die Entstehung von Oberflächenenergie 183. Zerstreuung, die Ausbreitung nicht gebundener Energie im unendlichen Raum 263. Ziffern, Bezeichnung der Zahlen 104.
Zukunft, ihre Erkenntniss und Beurtheilung ist der oberste Zweck der Begriffsbildung, Erfahrung und Wissenschaft 16. 296. 335. 409; ihre Erkundung durch den Begriff und das Denken 18.21.296.368.409. 419; ihr grosses technisches Problem, die Gewinnung der mechanischen Energie aus der chemischen 235. Zuordnung, des Zeichens zum Begriff 27. 28. 100. 434; der Stücke mehrerer Mannigfaltigkeiten 98. 99. 101; die grosse Bedeutung derselben 100. 101; einer ungeordneten Mannigfaltigkeit zur Zahlenreihe 102; einer stetigen Mannigfaltigkeit zur Ordnungszahl 125. 126; von Grössen und Zahlen 130. 131. 132; von Buchstaben und Grössen bei den Formeln 213. Zweck, die Weltanschauung eine Frage der Zweckmässigkeit und Einfachheit 82; ein Begriff, welcher der anorganischen Welt nicht angehört; zunächst gebildet für menschliche Thätigkeit; unangemessene Uebertragung auf die Organismen 332.336.362.363; Zweckmässigkeit der Organismen; ihr Endzweck ist ihr dauernder Bes t a n d ; Hilfszwecke Raum und Energie 332. 333. 334. 336. 337. 339. 409.414; verschiedene Zwecke verschiedener Gebilde, welchen ein Ding angehört 337; räumliche und energetische Zweckmässigkeit der Organismen 337—339.