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German Pages 216 [217] Year 2003
Verwaltungswissenschaften und Verwaltungswissenschaft
Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 159
Verwaltungswissenschaften und Verwaltungswissenschaft Forschungssymposium anlässlich der Emeritierung von Univ.-Prof. Dr. Dr. Klaus König
Herausgegeben von
lan Ziekow
Duncker & Humblot . Berlin
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 3-428-11360-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: hup:/Iwww.duncker-humblot.de
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Vorwort Der vorliegende Band fasst die Vorträge und Diskussionen des Symposiums "Verwaltungswissenschaften und Verwaltungswissenschaft" zusammen, welches das Forschungsinstitut fiir öffentliche Verwaltung Speyer zu Ehren seines früheren Geschäftsfiihrenden Direktors, Herrn Univ.-Prof. Dr. Dr. Klaus König, am 29. und 30. November 2002 veranstaltete. Dieser Rahmen bot fiihrenden Persönlichkeiten der Verwaltungs wissenschaft (oder Verwaltungswissenschaften?) in Deutschland Gelegenheit, sich um eine Selbstvergewisserung zu bemühen. Die Lust und Last der Vor- und Nachbereitung der Veranstaltung trugen mehrere Personen, denen an dieser Stelle herzlich gedankt sei: Frau Elisabeth Lerchenmüller fiir die Erstellung des druckfertigen Manuskriptes sowie gemeinsam mit Frau Sigrid Hübers und Herrn Dr. Thorsten Siegel fiir die Unterstützung bei der Durchführung des Symposiums, Frau !rene Eggensberger und Frau Ursula Jungkind fiir die mühevolle Transkription der Tonbandrnitschnitte. Speyer, im August 2003
Jan Ziekow
Inhaltsverzeichnis Begrüßung Jan Ziekow ............ ............................................................................................
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Ist Verwaltungs(Staats)wissenschaft möglich? Überlegungen am Beispiel des Werkes von Klaus König Gunnar Folke Schuppert ......................................................... .. .................. .....
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Verwaltungswissenschaften - multidisziplinär und interdisziplinär Juristische Verwaltungswissenschaft - multi-, trans- und interdisziplinär Wolfgang Hoffmann-Riem ............................................................... .................
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Der Beitrag der Rechtswissenschaft zu einer Verwaltungswissenschaft im Integrationsprozess Jan Ziekow ............... ...................... ....................................... ............................
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Betriebswirtschaftliche Verwaltungswissenschaft Christoph Reichard ........ ........... ....................... ......... .......................... ..... ........
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Betriebswirtschaftliche Verwaltungswissenschaft - Kommentar Klaus Lüder ......................................................................................................
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Politologische Verwaltungsforschung Arthur Benz ................... ...................... ........................ .... ........................... ... ...
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Politologische Verwaltungsforschung - Kommentar Carl Böhret ....... ............. ................ ............. .... ...... ............................................
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Verwaltungssoziologie und Verwaltungswissenschaft Hans-Ulrich Derlien .........................................................................................
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Soziologische Verwaltungswissenschaft - Kommentar Dorothea Jansen ..............................................................................................
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Aussprache zum Themenblock "Verwaltungswissenschaften - multidisziplinär oder interdisziplinär" ........ .................. .................... ................... ...................... .......
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Inhaltsverzeichnis
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Verwaltungswissenschaft - disziplinär und transdisziplinär
Podiums- und Plenumsdiskussion Hans Peter Bull Leitung: Podium:
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Winfried Brohm Christoph Engel Dieter Grunow Hermann Hill Hellmut Wollmann
Schlussworte: Theorien öffentlicher Verwaltung
Klaus König ....... ........ . ......... ... ... ..... ........ .. .. ..... . ....... .. .... .... ... ..... .. ... .... .. .. .. .... ....
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Teilnehmerverzeichnis ... ........... ..... .... ......... ......... ... ........ .... ............ ............. ...... ... ..
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Zur Bibliographie von Klaus König Zusammengestellt von Carsten Brenski ...... .. ............ ..... .. ...... .... .. ...... ... .... .......
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Begrüßung Von lan Ziekow Sehr geehrte Frau König, lieber Herr König, sehr geehrte Mitglieder des Forschungsinstituts, meine Damen und Herren, ich darf Sie ganz herzlich in Speyer zum Forschungssymposium "Verwaltungswissenschaften und Verwaltungswissenschaft" begrüßen und insoweit darf ich auch im Namen des Institutsvorstandes sprechen - meiner Freude Ausdruck verleihen, dass Sie gekommen sind, um über diese Grundfrage der Verwaltungsforschung zu reflektieren - in erster Linie aber, um den Kollegen zu würdigen, zu dessen Ehrung das Symposium stattfindet: Klaus König. Klaus König - und man vermag das wirklich nicht zu glauben - ist zum Ende des Sommersemesters 2002 als Universitätsprofessor an der Deutschen Hochschule fiir Verwaltungs wissenschaften emeritiert worden. Die in Anbetracht der Breite seines Schaffens gewaltige Lücke, die er als Hochschullehrer hinterlässt, wird kaum zu schließen sein. Ich darf aber einmal ganz egoistisch sein und sagen: Das Forschungsinstitut ist hiervon glücklicherweise nicht betroffen, denn Sie bleiben - lieber Herr König - dem Institut nicht nur als Mitglied, sondern sicherlich auch als Ratgeber, dessen Wort Gewicht hat, erhalten.
Deshalb soll dieses Forschungssymposium natürlich auch keine Summe des bisherigen Wirkens von Herrn König ziehen, sondern nur eine Zwischenbilanz des Selbstandes der Verwaltungswissenschaft - oder: Verwaltungswissenschaften? -, die Sie, Herr König, zum Anlass weiterer Grundlegungen nehmen werden. Nicht ohne Grund liegt der Schlussvortrag des Symposiums bei Ihnen. Zu dem Versuch, das Werk von Klaus König zu würdigen, möchte ich mich nicht versteigen. Mit dem Hinweis auf die gleich anschließenden Überlegungen von Herrn Schuppert, der insoweit sicherlich berufener ist als ich, darf ich mich exkulpieren. Gleichwohl ist natürlich nicht zu übersehen, dass das Thema unseres Symposiums, die Frage nach Disziplinarität, Interdisziplinarität und Transdisziplinarität der Verwaltungswissenschaft, Klaus König seit den frühen Stationen seines wissenschaftlichen Wirkens umtreibt. Ich gestatte mir einfach, den
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zu Ehrenden selbst zu Worte konunen zu lassen,· und aus seiner Habilitationsschrift "Erkenntnis interessen der Verwaltungs wissenschaft" zu zitieren: "Wir müssen daher ... den Gedanken verfolgen, ob zusammen mit den bestehenden Einzelwissenschaften eine integrierende Verwaltungstheorie denkbar ist, die nicht die Geschlossenheit oder Kohärenz klassischer Fachwissenschaften bedeuten würde, wohl aber einen Kembereich der Verwaltungsforschung mit offenen Grenzen gegenüber anderen an der öffentlichen Verwaltung interessierten Disziplinen ausmachen und die Möglichkeit bieten könnte, die spezifischen Dimensionen administrativen Handeins enger zu erreichen, als es die bloße Summierung von Rechtswissenschaft, Wirtschaftwissenschaft, Soziologie, Politischer Wissenschaft usw. ergibt. ,,)
Diese Habilitationsschrift entstand maßgeblich während der Tätigkeit von Herrn König als Wissenschaftlicher Referent am Forschungsinstitut. 1934 in Bad Schwarzbach (Schlesien) geboren, wurde Klaus König 1961 zum Dr. jur. und 1962 zum Dr. rer. pol. promoviert. Nach dem 1965 abgelegten juristischen Assessorexamen führte ihn der Weg zu earl Hermann Ule an das Forschungsinstitut, damals noch der Hochschule für Verwaltungs wissenschaften. Die in dieser Zeit unter Ules Federfiihrung bearbeiteten Forschungsprojekte "Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes" und "Entwurf eines Verwaltungs gerichtsgesetzes" haben auch heute noch in der rechtswissenschaftlichen Welt einen guten Klang. Die Jahre 1970/71 führten dann zu einem Perspektivenwandel, nämlich der Habilitation mit der bereits genannten Habilitationsschrift, der Verleihung der Lehrbefugnis für die Fächer Öffentliches Recht und Verwaltungslehre, der 1971 erfolgten Berufung auf den Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft, Regierungslehre und Öffentliches Recht an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer und damit zum Entwachsen aus dem Stand des Referenten hin zum professoralen Mitglied des Forschungsinstituts. Seitdem haben Sie, lieber Herr König, nicht allein die Forschung am Institut inspiriert, sondern seine Geschicke immer wieder gelenkt. Dass das Institut so dasteht, wie es heute dasteht - und ich denke, es steht gut da -, ist also wirklich nicht zum wenigsten Ihr Verdienst. Ein entscheidender Schritt erfolgte bereits, als Klaus König 1974-1976 Rektor der Hochschule war, und zwar als letzter Rektor in Personalunion Geschäftsfiihrender Direktor des Forschungsinstituts. Gemeinsam mit Frido Wagener, der anschließend erster Geschllftsfilhrender Direktor des FÖV in seiner neuen Form wurde, wurde das Forschungsinstitut als Institut, nunmehr bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften, verselbständigt. Der damit begonnene Prozess der Ernanzipierung beschäftigt das Institut noch immer und ist erst in jüngster Zeit zu einem vorläufigen Abschluss gebracht worden. Die innere Selbstvergewisserung bleibt allerdings nach wie vor eine wichtige Aufgabe, und das heute
) Klaus König, Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft, 1970, S. 247.
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und morgen stattfmdende Symposium ist in diesen Prozess eingebunden. Dies ändert nichts daran, dass sich die von Ihnen, Herr König, maßgebend mitinitiierte Verselbständigung als wissenschaftspolitisch außerordentlich weitsichtig erwiesen hat. Darauf hinzuweisen, dass Klaus König auch im engeren wissenschaftlichen Sinne mit Weitsicht Themenfelder besetzt hat, hieße in diesem Kreis schon fast, Eulen nach Athen zu tragen. Die Zahl seiner Veröffentlichungen strebt konsequent und unaufhaltsam der Vierstelligkeit entgegen, ist gleichwohl- wie sollte es bei diesem Autor auch anders sein - immer in größere selbstgestellte Aufgabenzusammenhänge eingebettet. Wenn ich im folgenden Einiges, notwendigerweise Weniges, erwähne, so darf ich mich auf Arbeiten konzentrieren, die in engerem Zusammenhang mit dem Wirken Klaus Königs am Forschungsinstitut stehen. Unter den Stichworten "Verwaltungssystem und Verwaltungsumwelt" seien zahlreiche Arbeiten zu den Formen und der KlassifIZierung staatlicher Steuerung, zur Governance-Diskussion und zu Entwicklung, Stand und Perspektiven der Verwaltung in Deutschland - auch unter den Voraussetzungen der Wiedervereinigung - sowie zur Verwaltungstransforrnation erwähnt. Zum Themenfeld "Öffentliche Aufgaben und Aufgabenkritik" fmden sich grundsätzliche Überlegungen zur Verortung öffentlicher Aufgaben - insbesondere im Zeichen einer intensiver werdenden Privatisierungsdiskussion. Der Frage nach den Bedingungen der Aufgabenerfiillung und ihrer Überprüfung, der "öffentlichen Entscheidung und Verwaltungskontrolle", sind beispielsweise Forschungen zur "Evaluation als Kontrolle der Gesetzgebung", ,,zur Überprüfung von Rechtsetzungsvorhaben des Bundes" oder ,,zur Verfahrensrationalität einer kontraktiven Aufgabenpolitik" gewidmet. Zwei Themenschwerpunkte des Schaffens von Klaus König darf ich besonders erwähnen. Das ist zum einen der Bereich "Modernisierung und Internationalisierung der Verwaltung". Seine umfassenden Erfahrungen vor allem im internationalen Bereich haben ihn zum Mahner gemacht, nicht einem kleinmaßstäblichen Konstruktivismus bei der Bestimmung von Modernisierungserfordernissen anheim zu fallen. Schon allein seine als "Speyerer Forschungsberichte" erschienenen Betrachtungen ,,zur Kritik eines neuen öffentlichen Managements" oder "Zur Managerialisierung und Ökonomisierung der öffentlichen Verwaltung" wünscht man sich in manchen Stabsstellen als Pflichtlektüre. Besonders am Herzen liegt Herrn König der Bereich Regierung. Hier fmden sich wichtige Studien, sowohl zur Regierungslehre - vieles jetzt dankenswerterweise zusammengefasst in dem Sammelband "Verwaltete Regierung - Studien zur Regierungslehre" - und zur Regierungsorganisation. Aus Sicht des Forschungsinstituts greife ich aus jüngerer Zeit nur den Aufsatz ,,Regieren als politisches Management und als öffentliche Governance" heraus - nicht nur deshalb, weil es sich um einen der zentralen Beiträge auf der wissenschaftlichen Arbeitsta-
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gung aus Anlass des 25jährigen Bestehens des FÖV im letzten Jahr handelte. Das Thema Regieren bestimmt auch seine aktuelle Forschung am Institut. Sowohl das Forschungsprojekt ,,Regieren in der vorgeschrittenen Modeme" als auch der Arbeitskreis "Regieren zu Beginn des 21. Jahrhunderts" bürgen dafiir, dass das Forschungsinstitut auch in Zukunft wesentliche Impulse aus dem Königschen Labor empfangen wird. Ein wesentliches Charakteristikum dieses Labors ist seine Lage: Es liegt nicht weltabgewandt in den Katakomben, sondern mitten und offen in den verschiedenen Erfahrungswelten von Klaus König. Sie reichen von der Tätigkeit als Richter im Nebenamt am Oberverwaltungsgericht Koblenz - darunter auch mit der Zuständigkeit fiir internationales Weinrecht - und seiner Arbeit als Ministerialdirektor im Bundeskanzleramt in den Jahren 1982-1987 bis hin zu zahlreichen Beratungstätigkeiten im In- und Ausland - darunter auch der Weltbank und der OECD - und verantwortungsvollen Positionen in verschiedenen Organisationen, etwa dem Internationalen Institut fiir Verwaltungswissenschaften oder der European Group ofPublic Administration. Dieser umfangreiche Erfahrungsschatz ist auch dem FÖV immer zugute gekommen, als langjähriges Vorstandsmitglied ebenso wie zuletzt 1996 bis 1999 als Geschäftsführender Direktor. Während dieser Zeit haben Sie, lieber Herr König, Grundlagen fiir den Umbau des FÖV gelegt, an die Herr Kollege Sommermann und ich gerne angeknüpft und von denen wir sehr profitiert haben. Die Gliederung des FÖV in drei Sektionen - ,,Modernisierung in Staat und Verwaltung", "Verwaltung in der Mehrebenenpolitik" und "Verwaltung zwischen Staat und Gesellschaft" - ist von Ihnen ebenso mitgestaltet worden wie die neue Mitgliederstruktur. Das Forschungsinstitut hat heute 24 Ordentliche und 13 Korrespondierende, insgesamt also 37 Mitglieder, von denen der größte Teil nicht in Speyer ansässig ist. Bis hierhin war seit der Verselbständigung des Instituts im Jahre 1976 ein langer Weg zu gehen. Und wir würden hier nicht mit dieser breiten Resonanz an Teilnehmerinnen und Teilnehmern versammelt sein und über "Verwaltungswissenschaften und Verwaltungswissenschaft" sprechen, wenn Sie, Herr König, nicht immer wieder Wege gebahnt hätten. Manche mögen es fiir ein typisches Problem grüblerischer Selbstbespiegelung halten, über die Notwendigkeit oder Nichtnotwendigkeit einer aus zwei Buchstaben - "e" und ,,n" - bestehenden Endung ein ganzes Symposium zu veranstalten. Ob es nun "Verwaltungwissenschaften" oder "Verwaltungswissenschaft" heißt - wen kümmert es? Die Hochschule, bei der das Forschungsinstitut eingerichtet ist, heißt ,,Deutsche Hochschule fiir Verwaltungswissenschaften Speyer". Herr Schuppert hat sein opus magnum "Verwaltungswissenschaft" betitelt - allerdings auch nicht ohne weiteres, sondern mit eingehender Begründung. Er kommt in der Sache zum gleichen Schluss wie Gerd Roellecke - der im übrigen auch den Singular verwendet -, dass sich nämlich die Verwaltungs-
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wissenschaft bei einer Multidisziplinarität der Ansätze von ihrem Gegenstand her bestinunt. 2 Die Verwaltung ist also der Scheideweg, an dem die an ihr interessierten Wissenschaften entlang balancieren. Der Verwaltungswissenschaftler ist - wie es Herr Schuppert in Anlehnung an eine Formulierung von Klaus-Eckart Gebauer formuliert hae - Grenzgänger von Beruf. Die Frage, wo solche Grenzen verlaufen - ja, ob es solche Grenzen geben kann - wird uns heute und morgen beschäftigen, wn - ich darf auf die Habilitationsschrift von Klaus König verweisen - den "Erkenntnisinteressen der Verwaltungs wissenschaft" ein weiteres Stück näher zu kommen. Zunächst wird Herr Schuppert am Beispiel des Werkes von Klaus König Überlegungen zur Grundfrage anstellen: "Ist Verwaltungs(Staats)wissenschaft möglich?". So gerüstet folgt ein großer Block, der sich der gleichsam ,,Pluralfrage" zuwendet: "Verwaltungswissenschaften - multidisziplinär und interdisziplinär". Das Problem wird dabei jeweils von unterschiedlichen disziplinären Ausgangspunkten aus angegangen und zunächst in einem Referat abgehandelt, woran sich ein kürzerer Kommentar anschließt. Aus Sicht der Rechtswissenschaft referiert Herr Richter am Bundesverfassungsgericht Hoffmann-Riem, den Kommentar habe ich übernommen. Herr Reichard wird das betriebswirtschaftliche Referat halten, Herr Lüder den entsprechenden Kommentar sprechen, während der Zugang der politologischen Verwaltungswissenschaft von Herm Benz dargestellt und von earl Böhret kommentiert wird. Die soziologische Perspektive wird von Herrn Derlien eingenommen, Kommentar von Dorothea Jansen gesprochen. Der morgige Vormittag steht dann im Zeichen des Singulars: "Verwaltungswissenschaft - disziplinär und transdisziplinär". Die Diskussion hierzu wird von Herrn Bull, dem Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats des Forschungsinstituts, geleitet, und als Diskutanten auf dem Podiwn haben sich freundlicherweise die Herren Brohm, Engel, Grunow, Hill und Wollmann bereitgestellt. Das Schlusswort gebührt dann Herrn König selbst und zwar zum Thema "Theorien öffentlicher Verwaltung".
2 Gerd Roellecke, Verwaltungswissenschaft - von außen gesehen, VerwArch 91 (2000), S. I (9ff.); Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 2000, S. 42. 3 Schuppert (Fußn. 2) S. 43, in Anlehnung an Klaus-Eckart Gebauer, Grenzüberschreitung "als Beruf" - Künftige Anforderungen an Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, in: Politik und Verwaltung auf dem Weg in die transindustrielle Gesellschaft. earl Böhret zum 65. Geb., 1998, S. 575 ff.
Ist Verwaltungs(Staats-)wissenschaft möglich? Überlegungen am Beispiel des Werkes von Klaus König* Von Gunnar Folke Schuppert
I. Klaus König als personifizierte Verwaltungswissenschaft Es wäre vielleicht naheliegend, den Eröffnungsvortrag einer Veranstaltung zu Ehren von Klaus König damit beginnen zu lassen, daß Klaus König als Staffelträger einer der interessantesten staatswissenschaftlichen Disziplinen - der Verwaltungswissenschaft - gewürdigt wird und ihn vor der Ahnemeihe von Lorenz von Stein und Robert von Mohl zu porträtieren. Damit würde - um einen im Arsenal der Demokratietheorie des Bundesverfassungsgerichts unentbehrlichen Begriff zu bemühen - eine Legitimationskette geschmiedet, die Herrn König - dessen bin ich mir sicher - gut stünde und mit der mehr Staat zu machen wäre als mit der Amtskette eines Rektors oder eines Oberbürgermeisters. Ich möchte mich der Person und des Werkes von Klaus König aber gerne auf etwas andere, nicht so pompöse Weise nähern und - was den Jubilar hoffentlich ebenso überrascht wie erfreut - eine Parallele zu Caroline von Monaco ziehen, einer Person der Zeitgeschichte, mit der sich das Bundesverfassungsgericht wiederholt beschäftigen durfte; in seinem ihr gewidmeten Urteil vom 15.12.1999 hat das Gericht eine Tendenz zur Personalisierung des Zeitgeschehens ausgemacht und dazu folgendes ausgefiihrt': ,,Personalisierung bildet ein wichtiges publizistisches Mittel zur Erregung von Aufmerksamkeit. Sie weckt vielfach erst das Interesse an Problemen und begründet den Wunsch nach Sachinformationen. Auch Anteilnahme an Ereignissen und Zuständen wird meist durch Personalisierung vermittelt. Prominente Personen stehen überdies für bestimmte Wertvorstellungen und Lebenshaltun-
* Überarbeitete und aktualisierte Fassung des auf dem Forschungssymposium "Verwaltungswissenschaften und Verwaltungswissenschaft" am 29./30.11.02 gehaltenen Vortrages; die Vortragsform wurde beibehalten. I Hier zitiert nach dem Abdruck im Archiv für Presserecht (AfP) 2000, S. 80.
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Gunnar Folke Schuppert gen. Vielen bieten sie deshalb Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen. Sie werden zu Kristallisationspunkten für Zustimmung oder Ablehnung und erfüllen Leitbild- oder Kontrastfunktionen. Darin hat das öffentliche Interesse an den verschiedensten Lebensbezügen solcher Personen seinen Grund."
Es dürfte leicht erkennbar sein, worauf ich mit dieser Passage hinaus will: wer sich fiir Verwaltungs wissenschaft interessiert, wird und muß sich fiir Klaus König interessieren. Er ist ein Kristallisationspunkt oder - anders gewendet die Personifizierung dieser Disziplin. Angesichts des auch in der Wissenschaft nicht aufhaltbaren Trends zur Personalisierung kann es daher auch nicht ausbleiben, wenn sich das Interesse an herausragenden Vertretern einer Disziplin auch medial entlädt, etwa in Kolloquien oder Symposien zu Lieblingsthemen der jeweiligen Person der Wissenschaftsgeschichte, Veranstaltungen also, in denen Schüler, Kollegen und Freunde zusammentreffen, um über die Identität ihrer Disziplin und ihre eigene Rolle darin nachzudenken. Auch davon weiß die Medienforschung etwas zu sagen, wenn sie - allerdings bezogen auf die Unterhaltungspresse - dazu folgendes ausfiihrf: "Neben dieser sozial integrierenden Wirkung trägt der mediale Klatsch ... auch zur Identitätsbildung bei den Mitgliedern der Gesellschaft bei. Prominente dienten als Identifikations- und Projektionsobjekte, lieferten den Medienkonsumenten also ein mögliches ,Modell für eigenes Handeln'. Dabei werden auch soziale Normen herausgebildet."
Mit diesem Zitat will ich nicht etwa - das wäre ja frevelhaft - behaupten, wir hätten es bei dieser hier zu begehenden Veranstaltung mit dem Austausch von medialem Klatsch zu tun; zweifellos aber - das verraten der Titel der Veranstaltung und die fast vollständige Präsenz der Vertreter der verwaltungswissenschaftlichen scientific community - sind wir zusammen, um über unsere kollektive Identität als Verwaltungswissenschaftler zu räsonieren und darüber hinaus auch darüber nachzudenken, was diese Disziplin leisten könnte und sollte. Daß Klaus König in einem solchen Dialog über die Rolle der Verwaltungswissenschaft eine prominente Rolle beanspruchen kann, ist vor allem drei Aspekten geschuldet, die gleichzeitig drei Facetten seiner wissenschaftlichen Person ausmachen und die in dieser Kombination selten anzutreffen sein dürfte: •
Erstens hat Klaus König in seiner 1970 erschienenen Habilitationsschrift über die Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft,,3 den Versuch unternommen - wie er es selbst im ersten Satz des Vorwortes formuliert
2 Wolfgang Janisch, Art. 5 Abs. 1 GG und die legitime Neugier des Medienpublikums, in: AfP 2000, S. 32, 33. 3 Duncker und Humblot, Berlin 1970.
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hat -, "eine erkenntnistheoretisch-methodische Vorstellung von dem Umfang einer die Verwaltungsrechtslehre überschreitenden, umfassenden Verwaltungswissenschaft zu ermitteln." Seiner eigenen Disziplin ein theoretisches Fundament gegeben zu haben, kann weiß Gott nicht jeder von sich behaupten. Das macht auch zu Recht selbstbewußt, wie die folgende Beobachtung belegt: bei einer Tagung mit wichtigen Teilnehmern aus der verwaltungswissenschaftlichen "Szene" raunte mir Herr König leise zu: "Eigentlich bin ich der einzige hier, der wirklich weiß, was Verwaltungswissenschaft ist." Natürlich hätte ich mich über diese eher zutreffende Bemerkung noch mehr gefreut, hätte er mir augenzwinkernd eine ZweierKoalition der Insider angeboten, aber so tröste ich mich damit, daß ich heute hier den Eröffnungsvortrag halten darf. Für Klaus König ist die Verwaltungswissenschaft Integrationswissenschaft, die verschiedene Ansätze aufgreifen und fruchtbar miteinander verbinden wi1l4 . Diese Konzeption hat vielfach Anerkennung erfahren, und ich möchte Ihnen heute, lieber Herr König, eine späte Frucht Ihrer theoretischen Wegweisungen überreichen, indem ich aus dem Gründungskonzept für die Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Erfurt vom 1. August 1998 zitiere, in dem die Gründungsidee einer fächerübergreifenden staatswissenschaftlichen Fakultät wie folgt begründet wird5: "Es ist also aufgegeben, die überkommenen Fakultäts- und Disziplingrenzen zu überschreiten und die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften nicht bloß additiv, sondern integrativ miteinander zu verknüpfen. Freilich wäre es verfehlt, dabei die disziplinär geprägten Problemstellungen und die sie tragenden Wertgesichtspunkte zu ignorieren. Vielmehr sollten sie zueinander in Beziehung gesetzt werden, ohne daß man die fruchtbare Spannung zwischen ihnen zum Verschwinden bringt."
•
Zweitens hat Klaus König an höchster Stelle Staats- und Verwaltungswissenschaft praktiziert. Als Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt - in Berlin jetzt auch architektonisch leicht als zentrale Schaltstelle der Macht erkennbar - hat Klaus König diese Schalthebel selbst bedient und das Zusammenwirken der Steuerungsschienen politischen Handelns - Progranun,
4 Klaus König, Erkenntnisinteressen ... , (Fn. 3), S. 8: "Aus den Bestrebungen, über die Zusarnmenzählung von Verwaltungs-Rechtslehre, Verwaltungs-Betriebswirtschaftslehre, Verwaltungs-Soziologie, Verwaltungs-Psychologie usw. hinaus weiterreichende Zusammenfügungen zu finden, erhält auch die vorliegende Untersuchung einen spezifischen Sinn. Sie ist nicht nur dann, wenn sie sich unmittelbar auf Integrationen in den Sozialwissenschaften bezieht, sondern von vornherein im Hinblick auf die wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen einer integrierenden Verwaltungstheorie zu lesen." 5 Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Erfurt, Stand: I. August 1998. 2 Ziekow
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Gunnar Folke Schuppert
Organisation, Verfahren und Personal - vor Ort studieren und dariiber auch kundig publizieren können6 • Wir haben es also in der Person des heute zu Ehrenden mit der in Deutschland beklagenswert seltenen Spezies der Praktiker/Theoretiker-Kombination zu tun, dessen befruchtendes Potential - ich nenne nur das Beispiel Ernst-Hasso Ritters7 - nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. •
Drittens schließlich kann Klaus König als so etwas wie ein Seismograph der Verwaltung im Wandel bezeichnet werden; ich kenne keinen anderen Autor, der dem Wandel des Gegenstandes seiner Disziplin - der öffentlichen Verwaltung - so konsequent auf der Spur geblieben ist: dies gilt - um nur zwei Beispiele aus dem Füllhorn seiner Beiträge zu nennen - für die von ihm wissenschaftlich begleitete Transformationsforschung8 ebenso wie für den gerade erst von ihm herausgegebenen Band mit dem Titel ,,Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert,,9.
Nach alle dem scheint uns hinreichend belegt, daß es die Disziplin der Verwaltungswissenschaft nicht nur tatsächlich gibt, sondern daß man sie auch in Gestalt von Klaus König als PersonifIzierung dieser Disziplin in Augenschein nehmen kann. Nun scheint uns aber auch der Zeitpunkt gekommen zu sein, die Person hinter die Sache zurücktreten zu lassen und zu fragen, ob denn das Betreiben von Staats- und Verwaltungswissenschaft - unsere "cosa nostra" sozusagen - unter den heutigen Bedingungen einer ausgeprägten Ausdifferenzierung der Wissenschaftslandschaft überhaupt ein sinnvolles Unterfangen ist. Beginnen wir mit der Staatswissenschaft, einer Disziplin, die nach weit verbreitetem Urteil weder existiert noch existieren könnte und sollte.
6 Klaus König, Das Bundeskanzleramt als komplexe Organisation, in: FischIBoes (Hrsg.), Vom Umgang mit Komplexität in Organisationen, Konstanzer Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Forschung, Bd. 5, Konstanz 1990, S. 149 fT.; derselbe, Koordination in der arbeitsteiligen Regierung - zur Lage in Deutschland -, in: Zeitschrift fiir Verwaltung 1993, S. 10 ff. 7 Zu erinnern ist nur an den bahnbrechenden Aufsatz ,,Der kooperative Staat. Bemerkungen zum Verhältnis von Staat und Wirtschaft", in: Archiv des öffentlichen Rechts (AöR) 104 (1979), S. 389 ff. S Klaus König, Die Transformation der öffentlichen Verwaltung: Ein neues Kapitel der Verwaltungswissenschaft, in: Rainer Pitschas (Hrsg.), Verwaltungsintegration in den neuen Bundesländern, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 110, Berlin 1993, S. 29 ff.; derselbe, Verwaltungsstaat im Übergang. Transformation, Entwicklung, Modernisierung, Baden-Baden 1999. 9 Klaus König (Hrsg.), Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert, Baden-Baden 2002.
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11. Ist Staatswissenschaft heute möglich? Wenn wir unseren Überlegungen einen Befund zur Lage der Staatswissenschaft voranstellen wollen, so ist dieser - da hilft kein Deuteln - von großer Eindeutigkeit. Die alte klassische Staatswissenschaft ist nach allgemeinem Urteil unwiderruflich in ihre Einzeldisziplinen zerfallenlO , und die ihr verwandtschaftlich nahestehende Disziplin der Allgemeinen Staatslehre habe sich - so hört man allerorten - schlicht überlebtlI. Wer nicht nur dem Chor der Grabredner zuhören will, sondern wem an einer noch eindeutigeren Manifestation des Untergangs der klassischen Staatswissenschaft gelegen ist, der sei an das Schicksal der traditionsreichen, 1844 ins Leben gerufenen ,,zeitschrift fiir die gesamte Staatswissenschaft" erinnert, die seit 1986 auf den offenbar aus einer anderen Welt stammenden Titel "JITE" hört: in diesem "Journal ofInstitutional and Theoretical Economics" publizieren - wie schon seit längerem in der Zeitschrift fiir die gesamte Staatswissenschaft - fast ausschließlich Ökonomen einer bestimmten Forschungsrichtung. Trotz dieses niederschmetterndes Befundes mehren sich die Stimmen, die nicht nur die Disziplin der Staatswissenschaft wiederbeleben wollen 12, sondern die ganz dezidiert ihre Neubegründung fordern und daher von einer ,,Neuen Staatswissenschaft" sprechen \3. Wir halten dies fiir richtig, haben die diesbezügliche Anregung Andreas Voßkuhles vorweggenommen und eine ,,staatswissenschaft" geschrieben, die im Herbst das Licht der Öffentlichkeit erblicken SOllI4. Ein solches Vorhaben wird sich vor allem zwei Einwänden gegenübersehen, denen wir uns kurz zuwenden wollen und die sich - um das Ergebnis unserer Prüfung vorwegzunehmen - bei näherem Hinsehen eigentlich als Argumente in favorem des Projektes Staatswissenschaft verstehen lassen.
10 Siehe dazu mit zahlreichen Nachweisen den instruktiven Beitrag von Helge Peukert, Das Konzept der Staatswissenschaften, Manuskript, Erfurt 2002. 11 Eindrucksvoll dazu Christoph Schönberger, Der "Staat" der Allgemeinen Staatslehre: Anmerkungen zu einer eigenwilligen deutschen Disziplin im Vergleich mit Frankreich, in: Olivier Beaud/Erk Volkmar Heyen (Hrsg.), Eine deutsch-französische Rechtswissenschaft? Kritische Bilanz und Perspektiven eines kulturellen Dialogs, BadenBaden 1999,S. 111-137. 12 Siehe etwa Thomas EllweiniJoachim Jens Hesse (Hrsg.), Staatswissenschaften: Vergessene Disziplin oder neue Herausforderung?, Baden-Baden 1990; siehe ferner Wolfgang Drechsler, On the Viability of the Concept of Staatswissenschaften, in: European Journal ofLaw and Economics 12 (2001), S. 105 ff. 13 Andreas Voßkuhle, Der "Dienstleistungsstaat". Über Nutzen und Gefahren von Staatsbildern, in: Der Staat, 40 (2001), S. 495 ff. 14 Nomos-Verlag, Baden-Baden.
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Gunnar Folke Schuppert
1. Zwei Haupteinwände gegen das Projekt einer Erneuerung der Staatswissenschaft a) Staatswissenschaft ohne Staat oder zur Suche der Staatswissenschaft nach ihrem Gegenstani 5
Das mit dieser Überschrift angesprochene Argument ist leicht nachzuvollziehen: wenn der Staat - wie seine Grabredner behaupten l6 - zerfällt, erodiert, abstirbt, entzaubert, abdankt oder sonst wie sein Ende [mdet, macht auch eine Disziplin wie die der Staatswissenschaft keinen Sinn mehr: ihr Gegenstand wäre ihr schlicht abhanden gekommen. Die von Peter Saladin gestellte Frage "Wozu noch Staaten?,,17 wäre um die Frage zu ergänzen "Wozu noch Staatswissenschaft?". Wir sind der Auffassung, daß genau andersherum ein argumentativ überzeugender Schuh daraus wird. Denn wir sind der festen Überzeugung, daß es keine wirklich lohnende Beschäftigung ist, sich um das Krankenbett des Staates m versammeln, stündlich - wie bei Aktienkursen - seine Fieberkurve nachzuzeichnen und darüber zu spekulieren, wie lange er noch leben wird. Denn es könnte sein, daß man bei einer solchen Geschäftigkeit gar nicht merkt, daß das zu untersuchende Objekt gar nicht mehr der vertraute klassische Nationalstaat ist, sondern ein gewandelter Staat, ein Staat, der auf die beobachtbare Erosion seiner äußeren wie inneren Souveränität l8 durch Transjormationsprozesse reagiert, mit denen er sich einer sich wandelnden Umwelt anzupassen vermag. Mit anderen Worten: was wir als Zeitgenossen miterleben können, ist ein Prozeß des Wandels von Staatlichkeit, ein Prozeß, der am deutlichsten am Prozeß der Transnationalisierung und Internationalisierung des Nationalstaates hervortritt, aber auch an der ,,Heirnatfront" zu beobachten ist, wie die Stichworte des ,,kooperativen Staates" und des "Gewährleistungsstaates" belegen. Das alles sind tiefgreifende und überaus spannende Entwicklungsprozesse, die zu beobachten, zu analysieren, zu erklären und zu bewerten sind und die eine so komplexe Struktur aufweisen, daß der überkonunene Staatsbegriff schwerlich 15 In Anlehnung an den Beitrag von Claus Offe, Die Staatstheorie auf der Suche nach ihrem Gegenstand. Beobachtungen zur aktuellen Diskussion, in: Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft, Bd. I (1987), S. 309 ff. 16 Siehe dazu Thomas Vesting, Das Ende der Fürsorglichkeit - Abschiedsliteratur zum Staat, in: Europäisches Zentrum für Staatswissenschaften und Staatspraxis, Diskussionspapiere zu Staat und Wirtschaft, 29/200 I. 17 Peter Saladin, Wozu noch Staaten? Zu den Funktionen eines modemen demokratischen Rechtsstaates in einer zunehmend überstaatlichen Welt, Bem 1995. 18 Dieser Befund findet sich knapp zusammengefaßt bei Dieter Grimm, Einleitung, in: derselbe (Hrsg.), Staatsaufgaben, Baden-Baden 1994, S. 1 ff.
Ist Verwaltungs(Staats-)wissenschaft möglich?
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ausreicht, um diejenigen institutionellen Arrangements begrifflich angemessen zu erfassen, die im Verlaufe des Prozesses der Entnationalisierung und der zunehmenden Binnenpluralisierung des Staates entstehen. Da es immer schwerer zu erkennen ist, wo der "ausfransende" Staat aufuört und - unter vielgestaltiger Beteiligung nicht-staatlicher Akteure - neue Formen von Governance entstehen und was die im Gefolge der Transnationalisierung entstehenden Gebilde wie etwa die EU "eigentlich" sind - Staatenverbindungen, Fast-Staaten oder Gebilde sui generis - bedarf es aller nur verfügbaren analytischen Kompetenz, um diese Metamorphosen der Staatlichkeit wissenschaftlich auch nur halbwegs hinreichend zu erfassen. Dies kann nur im Zugriff mehrerer Disziplinen gelingen: den Wandel von Staatlichkeit zu untersuchen, ist notwendig ein multidisziplinäres Projekt. Es geht also nicht riickwärtsgewandt darum, einen überlebten Nationalstaatsbegriff - wie beim Typ wirtschaftlicher "Erhaltungssubventionen" - durch methodische Denkmalpflege am Leben zu erhalten, sondern um die wirklich aufregende Fragestellung, was aus dem Jellinekschen Staat mit seiner Trias von Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt inzwischen geworden ist und weiter wird. Es geht also nicht um die Pflege von Erinnerungsdiskursen , sondern um in der Tat neue Herausforderungenfor Staatswissenschaft und Staatslehre l9 • Aber es geht nicht nur um die staatswissenschaftlich zu untersuchende Zukunft von Staatlichkeit, sondern vor allem auch um die Zukunft demokratisch legitimierter Staatlichkeit: zu den Funktionsbedingungen von Demokratie als Verfahren der Legitimation und Kontrolle staatlicher Herrschaft gehörten eben jene gerade aufgezählten Kongruenzen von Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt; wo diese sich auflösen, bedarf es - wie das Stichwort vom strukturellen DemokratiedefIzit Europas hinreichend verdeutlicht - neuer Legitimationskonzepte und Legitimationsverfahren. Auch die Zukunft der Demokratie ist wie die Zukunft von Staatlichkeit notwendig ein multidisziplinäres Projekt, und es wird die Aufgabe einer erneuerten Staatswissenschaft sein, sich dieser beiden Projekte anzunehmen. Und wenn sie dabei kompetent zu Werke geht, so wird sie damit - um auch einmal eine Prognose zu wagen - als Disziplin Karriere machen.
19 Vgl. Peter Pernthaler, Die Globalisierung als Herausforderung an eine modeme Staatslehre, in: Heinz SchäfTer u.a. (Hrsg.), Staat - Verfassung - Verwaltung, Festschrift anläßlich des 65 . Geburtstages von Friedrich Koja, WienlNew York 1998, S. 69-84; siehe ferner Horst Dreier, Die drei Staatsgewalten im Zeichen von Europäisierung und Privatisierung, in: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 2002, S. 537-547.
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b) Staatswissenschaft: ein wissenschaftstheoretisch zum Scheitern verurteiltes interdisziplinäres Projekt? Für manche Autoren20 können die Allgemeine Staatslehre oder eine erneuerte Staatswissenschaft schon deswegen nicht funktionieren, weil sie interdisziplinäre Projekte sind; es geht also - wie die nachstehend zitierte Passage zeigt - gar nicht primär um "unsere Lieblingsdisziplin" - die erneuerte Staatswissenschaft -, sondern um die wissenschaftstheoretische Bedenklichkeit interdisziplinären
Tuns an sich21 :
"Die neuere Wissenschaftstheorie behandelt interdisziplinäre Vorhaben zumeist mit Skepsis22 . Dies hängt zunächst damit zusammen, daß wissenschaftliche Disziplinen weniger um einen bestimmten Gegenstand herum entstehen, als vielmehr entlang einer bestimmten Fragestellung. Damit ist die wissenschaftliche Zusammenarbeit aber systematisch erschwert, denn das Interesse fiir einen gemeinsamen Gegenstand allein begründet keine interdisziplinären Erkenntnisinteressen. Dies bedeutet nicht, daß ein Gespräch zwischen verschiedenen Disziplinen von vornherein ausgeschlossen ist. Diese Notwendigkeit ergibt sich aber vor allem dann, wenn es darum geht, wissenschaftliche Disziplinen aus der eigenen Stagnation zu befreien. Interdisziplinarität ist ein ,Reparaturphänomen'23, das sich zudem meistens in einer punktuellen, an der Lösung von Einzelfragen orientierten Weise vollzieht, die die Wissenschaftstheorie unter dem Stichwort ,Transdisziplinarität' diskutiert. Für das Staatsrecht bedeutet dies: Nachfragen bei Nachbardisziplinen sind erforderlich, sie verdichten sich aber kaum zu einer eigenen neuen wissenschaftlichen Form, der Staatslehre, die den Gegenstand Staat als GarlZen erfassen kann." Aber damit nicht genug. Wer trotz der Schwierigkeiten interdisziplinären Forschens und gerade wegen der Einsicht in die Notwendigkeit der methodischen Autonomie der Einzeldisziplinen sich - wie wir - damit begnügen will, mehrere Disziplinen dialogisch aufeinander zu beziehen und als dafiir geeigneten Ort die Arbeit mit interdisziplinären Verbundbegriffen ansieht, muß sich
20 Vg1. stellvertretend Christoph Möllers, Staat als Argument, München 2000, S. 418 fI. 21 Möllers (Fn. 20), S. 419. 22 L. Assmann, Interdisziplinarität: Erkenntnis oder Mißverständnis?, in: H. Dietz u.a. (Hrsg.), Gähnende Lehre, Berlin 1999, 140, 140 f.; L. Krüger, Einheit der We1tVielheit der Wissenschaft, in: 1. Kocka (Hrsg.), Interdisziplinarität, Frankfurt a.M. 1987, 106, 111; N. Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1990, 407. 23 So J. Mittelstraß, Die Stunde der Interdisziplinarität, in: Leonardo-Welt, 1992,96, 102; pointierte Kritik auch bei S. Fish, Being Interdisciplinary Is So Very Hard to Do, in: There's No Such Thing As Free Speech, Oxford u.a. 1994,231,238 ff.
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vorhalten lassen, mit der Verwendung solcher Begriffe etwas krampfhaft miteinander zu verknüpfen, was einfach nicht zusammengehörf4 : "Wissenschaftliche Disziplinen sind Interpretationsgemeinschaften25 : Sie schaffen den Bezugsrahmen, in denen aus Ausdrucken Begriffe werden. Begriffe stellen damit die spezifische Innenseite einer Disziplin dar. Beschränkt man sich darauf, verschiedene Fragestellungen durch Tenninologie ,äußerlich zu leimen,26, so fallen diese Tennini vom Status des wissenschaftlichen Begriffs zurück zur bloßen Wortbedeutung oder zu einer alle ,Rechtssprachen übergreifenden Poesie,27." Wir selbst ziehen uns diesen Schuh nicht an, weil das von Möllers angeprangerte Tun unser Geschäft nicht ist. Es geht uns gerade nicht um eine zusammenleimende Staatswissenschaft, um einen die Kompetenz der Einzeldisziplinen vermischenden Methodensynkretismui 8 oder gar um die Proklamierung einer eigenen staatswissenschaftlichen Methode: auf einem solchen Vorhaben läge in der Tat - darin geben wir Möllers vollkommen Recht - kein Segen. Worum es geht, ist - und insoweit schätzen wir den Wert multi- oder gar inter-disziplinären Arbeitens trotz mancherlei widriger Erfahrungen deutlich höher ein -, durch das Aufeinanderbeziehen verschiedener disziplinärer Ansätze insgesamt zu einem Zugewinn an analytischer Kompetenz zu gelangen. Wenn der Mehrwert multidisziplinären Vorgehens allerdings nicht deutlich würde da sind wir dem Möllersehen Kritikansatz ganz nahe verbunden -, dann wäre in der Tat ein Projekt wie das der erneuerten Staatswissenschaft schwerlich plausibel zu machen. Wir glauben aber, daß es einen solchen Mehrwert gibt und halten zum Beleg fiir diese These die folgenden Überlegungen fiir hilfreich. Das Besondere einer erneuerten Staatswissenschaft - wie wir sie verstehen besteht gerade darin, eine Mehrzahl von disziplinären "approaches" an den gemeinsam interessierenden Gegenstand des Staates fiir methodisch richtig und fruchtbar zu halten, so daß es gar nicht darum gehen kann, eine historisch gewachsene Ausdifferenzierung der klassischen Staatswissenschaft zurückdrehen zu wollen. Bei Peter Badura heißt es dazu zutreffend wie folgr 9 : 24 Christoph Möllers, Theorie, Praxis und Interdisziplinarität in der Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Verwaltungs-Archiv 2002, S. 22 ff., 46. 25 Fn. 24, S. 45/46. 26 So die Fonnulierung bei H. Heller, Staatslehre (1934), S. 69, zur Allgemeinen Staatslehre Georg Jellineks. 27 Ausdruck E. Blankenburg, Diskurs oder Autopoiesis: Lassen sich Rechtsheorien operationalisieren?, ZfRSoz 15 (1994),115,116. 28 Vgl. Peter Badura, Die Allgemeine Staatslehre heute. Vorwort zur zweiten Auflage "Die Methoden der neueren allgemeinen Staatslehre", Goldbach bei Aschaffenbach,
1998, S. VII. 29 Fn. 28, S. XII.
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Gunnar Folke Schuppert "Die vitalen Fragen und Gegenstände der Allgemeinen Staatslehre, soweit sie nicht in das Arbeitsfeld der Staatsrechtslehre zurückgekehrt sind, finden heute in der politischen Wissenschaft, in der Soziologie, in der Rechtstheorie und Methodenlehre, in der Verfassungsgeschichte und in der Staatsphilosophie die ihnen methodisch angemessene Behandlung. Die" multiplicity 0/ approaches" der überkommenen Allgemeinen Staatslehre, die in der Dissertation von 1959 mit dem Beifall der Rezensenten (Hans Huber, Juristenzeitung 1960 Nr. 18; Christian-Friedrich Menger, Deutsches Verwaltungsblatt 1960 Nr. 24; kritisch Alexander Hollerbach, Philosophisches Jahrbuch Bd. 70/1, S. 217) als Charakteristikum betont wurde, hat sich in eine die methodische Einheit sprengende Vielfalt interdisziplinärer Verzweigung verwandelt."
Geht es um eine Mehrzahl von je eigenen disziplinären Zugängen, so ist die Mehrzahl der damit verbundenen Methoden nicht nur zu respektieren oder notgedrungen hinzunehmen, sondern Funktionsbedingung für die Erzeugung des von uns angestrebten Zugewinns an analytischer Kompetenz, so daß wir - mit einem Aufsatztitel von Roland Czada gesprochen - disziplinäre Identität als Voraussetzung interdisziplinärer Verständigung verstehen30 •
2. Zur Arbeitsweise einer "Neuen Staatswissenschaft" Wenn es also darum geht, durch eine multidisziplinäre Beschäftigung mit dem Staat die Sehschärfe zu erhöhen und die analytische Kompetenz zu mehren, so bedarf es dazu geeigneter Arbeitstechniken, die es ermöglichen, den Gegenstand "Staat" aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, die so gewonnenen Einsichten miteinander zu vergleichen und sie auf diese Weise miteinander kommunizieren zu lassen. Dies könnte wie folgt funktionieren: a) Zur Arbeit mit interdisziplinären Verbundbegriffen Eine - wie wir fmden - sehr fruchtbare Arbeitstechnik ist die Arbeit mit interdisziplinären Verbundbegriffen, die als Brückenbegriffe zwischen den Disziplinen fungieren und so eine disziplinenübergreiJende Kommunikation ermöglichen; in unserem Lehrbuch der Verwaltungswissenschaft hatten wir diese Arbeitstechnik wie folgt skizzieret:
30 Roland Czada, Disziplinäre Identität als Voraussetzung interdisziplinärer Verständigung, in: Kilian Bizer u.a. (Hrsg.), Responsive Regulierung. Beiträge zur interdisziplinären Institutionenanalyse und Gesetzesfolgenabschätzung, Tübingen 2002, S. 25 ff. 31 Verwaltungswissenschaft. Verwaltung, Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre, Baden-Baden 2000, S. 46.
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"Geht es in der Verwaltungswissenschaft darum, verwaltungsbezogene Fachdiskurse verschiedener Disziplinen aufeinander zu beziehen und füreinander fruchtbar zu machen, so verspricht für die Verwaltungswissenschaft als discipline carrefour die Beschäftigung mit solchen Begriffen besonderen Ertrag, die ebenfalls carrefour-Qualitäten haben, in denen also verschiedene Disziplinen einander kreuzen und damit notwendigerweise zueinander in eine Kommunikationsbeziehung treten. Solche Begriffe, die einen Dialog zwischen den Disziplinen ermöglichen, ohne ihnen Überfremdungserlebnisse zuzumuten, kann man etwas umständlich - als Schlüsselbegriffe der Perspektiven verklammerung bezeichnen 32 oder - wesentlich eleganter - als interdisziplinäre Verbundbegriffe oder auch Brückenbegriffe33 . Interdisziplinäre Verbundbegriffe zeichnen sich durch ihre Eigenschaft aus, verschiedene disziplinäre Fachdiskurse und ihre Ergebnisse miteinander zu verkoppeln, in unserem Fall also sowohl sozial- wie rechtswissenschaftliche Erkenntnisse zu strukturieren und gleichzeitig dem jeweiligen Fachdiskurs als Katalysator und zugleich als Brückenbegriffzu dienen. Als solche interdisziplinären Verbundbegriffe oder Brückenbegriffe fungieren u.a.: •
der Begriff der öffentlichen Aufgabe,
•
der Begriff der Handlungsform,
•
der Begriff der Steuerung,
•
die Begriffe Verantwortung und Verantwortungsteilung,
•
der Begriff der Organisation und
•
die Begriffe Kommunikation, Entscheidung, Verfahren.
Es ist daher naheliegend, diese das Grenzgängertum des VerwaItungswissenschaftIers erleichternden, ja eigentlich erst ermöglichenden Brückenbegriffe als Gerüst rur eine lehrbuchmäßige Darstellung der Verwaltungswissenschaft zu verwenden und sie zugleich als übergreifende Ordnungsperspektiven fungieren zu lassen, um so der sonst überbordenden Stoff'ulle gliedernd Herr werden zu können."
32 Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen G. F. Schuppert, Schlüsselbegriffe der Perspektivenverklammerung von Verwaltungsrecht und Verwaltungswissenschaft, in: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht. Werkstattgespräch aus Anlaß des 60. Geburtstages von Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Beiheft 2 zu "Die Verwaltung" 1999, S. 103-125. 33 Hans-Heinrich Trute, Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff eines sich verändernden Verhältnisses von öffentlichem und privatem Sektor, in: Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und "schlankem" Staat: Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff eines sich verändernden Verhältnisses von öffentlichem und privatem Sektor, Baden-Baden 1999, S. 13-45.
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Inzwischen ist das Brückenbiltf 4 von Wolfgang Hoffmann-Riem weiter ausgemalt worden; in seiner soeben vorgetragenen Problemskizze zu den Methoden der Verwaltungswissenschaft bei der Rechtsanwendung 35 sieht er einen viel versprechenden Weg zur Überwindung der Kluft, die den Verkehr zwischen den Wissenschaften erschwert, in der Entwicklung geeigneter Brückenmethoden, Brückendaten, Brückentheorien und BrückenbegrijJen36 : ,,Brnckenmethoden sind Regeln der trans- und interdisziplinären Kommunikation und damit Strukturierungshilfen im wechselseitigen Verkehr. Unter Brnckendaten verstehe ich nachbarwissenschaftlich fundierte Realbereichsinformationen, die in juristischen Argumentations- und Entscheidungszusarnmenhängen ohne neue Prüfung grundsätzlich nutzbar sind, so etwa sozialstatistische oder sozialhistorische, auf spezifische normative Kontexte hin ausgerichtete Daten. Brnckentheorien sind wissenschaftliche Ansätze oder ausgebaute Theorien, die wechselseitig fruchtbar gemacht werden können, wie etwa- mit je unterschiedlichen Ansprüchen - die Institutionenökonomik, die akteurszentrierte Verhaltenstheorie, die Implementationsforschung, vielleicht auch die Systemtheorie. BrnckenbegrifJe (im Bereich der Rechtsanwendung z.B. Begriffe wie Steuerung, Information, Kooperation, Anreize, Organisation, Vernetzung, Transparenz, Effektivität, Effizienz, Innovation, Verantwortung, Legitimation) bündeln den Ertrag trans- und interdisziplinärer Kommunikation in Sprachform und transportieren, so auf den Begriff gebracht, auch normative Konzepte, Plausibilitätsstrukturen, Faktenannahmen u.ä. und können dadurch eine Verständigung über das Gemeinte erleichtern und damit möglicherweise auch das Verstehen. Soweit solche Brückenbegriffe in der Rechtsanwendung nutzbar sein sollen, muß der rechtsnormative Anspruch der Verantwortung des Rechtsstabs rur die Rechtsanwendung einlösbar bleiben."
Wir stimmen dem zu und denken, daß als nächster noch vor uns liegender Schritt der Explorierung von Brückentheorien besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte 37 • 34 Zur Verwendung von Bildern und Leitbildern in der Rechts- und Verwaltungswissenschaft siehe nunmehr Susanne Baer, Schlüsselbegriffe, Typen und Leitbilder als Erkenntnismittel und ihr Verhältnis zur Rechtsdogrnatik, Vortrag, gehalten auf dem Kolloquium "Reform des Verwaltungsrechts" mit dem Schwerpunkt ,,Methodik der VerwaltungR"echt5wiiiellSChaft" am 30.01.101.02.03 in Heidelberg. 3S Wolfgang HojJmann-Riem, Methodik der Verwaltungsrechtswissenschaft - Einleitende Problemskizze zu den Methoden der Rechtsanwendung, Einleitung des Methodenkolloquiums "Verwaltungsrechtswissenschaft", (Fn. 34), Manuskript. 36 Fn. 35, S. 15. 37 Ein rur die Verwaltungsrechts- wie für die Verwaltungswissenschaft besonders ergiebiger Theoriekandidat dürfte die Neue Institutionenökonomik sein; vgl. dazu G. F. Schuppert, Innovationssteuerung im Verwaltungsorganisationsrecht, in: W. HoffmannRiemlJ.-P. Schneider (Hrsg.), Rechtswissenschaftliehe Innovationsforschung, BadenBaden 1998, S. 171 ff.
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b) Staatswissenschaft als Beleuchtungstechnik Wenn - was wir anstreben - die analytische Kompetenz erhöht werden soll, geht es primär darum, die Wahrnehmungsfiihigkeit zu verbessern. Die Wahrnehmungsfahigkeit wird verbessert, wenn der zu betrachtende Gegenstand absichtsvoll verschieden ausgeleuchtet wird - mit unterschiedlicher Helligkeit und unterschiedlichen Farben -, weil auf diese Weise der Gegenstand andere Facetten und Konturen hervortreten läßt als bei konstanter Beleuchtung aus nur einem Blickwinkel. Wenn wir unsere eigene Rolle als die des von einer zentralen Stelle aus operierenden Beleuchters beschreiben, so wird klar, daß wir nicht alles wissen müssen, aber daß wir zusätzliche Einsichten vermitteln können, wenn die folgenden zwei Anforderungen erfiillt sind: wir dürfen einmal nicht farbenblind sein, müssen also die Fakultätsfarben (ablesbar an der farblichen Gestaltung der früher üblichen Talare) auseinanderhalten können und müssen uns auf die jeweils andere Disziplin mindestens so weit eingelassen haben, daß die Kenntnisse ausreichen, um denjenigen Beleuchtungswinkel einstellen zu können, von dem wir uns einen perspektivenerweiternden Blick auf den Gegenstand erhoffen. Wie diese u.E. hilfreiche Technik eines ständigen Beleuchtungswechsels funktioniert, können wir an dieser Stelle nur andeuten und müssen - notwendigerweise vorgreifend - auf den fiinften Teil der "Staatswissenschaft" verweisen, die den modernen Staat als Verfassungsstaat behandelt und in dem wir den Gegenstand der Verfassung einem fiinffachen Beleuchtungswechsel unterziehen; wir beleuchten in diesem Teil die Verfassung •
aus historischer Perspektive, indem wir die Entstehung und den Siegeszug der Verfassungsidee darstellen;
•
aus juristischer Perspektive, indem wir die besondere juristische Wirkkraft der Verfassung herausarbeiten (Vorrang der Verfassung, Verfassungsgerichtsbarkeit);
•
aus politikwissenschaftlicher Perspektive, indem wir die Leistungen und Funktionen der Verfassung fiir das politische System untersuchen;
•
aus kulturwissenschaftlicher Perspektive, indem wir die ökonomische Logik von Auswahlentscheidungen unter denkbaren Verfassungsoptionen herausstellen (constitutional choice) und schließlich
•
aus institutionentheoretischer Perspektive, indem wir die Verfassung als eine der Basisinstitutionen moderner Gesellschaften behandeln.
Es scheint uns bei einer solchen Vorgehensweise die Hoffnung nicht gänzlich unberechtigt zu sein, daß auf diese Weise ein Zuwachs an analytischer Kompetenz und ein Mehrwert des multidisziplinären Zugriffs auf den Gegenstand entsteht.
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c) Staatswissenschaft als institutionalisierte Ebene der Metakommunikation zwischen den Disziplinen
Mit der Betonung der Neubegriindung der Staatswissenschaft wollen wir uns nicht - was wahrscheinlich ohnehin aussichtslos wäre - gegen den Vorwurf einer vergeblichen Reanimation einer nicht mehr lebensfiihigen Disziplin immunisieren. Eine erneuerte Staatswissenschaft hat deswegen eine "Neue Staatswissenschaft" zu sein, weil sie es mit neuen Herausforderungen zu tun hat: Man kann heute eine Staatswissenschaft oder eine Allgemeine Staatslehre nicht mehr so schreiben wie vor hundert, fiinfzig oder auch nur dreißig Jahren. Infolge der Erosion der äußeren und inneren Souveränität des Staates durch Europäisierung und Internationalisierung auf der einen Seite und durch eine zunehmende Pluralisierung und Entgrenzung im Innern auf der anderen Seite ist der "alte Staat" nicht mehr das Objekt eines zeitgemäßen Nachdenkens über Formen und Funktionen von Staatlichkeit und ihre demokratische Legitimation. Diese beobachtbaren Veränderungsprozesse sind von einer so grundsätzlichen Dimension, daß der Bedaif nach disziplinübergreijender Kommunikation über dieses Phänomen des Wandels von Staatlichkeit rasant zunimmt, und zwar im Sinne eines nicht nur quantitativen, sondern qualitativen Sprunges. Es geht uns daher auch gar nicht um eine grundsätzlich neue Sicht des wissenschaftstheoretischen Dauerthemas, ob und unter welchen Bedingungen Interdisziplinarität sinnvoll und möglich ist; das Megathema "Wandel von Staatlichkeit" verlangt einfach, die Schützengräben disziplinärer Selbstgewißheit zu verlassen und gemeinsam zu ermitteln, welchen spezifischen Beitrag die einzelnen Wissenschaftsdisziplinen mit ihren je eigenen Methoden und Forschungsperspektiven zur Analyse und Erklärung dieser Wandlungsprozesse beizutragen vermögen. Allein schon dieser Verständigungsprozeß im Sinne einer interdisziplinären Ertragsdiskussion scheint uns weiterfUhrend zu sein und wird auch zu einem neuen Umfang der Disziplinen miteinander fUhren müssen. Ist die "Neue Staatswissenschaft" keine die Identität der Disziplinen einebnende, überwölbende Integrationswissenschaft und kann sie auch nicht reklamieren, die methodischen Herangehensweisen der Fachdisziplinen durch eine eigene Methode zu substituieren oder gar einem Methodensynkretismus miteinander zu vermischen, so sind die zentralen Bausteine der Architektur des Faches Staatswissenschaft - wie beim jetzigen Entwicklungsstand Europas die Mitgliedstaaten - die jeweiligen Fachdisziplinen, also vor allem die Ökonomie, das Öffentliche Recht, die Politik- und die Finanzwissenschaft. Wenn man nun diskutiert, welchen Beitrag welche Disziplin zum Thema "Wandel von Staatlichkeit" beizutragen vermag, so stößt man alsbald auf das interessante Phänomen, daß sich die angesprochenen Wandlungsprozesse auch in einem Prozeß der Veränderung des relativen Gewichts der Fachdisziplinen widerspiegeln und auch neue Fachdisziplinen, wie etwa die Institutionenökonomik, sich deutlich
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vernehmen lassen. Die zunehmende Ökonomisierung von Staat und Gesellschaft - um nur ein Beispiel zu nennen - macht die Ökonomie mehr und mehr zu einer Leitdisziplin 38 , was wiederum die anderen Disziplinen dazu zwingt, sich dazu zu verhalten und vielleicht die eigene Rolle im Konzert staatsbezogenen Wissenschaften neu zu definieren. Dies gilt etwa - um die eigene "Stammdisziplin" als Beispiel zu nehmen - fiir die Rechtswissenschaft, die auf die Ökonomisierungs-, Privatisierungs- und Ausfransungstendenzen neue Antworten fmden muß - z.B. durch die Entwicklung eines Verwaltungskooperationsund eines Privatisierungsfolgenrechts - und die sich angesichts der zunehmenden Internationalisierung des Staates fragen muß, ob ihr überkommenes begriffliches Repertoire ausreicht, um diesen Prozeß angemessen erfassen zu können39 • Aber es geht nicht nur darum, daß die einzelnen Fachdisziplinen - um als Fachdisziplinen cl jour zu bleiben - sich den anderen Disziplinen gegenüber öffnen müssen, um deren Impulse verarbeiten zu können und nicht als autistische Einheiten ihre Konkurrenzfahigkeit einzubüßen, es geht darüber hinaus um die Eröffnung einer über die einzelnen Disziplinen hinausgehenden Metaebene der Kommunikation . Denn wenn es richtig ist, daß das Thema "Wandel von Staatlichkeit" sich nur multidisziplinär angemessen behandeln läßt, dann müssen sich die einzelnen Disziplinen - die natürlich - wie Möllers zutreffend hervorgehoben hat - primär auf sich selbst bezogene Interpretationsgemeinschaf ten sind - in einen erweiterten Interpretationshorizont einbringen, so daß gewissermaßen so etwas wie ein Mehrebenensystem der Kommunikation entsteht: die erste Ebene dieses Systems besteht in dem Nebeneinander von disziplinären Interpretationsgemeinschaften, was natürlich nicht ausschließt, daß man gelegentlich Anfragen aneinander richtet. Aber dieses Anfragesystem reicht angesichts der beobachtbaren Entwicklungen nicht mehr aus; notwendig ist die Etablierung einer weiteren, darüber liegenden Ebene, die wir als Metaebene bezeichnen, die als Ort einer disziplinenübergreifenden Kommunikation fungiert. Dem Fach "Neue Staatswissenschaft" käme in dieser Architektur des Mehrebenensystems die Rolle einer institutionalisierten Metakommunikation über die Leistungsfahigkeit und die Erträge der disziplinären Zugänge zur sich wandelnden Staatlichkeit zu; das ist in unseren Augen das eigentlich Neue an der Neuen Staatswissenschaft, daß sie auf die - abgekürzt gesprochen - neuen Herausforderungen durch eine Neuorganisation der wissenschaftlichen Kommunikation zu antworten sucht.
38 Vgl. etwa M. Wallerath, Der ökonomisierte Staat, in : Juristenzeitung (JZ) 2001, S. 209 ff. 39 Vgl. dazu G. F. Schuppert, Zur Staatswerdung Europas. Überlegungen zu Bedingungsfaktoren und Perspektiven der europäischen Verfassungsentwicklung, in : Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, S. 35-76.
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III. Aufgabenfelder und Modernisierungspotentiale einer zeitgemäßen Verwaltungswissenschaft Wenn wir jetzt von unserem Ausflug in das ,,Projekt Staatswissenschaft" zuruckkehren und uns wieder der Verwaltungswissenschaft zuwenden, so sollten wir uns - animiert durch den geforderten Neubeginn der Staatswissenschaft die Frage stellen, ob nicht auch der VelWaltungswissenschaft ein Neubeginn wohl anstünde, und zwar in dem Sinne, daß sich diese Disziplin aus der zum Teil resignativ selbst gewählten Nische eines unspezifischen Sammelplatzes für das Nichtjuristische an der Verwaltung verabschiedet40 und mit größerem Selbstbewußtsein auf ihr eigenes Modernisierungspotential besinnt. 1. Das Modernisierungspotential der Verwaltungswissenschaft im Spiegel ihrer fünf wichtigsten Kernfunktionen
Uns scheint es an der Zeit zu sein - und hiermit greifen wir anderenorts schon angesprochene Überlegungen aut l -, daß die Disziplin der Verwaltungswissenschaft sich daruber vergewissert, worin ihre spezifische disziplinäre Kompetenz eigentlich besteht oder bestehen sollte. Wir sehen jUnJ solcher KompetenzJelder und wollen versuchen, sie jeweils mit einigen wenigen Strichen zu skizzieren:
a) VelWaltungswissenschaft als Spiegel des jeweiligen Staats- und VelWaltungsverständnisses Lorenz von Stein - um diesen großen Namen der Verwaltungswissenschaft nun endlich einmal ins Spiel zu bringen - hat uns die Botschaft mit auf den Weg gegeben, "daß jede Verwaltungslehre nur als Konsequenz und Ausdruck einer Gesamtauffassung des Staates erscheinen kann,,42. Jedem Staatstyp - so würde man vielleicht heute formulieren - entspricht ein bestimmter Typ von VelWaltungslehre, ein Befund, der von Lorenz von Stein an den beiden Staatstypen des Wohlfahrtsstaates und des Rechtsstaates exemplifiziert wird43 :
40 Vgl. dazu Peter Badura, Die Verwaltung als soziales System, in: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 1970, S. 18 ff. 41 Siehe G. F. Schuppert, Staatswissenschaft (i.E.), Dritter Teil: Grundzüge einer Staatsfunktionenlehre, Zweites Kapitel: Grundzüge einer modemen Verwaltungslehre. 42 Lorenz von Stein, Die Verwaltungslehre. Zweiter Theil: Die Lehre von der Inneren Verwaltung. Neudruck der 1./2. Auflage 1866-1884, Aalen 1962, S. 29. 43 Fn. 42, S. 11112.
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"Wir unterscheiden in dieser Beziehung zwei große Grundformen und damit zwei Epochen, die zugleich den StaatsbegrifJ und die Verwaltungslehre gestalten. Die erste dieser Epochen bezeichnen wir mit dem bekannten Namen des eudämonistischen Staates oder Wohlfahrtsstaates, die zweite mit dem des Rechtsstaates. Jede von ihnen hat ihren Begriff des Staates, und die ihm entsprechende Gestalt der Verwaltungslehre ... Sie sind ferner das Band, durch welches dies bisher so wenig bekannte Gebiet mit den übrigen Staatswissenschaften in innere Verbindung gebracht wird. Denn es ist keineswegs zufallig, daß wir bisher einer Geschichte der Verwaltungslehre fast ganz entbehren. Kein Ding hat eine Geschichte, dessen innerer Zusammenhang mit dem Ganzen nicht klar ist, denn dieser Zusammenhang ist in Wahrheit das Leben des einzelnen Dinges. Dies Leben aber hat der historischen Auffassung der Verwaltung gefehlt. Es kommt darauf an, ihr dasselbe wiederzugeben. Der Weg dazu liegt offen. Eine andere Belebung der Verwaltungslehre als die durch den organischen und ethischen Zusammenhang mit der Staatsidee gibt es nicht. Keine Bibliographie, keine Summe von einzelnen Bemerkungen, vermag dies entscheidende Element zu ersetzen. Wenn es uns gelänge, dies auch nur im Großen und Ganzen klar zu machen und festzusteIlen, so würden wir glauben, etwas gewonnen zu haben."
Was nun den Wohlfahrtsstaat angeht, der durch den umfassenden Staatszweck der ,,Beförderung der Glückseligkeit" seiner Untertanen gekennzeichnet ist44 , so entspricht dem als Typus von Verwaltungslehre die Policeywissenschaft 5, wie sie insbesondere in den Werken von Justis und Sonnenfels entfaltet worden ist. Mit der Abkehr von dem zentralen Staatszweck der Glückseligkeit wurde notwendigerweise auch der Polizeiwissenschaft ihre Legitimationsgrundlage entzogen, ein Prozeß, der von Michael Stolleis wie folgt skizziert worden ist46 : ,,Ihre geistige Legitimation war bereits eine Generation zuvor im Kern getroffen worden, und zwar durch Kants scharfe Opposition gegen den for die Polizeiwissenschaft zentralen BegrifJ der ,Glückseligkeit '. Die aus prinzipieIlen philosophischen Erwägungen geborene Verwerfung des empirischen, also schwanken-
44 Vgl. Johann F. Vetter, Deutscher Unterricht von der zur Staats- und Regierungswissenschaft gehörenden und einem jeden Lande so nöthigen als nützlichen Policey, von aIler Menschen wahre Wohlfahrt und zeitliche Ersprießlichkeit zu befördern, Wetzlar 1753; Ulrich Engelhardt, Zum Begriff der Glückseligkeit in der kameralistischen Staatslehre des 18. Jahrhundert, in: ZHF 8 (1981), S. 37-79. 45 Ausführlich dazu H. Maier, Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre (PoIizeiwissenschaft). Ein Beitrag zur Geschichte der Politischen Wissenschaft in Deutschland, 2. Aufl. Neuwied 1980. 46 Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Erster Band: Reichspublizistik und Policeywissenschaft 1600-1800, München 1988, S. 384/385.
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Gunnar Folke Schuppert den Eudämonismus und seine Ersetzung durch den kategorischen Imperativ verband sich in den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts mit der politischen Ablehnung obrigkeitlich verordneter ,Glückseligkeit '. Für die zwischen 1780 und 1800 die deutsche öffentliche Meinung bestimmenden Liberalen gab die traditionelle ,Policey' dem Staat zu viele Rechte in denjenigen Bereichen, die jetzt mehr und mehr als ,privat' definiert wurden. Policey ist der Teil der Staatsgewalt, so hieß es 1811 im Rückblick, ,welcher nicht nur die Sicherheit im Innern garantiert, sondern auch das physische und moralische Wohl und die Vervollkommnung des Bürgers befördert, den Reichtum des Staates regiert und für Schönheit, Bequemlichkeit und Reinlichkeit sorgt. Kurz, sie ist eine Art väterlicher Regierung, eine Vormundschaft, die Unvollkommenen zu den Vollkommenen hinzuführen'. Diese Art Paternalismus schien nun überholt."
Für den Staatstyp des Rechtsstaates hingegen bedurfte es einer am rechtsstaatsspezijischen Staatszweck orientierten Verwaltungslehre. Was Lorenz von Stein dazu ausführt, erscheint dem heutigen Leser von verblüffender Modernität, was mit den folgenden drei Stichworten47 charakterisiert werden kann: •
von der bevormundenden Glückseligkeitsbeförderung zur Ermöglichung der "Se1bstthätigkeit des Einzelnen";
•
staatliche und nicht-staatliche Verwaltung als Teilsysteme mit je eigener institutioneller Kompetenz;
•
von der wohlfahrtsstaatlichen Verwaltung zur gesetzesvollziehenden Exekutive.
Wenn wir diesen Ball jetzt aufgreifen, so wäre es Aufgabe der heutigen Verwaltungswissenschaft, das jetzt als Leitbil~8 sich abzeichnende Staats- und Verwaltungsverständnis herauszuarbeiten und dabei nicht nur auf der Ebene der Leitbilddiskussion zu verharren, sondern zu versuchen, es für die Verwaltungspraxis konkretisierend umzusetzen. Dies führt zu der Aufgabe, sich mit dem Verständnis des modernen Staates als Gewährleistungsstaat9 auseinanderzusetzen und nicht nur seine Eigenart und Funktionslogik herauszuarbeiten, sondern - wie Franzius und Voßkuhle dies schon unternommen haben50 - nach dem Recht des Gewährleistungsstaates zu fragen und erste Konturen eines ihm Ausführlicher in "Staatswissenschaft", (Fn. 41). Zu der Funktion von Leitbildern siehe Andreas Voßkuhle (Fn. 13), S. 495 f 49 Siehe dazu Gunnar Folke Schuppert, Vom produzierenden zum gewährleistenden Staat, in: Klaus König/Angelika Benz (Hrsg.), Privatisierung und Regulierung, BadenBaden 1997, S. 539 ff.; Wolfgang Hoffmann-Riem, Modernisierung von Recht und Justiz. Eine Herausforderung des Gewährleistungsstaates, Frankfurt a.M. 2000. so Die Beteiligung Privater an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (VVDStRL) 62 (2003), i.E. 47
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angemessenen Gewährleistungsverwaltungsrechts zu entwickeln. Auch wir haben in unserem Beitrag für die im Erscheinen begriffene Festschrift für Klaus König versucht, die Arbeitsweise des Gewährleistungsstaates zu kennzeichnen und meinen, seinen Funktionsmodus als Koordination durch Struktursteuerung beschreiben zu könnens I. b) Verwaltungswissenschaft als Verwaltungssoziologie und Verwaltungspolitik Diese Funktion der Verwaltungswissenschaft, den Veränderungen ihres Gegenstandes nicht nur auf der Spur zu bleiben, sondern sie auch aktiv mitzugestahen, ist von Klaus König mit besonderer Energie und Könnerschaft in das Zentrum seines Schaffens gestellt wordens2, und zwar - wie wir meinen - völlig zu Recht. Denn ist Gegenstand der Verwaltungssoziologie die öffentliche Verwaltung53 , so besteht eine wesentliche Aufgabe dieser Disziplin darin, Wandlungsprozesse der öffentlichen Verwaltung zu identiflzieren und zu beschreiben, zu untersuchen, welche Hauptrichtungen die beobachtbaren Veränderungen eingeschlagen haben54 und wie dieser Wandel - sei es als Aufgaben-, Funktions- oder Organisationswandel - zu erklären sein könnte. Voraussetzung dafür ist zunächst, die wichtigsten Veränderungsprozesse auszumachen, also das zu beschreiben und zu analysieren, was man als Megatrends im Bereich der öffentlichen Verwaltung bezeichnen könnte. Als Kandidaten für solche Megatrends scheinen uns vor allem zwei in Betracht zu kommen: einmal nämlich der Prozeß einer zunehmenden Ausdifferenzierung und Pluralisierung der Verwaltung durch Ausgliederung und Verselbständigung von Verwaltungsaufgaben, zum anderen der Prozeß einer Entgrenzung der öffentlichen Verwaltunl s, also die Entwicklung zu einer Verwaltung,
51 G. F. Schuppert, Koordination durch Struktursteuerung als Funktionsmodus des Gewährleistungsstaates, in: A. Ben:zJH. SiedentopfIK.-P. Somrnermann (Hrsg.), Institutionenbildung in Regierung und Verwaltung. Festschrift für Klaus König (i.E.). 52 Vgl. dazu die Bibliographie von Klaus König, in: BecklBenzfBolaylDoselHäußer/ HauschildiHeimanniSippl, Arbeitender Staat. Studien zur Regierung und Verwaltung. Klaus König zum 60. Geburtstag, Baden-Baden 1995, S. 197 ff. 53 Renate Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. I: "Gegenstand dieses Buches ist die öffentliche Verwaltung, die aus soziologischer Sicht behandelt werden soll.", I. Aufl., HeidelbergIKarlsruhe 1978. 54 Zu diesen für jede Soziologie wichtigen "Entwicklungsfragen" siehe Anthony Giddens, Soziologie, Graz/Wien 1995, S. 20 f. 55 Vgl. dazu G. F. Schuppert, Innovationssteuerung im Verwaltungsorganisationsrecht, in: Wolfgang Hoffmann-RiemlJens-Peter Schneider (Hrsg.), Rechtswissenschaftliehe Innovationsforschung. Grundlagen, Forschungsansätze, Gegenstandsbereiche, Baden-Baden 1998, S. 171-207.
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die sich in sektorenübergreifender Weise im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfiillung etabliert56 • Da der Prozeß der Ausdifferenzierung und Pluralisierung des Systems der öffentlichen Verwaltung schon wiederholt und kenntnisreich dargestellt worden ist57, beschränken wir uns auf einige wenige Bemerkungen zu dem Problem, wie eine sich als Verwaltungssoziologie verstehende Verwaltungswissenschaft dabei vorgehen könnte, um die - wie wir es nennen - Entgrenzung der öffentlichen Verwaltung "in den Griff' zu bekommen. Wir halten dafür den folgenden Dreischritt für erforderlich: •
Erstens bedarf es der Erhebung eines soziologischen Befundes, um sich auf diese Weise einen Überblick darüber zu verschaffen, welches Ausmaß der Ausfransungsprozeß der öffentlichen Verwaltung inzwischen schon erreicht hat. Wie wichtig so etwas ist, zeigt etwa die Beschäftigung mit dem Phänomen ,,Public Private Partnership": alle reden davon, aber um daraus konkrete, vor allem auch rechtliche Folgerungen ziehen zu können - etwa für zu entwickelnde Grundstrukturen eines Verwaltungskooperationsrechts 58 -, bedarf es eines Überblicks über die wichtigsten Anwendungsfelder solcher Kooperationsbeziehungen (vom Städtebaurecht bis zum Vertragsnaturschutz) und die dafür eingesetzten Rechtskonstruktionen (im Schwerpunkt gesellschaftsrechtliche Verträge).
•
Zweitens bedarf es der Entwicklung und Erprobung analysetauglicher Kategorien, wozu wir vor allem die folgenden vier Denkansätze rechnen59 : •
das Denken in Skalen •
Organisation auf einer Skala mit einer Spannweite vom privaten Tanzklub bis zum staatlichen Ministerium
•
Vertragstypen auf einer Skala mit den Endpunkten staatlich-privat
56 Zusammenfassend dazu G. F. Schuppert, Die öffentliche Verwaltung im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung: Zum Denken in Verantwortungsstufen, in: Die Verwaltung 31 (1998), S. 515-447. 57 Stellvertretend seien genannt: Brun-Otto Bryde, Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem, in: VVDStRL 46 (1988), S. 182 ff.; G. F. Schuppert, Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem, DÖV 1987, S. 757 ff.; Horst Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, Tübingen 1991; Thomas Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, Tübingen 1996; Winfried Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, Tübingen 1997. 58 Vgl. dazu G. F. Schuppert, Grundzüge eines zu entwickelnden Verwaltungskooperationsrechts. Regelungsbedarf und Handlungsoptionen eines Rechtsrahmens für Public Private Partnership. Rechts- und verwaltungswissenschaftliches Gutachten, erstattet im Auftrag des Bundesministeriums des Innem (Berlin Juni 2001), abrufbar unter http://www.staat-modem.de/projekte/beschreib/pbI221b.htm. 59 Ausführlicher dazu G. F. Schuppert, Verwaltungswissenschaft, (Fn. 31), S. 341 ff.
Ist VelWaltungs(Staats-)wissenschaft möglich?
•
•
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Regulierungstypen im Handlungsspektrum zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung
•
das Denken in Sektoren
•
das Denken in Netzwerken und schließlich
•
das Denken in Verantwortungsstufen •
Erfiillungsverantwortung
•
Gewährleistungsverantwortung
•
Auffangverantwortung
Drittens schließlich ist nach der Rolle des Rechts bei der Strukturierung des immer wichtiger werdenden Kooperationsbereichs zwischen staatlicher und privater Aufgabenerfiillung zu fragen; einige dabei in den Blick konunenden Aspekte werden in den nächsten beiden Gliederungspunkten kurz angesprochen. c) Verwaltungswissenschaft als Steuerungswissenschaft
Daß die Verwaltungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft verstanden werden kann und auch verstanden werden sollte, haben wir bereits 1993 in einem breiter angelegten, programmatischen Beitrag zu begründen versucht60 • Inzwischen hat sich diese Betrachtungsweise weitgehend durchgesetzt; in der Projektskizze fiir ein geplantes dreibändiges Handbuch der Verwaltungsrechtswissenschaft vom Dezember 2002 heißt es wie selbstverständlich, daß das Projekt aus methodischer Sicht durch das Verständnis der "Verwaltungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft" gekennzeichnet sei; zur Charakterisierung dieses steuerungswissenschaftlichen Ansatzes heißt es dort wie folgt61 : "Der steuerungswissenschaftliche Ansatz geht von der Erkenntnis aus, daß es zwar wichtig ist, Rechtsregeln, Figuren, Institute und Lehrsätze dogmatisch auszuformen, daß die Rechtswissenschaft es dabei aber nicht belassen darf, sondern sich zugleich mit den Wirksarnkeitsbedingungen des Rechts zu beschäftigen hat. Er führt damit zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung velWaltungsrechtswissenschaftlicher Forschungstätigkeit. Nunmehr steht die Frage im Mittelpunkt, welche rechtlichen Rahmenbedingungen erflillt sein müssen, damit das VelWal60 G. F. Schuppert, VelWaltungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft. Zur Steuerung des VelWaltungshandelns durch VelWaltungsrecht, in: W. Hoffmann-RiemlE. Schmidt-AßmanniG. F. Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen VelWaltungsrechts. Grundfragen, Baden-Baden 1993, S. 65-114. 61 Wolfgang Hoffmann-RiemiEberhard Schmidt-AßmanniAndreas Voßkuhle, Verwaltungsrechtswissenschaft. Projektskizze, Dezember 2002, S. 4/5.
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Gunnar Folke Schuppert tungshandeln unter Beachtung der tiefgreifenden Einwirkungen des Europarechts und der Verfassung die inhaltlichen Vorstellungen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers verwirklicht und bei möglichst sparsamem Ressourceneinsatz in rechtsstaatlich geordneten Bahnen möglichst richtige Entscheidungen produziert werden. Die Vorzüge einer solchen aufgaben- und funktionsorientierten Betrachtungsweise liegen auf der Hand: neben den einzelnen verwaltungsrechtlichen Handlungsformen (Gesetz, Verwaltungsakt, Plan, Vertrag, Realakt) werden auch die Verwaltungsmaßstäbe, das Verwaltungsorganisationsrecht, das Verwaltungsverfahren sowie die Finanzmittel und die beteiligten Akteure in die Betrachtungen einbezogen und Wechselbeziehungen in diesem komplexen Wirkungsgefüge offengelegt. Auf diese Weise lassen sich Vollzugsdefizite bei der exekutiven Aufgabenbewältigung sehr viel genauer analysieren - und dementsprechend auch sehr viel besser beheben als aus der verengten Perspektive einer primär hermeneutisch orientierten Normwissenschaft heraus. Gleichzeitig wird der Blick geöffnet für neuartige Formen des Verwaltungshandeins, etwa die Konfliktmittlung, der gezielte Einsatz von Information oder ökonomisch inspirierte Regulierungsansätze, die statt auf Befehl und Zwang stärker auf Motivation und Selbstverantwortung setzen. Das verwaltungsrechtliche Denken wird von seiner bisherig meist vorherrschenden Kontroll- auf eine Handlungsperspektive umgestellt. "
Während es bei der steuerungswissenschaftlichen Perspektive der Verwaltungsrechtswissenschaft auch und vor allem darum geht, ob und wie das von der Verwaltung angewandte Recht als Steuerungsinstrument funktioniert, steht bei der verwaltungswissenschaftlichen Steuerungsperspektive die Frage im Vordergrund, ob und wie sich das "Entscheidungssystem Verwaltung" rechtlich steuern läßt und ob nicht das Verwaltungssystem dazu neigt, sich im Wege der Selbstprogrammierung weitgehend selbstreferentiell zu verhalten62 • Sich über die Steuerungsfähigkeit des Rechts gegenüber einer sich mehr und mehr als eigenständig erweisenden Verwaltung63 zu vergewissern, ist aber nicht nur eine Fragestellung von verwaltungswissenschaftlichem Interesse; in welchem Umfang sich das Entscheidungssystem "Verwaltung" rechtlich steuern und programmieren läßt und wie das Zusammenspiel von eigenständiger Verwaltung und auf sie einwirken wollenden Steuerungsinstanzen tatsächlich funktioniert, ist zugleich ein Thema von verfassungsrechtlicher Relevanz. Da das Gesetz von Verfassungs wegen das zentrale Steuerungsinstrument des Rechtsstaates zu sein
62 Vgl. dazu G. F. Schuppert, Grenzen und Alternativen von Steuerung durch Recht, in: Dieter Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, Baden-Baden 1990, S. 217 ff. 63 Vgl. dazu Horst Dreier, Zu "Eigenständigkeit" der Verwaltung, Die Verwaltung 1993, S. 137 ff.
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hat64, wäre ein Steuerungs versagen des parlamentarischen Gesetzes ein die verfassungsrechtlich vorgesehene FWlktionenordnung nicht einlösendes SteuerungsdeflZit des demokratischen Rechtsstaates. Angesichts dessen sind alle verwaltungs wissenschaftlichen Befunde über die FWlktionsfahigkeit der Steuerungsebenen des Verwaltungshandelns notwendig auch verfassungsrechtlich relevante Befunde. Abgesehen von diesen Überlegungen zum Steuerungsanspruch des Gesetzes im demokratischen Rechtsstaat65 und zum Phänomen einer eigenständigen Verwaltung zwischen Rechtsbindung und Gestaltungsfreiheit (Beurteilungsspielräume und Ermessen) wäre es verwaltungswissenschaftlich von besonderem Interesse, sich mit dem Leitbild des Gewährleistungsstaates aus steuerungswissenschajUicher Perspektive zu beschäftigen und danach zu fragen, welcher Typus von Steuerung als gewährleistungsstaatsspezifisch bezeichnet werden kann. Unseres Erachtens nach ist dies die sog. Struktursteuerung66 , die von der hierarchischen Steuerung des hoheitlichen Anstaltsstaates und den konsensualen Arrangements des kooperativen Staates zu unterscheiden ist. Will man nämlich nicht vom Regen der Hierarchie in die Traufe des Korporatismus gelangen, so bedarf es einer dritten Variante der Steuerung, eines Koordinationsmodus also zwischen Hierarchie und konsensualem Arrangement. Worum es gehen muß, ist, einerseits Gemeinwohlbeiträge staatlicher und nichtstaatlicher Akteure zu koordinieren, dabei andererseits aber die Eigemationalitäten des staatlichen wie des privaten Sektors zu wahren, um auf diese Weise aus am individuellen Nutzenkalkül orientierten Handlungsbeiträgen nichtstaatlicher Akteure Gemeinwohlbeiträge Privater werden zu lassen. Dieses "Kunststück" zu vollbringen, ist das Anliegen des Gewährleistungsstaates67 , dessen FunktionsZogik darin besteht, die Verwaltungs- und Selbstregelungspotentiale des öffentlichen, privaten und dritten Sektors parallel zu schalten und durch die Institutionalisierung eines strukturellen Rahmens die je spezifischen Beiträge der unterschiedlichen Akteure wie verschiedene Zuflüsse eines Gewässers auf das Mühlrad des Gemeinwohls zu lenken. Aus der Perspektive des seine Gemeinwohlverantwortung nicht preisgeben könnenden Staates gesehen, läßt 64 Peter Badura, Verfassung.srahmen der öffentlichen Verwaltung, in: Klaus König/ Heinrich Siedentopf (Hrsg.), Offentliche Verwaltung in Deutschland, Baden-Baden 1996, S. 55 ff. 6S Ausführlich dazu Jürgen Staupe, Parlamentsvorbehalt und De\egationsbefugnis. Zur "Wesentlichkeitstheorie" und zur Reichweite legislativer Regelungskompetenz, insbesondere im Schulrecht, Berlin 1986. 66 Begriff bei Schuppert (Fn. 60), S. 65 ff. 67 Gunnar Folke Schuppert, Vom produzierenden zum gewährleistenden Staat, in: Klaus König/Angelika Benz (Hrsg.), Privatisierung und Regulierung, Baden-Baden 1997, S. 539 ff.; Claudio Franzius, Der "Gewährleistungsstaat" - ein neues Paradigma der Staatstheorie?, Vortragsmanuskript (20. November 2002).
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sich dies so fonnulieren: wenn der Staat bestimmte ihm obliegende Aufgaben nicht selbst, d.h. eigenhändig wahrnehmen kann oder will, sich also aus der Erfüllungsverantwortung zurückzieht und stattdessen nicht-staatliche Akteure in die Aufgabenerfiillung einbezieht oder sie ihnen überläßt, bleibt er weiter für die Funktionsfiihigkeit dieser Art der Problem lösung verantwortlich; dies ist mit dem Begriff der Gewährleistungsverantwortung gemeint68 . Staatliche Gewährleistungsverantwortung stellt sich also dar als "eine private Kräfte einbeziehende Steuerungsverantwortung des Staates, die auf die Bereitstellung von bestimmten - insbesondere rechtlichen - Strukturen für die Leistungserbringung durch gesellschaftliche Kräfte gerichtet ist,,69. Will man zusätzlich die Rolle einer aktivfördernden staatlichen Gewährleistungsfunktion und die Selbstregulierungspotentiale der BürgergesellschaftlZivilgesellschaft betonen, kann man Zielrichtung und Funktionsweise des Gewährleistungsstaates mit Claudio Franzius wie folgt skizzieren70 : "Sein Ziel ist es, privates Engagement flir das Gemeinwohl zu nutzen und zu mehren. Denn öffentliche Aufgaben - das ist eine Binsenweisheit - sind nicht immer Staatsaufgaben. Sie können und sollen auch durch den Bürger erfüllt werden. Modem ist so gesehen ein Staat, der auf die Aktivierung privater Kräfte setzt und die öffentliche Aufgabenerflillung durch die Bereitstellung geeigneter Regelungsstrukturen ermöglicht. Der Gewährleistungsstaat will der Staat der Zivilgesellschaft sein."
Wenn wir auf den entscheidenden Gesichtspunkt des Koordinationsmodus zurückkommen, so können wir die folgende Zwischenbilanz ziehen: während der bestimmende Koordinationsmodus des hoheitlichen Staates das Steuerungsprinzip der Hierarchie ist, der kooperative Staat hingegen sich mit den nichtstaatlichen Akteuren konsensual arrangiert, zielt der Gewährleistungsstaat auf eine Koordination durch Struktursteuerung, indem er - im Unterschied zum erfüllenden Interventionsstaat - darauf verzichtet, bestimmte Gemeinwohlziele und den Weg zu ihrer Verwirklichung detailliert vorzuschreiben, sondern stattdessen Organisations-, Verfahrens- und Regelungsstrukturen bereitstellt (Bereitstellungsfunktion des Rechts 7l ), um auf diese Weise staatliche und nicht61 Wolfgang Hoffmarm-Riem, Von der Erfilllungs- zur Gewllhrleistungsverantwortung - eine Chance fiir den überforderten Staat, in: derselbe, Modemisierung von Recht und Justiz. Eine Herausforderung des Gewährleistungsstaates, Frankfurt a.M. 2000, S. 24 ff. 69 Claudio Franzius, Gewährleistung im Recht. VOTÜberlegungen zur rechtlichen Strukturierung privater Gemeinwohlbeiträge arn Beispiel des Umweltschutzes. Diskussionspapiere zu Staat und Wirtschaft des Europäischen Zentrums flir Staatswissenschaften und Staatspraxis, Berlin 36/2002, S. 4. 70 Franzius, Gewährleistungsstaat (Fn. 67), S. I. 71 Begriff bei Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft. Zur Steuerung des Verwaltungshandelns durch Verwaltungsrecht, in:
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staatliche Handlungsbeiträge als Gemeinwohlbeiträge miteinander zu verkoppeln.
d) Verwaltungswissenschaft als kritische und impulsgebende Instanz gegenüber der Verwaltungsrechtswissenschaft Mit dieser Überschrift soll geltend gemacht werden, daß der Disziplin der Verwaltungswissenschaft keineswegs die Rolle zugewiesen werden muß, als Sammelplatz fiir das "Nichtjuristische der Verwaltung" ein selbstgenügsames Leben zu fUhren, sondern daß ihr die Kraft innewohnt, ihrerseits der Wissenschaft vom Juristischen der Verwaltung Impulse fiir ihre Fortentwicklung zu geben. Diese Impulsgebungsfunktion der Verwaltungswissenschaft gegenüber dem Verwaltungsrecht läßt sich insbesondere dort gut demonstrieren, wo es um die unter der Überschrift "Verwaltungswissenschaft als Steuerungstheorie" dargestellte Bereitstellungsfunktion des Verwaltungsrechts geht, also um die Aufgabe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, der öffentlichen Verwaltung dasjenige an rechtlichen Handlungs-, Entscheidungs- und Organisations formen zur Verfiigung zu stellen, wessen sie zur effektiven und rechtsstaatlichen Erfiillung ihrer Aufgaben bedarf. Einer der Hauptanwendungsfälle dieser Bereitstellungsfunktion des Verwaltungsrechts besteht in der Bereitstellung von geeigneten Rechtsformen des Verwaltungshandeins, einem Vorgang, den man mit Walther Pauly auch als die Bereitstellung von Gußformen von Recht bezeichnen kann72 ; mit diesem Begriff "Gußformen von Recht" wird sehr schön deutlich, daß die Bereitstellung von Rechtsformen des Verwaltungshandelns nicht nur eine Zulieferungsleistung der Rechts- und Verwaltungswissenschaft an die rechtsformenbedürftige Verwaltungspraxis darstellt, sondern eine rechtsdogrnatische Strukturierungsleistung von eigenem Anspruch und eigenem Wertungsbezug. Einer der Bereiche nun, in denen es an problemadäquaten rechtlichen Gußformen fiir das Verwaltungshandeln fehlt, ist das kooperative Verwaltungshandein 73, weil das traditionelle Verwaltungsrecht z.B. auch das Verwaltungsverfahrensgesetz das Modell der hierarchisch strukturierten und handelnden Verwaltung vor Augen hat, nicht aber das Bild einer mehr und mehr konsensuale Steuerungstechniken verwendenden Verwaltung des kooperativen Staates74 • W. Hoffinann-RiemlE. Schmidt-AßmanniG. F. Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts. Grundfragen, Baden-Baden 1993, S. 65 ff., 98 f. 72 So Walther Pau/y, Grundlagen einer Handlungsformenlehre im Verwaltungsrecht, in: Becker-Schwarze u.a. (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, Stuttgart u.a. 1991, S. 25 ff. 73 Vgl. dazu Gerlinde Dauber, Möglichkeiten und Grenzen kooperativen Verwaltungshandeins, in: Becker-Schwarze u.a., (Fn. 72), S. 67 ff. 74 Grundlegend Ernst-Hasso Ritter (Fn. 7).
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lnuner häufiger und eindringlicher wird daher die Entwicklung eines Verwaltungskooperationsrechts angemahnes, um auch der kooperierenden Verwaltung des kooperativen Verwaltungsstaates ein geeignetes Repertoire rechtlich aus gefonnter Handlungsfonnen zur Verfiigung zu stellen. Ein solches Verwaltungskooperationsrecht wäre u.E. zugleich ein gutes Beispiel fiir die Funktionsweise von Struktursteuerung, ginge es doch darum, Strukturvorgaben fiir einen Koordinationstyp bereitzustellen, der als Public Private Partnership in aller Munde ist. Wie man leicht zeigen kann, vollzieht sich die angesprochene partnerschaftliche Koordination vor allen in Vertragsform, sei es - dies ist die Mehrzahl durch Abschluß von Gesellschaftsverträgen fiir gemeinsame Vorhabenträger, sei es - dies ist die zweithäufigste Fonn - durch Abschluß von zivilrechtlichen Verträgen, wie etwa Betreiberverträgen, sei es - dies ist nur der dritte Platz durch Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages im Sinne von § 54 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Struktursteuerung bestünde nun darin, das noch am alten Leitbild des subordinationsrechtlichen Vertrages orientierte Verwaltungsverfahrensgesetz zu ergänzen und in ihm einen Abschnitt ,,zusanunenarbeit mit Privaten" vorzusehen, in dem fiir die nach wie vor sich vertraglich vollziehende Handlungskoordination Strukturvorgaben gemacht werden, in deren Rahmen sich alle eine Public Private Partnership begrlindenden vertraglichen Abmachungen halten müssen. Um dies rechtstechnisch durchzusetzen, könnte in Gestalt eines Modelltyps ,,Kooperationsvertrag" ein eigener Vertragstypus bereitgestellt werden, der gewisse Mindestanforderungen an eine gemeinwohlorientierte Vertragsgestaltung enthält und so eine allgemeine Struktursteuerung mit der Wahrung der notwendigen Flexibilität der vertraglichen Ausgestaltung im einzelnen verbindet. Eine solche Struktursteuerung durch rahmenhafte Verbindlichmachung von Vertragsstrukturen könnte - wie Voßkuhle es sicherlich formulieren würde - ,,handlungsleitende Kraft besitzen, ohne sachbereichsspezifische Differenzierungen zu versperren,,76. Wir selbst haben dazu in einem fiir das Bundesministerium des Innem erstellten Gutachten eigene Regelungsvorschläge gemacht, die von der Auswahl der Kooperationspartner über Verfahren der Qualiftkationssicherung bis zu Rückholoptionen reichen77 • Leider hat sich der im Bundesministerium des Innem bestehende Beirat Verwalrungsverfahrensrecht gegen eine solche allgemeine Regelung von Kooperationsverhältnissen im Verwaltungsverfahrensgesetz ausgesprochen und 75 Siehe stellvertretend Hartmut Bauer, Zur notwendigen Entwicklung eines Verwaltungskooperationsrechts, in: G. F. Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und "schlankem" Staat. Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff eines sich verändernden Verhältnisses von öffentlichem und privatem Sektor, Baden-Baden 1999, S. 247 ff. 76 Voßkuhle, Beteiligung Privater, (Fn. 50), Leitsatz 25 . 77 Fn.58.
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damit in vielleicht zu kleinmütiger Weise die Chance verschenkt, an der Konturierung des Gewährleistungsstaates zu arbeiten; sollte dieses Leitbild - wofür manches spricht - weiter an Wirkkraft zunehmen, so eröffnet sich vielleicht im Kontext einer allgemeinen Modernisierung der Rechtsetzung 78 die Chance eines zweiten Anlaufes. e) Verwaltungswissenschaft als Initiator und Gestalter von Rejormprozessen
Mit diesem letzten Punkt ist die Rolle der Verwaltungswissenschaft angesprochen, Impulse für die Regierungs- und Verwaltungsreform zu geben, heißen diese Reformvorhaben nun Neues Steuerungsmodell oder New Public Management. Das alles ist bekannt und hier nicht näher auszubreiten. Aber auch insoweit sollte die Verwaltungswissenschaft selbstbewußter auftreten und das Feld nicht allzu bereitwillig der Unternehmensberatung überlassen, die es als Branche verstanden hat - eingehüllt in den Hermelin privatwirtschaftlichen Sachverstandes - den Beratungsmarkt zu dominieren und die klassische Verwaltungswissenschaft - als offenbar zu sehr dem öffentlichen Sektor verhaftet "alt" aussehen zu lassen. Vielleicht hat - so hoffen wir - eine erneuerte Verwaltungswissenschaft den Mut und die Kraft, hier - diesmal unter dem Banner der Governanceforschung - Terrain wieder gutzumachen. Bei diesem Vorhaben könnten wir die Hilfe von Ihnen, lieber Herr König, gut gebrauchen: wir zählen auf Sie!
78 Siehe dazu Schuppert, Gute Gesetzgebung. Bausteine einer kritischen Gesetzgebungslehre, rechts- und gesetzgebungswissenschaftliches Gutachten, erstattet für das Bundesministerium der Justiz, Berlin Oktober 2002.
Verwaltungswissenschaften multidisziplinär und interdisziplinär
Juristische Verwaltungswissenschaf$multi-, trans- und interdisziplinär Von Wolfgang Hoffmann-Riem
I. Von der Rechtsschutz- zur Governance-Perspektive 1. Verwaltungs rechts anwendung zwischen den Polen der Darstellung und Herstellung einer Entscheidung Als wesentlich für die Entwicklung der öffentlichen Verwaltung benennt Klaus König, den wir durch dieses Symposium ehren, vier Elemente: Ihre Unterordnung an den politischen Primat, ihre Bindung an Rechtsregeln, ihre Maßgaben von Effizienz und Effektivität sowie ihre QualifIzierung durch professionelle Kompetenz. 1 Wer in Lehrbüchern des Verwaltungsrechts oder der juristischen Methoden nach Anleitungen zum Umgang mit diesen Dimensionen sucht, wird kaum fiindig. Am ehesten fIndet er Aussagen zur Bindung an Rechtsregeln. Genaueres Hinsehen zeigt allerdings, dass insoweit meist nur eine eingeschränkte Perspektive eingenommen wird. Es geht regelhaft nur um Anleitungen zur Normeninterpretation und zur Darstellung einer getroffenen Entscheidung als "rechtmäßig". Insofern reicht eine in Übereinstimmung mit den Regeln juristischer Methodik und Dogmatik darstellbare Entscheidung, also ihre kunstgerechte Rechtfertigung. Diese Art der Rechtfertigung ist in erster Linie darauf gerichtet, die Entscheidung bei Kontrollinstanzen vor Korrekturen zu immunisieren, also insbesondere die Akzeptabilität bei Aufsichtsträgern und vor allem den Gerichten zu sichern. Dem entspricht die in der Rechtssprache übliche Darstellung der • Vortrag, gehalten am 29. November 2002 in Speyer auf dem Forschungssymposium "Verwaltungswissenschaften und Verwaltungswissenschaft" anlässlich der Emeritierung von Prof. Dr. Dr. Klaus König. Auf umfassende Nachweise wird verzichtet. 1 S. etwa König, Institutionentransfer und Modelldenken bei Verwaltungsmodemisierungen, in: Morsey/Quaritsch/Siedentopf (Hrsg.), Staat, Politik, Verwaltung in Europa, Gedächtnisschrift rur Schnur 1997, 293 ff.
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Unangreitbarkeit einer Entscheidung, die sich auch darin niederschlägt, dass verbleibende Zweifel sprachlich meist untenhückt werden. Lehrbücher des Verwaltungsrechts und der juristischen Methoden beschäftigen sich nicht oder nur sehr begrenzt damit, wie eine solche Entscheidung real gefunden, also in einem Entscheidungsprozess hergestellt wird. 2 Am ehesten beziehen sich darauf die Regeln des Verfahrensrechts, die aber - wie ein genaueres .Hinsehen zeigt - nur punktuelle rechtliche Vorkehrungen, insbesondere Grenzen rechtmäßigen Verfahrenshandelns, markieren. Sie stellen demgegenüber nicht Regeln über den Ablauf der Entscheidungsprozesse bereit, etwa über die Art der Optimierung der Verwirklichung unterschiedlicher Interessen, das Auffinden von Entscheidungsoptionen und die Art der Optionenwahl. 3 Auch hinsichtlich der Beschäftigung mit Verfahrensrecht nimmt die Literatur in erster Linie eine Kontrollperspektive ein, ausgerichtet vor allem am gerichtlichen Rechtsschutz. Dies gilt grundsätzlich auch für die von König benannten Maßstäbe der Effektivität und der Effizienz. Deutlich wird dies etwa bei dem zur Effektivität zählenden Eignungsgebot als Maßstab der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Aus der Rechtsschutzperspektive genügt es regelhaft, wenn ausgeschlossen werden kann, dass die ergriffene Maßnahme nicht geeignet ist. In jedem Fall reicht die Teileignung. Auch genügt die im Zeitpunkt des Treffens der Entscheidung anzunehmende potentielle Wirksamkeit; der spätere Nachweis der Nichteignung bleibt rechtlich folgenlos, löst aber gegebenenfalls ein Gebot der Neuregelung aus. Auf diese Weise bändigt die Rechtsschutzordnung die Sprengkraft des Effektivitätsgebots. Noch radikaler erfolgt die rechtliche Bändigung des Eflizienzprinzips.4 Das Gebot des schonenden Ressourcenverbrauchs ist nämlich - anders als das der Eignung - regelhaft nicht Rechtrnäßigkeitsvoraussetzung staatlichen Handelns. Es gerät nur partiell in den Blick, so etwa über den "Vorbehalt des Möglichen". Erst recht fmden sich in den Lehrbüchern keine Anleitungen dafür, wie in dem Prozess der Herstellung einer administrativen Entscheidung gesichert wird, dass nur rechtsnormativ legitimierte Maßstäbe maßgebend werden. Auch fehlen Orientierungen darüber, wieweit sonstige (sozialnormative) Werte entscheidungserheblich werden dürfen. So fehlen etwa Regeln darüber, ob und wieweit 2 Zur Unterscheidung von Darstellung und Herstellung s. Luhmann, Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung, 1966,51 f.; Schlink, Bemerkungen zum Stand der Methodendiskussion in der Verfassungsrechtswissenschaft, Der Staat 1980, 73, 87 m.w.Hinw. in Anm. 55, Bora, Ökologie der Kontrolle, in: EngellHalfmanniSchulte (Hrsg.), Wissen - Nichtwissen - Unsicheres Wissen, 2002, 253, 256. 3 S. etwa zu Verfahrensdimensionen die Beiträge in Hoffmann-RiemISchmidtAßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensrecht, 2002. 4 Dazu s. die Beiträge in Hoffmann-RiemiSchmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, 1998.
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der Rückgriff auf individuelle oder institutionell in den handelnden Organisationen verfügbare Werthaltungen und Verwaltungskulturen bei der Konkretisierung gesetzlicher Wertvorgaben bzw. bei der Ausfiillung von Spielräumen zulässig ist. Vorherrschend ist die Einschätzung, dass rechtsnormative Vorgaben im Rahmen ihrer Bindungsfahigkeit zu beachten sind, dass aber im Übrigen gewissermaßen im Windschatten des Bindungsfahigen - auch ergänzende Wertvorgaben Berücksichtigung fmden können und dürfen. Ein Beispiel fiir solche Anreicherung der Orientierungsgrößen ist es, wenn bei fachplanerischen Entscheidungen Aspekte der Standortsicherung bedeutsam werden oder bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen Rücksichten auf die Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes genommen werden. Auch wenn solche Wertvorgaben in dem konkreten Normprogramm nicht enthalten sind, so widersprechen sie ihm doch häufig nicht, zumal sie sich auch aufverfassungsnormative Vorgaben, wie etwa das Sozialstaatsprinzip, beziehen lassen. Möglicherweise werden aber auch andere Wertannahmen entscheidungserheblich, ohne dass in der Rechtsordnung Kriterien fiir ihre Nutzbarkeit vorgegeben oder Verfahren zu ihrem Einsatz ausgestaltet sind. In gleicher Weise kennen die verwaltungsrechtliche Dogmatik und Methodik nur begrenzte Regeln darüber, auf welche Weise und mit welcher Intensität auf die individuelle oder institutionelle Erfahrungswelt der Entscheider zurückgegriffen werden darf, etwa auf deren empirisches Wissen oder gar vorempirische Setzungen. Dabei ist unbestreitbar, dass Rechtsanwendung stets auf Realitätsannahmen aufbaut, dass dabei häufig Einschätzungen über die Plausibilität von Realitätsabläufen getroffen werden müssen und dass vielfach Wahrscheinlichkeitsprognosen gefragt sind. Entscheidungen werden insoweit auch unter Rückgriff auf Intuition getroffen bzw. stützen sich auf ein "feeling" der Beteiligten oder auf sonstige "weiche" Faktoren zur Beurteilung von Realabläufen. Auf diese Weise wird das "Judiz" ergänzt, auf das Juristen ohnehin bei der Prüfung der Ergebnisrichtigkeit vertrauen. Hinzu treten die in besonderen Verwaltungskulturen verankerten Konventionen, nicht nur, soweit sie in Verwaltungsvorschriften kondensiert worden sind, sondern sie wirken auch als informelle Verwaltungsübung. Derartige Faktoren können mit der professionellen Kompetenz des eingesetzten administrativen Personals verbunden sein, auf die Klaus König verweist; es ist aber keineswegs gesichert, dass sie stets durch Professionalisierung diszipliniert sind. Ebenfalls gibt es keine Garantie dafiir, dass die Notwendigkeit der Darstellung einer Entscheidung als rechtmäßig in hinreichender Weise auf die Auswahl und Verwendung und damit auf die Wirkungskraft sonstiger herstellungsrelevanter Entscheidungsfaktoren einwirkt. Auf einer solchen Grundannahme der rechtsstaatlichen Disziplinierung des Herstellungsprozesses durch die Darstellungsnotwendigkeit aber beruhen das Recht und die herrschende Rechtswissenschaft. Nur argumentativ begründete oder doch begrundbare Ergebnisse sind
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rechtlich hinnehmbar; erfiillen sie diese Anforderung, dann ist ein wichtiges rechts staatliches Anliegen erreicht. Die Frage ist aber, ob sich hinter der Fassade der Darstellbarkeit nicht möglicherweise doch Entscheidungsfaktoren auf das Entscheidungsergebnis auswirken können, deren Wirkungskraft rechtlich nicht hinreichend legitimiert ist. Bisher jedenfalls hat die Verwaltungsrechtswissenschaft keine Regeln oder Routinen entwickelt, die speziell darauf ausgerichtet sind, das Wechselspiel zwischen Darstellung und Herstellung so ablaufen zu lassen, dass die rechts staatliche Steuerungskraft des Darstellungserfordernisses so auf den Herstellungsprozess einwirkt, dass auch fiir ihn rechtsstaatliehe Garantien greifen. Für die weithin vorherrschende Rechtsschutzperspektive des Verwaltungsrechts genügt es, wenn die Darstellung der Richtigkeit des Ergebnisses, gegebenenfalls auch der Einhaltung der Verfahrensregeln, Rechtsstaatskonforrnität ergibt.
2. Anstöße zur Orientierung an "guter Verwaltung" Für die Kontrollfunktion des Rechts mag dies auch ausreichen. Es ist aber zweifelhaft, ob damit auch die Funktion des Rechts als Mittel zur Steuerung von Verhalten hinreichend erfasst wird, oder anders formuliert, ob die Darstellungsperspektive der Rechtsanwendung auch der Verwaltung gerecht wird, wenn sie ein soziales Problem zu lösen versucht. Dabei muss sie selbstverständlich rechtliche Vorgaben, insbesondere Grenzen beachten; sie fmdet aber auch die Aufgabe zweckgerechter Gestaltung oder der Optimierung bei dem Umgang mit unterschiedlichen, gegebenenfalls kollidierenden Interessen vor. Erst recht ist offen, ob über die Darstellungsfixierung eine Ankoppelung an Konzepte "guter" Verwaltungspraxis hinreichend gelingen kann, wie sie neuerdings in Begriffen wie "good practice", "good governance" u. a. gebündelt werden. Die Governance-Idee ist nicht nur ein Paradigma sozialwissenschaftlicher Forschung, sondern zunehmend auch eine Orientierung fiir hoheitliches Handeln, das in komplexe Kooperations- und Koordinationsstrukturen eingebunden ist. Sichtbar wird das auch an den Aktivitäten der EU-Kommission, die sie beispielsweise in dem Weißbuch "Europäisches Regieren" (European Governance)5 niedergelegt hat. Einen zusätzlichen Anstoß gibt Art. 41 der Europäischen Grundrechts-Charta mit der programmatischen Überschrift ,,Recht auf eine gute Verwaltung". Derartige Vorhaben haben ihren Nährboden auch in den rechtskulturellen Traditionen anderer Staaten der EU, etwa der angelsächsischen Tradition eines nicht vorrangig auf die Ergebnis-Rechtrnäßigkeit, sondern auf die Verfahrensrichtigkeit und die Angemessenheit einer Problemlösung ausgerichteten Verfahrenskonzepts, das sich zunehmend im EU-Raum durchsetzt.
S
Weißbuch vom 25. Juli 2001, KOM (2001), 428 endg.
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Art. 41 der Europäischen Grundrechts-Charta konkretisiert den Anspruch auf eine "gute Verwaltung" allerdings in einer auch dem deutschen Rechtsstaat vertrauten Weise. Benannt werden die Grundsätze der unparteiischen Verwaltung, einer gerechten Entscheidung, die innerhalb angemessener Frist erfolgt und auf rechtlichem Gehör beruht; hinzu tritt ein Recht auf Aktenzugang in eigener Sache. Es ist allerdings anzunehmen, dass Art. 41 der Grundrechts-Charta nicht zuletzt mit Rücksicht auf die weitreichendere Überschrift sowie die Einbettung der Charta und insbesondere ihres Art. 41 in die Gesamtpolitik der Europäischen Gemeinschaften eine solche Elemente überschießende Wirkung entfalten wird. 6 Diese Norm könnte einen Beitrag zur Verwirklichung eines Anspruchs auf eine nicht nur willkürfreie, sondern in einem weiten Sinne auch zweckgerechte und bürgerfreundliche Verwaltungspraxis bilden, die sich dem Leitbild von good governance zuordnen lässt. Dies kann fortgedacht werden in den Bereich der mit governance-Konzepten verknüpften Notwendigkeit, Interaktionsstrukturen und -abläufe als Mittel guter Verwaltung einzurichten. Bei entsprechenden Weiterungen aber liegt es nahe, auch den Prozess der Herstellung einer Verwaltungsentscheidung eigenständig in den Blick zu nehmen, jedenfalls intensiver als es dem überkommenen deutschen Verwaltungsrecht entspricht.
11. Naheliegende Perspektiven erweiterungen Solche Überlegungen, aber auch gewandelte Anforderungen an die Problemlösungskapazität moderner hoheitlicher Verwaltungen, legen es nahe, die Perspektiven der Rechtswissenschaft, zumindest der auf Rechtsanwendung beziehbaren Verwaltungsrechtswissenschaft, erheblich weiter zu fassen als in der herkömmlichen Methodik und Dogmatik der Rechtswissenschaft abgebildet ist und dadurch die Anschlussfähigkeit zu der größeren Familie der Verwaltungswissenschaft zu sichern. Besonders naheliegend erscheinen drei Perspektivenerweiterungen.
1. Perspektivenerweiterung I: Richtigkeitsdimensionen Rechtswissenschaft kann nicht, zumindest nicht ausschließlich, als (anwendungsorientierte ) Interpretationswissenschaft verstanden werden, deren Methoden in erster Linie auf die Hermeneutik bezogen sind. Vielmehr ist Rechtswissenschaft als Entscheidungswissenschaft zu (re)konstruieren. 7 Dabei kann der S. auch Bullinger, in: Festschrift für Brohm 2002, 25 ff. Zur rechtsetzungsorientierten Entscheidungswissenschaft s. Voßkuhle, Methode und Pragmatik im öffentlichen Recht, in: Bauer u. a. (Hrsg.), Umwelt, Wirtschaft und 6
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Maßstab der ,,Richtigkeit" einer administrativen Entscheidung nicht auf deren Rechtmäßigkeit begrenzt sein. Natürlich bleibt in einem demokratischen Rechtsstaat die Legalität ein wichtiges Teilelement der Legitimation des Verwaltungshandelns. Auch sind die traditionellen Rechtmäßigkeitselemente von Bedeutung, etwa die Einhaltung der Kompetenzordnung, die fachgerechte Auslegung und Anwendung der normativen Tatbestandselemente und die Auswahl rechtserheblicher Fakten und deren Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale. Zur Rechtmäßigkeit gehört es aber auch, für die angemessene Berücksichtigung der von dem Normprogramm berührten Interessen - sei es Individualinteressen oder Gemeinwohlbelange - zu sorgen. Soweit die Rechtsnormen einen Korridor für unterschiedliche, jeweils rechtmäßige Maßnahmen markieren, sind die verfiigbaren Optionen zu erfassen und es empfiehlt sich die Vorsorge dafür, dass unter mehreren eine ausgewählt wird, die den normativen Zielen möglichst weitgehend gerecht wird und die dabei die meist unterschiedlichen Interessen in optimaler Weise einander zuordnet. In diesem Zusammenhang kann auch der Efftzienzgrundsatz als Gebot schonenden Ressourceneinsatzes Steuerungskraft entfalten. Einen Bezug zu den rechtsnormativen Vorgaben, aber regelhaft keinen abschließenden, hat auch der Effektivitätsgrundsatz. Einschätzungen der Wirksamkeit bzw. Zieltauglichkeit einer Maßnahme lassen sich nur selten als JaNein-Entscheidungen treffen; meist können sie nur auf einer Skala zwischen Unwirksamkeit und voller Wirksamkeit verortet werden. Vor allem aber gibt es häufig Unsicherheit darüber, woran die Wirksamkeit gemessen werden muss. Bedeutsam wird hier insbesondere die Vorentscheidung, welche Folgen einer Maßnahme rechtlich in den Blick kommen dürfen oder gar müssen. Die vor allem in der Betriebswirtschaftslehre entwickelten und von der Verwaltungswissenschaft rezipierten Dimensionen des Output, des Impact und des Outcome8 verweisen auf unterschiedliche Folgendimensionen. Das in der Rechtswissenschaft vorherrschende Bemühen, das Folgenargument zu begrenzen und insbesondere Folgesfolgen möglichst aus der Betrachtung herauszunehmen9, kann mit der Erwartung an die öffentliche Verwaltung kollidieren, eine weitreichendere Folgenverantwortung zu übernehmen. So wird von ihr häufig erwartet, auch Folgen jenseits der konkret getroffenen Entscheidung zu berücksichtigen, Recht, 2002; s. auch Eidenmüller, Rechtswissenschaft als Realwissenschaft, JZ 1999, 60. 8 Zu ihnen s. etwa Nullmeier, Input, Output, Outcome, Effektivität und Effizienz, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Handbuch zur Verwaltungsreform, 2. Aufl. 2001, 357 ff. 9 Zur Folgendiskussion im Recht s. Wälde, Juristische Folgenorientierung, 1979; Deckert, Folgenorientierung in der Rechtsanwendung, 1995. Zur sozialwissenschaftlichen Diskussion vgl. statt vieler Sommermann (Hrsg.), Folgen von Folgenforschung, 2002. Zur Kritik der Folgenorientierung im Recht s. Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974,31 ff.
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etwa deren prägende Auswirkung fiir zukünftige Entscheidungen oder deren Vorwirkungen auf Folgeentscheidungen anderer Verwaltungsträger oder der betroffenen Bürger, ja auch Auswirkungen auf die Verwirklichung der übergreifenden politischen Progranune der konununalen oder staatlichen politischen Entscheidungsträger (Politikkonfonnität). Angesichts des Angewiesenseins der hoheitlichen Verwaltung auf Akzeptanz ihrer Entscheidungen bei Beteiligten, sonstigen Betroffenen und der allgemeinen Öffentlichkeit, häufig auch des Ringens um Konsens bei den Beteiligten, muss die Verwaltung akzeptanzsichernde Faktoren identifizieren und Strategien der Akzeptanzförderung bei der Alternativenauswahl nutzen. Diese können sich nicht darauf begrenzen, auf die Rechtmäßigkeit des Entscheidungsergebnisses zu verweisen. Gerade in Situationen multipolarer und -dimensionaler Betroffenheit ist es praktisch meist unvermeidbar, dass es neben Begünstigten auch nachteilig Betroffene gibt. Ihr Konsens in die Zufügung der Nachteile kann nicht als selbstverständlich erwartet werden; eine "gute Verwaltung" kann aber darum bemüht sein, zumindest um Akzeptanz zu werben und sei es nur durch faire Verfahrensdurchfiihrung oder die Transparenz der Interessenberücksichtigung. Akzeptanz der Entscheidungsverfahren und -ergebnisse kann zugleich eine wichtige Voraussetzung dafiir sein, dass Entscheidungen auch umgesetzt (vollzogen) werden. Die Implementierbarkeit und Implementation administrativer Entscheidungen ist Voraussetzung dafiir, dass die Rechtsordnung im praktischen Handeln folgenreich wird bzw. dass die Wirksamkeit sich nicht auf Symbolhandeln begrenzt. 10 2. Perspektivenerweiterung 11: Steuerungswissenschaftlicher Ansatz Derartige Richtigkeitsdimensionen - die Aufzählung ist keineswegs abschließend - verweisen auf die Notwendigkeit, dass auch die Verwaltung sich mit den Wirksamkeitsbedingungen des Rechts befasst und insbesondere nach den Möglichkeiten der Beeinflussung von Ereignisabläufen fragen muss. Vergröbernd gesprochen zielt Verwaltungshandeln auf die Erreichung normativ erwünschter und die Vermeidung normativ unerwünschter Wirkungen. Diese weit über die Befolgung rechtlicher Vorgaben bzw. deren Erfassung unter Nutzung hermeneutisch ausgerichteter Methoden hinausreichende Vorgehensweise wird in einem Teil der neueren verwaltungsrechtlichen Diskussion als steuerungswis10 Aber auch dies kann ein Ausdruck legitimer Verwaltungstätigkeit sein, s. dazu HojJmann-Riem Verwaltungskontrolle - Perspektiven, in: Schmidt-AßmannIHoffmannRiem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001,325,354 ff.
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senschaftlicher Ansatz bezeichnet. II Er ist in der Verwaltungspraxis seit jeher vorherrschend, bleibt aber in der überkommenen Verwaltungsrechtswissenschaft eher unterbelichtet und kommt in der Verwaltungsrechtsordnung nur begrenzt zum Ausdruck. Wird das verwaltungsrechtliche Handeln mit dem Blick auf die Wirkungsdimension betrachtet, so muss auch berücksichtigt werden, auf welche Weise eine solche Perspektive im Entscheidungsprozess wirksam wird bzw. wie ihre Wirksamkeit gesteigert werden kann. Dies betrifft sowohl die Rechtssetzung als auch die Rechtsanwendung, etwa hinsichtlich der verfügbaren Verwaltungsmaßstäbe und der vorgesehenen Handlungsformen. Die steuerungswissenschaftliche Perspektive muss den Implementationsmöglichkeiten besondere Aufmerksamkeit widmen und die Lernfähigkeit der Verwaltung auch unter Wirksamkeitsaspekten absichern, gewissermaßen durch den Aufbau eines fiir zukünftige Entscheidungen einsetzbaren Erfahrungswissens, gegebenenfaÜs auch durch entsprechende Sedimentierungen in der Verwaltungsrechtsdogmatik. 3. Perspektivenerweiterung 111: Normative Verankerung sämtlicher entscheidungserheblicher Faktoren 12 Rechtswissenschaft ist es gewohnt, mit den in Normtexten verankerten Normprogrammelementen (dem Rechtsstoff i.e.S.) umzugehen und dabei ergänzend zum Wortlaut auch die Entstehungsgeschichte, den Zweckzusammenhang, Präjudizien u. ä. einzubauen. Darauf sind die juristischen Methoden in erster Linie ausgerichtet. Zur traditionellen Rechtsarbeit gehört ferner die Bezugsetzung von Fakteninformationen auf das Normprogramm, um dann im Zuge einer Subsumtion deren Verbindung zum Normprogramm zu belegen. Für die Art und Weise, wie Fakten gewonnen werden, gibt es zum Teil im Prozessrecht Regeln (etwa über den Untersuchungsgrundsatz, Beweismittel, Beweislastvorkehrungen u. ä.), aber in der Rechtswissenschaft keine darauf bezogenen 11 Dazu s. Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 2000, 430 ff.; ders., Verwaitungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft, in: Hoffmann-RiemlSchmidt-AßmannI Schuppert (Hrsg.), Reform des allgemeinen Verwaitungsrechts, 1993, 65 ff.; Mayntz, Politische Steuerung: Aufstieg, Niedergang und Transformation einer Theorie, in: von Beyme/Offe (Hrsg.), Politische Theorien in der Ära der Transformation, 1996, 148 ff.; HofJmann-Riem, Modemisierung von Recht und Justiz, 2001, 31 ff. Siehe auch aus sozialwissenschaftlicher Perspektive MayntziScharpf, Steuerung und Se\bstorganisation in staatsnahen Strukturen, in: dies. (Hrsg.), Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung, 1995,9 ff. 12 Zum Folgenden s. HofJmann-Riem, Sozialwissenschaftlich orientierte Rechtsanwendung in öffentlich-rechtlichen Übungs- und Prüfungsarbeiten. VOTÜberlegungen und praktische Hinweise, in: ders. (Hrsg.), Sozialwissenschaften im öffentlichen Recht, 1981,3,12 ff.
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oder gar ausgebauten methodischen Anleitungen. 13 Die Rechtsordnung vertraut insoweit offenbar vorrangig auf professionelle Kompetenzen, die auch ohne entsprechende methodische Anleitung (meist "on the job") erworben und eingesetzt werden. Auf solche professionellen Kompetenzen wird offenbar auch bei der Erfassung des Ausschnitts sozialer, politischer, ökonomischer, kultureller, technologischer, ökologischer u. ä. Wirklichkeit vertraut, auf den Rechtsnormen üblicherweise bezogen sind und ohne deren Kenntnis das Normprogramm nicht verstanden, geschweige denn angewandt werden kann. 14 Dieser "Realbereich der Norm,,15 kann sich im Laufe der Anwendungsgeschichte einer Norm verändern und dies kann Auswirkungen auf das Normprogramm haben. Die Erfassung des Realbereichs ist regelhaft wichtig, um die auf ihn bezogene Wirkungsweise der Norm nachvollziehen und entsprechende Faktoren zur Unterstützung der Wirkungs annahmen einsetzen zu können. Diagnostisch zu erfassen sind die typischen Grundstrukturen des Realbereichs. Bei Prognoseentscheidungen gilt dies für Informationen über die realen Ausgangsbedingungen der Prognose und über die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Abläufe. Sollen diese Dimensionen nicht Ursache dafür werden, dass Rechtsanwendung aus dem normativen Ruder läuft, sind Klärungen und Vorkehrungen wichtig, wie die Einbindung solcher Faktoren in das Normprogramm zu sichern ist. Wenn es richtig ist, dass die konkreten - rechtlichen und faktischen - Bedingungen des Entscheidungsprozesses auf das Entscheidungsergebnis einwirken, muss der Blick auch auf weitere Entscheidungsfaktoren gerichtet werden, so auf solche, die in der Organisation des Entscheidungsträgers oder des Kontaktes mit Betroffenen, im Verfahren des konkreten Entscheidungsablaufs, in Werthaltungen und Plausibilitätsstrukturen des einzusetzenden Personals oder in Möglichkeiten (Restriktionen) beim Einsatz der fmanziellen und informationellen Ressourcen verankert sind. Einzubeziehen sind Faktoren im Umgang mit dem Implementationsproblem und der Zukunftsorientierung der Rechtsanwendung. Auch muss eine normative Rückbindung gesichert sein, soweit Entscheidungen Nachwirkungen in weiteren Zusammenhängen und Vorwirkungen auf zukünftige Entscheidungsabläufe und -ergebnisse haben. Auch insoweit muss für eine normative Rückbindung entsprechender Entscheidungsfaktoren gesorgt sein. Damit ist noch nicht (vor-)entschieden, ob insoweit an der Darstellungsorientie13 Selbst in der Methodenlehre von MülleriChristensen, Juristische Methodik, Bd. I, Grundlagen Öffentliches Recht, 8. Aufl. 2002 finden sie sich nicht. 14 Hierzu s. insbesondere Müller/Christensen (s. o. Fn. 13). IS Friedrich Müller nennt ihn stattdessen den "Normbereich", s. MülleriChristensen, a.a.O., etwa Rn. 397 ff. sprechen stattdessen vom "Normbereich". Diese Begrimichkeit scheint mir nicht besonders glücklich zu sein, da sie den Realitätsbezug dieses Normprogrammelernents nicht zum Ausdruck bringt.
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rung der Rechtswissenschaft festgehalten werden kann. Wenn ja, ginge es dar-
um, auch zu rechtfertigen, dass die weiteren rechtsanwendungserheblichen Fak-
toren mit dem rechtsnormativen Programm kompatibel sind, dass also bei ihrem Einsatz nicht rechtliche Vorgaben verletzt werden.
Ist aber nicht nur die Kontrollperspektive (etwa der Rechtsaufsichtsinstanz oder des Gerichts) maßgebend, sondern sollen die Normen auch als Anleitungen zu richtigem administrativen Problemlösungshandeln verstanden werden, müssen die rechtsanwendungserheblichen Faktoren auch aus der Sicht des Herstellungsprozesses besehen werden. Dann mag die Begründbarkeit (Darstellbarkeit) der Fehlerfreiheit des Entscheidungsergebnisses, etwa auch der Zwischenschritte, weiterhin eine notwendige Bedingung der Rechtmäßigkeit sein; hinreichend für die "Richtigkeit" aber ist sie nicht, soweit diese in mehr und anderem besteht als der Ergebnisfehlerfreiheit (etwa in der Optimalität der Interessenberücksichtigung, der EffIzienz, der Zeitrichtigkeit u. ä.).
III. Zugriffe der Verwaltungsrechtswissenschaft auf unterschiedliche Verwaltungswissenschaften Damit aber wird ein wissenschaftliches und praktisches Programm sichtbar, das die herkömmliche Rechtswissenschaft nicht bewältigt und das auch eine Neue Verwaltungsrechtswissenschaft nicht auf sich allein gestellt bewältigen kann. Die verschiedenen mit dem Gegenstand "öffentliche Verwaltung" befassten Sozial-, Technik- und Rechtswissenschaften - für sie ist der Begriff "Verwaltungswissenschaft" als Oberbegriff reserviert - sind multidisziplinär ausgelegt. Entsprechend weit gefächert ist das Angebot für den transdisziplinären Blick der Verwaltungsrechtswissenschaft auf benachbarte Wissenschaften und gegebenenfalls für die interdisziplinäre Einbeziehung ihrer Erkenntnisse und möglicherweise auch Methoden in die Verwaltungsrechtswissenschaft. Von hervorgehobener Bedeutung für eine entsprechende verwaltungswissenschaftliche Perspektive sind die Soziologie und Politikwissenschaft, aber ebenso die W irtschafts- und Technikwissenschaften.
1. Normativ geleitete Selektivität des Zugriffs Soll die bisher übliche Einengung der Verwaltungsrechtswissenschaft überwunden und sollen die angesprochenen Ebenen der Richtigkeitsgewähr in die verwaltungsrechtliche Systembildung einbezogen und entsprechende Methoden des administrativen Handelns entwickelt werden, ist ein Zugriff auf die Methoden und Erkenntnisse solcher anderen wissenschaftlichen Disziplinen unverzichtbar. Allerdings ist darauf zu achten, dass die Autonomie des Rechts und
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das fiir die Rechtswissenschaft spezifische Erkenntnisinteresse, nämlich das Erfassen des Gehalts von Rechtsnormen und der rechtsnormativen Ausrichtung administrativer Handlungen und die spezifische Entscheidungsverantwortung - und damit die fiir den Verwaltungskontext geschaffene rechtlich begründete Entscheidungs-Macht - gewahrt bleiben. Prägend fiir den "Verkehr" der Rechtswissenschaft mit den anderen Wissenschaften ist die spezifische Aufgabe der Verwaltungsrechtsanwendung, soziale Probleme (i.w.S.) administrativ im Rahmen des Rechts zu bewältigen. Der trans- und interdisziplinäre Zugriff der Verwaltungsrechtswissenschaft erfolgt daher mit dem vorrangigen Blick auf einen aktuellen oder potentiellen Entscheidungsbezug. Analytisch-theoretische Abklärungen können dabei wichtig werden, aber doch nicht als Selbstzweck, wohl aber in ihrem Bezug auf die Umsetzbarkeit und Umsetzung in Entscheidungszusammenhänge, und dies mit Rechtsverbindlichkeit. Der normative Entscheidungsbezug prägt dementsprechend das Erkenntnisinteresse einer so verstandenen Verwaltungsrechtswissenschaft. Es wirkt auf den Entdeckungszusammenhang wissenschaftlicher Einsichten zurück und verweist auf einen spezifischen Verwendungszusammenhang. In der Entscheidungsorientierung muss die Rückbindung an rechtsnormative Vorgaben gewahrt bleiben (soweit es sie gibt), es muss die in rechtsnormativen Kontexten bestehende Entscheidungsprärogative - oder gar das Entscheidungsmonopol - der Rechtsanwender berücksichtigt werden und die normativ geleitete Selektivität des Zugriffs auf das Wissensarsenal der anderen wissenschaftlichen Disziplinen muss respektiert werden. An den Rechtswissenschaftlern bzw. Rechtsanwendern liegt es dann, das aus trans- und interdisziplinärer Neugier (Kommunikation) gewonnene Wissen in die juristische Sprache der Normanwendung zu übersetzen, und damit in die Sphäre des Einsatzes von Rechts-Macht zu tragen. 2. Wechselseitiges Beeinflussen
Dabei wäre es wissenschaftstheoretisch naiv, den Wissensbestand anderer Wissenschaften gewissermaßen als einen fertigen, zur Verwendung beliebig nutzbaren Pool anzusehen oder von der Vorstellung auszugehen, Juristen würden einfach Fragen formulieren können und dann nach Bausteinen fiir Antworten in den benachbarten Wissenschaften suchen und dort fiindig werden können. Keine Wissenschaft, nicht einmal die Naturwissenschaft, stellt fertiges Wissen bereit, das zeit- und entstehungsunabhängig verfiigbar ist. Die wissenschaftstheoretischen Analysen der Moderne, stellvertretend seien die von T. S. Kuhn 16 16
1967.
Insbesondere sein Standardwerk, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen,
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benannt, zeigen die Abhängigkeit der Wissensproduktion von Wahrnehmungsmustern bzw. Paradigmen; sie offenbaren die Kontextbindung der Wissensentstehung und regelhaft auch seine Abhängigkeit von normativen Vorentscheidungen. Nicht die Vorstellung eines "objektiv" verfiigbaren Wissens, sondern die der Wissensproduktion in einem Prozess der Wirklichkeitskonstruktion gibt ein taugliches Leitbild, das auf die Verankerung wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse in konkreten gesellschaftlichen Zusammenhängen und damit auch in je wandelbaren Relevanzstrukturen verdeutlicht. 17 Wird das im Bereich anderer WissenschaftsdiszipIinen erarbeitete (relative) Wissen in rechts wissenschaftliche Entscheidungszusammenhänge transferiert, dann muss es Filter juristischer Verwendungstauglichkeit passieren. 18 Bei seiner Transformation in juristische Entscheidungszusammenhänge kann es einem Prozess der Selektion und Veränderung ausgesetzt sein. Dies lässt sich aus der Sicht der anderen Disziplinen je nach Standpunkt als Risiko der Bedeutungsminderung im Bereich der Rechtswissenschaft deuten, aber auch als Chance eines Bedeutungszuwachses, der durch das Praktischwerden im Zuge einer rechtsgeprägten EntscheidungserhebIichkeit ausgelöst wird. Darüber hinaus besteht in diesem Prozess die Chance der "Infiltration" in die Rechtswissenschaft, verstanden als Beitrag zur Erschütterung bisheriger Grundannahmen der Rechtsanwendung und -wissenschaft, etwa der Ablösung bisher naiv rezipierter Alltagstheorien, der Bereitstellung alternativer Deutungsangebote und der Mithilfe beim Finden neuer Wege der Wirklichkeitskonstruktion. Die in den benachbarten Wissenschaften maßgebenden Weltbilder, Paradigmen u. ä. können in der Konfrontation mit vergleichbaren der Rechtswissenschaft etwa dazu fUhren, das normative Selbstbewusstsein der Rechtswissenschaft in Frage zu stellen, etwa insoweit, als rechtsnormative Grundannahmen ihrerseits - wie regelhaft - auf sozialnormative angewiesen sind. Durch Rekonstruktion der sozialnormativen Fundierung von Rechtsnormen und des entsprechenden Wandels im Laufe der Zeit kann beispielhaft die Relativität rechtsnormativer Vorgaben verdeutlicht werden. Vor allem aber können aus der nachbarwissenschaftlichen Perspektive neue Optionen der Problembewältigung in den Blick geraten, deren Nutzbarkeit im rechtsnormativen Kontext von den Rechtsanwendern bzw. Rechtswissenschaftlern zu überprüfen und deren Nutzung durch sie zu verantworten ist. In diesem 17 Vgl. FuntawitzlRavetz, Tbe Emergence of Post-Normal Science, in: von Schomberg (ed.), Science, Poliitcs and Morality, 1993 sowie die Literatur zum Konstruktivismus, s. statt vieler Watzlawick, Wie wirklich ist die Wirklichkeit? 1976; S. J. Schmidt, Kognition und Gesellschaft, 1992. Zum öffentlichen Recht: Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, 28 ff. 18 Zur Verwendungsforschung s. Beck/Banß (Hrsg.), Weder Sozialtechnologie noch Aufklärung?, 1998; Lau/Beck, Definitionsmacht und Grenzen angewandter Sozialwissenschaft, 1989.
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Dialog der Wissenschaften kann auch Einfluss auf die Argurnentationsmuster genommen werden, die Juristen etwa in ihrer kontrollorientierten Darstellungssprache, aber evtl. auch in ihrer entscheidungs orientierten Herstellungssprache nutzen. 3. Beispielsfelder der Zurichtung auf normative Kontexte Beispiele fiir solche Dialoge der Wissenschaften, die zumind,~st fiir die Rechtswissenschaft folgenreich geworden sind, gibt es viele. Diese Beispiele zeigen aber zugleich die Bereitschaft der Rechtswissenschaft zur Zurichtung nachbarwissenschaftlicher Befunde fiir die eigenen Zwecke. Ich nenne drei Beispiele. (1) Beobachten lässt sich dies etwa an der Rezeption des Steuerungsbegriffs. Die unterschiedlichen Ansätze der steuerungstheoretischen Diskussion sind an der Rechtswissenschaft nur in eingeschränkter Weise übernommen worden, am ehesten in Anlehnung an handlungstheoretische Steuerungsbegriffe. Die Steuerungsdiskussion ist dabei nur zu einem Teil rezipiert worden, so insbesondere unter Reduktion auf Analysen von Wirksamkeitszusammenhängen und auf die Entwicklung von Anregungen für Wirksamkeits steigerungen. (2) Der Siegeszug der Implementationsforschung seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht maßgebend beeinflusst, nicht nur durch Vermittlung der Bedeutsamkeit des Implementationsproblerns, sondern auch durch Öffnung des Blicks auf unterschiedliche Entscheidungsstrategien und Entscheidungssegmente und insbesondere auf den Einsatz informeller Entscheidungsverfahren und "weicher" Steuerungsinstrumente. Die gesamte Bandbreite implementationstheoretischer Bemühungen aber wurde in der Rechtswissenschaft nicht aufgegriffen. Erst recht wurde nicht gefragt, ob und wieweit die Rechtsordnung überhaupt auf möglichst lückenlosen Vollzug angelegt ist bzw. ob sie sich damit begnügt, dass es eine Vollzugschance bzw. -drohung gibt. (3) Als drittes Beispiel sei das Neue Steuerungsmodell benannt, das in seinen auf die öffentliche Verwaltung beziehbaren Varianten zur Reform der Verwaltung genutzt worden ist. Auf diese Weise wurden betriebswirtschaftliche Vorstellungen in die Verwaltungsorganisation und in das Verwaltungshandeln einbezogen; dabei wurde deutlich, dass im Bereich der Privatwirtschaft entwickelte betriebs wirtschaftliche Konzepte allenfalls unter ModifIkation fiir die öffentliche Verwaltung einsetzbar sind, übrigens auch, wenn Mischformen des Handelns Privater und der Administration gewählt werden (etwa Public Private Partnerships). Der Praxistest hat dabei Lernprozesse sowohl im Bereich der betriebswirtschaftlichen als auch in dem der juristisch geprägten Verwaltungswis-
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senschaft und in den staatlichen Administrationen ausgelöst. Heilsbotschaften betriebswirtschaftlicher Provenienz oder der euphorische Überschwang theoretisch begrenzter Elfenbeinturmwissenschaftler erwiesen sich als unterkomplex in der Praxisanwendung und fiihrten nicht nur zu einer gewissen Ernüchterung, sondern vor allem zu Ansätzen einer stärker auf die administrativen Besonderheiten ausgerichteten Ausgestaltung.
IV. Sicherung der interund transdisziplinären Kommunikationsfähigkeit 1. Besondere Bedeutung von Brückenbegriffen An diesen und anderen Beispielen kann im Übrigen verdeutlicht werden, dass die Kommunikation zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen auch bei einem identischen oder einem jedenfalls vergleichbaren Gegenstand auf erhebliche Schwierigkeiten stößt. Sprache und damit auch Fachsprache transportiert Traditionen, Erfahrungen, Weltbilder und normative Grundannahmen (Werte). Unterschiedliche Fachsprachen sind durch die unterschiedlichen Relevanzstrukturen in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen geprägt. So wirkt sich die Vielfalt der Erkenntnisinteressen, der Methoden, der Selektivitäten und der normativen Vorprägungen auf eine Pluralität der Begriffsbildung und -verwendung aus. Die Sicherung einer (möglichst) disziplinübergreifenden Sprachfähigkeit ist daher Voraussetzung des trans- und interdisziplinären Austausches. Dabei wäre die Forderung einer Identität von Begriffen und Begriffsverwendungen in den verschiedenen Fachdisziplinen unrealistisch. Hilfreich ist schon eine Selbstverständigung der jeweiligen Disziplin über die je eigene Begriffsbildung und -verwendung, gekoppelt mit dem Bemühen, das jeweilige Begriffsverständnis auch Wissenschaftlern aus anderen Disziplinen in nachvollziehbarer Weise zugänglich zu machen.
Für den inter- und transdiziplinären Diskurs ist es darüber hinaus hilfreich, sich über Begriffe zu verständigen, die ein disziplinübergreifendes Erkenntnisinteresse aufnehmen und in disziplinübergreifende Verwendungszusannnenhänge eingebaut werden können. Hilfreich ist die Arbeit an entsprechenden ,,Brückenbegriffen".19 Anzustreben ist insofern deren möglichst gemeinschaftliche DefInition zum Zwecke der disziplinübergreifenden Verständigung über das
19 Zu ihnen s. etwa Voßkuhle, "Schlüsselbegriffe" der Verwaltungsrechtsreform, Verwaltungsarchiv 92 (2001), 184 ff. m.w.Hinw.; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 2000,46.
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Gemeinte. Hinzu sollte die Herausarbeitung der fiir den Umgang mit den erfassten Phänomenen essentiellen Paradigmen bzw. der Annahmen über Wirkungszusammenhänge treten. Drittens ist die gemeinsame Arbeit an gegebenenfalls neuen Ansätzen der Problembewältigung unter Nutzung des disziplinübergreifenden Wissens wichtig, Derartiges sollte möglichst "auf den Begriff" gebracht, also sprachlich gebündelt werden. 2. Beispiele für Brückenbegriffe
Das Arsenal der fiir den trans- und interdisziplinären Dialog einsetzbaren Brückenbegriffe ist groß. Aus der Sicht der Bedeutsamkeit fiir rechtswissenschaftliche Kontexte nenne ich beispielsweise die folgenden Begriffe: Steuerung; Information; Kooperation; Anreize; Organisation; Vernetzung; Transparenz; Effektivität; EfflZienz; Innovation; Verantwortung; Legitimation. Derartige Begriffe bündeln Erfahrungs- und Wertewelten, schaffen dies in den verschiedenen Disziplinen aber nicht zwingend mit dem gleichen Bedeutungsgehalt. Beispielsweise ist der Begriff der Information im Bereich der Technikwissenschaft, insbesondere der Informatik, ein anderer als üblicherweise im Bereich der Rechtswissenschaft. Vergleichbares gilt fiir den Begriff der Legitimation, und zwar nicht nur in der Unterscheidung zwischen empirischen und normativen Legitimationskonzepten, sondern auch im Hinblick auf das, was mit dem Legitimationsbegriff geleistet werden soll. Derartige Unterschiede sind nicht als solche problematisch. Die an den Befund der Unterschiedlichkeit anknüpfende Suche nach Gemeinsamkeiten, aber auch nach den Gründen der Unterschiedlichkeit kann sogar als ein wechselseitig fruchtbarer Erkenntnisprozess verstanden werden, der den Blick sowohl auf die eigene als auch auf die andere Wissenschaft schärfen hilft. Daran mag sich die Frage anschließen, ob die Befunde es eher nahe legen, die Brücken zu anderen Disziplinen hochzuziehen oder sie auszubauen. Rückwirkungen sowohl auf die interdisziplinäre als auch auf die transdisziplinäre Kommunikation sind in jedem Fall wahrscheinlich. Begriffsarbeit ist zugleich Erkenntnisarbeit.
v. Bewahrung der
rechtsnormativen Orientierung
Wer sich je in den trans- und interdisziplären Dialog begeben hat, wird vermutlich nicht nur bestätigen können, wie mühsam dieser ist, sondern auch, dass die disziplinären "Kosten" einer wechselseitigen Annäherung nicht stets durch einen entsprechenden Zugewinn an trans- und interdisziplinärer Erkenntnis ausgeglichen werden.
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Nicht die Homogenisierung von Begriffen ist das Gebot der Stunde, sondern ihr Erfassen in ihrem jeweiligen Kontext und die Ermöglichung der Nutzung des begrifflich Erfassten auch in anderen Kontexten. Insbesondere fiir die Rechtswissenschaft ist die rechtsnormative Orientierung jedenfalls in entscheidungswissenschaftlichen Zusammenhängen unabdingbar, so dass es auch gar nicht verantwortbar wäre, andere normative Kontexte als die durch Recht legitimierten zu importieren oder den Erkenntniszusammenhang durch andere prägen zu lassen. Rechtsanwender haben in der Rechtsordnung eine Rechtsmacht zur (regelhaft verbindlichen) Entscheidung erhalten und müssen sich dabei von rechtsnormativen Vorgaben leiten lassen. Nicht nur wegen begrenzter Eindeutigkeit der programmatischen Vorgaben, sondern auch wegen vieler Gestaltungsaufträge und Optionenermächtigungen binden Normen nur begrenzt. Im Ausmaß der Bindungsfähigkeit von Normen aber sind die Rechtsanwender zu "Kompromissen" mit Rücksicht auf andersartige Verständnisse in anderen wissenschaftlichen Disziplinen nicht berechtigt. Der Zugriff der auf spezifische normative Entscheidungskontexte bezogenen Rechtswissenschaft auf benachbarte Wissenschaften schaltet daher den Filter der normativen "Brauchbarkeit" von Methoden und Erkenntnissen zur administrativen Problemwahrnehmung und -lösung und zur verwaltungsrechtswissenschaftlichen Systembildung nicht aus. Eine - auch eine "moderne" - Rechtswissenschaft muss zwar auch nach den Bedingungsfaktoren der normativen Bindung und der Verkoppelung rechtsnormativer mit sozialnormativen Vorgaben fragen, darf aber die Dominanz der rechtsnormativen Perspektive nicht in Frage stellen. Dabei muss allerdings einkalkuliert werden, dass auch die Verständigung über die rechtsnormativen Vorgaben ein Produkt normorientierter Wirklichkeitskonstruktion ist, das seinerseits nicht objektiv und unveränderlich feststeht. Insofern haben auch Einsichten anderer Wissenschaften Chancen, auf die jeweilig maßgebende Wirklichkeitskonstruktion einzuwirken. Vom Standpunkt eines rechtsnormativ geprägten Erkenntnisinteresses und mit dem Blick auf den entscheidungsorientierten Verwendungszusammenhang der anwendungsorientierten Rechtswissenschaft ist die Klärung nachrangig, ob es sinnvoll ist, die anderen Wissenschaften begrifflich zu einer einheitlichen "Verwaltungswissenschaft" zusammenzufassen oder ob die Pluralität ihrer Erkenntnisinteressen und Methoden besser durch einen Plural ausgedrückt wird. Eine solche Verständigung ist eine Nebensächlichkeit im Vergleich zu der voraussetzungsvollen Aufgabe, den trans- und interdisziplinären Dialog so vorzunehmen, dass die Verwaltungsrechtswissenschaft ihre darstellungs- und darauf bezogene hermeneutikzentrierte Einengung aufgeben kann und mit Hilfe erfahrungswissenschaftlicher Disziplinen den Zugang zu den verschiedenen entscheidungserheblichen Faktoren administrativer Rechtsanwendung findet und deren Einsatz rechtsnormativ so "bändigen" kann, dass Anforderungen des demokratischen Rechtsstaats umfassend gewahrt bleiben.
Juristische VelWaltungswissenschaft
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Die ErfiillWlg dieser Aufgabe ist Gegenstand einer Neuen VerwaltWlgsrechtswissenschaft Wld zugleich Voraussetzung einer ModemisieTWlg Wld gegebenenfalls Reform des VerwaltWlgsrechts. 20 Diese Neue VerwaltWlgsrechtswissenschaft greift auf andere VerwaltWlgswissenschaften zu, soweit sie sich auf juristische Kontexte einlassen oder beziehbar sind. Dass eine Wlter Nutzung der Befunde einer solchen erkenntnisoffenen VerwaltWlgsrechtswissenschaft erfolgende ModemisieTWlg des VerwaltWlgsrechts Wld seiner AnwendWlg überfällig ist, diese Einsicht verdankt die VerwaltWlgsrechtswissenschaft zu einem Gutteil den "benachbarten" Wissenschaften, die sich ebenso wie sie dem Gegenstand "öffentliche VerwaltWlg" zuwenden.
20 V gl. dazu die bisher 9 Bände der von Hoffmann-Riem und Schmidt-Aßmann herausgegebenen "Schriften zur Reform des VelWaltungsrechts". Ein 10. Band zur "Methodik der VelWaltungsrechtswissenschaft" ist in Vorbereitung. Siehe ferner die Berichte und Analysen von Bauer, VelWaltungsrechtslehre im Umbruch? Die VelWaltung 25 (1992), 301 ff.; Möllers, Braucht das öffentliche Recht einen neuen Methoden- und Richtungsstreit? VelWArch 90 (1999), 87 ff., ders., Theorie, Praxis und Interdisziplinarität in der VelWaltungsrechtswissenschaft, VelWArch 93 (2002), 22 ff.; Voßkuhle, Die Reform des VelWaltungsrechts als Projekt der Wissenschaft, Die VelWaltung 32 (1999), 545 ff.; R. Schmidt, Die Reform von VelWaltung und VelWaltungsrecht, VelWArch 91 (2000), 149 ff.
Der Beitrag der Rechtswissenschaft zu einer Verwaltungswissenschaft im Integrationsprozess Von Jan Ziekow Herr Hoffmann-Riem hat mit aller Klarheit herausgearbeitet, dass und in welchem Umfang verwaltungswissenschaftliche Erkenntnis verschiedenen disziplinären Hintergrundes fiir die Rechtswissenschaft und hier zuvörderst fiir die Verwaltungsrechtswissenschaft von Bedeutung ist. Dies betonen zu müssen, mag manchem in diesem Kreis erstaunlich anmuten, hat aber bei einer breitmaßstäblichen Betrachtung des Standes der Verwaltungsrechtswissenschaft seine volle Berechtigung. Sieht man von dem umfassenden Ansatz Gunnar Schupperts 1 ab, so ist es doch im wesentlichen bei der von Schuppert mit der ihm eigenen Prägnanz so bezeichneten "Schrebergartenmentalität im Verhältnis von Verwaltungsrecht und Verwaltungswissenschaft,,2 geblieben: Jeder bestellt seinen Garten mehr oder weniger gut, hegt und pflegt seine Lieblingspflänzchen und hat fiir die Gewächse des Nachbarn allenfalls ein interessiertes Auge, ohne sie wirklich im eigenen Garten dulden zu wollen. Aber: Grenzen mit Rückkehroption überschreiten ist die eine Seite, sie einzureißen eine andere. Oder - um im Bild zu bleiben: Nachbars Pflanzen zur Vervollkommnung der eigenen willkommen zu heißen ist noch lange nicht gleichbedeutend mit einer Vereinigung der Gärten zu einem unkontrollierten Wildwuchs. Mit anderen Worten: Die bloße Existenz verschieden angelegter Gärten verrät noch nichts über die Mentalität der Gärtner. Das heißt nichts anderes, als dass es die Verwaltungswissenschaft als Metaebene ohne disziplinären Unterbau nicht geben kann. In diesem Sinne wird die Verwaltungswissenschaft auf die interdisziplinär geöffneten Verwaltungswissenschaften, die sie integriert, angewiesen bleiben. Andererseits aber heißt dies auch, dass eine als integrativer Prozess verstandene Verwaltungswissenschaft Gunnar Folke Schuppert, VeIWaltungswissenschaft, 2000. Gunnar Folke Schuppert, Schlüsselbegriffe der Perspektivenverklammerung von VeIWaltungsrecht und VeIWaltungswissenschaft, in: Die Wissenschaft vom VeIWaltungsrecht, 1999, S. 103 (108). 1
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Interdisziplinarität notwendig voraussetzt. Reine Multidisziplinarität genügt insoweit nicht. Umgekehrt ist eine Fortfiihrung der Interdisziplinarität zur Transdisziplinarität fiir die Verwaltungswissenschaft - im Singular - nicht existenznotwendig. Sofern das Grundprogramm der Interdisziplinarität beachtet wird, reicht eine Transdisziplinarität cl la carte aus, nämlich dort, wo es die Problemlösungszusammenhänge erfordern3 • Kommt Verwaltungswissenschaft als Integrationsprogramm also nicht ohne das Fundament der Disziplinarität aus, so macht dies bereits die Dimension des Vorhabens deutlich: Wenn es richtig ist, dass sich Interdisziplinarität durch den Nachweis von Deftziten der disziplinären Forschung zu legitimieren hat4 , so bedeutet die Feststellung der notwendigen Interdisziplinarität der Verwaltungswissenschaft gleichzeitig die Einräumung disziplinär offener Flanken. Sie durch eine "aufeinander abgestimmte Analyse bestimmter Forschungsfelder durch mehrere Fachwissenschaften und die Entwicklung gemeinsamer Forschungsperspektiven"s - denn nichts anderes bedeutet Interdisziplinarität - zu schließen, ist die Aufgabe der Verwaltungswissenschaft. Was aber - denn dies ist mein Thema - trägt die Verwaltungsrechtswissenschaft zur Schließung der offenen Flanke, d.h. zur Verwaltungswissenschaft bei? Frühere Empfmdlichkeiten dürfen insoweit keine Rolle mehr spielen, von juristischen Hegemonialansprüchen kann keine Rede sein. Die in der Affektation ihres Ausdrucks schon damals - vor 30 Jahren - sich selbst karikierende Formulierung Dammanns, der sich einer Fülle "fachimperialistischer Anstrengungen akademischer Juristen ... zur Annexion der Verwaltungswissenschaft" gegenüber wähnte6 , ist jeglicher Boden entzogen. Denn die von Dammann empfohlene Therapie, das Juristenrnonopol zu durchbrechen7, hat zwar nicht in juristischen Fakultäten, wohl aber in der Verwaltungspraxis Raum gegriffen. Ein besonderes Charakteristikum der Verwaltungsrechtswissenschaft, das sie von vielen anderen verwaltungswissenschaftlich interessierten Disziplinen unterscheidet, ist die Rolle der Praxis im Diskurs. Das Verwaltungsrecht ist nicht der autonomen Befassung der Wissenschaft anheimgegeben, sondern konstituiert sich aus einem Dialog mit den Rechtsanwendern, den Gerichten ebenso wie 3 Jürgen Mittelstraß, Leonardo-Welt, 1992, S. 101; Eberhard Schmidt-Aßmann, Zur Situation der rechtswissenschaftlichen Forschung, JZ 1995, S. 2 (9). 4 So Schmidt-Aßmann (Fußn. 3) S. 7 unter Hinweis auf Jürgen Kocka, in: ders. (Hrsg.), Interdisziplinarität, 1987, S. 7 f. 5 Eberhard Schmidt-Aßmann, Einige Überlegungen zum Thema: Die Wissenschaft vom VerwaItungsrecht, in: Die Wissenschaft vom VerwaItungsrecht, 1999, S. 177 (180). 6 Klaus Dammann, Verwaltungswissenschaft und Rechtswissenschaft, in: Grimm (Hrsg.), Rechtswissenschaft und Nachbarwissenschaften, Bd. I, 1973, S. 107. 7 Dammann (Fußn. 6) S. 134.
Der Beitrag der Rechtswissenschaft zu einer Verwaltungswissenschaft
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der Verwaltung, selbst. Die Verwaltung ist also nicht allein Gegenstand der Verwaltungsrechtswissenschaft, sondern wirkt bei deren Ausformung mit. Diese Einbeziehung des Objekts als Diskurspartner in die Formierung der eigenen Disziplin unterscheidet die Verwaltungsrechtswissenschaft von anderen Disziplinen. Damit ist selbstverständlich nicht gesagt, dass andere Disziplinen der Verwaltungswissenschaft sich nicht den Realitäten der Verwaltung stellen würden. Das Gegenteil ist der Fall! Doch kann die fiir ihre Existenz elementare Bipolarität von Grundlagenorientierung einerseits und Praxiseinbindung andererseits durchaus als Speziftkum der Verwaltungsrechtswissenschaft angesehen werden. Den Gegenstand der Verwaltungswissenschaft, die Verwaltung, und die Verwaltungsrechtswissenschaft eint mit der Kenntnis des positiven Verwaltungsrechts ein speziftsches Wissen um die Praxis hoheitlicher Institutionen. 8 Insoweit entsteht durch die Operationalisierung von normativen Vorgaben eine gemeinsame Rekonstruktion von Wirklichkeit. In diesem Sinne gibt es keine Dichotomie von Verwaltungsrecht und Verwaltungswirklichkeit. Das Verwaltungsrecht ist vielmehr integraler Bestandteil der Verwaltungswirklichkeit. Diese mitgestaltende Rekonstruktion von Verwaltungswirklichkeit dürfte der Kern der Mitgift der Verwaltungsrechtswissenschaft fiir die Verwaltungswissenschaft sein. Dass dies nicht in voraussetzungsloser Naivität erfolgen kann, ist einsichtig. Die Freude darüber, Teil der Verwaltungswirklichkeit sein zu können, enthebt nicht von der Reflexion der Bedingungen dieses Diskurses. Die Verwaltungsrechtswissenschaft muss sich klar darüber sein, zwar mit dem Recht eines der wirkungsmächtigsten Instrumente der Steuerung von Verwaltungen gleichsam zum ,,Hausgut" zu haben, sich jedoch auf dessen Steuerungserfolg nicht verlassen zu können. Sie kann zwar den anderen Disziplinen der Verwaltungswissenschaft die in jedem Fall die Autonomie anderer Steuerungsinstrumente begrenzende rechtliche Rahmensetzung vermitteln, muss jedoch zunächst selbst den eigenen disziplinären Rahmen ausschöpfen und alle Instrumente rechtsrelevanter Steuerung - nicht lediglich die konditionale Programmierung - einbeziehen. 9 Zum anderen muss die Verwaltungsrechtswissenschaft berücksichtigen, dass die Setzung einer Norm noch nicht identisch ist mit dem Erreichen des intendierten Steuerungserfolgs. Zwar ist es richtig, dass verwaltungsrechtliche Normen insofern nie folgenlos bleiben, als sie in jedem Fall die soziale Bedeutung des Verwaltungshandelns verändern \0 - und auch diese Einsicht ist ein Beitrag 8 Christoph Möllers, Theorie, Praxis und Interdisziplinarität in der Verwaltungsrechtswissenschaft, VerwAreh 93 (2002), S. 22 (58). 9 Vgl. auch Eberhard Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, 1/39. 10 Möllers (Fußn. 8) S. 59.
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der Verwaltungsrechtswissenschaft zum verwaltungswissenschaftlichen Integrationsprograrnm. Doch bedarf es - Herr Hoffmann-Riem hat darauf hingewiesen - einer Rückbindung des Normprogranuns an seine Geltungsbedingungen, ohne die eine Überprüfung und Sicherung des Steuerungserfolgs - im Wege der Anpassung von Regelungen - nicht erreicht werden kann. Darüber hinaus ist es Aufgabe der Verwaltungsrechtswissenschaft, von sich aus Instrumente zu entwickeln, die die Verwaltung zur sachgerechten Erfüllung ihrer Aufgaben in die Lage versetzen. Herr Schuppert hat dies in das schöne Wort von der Bereitstellungsfunktion des Rechts gekleidet. 11 Dies wird meist nicht isoliert, sondern nur im Zusammenwirken mit den anderen Disziplinen der Verwaltungswissenschaft und ihren Steuerungszugängen erfolgen können. Beispiel ist die rechtliche Verarbeitung der durch Ansätze eines New Public Management an die Verwaltung herangetragenen Herausforderungen. 12 Ein kurzes Resümee führt zu den Gedanken von Hoffmann-Riem zurück: Dem Singular "Verwaltungswissenschaft" vermag ich mich anzuschließen, allerdings in dem Verständnis einer Chiffre fiir das Programm einer Integration von disziplinären Verwaltungswissenschaften durch Interdisziplinarität bei DefIZiten disziplinärer Forschung. Aus Sicht der Verwaltungsrechtswissenschaft ist eine solche interdisziplinäre Integration unumgänglich: Verwaltungsrechtliche Forschung ohne Nutzung der Erkenntnismöglichkeiten anderer Disziplinen ist ebenso ein Torso wie eine Ausblendung der verwaltungsrechtlichen Wirklichkeitsrekonstruktion durch die anderen Disziplinen.
11 Gunnar Falke Schuppert, VelWaltungswissenschaft als Steuerungswissenschaft, in: Hoffinann-RiemlSchmidt-AßmanniSchuppert (Hrsg.), Refonn des Allgemeinen VelWaltungsrechts, S. 65 (96 f.). 12 Jan Ziekow, Auswirkungen der Modernisierung der VelWaltung auf das VelWaltungsverfahrensrecht, VM 2000, S. 202 ff.; ders., Inwieweit veranlasst das Neue Steuerungsmodell zu Änderungen des VelWaltungsverfahrens und des VelWaItungsverfahrensgesetzes? , in: Hoffinann-RiemlSchmidt-Aßmann (Hrsg.), VelWaItungsverfahren und VelWaltungsverfahrensgesetz, 2002, S. 349 ff.
Betriebswirtschaftliche Verwaltungswissenschaft Von Christoph Reichard Nach der grundlegenden rechtswissenschaftlichen Positionierung in den Verwaltungswissenschaften kommt nun mit der Betriebswirtschaftslehre ein gewisses Stiefkind im Disziplinenkonzert zur Sprache, ein Stiefkind, das immer noch gelegentlich - z.B. von Seiten der Nationalökonomie - nicht so recht als Wissenschaft anerkannt wird. Ich freue mich, Ihnen einige kurze Thesen zu einer betriebswirtschaftlichen Verwaltungswissenschaft (Singular) vortragen zu können. Das soll in drei Abschnitten geschehen. Zunächst wird kurz zum Additionskonzept der Verwaltungswissenschaften Stellung genommen, um dann auf den Beitrag der Betriebswirtschaftslehre zu den Verwaltungswissenschaften einzugehen und um drittens einige offene Fragen und Diskussionspunkte aus der Sicht der betriebswirtschaftlichen Verwaltungswissenschaft zu markieren. Wir haben es ja in den Verwaltungswissenschaften mit sehr unterschiedlichen Analyseaspekten zu tun, mit denen wir den Gegenstandsbereich Staat und öffentliche Verwaltung angehen: Legitimation, Legalität, Wirksamkeit bzw. Effektivität, Wirtschaftlichkeit bzw. Effizienz, Kunden- bzw. Bfugerorientierung und schließlich Mitarbeiterinteressen bzw. Humanität sind die zentralen Analysekriterien. Die Auseinandersetzung mit dem Gegenstandsbereich Verwaltung fmdet aus Sicht der genannten Analysekriterien im Hinblick auf verschiedene Wissenschaftsziele statt. Üblicherweise unterscheiden wir dabei beschreibende, erklärende und schließlich gestaltende oder präskriptive Aussagen, mit denen wir versuchen, den Erkenntnisprozess in unserem Gegenstandsbereich voranzubringen. Dabei sind empirisch-erklärende Theorieaussagen von besonderer Bedeutung, da sie Hinweise auf Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge der Realität geben können. Um das tun zu können, brauchen wir angemessene Methoden. In den Verwaltungswissenschaften spielen dabei einerseits phänomenologisch-interpretative Methoden (insbesondere in der rechtswissenschaftlichen Verwaltungsforschung), andererseits empirisch-analytische Methoden (in der sozial- und politikwissenschaftlich ausgerichteten Verwaltungsforschung) eine besondere Rolle.
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Die Auseinandersetzung mit dem Gegenstandsbereich Öffentliche Verwaltung erfolgt also von unterschiedlichen Basisdisziplinen her, insbesondere von der Rechtswissenschaft, der Politikwissenschaft, der Volks- und Betriebswirtschaftslehre sowie der Soziologie. Diese Basisdisziplinen beschäftigen sich im großen und ganzen immer mit jeweils einem der genannten Analyseaspekte. So nimmt sich die Betriebswirtschaftslehre in erster Linie Fragen der Wirtschaftlichkeit bzw. Efftzienz an, während sich die Rechtswissenschaft auf Legalitätsfragen konzentriert. Insofern haben wir es mit Verwaltungswissenschaften im Plural im Sinne eines Additionskonzeptes zu tun, d.h. einer Addition unterschiedlicher Einzeldisziplinen. Meine Diagnose lautet - im Unterschied zu den Bemerkungen einiger Vorredner - dass uns der theoretische "große Wurf' einer integrierten Verwaltungswissenschaft (Singular) bisher noch nicht gelungen ist. Eine Brücke zwischen den Basisdisziplinen im Sinne einer tragfähigen Interdisziplin scheint uns bisher zu fehlen. Es ist das Verdienst von Klaus König, als Grenzgänger zwischen Rechts- und Politikwissenschaft bereits sehr frühzeitig und nachhaltig auf die Notwendigkeit der Loslösung "vom disziplinären Schema" und der Entwicklung eines integrativen Ansatzes - oder Paradigmas - hingewiesen zu haben (vgl. z.B. König, K., Integrative Tendenzen in der Verwaltungswissenschaft. In: Die Verwaltung 1980, S. 3 und 14). Klaus König hat eine Zeitlang entschieden daran gearbeitet, einen umfassenden, eher formal angelegten Theorieansatz wie die Systemtheorie als eine analytisch und konzeptionell ausgerichtete, identitätsstiftende Klammer fiir die verschiedenen Einzel- oder Basisdisziplinen bereitstellen zu können. Rückblickend kann man feststellen, dass wir in den letzten zwanzig, dreißig Jahren vor allem auch durch die Arbeiten von Klaus König in den Verwaltungswissenschaften in beachtlichem Maße in Richtung Integration vorangekommen sind. Ich glaube, man muss aber rückblickend leicht resignierend feststellen, dass die so unterschiedlichen Erkenntnisinteressen der Basisdisziplinen durch eine "Superinterdisziplin" wie die Systemtheorie nicht vollständig befriedigt werden konnten, und dass sich die Basisdisziplinen bis heute gegenüber paradigmatischen Integrationsbemühungen - übrigens auch jenseits der Systemtheorie im Hinblick auf andere Theorieansätze - als relativ resistent erwiesen haben. Ich will zum zweiten Punkt kurz etwas sagen, zum Beitrag der Betriebswirtschaftslehre ~ 'den Verwaltungswissenschaften: Die BWL befasst sich bekanntlich mit der Beschreibung, Erklärung und optimierenden Gestaltung des wirtschaftlichen Handelns in Betrieben unterschiedlicher Art in privater oder öffentlicher Trägerschaft. Sie ist von der Perspektive her in Abgrenzung zur Volkswirtschaftslehre eine Einzelwirtschaftslehre. Sie teilt sich in verschiedene Zweige auf. Einen Zweig, der in unserem Zusammenhang von Bedeutung ist, kann man mit dem Begriff Öffentliche Betriebswirtschaftslehre oder Verwaltungsbetriebslehre bezeichnen. Nach üblicher Eingrenzung beschäftigt sich diese Öf-
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fentliche Betriebswirtschaftslehre nicht nur mit öffentlichen Vetwaltungen, sondern darüber hinaus auch mit öffentlichen Unternehmungen sowie mit privaten Nonprofitorganisationen. Sie geht insofern über den engeren Fokus der Öffentlichen Vetwaltung hinaus. Seit einiger Zeit wird anstelle des Begriffes Öffentliche Betriebswirtschaftslehre auch der Terminus "Public Management" vetwendet. Bei Public Management, um das kurz zu beschreiben, handelt es sich um eine auf den öffentlichen Sektor ausgerichtete Variante einer umfassenden Managementlehre. Öffentliche Betriebswirtschaftslehre und Public Management weisen eine gewisse Zahl an Gemeinsamkeiten auf, unterscheiden sich allerdings auch in verschiedener Hinsicht. Public Management ist nicht allein einzelwirtschaftlich angelegt, sondern bezieht Makroaspekte des öffentlichen Sektors und relevante Teilsegmente desselben ein. Die Öffentliche BWL wiederum beschäftigt sich nicht allein mit Managementaspekten, sondern auch mit Problemen der Ausführung. Angesichts der internationalen und auch der deutschen Entwicklung kann man feststellen, dass sich öffentliche Betriebswirtschaftslehre und Public Management zunehmend einander annähern und die Grenzen immer mehr verschwimmen. Was sind wesentliche Beiträge von Öffentlicher Betriebswirtschaftslehre bzw. Public Management zu den Vetwaltungswissenschaften? Erstens liefert die Öffentliche BWL Aussagen zu einer ganzen Reihe von Grundentscheidungen in öffentlichen Einrichtungen wie zur Make-or-Buy-Frage, zur Standortwahl, zur Rechtsformenwahl und ähnlichem mehr. Sie liefert ferner Aussagen zu verschiedenen Gestaltungs- und Optimierungsproblemen im vetwaltungsbetrieblichen Leistungsprozess (Beschaffung, Leistungserstellung, Leistungsabgabe oder Marketing). Sie liefert darüber hinaus Aussagen zur Organisation, Führung, Personalgestaltung und viertens schließlich Aussagen zur Bewertung von Ressourceneinsatz, Ergebnissen und Wirkungen von Vetwaltungshandeln, wobei vor allem an Fragen des Haushalts- und Rechnungswesens sowie der Investition und Finanzierung zu denken ist. Viele dieser vor allem auf den EffIzienzgesichtspunkt abstellenden Aussagen der Betriebswirtschaftslehre werden naheliegendetweise aus dem privatwirtschaftlichen Sektor abgeleitet, der ja in der Betriebswirtschaftslehre viel weiter entwickelt ist, und auf den öffentlichen Sektor transferiert. Wie viele von Ihnen wissen werden, verursacht das häufig Probleme und Fehlschläge, weil die Spezifika der öffentlichen Vetwaltung nicht angemessen beachtet werden. Insgesamt kann man in einer verkürzten Bilanz sicher sagen, dass eine ,,reine" Betriebswirtschafts-Perspektive zur Analyse und Gestaltung von öffentlicher Vetwaltung noch unzureichender ist als das schon im privaten Sektor der Fall ist. Die ökonomische Rationalität der Betriebswirtschaftslehre - darauf hat Klaus König verschiedentlich hingewiesen - darf gerade im öffentlichen Sektor mit der dort vorhandenen starken Dominanz anderer Rationalitäten, insbesonde-
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re der politischen und bürokratischen Rationalitäten, nicht im Zentrum stehen. Sie bedarf der Relativierung und Erweiterung. Lassen Sie mich abschließend noch zwei Aspekte ansprechen, auf die gelegentlich heute schon hingewiesen wurde. Wenn man jetzt die aktuelle Reformdebatte betrachtet, liefert die Betriebswirtschaftslehre mindestens in zweierlei Hinsicht Theoriebeiträge zu einer verwaltungswissenschaftlichen ,,Reformlehre": Erstens haben die Teildisziplinen der Institutionenökonomie eine Reihe von Theorieelementen zur Beschreibung, Erklärung, Gestaltung von Verwaltungsstrukturen und -prozessen beigetragen. Dabei ist zunächst an den Transaktionskostenansatz zu denken, mit dem man die Make-or-Buy-Diskussion bereichert hat. Des weiteren ist auf die Agency-Theorie hinzuweisen, die bestimmte Macht- und Abhängigkeitsstrukturen etwa im Verhältnis von Ministerien und nachgeordneten Agencies oder Einrichtungen beleuchtet hat. Schließlich sei die Property-Rights-Theorie erwähnt, die z.B. im Hinblick auf Corporate Governance-Strukturen von öffentlichen Unternehmungen von Bedeutung ist. Zweitens hat es in den letzten Jahren eine Reihe von Ansätzen zu einer Public Management-Theorie gegeben, die insbesondere unter dem Schlagwort "New Public Management" eine Vielzahl von Gestaltungsvorschlägen und -instrumenten hervorgebracht haben. Hierzu gibt es eine reichhaltige - teilweise auch kritische Diskussion, zu der Klaus König sich mehrfach durchaus prononciert geäußert hat. Abschließend werden sechs offene Fragen angesprochen, die zum einen die Rolle der Betriebswirtschaftslehre im Hinblick auf die Verwaltungswissenschaften, zum anderen die Verwaltungswissenschaften im allgemeinen betreffen. Frage 1: Wie können einseitig privatwirtschaftlich angelegte, ,,naive" Konzepttransfers aus der UntemehmensweIt in den öffentlichen Sektor vermieden werden? Hier hat es viele Fehlentwicklungen gegeben, die sich auch in der täglichen Praxis abspielen. Frage 2: Was muss getan werden, um die derzeit beobachtbare einseitige BWL-Ausrichtung von Refonnkonzepten - man denke besonders an das Neue Steuerungsmodell, wie wir es in Deutschland in den letzten zehn bis zwölf Jahren erprobt haben - zu vermeiden? Wie gelingt es uns, zu breiter angelegten Reformansätzen zu kommen? Frage 3: Ist es bei der Entwicklung einer Public Management-Disziplin eher erstrebenswert, vom Verständnis einer "generic management"-Lehre auszugehen? Oder sollte ein spezifischer "pubIic management"-Zuschnitt zugrunde gelegt werden, der das Öffentliche und dessen Besonderheiten besonders betont? Frage 4: Wie sind die Chancen der Herausbildung eines "Integrationskonzeptes Verwaltungswissenschaft" (Singular) fiir die absehbare Zukunft zu beurtei-
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len? Und welchen Beitrag könnte hier die Öffentliche Betriebswirtschaftslehre leisten? Frage 5: Wie ist der Stand der Institutionalisierung der Verwaltungswissenschaften in bezug auf Lehre und Forschung in Deutschland allgemein einzuschätzen und wie ist auch hier wieder insbesondere die Lage von Öffentlicher Betriebswirtschaftslehre zu beurteilen? Hierzu ein kurzer vergleichender Kommentar: Die Institutionalisierung der Verwaltungswissenschaften ist uns in Deutschland bislang nur unzureichend geglückt. Wir haben vergleichsweise wenige klare Zentren. Speyer ist erfreulicherweise seit Jahrzehnten ein Zentrum, daneben sind eigentlich nur noch Konstanz und Potsdam zu nennen. In meinem Bereich Öffentliche Betriebswirtschaftslehre sieht die Situation fast noch trüber aus. Wenn man sich vergegenwärtigt, in wie starkem Maße ökonomisch geschultes Personal angesichts der aktuellen Finanzsituation eigentlich in den öffentlichen Sektor gelangen müsste, und wie marginal der Anteil der auf Öffentliche Betriebswirtschaftslehre ausgerichteten Lehrstühle, Professuren und Institute in Deutschland im Hochschulbereich ist, dann kann man schon eher in tiefes Grübeln verfallen. Frage 6: Stellt ,,Public Govemance" fiir die paradigmatische Entwicklung der Verwaltungswissenschaften einen trag- und zukunftsfähigen Ansatz dar? Und welche Rolle könnte und sollte zukünftig Public Management in einem übergreifenden Konzept der ,,Public Governance" spielen?
Betriebswirtschaftliche Verwaltungswissenschaft - Kommentar Von Klaus Lüder
Christoph Reichard hat sicher Recht mit der Feststellung, dass der schon vor fast 40 Jahren von Niklas Luhmann geforderte "Sprung" zu einer allgemeinen Verwaltungstheorie bislang nicht gelungen ist. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Verwaltungsproblemen erfolgt vielmehr (noch immer) innerhalb der von Reichard so genannten Basisdisziplinen. Basisdisziplinen in diesem Sinne sind sicher die drei Speyerer Stoffgruppen "Rechtswissenschaft", "Wirtschaftswissenschaften" und "Sozialwissenschaften/Geschichtswissenschaft", nicht jedoch die vierte Stoffgruppe "Verwaltungswissenschaft". Hat letztere also dann überhaupt eine Existenzberechtigung? Ich meine ja und begründe dies wie folgt: Die Existenzberechtigung für die Verwaltungswissenschaft im Singular erschließt sich, wenn man den Gedanken der Basisdisziplinen leicht modifIziert und zwischen einer "Kerndisziplin" und "Randdisziplinen" unterscheidet: In einem legalistischen Staat wie Deutschland muss wohl die Rechtswissenschaft die Kerndisziplin-Funktion übernehmen, alle anderen verwaltungsrelevanten Disziplinen, auch die Betriebswirtschaftslehre, sind demgegenüber - und ich bitte dies nicht abwertend zu verstehen - Randdisziplinen. Aufgabe einer so verstandenen verwaltungswissenschaftlichen Kerndisziplin ist es in erster Linie, .sich von der einseitig disziplinären Perspektive zu verabschieden und einer überdisziplinäreren Perspektive Vorrang einzuräumen. Sie sollte sich bei disziplinärer Verankerung gegenüber den Randdisziplinen öffnen, ohne der Gefahr des Dilettierens auf fachfremden Gebieten zu erliegen und somit integrierend wirken. Klaus König ist in diesem Sinne vorbildlicher Verwaltungswissenschaftler - sein gesamtes wissenschaftliches Werk ist ein Beleg dafür. Damit die Verwaltungswissenschaft aber ihre Funktion als integrative Kerndisziplin wahrnehmen kann, bedarf es neben entsprechender persönlicher Voraussetzungen der Fachvertreter auch eines institutionellen Umfeldes, das überdisziplinäre Kontakte fördert und so überdisziplinäres Arbeiten überhaupt erst möglich macht. Das bedeutet, dass Kerndisziplin und Randdisziplinen an einem Ort institutionell zusammengefasst sein müssen, so wie das z.B. in Speyer der Fall ist. Die Chancen für multidisziplinäres und überdiszipli-
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näres Arbeiten der verwaltungswissenschaftlichen Disziplinen sind Wlgleich geringer, wenn zwischen ihnen Fakultäts- oder Fachbereichsgrenzen bestehen. Die Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung, dem Zeitgeist folgend heute auch Public Management genannt, fristet im Rahmen der (universitären) Betriebswirtschaftslehre ein eher kümmerliches Dasein. Sie war stets Wld ist Nischendisziplin. Es gibt nur wenige, auf den öffentlichen Bereich spezialisierte betriebswirtschaftliche Lehrstühle Wld auch der Versuch, Vertreter von funktionalen speziellen Betriebswirtschaftslehren wie Organisation, Personal Wld RechnWlgswesen zur EinbeziehWlg der öffentlichen Verwaltung in ihr AusbildWlgsprogramm zu bewegen, sind weitgehend fehlgeschlagen. Dies nicht zuletzt, weil nur einer kleinen Minderheit der Studenten der Betriebswirtschaftslehre eine spätere Tätigkeit im öffentlichen Bereich attraktiv erscheint, weil darüber hinaus aber auch die einstellenden Behörden gar nicht Wlbedingt Betriebswirte mit Verwaltungskenntnissen suchen, sondern Funktionsspezialisten, also DV-Spezialisten, Controlling-Spezialisten, Marketing-Spezialisten, Personal-Spezialisten Wld keine hinsichtlich ihrer Kompetenzen schwer zu beurteilenden und einzuordnenden betriebswirtschaftlichen Verwaltungs-Generalisten. Auch in der ForschWlg stellt sich die Situation nicht günstiger dar. Innerhalb des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft gibt es neben vielen anderen Fachkommissionen zwar auch eine Kommission "Öffentliche Betriebswirtschaftslehre" mit immerhin 64 Mitgliedern (Stand 2001). Aus dieser Zahl kann jedoch kaum auf eine breites Interesse betriebswirtschaftlicher Forscher am öffentlichen Bereich geschlossen werden: Die weit überwiegende Zahl der Kommissionsmitglieder beschäftigt sich nur hin und wieder Wld nebenbei mit Problemen des öffentlichen Sektors und das vorzugsweise eingeschränkt auf spezielle Einrichtungen wie öffentlichen Unternehmen, Krankenhäuser und Hochschulen. Eine Folge der nur gelegentlichen und peripheren Beschäftigung mit der Verwaltung ist die häufig Wlkritische und unrnodifizierte, d. h. ,,naive" - wie Christoph Reichard sagt - Übertragung von Konzepten und Erkenntnissen aus dem Unternehmenssektor auf den öffentlichen Sektor. Dies gilt trotz der stets im Munde geführten und zu Papier gebrachten Versicherung, dass genau dies nicht möglich, nicht erstrebenswert, nicht zweckmäßig sei. In der Verfolgung einer reinen "Transplantationsstrategie" übertroffen werden die wissenschaftlichen Betriebswirte allerdings noch von den kommerziellen Beratern. Was die Entwicklungsmöglichkeiten der Betriebswirtschaftslehre als verwaltungswissenschaftliche Randdisziplin anbetrifft, so meine ich, dass dem "Einzelkämpfertum" von Politologen, Soziologen, Volkswirten, Betriebswirten und anderen, aber auch von Juristen in ihren jeweiligen Fakultäten oder Fachbereichen kaum Erfolg in dem Sinne beschieden sein dürfte, dass sie sich mit ihrer Ausrichtung auf die öffentliche Verwaltung dauerhaft etablieren können. In der Betriebswirtschaftslehre ist beispielweise gegenwärtig zu beobachten, dass frei
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werdenden Lehrstühle mit der Spezialisierung "Verwaltung" bei Emeritierung der Lehrstuhlinhaber urngewidmet werden (so zuletzt in München und Göttingen). Möglicherweise ist die Situation in anderen Randdisziplinen ähnlich. Hinzu kommt, dass der Kontakt zu anderen verwaltungswissenschaftlich orientierten Disziplinen über institutionelle Grenzen hinweg schwer herzustellen und zu pflegen ist. Dies lehrt meine persönliche Erfahrung, die ich allerdings für verallgemeinerbar halte. Mir scheint deshalb, dass die verwaltungswissenschaftlichen Randdisziplinen im allgemeinen und die universitäre Betriebswirtschaftlehre der öffentliche Verwaltung im besonderen nur dann und dort eine Überlebens- und Entwicklungschance haben, wenn und wo sie mit der Kemdisziplin institutionell zusammengefasst sind. Dies wiederum dürfte auch unabdingbare Voraussetzung dafür sein, dass es überhaupt jemals zur Entwicklung der Verwaltungswissenschaft als eigenständiger Disziplin kommen kann. Deshalb sind institutionelle verwaltungswissenschaftliche Zentren wie es sie in Deutschland derzeit nur in Speyer und in Potsdam gibt so wichtig und auch in Zukunft pflegenswert. Für die Fruchtbarkeit verwaltungswissenschaftlicher Forschung, aber auch Lehre, ist indes von entscheidender Bedeutung, dass eine - in Speyer aufgrund der historischen Entwicklung und des Ausbildungsauftrags nicht vorhandene - einigermaßen gleichgewichtige personelle Ausstattung von Kemdisziplin und Randdisziplinen sichergestellt wird.
Politologische Verwaltungsforschung Von Arthur Benz Im Jahr 1727 hielt der preußische König Friedrich Wilhelm I. an der Universität Halle eine Ansprache. In ihr, so berichtet Wilhelm Bleek in seiner Geschichte der Politikwissenschaft, "ereiferte sich der König gegen ,Juristerei und Advokaten' und empfahl, das Studium der ökonomischen, politischen und Kameralwissenschaften nachdrücklich als akademische Ausbildung der Staatsdiener"!. Anlass dieser Rede war die Einrichtung des ersten Lehrstuhls für Policeywissenschaft. Bekanntlich zerfiel diese im 19. Jahrhundert. Im liberalen Rechtsstaat verlor ihr politikwissenschaftlicher Zweig gegenüber der juristischen und ökonomischen Staatswissenschaft seine frühere Bedeutung. Für die neu aufgebaute Verwaltungswissenschaft in der Bundesrepublik aber war sie eine Traditionslinie, an die man - neben der amerikanischen "public administration" - anknüpfte. In ihr wurde die Politikwissenschaft eine zentrale Disziplin. Und so konnte 1982 Klaus König in seinem Beitrag zum Sonderheft der Politischen Vierteljahresschrift "Politikwissenschaft und Verwaltungswissenschaft" feststellen: ,,Die Politikwissenschaft hat sich ... den Verwaltungsverhältnissen in einer Weise zugewendet, die es der Verwaltungswissenschaft ... einfach macht, Verbindung zu halten. Die Politikwissenschaft ist disponiert, interdisziplinäre Arbeit im Hinblick auf die öffentliche Verwaltung zu leisten". 2 Aus heutiger Sicht, also zwanzig Jahre, nachdem Klaus König der Politikwissenschaft eine zentrale Rolle in der Verwaltungswissenschaft zuschrieb, ist zu fragen, ob sie diesem Anspruch tatsächlich genügt. Nach dem deutlichen Aufschwung der politologischen Verwaltungsforschung in der sozialliberalen Reformära ist ihre Position in den letzten zwei Jahrzehnten unsicher geworden. Bevor ich meine These begründe, möchte ich die Besonderheiten der politikwissenschaftlichen Betrachtungsweise der Verwaltung klären und sie insbesondere von einem übergreifenden sozialwissenschaftlichen Ansatz oder einer Bleeck, Geschichte der Politikwissenschaft, München 2001, S. 80. Klaus König, Verwaltungswissenschaftliches Aufbaustudium: Speyer, in: PVS Sonderheft 13/1982, S. 480 (490 f.). !
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interdisziplinär angelegten Verwaltungswissenschaft abgrenzen. Ich verstehe Politikwissenschaft als die Wissenschaft, die sich damit befasst, warum und wie kollektive Entscheidungen mit gesellschaftlicher Relevanz zustande kommen und wie sie wirken. Untersucht werden Institutionen und Regeln, die den Rahmen fiir Entscheidungen setzen, Interessen, Konflikte und Machtverhältnisse, sowie Wahrnehmungen, Ideen und Bewertungen der Akteure, die an kollektiven Entscheidungen beteiligt oder von ihnen ausgeschlossen sind. Daran, dass auch Verwaltung in diesem Sinne als Arena verstanden werden kann, in der kollektive Entscheidungen getroffen werden, kann kein vernünftiger Zweifel bestehen. Man kann die Institutionen der Regierung und der Verwaltung unterscheiden, nicht aber Politik und Verwaltung - zumindest nicht ohne eine unsinnige Verengung des Politikbegriffs. Und deswegen ist die Verwaltung Gegenstand der Politikwissenschaft, und in ihr der empirisch-analytischen Forschung wie normativer Analysen. Im ersten Fall geht es darum zu verstehen, wie Verwaltung funktioniert, im zweiten Fall um die Evaluation der Funktionsweise. Verglichen mit ihrem Aufschwung in den 1960er und 70er Jahren hat nach meiner Wahrnehmung die politologische Verwaltungsforschung in den letzten 20 Jahren nicht mehr die zentrale Rolle gespielt, die ihr eigentlich zukommen müsste. Damit sollen die Leistungen der relativ kleinen Gruppe von Verwaltungsforschern in der Politikwissenschaft keinesfalls geschmälert werden. Angesichts der strukturellen Schwierigkeiten der Teildisziplin ist vielmehr Beachtliches geleistet worden. Nicht zuletzt im Hinblick auf die künftige Entwicklung sollte man allerdings drei Probleme der politologischen Venvaltungsforschung nicht übersehen: Zum Ersten gibt es in den Themenfeldern, fiir die sie prädestiniert wäre, erhebliche Forschungsdeflzite. Zum Zweiten konnte die politologische Forschung gegenüber anderen Disziplinen und in der Praxis nicht den erforderlichen Einfluss ausüben. Drittens ist innerhalb der Politikwissenschaft die Verwaltungsforschung eher randständig geworden. Ich will diese Feststellung am Beispiel von drei zentralen Themenfeldern erläutern: 1. Die Debatte über das informale oder kooperative Venvaltungshandeln wurde von der sozialwissenschaftlichen Implementationsforschung angestoßen und es gibt einige politikwissenschaftliche Untersuchungen zu dieser Thematik. Seit dem Ende des Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Implementationsforschung und dem Abbruch des Konstanzer Sonderforschungsbereichs "Verwaltung im Wandel" blieben aber erhebliche Lücken in der empirischen Forschung. Ferner wurde die Diskussion weitgehend von Rechtswissenschaftlern dominiert, die vorliegende politologische Analysen der Bedingungen, Verlaufsformen und Ergebnisse von Kooperation aufgriffen. In der politologischen Verwaltungsforschung
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wurde eine Systematisierung der Forschungsergebnisse und eine Theoriebildung in diesem Bereich vernachlässigt. Und innerhalb der Politikwissenschaft gibt es zwischen den Fachvertretern, die kooperative Politik in der Verwaltung, im Regierungssystem oder in der internationalen Politik erforschen, bestenfalls sporadische Verbindungen. 2. Noch weniger Einfluss erlangte die Stimme der Politikwissenschaft in der Diskussion um "New Public Management". Zu diesem Themenfeld liegen durchaus empirische Untersuchungen vor, etwa die Arbeiten von Bogumil/Kissler, Jann, König/Beck, Naschold und Wol/mann. Ferner wurden etliche Fachtagungen im Rahmen von Unterorganisationen der deutschen Vereinigung fiir Politische Wissenschaft veranstaltet. Es gibt aber nur wenige detaillierte empirisch-analytische Untersuchungen zu Machtverschiebungen, veränderten Entscheidungsprozessen, Koordinationsproblemen etc. Zudem konnten die genannten Forscher die Argumentationsmacht der Betriebswirtschaftslehre in der Praxis nicht verdrängen. Innerhalb der Politikwissenschaft hatten sie allenfalls am Rande Einfluss auf die Debatte über den Wandel des Staates. Diese wird unter dem Gesichtspunkt von Globalisierung und Europäisierung intensiv geführt, die Auswirkungen der Verwaltungsentwicklung werden dabei aber zu wenig beachtet. 3. Ein noch zu wenig erforschtes Feld der Verwaltungswissenschaft ist die Internationalisierung. Auch hierzu gibt es erste Untersuchungen, die nicht zuletzt von Politologen durchgeführt wurden, etwa Dieter Grunows Untersuchung zur Europäisierung der Verwaltung oder diverse Studien zur regionalen Verwaltung. Angesichts der enormen Herausforderungen auf diesem Gebiet muss allerdings nach wie vor ein erhebliches ForschungsdefIzit konstatiert werden. Und in der Debatte um Internationalisierung und Globalisierung innerhalb der Politikwissenschaft haben Verwaltungs forscher nicht die ihnen gebührende Bedeutung. Es liegt nahe, fiir diese Situation der politikwissenschaftlichen Verwaltungsforschung einen Paradigmenwechsel in Theorie und Praxis der öffentlichen Verwaltung verantwortlich zu machen. Wenn Verwaltungsaufgaben privatisiert, neue Regulierungs- und ökonomische Steuerungsmechanismen eingeführt und Verwaltungsbehörden zu Betrieben werden, wenn insgesamt politische Verwaltungsfiihrung durch Management ersetzt wird, scheint die Politikwissenschaft nur noch wenig zu sagen zu haben. Aber diese Erklärung ist zu einfach. Meine These lautet, dass gerade diese Entwicklung die politologische Verwaltungsforschung vor neue Herausforderungen stellt, dass sie aber mit diesen Herausforderungen bislang nicht hinreichend fertig geworden ist. Worauf ist dies zurückzuführen? Ich sehe zumindest vier Ursachen: -
Theorieproblem: Die empirische Analyse der Realität der Verwaltung erfordert nicht nur eine genaue Beschreibung der Realität. Sozialwissenschaftli-
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ArthurBenz che Erkenntnisse werden dadurch gewonnen, dass man, mit Hegel gesprochen, die Wirklichkeit "auf den Begriffbringt", sie in Theorien generalisiert. In dieser Hinsicht steckt die politologische Verwaltungsforschung allerdings in einem Dilemma. Ihr ist innerhalb der Politikwissenschaft immer ein TheoriedefIZit vorgeworfen worden, gleichzeitig gilt sie in den anderen Disziplinen und vor allem in der Praxis als zu theoretisch. Insgesamt wird man wohl feststellen können, dass die politikwissenschaftliche Verwaltungsforschung eine ihrem Gegenstand angemessene bescheidene Theoriebildung geleistet hat. Sie ist nicht dem Fehler verfallen, sich zu sehr auf abstrakte Theorien einzulassen, wenngleich man natürlich auch die Systemtheorie oder Rational-choice-Ansätze diskutiert hat. Als fruchtbarer erwiesen sich jedoch institutionen-, organisations-, interaktions- oder entscheidungstheoretische Konzepte ,,mittlerer Reichweite", die sich auf spezifische Problemfelder anwenden lassen. Aber mit diesem pragmatischen Weg der Theoriebildung kann die politikwissenschaftliche Verwaltungsforschung eben die innerhalb und außerhalb des eigenen Fachs an sie herangetragenen divergierenden Ansprüche nicht erfiillen. Gegenüber der Praxis muss sie ihre theoretischen und methodischen Standards behaupten, innerhalb der Politikwissenschaft muss sie ohne ein Repertoire an Theorien der Verwaltung auskommen.
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Problem der Bewertungsmaßstäbe: Genauso folgenreich ist, dass sich Politikwissenschaftler mit bewertenden Urteilen schwer tun, weil ihre Maßstäbe der Bewertung aus den politischen Prozessen selbst entnommen sind. Das Verdikt der Rechtswidrigkeit des Juristen rüttelt auf, und der Vorwurf der IneffIZienz der Betriebswirtschaftslehre in Zeiten knapper Mittel nicht weniger. Für den Politikwissenschaftler sind dagegen die Ziele und Normen, die sich im demokratischen Prozess bilden, entscheidend. Er muss auf den komplizierten Zusammenhang von Verfahren, Zielen und Ergebnissen verweisen, der meist nicht eindeutig ist. In dieser Situation neigten Verwaltungswissenschaftler oft dazu, sich juristischer oder betriebswirtschaftlicher Kategorien zu bedienen. Auch dies brachte die politologische Verwaltungsforschung in eine ambivalente Situation zwischen den Fächern. Verdrängung der Forschung durch Beratung: Politologische Verwaltungsforschung benötigt eine Informationsbasis aufgrund empirischer Forschung. Diese kann sie nur aufbauen, wenn sie Zugänge zu Informationen erhält. In den letzten zwei Jahrzehnten ist dies aber immer schwieriger geworden, weil sich die Verwaltung einer Flut von Experten ausgesetzt sah. Gegenüber den Praxisberatern, die versprachen, konkrete Probleme zu lösen oder Rezepte anzubieten, kam eine methodisch solide empirische Forschung kaum noch an, es sei denn, sie trat im Gewande der Beratung auf, mit dem entsprechenden Verzicht auf methodische und theoretische Ansprüche der Analysen.
Politologische Verwaltungsforschung
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Dies hat der sozialwissenschaftlichen Forschung generell geschadet, der politologischen aber ganz besonders. -
Wahrnehmungsproblem: Der entscheidende Grund fiir die prekäre Lage der politologischen Verwaltungsforschung liegt aber wohl darin, dass sie sich schwer tut, Aufinerksamkeit zu gewinnen. Das liegt daran, dass sie nicht primär Neues erfmdet, sondern Bestehendes analysiert und gegebenenfalls kritisiert. Neue Reformkonzepte oder Modelle, wie man die Verwaltung umbauen kann, sind fiir Praxis und Wissenschaft natürlich viel interessanter als das mühsame Kleingeschäft des empirischen Forschers oder die Erkenntnisse über die Möglichkeiten und Grenzen der Verwaltungspplitik. Wenn der Politikwissenschaftler dann erklärt, dass solche Modelle nur unter bestimmten Bedingungen funktionieren und Reformen oft an Machtverhältnissen oder der Pfadabhängigkeit von Institutionen scheitern, will das natürlich zunächst niemand hören. Und wenn Reformen dann doch scheitern, haben ohnehin alle gewusst, dass es so kommen musste, und Erklärungen interessieren dann nicht mehr.
Zu konstatieren ist damit ein Dilemma der politikwissenschaftlichen Verwaltungsforschung. Einerseits ist ihr Beitrag heute mehr denn je erforderlich, müssen ForschungsdefIzite überwunden werden, nicht zuletzt, um an den internationalen Stand der Wissenschaftsentwicklung anschließen zu können. Andererseits sieht sie sich in mehrfacher Hinsicht in eine Randlage gedrängt, innerhalb der interdisziplinären Verwaltungswissenschaft ebenso wie in der Politikwissenschaft. Wie lässt sich dieses Dilemma lösen? Sicher wäre es falsch, der politologischen Verwaltungsforschung eine stärkere Praxisnähe zu verordnen. Praxisrelevanz erlangt sie eher durch analytische und methodische Qualität der Untersuchungen. In einer multidisziplinären Verwaltungswissenschaft kann die Politologie nur mitwirken, wenn sie ihre eigenen Sichtweisen, Theorien und Methoden einbringt. Ziel muss es also sein, deren Relevanz fiir praktische Fragestellungen zu verdeutlichen. Entscheidend aber ist, die Position der Verwaltungswissenschaft innerhalb der Politikwissenschaft zu stärken. Ohne hier Patentrezepte anbieten zu wollen, möchte ich auf drei Strategien hinweisen, mit denen der politologischen Verwaltungsforschung zu einem neuen Aufschwung verholfen werden kann: 1. Im Hinblick auf die Theoriebildung und die Schärfung der Analyseinstrumente bietet das "Governance"-Konzept Chancen, sofern es nicht zu einem neuen normativen Paradigma hochstilisiert wird. Es sollte als analytisches Konzept genutzt werden, das auf Fragestellungen verweist, die längst behandelt werden müssten: Fragen der Steuerung, der Koordination, der Institutionenentwicklung, der Demokratisierung, um nur einige zu nennen. Das Governance-Konzept erfasst diese Themen in ihrem Zusammenhang. 6 Zickow
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2. Relevanz wie methodische Stringenz kann die Verwaltungsforschung durch die Konzentration auf vergleichende Forschung erlangen. Dadurch kann die Politikwissenschaft nicht nur die Theoriebildung vorantreiben, sondern mit neue Erkenntnisse Aufmerksamkeit gewinnen. 3. Schließlich sollte durch eine stärkere Beachtung der Zusammenhänge zwischen Staat, Regieren und Verwaltung, also durch ein Aufbrechen der isolierten Verwaltungsforschung innerhalb der Politikwissenschaft, angestrebt werden, was earl Böhret und Fritz W. Scharpj schon vor Jahrzehnten forderten, nämlich die Verwaltungswissenschaft als "Verwaltungspolitologie" (Böhret) zu einem zentralen Bestandteil der Politikwissenschaft zu machen. Mit diesem Forderungen ist der Verwaltungsforschung kein völlig neuer Weg gewiesen. Wir müssen in der Politikwissenschaft also die Verwaltungswissenschaft nicht neu erfmden, sondern nur bereits Begonnenes fortsetzen. Klaus König hat mit vielen Arbeiten im Rahmen seines wissenschaftlichen Werks dazu beigetragen.
Politologische Verwaltungswissenschaft - Kommentar Von Carl Böhret Hundert Jahre nach Friedrich Wilhelm 1., den Arthur Benz eingangs zitiert hat, kümmerte sich in Tübingen der Professor für Staatswissenschaften, Friedrich List, um die Sache. Er schrieb um 1825 ganz ähnlich wie Friedrich Wilhelm: "Wer sich jedoch einzig auf Jurisprudenz beschränkt, hat keinen Begriff vom Staate und er benimmt sich ungeschickt in allem, was die Administration betrifft. Nichts ist so von Nöten als die Theorie der Rechtswissenschaft mit den Kameralwissenschaften (Verwaltungswissenschaften eigentlich) zu vereinigen und die Theorie dieser Wissenschaften mit der Staatspraxis zu verbinden." Aber List war auch Ökonom, der frühe Protagonist übrigens der Produktivkräfte und Kritiker der "Schule" des Adam Smith. Und er war praktizierender Politologe und Verwaltungs experte, interessiert auch an Dienstrechtsreformen. Aber er verzweifelte, weil er leider den Zerfall seiner interdisziplinären Staatswissenschaften erleben musste. Dies ergänzend und verstärkend zu Arthur Benz, auch ein wissenschaftshistorischer Rückflug in eine Bifurkationschance, wie Chaostheoretiker heute sagen. Denn es hätte an diesem Verzweigungspunkt auch anders weitergehen können. So mussten wir warten, 250 Jahre, bis dann Klaus König sich der Angelegenheit annahm, und Politikwissenschaft mit Verwaltungswissenschaft zu versöhnen trachtete, auch auf der Basis amerikanischer Erfahrungen. Natürlich hat sich Klaus König dabei zwischen einige Stühle gesetzt, und die standen damals sehr weit auseinander. All die Probleme, die hier diskutiert worden sind, hatten wir jungen Politologen der fiinfziger und der frühen sechziger Jahre ebenfalls zu erdulden. Eine neue Disziplin, die eigentlich doch eine uralte war, sollte erst mal wieder platziert werden. Braucht man so was? Das machen wir doch alle schon! All diese berühmten Worte, die man heute auch wieder hört. Und dann prägten unsere damaligen Berliner Lehrer, viele waren aus den USA zurückgekommen, für uns damals schon den Begriff Integrationswissenschaft, kurz vor Ihnen, Herr König, ohne dass das zum Programm entwickelt worden wäre. Das damalige OttoSuhr-Institut wurde eine interfakultative Einrichtung mit all den Chancen, von vornherein auch interdisziplinär zu arbeiten. Roman Herzog hat beispielsweise Recht und Politik unterrichtet, Ernst Fraenkel "Vergleichende Lehre der Herr-
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schaftsfonnen", Gerhard Schultz Verwaltungsgeschichte, Gert von Eynern und Helmut Arndt Wirtschaftswissenschaften. Die Schüler, wir, mussten die Sache integrieren. Die Lehrer haben es damals auf uns abgeladen und wir haben es dann wenigstens versucht. Wir hatten mit dem Aufkommen der Politikwissenschaft in den 50er Jahren ähnliche Probleme mit der wissenschaftssystematischen Einrichtung und Anerkennung, so, wie sie die singuläre Verwaltungswissenschaft später auch zu spüren bekam. Als die Politologie endlich etabliert war, wurde sie in die 68er Periode einbezogen - gerade in Berlin. Da war nichts mehr zu machen mit Staats- und Verwaltungslehre, höchstens mit deren AbqualiflZierung als unselbständigem Herrschaftsinstrument des Kapitals. Da wurde aber dann auch vor allem Infradisziplinität eingefordert, und das heißt, dass wissenschaftliche Grundlagen aus einer geschlossenen Theorie oder Weltanschauung abzuleiten seien. Die Befreiung gelang damals vor allem außerhalb des Universitätsbetriebs, und sie gelang durch das Konzept des PAS, des politisch-administrativen Systems, der aktiven Politik, der Konzentration auf ,,Regierung und Verwaltung", der Planung, der beginnenden Refonntheorien. Immer neo-keynesianisch und deshalb heftig attackiert von der neomarxistischen Fraktion. Einige Zeit lief das Reforrnparadigma quasi neben den Systemveränderungsversuchen, aber es besetzte eben das Steuerungszentrum und damit war es erfolgreich. So kam es dann zur ersten Modernisierungskonjunktur, in den frühen 70er Jahren stark praxiologisch und beratend, getragen allerdings von der ersten Schülergeneration der nach 1950 neu eingesetzten Politikwissenschaft. Da entwickelte sich nämlich innerhalb der Politikwissenschaft eine Art verwaltungsorientierte Wissensehaftsfraktion: Ellwein, Scharp/, Naschold, Schatz, ein wenig ich, später Wol/mann, Grunow und andere. Wir hatten wichtige Unterstützer von außen, Mayntz, Derlien, Bull, auch Schuppert etwas später und Brohm, ich kann mich noch an viele Diskussionen erinnern und dann vor allen Dingen die Beiträge der Speyeraner Frido Wagener und König, Laux und später Siedentopf und Reinermann. Aber - und da stimme ich Arthur Benz zu - es fehlte zumindest eine stetige Beschäftigung und vor allem ein eigenständiges Konzept. Das kam dann ansatzweise zu Beginn der 80er Jahre zustande, als - schon in der Abschwungphase der politikwissenschaftlichen Verwaltungsdiskussion - ein Zwischenhoch auf dem Berliner Kongress (1982) erreicht wurde. Es brachte die Verwaltung wenigstens als Erkenntnisobjekt der Politikwissenschaft kurz zurück: Recht, Budget und Verwaltung wurden damals als zentrale Steuerungsmedien thematisiert. Aber in den Vordergrund rückte mehr und mehr die sogenannte Politikfeldforschung (Policy-Studien). Auch aus berufsperspektivischen Gründen übrigens. Nicht zuletzt deswegen geriet die Politikwissenschaft Mitte der 80er Jahre in eine Selbstverständnisdebatte. Was sollten die Kernbereiche, was zusätzliche Forschungsfelder sein? Ich habe damals eine große Umfrage durchgeführt. Bei den 21 Feldern war immerhin RegierunglVerwaltung dabei - und als
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wichtig und zukunftsträchtig eingestuft. Arthur Benz hat darauf hingewiesen, 1982/83 kam dann der Versuch, Verwaltungspolitologie zu deftnieren, nämlich als die "spezielle, auf den Gegenstand (auch nicht-öffentlicher!) Verwaltung bezogene Politikwissenschaft mit empirischen, theorieerzeugenden und praxeologisehen Zugängen unter interdisziplinärer Ausrichtung". Jedenfalls haben es einige von uns probiert, von der Politikwissenschaft her erneut den Zugang zur Verwaltungswissenschaft zu fmden, gerade über die Analyse des Verhältnisses von Politik, Verwaltung und Gesellschaft, einschließlich der Verwaltungskulturforschung. Als aber der Reformeifer wegbrach - und das war dann auch das Ende von Reformpolitik - da blieben die systemverbessernden Anstöße von uns jedenfalls aus und die rechtswissenschaftliehe Bestandspflege setzte sich wieder in den Mittelpunkt. Oder anders: Ohne Reformbewegung hat Verwaltungspolitologie wenig Einfluss. Dies bestätige ich gerne aus eigenen Modernisierungserfahrungen heute und vor 30 Jahren. Immerhin kam dann Mitte der 90er Jahre die zweite Modernisierungskonjunktur auf - mit dem New Public Management. Sie war von vornherein auf die Binnenmodernisierung gerichtet - unter neuen Knappheitsbedingungen. Aber bei den großen Modernisierungen, wie Ablösung der Mittelinstanzen, Aufgabenaufbau, Rechtsoptimierung, da waren immer maßgeblich Verwaltungspolitologen beteiligt. Was die New Public Management-Vertreter vorgeschlagen haben, hat man selbstverständlich inkooperiert, soweit das sinnvoll war. Im Unterschied zu Arthur Benz gewichte ich den Einfluss der Verwaltungspolitologie in dieser zweiten Phase stärker als er. Zumal einige von uns ja auch etwas von Verwaltungsbetriebslehre verstanden haben und zusammen mit den NPM-Vertretern die Sache angetrieben haben. Traditionelle Politologen allerdings, das gebe ich zu, waren jetzt weniger gefragt. Das dritte Problemfeld kommt jetzt dazu, die Internationalisierung und der unerlässliche Vergleich von unterschiedlichen Lösungsmodellen. Nun ganz kurz noch zu den fünf Kritikpunkten von Arthur Benz. Zunächst zum ersten: zuwenig Wahmehmung und Einfluss der Verwaltungspolitologie im PAS. Das mag auf der generellen Ebene zutreffen, aber speziell haben wir immer wieder Einfluss im Sinne von Beratung und Mitwirkung bei Reformen vorzuweisen. Die Chancen dazu muss man sich allerdings hart erarbeiten. Man muss Zugang zum PAS - möglichst zur politischen Führung - gewinnen. Das weiß Klaus König am besten. Oft sind es einzelne Wissenschaftler als eindringende Personen und dann erst kommen die Disziplinen und disziplinären Fragen nach. Zweites Thema: Theoriedilemma. Benz hat es eindrücklich dargestellt. Die gesamte Politikwissenschaft, ich bin da noch kritischer als er, ist derzeit wenig theoriefreudig. Wir hatten zwar immer Probleme, uns zwischen Theorien der
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mittleren Reichweite und Gesamtsystemerklärungen zu bewegen. Unser gegenwärtiges DefIzit besteht aber erneut darin, dass wir nur wenige Ansätze für eine dynamisch bereichsübergreifende Theorie vermitteln können, die Makrotheorien kommen wieder einmal von außen (z.B. Castells oder Hart/Negri) - mit denen muss man sich auseinandersetzen. Vielleicht schaffen wir mit der Glokalisierungstheorie oder mit den ko-evolutiven Ansätzen eine geeignete Basis. Immerhin ließe sich die Rolle der Verwaltung als Entwicklungsagentur für die dritte Modernisierungskonjunktur erklären. Weg von der Max-Weber-Welt über die von-Hayek-Welt der Ökonomisierung bis hin zur Erich-Jantsch-Welt der evolutiven Selbstorganisation. Drittes Problem: Die Bewertungsmaßstäbe. Ich sehe es wie Arthur Benz. Aber was heißt das denn wieder? Wir müssen uns um normative Regeln bemühen, damit wenigstens abzuleiten wäre, wie Verwaltung im Alltag und zur Optimierung des Gemeinwesenwohls funktionieren soll, was sicherlich erst aus dem politischen Prozess heraus zu erklären ist, das gebe ich zu. Aber da bin ich noch der herangealterte Politologe aus der Berliner Schule. Ein bisschen materielle oder Gesellschaftstheorie würde auch hier sehr hilfreich sein. Wegen solcher DefIzite fehlen uns die transadministrativen Bewertungsmaßstäbe weitgehend. Wenn wir uns weiterhin nur in der mittleren Theoriereichweite bewegen, bringt uns das nur kleine Anstöße. Vielleicht sollte man wenigstens zu einigen Klassikern zurückfmden, da kann man einiges wiederentdecken. Und vielleicht lohnt es sich auch, spannende Erkenntnisse der naturwissenschaftlichen Systemdenkens zu berücksichtigen. Die zwei Kulturen müssen wir endlich auflösen: mit Komplexitätstheorie, Systemanalysen neuen Typs und Folgenforschung kämen wir weiter. Viertens: Ich unterstütze die Aussage von Arthur Benz zur Verdrängung der Forschung durch Beratung, insoweit er die sogenannten Praxisberater, KleinstRatgeber und manche Beratungsgesellschaft meinte. Ich habe allerdings zweierlei erfahren: Erstens: Die wissenschaftlich fundierte Beratung setzt sich doch immer wieder durch, wenn man den Zugang gewinnt. Und wenn es um ernsthafte Systemprobleme geht, ohne dass man ,,zu Munde reden" muss. Zweitens: Ich erkenne einen Trend zur persönlichen Beratung von PAS-Entscheidungsträgern, ich nenne das Politikcoaching oder Neonarrenfunktion. Die ist schon da und sie ist erfolgreich. Sie ist oft erfolgreicher als die Beratung über Institutionen von außen. Verwaltungspolitologen sind dabei gefordert und schon tätig. Fünfter Bereich: Nochmals zum Wahrnehmungsproblem. Das Kleingeschäft steht oft im Mittelpunkt, hat Arthur Benz gesagt. Aber es kann über ein umfassenderes Konzept vermittelt werden, und dass müssten eigentlich Verwaltungspolitologen können. Die Privatisierung der Katasterverwaltung oder die Umorganisation des Katastrophenschutzes, das muss eben auch unter Ordnungsaspekten gesehen werden, und die Abschaffung einer ganzen Verwaltungsebene wirft
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eine Menge an Gestaltungs- und vor allen Dingen auch an Machtfragen auf, und da sind Verwaltungspolitologen nun wirklich gefragt, denn da können wir originär etwas beisteuern. Letzter Aspekt: Die Möglichkeiten. Ich bin auch für vergleichende Forschung, das hat es übrigens in der Politikwissenschaft als eigenen Zweig, als eigenes Lehrfach immer gegeben, vor allem in der Berliner Schule (mit Ernst Fraenkel). Vielleicht eine zaghafte Ergänzung. Das Govemance-Konzept, für das Sie ja, lieber Herr König, stehen wie kaum ein anderer, das könnte noch ein bisschen ergänzt werden, vielleicht ließen sich ein paar transdisziplinäre Makroerklärungen dazubringen. Verwaltungspolitologie kann und muss sich auch in der Leonardo-Welt (als in der durch Menschen geschaffene Wirklichkeit) platzieren können, und dazu gehören eben Staat, Verwaltung und Recht. Ich glaube jedenfalls, dass man mit einem integrationswissenschaftlichen Ansatz weiterkommt, sofern dieser auch noch transdisziplinäre Absichten verfolgt. Wenn es der Wissenschaft und der Gesellschaft dient, bin ich dann immer Integrationswissenschaftler, interdisziplinär und sogar transdisziplinär denkend und arbeitend. Die Verwaltungspolitologen sind jedenfalls Klaus König überaus dankbar. Er hat sich als eine Art Brückentier zwischen den Disziplinen erwiesen, Kommunikation herbeigeführt. Sie - lieber Herr König - sind eben nicht nur einer, der darüber geredet hat, sondern Sie sind selber ein Integrationswissenschaftler. Bleiben Sie es noch lange und laden Sie uns öfter noch zu solchen angenehmen Veranstaltungen ein.
Verwaltungssoziologie und Verwaltungswissenschaft* Von Hans-Ulrich Derlien Am Anfang war Max Weber, das gilt unzweifelhaft fiir die Verwaltungssoziologie. Max Weber wird aber auch oft als einer der Begründer der nichtjuristischen Verwaltungs wissenschaft in der angelsächsischen Welt angesehen. Das gilt zudem besonders, wenn es um die interdisziplinäre Fundierung der Verwaltungswissenschaft geht, denn Max Weber war Jurist, arbeitete rechts geschichtlich und habilitierte bei dem ersten Nobelpreisträger fiir Literatur, Theodor Mommsen, der fiir seine "Geschichte des Römischen Reiches" ausgezeichnet wurde; Weber wurde dann bekanntlich als Nationalökonom nach Freiburg berufen und gründete mit anderen 1911 die Deutsche Gesellschaft fiir Soziologie, und heutige Politologen berufen sich gelegentlich noch auf "Politik als Beruf' (1919), wenn sie nicht gar wie Wilhelm Hennis (1996) zu Weber-Spezialisten werden.
An Max Weber wird auch deutlich, daß man in der Regel nicht sein ganzes Leben an einem Gegenstandsbereich haftet und als Soziologe vielleicht einmal eine Lehrveranstaltung über öffentliche Verwaltung abhält oder ein Lehrbuch I schreibt, genauso wie der als Soziologe beginnende Verwaltungswissenschaftler in 25 Dienstjahren seinen Horizont etwas verbreitert. Dasselbe gilt natürlich auch fiir Juristen, die sich der Regierungslehre zuwenden wie unser Laureatus. Ein anderes Beispiel ist Herber! Simon, der ursprünglich als Politologe ausgebildet wurde, sich dann der öffentlichen Verwaltung zuwandte, mit seinen Untersuchungen über Entscheidungsverhalten aber auch als Psychologe anerkannt wurde und schließlich 1976 den Nobelpreis fiir Ökonomie erhielt. Biographisch gibt es also eine Variabilität und ein Changieren zwischen den Disziplinen, wie die Beispiele Max Webers und Herber! Simons zeigen, wie es aber
• Überarbeitetes Version des Vortrages, der dann leider auf dem Symposium zu Ehren Klaus Königs am 29./30. November 2002 am Forschungsinstitut rur öffentliche Verwaltung bei der Deutschen Hochschule rur Verwaltungswissenschaften Speyer schließlich nicht gehalten werden konnte. I Nach den verwaltungssoziologischen Lehrbüchern von Haußleiter (1969) und Pankoke (1977) ist vor allem Maynlz (1978, letzte Auflage 1997) zu nennen.
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auch sichtbar wird bei den Juristen Hennis (Regierungs lehre), Scharpf (1973, politologische Verwaltungsforschung) und Luhmann (von der Verwaltungssoziologie zur allgemeine Soziologie). Viele ältere Organisations- und Verwaltungssoziologen haben sich schließlich wie der späte Luhmann eine gesamtgesellschaftliche Perspektive zugelegt; dazu sind Amitai Etzioni in den USA und Renate Mayntz sowie Franz Xaver Kaufmann in Deutschland zu rechnen. Vielleicht liegt es daran, daß die Verwaltungssoziologie, wie übrigens auch die Organisationssoziologie, in Deutschland heute ausgedünnt und kaum noch personell repräsentiert ist. Was ein Soziologe, der sich mit Verwaltung mehr oder weniger lange und intensiv befaßt, zur Verwaltungs wissenschaft beitragen kann und was seine Identität ausmacht, möchte ich in einer Rekonstruktion des Webersehen Denkens über öffentliche Verwaltung skizzieren. Ich teile meine Darlegungen in zwei Kapitel: -
eine Skizze des methodologischen Selbstverstandnisses und
-
eine Rekonstruktion der Verwaltungssoziologie aus dem Geiste der Bürokratietheorie Max Webers.
I. Methodologische Besonderheiten Unter den methodologischen Besonderheiten sind zwei Aspekte anzufiihren: die empirische Vorgehensweise und das Postulat der Werturteilsfreiheit.
1. Empirische Forschung Was es an empirischer Forschung über die öffentliche Verwaltung in Deutschland seit den 60er Jahren gibt, habe ich in einem Beitrag zum vorletzten Buch Klaus Königs, Verwaltung an der Schwelle des 21. Jahrhunderts, zusammengetragen (Derlien 2002); vieles aber nicht alles ist dabei von Verwaltungssoziologen geschrieben worden. Besonders quantifIZierende Aussagen zeichnen den Verwaltungssoziologen aus. Das hat etwas mit seinem methodischen Rüstzeug zu tun. Schon Max Weber hatte konstatiert, daß es noch niemand geschadet habe, Fälle auszuzählen und eine Tabelle zu erstellen. Er sagte dies, als er im Zusammenhang mit einem Urlaub in der Weberei seiner Verwandten Beobachtungen über die Schwankung der Leistungsfähigkeit von Arbeitern anstellte, die in seine Studie über die ,,Psycho-Physik der industriellen Arbeit" mündeten, einen deutschen Vorläufer der späteren Human Relations-Bewegung.
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Soziologen arbeiten quantitativ, wenn sie die Akteure im politisch-administrativen System befragen, sei es, daß sie sich mit dem Führungspersonal und der Verwaltungselite befassen, sei es, daß sie Vorgesetzten-UntergebenenBeziehungen oder Arbeitszufriedenheit analysieren (KlageslHippler 1991) oder daß sie die Interaktion zwischen Bürger und Verwaltung entschlüsseln (Kaufmann und Mitarbeiter 1978). Das empirische Arbeiten ist zwar ein Merkmal von Soziologen, auch wenn sie Fallstudien von Behörden oder Entscheidungsprozessen oder Vollzugsprozessen durchfuhren, die empirische Vorgehensweise ist aber nicht exklusiv soziologisch, sondern wird natürlich auch von Politikwissenschaftlern und Psychologen gepflegt. Die verwaltungssoziologische Vorgehensweise verhält sich dabei zum Vorgehen des Öffentlich-Rechtlers und der Verwaltungslehre in etwa so wie die Rechtssoziologie oder die Rechtstatsachenforschung zur dogmatischen Jurisprudenz.
2. Werturteilsfreiheit Der Soziologe wird sich entsprechend dem Weberschen WerturteilsfreiheitsPostulat vor präskriptiven Aussagen hüten oder, wenn er Empfehlungen ausspricht, die normativen Prämissen explizit benennen und die Empfehlungen entsprechend seinen empirischen Kausalkenntnissen hierauf als Mittel zum Zweck beziehen. Allgemein wird man aber sagen müssen, daß alle Verwaltungswissenschaften bisher vor dem Problem standen, verbindliche oder konsensfcihige, dabei breit genug gefächerte EffIzienzkriterien zu Bezugs- oder Beurteilungsgesichtspunkten zu machen (Derlien 1972). Gerade in der heutigen Zeit, in der unter dominant ökonomischem Einfluß immer wieder von Wirtschaftlichkeit die Rede ist, zeigt sich eine Verengung der EffIzienzkriterien: Qualitatives, Intangibles und nicht Monetarisierbares wird ausgeblendet, so daß Aussagen und Empfehlungen bereits unter dem Gesichtspunkt der Selektivität normativer Prämissen fragwürdig werden. Die Entscheidung darüber, ob Strukturen und Verfahren gut oder schlecht sind, beibehalten werden können oder reformiert werden müssen, wird vielfach nicht explizit gemacht. Wenn der Politologe über mangelnde Problemläsungsflihigkeit klagt, wenn der Betriebswirt von Wirtschaftlichkeit spricht, dabei aber Sparsamkeit oder bestenfalls organisatorische, nicht aber gesamtökonomische EffIzienz anspricht, oder wenn der Betriebssoziologe (in gewerkschaftsfreundlicher Absicht) die Arbeitszufriedenheit zum obersten Kriterium erhebt - sie alle bewegen sich dann auf rutschigem Parkett. Ihre Aussagen und vor allem ihre Wertungen sind angreifbar und bleiben persönliche Meinung. Der Soziologe sollte von seiner professionellen Schulung her kritisch gegenüber eigenen und anderer Leute Werturteile sein. Wertende Aussagen reflektieren Präferenzen des Aussagenden, können aber per se keine intersubjektive Geltung beanspruchen. Dennoch bleibt es soziologisch interessant,
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die Genese von Wertungen oder Leitbildern ideologiekritisch zu analysieren sowie deren Folgen zu untersuchen. In jüngerer Zeit ist eine Präokkupation mit Modellen des guten Regierens festzustellen. Normative Kriterien fiir good governance werden von World Bank und OECD propagiert und stellen Maßstäbe fiir Länder-Ratings innerhalb der globalisierten Ökonomie dar. Auf gleicher Ebene sind als wertbehaftet anzusehen statements über Kernaufgaben des Staates, mehr oder weniger reflektiert vorgetragene Performanz-Einschätzungen von Demokratien oder politischen Systemen oder Aussagen über Legitimationsdejizite der EU. Die aus einer Verfassung sich ergebenden Veto-Positionen (z.B. des Bundesrates) sind zunächst hinzunehmen; Reformblockaden sind zunächst nichts anderes als die Konsequenz fehlender Mehrheiten (z.B. in der zweiten Kammer) oder eines "divided govemment", das man ja auch in den USA kennt, ohne daß dort jemand über Blockaden redet. Föderalismus ist aus der Sicht von Wirtschaftsverbänden ärgerlich, Vertreter starker exekutiver Führerschaft sind zwangsläufig gegen jede Form der Dezentralisierung. Man mag diese wertenden Positionen im Leitartikel oder im Feuilleton propagieren, aber wissenschaftlich sind sie fragwürdig . Man könnte die Werthaftigkeit an weiteren Konzepten exemplifizieren, ich denke hier insbesondere an die (heuristisch außerordentlich fruchtbare, als wissenschaftliche Aussage aber problematische) Unterscheidung zwischen positiver und negativer Koordination, denn was letztlich "positiv koordiniert" bedeuten könnte und damit den Ausgangspunkt fiir kritische Äußerungen über negative Koordination abgibt, ergibt sich zwangsläufig wiederum aus Modellvorstellungen des Analytikers, der diesbezügliche Aussagen macht. Anders sieht es natürlich aus, wenn man mit negativer Koordination ein bestimmtes Verhalten in kollektiven Entscheidungsprozessen beschreiben will oder auch nur eine Attitüde z.B. federführender Instanzen. Und was schließlich den Begriff der Modernisierung in "Verwaltungsmodernisierung" betrifft - wieviel vorsichtiger war da doch Max Weber, der lediglich von formaler Rationalisierung gesprochen, die substantielle Rationalität einer Entwicklung aber zur Diskussion gestellt hätte! Wissenschaftssoziologisch oder wissenssoziologisch und damit werturteilsfrei ist allerdings zu untersuchen, warum unter bestimmten Umständen, in bestimmten historisch-sozialen Konstellationen, unter internationalem Einfluß oder nationalem Problemdruck sich Wertungen, Effizienz- und Performanzkriterien verschieben und wie der Wissenschaftsbetrieb darauf reagiert.
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11. Bürokratietheoretische Orientierung Auch in der Theorie ist zu erkennen, welcher Provenienz ein Verwaltungswissenschaftler ist, allerdings ist die Eigentümlichkeit weniger leicht auf den Begriff zu bringen; die Provenienz schlägt sich nämlich in der Verwendung spezieller theoretischer Konzepte und Zentralbegriffe nieder: während der Jurist vom Begriff der öffentlichen Aufgabe ausgeht, wird der Soziologe bei Herrschaft und Bürokratie ansetzen, deren InhaltelPolicies zunächst offen bleiben. Expliziert man Webers Ausführungen zur Bürokratie im Rahmen seiner Herrschafts soziologie, ergeben sich vier Dimensionen (Derlien 1984, 1992): -
Bürokratietheorie als Gesellschaftstheorie
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Bürokratietheorie als Organisationstheorie
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Bürokratie und moderner Einzelmensch
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Bürokratietheorie als politische Soziologie. 1. Bürokratietheorie als Gesellschaftstheorie
Für Weber steht die "legal-rationale Herrschaft mittels eines bürokratischen Verwaltungsstabes" in Wechselbeziehung mit der Genese des Kapitalismus und der Modernisierung im Sinne der französischen Revolution und Kants, kurz: einer universalgeschichtlichen Tendenz zu wachsender formaler Rationalisierung. Mit ihr hängen zusammen Wachstum, Umfang und Struktur öffentlicher Aufgaben und Ausgaben, aber auch des öffentlichen Dienstes. Hier ist Weber noch ganz Historiker und Ökonom. Betrachtet er zudem die zunehmende Verrechtlichung und die "Regelungs flut", vom Laien meist als Bürokratisierung schlechthin angesehen, wird der Jurist sichtbar. Viele der damit zusammenhängenden Fragen sollte auch der heutige Verwaltungssoziologe reflektieren, sei es der Zusammenhang zwischen Funktionsverlust des Familienverbandes mit der zunehmenden Trennung von Haushalt und Betrieb einerseits und Genese öffentlicher Aufgaben im Bereich der sozialen Sicherung oder des Bildungswesens andererseits, sei es die Regulierung der Wirtschaft infolge von Marktversagen. Werthaltungen, kognitive Fähigkeiten und Verhaltensweisen der in die Verwaltung (und die Politik) Rekrutierten reflektieren in der Regel gesamtgesellschaftliche Lagen, die als solche wiederum der Analyse des Soziologen z.B. als Jugendforscher zustehen, wie der Zusammenhang von Finanzierung der Staatsaufgaben und ökonomischer Entwicklung den Wirtschaftswissenschaftler beschäftigt. Makro-soziologische Betrachtungen des Wohlfahrtsstaates und einzelner seiner Varianten schließen sich fiir den Soziologen (und den Politologen) ebenso an wie Analysen der grundsätzlichen Bürokratiekritik aus bestimmten ideologischen Positionen heraus.
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2. Bürokratietheorie als Organisationstheorie Die Organisationssoziologie, als deren partielle Spezialisierung man die Verwaltungssoziologie ansehen kann, rekurriert auf den Typus der bürokratischen Organisation, registriert dessen Dysfunktionalitäten und Limitationen als präskritives Modell und untersucht Varianten des Typus. Daß man hierbei Webers sogenannte "Efftzienzthese" mißversteht, wenn man sie aus dem herrschafts soziologischen Kontext (ich meine wirklich einen Text) herauslöst, ist bekannt (Derlien 1989), ist aber der Untersuchung der Bürokratiemerkrnale (Arbeitsteilung und Spezialisierung, Hierarchie, objektive Rekrutierung, Fachschulung, Hauptamtlichkeit, Geldentlohnung, Verfahren ohne Ansehen der Person, Trennung von Betriebs- und privaten Mitteln) nicht abträglich. Speziell der Zusammenhang zwischen diesen Strukturrnerkrnalen und organisatorischen Prozessen interessiert Verwaltungs soziologen und andere Organisationswissenschaftler: Hierarchie und tatsächliche Machtverteilung, Arbeitsteilung und Koordinationsproblem oder HauptamtlichkeitJGeldentlohnung und Selbstverwirklichung! Zufriedenheit. Die Analyse des Entscheidungsverhaltens unter dem Einfluß der Organisations struktur (und der Umwelt) tritt in der Fortsetzung Herbert Simons hinzu. Schließlich sind es auch die latenten Funktionen jenseits und unterhalb des Normierten und der formalen Organisation, die Auswirkung von Strukturen auf zwischenmenschliche Beziehungen und speziell die Machtverteilung haben, die der Soziologe unter das Mikroskop legt. Auch unvorhergesehene Folgen wohlgemeinter Reformen inspirieren den Verwaltungssoziologen.
3. Individuum und Bürokratie Das Spectrurn der Themen, die sich mit den Verwaltungsangehörigen befassen, ist breit. Arbeitszufriedenheit, Motivation, Führungsverhalten oder Rollenverständnis wurden und werden untersucht. Vor allem die subjektive Komponente des öffentlichen Dienstes, Attitüden zu bestimmten Politik- und Organisationsproblemen, wird meist in Befragungen ermittelt. Die Analyse der amtlichen Personalstatistik des öffentlichen Dienstes könnte hingegen auch jeder andere durchführen. Zweitens interessiert das Individuum als Bürger, ausgehend von Webers Dictum, daß politische Herrschaft im Alltag Verwaltung sei. Damit wird das Verhältnis von Bürger und Verwaltung zum Untersuchungsgegenstand, wobei es zum einen um Interaktions-Analyse, zum anderen um attitudinale Erforschung geht. Bürgertypen vom ,,hilflosen Untertan" bis zum ,,kompetenten Systemkritiker" wurden so ermittelt. Von den Leiden des Bürgers beim Warten im Ämtern (Pares 2001) oder beim AusfiilIen von Formularen lassen sich Vorschläge zur Behebung des "bürokratischen Dilemmas" (Grunow) entwickeln.
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4. Bürokratietheorie als politische Soziologie Ausgangspunkt ist hier die von Max Weber (in seinen politischen Schriften) konstatierte Gefahr der politischen Verselbständigung der Bürokratie infolge ihres überlegenen Fach-und Dienstwissens sowie ihrer Dauerhaftigkeit gegenüber dem prinzipiell "dilettantischen" und transitorischen Politiker; die Sicherung des Primats der Politik wird zu einem zentralen Legitimationsaspekt. Ob es um die Leitung eines Ministeriums, um die Steuerung des Implementationsprozesses oder um das Zusammenwirken bürokratischer und politischer Elite geht, immer wieder kann man bei Weber anknüpfen. Speziell seine alles andere als wertfreien Kampfausdrücke in der Frankfurter Zeitung im Kaiserreich: ,,Beamtenherrschaft" zur Kennzeichnung des bürokratischen Karriereweges von Exekutivpolitikem, "Pfründner und Sinekuristen", ,,Postenjägerei" zur Geißelung der Patronage bieten Gelegenheit, aktuelle Fragen auf Weber zurückzubeziehen. Wenn sich ein Soziologe auf das Feld der Politikverflechtung, der EUStaatlichkeit etc. begibt, betritt er allerdings Neuland und tritt in Konkurrenz zu Politologen und Juristen; ob ihm das zu raten ist, sei dahingestellt.
111. Schluß Die Verwaltungs soziologie beschreibt, wie ausschnittsartig auch immer, innerhalb ihres kategorialen Rahmens die Verwaltungswirklichkeit, sie versucht, zu Generalisierungen zu gelangen, wird aber kaum Hypothesen testen, weil es im strengen Sinne gar keine Theorie gibt, die falsifIzierbar wäre. Man versucht die Befunde zu erklären, interpretiert werden nur Sinngebilde und Symbolsysteme wie Texte oder Tabellen. Dabei wird der Verwaltungssoziologe den Schulterschluß vor allem mit der Jurisprudenz und der Politikwissenschaft nicht vermeiden können. Gleichgültig, ob man die Auswirkungen von Kommunalverfassungen auf die kommunalpolitische Machtverteilung erklären möchte, ob man sich mit den Karrieren von sogenannten politischen Beamten befaßt oder ob man die Organisation von Ministerien analysiert - man wird den juristisch beschreibbaren und kommentierten rechtlichen Rahmen in der Erklärung berücksichtigen müssen. Speziell bei problemorientierter Forschung werden diese, nach der Arbeitsteilung von anderen Disziplinen systematisch behandelten, Randbedingungen zu berücksichtigen sein. Klaus König hat 1970 sein "Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft" vorgelegt und dabei - wie auch später (1990) - die Konstitution unserer Wissenschaft als Multidisziplin betont, die vor der Herausforderung der schwer einzulösenden Interdisziplinarität stehe. Heute gehört es zu den Allgemeinplätzen, daß die öffentliche Verwaltung im Inland und im Ausland und komparativ
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Gegenstand vieler wissenschaftlicher Disziplinen ist, die eine gemeinsame Schnittmenge aufweisen: den Gegenstand ihres Interesses, die öffentliche Verwaltung. Wir sind heute auch über die Zeit hinweg, in der Wissenschaftler die Einzigartigkeit ihres Gegenstandes oder überhaupt dessen Existenz (z.B. das Soziale) zu belegen versuchen, um die Einrichtung von Lehrstühlen zu rechtfertigen. Nichtsdestoweniger gibt es einen gelegentlich aufflackernden, zumeist aber latent bleibenden Fachimperialismus oder Hegemonialanspruch auf den Gegenstand. Grabenkämpfe um die Erbmasse Max Webers verbieten sich indes, will man nicht seine apokalyptische Ahnung des heraufziehenden ,,DiplomMenschen" und der "Parzellierung der Seele" bekräftigen.
Literatur Derlien, Hans-Ulrich 1972. Theoretische und methodische Probleme der Beurteilung organisatorischer Effizienz der öffentlichen Verwaltung, in: Die Verwaltung 7, S. 122; wieder abgedruckt in: A. Remer (Hg.), Verwaltungsführung, Berlin 1982, S. 89105. - 1984: Verwaltungssoziologie. In: Mutius, Albert von (Hg.): Handbuch für die öffentliche Verwaltung. Neuwied: Luchterhand. S. 793-869. - 1989. Zur selektiven Interpretation der Webersehen Bürokratietheorie in der Organisations- und Verwaltungslehre, in: Verwaltungsarchiv 80, S. 3 I 9-329. - 1992. Bürokratie, in: Handbuch der Organisation, hg. von Erich Frese, Stuttgart: Poeschel, S. 391-400. - 2002. Entwicklung und Stand der empirischen Verwaltungsforschung, in: Klaus König (Hg.), Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert, Baden-Baden: Nomos, 365-391. Grunow, Dieter! Friedhart Hegner! Franz-Xaver Kaufmann 1978. Bürger und Verwaltung. 4 Bde. Frankfurt a.M./ New York: Campus. Haußleiter, Dito 1969. Verwaltungssoziologie. Gegenstand, Geschichte, Gegenwartsprobleme. Politik und Verwaltung, Band 9. Baden-Baden: Nomos. Hennis, Wilhelm 1996. Max Webers Wissenschaft vom Menschen. Neue Studien zur Biographie des Werks. Tübingen: Mohr-Siebeck. Klages, Helmutl Gabriele Hippier unter Mitarbeit von Hermann Haas 1991. Mitarbeitermotivation als Modernisierungsperspektive. Ergebnisse eines Forschungsprojektes über "Führung und Arbeitsmotivation in der öffentlichen Verwaltung". Gütersloh: Bertelsmann Stiftung. König, Klaus 1970. Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft. Berlin: Duncker & Humblot. - 1990. Zum Standort der Verwaltungswissenschaft, in: DÖV 43, 305-3 I I. Mayntz, Renate 1978. Soziologie der öffentlichen Verwaltung. Heidelberg: Müller (letzte Auflage 1997).
VerwaItungssoziologie und Verwaltungswissenschaft
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Soziologische Verwaltungswissenschaft - Kommentar Von Dorothea Jansen Herr Derlien fUhrt Klaus König und seine "Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaften" und die Notwendigkeit der Konstitution der Verwaltungswissenschaft als Multidisziplin und als Anforderung an die Interdisziplinarität im ersten Satz seines Vortrages ein. Klaus König ist ein Wanderer zwischen den Disziplinen, er ist ein Marginal Man. Diese Bezeichnung stammt von dem Begründer der Sozialökologie in den USA, Roher! Ezra Park, und meinte ursprünglich nicht die disziplinären Wanderer, sondern die geographischen. Grenzgängertum und Wanderung bedingen - das war schon damals der Befund amerikanischer Inunigrationsstudien - Kreativität und Innovativität. Hierfür ist Klaus König ein Beispiel. Ein Blick in die USA zeigt uns allerdings, dass auch die Grenzziehung zwischen Disziplinen historisch bedingt sind. In der angelsächsischen Welt, und darauf macht auch Herr Derlien aufmerksam, kam die Demokratie vor der Bürokratie. Das hatte dann auch Konsequenzen für die Institutionalisierung der Disziplinen, konkret eben dass Verwaltungswissenschaften im angelsächsischen Bereich sehr stark von Politikwissenschaftlern betrieben wird. D. h. wir haben es mit unserem Problem der Multi-/Inter-ffransdiszplinarität hier mit einem Ergebnis, einer spezifischen historischen Institutionalisierung von Wissenschaftsdisziplinen zu tun. Das hätte auch anders ablaufen können, wie ein solcher Vergleich zeigt. Heute müssen wir uns fragen und bemühen, wie wir die Probleme, die wir uns eingehandelt haben, in der gemeinsamen Arbeit am Gegenstand der Verwaltung überwinden können. Deshalb möchte ich also, anknüpfend an den Vortrag von Herrn Derlien die Frage weiterverfolgen, was denn der spezifische Beitrag der Soziologie in der Verwaltungswissenschaft sein könnte und wo es Überschneidungen und Ergänzungen zu anderen disziplinären Ausgangsperspektiven gibt. Auch ich, und hier befinde ich mich in Übereinstimmung mit Herrn Derlien, sehe den soziologischen Beitrag in dem dezidiert empirischen und positiven im Sinne von nicht normativen, nicht-präskriptiven Zugang zum Thema Verwaltung. Hier gibt es doch oft eine große Differenz zwischen Soziologen auf der einen Seite und einer juristischen Herangehensweise an die Verwaltung auf der anderen Seite.
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Letztere unterstellt die Umsetzung von Regeln in Handlungen oft einfach und nimmt eine mögliche Differenz nicht empirisch wahr oder hält dies doch jedenfalls nicht für das eigentliche Thema, ob es sozusagen eine Prägungskraft des Verwaltungsrechts oder der Verwaltungsvorschriften für die Verwaltungswirklichkeit auch tatsächlich so gibt. Hier liegt dann auch die Ursache dafür, dass sich nicht nur die Politologen, sondern auch die Soziologen für Macht und Mikropolitik in Organisationen und zwischen Organisationen interessieren, um gerade diese Differenzen zu erklären. Damit kommt man dann zu der Vorstellung, dass es auch noch andere Handlungsmodelle, Handlungsanleitungen, Handlungsmuster für Menschen geben muss als die Rechtsregel. Um so erstaunlicher ist es, dass sich soziologische und rechtswissenschaftliche, aber auch die historische Sicht auf die Verwaltung dann oft im Gegensatz zur Ökonomie in der großen Bedeutung treffen, die Institutionen für die Gestaltung und Kontrolle von Gesellschaften, Organisationen und Verwaltungen zugebilligt wird. Dem liegt zumindest in der Soziologie ein institutionensoziologischer Ansatz zugrunde. Das ist ein Handlungsmodell des Homo Sociologicus, der jedenfalls in den meisten Situationen ganz einfach deshalb agiert, weil man Regeln aus Gründen der Handlungsentlastung einfach befolgt anstelle rational zu kalkulieren. Darin liegen ganz erhebliche Kräfte der Beharrung, aber auch der Rechtssicherheit, die institutionelle Pfade begründen, von denen kann man nicht leicht und vor allen Dingen kaum mit einer validen Prognose über die Konsequenzen abweichen kann. Auch ich stimme in den Chor derjenigen ein, die in einer institutionentheoretischen Herangehensweise an die Verwaltung und an den Gegenstand der Verwaltungswissenschaften eine Möglichkeit für einen interdisziplinären Aufgabenzuschnitt, an dem sich mehrere Disziplinen beteiligen können, sehen. Die empirische und normative Analyse der faktischen und der rechtlichen institutionellen Grundlagen der Verwaltung - das sehe ich als die wesentliche Aufgabe einer Metadisziplin Verwaltungswissenschaften. Und ich denke, dass ich darin mit Klaus König übereinstimme. Aus der soziologischen Perspektive sind wir uns dann auch relativ einig hinsichtlich einer Skepsis, dass man die optimale Gestaltbarkeit von Institutionen und Institutionengefiigen so treffsicher herausfinden kann, wie es institutionenökonomische Ansätze manchmal vermuten. Ob eine effiziente Wahl von Organisationsformen oder Governancestrukturen z. B. bei der der Entscheidung make or buy, so möglich ist, wie die Institutionenök0nomik behauptet, darf bezweifelt werden. Hinsichtlich dieser Effizienzansprüche ist eine verwaltungssoziologische Perspektive etwas bescheidener. Das liegt auch darin begründet, dass ein empirischer Zugang die Trade offs zwischen den vielen Zielen der öffentlichen Verwaltung und der öffentlichen Unternehmen offenbar werden lässt. Sie haben eben nicht ein bloßes Formalziel, auf was Herr Reichard ja auch schon hingewiesen hat. Wenn man diese vielen Trade offs nicht verleugnen kann, dann kann es immer nur eine Balance zwischen ver-
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schiedenen Zielen geben. Und um diese Balance halten zu können, brauchen die Organisationen Slack, wie die Organisations- und Entscheidungstheoretiker sagen oder Redundanz. Das ist ein Überschuss an Ressourcen, und das bedeutet natürlich kurzfristige Efftzienzverluste. Das diese Trade offs unter der Parole der Einführung des New Public Managements oft einseitig durch die Verfolgung reiner Einsparziele aufgelöst worden sind, hat möglicherweise ungeahnte Konsequenzen auf die tatsächlich wirksamen Handlungstheorien in der Verwaltung. Denn die Handlungstheorien, die Menschen anwenden, sind natürlich auch durch ihre Erfahrungen geprägt. Diese Gefahr hat Klaus König mehrfach beschrieben, und wenn wir eine Weiterverbreitung des reinen homo oeconomicus in der Verwaltung bekommen sollten, dann wäre damit wohl nicht viel Segen für die Verwaltung und das Gemeinwesen in der Bundesrepublik verbunden. Stabile, verlässliche und zufriedenstellende Zielerreichung ist schon seit Simons Behavioral Theory of Organization der evolutionäre Vorteil bürokratischer Organisation. Nichts desto weniger macht es aus einer soziologischen Perspektive Sinn, Alternativen zur hierarchischen Steuerung - auf dem Typus der rechtlichen Programmierung liegt das Augenmerk der Rechtswissenschaft - und auch Alternativen zur Markt- und Wettbewerbs steuerung - hier liegt der Fokus der Betriebswirtschaftslehre - zu erforschen. Und das geschieht aktuell in der Organisationssoziologie, in der Analyse von Dritte-Sektor-Organisationen, von netzwerkartigen Formen der Koordination, auch unter dem Stichwort Public Private Partnership usw. Solche weicheren Institutionen oder GovernanceFormen können vielleicht doch Anpassungspotentiale für die Verwaltung und für die öffentliche Aufgabenerledigung in zunehmend turbulenten Umwelten erschließen. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit dieser weichen GovernanceFormen, das weiß ich wohl, gibt es immer einen Disput zwischen den Juristen und oft auch den Ökonomen auf der einen Seite, die auf die Sanktions drohung oder den Wettbewerbsdruck setzen, und den Sozialwissenschaftlern, die auch die Handlungswirksamkeit von Kooperations- und Organisationskulturen vermuten. Zum Schluss noch eine Anmerkung zur soziologischen Professionspolitik. Ich habe mich genau wie Hans-Ulrich Derlien immer gefragt, wieso zwei so zentrale Institutionen der modemen Gesellschaft wie das Recht und die Verwaltung in der neueren deutschen Soziologie und genau so auch in der Politikwissenschaft vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erfahren. Das ist in der angelsächsischen Diskussion anders. Die Möglichkeit einer soziologischen Verwaltungswissenschaft ist nach meiner eigenen Einschätzung sehr begrenzt. Verwaltungssoziologie als eine Hilfswissenschaft ist für jeden Soziologen ein problematisches Betätigungsfeld. Sie ist aber auch sonst möglicherweise zu eng, weil die soziologische Theoriebildung vom Vergleich lebt. Die im Moment in der Soziologie anlaufende stärkere Institutionalisierung der Organisationssoziolo-
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gie, und zwar sowohl im Sinne einer Institutionalisierung in der Fachgesellschaft als auch im Sinne der Schaffung von mehr Lehrstühlen fiir Organisationssoziologie, wird dazu führen, dass die Verwaltungswissenschaft mehr interdisziplinär kooperationsfähige Partner bekommen wird. Die neuen Organisationssoziologen wenden sich ganz stark der Beackerung des Feldes, das von den Industriesoziologen nicht wahrgenommen worden ist, zu. Das ist der Dritte Sektor, das sind die Dienstleistungsorganisationen, das sind die öffentlichen Unternehmen, das ist die öffentliche Verwaltung. Und damit wird vielleicht auch verhindert, dass das Feld der Organisationstheorie dann ganz an die Betriebswirtschaftslehre geht - ein kleiner Seitenhieb auf Herrn Reichard. Eine weitere Frage ist die Tauglichkeit des Governance-Konzepts fiir die Theoriebildung. Hier gibt es den Vorwurf, dass das Governance-Konzept möglicherweise nicht die allgemeine große Theorie liefert. Ich bin eine Empirikerin und ich sehe, dass man interdisziplinär nur an einem spezifischen Gegenstand forschen kann. D. h. man muss eine gemeinsame Sprache entwickeln, man muss diese Brückenkonzepte mit Leben füllen, man muss dann wissen, was verstehen denn die Juristen unter einer Regelungsstruktur? Ist das dasselbe wie das, was wir unter hierarchischer Regulierung verstehen? Davon machen sich die Juristen auch wieder einen Begriff und so weiter und so fort. Diese Debatte kann man nicht abstrakt führen. Die muss man an einem Gegenstand führen. Die allgemeine Theorie, die jeden Gegenstand erfasst, die kann es deshalb gar nicht geben. Es gibt zwar schon bestimmte dynamische Muster, Public ChoiceAnsätze, Selbstverstärkungsmechanismen, Polya-Modelle, die ja durchaus sinnvoll sind. Letztlich kommen wir doch hier weiter, wenn wir zunächst einmal versuchen, verschiedene Governance-Mechanismen zu typologisieren und an einem Gegenstand zu operationalisieren, mit Indikatoren zu füllen, und uns darüber gegenseitig zu verständigen. Dass das passiert und so passiert, dass diese Governance-Mechanismen in der Soziologie als solche wieder anschlussfähig sind, dass ist wichtig fiir die Motivation auf Seiten von Organisations- oder Verwaltungssoziologen, sich dem Thema Verwaltung als Gegenstand zu nähern. Denn auch als Randdisziplin muss ihr die Beschäftigung mit der Verwaltung etwas zurückgeben können. Das ist das sine qua non jeder interdisziplinären Kooperation.
Aussprache zum Themenblock "Verwaltungswissenschaften multidisziplinär oder interdisziplinär" Ziekow: Es ist eine große Fülle hochinteressanter Punkte vorgetragen worden. Sie waren nicht nur aufgrund ihrer Forschungsfrage interessant. Fast noch bedeutender scheint mir ein zweiter Punkt zu sein: die Selbstvergewisserung über die eigene Disziplin. Die Einschätzungen reichten von Skepsis bis zu großem Selbstbewusstsein: von Kem- und von Randdisziplinen war die Rede. Von Frau Jansen und mir wurde ein neues Wort, Metadisziplinarität, in die Debatte eingebracht. Einen Punkt bitte ich besonders zu reflektieren, den Frau Jansen zum Schluss thematisiert hat: Braucht denn eine Disziplin eine eigene universale Theorie? Schreckenberger: Wir haben heute viel über die Bemühungen verschiedener Disziplinen gehört, einen Gegenstand verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnisse vorzustellen. Aber ich habe doch einige Schwierigkeiten, diesen Gegenstand eindeutig ausfmdig zu machen. Ich war zwar mit diesem mutmaßlichen Gegenstand über 40 Jahre beschäftigt, aber ich bin im Zweifel, ob wir alle den gleichen Gegenstand meinen, von dem wir wissen, dass er von großer praktischer Bedeutung fiir unser Gemeinwesen ist. Frau Jansen hat die Zuversicht geäußert, dass es einen gemeinsamen Forschungsgegenstand gäbe, ohne dies näher auszufiihren; aber sie hat einen wichtigen Hinweis gegeben, nämlich auf die gemeinsame Sprache. In der Tat ist es die Sprache, die uns als Medium der Verständigung auch über die unterschiedlichen Erscheinungsformen der öffentlichen Verwaltung verbindet. Das Problem ist allerdings, dass jede Disziplin, vor allem über ihre differenzierte Begriffiichkeit, ihre eigene Fachsprache pflegt. Dies sollte uns aber nicht davon abhalten, nach den Grundlagen fiir eine gemeinsame Sprache zu suchen, die fiir eine stabile soziale Ordnung unentbehrlich sind. Eine Stütze bietet die politische Sprache. Sie geht von der normativen Einheit der staatlichen Ordnung aus, in die sehr unterschiedliche Sprachdimensionen eingebunden sind, wie die Sprache der Verfassung, die Gesetzessprache, aber auch eine spezifische Verwaltungssprache. Ein besonderes Problem ist die administrative Handhabung der Gesetzes. Sie ist nicht bloßer Gesetzesvollzug; sie findet vielmehr im Rahmen eines spezifischen Sprachstils der Gesetzesanwendung statt. Er ist elementarer Teil einer administrativen Handlungsform. In der hiesigen
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Aussprache
Hochschule beschäftigt sich zur Zeit ein mehrfach promovierter Alt-Ordinarius, als Doktorand, mit den Besonderheiten der Gesetzesinterpretation in der Verwaltungspraxis und den spezifischen Sprechweisen ihrer Handlungsspielräume. Die Kenntnis mehrerer Fachsprachen erleichtert diese Arbeit. Gewiss ist die hochdifferenzierte, teilweise auf das römische Zivilrecht zuriickgehende Rechtssprache auch für den Juristen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden; umso mehr gilt dies für die Vertreter anderer sozialer Wissenschaftsdisziplinen wie Ökonomie, Soziologie und Politologie. Dies sollte die Verwaltungswissenschaften nicht davon abhalten, sich die Grundzüge mehrerer Fachsprachen anzueignen und diese im Lehrbetrieb zu vermitteln. Eine Hilfe bietet die eingeübte Sprache wissenschaftlicher Methoden, aber auch die Sprache der allgemeinen politischen Erörterung, die durch die öffentlichen Medien verbreitet und auch stilistisch dem öffentlichen Sprachgebrauch angepasst wird. Es reicht allerdings nicht, die Sprache lediglich als ein differenziertes Zeichenrepertoire zu verstehen. Sie ist ein wichtiges Element sozialer Erfahrungen, die letztlich auf unentbehrliche Grundanschauungen verweisen, die in Praxis und Wissenschaften Handlungssysteme, wie Staat und Verwaltung, erschließen. Sie werden unter ganzheitlichen Aspekten als sinnstiftende Einheit sozialer Ordnungen erfahren. Diese ist mehr als ein Entwurf von partiellen Weltanschauungen oder Ideologien. Sie ist elementarer Teil unserer Kulturtradition, die nach schweren Erschütterungen, gleichsam geläutert, Eingang in unsere Verfassungsordnung und ihre Organe, voran das Bundesverfassungsgericht, aber auch in unsere tieferen lebenspraktischen Erfahrungen gefunden hat. Sie ist das Fundament für den Verbund herausragender öffentlicher Ordnungskategorien, dem auch die öffentliche Verwaltung angehört: Gesellschaft, Staat, Macht, Recht, Sitte und Sittlichkeit. Buschor: Ich habe mit großem Interesse die Verbindung vielfältiger Forschungsaspekte gehört. Meines Erachtens muss man der Wissenschaft allerdings zuweilen den Vorwurf machen, dass sie die Komplexität ungenügend berücksichtigt. Wir haben einerseits die Institutionen- oder Regierungslehre, wie sie Herr König gefördert hat. Andererseits haben wir besonders in der Betriebswirtschaftslehre eine Tendenz zur instrumentellen Betrachtung (z. B. Rechnungswesen). Bei funktionellen Betrachtungsweisen im Bildungs- oder Gesundheitswesen löst sich die Betrachtung oft vom übergeordneten Verwaltungskontext. Ich möchte dies an einem einfachen Beispiel aus der PISA-Diskussion aufzeigen. Es wurde festgestellt, dass wir vier Grundmodelle der Volksschulen haben: das asiatische "Paukmodell", die in der Gesellschaft hochintegrierte nordische Gesamtschule, die kontinentaleuropäische (auch deutsche) hochregulierte Schule und die mit Standards gesteuerte autonome anglo-amerikanische Schule. In der Diskussion der Pädagogen wurde m. E. zu wenig die Einbettung in die jeweiligen überge-
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ordneten Regierungs- und Verwaltungskulturen beachtet. Gemeinsam sind zwar allen Schulen Probleme der pädagogischen Rolle der Lehrpersonen. Die übergeordnete Regulierungs- und Verwaltungskultur, die von der Volksschule nur bedingt beeinflusst werden kann, spielt aber eine entscheidende Rolle. In pädagogischen Diskussionen über PISA werden die Wirkungen des verwaltungskulturellen Kontextes oft unterschätzt. (Ähnliches gilt allerdings auch bei verwaltungsbetrieblichen Untersuchungen bezüglich der Rolle der Pädagogik). Wir müssen Formen des Wissensmanagements entwickeln, die solche Komplexitätsebenen (Pädagogik, Regierungssystem usw.) besser vernetzen. Für die Tragfähigkeit von Empfehlungen ist das wesentlich. Als Praktiker im Regieren muss ich feststellen, dass vielen Ratschlägen eine solche ganzheitliche, integrierte Sicht fehlt oder ungenügend entwickelt ist. Bohne: Ich möchte die Frage aufwerfen, ob das, was wir diskutieren, in erster Linie ein theoretisch-methodisches Problem oder vielleicht ein eher historisch zufälliges, kulturabhängiges und in bestimmter Weise auch berufsständisches Problem ist. Die meisten Vorträge beruhten auf der Binnensicht etablierter Wissenschaftsdisziplinen, insbesondere der der Rechtswissenschaft und der Politikwissenschaft. Ich möchte die Verwaltungswissenschaft von einer Position außerhalb des deutschen Wissenschaftssysterns betrachten, und zwar zunächst aus der Sicht der Bundesministerialverwaltung. Als einer, der im Bundesinnen- und im Bundesumweltrninisterium viel mit Wissenschaft zu tun hatte, zum Teil selbst in Projekten mitarbeitete, die von der Ministerialverwaltung in Auftrag gegeben wurden, zum Teil dann auch Projekte veranlasst und betreut hat, möchte ich hervorheben, dass in Politik und Verwaltung nicht Gegenstand und Fragestellung von Wissenschaftsdisziplinen, sondern die Suche nach Ansätzen zur Analyse und Lösung komplexer Probleme das Handeln bestimmen. Dabei sind die Probleme häufig durch eine Gemengelage von Aspekten gekennzeichnet, die mehrere empirische und normative Wissenschaftsdisziplinen, zumindest aber Forschungsansätze betreffen. Vielfach überwiegt das empirische Erkenntnisinteresse an der Erforschung von Wirkungszusammenhängen. In dieser Lage ist es ziemlich gleichgültig, ob jemand diplomierter Wirtschaftswissenschaftler, Verwaltungswissenschaftler, Soziologe oder Rechtsassessor ist. Erforderlich ist, dass eine Person methodisch solide arbeitet und bereit ist, sich auch mit empirischen Zusammenhängen und Problemen auseinander zu setzen, die außerhalb der eigenen Disziplin liegen. Dies erfordert die Fähigkeit, mit sozial-empirischen Theorieansätzen und Methoden aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen problembezogen umzugehen. Die wissenschaftsdisziplinäre Herkunft unterschiedlicher sozialempirischer Theorie- und Methodenansätze begründet keine besonderen wissenschaftstheoretischen, sondern allenfalls praktische Probleme, die Arbeits- und Zeitaufwand betreffen. Theoretische und methodische Proble-
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Aussprache
me bestehen zwischen empirischen und normativen Forschungsansätzen und sind sowohl interdisziplinärer wie intradisziplinärer Natur. Aus dieser Außensicht bestehen somit keine prinzipiellen theoretisch-methodischen Gründe, die dazu zwingen, den Begriff der "Verwaltungswissenschaft" im Plural zu verwenden. Ein kurzer Blick noch auf die Verwaltungs wissenschaft aus einer anderen Außenperspektive, die ein bisschen geprägt ist durch einen kürzlich durchgeführten viermonatigen Forschungsaufenthalt in den USA. Das in den vorangegangenen Beiträgen im Vordergrund stehende Verhältnis von Rechts- und Verwaltungswissenschaften ist in den USA kein Problem des wissenschaftlichen Selbstverständnisses. Historisch bedingt ist das Fach ,,Public Administration" sozialempirisch geprägt und befasst sich aus dieser Sicht auch mit Wirkungsfragen des öffentlichen Rechts. An der Eigenständigkeit des Fachs zweifelt heute niemand. Was bleibt unter dem Strich? Die Frage, ob es die "Verwaltungswissenschaft" gibt, ist kein theoretisch-methodisches, sondern ein - historisch-kulturell bedingtes - organisatorisch-institutionelles und berufsständisches Problem Wären die an der öffentlichen Verwaltung wissenschaftlich interessierten Personen besser organisiert, wäre der Zugang zum allgemeinen höheren Verwaltungsdienst nicht primär an die Befähigung zum Richteramt geknüpft und wäre die Politik der Besetzung von Lehrstühlen an den Universitäten nicht auf die etablierten Wissenschaftsdisziplinen fixiert, so brauchten wir über das Thema "Verwaltungswissenschaft und Verwaltungswissenschaften" sicherlich nicht zu diskutieren. Engel: Ich möchte vorausschicken, dass dies die Bemerkung eines Außenseiters ist; ich habe mich selbst nie als Verwaltungswissenschaftler definiert. Als Summe des heutigen Nachmittags habe ich herausgehört: das Proprium der Verwaltungswissenschaft folgt aus ihrem Gegenstand: der Verwaltung. Ein benachbartes Fach lebt mit der gleichen Definition sehr gut. Die Politikwissenschaft definiert sich über ihren Gegenstand: die Politik. Ich frage mich, warum die Verwaltungswissenschaft das nicht in gleicher Unbefangenheit tun kann. Ich würde die Unbefangenheit der Politikwissenschaft durch einen zweiten Konsens erklären. In ihrer großen Mehrheit wollen Politikwissenschaftler nicht Rat geben. Sie wollen auch keine Entscheidungsvorschläge machen, nicht einmal prognostizieren, sondern erklären. Wenn ich es recht verstehe, würden die meisten Politikwissenschaftler die Aufgabe ihres Fachs sogar noch etwas enger fassen: Sie wollen theoriegeleitete empirische Forschung treiben. Unter dieser Bedingung scheint es mir in der Tat völlig unschädlich, wenn man sich im übrigen nur über
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einen Gegenstand defIniert. Ein Fach kann nur nicht gleichzeitig die Theorieansätze, die Methoden und auch noch die Fragestellung offen lassen. Schuppert: Die erste Bemerkung betrifft den Gegenstand unserer Disziplin, die Verwaltung. Ich habe damit überhaupt kein Problem. Wenn Sie etwa die "Soziologie der öffentlichen Verwaltung" von Renate Mayntz aufschlagen - übrigens ein überaus erfolgreiches und in Juristenkreisen intensiv rezipiertes Buch -, so heißt es dort ganz lakonisch, Gegenstand des Buches sei die öffentliche Verwaltung. Und in der Tat handelt es sich bei der Verwaltung - wenn man auch ihre Tätigkeit, wie schon Forsthoffbemerkt hat, nicht präzise defInieren kann -, um einen vergleichsweise fassbaren Gegenstand, der sich zwar laufend verändert, aber doch einen abgrenzbaren institutionell-organisatorischen Komplex darstellt. Die zweite Bemerkung bezieht sich auf das von Herrn Schreckenberger angesprochene Sprachproblem. Auch damit müssen wir - so glaube ich - keine unüberwindbaren Schwierigkeiten haben. Insgesamt können die meisten Disziplinen - wenn sie nur wollen - ganz gut miteinander reden. Die dritte Bemerkung bezieht sich auf den von Herrn Engel angesprochenen Unterschied der Gegenstände der Politik- und Verwaltungswissenschaft. Ich neige ja meistens dazu, Herrn Engel wegen seines klaren analytischen Verstandes Recht zu geben, diesmal aber nicht. Was ist denn Politik als Gegenstand? Wenn ich einen Blick in die politikwissenschaftliche Literatur werfe, so überwiegt für mich der Eindruck des Disparaten, nicht der eines verbindenden Gegenstandes. Die einen machen Comparative Government, die anderen International Relations, die meisten Policy Studies, ein gemeinsames Dach aber im Sinne von ,,Politik als Gegenstand" kann ich nur schwer erkennen. Jetzt noch eine letzte Bemerkung zu der interessanten Frage von Herrn Bohne, ob wir hier eigentlich über ein theoretisch-methodisches oder ein organisatorisch-institutionelles Problem reden. Ich neige dazu, hier eher ein organisatorisch-institutionelles Problem zu sehen. Wenn es richtig ist, dass wir keine eigenständige staats- oder verwaltungswissenschaftliche Methode haben, sondern von der methodischen Kompetenz der einzelnen Disziplinen zehren, dann bestünde das Hauptproblem der Erhöhung der analytischen Kompetenz in der Tat darin, eine organisatorisch-institutionelle Zusammenarbeit zu arrangieren, die die von mir angesprochene Metakommunikation leisten könnte. Noch ein Trostwort zum Schluss. Mit den Grenzwissenschaften der Staats- und Verwaltungswissenschaft mag das alles ja wirklich sehr schwierig sein, aber diese Schwierigkeiten sind nichts im Vergleich mit der Kulturwissenschaft. Was ist Kultur und was ist Kulturwissenschaft? Als Fellow am Max Weber-Kolleg
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fiir sozial- und kulturwissenschaftliche Studien in Erfurt gehört es eigentlich zu meinen Dienstpflichten, darüber Bescheid zu wissen; aber dies zu tun, werde ich wohl erst nach meiner Emeritierung behaupten können.
Hoffmann-Riem: Mit Überraschung habe ich gehört, dass einige Kollegen hier erheblichen Trostbedarf in den Raum gestellt haben. Derartiges ist mir fiir die gegenwärtige Rechtswissenschaft nicht geläufig. Ich kenne das aber aus früheren Diskussionen der Rechtssoziologen, die in den sechziger und siebziger Jahren bei Tagungen vorrangig darüber klagten, dass sie nicht anerkannt seien. Dann gab ihnen ein älterer Kollege, Ottmar Bal/weg, einen Rat: Was Sie brauchen, ist ein Briefkopf. Zunächst dachte ich, er wollte ironisch sein. Er wiederholte: Was Sie brauchen, ist ein Briefkopf. Sie benötigen eine Identität und mehr Sichtbarkeit. Sie suchen Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich hatte er Recht. Also müssen wir jetzt den passenden Briefkopf auch fiir die anderen Sozialwissenschaften suchen. Für die Rechtswissenschaft brauchen wir dies weiterhin nicht. Ihr Selbstbewusstsein reicht und ist möglicherweise sogar größer als angezeigt. Auch gibt es Klagen, es gebe nicht nur zu viele Juristen, sondern sie seien auch zu einflussreich. Diese Wahrnehmung hängt fiir Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern möglicherweise damit zusammen, dass der Rechtsstaat sich in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich entwickelt hat und beispielsweise die Stellung der Juristen in der amerikanischen und der deutschen Rechtskultur unterschiedlich ist. Möglicherweise wird das Vorurteil gegen die Juristen und ihren Einfluss auch damit gespeist, dass nicht alles als gleichermaßen erheblich angesehen wird, was sie tun. Zur unterschwelligen Kritik könnte auch gehören, dass die deutschen Administratoren (auch Rechtsanwälte, Richter) ihr sichtbares Bemühen vorrangig auf die Rechtfertigung von Entscheidungen - also die Darstellungskunst - richten und nicht so sehr das pragmatische Lösen von Problemen gut erkennbar in den Vordergrund stellen. Das will ich aber nicht weiter vertiefen, sondern auf Herrn Engel reagieren, und zwar grundsätzlich durchaus mit Zustimmung. Herr Engel hat gesagt, die Politikwissenschaftler seien deshalb relativ glücklich und zufrieden, weil sie doch wissen, was sie tun sollen, nämlich theoriegeleitete empirische Forschung über Politik durchführen. Bei Juristen ist das etwas anders. Sie streben nicht in erster Linie theoriegeleitete empirische Forschung an. Manchmal hat man sogar den Eindruck, dass sie sich nicht einmal mit Empirie befassen wollen. Wenn Rechtswissenschaft sich aber als Entscheidungswissenschaft verstehen soll, wie ich meine, dann braucht sie Empirie plus Normativität, und zwar nicht nur als bloße Theorie. Diese Rechtswissenschaft will Einfluss nehmen, insbesondere handlungsleitende Empfehlungen geben. Dafiir reichen empirische Methoden selbstverständlich nicht. Insoweit ist Rechtswissenschaft besonders stark darauf
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angewiesen, nicht bei sich allein zu bleiben, sondern den Dialog mit den anderen Wissenschaften zu suchen. Das möchte ich gern noch etwas vertiefen. Die Arbeit der Juristen zeichnet sich durch die normative Orientierung aus, die es zwar auch bei anderen Wissenschaften, etwa der Politikwissenschaft, gibt, die dort aber in anderer Weise rechtfertigungsbedürftig ist. Juristen können sich auf die Rechtsnormen berufen. Das ist aber nur scheinbar eine Entlastung. Die Normen sind nämlich nur ein Anknüpfungspunkt, um Wertungen aufzunehmen und zu konkretisieren. Die Arbeit der Juristen besteht zu einem großen Teil darin, im Rahmen der Normen derartige Wertungen vorzunehmen und fiir verbindlich zu erklären. Dabei greifen die Juristen auch auf sozialnormative Wertungen zurück, müssen sie aber in dem rechtsnormativen Programm verankern. Das aber bedeutet, dass sie sich den normativen Maßstab erst erarbeiten müssen, gegebenenfalls auch im Dialog mit anderen. Für die Konkretisierung der Wertvorgaben benötigen sie auch ein Verständnis des Realgeschehens. Juristen haben keine besonderen Methoden zur Erhebung von Empirie, allenfalls zu ihrer Verarbeitung im normativen Kontext, etwa durch Subsumtion eines Sachverhalts unter einen rechtlichen Tatbestand. Im Hinblick auf die Erfassung des Realgeschehens gehen sie bemerkenswert unmethodisch vor und scheuen nicht vor einem großzügigen Zugriff auf alltags theoretische Annahmen zurück. Die Rechtsordnung enthält zwar Regeln fiir die Erfassung eines Sachverhalts (etwa über Beweismittel), aber letztlich keine Methoden, wie ein Sachverhalt erfasst und interpretiert wird. Dies betrifft zunächst den Einzelfall, aber auch den allgemeinen Realbereich einer Norm. Normen sind ja nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern sie reagieren auf Realität, also auf ein bestimmtes Problernfeld, das in einem bestimmten historischen Kontext wahrgenommen und als lösungsbedürftig erklärt wurde. Dieses von der Norm in Bezug genommene Realitätsfeld kann sich verändern. Dann ändern sich die Normen in ihrem Gehalt mit und es ist zu klären, auf welche Weise der gegenwärtig vorfmdliche Ausschnitt von Realität auch im Hinblick auf die zum Teil ältere Norm normativ relevant ist. Die Übersetzung ins Normative können die Juristen aus eigener Kraft leisten, fiir die Erfassung der Realität aber brauchen sie gegebenenfalls den Dialog mit Experten fiir Empirie. Da sie dafiir keine eigene rechtswissenschaftliche Methode haben, muss Rechtswissenschaft, will sie dieses DefIZit abbauen, komplexer werden als bisher. Dazu ist es erforderlich, dass wechselseitige Sprachfähigkeit hergestellt wird. Die Begriffe dürfen verschieden sein. Man muss aber wissen, was jeweils mit ihnen gemeint ist. Sprachen transportieren Theorien und Weltbilder und ermöglichen Denken. Wenn also ein inter- oder transdisziplinärer Dialog stattfmdet, dann sollte gesichert sein, dass das Denken auch in den Kategorien der jeweils anderen Beteiligten ermöglicht wird.
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Reichard: Mir stellt sich noch einmal die Frage, wann man von einer wohletablierten, anerkannten Wissenschaft sprechen kann. Welche Bedingungen spielen dabei im Hinblick auf die Verwaltungswissenschaftl-en eine Rolle? Vier Punkte sind auf der Basis der heute gefiihrten Diskussion erwähnenswert. Wir brauchen erstens einen Gegenstand, über den Herr Schuppert soeben gesagt hat, dass dieser ja völlig klar sei. Ich glaube, das war allerdings eher ironisch zu verstehen. Wie ich Herrn Schuppert sonst so wahrnehme, ist der Gegenstand auch aus seiner Sicht alles andere als klar. Ich denke, Herr Schuppert wird mir darin zustimmen, dass uns der Gegenstand eher zunehmend abhanden kommt. Je mehr wir auslagern, je mehr wir Public Private Partnerships und alle möglichen netzwerkartigen Arrangements schaffen, umso schwieriger wird es, noch von einem klaren Gegenstandsbereich bzw. von einem gemeinsamen Verständnis von öffentlicher Verwaltung auszugehen. Allerdings war dieser Gegenstandsbereich auch in der Vergangenheit nicht sonderlich klar. Er ist in der Verwaltungsforschung - nicht zuletzt auch in Speyer - teilweise lediglich stark verkürzt auf die Ministerialverwaltung interpretiert worden. Dies gilt übrigens auch fiir den öffentlichen Dienst, der - was die Lautbahngruppen angeht - häufig gerne auf den höheren Dienst begrenzt gesehen wurde, während mittlerer und gehobener Dienst und entsprechende Angestellte eher ausgeblendet wurden. Einen klaren Gegenstandsbereich haben wir in den Verwaltungswissenschaften also eigentlich noch nie gehabt, darüber hinaus wird er zunehmend diffuser. Zweitens wird eine Wissenschaft durch ein Paradigma bzw. eine bestimmte Analysesicht konstituiert. Auch hier haben wir ein Problem, denn wir analysieren Verwaltung aus verschiedenen Blickwinkeln wie Legitimation, Effektivität, Effizienz usw. Diese Aspekte sind zum Verständnis von Verwaltung auch alle nötig - nur: jeder von uns guckt durch eine andere "Brille". Die "Brillenintegration" ist nach wie vor das große ungelöste Problem. Ein dritter Konstituierungsfaktor ist die Methodik, worauf gerade auch Herr Hoffmann-Riem hingewiesen hat. Wir haben nach wie vor das Problem eines Methoden-Schismas, auf das Klaus König unter Bezug auf Luhmann verschiedentlich hingewiesen hat. Auf der einen Seite arbeiten wir - vor allem in den Rechtswissenscbaften - mit henneneutisch-interpretativen, tendenziell nichtempirischen Methoden. Demgegenüber arbeiten wir in den politologisch oder sozialwissenschaftlich orientierten Verwaltungswissenschaften in stärkerem Maße empirisch-analytisch. Und die BWL tendiert schließlich zu präskriptivnormativen Aussagen, die nur selten empirisch gut fundiert sind. Als letztes Kriterium sei schließlich die Institutionalisierung erwähnt, die uns bisher in den Verwaltungs wissenschaften - zumindest in Deutschland - nur schwach gelungen ist und die sich sehr fragmentiert darstellt. Im Hinblick auf die Zukunft der Verwaltungswissenschaftl-en ist zu fordern, dass wir hinrei-
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chend schlagkräftige Zentren - wie Speyer und zunehmend auch Potsdam - mit klaren Schwerpunkten und mit einer hohen Kooperationsfahigkeit sowie interdisziplinären Dialogbereitschaft der Akteure brauchen. Mit einem fragmentierten "Einzelkämpfermodell" - hier und dort einzelne Wissenschaftler, die an irgendwelchen Spezialthemen verdienstvoll forschen - kommen wir nie auf einen grünen Zweig, um es simpel auszudrücken. Im Hinblick auf die Konstituierung der Verwaltungswissenschaften müssen wir im übrigen stärker auf disziplinäre Mischungen für bestimmte Problemstellungen abstellen. Denn auf die Schnittstellen kommt es besonders an. Mir hat sehr der Hinweis von Herrn Schuppert gefallen, dass man zum Beispiel aus verschiedenen Blickwinkeln auf ein Thema wie den Gewährleistungsstaat blicken könne. Das gilt gleichermaßen für viele andere solcher aktuellen Frage-lProblemstellungen. Dies hat zur Folge, dass man zu einer problembezogenen Integration der verschiedenen Einzelwissenschaften von mittlerer Reichweite kommt. Die großen Theorien, auf die Herr Böhret hingewiesen hat, kommen sicher noch ergänzend und richtungsweisend wie Magnetlinien hinzu. Ob es das Governance-Thema, der Gewährleistungsstaat oder andere Fragestellungen sind: Es empfiehlt sich, solche mittleren Problemstellungen integrativ und mit einem ziemlich großen Mut an Dilettantismus zu bearbeiten. Nur so können wir - glaube ich - weiterkommen. Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung zum angelsächsischen Wissenschaftsraum machen. Wir sollten nicht so tun, als ob nur wir Kooperationsprobleme zwischen den Disziplinen hätten. Wenn wir uns den angelsächsischen Bereich anschauen, haben wir auch die Vertreter der Public Policy auf der einen Seite und die klassischen Public Administration-Vertreter auf der anderen Seite, die eine traditionelle Max Webersehe Verwaltungslehre anbieten. Und drittens gibt es die Vertreter von Public Management, die eine manageriale, betriebswirtschaftliche Sichtweise verkünden. Trotz der beobachtbaren disziplinären Gegensätze gibt es dort allerdings größere Gemeinsamkeiten in der Lehre aufgrund eines gemeinsamen curricularen Grundverständnisses, bspw. im Hinblick auf die Grundelemente eines Fächerkanons. Ich glaube, hier - bei einem gemeinsam getragenen interdisziplinären curricularen Konzept für die Lehre in den Verwaltungswissenschaften - müssten wir auch ansetzen, um zu einem hinreichenden Grundverständnis in unserem Bereich zu kommen.
Benz: Ich glaube, die Probleme der Verwaltungswissenschaft liegen weder am Gegenstand noch an der Sprache. Ich neige dazu, Herrn Bohne Recht zu geben, dass wir ein institutionelles Problem haben. Die Probleme liegen nicht am Gegenstand, weil wir generell es in modernen Gesellschaften schwer haben, die Gegenstände der Sozialwissenschaften zu defmieren. Die Soziologie hat vermutlich auch Probleme mit ihrem Gegenstand Gesellschaft. Die Politikwissen-
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schaft kann natürlich Politik defInieren, aber sie defIniert den Begriff sehr unterschiedlich. Was der Staat ist, können wir nicht einfach defInieren, es gibt mehr als 100 DefInitionen, die ausdrücken, was der Staat sei. Entscheidend ist, dass wir eine ungefähre Vorstellung dessen haben, womit wir uns beschäftigen, und dass wir dann als Wissenschaftler im Zweifelsfall um den Gegenstand ringen, d. h. uns bemühen, unseren Gegenstand dann, wenn wir uns wissenschaftlich damit auseinandersetzen und wenn wir darüber forschen, zu defmieren. Und zur Wissenschaft gehört eben die ständige Aufgabe der Defmition von Gegenständen. Ich glaube auch, dass die Verwaltungswissenschaft als interdisziplinäre Wissenschaft kein Problem mit der Sprache hat. Ich gebe natürlich zu, dass man sich ungenau ausdrücken kann. Aber wer sich ungenau ausdrückt, zeigt damit häufIg, dass er eben auch nicht genau weiß, worüber er redet. Das Problem, was wir haben, ist das Problem von Begriffen. Es entsteht, weil wir in den verschiedenen Disziplinen die Realität anders wahrnehmen und sie deswegen auch anders begreifen. Das ist so und das kann auch gar nicht anders sein. Denn dieses macht eben die unterschiedlichen Wahrnehmungen aus. Entscheidend ist, und das kann man durchaus bewältigen, dass man sich verständigt über die Unterschiedlichkeit der Begriffe. Die Verständigung geht über Sprache, und über Sprache muss man sich im Zweifelsfall auch darüber verständigen, dass man manchmal mit dem gleichen Wort Unterschiedliches meint und manchmal mit unterschiedlichen z.T. auch englischsprachigen Begriffen bestimmte Gegenstände oder genauer gesagt bestimmte Perspektiven bezeichnet. Das ist entscheidend. Ein Problem, das wir in der Verwaltungswissenschaft haben, ist ein institutionelles Problem, und ich wollte in meinem Beitrag unter anderem darauf aufmerksam machen, dass die Politikwissenschaft, oder genauer gesagt die politologische Verwaltungswissenschaft, ein institutionelles Problem hat, weil sie nämlich vergleichsweise schwach ist. Vor allem in ihrem eigenen Fach ist sie zu schwach.
Böhret: Die beiden letzten Ansätze kann ich nur bestätigen. Wir haben in unserem eigenen Fach die Verwaltung zunächst überhaupt nicht wahrgenommen, und als wir es dann getan haben, waren wir eben nur wenige. Und wenige können eigentlich nicht den großen Zug machen. Es gab zumindest eine Periode, in der wir den Gegenstand "Verwaltung" überhaupt nicht ernsthaft behandeln konnten. Herr Schuppert sagte, die Politologen machen dieses und jenes. Hiergegen darf ich erwidern: Gerade nicht dieses oder jenes, sondern wir hatten von vornherein vier oder fiinf ganz klare Forschungs- und Arbeitsfelder an denen wir eigentlich immer festgehalten haben. Da gehört Empirie und Analyse dazu, da gehört
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Theoriebildung dazu und selbstverständlich vergleichende Lehre der Herrschaftsformen. Herr Engel hat darauf hingewiesen, dass es viele Politikwissenschaftler gibt, die theoriegeleitete Forschung betreiben. Ich muss natürlich fragen: Woher holen wir die Theorie? Aber da können wir zunächst mit dem Verständnis der 70er Jahre weiterkommen: ,,mittlere Reichweite" und ständige Überprüfung am praxisnahen Gegenstand. Man muss der Politikwissenschaft aber zugestehen, dass sie den Gegenstand "Verwaltung" auch von der großen (systemischen) Theorie aus betrachtet und beurteilt. Herr Sehreekenberger hat darauf hingewiesen, ohne gewisse Maßstäbe gesellschaftstheoretisch ableitbarer Maßstäbe, über die man natürlich streiten kann, lasse sich Politik nicht mehr begründen. Wie wollen wir es aber sonst machen? Nur feststellen, dass es Institutionen gibt, die mehr oder weniger gut zusammenarbeiten? Das darf wohl fiir Politikwissenschaft nicht die alleinige Frage sein. Das auch, aber warum sind sie so - die Institutionen? Und woher kann ich begründen, dass ich sie so oder so verbessern will? Das kann ich doch nicht einfach aus ihnen selbst heraus. Dazu brauche ich die Engelsehe theoriegeleitete Forschung. Herr Busehor hat ungenügendes Komplexitätsdenken kritisiert. Wir haben mindestens versucht, in komplexen und komplizierten Systemen zu denken. Allerdings: Über Komplexität nachzudenken, habe ich nicht in meiner eigenen Wissenschaft gelernt. Ich habe es gelernt, indem ich mich mit Naturwissenschaften beschäftigt habe. Als ich das getan habe verstand ich plötzlich besser, was auf meinem eigenen Gebiet eigentlich passiert. Ich konnte jetzt Komplexität entdecken, erklären und sie nutzen, um daraus Handlungsanleitungen zu geben. Was Herr Bohne gesagt hat, ist wichtig. Die Probleme sind vielfältig in der Praxis und wir müssen die Wirkungszusammenhänge ermitteln. Aber um das zu können, braucht man auch wieder eine Anleitung - gerade in der politischadministrativen ,,Praxis". Es geht zu aller erst um die Fragestellung. Ich formuliere meine Erkenntnisinteressen, recherchiere, analysiere, und dann hole ich mir das, was ich noch brauche, gerne von anderen Wissenschaftsbereichen. Insoweit bin ich Transdisziplinarist.
Jansen: Ich will die Frage von Herrn Engel auch aufgreifen, ob die gemeinsame Fragestellung so absolut wichtig ist, und noch einmal auf die Unterscheidung oder auf die differentia specifica der Juristen eingehen, die Herr Hoffmann-Riem wieder in die Diskussion gebracht hat, nämlich dass Juristen entscheiden müssen und dass sie auch entscheiden wollen. Ein Kooperationshindernis vor allem im Verhältnis zur Praxis besteht darin, dass das zusätzliche empirische Wissen, das man Leuten mit Entscheidungszwang liefert, sie absolut erschreckt - in dem Sinne, dass die Entscheidung wegen der Komplexität immer unentscheidbarer 8 Ziekow
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wird. Das ist für Soziologen und Politologen einfacher, die müssen nicht unbedingt entscheiden. Sie können auch weiter an dem theoretischen Modell bauen, wenn sie feststellen, dass es ganz kleine Differenzen gibt, Schmetterlingsflügei, die die Vorhersagen zum Umkippen bringen können. Es ist nicht unbedingt erforderlich, dass man ein gemeinsames Ziel in dem Sinne hat, dass man beraten oder entscheiden und gestalten will auf der einen Seite, und dass man empirische Forschung, theoriegeleitete Forschung betreiben will auf der anderen Seite, denn das kann sich durchaus ergänzen. Die Fragen nach Verhältnismäßigkeit, Eignung oder Wirtschaftlichkeit lassen sich ja durch die empirischen Disziplinen beantworten. Ergebnisse zu Eignung oder NichtEignung oder zur Problematik von Trade-offs können für einen Rechtswissenschaftier Anlass für rechtspolitische Kritik der vorhandenen Regelungen sein. Die empirische Analyse von Governance-Mechanismen kann ferner die Grundlage für neue Regelungsvorschläge sein. Empirische und normative Disziplinen können sich unter Umständen sogar ganz gut ergänzen, wenn man sich auf seinen Gegenstand und in dem Sinne dann auch seine Fragestellung einigen kann, z. B. auf Umweltpolitik oder Wissenschaftsmanagement. Dieser Gegenstandsbezug ist notwendig, sonst ist auch die Verständigung darüber nicht möglich. Natürlich läuft die Verständigung über Sprache. Aber der letzte Punkt in der Verständigung ist, dass ich sage: Das ist ein Glas. Dass ich darauf zeige, das ist der letzte Punkt in der Verständigung. Das Zeigen ist dann das, was die interdisziplinäre Kommunikation erlaubt. Man muss empirisch zusammenarbeiten, um Zeigen zu können - am gemeinsamen Gegenstand. Dafür müssen die Empiriker die Organisationsstatute von z. B. öffentlichen Unternehmen soweit begriffen haben, dass sie wissen, was sie empirisch suchen müssen. Die Juristen müssen begriffen haben, wofür diese Indikatoren stehen. Dann kann ich zeigen und sagen: So funktioniert das. Dann komme ich auch zu einem Verständnis, was die Kooperationspartner denn mit Gesetz und Vertrag usw. meinen. Der Gegenstand der neuen Staatlichkeit ist für einen Soziologen wunderbar, es ist ja eine Ausdehnung des Gegenstandes. Es sind eher die interessanten Tiere, die diesen Zoo dann bevölkern, also Dritter Sektor, öffentliche Unternehmen, Public Private Partnership usw. Zur Frage, ob es ein Methoden- oder Theorieproblem oder ein Anreiz- und Organisationsproblem ist: Ich würde auch dazu tendieren zu sagen: Das ist ein pfadabhängiges Institutionalisierungsproblem. Bloß nützt es uns nichts, dass wir das wissen. Wir müssen es dann trotzdem bewältigen. Denn diese Sprachen haben sich entwickelt, und sie sind jetzt da. Diese Perspektiven haben sich entwickelt, und sie sind jetzt da. Wenn es ein Anreiz- und Organisationsproblem ist, dann bedeutet das, dass ich z. B. über die Institutionalisierung von Fachgesellschaften und Sektionen oder die Etablierung von Lehrstühlen, was dafür tun kann, dass die Andockpunkte für die Interdisziplinarität auch entstehen. Ich
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glaube aber, dass der erfolgreichere Institutionalisierungspfad die Wissensvermittlung ist. Die Ergebnisse der historischen Wissenschaftsforschung und der Wissenschaftssoziologie bestärken mich darin, dass die anreizfähige Institutionalisierung von Disziplinen über die Lehre und nicht über die Forschung läuft.
Verwaltungswissenschaft - disziplinär und transdisziplinär Podiums- und Plenumsdiskussion
Verwaltungswissenschaft - disziplinär und transdisziplinär Podiums- und Plenumsdiskussion Bull: Wir wollen versuchen, die verschiedenen Facetten, die gestern angesprochen worden sind, heute aufzugreifen, die Fäden fortzuspinnen und ein vielleicht in einigen Teilen doch noch etwas verändertes oder weitergeführtes Bild von Verwaltungswissenschaft zu zeichnen. Ich würde gerne an die gestrige Diskussion und die Referate anschließen mit einem Versuch, etwas zu ordnen, zu systematisieren und dann zunächst ein paar Aussagen zu wiederholen, die mir persönlich besonders wichtig erschienen sind. Natürlich ist das eine fast willkürliche Auswahl. Ich versuche, auf diese Weise zu unserem gemeinsamen Thema hinzufiihren. Herr Schuppert hat gestern gesagt: Voraussetzung interdisziplinärer Arbeit ist disziplinäre Identität. Also jedes Fach hat seinen Eigenwert, gelangt zu überzeugenden Lösungen, wenn seine Vertreter dem disziplinären Erkenntnisinteresse huldigen, ihm treu bleiben und die adäquaten Methoden anwenden. Herr Bohne hat einen eigenen Ansatz gewählt und Herr Engel hat ihn in gewisser Weise aufgenommen, die Frage nämlich: Wie stellt sich unsere Bemühung von außen dar, und was ist das, was sich in dieser Sicht von außen als Forschungsthema oder Forschungsfrage darstellt? Ich denke an die zurückliegende Evaluation des Forschungsinstituts durch die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz; ich habe dabei erlebt, wie eine von außen kommende Evaluationsgruppe, die auch so bunt zusammengesetzt war wie unser Podium hier, noch ein bisschen bunter, sich diesem Forschungsinstitut genähert hat, und ich habe in den Besprechungen gehört, welche Erwartungen an ein F orschungsinstitut fiir und über Verwaltung geäußert werden. Das ist ein zusätzlicher Beleg dafür, dass dieser Ansatz, den Herr Bohne gestern präsentiert hat, von außen zu schauen und nach dem zu fragen, was eigentlich gemacht wird, die disziplinäre Zuordnung aber erst in der zweiten Stufe vorzunehmen, sinnvoll ist. Also: Ausgangspunkt von Forschung sollte eine konkrete Fragestellung oder ein Komplex von Fragestellungen sein, die sich konkretisieren lassen, zum Beispiel das Interesse der Außenwelt an bestimmten Wirkungszusammenhängen. Daran anknüpfend kann auch in der Forschung selbst eine Fragestellung entstehen - aus der eigenen früheren Forschung oder aus eigener früherer Hypothe-
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senbildung. Salopp gesagt, es kommt darauf an, möglichst intelligent zu sein, das ist die beste Methode überhaupt, und nicht unbedingt zu sagen: Hier brauche ich einen Finanzwissenschaftier oder eine Soziologin oder dergleichen mehr. Die Frage bestimmt die Disziplin, nicht eine vorgängige Zuweisung bestimmter Komplexe an bestimmte Disziplinen. Herr HojJmann-Riem hat uns aus der Sicht der Rechtswissenschaft, speziell der Verwaltungsrechtswissenschaft, klargemacht, dass diese rechtswissenschaftliehe Arbeit oft zu eng betrieben wird, dass sie nicht die nötigen Horizonte ansteuert, die zu einer optimalen Antwort auf die gestellten Fragen fiihren können. Die Rechtswissenschaft bedarf des Rückgriffs auf Erkenntnisse und Methoden anderer Disziplinen. Das ist nicht neu, aber es ist ein wichtiger Zwischenschritt in unserer Überlegung: Es bedarf dieses Rückgriffs fiir die eigenen ganz praktischen Zwecke, Entscheidungen vorzubereiten oder zu treffen, aber auch fiir juristische Grundlagenforschung bedarf es, und gerade dort in besonderem Maße, der Besinnung auf das, was andere Disziplinen an Erkenntnissen erarbeitet haben oder methodisch möglich machen, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Die praktischen Zwecke der Wissenschaft liegen darin, Entscheidungen vorzubereiten - optimale Entscheidungen, sagt Herr Hoffmann-Riem. Über diesen Begriffkönnte man natürlich auch streiten. Aber er ist bewusst so weit angelegt, dass er eben nicht nur die Übereinstimmung von Norm und Sachverhalt zum Inhalt hat, sondern Akzeptanz, Interessenbefriedung und Konfliktlösung einbezieht, ferner die Schnelligkeit der Entscheidung - ich erinnere an das, was gestern gesagt wurde. Als Ziel von Rechtswissenschaft können wir auch das Erkennen von Zusammenhängen nennen. Dazu kommt zum Beispiel Ideologiekritik, Kritik der Entstehung und des Inhalts von Normen und ihrer Wirkungen. Das sind nichtnorrnative Elemente von Rechtswissenschaft, die ihren legitimen Platz aber eben in dieser Disziplin Rechtswissenschaft haben und zu deren Bearbeitung es anderer disziplinärer Elemente bedarf. Sicher muss man an dieser Stelle auch hinzufiigen: Gerade in der Rechtswissenschaft ist der Bedarf an Theorie nicht überall gleich hoch ausgeprägt. Wir sind als praktisch arbeitende Juristen oft in Gefahr, den theoretischen Hintergrund aus den Augen zu verlieren. Und die Beschäftigung mit dem heutigen Thema ist vielleicht auch unter dem Aspekt nützlich, dass da ein DefIzit ausglichen werden sollte. Herr Schuppert hat in diesem Zusammenhang das Wort vom Impulsgeber benutzt. VerWaltungswissenschaft ist als Impulsgeber gegenüber der Rechtswissenschaft und als Anreger und Begleiter von Verwaltungsreform geeignet. Allerdings, Herr Reichard hat es so ähnlich gesagt, eine naive Übertragung von Konzepten aus der einen in die andere Sphäre wäre völlig falsch, unnütz, würde uns irrefiihren. Und Herr Ziekow hat u.a. die Bemerkung beigesteuert, dass die Sache ja deshalb besonders schwierig ist, weil der Gegenstand Verwaltung selbst auch an der Diskussion teilnimmt. Die Personen, die Verwaltung repräsentieren, sind durchaus munter dabei, wenn es gilt, über Verwaltung zu spre-
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chen, was Verwaltung ist und wie sie sein sollte. Als Frage wäre dann daraus abzuleiten, ob man vielleicht fiir eine reine Verwaltungswissenschaft so etwas wie Gegnerfreiheit postulieren, also bewusst die Distanz zum personalen Gegenstandsbereich suchen solle. Das ist sicher irreal gedacht, aber als Zuspitzung fiir die Diskussion vielleicht nicht ganz unnütz. Als ein Zwischenfazit von gestern können wir feststellen, dass sich Verwaltungswissenschaft in erster Linie durch den Gegenstand öffentliche Verwaltung definiert. Wie der genau zu bestinunen ist, darüber werden wir noch sprechen. Die gedankliche Verbindung, die der Begriff Verwaltungswissenschaft herstellt, wird durch den Gegenstand öffentliche Verwaltung geprägt, und von daher ist auch eine deutliche Abgrenzung vom Plural Verwaltungswissenschaften möglich, weil dort der methodische Aspekt, der Aspekt des Herangehens an diesen Gegenstand Verwaltung stärker zum Ausdruck kommt. Es sei denn, wir fmden eine originäre, eine identitätsstiftende Aussage über die Methode der Verwaltungswissenschaft im Singular. Das ist natürlich auch ein zentraler Gegenstand unserer Diskussion heute. Lassen Sie mich nun zu den Podiurnsteilnehmern kommen. Da hier neben mir der Verwaltungsrechtler sitzt, Herr Brohm, möchte ich zunächst an ihn die Frage richten: Welche Rolle spielt die Verwaltungsrechtswissenschaft fiir die Verwaltungswissenschaft? Ist es eine dominierende Rolle? Ist das richtig so, ist das vielleicht notwendig so? Herr Lüder hat gestern gesagt, die Rechtswissenschaft sei die Kemdisziplin der Verwaltungswissenschaft. Er hat dann in einem ungewöhnlichen Maße die eigene Rolle minimiert. Spielt etwa die Rechtswissenschaft doch eine herausragende Rolle, z. B. wegen ihrer großen Erfahrungsschätze über die Gegenstände, die von anderen dann wissenschaftlich erörtert werden? Für die Disziplinbildung wäre diese Frage vielleicht nicht so wichtig, aber fiir das Miteinander derer, die sich wissenschaftlich um Verwaltung kümmern, wäre das eine erste KlarsteIlung. Brohm: Herr Bull hat zusammengefasst, um was wir uns gestern bemüht haben. Auch ich hatte den Eindruck, dass wir bei aller Multi- und Interdisziplinarität nachher nicht wussten, wo eigentlich diese Wissenschaft oder diese Wissenschaften anzusiedeln seien. Das heutige Thema scheint darauf eine Antwort zu geben. Es spricht nicht mehr von Verwaltungswissenschaften, sondern von einer Verwaltungswissenschaft. Diese ist "disziplinär", d. h. eine wissenschaftliche Disziplin; aber sie ist zugleich "transdisziplinär", d. h. sie greift auch auf andere wissenschaftliche Bereiche über und macht sich etwa deren Methoden zu eigen oder entwickelt neue Methoden selbst. Das scheint wohl die angestrebte Lösung zu sein. Für Juristen ist allerdings diese Defmition oder diese Erklärung meines Erachtens zu breit oder zu unbestimmt. Schließlich verstehen wir unter der Wis-
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senschaft der Verwaltung nicht irgendeinen organisatorischen Aufbau, in dem irgendwelche Entscheidungsabläufe erfolgen, die zu irgendwelchen Ergebnissen führen, gleichgültig, ob es sich um einen Fußballclub, ein Monopolunternehmen oder den Staat handelt. "Verwaltung" in dem Sinne, wie wir sie hier vor uns haben, ist ein Teil der Staatsgewalt, neben der Gesetzgebung und der Jurisdiktion, die ja auch ihre eigenen (Verwaltungs-)Organisationen haben, um die es hier aber offensichtlich nicht geht. Die Problematik einer sachgerechten Funktionsausübung der zweiten Staatsgewalt kann man m E. auch nicht damit abtun - wie es gestern zum Teil geschah -, dass man dem herkömmlichen Staat, etwa angesichts der Europäischen Union oder im Hinblick auf die Globalisierung, nur noch eine kurze Lebensdauer prognostiziert. Unabhängig von der Zweifelhaftigkeit solcher Prognosen kommen bei jeder Fonn staatlichen bzw. hoheitlichen Handelns die gleichen rechtsstaatlichen Probleme zum Tragen. Hier wird hoheitliche Gewalt in welcher Fonn auch immer ausgeübt. Damit stellt sich die Frage: Wo und wie fmdet sie ihre rechtsstaatlichen Grenzen, ferner welche verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Rechte und Gewährleistungen sind hier und in welcher Weise rechtlich und praktisch wirksam zu sichern? Alle diese Fragen sind von den rechtlichen Festlegungen auf den Rechtsstaat und den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen her aufzuwerfen und die Tauglichkeit entsprechender organisatorischer oder verfahrensmäßiger Lösungen ist daraufhin zu überprüfen. Insofern bleibt bei einem Verständnis der Verwaltungswissenschaft als einer neuen Disziplin, die zugleich transdisziplinär sein soll, also aus dem Korsett der einzelnen anerkannten Wissenschaften auch zu neuen Ufern und Methoden ausbrechen will, die Frage, was denn der Gegenstand dieser speziellen Wissenschaft von der Verwaltung ist. Ohne einen solchen Gegenstand kann es m E. auch keine adäquate Methode geben, selbst wenn man den herkömmlichen Wissenschaftsbegriff fiir überholt hält. Wie gezeigt, geht es hier nicht um allgemeine Organisations- oder Entscheidungsprobleme, sondern um die bereits rechtlich durch die Verfassung und die Gesetze weitgehend vorgegebene Funktion der zweiten Staatsgewalt in einem demokratischen und rechtsstaatlich verfassten Gemeinwesen. Insofern befindet sich die neue Verwaltungswissenschaft, disziplinär als Wissenschaft und transdisziplinär über die herkömmlichen wissenschaftlichen Erkenntnisziele und Methoden der eigenen Wissenschaft hinausgehend, auf der Suche nach ihrem Gegenstand. Den haben wir gestern nicht geklärt. Ob eine möglichst optimale Erfiillung der rechtlich weitgehend festgelegten Funktionen der zweiten Staatsgewalt, etwa unter den Gesichtspunkten der Organisations- und Entscheidungswissenschaft, dafiir ausreicht, mag dahingestellt bleiben. Kein Zweifel besteht daran, dass es schon angesichts der gewaltigen Ausdifferenzierung der Wissenschaft notwendig ist, interdisziplinär einzelnen Optimierungsfragen nachzugehen. Das aber kann nur - wie schon zutreffend hier gesagt wurde - fiir ein jeweils auftretendes konkretes Problem gelten.
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Und aus diesem Problem ergibt sich, welche andere Wissenschaften hier noch zu Rate zu ziehen sind. Ohne diesen Bezug fUhrt die Transdisziplinarität - als Perfektion in der Interdisziplinarität - m. E. kaum über eine Methodenlehre hinaus. Insofern ist es vielleicht besser - und zwar von Fall zu Fall- bei den jeweiligen Disziplinen zu klären, wann hier Einzelerkenntnisse von ihnen in die Betrachtung einbezogen werden müssten.
Bull:
Ich stelle nunmehr die Frage nach der Rolle des Rechts an den Soziologen. Muss man nicht vielleicht sagen, und das möge Herrn Grunow ein bisschen herausfordern, dass das Recht, jedenfalls indem es praktiziert wird, Verwaltung konstituiert, Verwaltung erst begründet? Um einen Vergleich zu wagen: Pädagogik konstituiert Schule, Recht konstituiert Verwaltung - jedenfalls Verwaltungsorganisation - bildet ein Rückgrat von Verwaltung. Also kann man vielleicht sagen, Verwaltungswissenschaft sei eine in zentraler Hinsicht auf Recht gegründete Wissenschaft, die sich mit Recht befasst und daher mit der Rechtstheorie vergleichbar ist, die ja auch Entstehung und Wirkung von Recht zum Gegenstand hat? Was sagt der Soziologe? Grunow: Meine Grundantwort wäre, dass die Blickwinkel, die wir hier vorfuhren, gleich von welcher Seite aus, unvollständig sind. Und die Aufgaben, die uns gesetzt sind, wenn wir verwaltungswissenschaftlich im weitesten Sinne arbeiten, werden nicht angemessen bearbeitet. Das wäre meine These gegen die Formulierung, die Sie gerade zuletzt gewählt haben: Recht konstituiert die Verwaltung. Nur ein Beispiel aus meiner eigenen Forschungsvergangenheit: Wir haben die Finanzverwaltung empirisch untersucht. Dazu haben wir Vorgespräche in der Oberfmanzdirektion gefUhrt, wo die Untersuchung dann auch stattfmden sollte; dort hat man immer den Kopf geschüttelt und gesagt: Wieso wollt Ihr die Finanzverwaltung empirisch untersuchen? Es gibt Referenten in der OFD, die können alles erklären, Auskunft geben, was Rechtstatbestände sind usw., wie die Sache läuft. Daher wäre es völlig abwegig, sich anzuschauen, was "da unten" irgendwo im grauen Alltag der Finanzämter passiert. Wir haben uns nicht beirren lassen. Im grauen Alltag sind wir sehr wohlwollend aufgenommen worden, aber auch durchaus argwöhnisch beäugt werden. Das beste was uns passieren konnte war, dass das Finanzamtspersonal sagte, wir seien bestimmt vom Ministerium geschickt und sollten jetzt mit geheimen Methoden irgend etwas über die Ämter herausfmden. Aber die Quintessenz war, dass - als wir arn Ende die empirischen Ergebnisse aus der Untersuchung von sieben Finanzämtern
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vorgelegt haben - alle sehr erschrocken waren: Sie sahen auf einmal, wie wenig das Recht das steuert, was in der Finanzverwaltung, die, wie wir alle wissen, konditional programmiert ist, tatsächlich abläuft. Das ist ein wichtiger Hinweis. Und deshalb spreche ich jetzt als Soziologe zunächst einmal auch als Empiriker: ganz bewusst - wie es gesternja auch deutlich gemacht wurde. Noch einmal zu der Bilanz der Forschung, die man für bestimmte Bereiche formulieren kann - jenseits konkreter Beispiele und Projekte. Wenn Herr Brohm sagt, die Verwaltung ist anders als übliche Organisationen, dann hat er einerseits Recht. Zugleich ist aber festzustellen, dass die Verwaltung auch wie andere Organisationen ist, denn wir haben gelernt, dass es so etwas gibt wie einen human relations-Ansatz der Organisationsforschung, der gewissermaßen aus der Forschung heraus entwickelt wurde. Das war keine Theorie oder eine Kopfgeburt, sondern das war ein Produkt einer Forschung, die ganz andere Zwecke verfolgte, die im scientific management verankert war und die Perfektionierung von Organisationsabläufen vor Augen hatte. Daraus wurde der human relations-Ansatz entwickelt, und der zeigte etwas über die Bedeutung von informeller Organisation usw. Dieses Phänomen gilt natürlich auch für die öffentliche Verwaltung. Die Organisationssoziologie geht aber heute wieder deutlich über die Analyse innerorganisatorischer Fragestellungen hinaus: vor allem hat sie das Thema "Organisationsgesellschaft" zunehmend in den Mittelpunkt gerückt (z.B. Türk). Damit wird ein Brückenschlag zwischen Verwaltungsorganisation, öffentlichem Sektor und Gesellschaft möglich, wie z.B. in der modemen Systemtheorie ausformuliert. Als Spezialthemen lassen sich darin die Beziehungen zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Verwaltung und Politik verankern. Es sind Themen, die sich nicht ohne Sozialwissenschaften, aber auch nicht hinreichend allein durch diese erschließen lassen. Gleiches gilt vor allem auch für den sogenannten Praxisbezug der Verwaltungswissenschaft: Die Lücken bzw. die "weißen Flecken" der je spezifischen disziplinären Orientierung werden dort besonders sichtbar und machen sich als Defizite der Verwaltungspraxis bemerkbar. Dazu noch ein aktuelles Beispiel: Vor einigen Jahren gab es in Berlin eine Konferenz über das Neue Steuerungsmodell, organisiert vom Deutschen Städtetag zusanunen mit der KGSt. Ein prominenter Vertreter der KGSt hatte dabei den Mut, sich aufs Podium zu setzen und zu sagen, nach acht Jahren Neuem Steuerungsmodell sei nun die Erkenntnis gereift, dass man ohne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung diese Reform nicht durchfUhren kann. Ich war gleichsam "vom Blitz getroffen", dass dies sozusagen die Erkenntnis des Neuen Steuerungsmodells sein sollte, nachdem die Studien, die zum human relationsAnsatz fUhrten, bereits in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts durchgefUhrt worden waren.
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Für mich ist es keine Frage, dass alle Perspektiven je fiir sich unvollständig sind. Es ist ein heilsamer Zwang, sich das klarzumachen - um dann zu fragen, wie können wir Zusammenarbeit organisieren, die diese Lücke schließt bzw. die Mängel beseitigt. Ich würde den Vorschlag machen, eben auch etwas konkreter die Diskussionsbeiträge zur Verwaltungswissenschaft anzuschauen und möglichst präzise zu sagen, wo ist eigentlich Fortschritt erzielt worden und wo befmden wir uns noch auf dem Stand der siebziger Jahre mit unseren Vorstellungen, Perspektiven hinsichtlich interdisziplinärer Kooperation. Man muss konkreter auf die Dinge schauen, die man selbst macht, um zu prüfen und ggf. anzuerkennen, wo sich Mängel und Lücken zeigen, wo also die eigenen "weißen Flecken" bestehen.
Brohm: Es ging mir nicht darum, empirische Erhebungen und Analysen - etwa über den Ablauf eines Entscheidungsvorgangs in einer Verwaltungseinheit - fiir wertlos zu erklären. Im Gegenteil, solche Untersuchungen gehören selbstverständlich dazu. Entscheidend ist aber, dass sie ein Ziel haben, das auch am Recht zu messen ist. Untersuchen wir also, wie und wann ein konkreter Entscheidungsprozess abläuft und ob dieser Ablauf "effizient" ist, dann ergibt sich der Maßstab dafiir vorrangig aus dem Recht, etwa ob er aus rechtsstaatlichen Gründen erforderlich ist, rechtsstaatlichen Anforderungen der Gesetzesanwendung und Gesetzesinterpretation widerspricht oder rechtlich neutral und eventuell in diesem Rahmen noch zu verbessern ist. Mit anderen Worten, das Ziel ist eine effektive Verwaltungsarbeit im Rahmen und im Sinne der rechtlichen Vorgaben. Dementsprechend müssen wir etwa bei der Finanzverwaltung darauf achten, dass sie bei ihrem Entscheidungsprozess richtig in diesem rechtsstaatlichen, normativen Sinne, den wir von der Rechtsordnung vorgegeben haben, arbeitet und zu einem Erfolg kommt. Ich glaube, da liegen wir gar nicht auseinander, Herr Grunow. Bull: Ich würde jetzt Herrn Engel das Wort erteilen, der uns versprochen hat, über die Rolle der ökonomischen Theorie an einem interessanten aktuellen Beispiel zu sprechen. Also: Welche Rolle hat die ökonomische Theorie im Zusammenhang einer Verwaltungswissenschaft, wie wir sie hier idealiter anstreben? Engel: Reputation ist klebrig wie Kaugummi. Wenn man einmal eine Weile in Beziehung zu einer Nachbarwissenschaft gearbeitet hat, dann wird man bald in seiner eigenen Zunft vereinnahmt und gilt, wie mir das jetzt immer häufiger gesagt wird, als "der Ökonom". Das ist in doppelter Hinsicht unrichtig. Denn wenn ich
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mit meinen ökonomischen Kollegen rede, werde ich ständig kritisiert. Andererseits versuche ich umgekehrt, meinen ökonomischen Kollegen zu sagen, dass ihr Ansatz zwar hochinteressant, aber in vielerlei Hinsicht doch ziemlich eng ist. Das habe ich mittlerweile auch häufig genug aufgeschrieben. Trotzdem übernehme ich diese Rolle natürlich auch hier wieder gern. Ich will versuchen, an einem Beispiel dafiir zu werben, dass der Ansatz an der die ökonomischen Theorie als konzeptionellem Instrument Sinn machen könnte. Zugleich will ich abschließend aber auch deutlich machen, warum das nicht ohne kritischen Verstand geschehen sollte. Das Beispiel ist ganz aktuell, nämlich das Kernstück der Hartz-Reformen. Der Terminus, der dort gefunden worden ist, ist die Personalserviceagentur. Ich will Ihnen kurz, damit wir über etwas Konkretes reden können, die zentralen Elemente dieser Regelung vorstellen, will dann aber vor allem mit dem ökonomischen Besteck, also dem Rationalmodell, die Anreizwirkungen beschreiben. Im ökonomischen Modellrahmen will ich auch versuchen, normative Folgerungen zu ziehen. Ich will dann, wie schon angekündigt, mit Kritik schließen. Woraus besteht die Regelung? Sie setzt auf etwas, was schon vorher geltendes Recht war. Die Dezentralisierung der Arbeitsverwaltung führt dazu, dass jedes einzelne Arbeitsamt erhebliche Mittel aus dem bekommt, was im Jargon der Eingliederungstitel genannt wird. Das Interessante fiir die Arbeitsämter ist, dass sie über diese erheblichen Mittel auch autonom entscheiden können. Sie haben diese Mittel bislang im wesentlichen fiir Aufgaben der Weiterbildung verwendet. Der Gesetzgeber erwartet nun von ihnen, dass sie einen Teil dieses Geldes in die neu geschaffenen Personalservice-Agenturen fließen lassen. Nach dem neuen Gesetz sind diese Service-Agenturen eine Mischung aus zwei Instrumenten. Nämlich einmal, wie bisher schon, Förderung durch Bildungsprogramme. Auf der anderen Seite neu aber auch Zeitarbeit. Der jeweilige Betreiber der Personalservice-Agentur kann frei darüber entscheiden, wie er die ihm zugewiesenen Personen behandelt: ob er also Fördermittel in diese Personen steckt oder ob er stattdessen versucht, sie am Arbeitsmarkt zu verleihen. Auch die Finanzierungsstruktur ist daran angepasst. Die Vorstellung des Gesetzgebers ist, dass sich diese Personalservice-Agenturen soweit als möglich aus Entgelten finanzieren sollen, die sie von den entleihenden Unternehmen bekommen. Dafür sind ihnen auch keine Vorgaben gemacht. Sie können also alles aushandeln, was der Markt hergibt. Sie bekommen gleichzeitig den schon erwähnten Zuschuss des Arbeitsamts aus dem lokalen Anteil an dem Eingliederungstite1. Das heißt ökonomisch gesprochen, es gibt plötzlich Geld fiir Lohnsubventionen. Die Personalservice-Agenturen gibt es nach der Vorstellung des Gesetzgebers nun in drei denkbaren Konstruktionen. Er hat sie auch in eine hierarchische Reihenfolge gebracht. Die Gründung von Personal-Service-Agenturen soll mög-
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lichst durch Vergabe in den Fonnen des Vergaberechts geschehen. Wo sich das als unrealistisch erweist, ist der Gesetzgeber offen fiir Public Private Partnerships. Wo auch das nicht funktioniert, würde er knirschend zwn Schluss auch den Eigenbetrieb des Arbeitsamts akzeptieren. Soweit eine ganz grobe Skizze des Regelungsmaterials. Jetzt zu dem, was ökonomische Theorie aus solch einem Beispiel vielleicht machen kann. Sie würde sich zunächst einmal die Anreizeffekte ansehen. Dabei müssen wir mehrere Beziehungen unterscheiden. Die erste Beziehung ist die zwischen der Bundesanstalt fiir Arbeit und dem einzelnen Arbeitsamt. Das ist nun fast wie aus dem Lehrbuch der ökonomischen Theorie der Verwaltung. Man liegt wahrscheinlich nicht ganz schief, wenn man annimmt, dass die Arbeitsämter sich wie die Downs'schen Budgetmaximierer verhalten. Es kommt also zu Verteilungskämpfen zwischen den Arbeitsämtern. Wer in diesem Verteilungskampf gut aussehen will, tut gut daran, die Erwartungen der Bundesanstalt soweit als möglich zu treffen. Das zweite institutionelle Element, das wir mit diesem Besteck sezieren können, ist die Entscheidung zwischen den drei Optionen fiir die Ausgestaltung von Personalservice-Agenturen. Dabei hat man allerdings eine methodisch nicht ganz einfach zu beantwortende Vorfrage. Wir haben ja im Gesetz diese Sollhierarchie. Was das fiir Anreizwirkungen hat, ist nicht einfach zu modellieren. Aber wollen wir einmal akzeptieren, dass trotz dieser Sollvorschrift nicht ganz unmaßgebliche Freiheitsgrade übrigbleiben, und uns fragen, was die Arbeitsämter damit machen werden. Dann brauchen wir eine Nutzenfunktion des Arbeitsamts. Wir müssen also wissen, was die Arbeitsämter wohl vorrangig betreiben werden. Wird es ihr Wunsch sein, möglichst viel Einfluss auf das operative Geschäft zu nehmen? Werden sie umgekehrt danach trachten, sich selbst möglichst weitgehend von Verantwortung zu entlasten? Oder werden die erwarteten Folgewirkungen auf künftige Budgetverhandlungen mit der Bundesanstalt die treibende Kraft sein? Das ist natürlich zunächst einmal eine empirische Frage. Rationaltheoretisch am interessantesten wird es beim dritten Element, nämlich bei der Ausgestaltung des Vergabeverfahrens. Da haben wir zwei sich miteinander verschränkende - jetzt verwende ich kurz einen terminus technicus Prinzipal-Agent-Probleme. Damit meint die Rationaltheorie eine Situation der strategischen Interaktion zwischen zwei Akteuren, von denen einer private Information hat. Derjenige, der diese private Information hat, heißt Agent. Der, der sie nicht hat, heißt Prinzipal. Dieses Instrument können wir nun zunächst so anwenden, dass wir die Personalservice-Agentur fiir den informierten Akteur, also fiir den Agenten halten. Das ist sicher richtig, weil die PersonalserviceAgentur ja Mittel aus dem Eingliederungstitel bekommt, ohne dass man wirklich kontrollieren kann, was sie damit macht. Die Frage ist also, ob die Personal-Service-Agentur die ihr zugewiesenen Mittel nur zur Profitmaximierung
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verwendet. An sich soll sie das zwar. Entscheidend ist aber, ob individuelle Profitmaxirnierung so weit als möglich mit der Verfolgung des öffentlichen Interesses übereinstimmt oder nicht. Damit verschränkt sich ein symmetrisches Prinzipal-Agent-Problem auf der Seite des Arbeitsamts als dem informierten Agenten. Denn praktisch ist keine Ausschreibung im Vergabeverfahren denkbar, in der das festgelegt ist, was der Bewerber um eine Personalservice-Agentur eigentlich wissen müsste. Nämlich: welche konkreten Personen werden ihm zugewiesen? Daran hängt nämlich, wie hoch das Risiko ist, und damit, welchen Gewinn die Personal-Service-Agentur machen kann. Das geht schon ganz praktisch nicht, wenn sich die Tätigkeit der Agentur zeitlich erstrecken soll. Denn im Moment der Ausschreibung kann das Arbeitsamt die Person der künftig Bedürftigen nicht kennen. Im übrigen wird sich das auch aus datenschutzrechtlichen Gründen verbieten. Denn das Arbeitsamt müsste dann ja die Qualität der Risiken beschreiben. Das Konzept des Gesetzes setzt also voraus, dass das Arbeitsamt eine nicht unerhebliche Dispositionsbefugnis darüber behält, welche Personen es später demjenigen zuweist, der den Auftrag bekommen hat. Dann entsteht aber genau das fiir PrinzipalAgent-Verhältnisse typische Ausbeutungspotential. Auf diese Weise entstehen also zwei miteinander verschränkte PrinzipalAgent-Probleme, die zu einer Art Gleichgewicht des Schreckens führen. Vielleicht fiihlt sich ja sogar ein ökonomischer Kollege aufgerufen, die Konstellation zu modellieren. Ob es in der Wirklichkeit funktioniert, wäre damit allerdings noch nicht gesagt. Nächster Schritt: Welche normativen Folgerungen kann man auf der Grundlage des Rationalmodells ziehen? Man würde sich zunächst sicher die Beziehung zwischen Bundesanstalt und Arbeitsamt ansehen. Ich hatte gesagt, analytisch sieht man einen Verteilungskampf zwischen den Arbeitsämtern. Wenn man das im Sinne des gesetzgeberischen Ziels instrumentalisieren will, dann müsste man die Mittelzuweisung an das Arbeitsamt an die performance auf dem lokalen Arbeitsmarkt binden. Man müsste also Indikatoren dafiir entwickeln, wie gut die lokalen Arbeitsmärkte dastehen. Und das müsste darüber entscheiden, wie viel Geld es bei der nächsten Runde gibt. Das wäre konsequente Anreizsteuerung. Und tatsächlich gibt es dafiir auch Beispiele im Ausland. In Deutschland sind wir aber ziemlich weit davon entfernt. Wenn wir einmal hier angelangt wären, hätten wir auch eine Lösung fiir das Problem, das ich vorher analytisch nur aufzeigen konnte. Denn wenn das Budget des Arbeitsamts von der performance auf den Arbeitsmärkten abhängt, dann ist auch klar, was die Entscheidung des Arbeitsamts darüber dominiert, wie es die Personalservice-Agentur ausgestaltet. Zu erwarten wäre aufrationaltheoretischer Basis, dass die Ausgestaltung der Personalservice-Agentur gewählt wird, die den größten Arbeitsmarkteffekt erwarten lässt.
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NWl zum Schluss vorsichtige kritische BemerkWlgen. Einmal zu analytischen Grenzen, dann aber auch zu normativen Einwänden. Das Rationalmodell ist wahrscheinlich das schärfste, aber natürlich keineswegs das einzig denkbare analytische Instrument. Und wie immer hat Schärfe ihren Preis. Man kann dann gerade wegen der Schärfe auch Scheuklappen bekommen Wld sieht möglicherweise Dinge nicht mehr, die man aus rechtspolitischer Sicht im Zweifel besser sehen sollte. Beim Arbeitsamt sieht man zum Beispiel kaum noch, dass es so etwas wie ein VerantwortWlgsgefiihl der Amtswalter geben kann; dass sie sich eine politische Rolle zuschreiben; dass sie selber sozial in peer groups eingebettet sind usw. Und im Verhältnis zur Personalservice-Agentur sieht man die wahrscheinlich zentrale Rolle von Vertrauen Wld Fairness nicht mehr. Normativ wird man schließlich nicht einfach sagen, na gut, EffIzienz ist unser einziges Ziel. Sorgen wir dafür, dass sie möglichst hoch wird. Sondern man wird sich Fragen stellen wie: Welche BedeutWlg hat eigentlich eine VerwaltWlgskultur? Und fUhrt vielleicht das Scharfmachen der Anreize, wie ich es Ihnen vorher am Beispiel vorgefUhrt habe, zu einem kontraproduktiven Effekt? Psychologisch formuliert: Kommt es zu einem crowding out intrinsischer Motivation? Und ich schließe dann in der Tat mit einem Rückblick auf das, was uns Herr Brohm gesagt hat: Das konzeptionell interessanteste Ergebnis meines rationaltheoretischen Nachdenkens war ja der Versuch eines Gleichgewichts des Schreckens in dem doppelten Prinzipal-Agent-Problem. Ist das rechtsstaatlich eigentlich erträglich? Bull: Die Frage nach der Effektivität Wld Efftzienz von ArbeitsverrnittlWlg in der neuen Form nach dem Vorschlag der Hartz-Kommission ist aus der politischen Praxis Wld aus der VerwaltWlgspraxis heraus formuliert, sehr aktuell, sehr konkret. Gleichzeitig haben Sie WlS dargestellt, dass man mit dieser Methode der ökonomischen Analyse von Zielen Wld Vorgängen ein Stück weiterkommt Wld das Ergebnis auch noch relativiert Wld in BeziehWlg gesetzt zu anderen möglichen BetrachtWlgsweisen. Das fUhrt mich zu Herrn Wollmann Wld der Frage: Wie sehen Sie als Politikwissenschaftler, die Rolle einer solchen Vorgehensweise? Was würden Sie ergänzen? Wollmann: ZWlächst möchte ich einige BemerkWlgen zum Gegenstand der VerwaltWlgswissenschaft machen. Der Begriff Wld die AbgreflZWlg der Öffentlichen VerwaltWlg als ihr Gegenstand bereitet offenkundig ZWlehmende Schwierigkeiten. Öffentliche VerwaltWlg Wld Öffentlicher Sektor "fransen" immer mehr aus. In der Schweiz wird politik- Wld verwaltWlgswissenschaftlich von "parastaatlichen" Strukturen gesprochen. In den angelsächsischen Ländern ist von ei9 Ziekow
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Verwaltungswissenschaft - disziplinär und transdisziplinär
ner "Quangoisierung" durch die Übertragung öffentlicher Aufgaben auf "quasinon-governmental organisations" die Rede. Aber auch in Deutschland ist diese Entwicklung längst geläufig, etwa am Beispiel der Wohlfahrtsverbände, die bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen eine quasi- oder semi-öffentliche Rolle spielen. Diese Tendenz hat sich auf der kommunalen Ebene durch die Auslagerung und Ausgriindung von Eigengesellschaften in letzter Zeit noch verstärkt. Es wird also immer schwieriger, von einem abgrenzten und abgrenzbaren Öffentlichen Sektor zu sprechen. Dabei scheint es mir ungewiss, ob sich der neuerdings in Mode gekommene Begriff des "governance" als hilfreich erweisen kann. Zum andern möchte ich - in Anknüpfung an die gestrige Intervention von Herrn Engel- kurz auf die Unterscheidung zwischen empirisch-analytischer und normativ-präskriptiver Vorgehensweise eingehen. Die erstere ist ja typisch fiir die theorieangeleitete empirische Forschung der Sozialwissenschaft, die Bestehendes sozusagen rückblickend, ex post, zu analysieren und zu erklären trachtet. Die letztere richtet sich auf Prognosen, modellhafte Entwürfe, Empfehlungen, vielleicht sogar ,,missionarische" Entwürfe. Die verwaltungswissenschaftliche Diskussion verläuft vielfach zwischen diesen beiden Polen. In der Debatte über den Standort der Sozialwissenschaften hat sich schon lange die Unterscheidung herausgebildet zwischen Grundlagen- und Anwendungsorientierung. In den 1970er Jahren wurde die "anwendungsbezogene Grundlagenforschung" als ein gewissermaßen ,,hybrider" Forschungstypus vorgeschlagen. Verwaltungswissenschaftliche Forschung steht in einer solchen ,,hybriden" Entwicklungslinie zwischen Grundlagenforschung und Beratungswissenschaft. Sie sollte meines Erachtens freilich zuvörderst mit beiden Beinen den Fuß in der empirischen Forschung haben und sich dann, durch empirische Forschung gesichert und bereichert, auf das Feld vorsichtiger Prognosen und Empfehlungen zu begeben. Die Geschichte der politikwissenschaftlichen und soziologischen Politikberatung in Deutschland, insbesondere seit den späten 1960er und 1970er Jahren, liefert hierfiir durchaus beachtliche Beispiele. Zur Konstituierung der sozialwissenschaftlieh angeleiteten Verwaltungsforschung in den 1960er und 1970er Jahren an dieser Stelle nur so viel: Diese speiste sich aus mehreren Zuflüssen: die ,,Politische Verwaltung" von RolfRichard Grauhan, linke Staats- und Verwaltungskritik und schließlich die Policy-Forschung, um nur diese zu nennen, lenkten das analytische Interesse auf die Verwaltung als "black box". Entlang des ,,Policy-Zyklus" und seiner Triade aus Politikformulierung, Implementation und Wirkungsphase leisteten Implementations- und Evaluationsforschung wichtige Anstöße auch zur Aufhellung des Innenlebens der Verwaltung. Eine andere analytisch hilfreiche Unterscheidung ist die zwischen Polity, Politics und Policy. "Polity" ist das institutionelle Gehäuse, wovon das Recht einen wichtigen Teil bildet. Aber der Institutionenbegriff geht
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eben weit über das Recht hinaus, auch wenn in der deutschen Rechtsstaatstradition das Recht zweifellos eine besonders gewichtige Komponente des institutionellen Gehäuses ist. Insoweit möchte ich - auch als Jurist, der ich von Hause aus bin - einmal ganz keck sagen, dass die Rechtswissenschaft eine Hilfswissenschaft in der verwaltungswissenschaftlichen Beschäftigung mit Verwaltung ist. Zur gegenwärtigen Stellung der sozialwissenschaftlich angeleiteten Verwaltungswissenschaften an den Hochschulen ist der skeptischen Einschätzung zuzustinunen: Derzeit bläst ihr der Wind ins Gesicht. So werden verwaltungswissenschaftlich akzentuierte Lehrstühle derzeit um- und herunterdeftniert oder gar ganz gestrichen. In diesem Zusammenhang möchte ich einen Punkt unterstreichen, den Herr Benz gestern angesprochen hat, nämlich, dass die HochschullehrersteIlen, für deren Rekrutierung der Ausweis verwaltungswissenschaftlicher Qualiftkation ein maßgebliches Kriterium ist, sehr dünn gesät sind. Dementsprechend konzentriert sich die wissenschaftliche Aufmerksamkeit und Kompetenz der Nachwuchswissenschaftler auf Themenfelder, innerhalb derer die öffentliche Verwaltung einen eher kleinen Ausschnitt bildet, um passfähig zu sein für die anders und breiter deftnierten Stellen. Insofern ist fast ein Teufelskreis in Gang gekommen, der von der geringen institutionell-personellen Ausstattung zurückwirkt auf das Reputationssystem innerhalb der ,,zunft" und deren "mainstream"-Diskussion. Allerdings bin ich, was das von Herrn Benz ebenfalls angesprochene "Theoriedeftzit" angeht, etwas anderer Meinung. Wie nicht zuletzt seine eigenen Arbeiten zeigen, hat beispielsweise die Diskussion um den "kooperativen Staat" und um dessen "Steuerung" - wesentlich von verwaltungswissenschaftlich orientierten Politikwissenschaftlern betrieben - in den letzten Jahren maßgebliche Beiträge zur Theoriedebatte, auch innerhalb des ganzen ,,Faches", geliefert. In den 1970er Jahren gingen wichtige Anstöße für die Entfaltung der verwaltungswissenschaftlichen Fragestellung und Forschung von der Forschungsförderung aus. Dies gilt insbesondere für die vom BMFT unter dem Signum der "anwendungsbezogenen Grundlagenforschung" eingerichtete Forschungsschiene, auf der die damaligen ForschungsverbÜllde "Implementationsforschung" und "Gestaltung bürgernaher Verwaltung" starke Impulse für sozialwissenschaftlich angeleitete Verwaltungsforschung an den Hochschulen gaben. Ein weiterer wichtiger Forschungsmittelstrom, auch für universitäre Forschung, ging damals von der Ressortforschung der Ministerien aus, die nicht zuletzt auf dem Gebiete der Evaluationsforschung expandierte. Hinzu kam die Phase der "experimentellen Politik", in der Sozialforschung als notwendiger Bestandteil der Versuchsund Evaluationsabfolge nachgefragt wurde. Diese Finanzierungsanstöße sind weitgehend versiegt. In der Grundlagenförderung der DFG haben auf Verwaltungsforschung fokussierte Förderungsanträge
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derzeit offenkundig schlechte Karten, wie ein mehrfach unternommener und gescheiterter Vorstoß gezeigt hat, einen entsprechenden Förderungsschwerpunkt zu erreichen. Eine löbliche Ausnahme bildet die Hans-Böckler-Stiftung, die in den letzten 10 Jahren als ein maßgeblicher Sponsor verwaltungswissenschaftlich und verwaltungspolitisch ausgerichteter Forschungen hervorgetreten ist. Überdies fallen Politik und Verwaltung derzeit als Nachfrager empirischer Verwaltungsforschung weitgehend aus. Politik und Verwaltung scheinen in eine Phase kurzatmigen Crisismanagements geraten zu sein, in der zwar bei Unternehmensberatungsfumen kostspielige externe Beratungsleistungen für Modernisierungskonzepte und -maßnahmen eingekauft werden, jedoch kaum Veranlassung gesehen wird, diese Reforrnschritte durch empirische Forschung vorab zu fundieren oder während der Durchfiihrung oder danach durch externe unabhängige Forschung untersuchen und evaluieren zu lassen. Hinzu kommt, dass sich im verwaltungspolitischen Diskurs in den 1990er Jahren eine dramatische Änderung vollzogen hat. War dieser in den 1960er und 1970er Jahren in merklichem Umfang auch von sozialwissenschaftlieh angeleiteter Verwaltungswissenschaft und -forschung bestimmt, wird er seit den frühen 1990er Jahren überwiegend von Betriebswirten und von an New Public Management orientierten Vertretern anderer Disziplinen und nicht zuletzt von Unternehmensberatern geprägt, die eine stark präskriptive, jedenfalls kaum sozialwissenschaftlich empirische Ausrichtung haben. Ich komme zum Schluss. Der gegenwärtige Zustand unseres Faches vermittelt ein ambivalentes Bild. Auf der einen Seite scheint Veranlassung für eine eher skeptische Einschätzung des gegenwärtigen Status und der künftigen Aussichten gegeben. Auf der anderen Seite sehe ich jedoch auch Anhaltshaltspunkte für einen optimistischeren Ausblick. Zum einen ist an den durchaus beachtlichen Fundus empirischer Verwaltungsforschung zu erinnern, der in den letzten Jahren, wesentlich mit Förderung der Hans-Böckler-Stiftung, entstanden ist. Hierbei überwiegen verständlicherweise Arbeiten zur Kommunalverwaltung, wo die Modernisierungsanläufe zunächst in Gang gekommen sind. Sodann ist auf die wachsende Zahl international vergleichender Forschungen zur Staats- und Verwaltungsmodernisierung zu erinnern, die inzwischen auch in Deutschland initiiert worden sind. Hierbei ist insbesondere auf die wichtigen Anstöße von Frieder Naschold hinzuweisen. Die internationalen Netzwerke, in die die deutsche politik-1Uld verwaltungswissenschaftliche Forschung eingebunden ist, werden dichter und ihre Forschungserträge auch dadurch international sichtbarer. Als ein jüngstes Beispiel sei die Tagung der European Group 01 Public Administration genannt, die Werner Jann als deren Präsident im September dieses Jahres in Potsdam mit großem Erfolg organisierte. Erwähnen möchte ich in diesem Kontext - verbunden mit einem Stück "Schleichwerbung" - , dass innerhalb der unlängst gegründeten Deutschen Gesellschaft für Evaluation auch ein Arbeitskreis "Evaluation und Verwaltungspolitik" ins Leben gerufen worden ist. Im
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letzten Jahr fand die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Evaluation bemerkenswerterweise zum Thema "Evaluation und Public Management" hier in Speyer an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften statt. Sie widmete der Thematik eine Podiumsdiskussion, die in diesem Saal stattfand und an der auch etliche der heute Anwesenden mitwirkten. Sodann möchte ich daran erinnern, dass auch und gerade in jüngster Zeit die Beratungsleistungen von Politik- und Verwaltungswissenschaftlern von Politik und Verwaltung durchaus nachgefragt werden und dies deutliche Kontrapunkte zur These eines schleichenden Niedergangs setzt. Hier seien nur earl Böhret als ein wesentlicher Motor der Verwaltungsreform im Lande Rheinland-Pfalz oder Werner Jann als Mitglieder der Hartz-Kommission oder auch Hans Peter Bul/ zu nennen, der zuletzt Vorsitzender und Mitglied einer Verwaltungsreformkommission in Nordrhein-Westfalen war. Und noch ein letztes: Wie stark politik- und verwaltungswissenschaftliche Erkenntnisse und Wortprägungen inzwischen die Politik- und Verwaltungspraxis eingedrungen und von dieser übernommen worden sind, wird teilweise gar nicht mehr wahrgenommen. Es hat eine Art von "Veralltäglichung" wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Politik- und Verwaltungspraxis stattgefunden. Unterm Strich sehe ich die Entwicklung also optimistischer als es hier teilweise anklang.
Bull: An Herrn Hili ergeht jetzt die Frage: Ist es vielleicht ein sinnvoller Ansatz, unsere Thematik auch so zu formulieren, dass Verwaltungswissenschaft heute in erster Linie eine VerwaltungsreJormwissenschaft sei, eine Verwaltungsmodernisierungswissenschajt? Dann würden die praktischen Aspekte mit dem theoretischen Anspruch sehr nahe zusammengefiihrt werden. Ist Reform vielleicht ein Kerngebiet oder das künftig prägende Gebiet oder der Frageansatz von Verwaltungswissenschaft?
HilI:
Ich sehe mich tatsächlich als Grenzgänger zwischen den Disziplinen mit der für diese Gruppe typischen Neigung, sich je nach Gesprächspartner von einer Fachrichtung zu distanzieren und der jeweils anderen zugehörig zu fühlen. Als etwa Herr Brohm über sein Verständnis von Verwaltung als Teil der Staatsgewalt sprach, wollte ich als Verwaltungswissenschaftler gegen diese eng-juristische Auslegung protestieren. Als Jurist hingegen fühlte ich mich durch die von Herrn Wol/mann als bloße Hilfswissenschaft einer empirischen Diagnose charakterisierte Juristerei provoziert, da nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden ist und durch Recht geleitet wird. Der Aussage
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von Herrn Bull, Recht konstruiere Verwaltung oder Verwaltungsorganisation, wiederum würde ich entgegenhalten, dass die Verwaltung in der Praxis vielfach dem Recht davongelaufen ist, so dass man durchaus von Rechtsversagen oder unzureichendem Recht für neue Sachverhalte sprechen könnte: Veränderte Sachverhalte in der Realität stellen neue Herausforderungen auch an das Recht dar. Und so gibt es eine ständige Wechselwirkung zwischen den Disziplinen und den unterschiedlichen Ansätzen. Herr Schuppert prognostizierte eine Renaissance der Staatsrechts lehre durch den Wandel der Staatlichkeit. Meines Erachtens kann dieser Gedanke auch auf die Verwaltungswissenschaft übertragen werden: Der Wandel der Verwaltung fUhrt vielleicht nicht zu einer Renaissance, aber doch zu einer NeudefInition der Verwaltungswissenschaft, denn der Erkenntnisgegenstand, der bereits gestern vielfach apostrophiert wurde, hat sich seit der Schrift von Herrn König zu "Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft" von 1970 sicherlich erweitert. Die Komplexität, wie Herr Buschor sagte, hat sich vergrößert, man könnte auch sagen, dass sich der Gegenstand entfaltet und vervielfältigt hat. Diese Ausdehnung des Erkenntnisgegenstandes lässt sich an einer Reihe von Trends und Entwicklungen aufzeigen. Gerade mit Blick auf die V erwaltungsreforrnen als ein erster Trend wird diese Erweiterung besonders deutlich: Trotz aller Kritik am New Public Management bietet dieser Reformansatz auch Vorteile. Die Auseinandersetzung etwa mit der dezentralen Ressourcen- und Ergebnisverantwortung oder auch mit Auslagerungsprozessen hat das Bewusstsein auf neue Aspekte gelenkt und damit den Gegenstand der Verwaltungswissenschaft erweitert. Herr Engel hat viele Aspekte einer neuen Steuerung - Budgetierung, Dezentralisierung, in Wechselwirkung zu Zielvorgaben oder Zielvereinbarungen bestehende Freiheitsgrade, die wirkungsorientierte Steuerung, ein verändertes Rollenverständnis der Verwaltung - bereits in seinen Ausfiihrungen zu den Personalserviceagenturen, die man im übrigen auch durch Zielvereinbarungen steuern könnte, aufgegriffen. Mit dem aktivierenden oder modemen Staat bzw. durch Good Governance hat sich der Schwerpunkt auf ein materielles Verständnis von Verwaltung als Erfiillung öffentlicher Aufgaben verlagert. Die Erweiterung des Erkenntnisgegenstandes nach diesem Ansatz zeigt sich u. a. in der organisationsrechtlichen Dimension. wie sie etwa in der Dissertation von MonÜUl John-Koch mit Blick auf die gesamte Palette vom klassischen Verwaltungsorganisationsrecht und Verwaltungsprivatrecht über das Verwaltungsgesellschaftsrecht und das Verwaltungskooperationsrecht bis hin zum Privatverwaltungsrecht oder Privatorganisationsrecht beschrieben wird. Auch in diesem zweiten Reforrntrend des aktivierenden Staates oder Good Govemance werden neben diesen rechtlichen Fragen weitere Aspekte wie z. B. politische Erscheinungen der Macht und Interessenverteilung oder ökonomische Ansätze zu berücksichtigen sein.
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Darüber hinausgehend sollen mit der Entwicklung zum Electronic Government das reale Rathaus und das virtuelle Rathaus zusammengefügt und auf diese Weise ein neuer Verwaltungsraum geschaffen werden. Durch dieses Zusammenspiel realer und virtueller Verwaltungswelten entstehen aber auch neue Wirklichkeiten - in den Worten von Herrn Hoffmann-Riem: Wirklichkeitskonstruktionen -, die wiederum die Verwaltungswissenschaften um neue Disziplinen ergänzen. Insbesondere die Kommunikationswissenschaft wird in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen, da mit der Einführung neuer Informationstechniken auch die Verwaltungswissenschaft sich zunehmend mehr den Aspekten der Wahrnehmung und der Interpretation von Informationen widmen muss. Hinzu kommt die Notwendigkeit einer entsprechenden juristischen Aufarbeitung, da der Einfluss von Wahrnehmung und Information auch das Recht verändern kann, etwa bei der Sachverhaltserrnittlung nach § 24 VwVfG oder bei Ermessensentscheidungen. Insoweit werden modeme Informationstechniken den Erkenntnisgegenstand der Verwaltungswissenschaft verändern. Ein weiterer Trend, der auch schon ein paar Mal genannt wurde, ist sicherlich die vergleichende Verwaltungswissenschaft, ein zentraler Forschungsgegenstand von Herrn SiedentopJ Nicht zuletzt durch die europäische Einigung und die Entstehung eines europäischen Verwaltungsraums wird die vergleichende Verwaltungswissenschaft eine Renaissance erleben. Es handelt sich inzwischen nicht mehr nur um einen Dialog der verschiedenen Rechtsordnungen und Verwaltungskulturen, sondern um einen die Zukunft des europäischen Verwaltungsraums bestimmenden Wettbewerb der Verwaltungskulturen. Diese durch die vielfältigen Reformtrends hervorgerufene erhebliche Erweiterung des Erkenntnisgegenstandes der Verwaltungswissenschaft bedingt natürlich auch eine NeudefInition dessen, was Verwaltungswissenschaft in Zukunft sein wird. Die Methode der Verwaltungswissenschaft würde ich daher in Anlehnung an Herrn Schuppert in einem Wechsel der Perspektiven, aber auch in deren Zusammenspiel sehen. An einem Beispiel lässt sich dies verdeutlichen: Ein Wald etwa sieht mit den Augen des Försters ganz anders aus als mit den Augen des Pilzsammlers und wieder anders mit den Augen des Joggers. Es ist der gleiche Wald, aber je nach Perspektive eröffuet sich ein unterschiedlicher Zugang, der zu komplementären und ergänzenden, aber auch zu konträren Einsichten führen kann. Diese Spannung muss man aushalten und versuchen, auf einer neuen Stufe eine integrierende Sichtweise zu entwickeln. Gerade an diesen Schnittstellen entstehen Innovationen; der Dialog und die Begegnung der verschiedenen Ansätze, diese multiperspektivische, multidisziplinäre Sichtweise erweitert die Einsichten in den Gegenstand und wird die Zukunft der Verwaltungswissenschaft in starkem Maße bestimmen. Ein letzter Punkt: Wird im Zusammenhang mit Verwaltungswissenschaft von "Inter" gesprochen, dann ist neben dem Interdisziplinären, d. h. dem Zusam-
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menwirken verschiedener Disziplinen, auch das Intersektorale, die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis zu berücksichtigen. Mit Verwaltungswissenschaft befassen sich nicht nur dazu berufene oder anerkannte Wissenschaftler, gerade an der Hochschule lehren viele Verwaltungspraktiker, die gewissermaßen eine selbstreflektierte Praxis vortragen. Diese Selbstreflexion entsteht aber auch, wenn Wissenschaftler nicht nur empirische Untersuchungen durchfuhren, sondern eigene Handlungserfahrung in der Praxis sammeln. Dieser intersektorale Ansatz ist für die Zukunft der Verwaltungswissenschaften, jedenfalls hier in Speyer, ebenfalls von großer Bedeutung. Neben dem bereits angesprochenen Internationalen und dem Interkulturellen bietet Speyer zudem den Aspekt des Interföderalen. Bisher war vor allem das Besondere Verwaltungsrecht durch unterschiedliches Landesrecht gekennzeichnet. Mit Blick auf den Wettbewerbsföderalismus und auf Überlegungen, etwa das Recht des öffentlichen Dienstes bzw. die Besoldung je nach Land unterschiedlich zu gestalten, entwickeln sich aus diesem interföderalen Gefüge zusätzliche Impulse für die Verwaltungswissenschaft. Hinzu kommt ein interaktives Element: Erkenntnisgewinn, Wissensgewinn, Lernen, Erfahrungsaustausch werden sich in zunehmendem Maße interaktiv vollziehen. In mehreren von mir geleiteten Seminaren an der Hochschule wurde eine gemeinsame Lernplattform genutzt, die einen ständigen interaktiven Austausch ermöglichte. In eine ähnliche Richtung weist der Erfahrungsaustausch mit der Praxis im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen oder von Netzwerken einschließlich des Internet. Nicht zuletzt dieser interaktive Ansatz mit seinen unterschiedlichen Methoden - dem normativ-präskriptiven, nachaktivdeskriptiven, dem von Herrn Ridley gestern erwähnten Best-Practice- bzw. fallorientierten Ansatz oder auch ein aus Leitbildern und Modellen entwickelter imaginärer Ansatz - wird ein wichtiger Bestandteil der Verwaltungswissenschaft der Zukunft sein.
Schuppert: Ich möchte eine Bemerkung zum Atmosphärischen machen: Ich finde es nicht angemessen, in Speyer - dem Ort der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften - über die Disziplin der Verwaltungswissenschaft in diesem Ton der Kleinmütigkeit zu reden. Der hier vorgefllhrte Wettlauf der Disziplinen in Bescheidenheit hat mich doch überrascht. Herr Benz sagt, seine Disziplin habe außer Theoriedefiziten eigentlich nichts zu bieten. Herr Reichard in seiner persönlich bescheidenen Art fmdet es schon toll, überhaupt zu Worte zu kommen. Ich möchte da doch deutlich andere Akzente setzen. Ich fmde, wir haben es bei der aus verschiedenen disziplinären Quellen gespeisten Verwaltungswissenschaft mit einer ausgesprochen spannenden Disziplin zu tun, mit - wie Lorenz von Stein es formuliert hat - dem ewig jungen Teil der
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Staatswissenschaft, weil es die Ebene der Verwaltung ist, auf der der Staat sich abspielt: der moderne Staat als Verwaltungsstaat. Dieser Befund veranlasst mich zu zwei Bemerkungen: Erstens: der Gegenstand. Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum bezüglich unseres Gegenstandes - der öffentlichen Verwaltung - eine so große Skepsis besteht. Es ist gesagt worden, die Verwaltung verändere sich, sie franse aus und werde immer weniger bestimmbar. Natürlich verändert sie sich, natürlich franst sie aus: Das ist doch gerade das Spannende daran, wie sich Staat und Verwaltung verändern. Es geht doch gerade darum, zu untersuchen, was im Laufe der Veränderungsprozesse vom Staat lellinek'scher Prägung und der Weber'schen bürokratischen Verwaltung noch übrig bleibt, wie also Staatlichkeit sich wandelt, insbesondere im Prozess von Europäisierung und Internationalisierung. Nach meiner Einschätzung wird der Staat auch angesichts dieser Prozesse noch lange eine wichtige Rolle spielen, aber gerade die damit einhergehende Rollenveränderung gilt es doch zu untersuchen. Ähnliches gilt fiir die Verwaltung, die zunehmend im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung agiert und in Public Private Partnership-Beziehungen eingebunden ist: Angesichts dessen sind doch die Fragen spannend, was denn dies rechtlich, politikwissenschaftlich, soziologisch usw. eigentlich bedeutet. Ich fmde es geradezu einen der reizvollsten Ansatzpunkte der Verwaltungswissenschaft, über die Veränderung ihres Gegenstandes nachzudenken und den Bereich der öffentlichen Verwaltung neu zu vermessen. Den Gegenstand der öffentlichen Verwaltung durch den des öffentlichen Sektors zu ersetzen - wie Herr Wollmann es gerade vorgeschlagen hat -, bringt, glaube ich, wenig; denn wie wir alle wissen, passiert das Spannende gerade bei der Verschränkung und Überlappung von öffentlichem, privatem und drittem Sektor. Zweiter Punkt: zur Rolle des Rechts. Es kann doch gar nicht darum gehen, jetzt eine Disziplin auf Kosten der anderen stark zu machen, sondern darum, die einzelnen disziplinären Beiträge fruchtbar miteinander zu verbinden. Dem Recht kommt natürlich schon deswegen eine wichtige Rolle zu, weil nach der Vorstellung des Grundgesetzes die Verwaltung eine rechtlich gebundene und rechtlich gesteuerte Verwaltung ist. Das rechtliche Thema ließe sich also als Thema der Steuerung des Verwaltungshandelns durch rechtliche Vorgaben beschreiben. Nun kommt sofort Herr Grunow ins Spiel, der - wie ich fmde zu Recht - ebenbürtig danach fragt, ob denn diese rechtliche Steuerung in der Praxis wirklich funktioniert oder ob nicht das Verhalten von Finanzämtern z.B. etwa durch ganz andere Steuerungsfaktoren bestimmt wird. Dann erzählt uns Herr Engel etwas von Steuerung durch ein Gleichgewicht des Schreckens. Wenn wir das jetzt Revue passieren lassen, so haben wir es doch gleich mit einem wunderbaren interdisziplinären Verbundbegriff zu tun, nämlich dem der Steuerung, in dem sich die verschiedenen Disziplinen zusammenfmden können.
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Die Juristen reden über Steuerung durch rechtliche Vorgaben, die Ökonomen über Steuerung durch wirtschaftliche Anreize, die Politikwissenschaftler entdecken im Wege der Implementationsforschung Steuerungsversagen usw. Dann kommt es nur noch darauf an, die daraus folgenden Einsichten aufeinander zu beziehen, und zwar - wie Herr Hill das soeben gesagt hat - durch eine Vielfalt und den Wechsel der Perspektiven. Und damit, fmde ich, haben wir es mit einer spannenden, fortentwicklungsfähigen und modemen Wissenschaft zu tun. Gebauer: Genau diesen Ansatz möchte ich aus der Sicht eines theorieinteressierten Praktikers vertiefen. Ich möchte bewusst dazu aufrufen, den Mut nicht zu verlieren, über die Verwaltungswissenschaft nachzudenken, auch als Singularwissenschaft. Wir haben Ansätze gehört, vom Gegenstand her dieses zusammenzubinden, und Herr Schuppert hat einiges zur Steuerung ergänzt. Mit beidem bleiben Schwierigkeiten bei der Abgrenzung, zumal man sich allzu leicht mit dem Multidisziplinären begnügen kann. Die Suche nach der Singularwissenschaft ist meiner Ansicht nach möglich, wenn wir stärker bei dem anknüpfen, was Klaus König schon früh als Erkenntnisinteresse in die Diskussion gebracht hat. Wir können uns heute - fortgeschrieben - um drei besondere Erkenntnisinteressen bemühen auf dieser Suche nach Singularwissenschaft. Das erste, und das klang heute schon an, ist im Grunde das, was am Besten aufgearbeitet ist, das ist die Suche nach der Integrationsfunktion; dieses Proprium, diese spezielle Suche nach Integrationsansätzen ist durchaus einer eigenen wissenschaftlichen Untersuchung wert, bestärkt auch das Selbstbewusstsein als Wissenschaft. Das zweite, das mir am Herzen liegt, ist die Transferfunktion. Transferfunktion bedeutet, dass wir Wissenschaft und Praxis zusammenbringen auf dem Feld von Verwaltung und Regierung. Wenn wir darüber nachdenken, wie Beratungsfunktion wahrgenommen werden kann, wenn wir etwa Planspiele entwickeln, um wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen, dann ist das ein typisches Element einer Verwaltungswissenschaft im Singular. Lassen Sie mich an die Medizin erinnern. Die Medizin setzt sich zusammen aus Physik und Chemie und Psychologie und vielem anderen, aber sie ist eine eigene Wissenschaft geworden, eine Transferwissenschaft geworden, mit einem Erkenntnisinteresse auf die Gesundheit des Menschen hin. Sie lebt von ihrer Transferfunktion, aber sie hat keinen Zweifel mehr an ihrer eigenen Existenz als Wissenschaft.
Das Dritte, und das hat mich besonders bewegt in den letzten Wochen: Ich war im Auftrag unserer Deutschen Sektion bei einem Kongress des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften (lIAS) in Delhi. Dritter Ansatz darauf hin: Haben wir nicht eine zunehmende Bedeutung auch als Kernwissenschaft im Sinne von Orientierungshilfe? Wenn wir all diese Begriffe nehmen, wie Governance und die Suche nach Quality-Govemment und die Berichte etwa im Be-
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reich der Vereinten Nationen zur Rolle des Staates und der Verwaltung in einer sich wandelnden Welt, dann ist das fiir mich Suche nach Werten und nach Verständnis fiir die Aufgabe von Verwaltung und Regierung. Ich erinnere daran, dass wir schon in Athen eine Wandlung weg von diesem managerialen Ansatz hatten und Anlass, darüber nachzudenken, die Rule of Law wieder zu aktivieren, die Suche nach "values" (vgl. DÖV 2001, S. 862). Und wenn ich jetzt den Ansatz von Delhi sehe, sinngemäß also die Unterstützung bestimmter politischer Entwicklungen durch gute Verwaltungsfiihrung, und die Zuspitzung fiir den nächsten Kongress (vgl. Verwaltungswissenschaftliche Informationen, 2002, S. 53 f.), dann sind wir bei der Rolle von Staat und Verwaltung. Vielleicht bleibt es bei einem eher instrumentalen Verständnis von Verwaltungswissenschaft, vielleicht geht es aber auch wieder mehr in Richtung auf das, was früher einmal "gesamte Staatswissenschaften" hieß: durchaus im Sinne einer Orientierungsfunktion. Diese ganze Entwicklung bestärkt mich darin, doch hier zwei Sätze aus meinem Beitrag in der Festschrift fiir earl Böhret zu wiederholen: Der innere Kern der Verwaltungswissenschaften, im Sinne einer eigenständigen Verwaltungswissenschaft wird durch drei spezifische Zwecke und die darauf gerichtete Wahrheitssuche definiert: Die Suche nach dem bestmöglichen Zugang zu allem erreichbaren Wissen und seiner gezielten interdisziplinären Verknüpfung, die interdisziplinäre Integrationsfunktion. Zweitens: Die Suche nach der bestmöglichen Umsetzung des so gewonnenen Wissens in die Verwaltungspraxis, die Transferfunktion. Und drittens die Suche nach der bestmöglichen Erfiillung des spezifischen Verfassungsauftrages der öffentlichen Verwaltung, die Orientierungsfunktion. Im Kreise der multidisziplinären Verwaltungswissenschaften wird die Verwaltungswissenschaft als Singularwissenschaft ihren Zukunftsbeitrag leisten können als eine spezifisch integrations-, transfer- und verfassungs-(orientierungs-)bezogene Kernwissenschaft (Kerndisziplin) (vgl. Jann/König/Landjried/ Wordelmann [Hrsg.], Politik und Verwaltung auf dem Weg in die transindustrielle Gesellschaft, 1998, S. 575 ff., 588 f.). Und ich möchte gerade nach dem Erlebnis von Delhi diese dritte Funktion wieder in die Diskussion bringen. Jansen: Ich möchte noch einmal etwas zu der Frage Singular- oder Pluralwissenschaft sagen und da etwas Wasser in den Wein der Hoffnungen von Herrn Gebauer auf eine Professionalisierung der Verwaltungswissenschaft als Singularwissenschaft gießen. Ob es zu einer solchen Professionalisierung und einer Transferdisziplin wie bei der Medizin kommen kann, weiß ich nicht sicher. Was ich aber sicher weiß ist, dass wir im Moment nur bei einer Pluralwissenschaft starten können und es versuchen können. Die erste Einsicht, die man braucht, um eine fruchtbare Pluralwissenschaft erst eimnal auf die Beine zu stellen, ist, dass es meh-
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rere Koordinations-, Regellmgs-, Steuerungs-, Governance-Mechanismen gibt. Es geht darum einzusehen, dass das Recht nicht die einzige Form ist, mit der man regeln kann, und dieses vielleicht auch gar nicht immer die beste ist. Das Gleiche gilt natürlich für den Markt, und das Gleiche gilt natürlich auch für Organisationskulturen oder informale Organisation als ein sehr wichtiges Steuerungsund Regelungs- und Koordinationselement in allen Organisationen, und seien sie noch so rechtsstaatlich. Man muss begreifen, dass das nicht unbedingt ein Gegensatz sein muss. Man muss sozusagen die verschiedenen Beleuchtungen, die verschiedenen Scheinwerfer erst einmal als prinzipiell gleichrangig anerkennen. Die Idee von Kern- und Rand- oder von Hilfswissenschaft bringt auf jeden Fall die Pluralwissenschaft auseinander. Denn keine Wissenschaft kann sich auf die Rolle einer Hilfswissenschaft für eine andere beschränken. Das ist die allererste Einsicht, die wir brauchen, wenn wir zu einer Singularwissenschaft vielleicht einmal kommen wollen. Diese Einsicht brauchen wir auch, um überhaupt fruchtbar Verwaltungswissenschaften betreiben zu können und gleichzeitig diese Beleuchtungen anzuwenden. Denn wenn jeder nur seinen eigenen Scheinwerfer benutzt, dann produzieren wir immer nur ein unvollständiges Bild. Diese Einsicht sollen wir hier heute mitnehmen. Die Vervollständigung der unvollständigen Perspektiven ist erst einmal das Ziel der Pluralwissenschaft. Keine Disziplin kann Hilfswissenschaft sein, auch deshalb, weil, wie wir hier heute und gestern von mehreren Kollegen gehört haben, die Reputationsmechanismen in den Einzeldisziplinen im Moment auf jeden Fall die stärkeren sind. Und das heißt, von dieser Position aus müssen wir pfadabhängig, wie dann die Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler sagen, erst einmal starten. Wir müssen diese Anreizstrukturen und Anreizwirkungen ernst nehmen. Damit ist aber auch etwas verbunden, was ich grundsätzlich für positiv halte, nämlich dass es immer wieder die Rückkoppelung der Ergebnisse der Verwaltungsforschung in die allgemeine Soziologie, in die Organisationssoziologie, in die Evaluations- und Implementationsforschung usw. geben muss und wird. Das ist notwendig, weil nur aus dem Vergleich mit anderen Fällen die Theorieentwicklung kommt. Wenn man diesen Vergleich beschränkt, dann kommt man vielleicht zu einer etwas beschnittenen und provinziellen Verwaltungswissenschaft im Singular. Deshalb plädiere ich dafür, dass es bei den Verwaltungswissenschaften im Plural bleibt, aber eben keine Zuordnung von Rand und Kern, keine Zuordnung von Hilfswissenschaften, sondern gleichberechtigte Scheinwerfer, die erst einmal miteinander zusammenarbeiten müssen. Wenn das dann gelingt in fruchtbaren Forschungsprojekten, in fruchtbaren Graduiertenkollegs, wo wir unseren Nachwuchs dann ausbilden, der weniger Verständigungsprobleme hat als wir, dann ist vielleicht eine Chance gegeben, dass es zu einer solchen Professionalisierung kommen könnte.
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Banner: Ich wußte eigentlich nie so genau, was Verwaltungswissenschaft ist. Sollte das ein Problem sein, habe ich es verdrängt, vermutlich weil die Arbeit an einigen der zahlreichen LeistungsdefIzite des öffentlichen Sektors fiir mich Priorität hatte.
Wie erklärt sich der ätherische Defatismus, den ich in dieser Tagung verspüre? Warum gelingt es mir nicht, mir ein Tagungsthema "Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftswissenschaft" vorzustellen? Auch über die Wirtschaft denken doch viele nach, die sich nicht primär als Ökonomen defInieren: Sozialwissenschaftier, Mathematiker, Historiker, Entwicklungsexperten, Energieexperten, Psychologen. Könnte es sein, dass Ökonomieprofessoren weniger von Selbstzweifeln geplagt sind als ihre verwaltungswissenschaftlichen Kollegen, weil es so viele davon gibt und schon die Anzahl ihnen Unentbehrlichkeit signalisiert? Nicht unwahrscheinlich. Warum gibt es so viele Ökonomieprofessoren? Weil es ein sehr populäres Studium der Wirtschaftswissenschaft gibt und die vielen Studenten unterrichtet werden müssen. Und warum gibt es kein ebenso populäres und verbreitetes grundständiges Studium der Verwaltungswissenschaft? Doch nicht etwa, weil es im öffentlichen Sektor weniger Reformbedarf gibt als im Privatsektor, sondern weil die Weichen der Disziplinentwicklung bei uns im 19. Jahrhundert anders gestellt wurden. Wissenschaftliche Disziplinen werden zwar durch Forschungsfragestellungen konstituiert, aber anschließend durch staatliche oder gesellschaftliche Nachfrage konsolidiert oder auch nicht, und an dieser Nachfrage fehlt es bei uns, was den öffentlichen Sektor betrifft, bis heute. Das ist bedauerlich, wird sich aber kaum kurzfristig ändern. Aber ist das ein Grund zum Grübeln? Ist der öffentliche Sektor nicht überreich an Problemen, die unsere Präsenz und unser Engagement einfordern? Und entmutigen wir mit unseren Selbstzweifeln nicht die Kollegen benachbarter Disziplinen, auf deren Mittun wir angewiesen sind? Könnte es sein, dass die Debatte in Moll, die wir hier führen, eine deutsche oder germanische Marotte ist? Gibt es in den vielen Ländern, in denen die Verwaltungswissenschaftler ebenfalls vereinzelt sind, weil ein Studium der öffentlichen Verwaltung allenfalls in Ansätzen existiert, eine ähnliche Diskussion? In England ist das nach meinem Eindruck nicht der Fall. Ich hätte mir im Tagungsprogramm einen international vergleichenden Beitrag zum Thema "Verwaltungswissenschaften und Verwaltungs wissenschaft" gewünscht. In dessen Ermangelung richte ich meine Frage an das Podium. Schimanke: Auf den Tag genau vor 25 Jahren bin ich am Lehrstuhl König ausgeschieden, wo ich drei Jahre Assistent gewesen bin. Unter anderem ist Band 81 der Schrif-
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tenreihe der Akademie fiir Raumforschung und Landesplanung (Hannover) mit dem Titel "Räumliche Planungen im politisch-administrativen System der Länder" in dieser Zeit als gemeinsames Produkt entstanden. Ich möchte zunächst anknüpfen an die Diskussion, die wir damals hier in Speyer gefiihrt haben. Es ging um die Fragestellung, was den Gegenstand: "öffentliche Verwaltung" ausmacht und was das Spezifische der V erwaltungswissenschaft - im Konzert der anderen Wissenschaften, die sich ebenfalls mit Aspekten der öffentlichen Verwaltung befassen - denn sei. Heute erlaube ich mir, nicht zuletzt nach mehr als einem Dutzend Jahre in der Verwaltungspraxis, die Diskussion auf einen einfachen Begriff zu bringen: Die Verwaltung befasst sich mit Problemen, die zu lösen sind; die Wissenschaft hat Fragestellungen, die nach Ansätzen und Methoden der jeweiligen Wissenschaft entwickelt werden. Die Frage steht dann im Raum, ob die Probleme, die die öffentliche Verwaltung zu lösen hat, auch Fragestellungen der Wissenschaft sind oder wie sie zu solchen Fragestellungen werden können, um ggf. die Verwaltung zu beraten und das Verwaltungshandeln zu verbessern. Dabei geht es jedoch nicht darum, die Alltagsprobleme der öffentlichen Verwaltung zum Gegenstand von Wissenschaft zu machen und dafiir Lösungsmodelle anzubieten. Diese Probleme muss die Verwaltung selbst lösen und kann es im Zweifel auch besser; dafiir hat sie ihr Instrumentarium, das know-how und die erforderliche Routine. Sie ist bei kurzfristigen Entscheidungen insoweit unschlagbar. Aber es geht hier um weitergehende Fragestellungen, um Themen der strategischen Ausrichtung der Verwaltung (und von Politik) und von Zukunftsentwürfen. Für mich waren hierzu die Beiträge gestern eher ernüchternd, indem zwar seitens der W issenschaften analysiert, weniger empirisch denn theoretisch abgeleitet argumentiert und Zusammenhänge dargestellt werden, andererseits daraus wenig Empfehlungen oder Handlungsorientierungen fiir die Verwaltung entwickelt oder gewagt werden können. Herr Hoffmann-Riem hat es in seinem Diskussionsbeitrag sehr pointiert fiir die Rechtswissenschaft ausgedrückt, indem diese noch nicht einmal in der Lage sei, methodisch sauber herzuleiten, wie ein Sachverhalt oder ein Tatbestand - zentrale Kategorien der juristischen Entscheidungslehre - herzuleiten seien. Da helfen Erfahrungen aus der eigenen Referendarausbildung auch nur insoweit weiter, als sie dieses Dilemma eben nur auf den - tautologischen Begriff bringen: In den Sachverhalt gehöre, so der Landgerichtsdirektor, das hinein, was rechtlich relevant sei! In der Referendarstation in Speyer wird das dann allerdings kritisch reflektiert. Die Ungleichzeitigkeit von Verwaltungspraxis und Wissenschaft fiihrt nicht selten dazu, dass die Wissenschaft ein Stück hinterher hinkt - bzw. angemessener ausgedrückt - sich auf ex-post-Analysen konzentriert. Ich will an dieser Stelle nicht den Sonderfall der deutschen Einheit erneut bemühen, der weitgehend ohne Vorbereitung und Begleitung durch die Wissenschaften stattgefunden hat. Die ,,Kommission fiir die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in
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den neuen Bundesländern (KSPW)" hat zwar dieses DefIzit deutlich abgebaut, aber war in ihren Fragestellungen eben weitgehend ex-post, stark empirisch und im Ausnahmefall begleitend zum realen Entscheidungsprozeß angelegt. Symptomatisch erscheint mir ein anderes Beispiel aus der aktuellen Beratung zur Gesundheitsreform. Bei einer hochkarätigen Tagung zu rechtlichen Problemen der Gesundheitsreform stand im Mittelpunkt, welche Grenzen das Verfassungsrecht oder das Europarecht setzen würden. Die, die in der politischen oder verwaltungsmäßigen Gestaltungs- und Handlungsverantwortung standen, brachten ihre Erwartungen nach Lösungsvorschlägen zum Ausdruck, was kühl dahingehend beschieden wurde, dies sei nicht Aufgabe der (Rechts-) Wissenschaft. Vielmehr solle das Fachministerium einen Entwurf vorlegen, der dann darauf überprüft würde, inwieweit er rechtlich problematisch sei. Besser kann die Spannungslage zwischen einer nach Unterstützung suchenden Verwaltung und der Selbstbescheidung der Wissenschaft nicht zum Ausdruck gebracht werden. Ein weiteres Beispiel aus der Sozialgesetzgebung soll die Ambivalenz von Politik und Verwaltung einerseits und den Wissenschaften andererseits exemplarisch beleuchten. Es geht um das Pflegequalitätssicherungsgesetz aus dem Jahr 2001. Ausgangspunkt ist die "fünfte Säule" der sozialen Sicherung, das politisch mühsam errungene Gesetz von 1994, das die Pflegeversicherung geschaffen hat. Es ist ein Leistungsgesetz, d. h. es regelt Sach- und Geldleistungen nach dem festgestellten Status der Pflegebedürftigkeit. Den einzelnen Pflegestufen (Stufen 1 bis 3), deren Vorliegen vom Medizinischen Dienst der Kassen festgestellt werden, werden vermutete notwendige Leistungen zugeordnet und gewährt (ausgestaltet als Rechtsanspruch). Diese Leistungen sind wie die meisten Leistungen im System der sozialen Sicherung input-orientiert, d. h. die Wirkungen der Leistungen der Pflegeversicherung sind allenfalls punktuell Orientierungsmaßstab. Eine stärkere Orientierung an den Ergebnissen der Evaluationsund Implementierungsstudien zu sozialpolitischen Programmen wäre angezeigt gewesen, hatte jedoch weder in der ministeriellen Ausarbeitung noch im Vermittlungsausschuss Platz. Damit waren aber auch zugleich die Konflikte bei der Anwendung des Gesetzes in den Folgejahren mit eingebaut. Die Zerlegung des Bedarfs in zeitlich und inhaltlich genau defInierte Verrichtungen, die Deckelung der Beträge der Pflegeversicherung und die Leistung unabhängig vom Einkommen waren und sind wesentliche Kritikpunkte aus der Umsetzung des Gesetzes. Vor allem die qualitätsorientierte Auswahl der Leistungserbringer (ambulant wie stationär) bereitet nach wie vor Schwierigkeiten. Deshalb soll mit dem Pflegequalitätssicherungsgesetz aus dem Jahr 2001 - wie sein schöner Name es ausdrückt - stärker diese Dimension, d. h. die Sicherung der Qualität beim und durch den Leistungserbringer, betont und zumindest indirekt auf die outputSeite gewechselt werden. Ob dies allerdings mit einem dichten Netz von Gesetzesnormen erreicht werden kann, wurde von Länderseite im Entstehungsprozess des Gesetzes bezweifelt. Die systemimmanente Fortsetzung durch eine entspre-
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chende Prüfverordnung wurde im Bundesratsplenwn gestoppt, was durch die Stimmverteilung nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt möglich war. Damit war das Realexperiment einer stärker output-orientierten - wenn auch suboptimalen - Qualitätssteuerung aus machtpolitischen Gesichtspunkten zunächst unterbrochen (obwohl das Gesetz zum 1.1.2004 von den Träger nach wie vor Qualitätsnachweise verlangt). Nicht nur der Entscheidungsprozeß zu stärkerer output- und Wirkungsorientierung muss weiter gehen, sondern es ist auch ein lohnendes Feld fiir wissenschaftliche Analysen. Ein kurzer Epilog sei mir in Anknüpfung an Herr Banner noch gestattet. Wesentlich erscheint auch mir fiir die Weiterentwicklung der Verwaltung, wie wir das Personal ausbilden und rekrutieren. Im Kern geht es darum, welche Kompetenzen in der öffentlichen Verwaltung gebraucht werden. Bereits fiir die Gesetzgebung brauchen wir nicht den in den Techniken der Rechtsanwendung geschulten Juristen oder Beamten des gehobenen Dienstes. Ich habe hier gute Erfahrungen mit Absolventen eines verwaltungswissenschaftlichen Studiwns gemacht, weil diese sowohl in der Analyse des Regelungsfeldes als auch in der Gestaltung des Entscheidungsprozesses (Bundesratsverfahren) wesentlich professioneller zu handeln in der Lage sind als andere, d. h. sie beherrschen u. a. auch die Dimension der Macht- und Konfliktprozesse sowie die DefInition der eigenen Funktion und Rolle.
Jann: Ich möchte kurz zu vier Punkten Stellung nehmen: Erstens halte ich die Suche nach der Kern- oder Hilfswissenschaft fiir fruchtlos. Der zweite Punkt ist: ,,mehr Selbstbewusstsein". Zwn dritten muss ich leider meinen verehrten Lehrern, Herrn Böhret und Herrn Wol/mann, zurufen: Früher war nicht alles besser. Das verklärt ihr! Und das vierte ist: Es kann noch besser werden. Zunächst zum Thema: Kern- und Hilfswissenschaft. Selbstverständlich kann man in Deutschland Verwaltung nicht ohne Recht verstehen. Aber wir reden doch nicht über eine deutsche Verwaltungswissenschaft, sondern wir reden über Verwaltungswissenschaft generell und international. Es gibt eben ganz andere Kulturen, die gehen ganz anders an Verwaltung heran. Recht ist in Deutschland unverzichtbar, aber es ist nicht der Kern. Deswegen würde ich sagen: Alle klassischen Disziplinen sind Hilfswissenschaften. Wir brauchen jede, und es hilft überhaupt nicht zu sagen, die eine ist besser als die andere. Sie haben unterschiedliche Interessen. Wir sind durch unsere Ausbildungen geprägt. Zwn zweiten Punkt: "mehr Selbstbewusstsein". Wir müssen ja nicht nur aus der Verwaltungswissenschaft neidisch auf die etablierten Disziplinen hinübersehen. Man könnte auch einmal wngekehrt von den anderen Disziplinen zu uns hereinschauen. Hierfiir darf ich noch einmal die Politikwissenschaft nennen. Diese Umfrage, die Herr Böhret zitiert hat, ist vor 5 bis 6 Jahren wiederholt worden
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und die Politologen haben, als sie gefragt worden sind, "Was sind Eure wichtigsten Forschungsgebiete?", auf Platz 1 die vergleichende Lehre und auf Platz 2 die Verwaltungs- und Politikfeldforschung gesetzt. Wenn die Politologen unseren ureigensten Bereich als den zweitwichtigsten ihrer Forschungsbereiche ansetzen, dann müssen wir doch nicht an Selbstbewusstsein kranken. Der Unterschied ist, dass die Politikwissenschaft sich sehr stark als Steuerungswissenschaft zwischen Organisationen betrachtet hat. Hingegen gehört aus meiner Sicht zur Verwaltungswissenschaft der Blick in Organisationen hinein unverzichtbar dazu. Hierzu hat die Politikwissenschaft, haben auch andere Wissenschaften nicht viel beigetragen. Wenn die Govemance-Orientierung sich nur fiir die Beziehungen zwischen Organisationen interessiert, dann ist das nicht ursprüngliche Verwaltungswissenschaft. Aber da bin ich ganz optimistisch. Drittens: Früher war alles besser. Das stimmt wirklich nicht. Wir wissen inzwischen viel mehr über die öffentliche Verwaltung und diese Erkenntnisse sind auch ohne Zweifel in die Praxis eingegangen. Als Beispiele seien nur die Stichworte ,,Politikverflechtung" oder "Steuerungsinstrumente" oder aus meinem Bereich ,,Anreizsteuerung" genannt. Das ist in der Regel jetzt in der Verwaltung common sense und ist doch von der Verwaltungs wissenschaft hineingebracht worden. Letzter Punkt: Es kann natürlich besser werden. Es kommt darauf an, dass wir Institutionen haben, wo Verwaltungswissenschaft gepflegt wird. Schon Morstein-Marx hat früher einmal gesagt hat: Wir brauchen in Deutschland ein, zwei, mehrere Speyer. Inzwischen haben wir Konstanz und jetzt Potsdam. Wir können sicherlich noch ein paar mehr Standorte gebrauchen. Zeitschriften haben wir schon, Bücher ohnehin. Für die Etablierung des Fachs kommt es entscheidend auf Lehre an, und hier bin ich ganz optimistisch. Die kommende BAIMA-Unterscheidung ist eine große Chance, kann dann nämlich zum einen versucht werden, grundständig, als BA, Verwaltungswissenschaft als Organisationswissenschaft zu etablieren. Vor allen Dingen aber brauchen wir zum anderen einen als weiterführenden MA. Laubinger: Ich bin aus zwei Gründen nach Speyer bekommen: Zum einen, um Herrn König meine Reverenz zu erweisen, zum andem, um zu erfahren, was ich in den letzten 20 Jahren eigentlich getrieben habe, als ich in Mainz einen Lehrstuhl fiir "Öffentliches Recht und Verwaltungslehre" innehatte und jährlich einmal eine Vorlesung "Verwaltungslehre" gehalten habe. Ich muss gestehen, dass ich immer unsicher war, was Gegenstand der Verwaltungslehre ist, was dazu gehört, welcher Methoden sie sich bedient. Wenn ich die Vorlesung hielt, wurde ich von der Furcht geplagt, plötzlich könne die Tür aufgehen, Herr König erscheinen und mich fragen, was ich da eigentlich treibe. 10 Ziekow
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Schon in meinem ersten Semester in Mainz habe ich festgestellt, wie groß die Unsicherheit bezüglich der Verwaltungs lehre ist, und dass man mit ihr Furcht und Schrecken verbreiten kann: Meine Vorlesung fand im Auditorium Maximum statt, und dieses war zu meiner Verblüffung gerammelt voll- jedoch nicht sehr lange. Als ich damit begann zu erklären, was ich unter "Verwaltungslehre" verstünde, erhoben sich die ersten Zuhörer von ihren Plätzen und gingen. Je mehr ich sprach, um so breiter wurde der Strom derjenigen, die den Hörsaal verließen. In der Pause fragte ich nach dem Grund fiir den Exodus und bekam zur Antwort, man habe sich unter Verwaltungslehre etwas ganz anderes vorgestellt, nämlich eine knappe Zusammenfassung der Lehren des Allgemeinen Verwaltungsrechts, eine Art Repetitorium des Verwaltungsrechts. Ich musste die Zuhörer enttäuschen, denn ich verstand und verstehe unter Verwaltungslehre etwas anderes, wie ich sogleich noch umreißen werde. Ein zweites Schlüsselerlebnis aus meiner Anfangszeit in Mainz: Das Dekanat fragte bei mir an, ob meine Lehrstuhlbezeichnung "Öffentliches Recht und Verwaltungslehre" oder "Öffentliches Recht einschließlich Verwaltungslehre" lauten solle. Ich antwortete, es müsse heißen "Öffentliches Recht und Verwaltungslehre", denn nach meinem Wissenschaftsverständnis sei die Verwaltungslehre keine juristische Disziplin. Was aber ist unter "Verwaltungslehre" oder "Verwaltungswissenschaft" zu verstehen? Nach herkömmlicher Auffassung wird eine Wissenschaft durch ihren Gegenstand, ihre Erkenntnisinteressen und ihre Methoden definiert. Damit stellt sich die Frage, welches der Gegenstand der Verwaltungswissenschaft ist. Es wurde hier mehrfach gesagt, Gegenstand der Verwaltungswissenschaft sei "die Verwaltung". Ich halte das fiir unzutreffend. Die verschiedenen Wissenschaften, die zu den Verwaltungs wissenschaften gezählt werden, beschäftigen sich nicht mit "der Verwaltung", sondem mit sehr unterschiedlichen Aspekten von Verwaltung: Der Verwaltungsrechtler befasst sich nicht mit "der Verwaltung", sondern mit dem Verwaltungsrecht - ebenso wie der Zivilrechtler sich nicht mit dem Kauf und der Miete, sondern mit dem Kaufrecht und dem Mietrecht und der Strafrechtler sich nicht mit dem Verbrechen und dem Verbrecher, sondern mit den Normen des Strafrechts beschäftigt. Gegenstand der Verwaltungsökonomie ist ebenfalls nicht "die Verwaltung", sondern der wirtschaftliche Umgang mit den Ressourcen der VerwaltUng, und Gegenstand der Verwaltungspsychologie ist wiederum nicht "die Verwaltung", sondern das Verhalten von Menschen in der Verwaltung. Die Verwaltung als solche kann nicht Gegenstand einer Wissenschaft im herkömmlichen Sinne sein. Deshalb gibt es nicht "die Verwaltungswissenschaft" oder "die Verwaltungslehre", sondern es gibt mehrere Wissenschaften, die sich mit bestimmten Aspekten von Verwaltung befassen und als "Verwaltungswissenschaften" bezeichnet werden können.
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Das ist kein Grund, zu resignieren und die Hände in den Schoß zu legen. Es kann zwar nicht gelingen, die verschiedenen Verwaltungswissenschaften zu einer Verwaltungs wissenschaft zu verschmelzen, aber es ist möglich und sollte angestrebt werden, die Erkenntnisse der verschiedenen Disziplinen zusammenzuführen und über die Fachgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Noch ein Allerletztes: Man darf wissenschaftliche Disziplinen einerseits und Fächer, die im akademischen Unterricht "lehrbar" sind, andererseits nicht mit einander verwechseln. An den Universitäten werden heute Hunderte von Fächern gelehrt; die wenigsten von ihnen sind zugleich eigenständige wissenschaftliche Disziplinen im überkommenen Sinne, sondern sie beziehen ihre Erkenntnisse zumeist aus mehreren Wissenschaften. So verhält es sich nach meinem Verständnis auch mit der Verwaltungslehre als Gegenstand akademischen Unterrichts.
Schuppert: Nur einen einzigen Satz zur Lehrstuhlbezeichnung: Man kann, Herr Laubinger, die unter Juristen übliche Kombination "Öffentliches Recht und Verwaltungslehre" auch zugunsten der Verwaltungswissenschaft umdrehen. Mein Lehrstuhl heißt inzwischen mit Billigung der gesamten Fakultät "Lehrstuhl für Staatsund Verwaltungs wissenschaft, insbesondere Staats- und Verwaltungsrecht". Wol/mann: Ich möchte einen von Werner Jann gesetzten Punkt unterstreichen. Ich habe in meinem Statement ja auch angesprochen, was man eine "Veralltäglichung" sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse nennen kann, die in die Politik- und Verwaltungspraxis längst eingesickert sind und deren sozial wissenschaftliche Herkunft gar nicht mehr identifIziert wird. In ihrer Studie zur Verwendung sozialwissenschaftlich generierten Wissens in der politischen, administrativen und gesellschaftlichen Praxis haben Ulrich Beck und Wolfgang Bonß davon gesprochen, dass dieses Wissen und der damit einhergehende sozialwissenschaftliche Jargon in der Praxis sozusagen "verschwinden", weil diese sie anwendet und gebraucht, ohne sich deren sozial-, politik- und verwaltungswissenschaftlicher Ursprünge noch bewusst zu sein. Beispiele hierfür könnten in der Tat die "Politikverflechtung" von Fritz Scharpj oder auch die "vertikale Ressortkumpanei" von Frido Wagener sein. Kurz unterstreichen möchte ich auch, was Frau Jansen - mit Blick auf die Interdisziplinarität - zur Notwendigkeit gesagt hat, der Politik-, Verwaltungs- und Institutionengeschichte die gebotene Aufmerksamkeit zu widmen. In der sozialwissenschaftlichen Diskussion ist das Konzept und Bild von der ,'pfadabhängigkeit" (path dependency) als Hinweis auf die Prägekraft von geschichtlichen
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Traditionen und "Erbschaften" inzwischen ein dominierender Topos geworden. Dazu steht aber im Widerspruch, dass die aktuelle Verwaltungsreformdiskussion auf weite Strecken von einer auffälligen "Vergesslichkeit" in Bezug auf frühere Refonnkonzepte und -erfahrungen gekennzeichnet ist. In ihrer brillanten international vergleichenden Studie haben auch Christopher Pollitt und Geert Bouckaert diese Beobachtung festgehalten und sprechen von einem verwaltungswissenschaftlichen und -politischen "Erinnerungsverlust" ("memory lost"). Dabei sind (dies sei kritisch zu dem von Werner Jann Gesagten bemerkt) wir älteren Herren der politik- und verwaltungswissenschaftlichen Zunft keineswegs so naiv (oder gar ignorant) zu meinen, "es sei alles schon einmal da gewesen", "deja vu". Aber auffallend (und kritikwürdig) ist doch, wie "erinnerungs- und geschichtslos" vielfach in der jüngsten Modernisierungsdebatte argumentiert wird. Dies dürfte mehrere Gründe haben, sei es, dass es Fachvertreter anderer Disziplinen (mit Verlaub) nicht besser wissen, sei es, dass in modernisierungspolitisch, wenn nicht missionarisch strategischer Absicht der Neuigkeitswert der Modernisierungsbotschaft und -lehre überzeichnet wird, sei es, dass Modernisierungskonzepte und -rezepte interessenbedingt (um Vermarktungschancen zu erschließen und zu sichern) als international letzter Schrei angepriesen werden. Diese gegenwärtig verbreitet beobachtbare ahistorische ("memory lost") Orientierung in der Reformdebatte kann erhebliche Nachteile und Kosten haben. Zum einen werden die Möglichkeit und die Chance verfehlt, breitere strategische Refonnkoalitionen zu bilden, die bewusst darauf angelegt wären, möglichst viele wissenschaftlichen Disziplinen ("interdisziplinär"), Verwaltungssektoren ("intersektoral"), Reformphasen ("inter-temporal") und Reformgenerationen ("inter-generational") zu umfassen. Zum andern könnte ein solcher (insbesondere auch "inter-temporaler") strategischer Ansatz die Modernisierungsdiskuss ion vor der Atemlosigkeit und Kurzlebigkeit der Refonnkonzepte und Konzeptrnoden bewahren, die ihr derzeit eigentümlich sind. Gegenwärtig ist zu beobachten, dass - kaum ist ein neues Modernisierungskonzept propagiert (und macht sich erster Ernüchterung breit) - bereits ein "Nachfolge"-Konzept "auf den Markt" kommt und, wie derb-umgangsprachlich gesagt wird, "eine neue Sau dmchs Dorf getrieben" wird. Der reformstrategische Schaden solcher reformpolitischer Atemlosigkeit und Schnelligkeit - mit immer kürzeren Halbwertzeiten und Verfallsdaten der Konzepte und Rezepte - liegt auf der Hand. Insbesondere bei den Verwaltungs angehörigen, die ja die Hauptakteure im Verwaltungsreformprozess sind, werden Frustration, Unverständnis und Reformunwilligkeit hervorgerufen. Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch die Gelegenheit wahrnehmen, eine persönliche Bemerkung und Huldigung an Klaus König richten - als einer, der wie er, ein Grenzgänger zwischen den Disziplinen ist. Für mich verkörpert Klaus König diese Interdisziplinarität in einer ungewöhnlichen Weise. Vermöge dieser
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hat er über die Jahre zahlreiche Anregungen fiir meine Arbeiten und die Arbeiten vieler anderer gegeben. Dies fmg mit seinem stupenden Opus "Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft" aus dem Jahr 1970 an und reicht bis in die jüngste Zeit, wie seine deutsch- wie englisch- und anderssprachigen Bücher und Aufsätze in eindrucksvoller Breite und Fülle dokumentieren. Ob man sein Schaffen nun als multi-, trans-, meta- oder gar mega-disziplinär bezeichnet soll, kann offen bleiben. Sicher ist mir dies: Y ou are the greatest. Brohm: Ich habe kein Problem, wenn Herr Wol/mann vorhin erwähnte, fiir eine von ihm durchgeführte empirische Untersuchung sei das Öffentliche Recht eine ,,Hilfswissenschaft" gewesen, weil es die Themenstellung vorgegeben habe. Also "kleirunütig", wie mir vorhin unterstellt wurde, bin ich wirklich nicht; fiir mich bedeutet Interdisziplinarität, dass eine Wissenschaft "der Hilfe" einer anderen bedarf; darin kommt keine generelle Rangordnung der Wissenschaften zum Ausdruck. Ich habe auch keine Probleme, wenn die Politikwissenschaft etwa auf Grund empirischer Untersuchungen feststellt, dass bestimmte Verwaltungspraktiken nicht das Gesetz vollziehen oder nicht der Rechtslage entsprechen. Auch wenn sie die Forderung aufstellt, Änderungen etwa in einem Verfahren der staatlichen Willensbildung vorzunehmen, habe ich vom Gegenstand her noch keine Einwände; gleiches gilt fiir Reformvorschläge der Ökonomie, etwa bestimmte Verfahren "wirtschaftlicher" zu gestalten; aber in solchen Fällen kann sich das Recht unter Umständen als Bremse erweisen, weil eine vielleicht unter politologischen oder ökonomischen Gesichtspunkten zu beanstandende Verfahrensweise aus rechtsstaatlichen Gründen notwendig ist. Also: Freiheit fiir alle möglichen Vorschläge, aber Grenzen aus dem Gesetz oder gar aus der Verfassung. Hier hat dann - ob Sie mir Recht geben oder nicht - der Jurist das letzte Wort. Insofern ist die Rechtswissenschaft ganz bestimmt mindestens gleichrangig mit den anderen Wissenschaftsdisziplinen, wenn nicht sogar "vorrangig". Damit komme ich m. E. ziemlich auf das hinaus, was Frau Jansen vorhin sagte: Wir können schon angesichts der Stofffiille, aber auch wegen der unterschiedlichen Ansätze und Methoden, die verschiedenen Disziplinen nicht in einer "Verwaltungswissenschaft" vereinen, sondern müssen deren unterschiedliche Funktionen mit ihren speziellen Fragestellungen und Methoden anerkennen. Für die "Lehre", also die Ausbildung der zukünftigen Verwaltungsbediensteten, wird die Summe der Erkenntnisse der einschlägigen Wissenschaften, aber vordringlich das Recht mit seinen Vorgaben im Vordergrund stehen. Wenn wir in der Forschung vor einem konkreten Problem stehen, sind alle einschlägigen Wissenschaften - jeweils als ,,Hilfswissenschaft" fiir die andere - gleichrangig zu befragen. Das ist - je nachdem - aber nur eine personelle Frage, nämlich der Ausbildung, des wissenschaftlichen Interesses und des Wissensstandes der jeweiligen Teilnehmer.
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Grunow:
Nochmal kurz zu den Integrationstendenzen, die wir hier diskutiert haben: Es geht weniger um Pessimismus oder Optimismus, sondern um die Frage, wie man die Integration fördern kann. Man sollte m. E. damit anfangen, dass man die eigenen Grenzen erkennt und sieht, wo bestimmte Fragen nicht mehr lösbar sind, ohne dass man andere Perspektiven, ganz andere Scheinwerfer mit ins Spiel bringt. Es wäre eine wichtige Sache, nicht zu sagen, was andere (nicht) können, sondern erst einmal zu sagen, was man selbst mit dem eigenen Ansatz nicht mehr erfassen kann. Kann man diese Integrationsleistung dann auf dem Hintergrund der Interdisziplinarität organisieren? Ich glaube nicht. So drängen auch die Politikfelder eher in unterschiedliche Richtungen, d. h. wir haben eine große DiversifIkation. Was hier bisher unzureichend behandelt wurde, ist dabei die Tatsache, dass wir auch innerhalb der einzelnen Disziplinen unterschiedliche Perspektiven haben, sowohl im Theoretischen wie auch im Methodischen. Das fUhrt zu der Frage der Integrationsmöglichkeit; man sollte in diesem Zusammenhang das Konzept der Transdisziplinarität noch einmal besonders hervorheben - schon deshalb wichtig, weil Herr König ein sehr gutes Beispiel dafür bietet, wie man Transdisziplinarität organisieren kann. Herr Mittelstrass sagt ja sehr explizit erst einmal: Man braucht eine disziplinäre Basis im Sinne der Kompetenz, die man mitbringt in dieses Unternehmen, aber dann muss man disziplinunabhängige Fragen formulieren. Ob das dann gerade der Steuerungsbegriff sein soll, da war ich eher skeptisch - aber Herr Schimanke hat beispielsweise das Thema Qualitätssicherung angesprochen, was ein sehr generelles Problem ist. Wie kann man an dieses Problem herankommen? Dies kann und soll man wirklich disziplinunabhängig formulieren, wo man eine gemeinsame Strategie braucht, um mit dieser gesellschaftlich wichtigen Frage umzugehen. Eine Integrationsstrategie sollte in Zukunft stärker darin bestehen, die gemeinsamen Themen zu identifIzieren, die gesellschaftlich von Bedeutung sind und wofür wir eine Bringschuld gegenüber der Gesellschaft haben. Damit wäre zugleich die Chance verbunden, den bisher sehr kleinen Raum, den uns die Praxis ,,zum Tanzen lässt" (Offe), deutlich zu verbreitern, denn die Begrenztheit des Raumes ist auch den je spezifIschen disziplinären Engführungen geschuldet. Wenn wir diese überwinden, dann werden sich auch die Incentives verbessern lassen, die für eine transdisziplinäre Arbeit erforderlich sind, was z. B. die Institutionalisierung angeht. die Stellenstrukturen, und möglicherweise auch die Ausbildungsgänge.
Bull:
Ich hatte anfangs die Hoffnung ausgedrückt, es würde bunt werden, und ich denke, es ist bunt geworden. Ein Ergebnis kann man nur insofern feststellen, als wir agree to disagree. Wir sind uns uneinig darüber, ob es gegenwärtig eine in-
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tegrierte Verwaltungswissenschaft schon gibt oder in der Zukunft geben wird oder ob es bei dem Plural bleiben muss. Wir sind hier eine "Gemeinde", um an Herrn Gebauer anzuknüpfen, von lauter Grenzgängern. Immer wieder ist das hervorgehoben worden. Jedenfalls folgt aus dem Tatbestand der Nichtübereinstimmung, dass es Freiräume gibt, Freiräume fiir Lehrstuhlwidmungen allemal, fiir Berufungspolitik und natürlich vor allem fiir Forschung und fiir Praxis. Und damit können wir eigentlich trotz einiger weniger erfreulicher Feststellungen, was die Integration angeht, ganz zufrieden sein und können uns der weiteren Arbeit widmen.
Schlussworte: Theorien öffentlicher Verwaltung Von Klaus König
I. Zur Bewertung des verwaltungswissenschaftlichen Pluralismus Wenn zum Schluss von "Theorien der öffentlichen Verwaltung" die Rede ist, dann wird das Theoretische in einem weiten Sinne verstanden. Es geht um das wissenschaftliche Lehrgebäude, seine Grundlagen, Ordnungsgefiige, Prinzipien, Begriffsapparate, vielleicht Gesetzesaussagen zur öffentlichen Verwaltung. Die von diesem Erfahrungsgegenstand distanzierte, systematische Reflexion schließt empirische Aussagen wie Prognosen, Rationalmodelle wie normative Theorien, selbst Schulbildungen und intellektuelle Grundströmungen mit ein. Anders ist der Spannungslage von Verwaltungswissenschaften und Verwaltungswissenschaft nicht beizukommen. Mit diesem Wissenschaftspluralismus verbindet sich ein Relativismus des Bewertens. Solange der Geist nicht durch die Gentechnologie naturalisiert ist, bleiben die Wertrnaßstäbe bei der Suche nach Erkenntnis relevant. Die Stunde der Emeritierung erlaubt mir, Aussagen über die Wertgrundlagen meines Schlussvortrages auf biographische Vorbemerkungen zu verkürzen. Vier Hintergründe sind zu nennen: Ich bin erstens in der alten rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät aufgewachsen. Zweitens sind viele Jahre meines akademischen Lebens durch die Konfrontation mit dem Marxismus-Leninismus und dann dessen Folgen geprägt. Ich habe drittens die Herausforderung durch das Studienfach "Public Administration" in den Vereinigten Staaten von Amerika dort und andernorts angenommen. Viertens habe ich durch die Verwaltungszusammenarbeit in der Dritten Welt fremde Kulturen gegenstands spezifisch erfahren. Als ich 1954 mein rechtswissenschaftliches Studium in Münster aufnahm, wurde eine meiner ersten Einfiihrungsvorlesungen von Hans Ju/ius Wolff - dem Begründer eines klassischen Verwaltungsrechtslehrbuches 1 - gehalten. Später 1 Hans Julius Wolff, Verwaltungsrecht: ein Studienbuch, 1. Aufl., München u.a. 1956.
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verstand ich, welches bemerkenswerte Stück der Begriffsjurisprudenz gelehrt worden war. Im folgenden Semester hörte ich in München Karl Engisch. Mit seinem ,juristischen Denken,,2 öffnete sich dem Studenten nicht nur die Hauptströmung rechtswissenschaftlicher Methodologie. Auch die Verbindung zur allgemeinen Hermeneutik wurde hergestellt. 3 Meine staatswissenschaftlichen Studien absolvierte ich überwiegend an den traditionellen rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultäten in Graz und in Wien. Studiert wurden vor allem wirtschaftliche Staatswissenschaften, Nationalökonomie und Finanzwissenschaft, schon im neuen Gewande die Betriebswirtschaftslehre, noch in alten Kleidern die Staatslehre, dazu Soziologie und Statistik. Meine staatswissenschaftlichen Prüfungen beendete ich bei Anton Tautseher, einem hervorragenden Kenner der Lehrgeschichte der Nationalökonomie, der wirtschaftlichen Staatswissenschaften, der Kameralistik, zu der er in Anspruch nahm, über Hundert ihrer Werke gelesen zu haben. 4 Zumindest für ambitionierte Studenten wurde das Examen daher zu einer Herausforderung. Nach Speyer kam ich zum ersten Mal im Sommersemester 1961 als Referendar. Die Hochschule für Verwaltungswissenschaften war wie immer stark im Verwaltungsrecht. Die Verwaltungswissenschaft lehrte Erich Becker in der Tradition der Verwaltungslehre, vor allem deskriptiv und dann mit verwaltungspolitischen Einzügen. S Eines meiner tiefsten Bildungserlebnisse war indessen das sozialanthropologische Seminar von Amold GehIen. 6 Seitdem bin ich Institutionalist. 1965 kam ich als Forschungsreferent nach Speyer zurück, um ein von CarlHermann Ule initiiertes Vorhaben zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Auslandes zu bearbeiten. 7 Die Lage der Verwaltungswissenschaft hatte sich inzwischen insoweit grundlegend verändert, als ein neu geschaffener Lehrstuhl "Vergleichende Verwaltungswissenschaft" mit einem hoch angesehenen Wissenschaftler und Verwaltungspraktiker aus den Vereinigten Staaten besetzt worden war. Fritz Morstein Marx verdanke ich drei wichtige Anregungen: die
Karl Engisch, Einführung in das juristische Denken, 1. Aufl., Stuttgart 1956. Hans-Georg Gadamer, Wahrheit und Methode: Grundzüge einer philosophischen Henneneutik, 1. Aufl., Tübingen 1960. 4 Vgl. An/on Tau/scher, Staatswirtschaftslehre des Kameralismus, Bem 1947; ders., Geschichte der Volkswirtschaftslehre, Wien 1950. 5 Erich Becker, Stand und Aufgaben der Verwaltungswissenschaft, in: Erich Becker u.a., Festschrift für Friedrich Giese: zum 70. Geburtstag, 17. August 1952, Frankfurt a. M. 1953, S. 9 ff. 6 Amold Gehlen, Unnensch und Spätkultur: Philosophische Ergebnisse und Aussagen, 2., neubearb. Aufl., Frankfurt a.M./Bonn 1964. 7 Carl-Hermann UleiFranz BeckerlKlaus König (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslands, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 31, Berlin 1967. 2
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vertiefte Auseinandersetzung mit dem Fach ,,Public Administration" in den USA 8, die stärkere Öffnung gegenüber der Politischen Wissenschaft und eine Vorliebe für Regierungszentralen9 • Fritz Morstein Marx war nämlich auch im Budgetbüro des amerikanischen Präsidenten tätig gewesen. Die Hochschule verfügte damals über fünf Stellen für Forschungsreferenten. Als ich ankam, war eine durch Niklas Luhmann besetzt. Schon damals verfolgte er mit bemerkenswertem Selbstbezug sein Projekt einer Systemtheorie. Er war indessen ein aufgeschlossener Gesprächspartner bis hin zum Handwerklichen der Wissenschaft. So konnte ich die Anfange seines berühmten Zettelkastens und seine Schnelllesefahigkeiten bewundern, die er in einem amerikanischen Kurs erworben hatte. Als ich 1971 nach einer praktischen Tätigkeit - ,,natürlich" in einer Regierungszentrale - als Professor nach Speyer zurückkehrte, rückte mit mir die Generation der 68er, jetzt als Referendare, ein. Auch vom Klassenfeind erwartete man freilich die verwaltungswissenschaftliche Vermittlung von Wegekenntnissen zum Marsch durch die Institutionen. Die intellektuelle Herausforderung durch die neo-marxistischen Meinungsführer im Hörsaal nahm ich in zweifacher Weise an. Zum einen interessierte ich mich für die Verwaltung nach Maßgabe des Rätemodells. Studien der Arbeiterselbstverwaltung in Jugoslawien, der Kibbuz-Bewegung in Israel, später der rätedemokratischen Konstrukte in China vermittelten mir die erforderliche Anschauung. Zu meinem Hauptinteresse wurde freilich die Kaderverwaltung marxistisch-leninistischer Prägung. Ortsbesichtigungen jenseits des Eisernen Vorhanges konnte ich in den späten 70er Jahren durch einen Besuch der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften der DDR in Babelsberg gleichsam zu einem "Check-point" verdichten. Damit waren die Grundlagen für eine auch theoretische Bewältigung der Transformation der Kaderverwaltung des realen Sozialismus in ein modemes Verwaltungssystem gelegt. Mein erstes Forschungssemester als Professor nutzte ich, um in den Vereinigten Staaten das Studium der öffentlichen Verwaltung zu erkunden. Es war der Beginn einer nun dreißigjährigen Beziehung, in der ich große akademische Einrichtungen - Harvard, Princeton, Berkeley, Brookings Institution, das Federal Executive Institute, die National Academy of Public Administration - aber auch große Akademiker kennen lernte: Dwight Waldo, den kritisch-konstruktiven Verwaltungslehrer einer zivilgesellschaftlichen Kultur 10, Herbert Simon, 8 Fritz Morstein Marx, Amerikanische VelWaltung: Hauptgesichtspunkte und Probleme, Berlin 1963. 9 Die Staatskanzlei: Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise auf vergleichender Grundlage. Vorträge und Diskussionsbeiträge der VelWaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für VelWaltungswissenschaften Speyer, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 34, Speyer 1967. 10 Dwight Walda, The Administrative State: A Study of the Political Theory of American Public Administration, New York 1948.
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den Entscheidungstheoretiker der ,,Models of Man, Social and Rational,,11 und - fast hundertjährig - Luther Gulick, die Legende des Administrative Management l2 . Trotz enger Zusammenarbeit mit amerikanischen Kollegen - nicht nur in den USA, sondern vielerorts in der Welt l3 - bedeutete fiir mich Public Administration nicht einfach Rezeption, und zwar aus zwei Gründen, wobei der eine auf der verwaltungs wissenschaftlichen Erkenntnis, der andere auf dem Erfahrungsgegenstand der öffentlichen Verwaltung beruht. Ich begreife erstens meine rechts- und staatswissenschaftlichen Studien als einen nachhaltigen Mehrwert, den man nicht als "alt-europäisch" beiseite schieben kann. Ich halte zweitens das klassisch-europäische Verwaltungssystem mit seiner legalistischen Kultur aus vielen Gründen fiir leistungsfähiger als den anglo-amerikanischen Managerialismus in Verwaltungsangelegenheiten. Jenseits der bloßen Rezeption gibt es freilich viel zu lernen. So wurde ich auch in den USA früh angeregt, mich in der Verwaltungszusammenarbeit mit Entwicklungsländern zu engagieren. Auch das Theoretische ist Bestandteil der Kultur. In Asien, Afrika, Lateinamerika lernte ich es, in der Sicht fremder Kulturen zu reflektieren, nicht abstrakt, sondern konkret am Gegenstand der öffentlichen Verwaltung. Dafiir nur ein Beispiel: In den 70er Jahren gestaltete ich im indischen Haiderabad ein Seminar mit, in dem ethische Aspekte der Fortbildung von Spitzenbeamten verhandelt wurden. Die Diskussion ging in das Religiöse über. So berichtete der Vertreter des pakistanischen Staff-Colleges, dass die Weiterbildung der Führungskräfte zu 40 Prozent aus Koran-Unterricht bestünde. Ein ostasiatischer Professor erzählte von seinen Kursen "Buddhist Meditation for Public Managers", die er in Kalifornien hielt. Zum "Clash of Civilisations" kam es, als ein amerikanischer Management-Professor sich zu der Aussage verstieg, Indien könne alle seine Probleme lösen, wenn es nur ein gutes Management hätte. Mir blieb die Einsicht, dass der missionarische Unterton des Managerialismus und seiner Modelle, und zwar vom "One Best Way" Taylors selbst an, religiös-ethisch inspiriert ist.
11 Herbert A. Simon, Models of Man, Social and Rational: Mathematical Essays on Rational Human Behavior in a Social Setting, New York/London 1957. 12 Luther GulickiLyndall F. Urwick (Hrsg.), Papers on the Science of Administration, 2. Aufl., New York 1947. 13 Ernest A. Engelbert/Klaus König, International cooperation for education and training in public management: with emphasis upon developing countries, Berlin 1984; Klaus König/ R. Scott Fosler (Hrsg.), Regionalization below State-Level in Germany and the United States, Speyerer Forschungsberichte 197, Speyer 1999.
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11. Verwaltungswissenschaften: multidisziplinär und interdisziplinär 1. Rechtswissenschaften Wenn nach dieser biographischen Skizzienmg von WertungshintergrüDden Theorien der öffentlichen Verwaltung in das Blickfeld gerückt werden, dann folge ich der Unterscheidung von Disziplinarität, Multidisziplinarität, Interdisziplinarität und Transdisziplinarität wie sie diesem Symposium zu Gnmde liegt. Die heutige Wissenschaftstheorie verbindet mit diesen Kategorien weniger die Bestimmung von Kernbereichen der Wissenschaftsentwicklung, vielmehr die Grenzziehung zwischen den Fächern. Unter Interdisziplinarität versteht man so Modi der Lehre und Forschung, bei denen man sich gegenüber Nachbarfächern öffuet, aber an den eigenen Fachgrenzen prinzipiell festhält. Transdisziplinarität bedeutet demgegenüber eine Wissenschaftsform, bei der Fachgrenzen aufgehoben und die wissenschaftliche Kapazität fiir Perzeption und Problemlösung durch eine eigene Wissenschaftsprogrammatik erweitert wird. 14 In Kontinentaleuropa ist unter dem Vorzeichen von Grenzbildung, Grenzöffnung, Grenzaufhebung mit dem hier nach wie vor maßgeblichen Paradigma der Verwaltungswissenschaften im Plural zu beginnen. Dies kommt in Namen wie dem der Deutschen Hochschule fiir Verwaltungswissenschaften Speyer oder des Internationalen Instituts fiir Verwaltungswissenschaften in Brüssel zum Ausdruck. Es ist also zuerst über Multidisziplinarität und Interdisziplinarität zu sprechen. Dazu verkürze ich die verwaltungsrelevanten Wissenschaften auf Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und belege überdies das· Theoretische in seiner Abgrenzungsfunktion nur exemplarisch. In der Rechtswissenschaft ist es die Reine Rechtslehre in ihrem Verwaltungsbezug, die ein schwerlich zu überbietendes Beispiel fiir disziplinäre Grenzen einer Theorie der öffentlichen Verwaltung bietet. Diese "Wiener Rechtsschule"15 stellt unter dem Postulat der Reinheit in der Methode konsequent auf die Formalstruktur des Rechts ab. Inhaltliche Elemente werden als naturrechtliche, historische, soziologische, politische, ideologische aus der Rechtstheorie herausgelöst und anderen Erkenntnisgebieten zugewiesen. Recht wird als Sollen betrachtet; Recht ist Norm und seine Struktur ist eine logizistisch gesehene 14 Jürgen Mittelstraß, Transdisziplinarität, in: Jürgen MittelstraßlMartin Carrier/Gereon WoIters (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Band 4, StuttgartlWeirnar 1996, S. 329. 15 Ihre Konzeption ist zusammengefasst in: Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., Wien 1960; zum Vorwurf des Formalismus ist Stellung genommen von dems., Juristischer Formalismus und reine Rechtslehre, in: Juristische Wochenschrift 1929, S. 1723 ff.
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Normativität. 16 Auch die Verwaltungsrechtslehre wird zur Theorie reiner Rechtsfonnen. 17 Die Unterscheidung von Staat und Recht verschwindet. Verwaltung kann vom normativen Standpunkt her "in der juristischen Konstruktion" nichts anderes als die ,,Ausfiihrung der Gesetze" sein. In solcher Strukturanalyse ist Verwaltung Rechtsfunktion: Erzeugung, Anwendung und Befolgung von Recht. Die Theorie der öffentlichen Verwaltung als Rechtsvollzugslehre fUhrt zur Ausblendung von Problemen etwa einer traditionsreichen Wiener Ministerialbürokratie wie zu normativistischen Überschüssen in der Vollzugsverwaltung selbst einer legalistischen Kultur, wenn Rechtsphänomene der Verwaltung auf die Einheitsgröße: Rechtsanwendung nivelliert werden, so etwa: Verwaltungsakte wie innerdienstliche Weisungen, allgemeine oder besondere Rechtsstellungen wie bei Beamten, Verwaltungsennessen und unbestimmter Rechtsbegriff, zweckbestimmte Etattitelausweisungen und tatbestandlich bestimmte Fachgesetze, Anwendung von Privatrecht und öffentlichem Recht durch die Verwaltung usw. Andererseits vermittelt die Reine Rechtslehre mit ihren theoretischen Aussagen etwa zum Stufenbau der Rechtsordnung l8 Einsichten in die öffentliche Verwaltung, die über das Medium des Rechts hinausweisen. Es gibt programmierende und programmierte Entscheidung, eine Kaskade von Vorentscheidungen nicht nur konditionalen, sondern auch fmalen Verwaltungshandelns, nicht nur in der Rechtssphäre, sondern auch bei der administrativen Geldwirtschaft oder bei der Politikfonnulierung und beim Politikvollzug. Der Reinen Rechtslehre kann man in der Verwaltungsrechtslehre eine Vielzahl ungleich offener Wissenschaftsbildungen entgegenhalten: die Grundlegung des Verwaltungsrechts nach einer Theorie der Institution durch Maurice Haurion l9 , nach einem Konzept der Daseinsvorsorge durch Ernst Forstho!l° usw. Hier wird für die Interdisziplinarität der Verwaltungsrechtslehre eine jüngere 16 Von einer direkten Inanspruchnahme der Logik ist Kelsen später abgerückt: Recht und Logik, in: Forum 1965, S. 421 ff. und S. 495 ff. 17 Ke/sen selbst nimmt in seinen theoretischen Grundwerken - vgl. etwa Reine Rechtslehre, 2. Aufl., Wien 1960, S. 266 ff. - in seiner Staatsrechtstheorie - vgl. etwa Hauptprobleme der Staatsrechtslehre: Entwickelt an der Lehre vom Rechtssatze, Neudruck der 2. Aufl., Aalen 1960, S. 491 ff. - und in Problemstudien - vgl. etwa Justiz und Verwaltung, Wien 1929 - zur Verwaltungsrechtslehre StellWlg. Die Ausfiihrung der Reinen Rechtslehre zu einer systematischen Darstellung der öffentlichen Verwaltung erfolgt bei AdolfMerk/, Allgemeines Verwaltungsrecht, Neudruck, Darmstadt 1969. 18 Adolf Merk/, Allgemeines Verwaltungsrecht, Neudruck, Darmstadt 1969, S. 157 ff. 19 Zum theoretischen Grundwerk von Maurice Hauriou vgl. Die Theorie der Institution und zwei andere Aufsätze: Mit Einleitung und Biographie hrsg. von Roman Schnur, Berlin 1965. 20 Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band 1: Allgemeiner Teil, 10. Aufl., München 1973, S. 368 ff.
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Strömung als Beispiel genannt, die man als Refonnschule des Verwaltungsrechts bezeichnen kann. 21 Ausgangspunkt des theoretischen Interesses ist nämlich der Reformgedanke des Verwaltungsrechts. Dabei kann offen bleiben, inwieweit Verwaltungsrecht als rechtspraktischer Gegenstand oder als rechtsdogmatische Wissenschaft von Fall zu Fall gemeint ist. Jedenfalls wird deutlich, dass auch die Verwaltungsrechtsdogmatik an das geltende, an einen Status quo prinzipiell gebunden ist. Damit sind ihre Möglichkeiten der Perzeption dynamischer Verändenmgen in Staat, Wirtschaft, Gesellschaft beschränkt. Für die öffentliche Verwaltung kann man insoweit etwa auf die Modernisienmgsbewegung des Neuen Öffentlichen Managements oder die Govemance-Muster einer globalen Wirtschaft, Technik, Natur verweisen. Aus diesem Gnmde strebt man eine theoretische Reflexion an, die der dogmatischen Bewältigung des Verwaltungsrechts beiseite steht und weiteres Orientienmgswissen vermittelt. Ein Aspekt der Theoriebildung ist die Offenheit gegenüber den Erkenntnissen anderer Disziplinen. Jenseits des eigenen Faches sollen Einsichten der Ökonomie, der Politologie, der Soziologie fiir die Modernisienmg des Verwaltungsrechts fruchtbar gemacht werden. Charakteristisch ist die zentrale Bedeutung, die dem Begriff der Steuenmg beigemessen wird. Man spricht geradezu von der Verwaltungsrechtswissenschaft als Steuenmgswissenschaft. 22 Steuenmg ist indessen zugleich eine zentrale Kategorie der Sozialwissenschaften, insbesondere der Politischen Wissenschaft. 23 Dort scheint sie den Platz der politischen Planung eingenommen zu haben. Wenn man also nach der Steuenmgsfahigkeit des Rechts fragt, kann man sich auf vielfaltige sozialwissenschaftliche Diskussionen beziehen. Das beginnt mit gnmdlegenden Zweifeln an der Steuerbarkeit der modemen Gesellschaft, mit der "Unregierbarkeit". Fragen der Enthierarchisienmg von Staat und Verwaltung lassen sich anknüpfen, positiv gewendet nach Netzwerk-Strukturen, nach dem kooperierenden Staat, nach der verhandelnden Verwaltung. Von der Steuenmgstheorie her lässt sich nach den Selbstregulienmgskräften der Gesellschaft fragen. Das bedeutet fiir die Verwaltungsrechtswissenschaft, wieweit sich in das staatliche Recht Elemente eines "soft law" 21 Vgl. die bisher erschienenen Bände in der von Wolfgang Hoffmann-Riem und Eberhard Schmidt-Aßmann herausgegebenen Schriftenreihe "Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts" . 22 Reiner Schmidt, Die Reform von Verwaltung und Verwaltungsrecht: Reformbedarf - Refonnanstöße - Refonnansätze, in: Verwaltungsarchiv 2000, S. 149 ff. (S. 151 ff.); Andreas Voßkuhle, "Schlüsselbegriffe" der Verwaltungsrechtsreform - Eine kritische Bestandsaufnahme -, in: Verwaltungsarchiv 2001, S. 184 ff. (S. 194 ff.); ferner Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft, in: Wolfgang Roffinann-RiemlEberhard Schmidt-AßmanniGunnar Folke Schuppert (Rrsg.), Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts: Grundfragen, Baden-Baden 1993, S. 90 ff. 23 Vgl. Stefan Lange/Dietmar Braun, Politische Steuerung zwischen System und Akteur: Eine Einführung, Opladen 2000; Hans-Peter BurthlAxel Görlitz (Rrsg.), Politische Steuerung in Theorie und Praxis, Baden-Baden 2001.
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einbauen lassen, die etwa Selbstregulative der Wirtschaft mit staatlichen Regeln verknüpfen. 24 Die starke Stellung der Steuerungsdiskussion in den Sozialwissenschaften wirft für die Verwaltungsrechtslehre die Frage auf, wie weit man in der Interdisziplinarität gehen kann, ohne die eigenen Fachgrenzen aufzugeben. Diese werden zumindest in einem weiteren Sinne von der Rechtsdogmatik gesetzt. 25 Freilich ist das auch ein Problem der Perzeption. Ein dogmatischer Jurist mag sehr früh annehmen, dass es an der Rückbeziehung auf die Meinungsbildung zum geltenden Verwaltungsrecht mangelt. Ein Politikwissenschaftler mag das gleiche Werk hingegen als eine genuin disziplinäre, nämlich rechtswissenschaftliche Leistung einschätzen. 26
2. Wirtschaftswissenschaften Für die hiernach zu behandelnden Wirtschaftswissenschaften werden als Beispiel für Multidisziplinarität die Theorie der öffentlichen Güter in ihrer Relevanz für Verwaltungsaufgaben und als Beispiel für Interdisziplinarität die Prinzipal/Agent-Theorie in ihrer Relevanz für Autbau- und Ablauforganisation der Verwaltung genannt. Die Theorie der öffentlichen Güter ist im Grunde eine Differenzierungstheorie, die verschiedene soziale Sphären unterscheidet, die nach je eigenen Prinzipien rationalisiert sind, also das marktwirtschaftlich ausdifferenzierte ökonomische System und das politisch-administrative System. Hieraus ergibt sich eine formelle Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Gütern. Über Art, Umfang und Verteilung privater Güter wird durch die Abstimmung individueller Präferenzen im Marktmechanismus entschieden, während die Entscheidung über die Erstellung öffentlicher Güter das Ergebnis eines kollektiven, eben politisch-administrativen Willensbildungsprozesses ist. Prä-
24 Vg\. hierzu etwa die durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz vom 19.07.2002, BGB\. I S. 2681 in § 161 Aktiengesetz eingefiigte "comply or explain"Regelung hinsichtlich der Beachtung des nicht Gesetz gewordenen "Deutschen Corporate Governance Kodex"; ferner die hierzu im voraus ausgesprochenen Empfehlungen in Theodor Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance: Unternehmensftihrung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts, Köln 2001. 25 Eberhard Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee. Grundlagen und Aufgaben der verwaltungsrechtlichen Systembildung, BerlinIHeidelberg 1998. 26 Arthur Benz, Besprechung von Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft, Baden-Baden 2000, in: Die Verwaltung 2001, S. 575 ff.
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misse dieser gesellschaftlichen Aufgabenverteilung ist die Annahme, dass der Markt der bessere Steuerungsmechanismus zur Allokation knapper Güter ist. 27 Staatliche Aktivitäten gelten also nur dann als gerechtfertigt, wenn ein Markt nicht zustande kommt oder wenn die Bedingungen fiir eine effIZiente Marktlösung nicht erfUllt werden. Es fällt in die Zuständigkeit der Wirtschaftswissenschaften, die Gründe fiir solches Marktversagen und damit fiir öffentliche Aufgaben zu bestimmen. Gründe sind etwa: die Nichtanwendbarkeit des Ausschlussprinzips - die Nutzung des Gutes kann nicht von der Zahlung eines Entgelts abhängig gemacht werden -, nichtrivalisierender Konsum - der aus dem Gut fließende Nutzen ist unabhängig von der Zahl der Nutzer -, externe Effekte - die privaten Kosten weichen von den sozialen Kosten ab - und andere Gründe mehr. 28 Freilich hat die Theorie der öffentlichen Güter in ihrer wirtschaftswissenschaftlichen Abgrenzung eine offene Flanke. Sie fUhrt den Begriff der meritorischen Güter ein. 29 Das sind grundsätzlich private Güter, deren Bereitstellung durch den Staat damit gerechtfertigt wird, dass aufgrund verzerrter Präferenzen der Bürger als Konsumenten deren am Markt geäußerte Nachfragewünsche gemessen am gesellschaftlich wünschenswerten Versorgungsgrad zu einer nach Art und Umfang suboptirnalen Allokation dieser Güter fUhrt. Bei meritorischen Gütern geht es sonach um ein Mehrangebot, bei demeritorischen um die Angebotsreduzierung. Die hieraus erwachsenden Legitirnationsprobleme der Staatseingriffe in individuelle Präferenzen interessieren auch Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft. Als Beispiel fiir eine interdisziplinär offene Wirtschaftstheorie nenne ich die Prinzipal/Agent-Theorie - auch Agency-Theory genannt. Die wirtschaftswissenschaftliehe Grundfrage ist hier die nach der Kooperation zwischen Wirtschaftssubjekten bei Vorliegen von Interessenkonflikten und weiter Inforrnationsasymmetrien. 30 Die Konstellation der Prinzipal/Agent-Theorie besteht darin, dass eine Partei - der Agent - im Auftrag einer anderen Partei - des Prinzipals - tätig wird. Eine Agency-Beziehung kommt deswegen zustande, weil der Agent über spezifische Kompetenzen, Kenntnisse, Fertigkeiten, Haltungen fiir die anstehende Aufgabe verfUgt. 31 Dieses Modell ist durch die Modemisierungsbewegung des New Public Management, in Deutschland des Neuen Steue27 Richard A. MusgravelPeggy B. MusgraveiLore Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis, 1. Band, 5. Aufl., Tübingen 1990, S. 53 ff. 28 Egon Sohmen, Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik, Tübingen 1976, S. 100 ff., S. 285 ff. 29 Richard A. MusgravelPeggy B. MusgravelLore Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis, I. Band, 5. Aufl., Tübingen 1990, S. 73 ff. 30 Sie/an Kiener, Die Principal-Agent-Theorie aus informationsökonomischer Sicht, Heidelberg 1990, S. 19 ff. 31 Andreas Kleine, Entscheidungstheoretische Aspekte der Principal-Agent-Theorie, Heidelberg 1995, S. 29 ff.
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rungsmodells auf die öffentliche Verwaltung übertragen worden, um deren ökonomische Rationalisierung zu betreiben. 32 Allgemein wird die Rolle des Prinzipals der Politik zugewiesen. Die Administratoren erhalten die Rolle des Agenten. In der Auftraggeber/Auftragnehmer-Beziehung erhält der Agent eine nach festgelegten Kriterien berechnete Zahlung. Der Politiker als Prinzipal erhält das durch die Handlung des Agenten entstehende Ergebnis. Man kann dieses Modell auch auf das Verhältnis übergeordneter und untergeordneter Verwaltungseinheiten anwenden. 33 In der Diskussion eines neuen ökonomischen Managerialismus fiir die Verwaltung lassen sich viele Elemente einer Prinzipal/Agent-Konstellation identifizieren: das Kontraktrnanagement, die Zielvorgaben, die Produktdefmition, die Leistungsaufträge, die globalen Finanzzuweisungen, das Controlling bei dem einen Partner, die Erfiillung der Aufträge in Form konkreter Produkte, die Ergebnisverantwortung und so die Zusamrnenfiihrung von Fach- und Ressourcenverantwortung, die Berichtspflichten usw. bei dem anderen Partner. 34 Prinzipal/Agent-Beziehungen können aber nicht gänzlich frei verabredet werden. Sie haben sich auch bei Geschäftspartnern in das private Recht einzuordnen. Das muss als Rahmenbedingung bei dem ökonomischen Kalkül berücksichtigt werden. Erst recht gilt das fiir den öffentlichen Sektor und hier wiederum besonders fiir die legalistische Verwaltung. Berücksichtigt werden muss: die geringe Zielbildungsautonomie der Exekutive gegenüber dem Vorrang des Gesetzgebers, die komplexe Zielstruktur angesichts eines auf Güterabwägungen beruhenden Entscheidungsprozesses, die Vorgaben des Beamtenstatus und des Haushaltssystems, die Leistungsverpflichtungen gegenüber dem Bürger, die Legalitätssicherungen bei staatlichen Eingriffen usw. bis hin zum Primat der Politik, das ,,managers' rights to manage" kaum zulässt. In dieser Lage der öffentlichen Verwaltung ist es unerlässlich, die ökonomische Seite der Prinzipal/AgentTheorie von vornherein mit Kenntnissen zu verknüpfen, wie sie Verfassungsrechtslehre und Verwaltungsrechtslehre vermitteln.
32 Christoph Reiciulrd, Institutionenökonomische Ansätze und New Public Management, in: Klaus König (Hrsg.), Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert, Baden-Baden 2002, S. 585 ff. 33 Frieder NascholdIWerner JanniChristoph Reichard, Innovation, Effektiviät, Nachhaltigkeit - Internationale Erfahrungen zentral staatlicher Verwaltungsreform, Berlin 1999, S. 16 ff.; Fabrizio Gilardi/Dietmar Braun, Delegation aus Sicht der PrinzipalAgent-Theorie, in: Politische VierteIjahresschrift 1/2002, S. 147 ff. 34 Jörg Bogumil, Modemisierung lokaler Politik: Kommunale Entscheidungsprozesse im Spannungsfeld zwischen Parteienwettbewerb, Verhandlungszwängen und Ökonomisierung, Baden-Baden 2001, S. 108 ff.
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3. Sozialwissenschaften Als Beispiel für die fachliche Abgrenzung im Bereich der Sozialwissenschaften kann man die empirisch-quantitative Sozialforschung nennen. Auf den ersten Blick erscheint dies problematisch. Denn zum einen gibt es besser erforschte Sphären als die der öffentlichen Verwaltung. Zum anderen steht die empirische Verwaltungsforschung in Deutschland insbesondere dem Stand im angloamerikanischen Raum nach. Schon ein Blick in die amerikanische Literatur zeigt, dass die Empirie dort einen festeren Platz in der Verwaltungswissenschaft hat. Überdies ist gerade im Hinblick auf die öffentliche Verwaltung die Frage nach dem Erkenntniswert quantitativer gegenüber qualitativer Vorgehensweisen erheblich. Dennoch gibt es eine, wenn auch schmale Strömung der empirischen V erwaltungsforschung35 , die sich von der Verwaltungsrechtslehre, der Betriebswirtschaftslehre, der öffentlichen Verwaltung usw. unterscheidet. Insbesondere dort, wo man sich auf eine konsequente quantitative Methodik stützt, gewinnt die empirische Verwaltungs forschung ein abgrenzendes disziplinäres Profil. Projekte empirischer Verwaltungsforschung hängen eng mit Reformvorhaben zur öffentlichen Verwaltung zusammen. Sie werden aber auch von Fall zu Fall von akademischen Interessen geleitet. Empirisch-quantitative Forschungen betreffen den öffentlichen Dienst, die Verwaltungsorganisation, die administrativen Entscheidungsprozesse, das Budgetwesen. In der Regel geht es um deskriptive Aufklärungen des Untersuchungsgegenstandes. In das Hypothetisch/Theoretische reicht indessen die Eliteforschung mit ihren internationalen Anschlüssen hinein. Zur Problematik eines differenzierten oder entdifferenzierten Rollenverständnisses von Exekutivpolitikern bzw. leitenden Beamten ergibt sich folgender Befund: Leitende Ministerialbeamte sind ausgeprägte "politische Bürokraten". Sie sind sensibel gegenüber den politischen Rahmenbedingungen und Machtfragen ihrer Regierungsgeschäfte.36 Politische Fertigkeiten werden als Qualiftkationsmerkrnale eines Spitzenbeamten angesehen. Das bedeutet freilich nicht, dass es zu einer Hybridisierung von politischen und administrativen Rollen gekommen ist oder dass gar Ministerialbeamte zu parteipolitischem Aktivismus neigen. Vielmehr zeigt sich, wie von der Verwaltungselite wahrgenommen wird, dass das Berufsbeamtenturn und erst recht die leitenden Beamten nicht als außerhalb der Politik begriffen werden können. Eine einfache Rollentrennung im Sinne von politisch versus administrativ existiert nicht. 35 Hans-Ulrich Derlien, Entwicklung und Stand der empirischen Verwaltungsforschung, in: Klaus König (Hrsg.), Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert, Baden-Baden 2002, S. 365 ff. 36 Bärbel Steinkemper, Klassische und politische Bürokraten in der Ministerialverwaltung der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1974.
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Bei allen Überlappungen besteht dann doch eine jeweils spezifische Rollenperzeption von politischen und administrativen Eliten. Substantielle Politik - Bildungspolitik, Verkehrspolitik, Umweltpolitik usw. - und Sachlichkeit werden im Verhältnis zur Machtorientierung von leitenden Beamten höher als von Exekutivpolitikern eingeschätzt. Fachliche Qualifikation, Expertenwissen, professionelle Fertigkeiten, berufliche Erfahrung werden höher bewertet. Merkmale der wahrgenommenen Regierungsarbeit werden unterschiedlich von den für Exekutivpolitikern maßgeblichen Kriterien gekennzeichnet. Diese und weitere Differenzierungen entsprechen der allgemeinen Rolleneinschätzung. Eine eher ansteigende Zahl, jedenfalls mehr als 60% der Spitzenbeamten und Exekutivpolitiker betrachten ihre Rollen grundsätzlich unterschiedlich oder verhältnismäßig unähnlich, etwa 23% sehen ein Gleichgewicht von Ähnlichkeiten und Unterschieden, 1970 15,6% und 1987 8,8% sprechen von relativ ähnlichen Rollen und nur wenige nehmen nahezu identische Rollen wahr. 37 Man könnte also hiernach zunächst eine Differenzierungshypothese aufstellen und diese dann mit empirisch-quantitativen Belegen zu einer Differenzierungstheorie politischer und administrativer Eliten formulieren, jedenfalls für die Verhältnisse der Bonner Republik. Man könnte freilich auch durch eine Interpretation des Ministergesetzes bzw. des Beamtenrechts von der Staatsrechtslehre her eine rechtliche Differenzierung feststellen. Beide Ergebnisse haben aber dann einen methodologisch bestimmten, klar abgegrenzten wissenschaftlichen Status. Als eine gemessen an der quantitativ-empirischen Methodologie ungleich offenere Theoriebildung der Sozialwissenschaften kann die des Postindustrialismus gekennzeichnet werden. Als "Grand theory" betrifft sie viele Lebenssphären und korrespondierende Einsichten von Wirtschaftswissenschaftlern wie Staatsrechtslehrern. Das wird insbesondere in ihrer Anwendung auf die öffentliche Verwaltung deutlich. Der Industrialismus38 als eine maßgebliche Grundlegung der Modeme hat nicht nur das Wirtschaftssystem, sondern neben anderen sozialen Bereichen auch die Staatssphäre geprägt. Einsatz von Maschinen, arbeitsteilige Organisationsformen, Wachstum der Produktion, Abtrennung von Freizeit, Wohnung usw., Ausdifferenzierung von Fachrichtungen, technische Professionalisierung, methodisches Arbeiten sind auch für die öffentliche Verwaltung charakteristisch. Die Kritik der industriellen Gesellschaft trifft damit
37 Renate MayntziHans-Ulrich Derlien, Party Patronage and Politicization of the West German Administrative Elite 1970-1987 - Towards Hybridization?, in: Govemance 1989, S. 384 ff. (S. 395). 38 Helmut Klages. Stichwort "IndustriegeseUschaft", in: Dieter Nohlen (Hrsg.), Wörterbuch Staat und Politik, Bonn 1991, S. 239 fI.
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gleichermaßen Staat und Verwaltung39 : von den Souveränitätsverlusten angesichts technischer Sachzwänge40 über die politisch-administrativen Selbstgefahrdungen einer "Risikogesellschaft,,41 bis zu den Überlastungen eines hochbeanspruchten Wohlfahrtsstaates. Besonders ist die öffentliche Verwaltung von Entfremdungsvorwürfen betroffen, wenn den Staatsbürokratien Unpersönlichkeit, Regelformalismus, unverständlicher Jargon, undurchsichtige Zuständigkeitsverteilung, Verfahrensschematismus usw. angelastet wird. 42 Der Postindustrialismus43 sieht demgegenüber die weitere gesellschaftliche Entwicklung in einem günstigeren Licht. Die Rationalität der Industriegesellschaft wird über ihren klassischen Defmitionsbereich hinaus erweitert. 44 Das Andauern des wissenschaftlich-technologischen Fortschritts bedeutet insofern steigende Produktivität, mehr Freizeit, Wohlfahrts wirtschaft, hochqualifizierte Berufe, persönlicher Wohlstand. Naturwissenschaften und Technik besorgen, dass die Spannungen zwischen neuen Bedürfuissen und neuen Knappheiten lösbar sind. 45 Die Zentralität theoretischen Wissens als Quelle von Innovation und dann auch Ausgangspunkt der gesellschaftlich-politischen Programmatik gilt als "axiales Prinzip".46 Die postindustrielle Gesellschaft ist ,,Dienstleistungsgesellschaft". Entwicklungen in Bildung und Forschung fUhren zum Entstehen eines "quartären" Sektors. 47 Eine Klasse professionalisierter und technisch qualifizierter Berufe bildet sich heraus. Politik und Wirtschaft werden verwissenschaftlicht. 48 39 Emst Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft - dargestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., München 1971. 40 Herbert Marcuse, Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft, Darmstadt 1967. 41 Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a. M. 1986; ders. (Hrsg.), Politik in der Risikogesellschaft: Essays und Analysen, Frankfurt a. M. 1991. 42 Vgl. Wolfgang Hoffmo-n-Riem (Hrsg.), Bürgernahe VeIWaltung? Analysen über das Verhältnis von Bürger und VeIWaltung, NeuwiedIDarmstadt 1979. 43 Vgl. Jean Fourastie, Die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts, Köln 1954. 44 Daniel Bell, Die nachindustrielle Gesellschaft, FrankfurtlNew York 1975. 45 Vgl. Wemer Hugger, Szenarien alternativer Gesellschaftsentwicklung, in: Herbert KöniglWalter Anton Oechsler (Hrsg.), Anforderungen an den öffentlichen Dienst von morgen. Konzeptionen und Fallstudien zur mittel- und langfristigen Vorausschätzung, Regensburg 1987, S. 82-97 (S. 88). 46 Vgl. Daniel Bell, Die nachindustrielle Gesellschaft, FrankfurtlNew York 1975, S. 115. 47 Vgl. Wemer Hugger, Szenarien alternativer Gesellschaftsentwicklung, in: Herbert KöniglWalter Anton Oechsler (Hrsg.), Anforderungen an den öffentlichen Dienst von morgen. Konzeptionen und Fallstudien zur mittel- und langfristigen Vorausschätzung, Regensburg 1987, S. 82-97 (S. 88). 48 Daniel Bell, Die nachindustrielle Gesellschaft, FrankfurtlNew York 1975, S. 247 ff.
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Die Auswirkungen des Postindustrialismus auf die öffentliche Verwaltung bedeuten nicht den Bruch mit dem Wohlfahrtsstaat der Industriegesellschaft, sondern die Ausweitung der administrativen Daseinsvorsorge angesichts neuer sozialer, ökonomischer und insbesondere technischer Folgen, etwa die materielle Absicherung von Gebrechlichkeit angesichts medizinisch-technischer Lebensverlängerungen. Veränderungen der Industrieproduktion, der Wandel zu den Dienstleistungen, neue Professionen im Arbeitsleben, Umwidmung von Wirtschaftsstandorten, gesteigerte räumliche Mobilität, veränderte Kommunikationsmöglichkeiten führen zur Ausweitung staatlicher Interventionen und gleichzeitig zur Fortschreibung der Arbeits- und Sozialpolitik. Mit Kategorien wie ,,Freizeitgesellschaft", "Informationsgesellschaft", ,,Risikogesellschaft" wird auf soziale und technische Probleme hingewiesen, die zugleich durch staatliche Förderungsprogramme wie Regulationen ausgeglichen werden müssen. Dies alles muss verwaltet werden, wie eben der wissenschaftlich-technische Fortschritt mit seinen Gewährleistungen und Gefährdungen der Lebensqualität überhaupt. Die öffentliche Verwaltung weitet sich aus, und zwar nicht nur weil sie Teil der den Postindustrialismus kennzeichnenden Dienstleistungsgesellschaft ist, sondern auch, weil man gesellschaftliche DefIzite nicht einfach durch Märkte und private Güter, vielmehr durch politisch-administrative Prozesse und öffentliche Güter kompensieren muss. 49 Mit solchen Bezügen zum Ökonomischen wie Politischen bleibt die sozialwissenschaftliche Theoriebildung offen für wirtschafts- und politikwissenschaftliche Einsichten bis hin zur Daseinsvorsorge als verwaltungsrechtlicher Kategorie.
III. Public Administration als Disziplin 1. Management-Schule der öffentlichen Verwaltung Eine Disziplin ist "a fIeld of study". 50 Diese lexikalische DefInition erscheint nicht nur etymologisch verständlich. Für Lehrende wie Lernende bietet das Studienfach Grundorientierung. Es erlaubt dem Studenten der Medizin die erforderlichen Kenntnisse der Physik, Chemie, Biologie zu erwerben, ohne Studienwechsler zu werden. Im juristischen Studium bleibt für Rechtsphilosophie, Rechtstheorie, Rechtsgeschichte neben der Rechtsdogrnatik Platz. Und wiederum im Studium kann sich die Betriebswirtschaftslehre - entsprechend dem US-
49 Klaus König, Zur postindustriellen Verwaltung, in: Volker 1. Kreyher/Carl Böhret (Hrsg.), Gesellschaft im Übergang: Problemaufrisse und Antizipationen, Festschrift rur Helmut Klages zum 65. Geburtstag, Baden-Baden 1995, S. 221 ff. (S. 225-227). so Webster's Ninth New Collegiate Dictionary, SpringfieldIMass. 1985, S. 360.
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amerikanischen Studienfach ,,Business Administration" - in die Managementwissenschaft ausweiten. Geht man vom Begriff der Disziplin als Studienfach - "disciplina": das Lernfach - aus, dann gibt es in den Vereinigten Staaten ein disziplinäres Studium der öffentlichen Verwaltung. Dort ist die Bezeichnung des Erfahrungsgegenstandes auch die des Studienfaches, also ,,Public Administration".51 Variationen wie ,,Public Affairs", "Govemment", ,,Public Policy", ,,Public Management" sind festzustellen. Indessen hält sich über Ort und Zeit hinweg ,,Public Administration" als Kembezeichnung. In Kontinentaleuropa spricht man demgegenüber von Verwaltungswissenschaften, Administrative Sciences, Sciences Administratives usw. Die einfache Bestimmung der Disziplin als Studienfach ändert aber nichts daran, dass die disziplinäre Verfassung nach innen vielschichtig ist. Wissenschaftliche Sichtweisen, Erkenntnisinteressen, Begriffe, Regelwerke, Fragehorizonte, Theorien, Modelle usw. bilden den Zusammenhalt. Das Verwaltungsstudium in den Vereinigten Staaten ist durch vielfältige Strömungen und Schulen geprägt, die den kognitiven Überbau liefern und auch in Kontinentaleuropa einflussreich sind.52 Drei Schulen - Management, Politik, Organisation - sind zu nennen und nach einer weiteren Binnenströmung - Recht - ist zu fragen. Die Ursprünge der US-amerikanischen Verwaltungsausbildung beruhen auf einer Verwaltungsrefonnbewegung, die sich in der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gegen Korruption, Patronage, Inkompetenz, Disziplinlosigkeit, Misswirtschaft wandte und das Geschäftsmäßige der öffentlichen Verwaltung "a field of business" - betonte. 53 Sie brachte die einschlägigen Bildungsanstrengungen mit dem Managementgedanken zusammen, zumal dieser als Scientific Management einen wissenschaftlichen Anspruch erhob und so auch fiir die höhere Bildung angemessen erschien. Frederick W. Taylors 54 Vorstellung vom "One best way" zusammen mit den aus Europa eingefiihrten Gedanken von Henri Fayoz5 5 über administrative Fonnen der Rationalisierung fanden Eingang in die Verwaltungswissenschaft. Die Entdeckung des optimalen Weges, menschliche Handlungen zu verrichten, und zwar seine Erforschung mit wissen51 Gerald E. Caiden, Public Administration, 2. Aufl, Califomia 1982; Dwight Waldo, The Study of Public Administration, 11. Neudruck, New York 1968. 52 Klaus König, Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft, Berlin 1970, S. 26 ff. 53 Die Entwicklung der nordamerikanischen VerwaItungswissenschaft aus europäischer Sicht beschreibt Georges Langrod, La Science & I'Enseignement de I' Administration Publique aux Etats-Unis, Paris 1954. 54 Frederick W. Taylor, The Principles of Scientific Management, New YorkiLondon 1915 . 55 Henri Fayol, Administration industrielle et generale (Neudruck), Paris 1950.
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schaftlichen Methoden, wurde als Leitidee nicht nur fiir Industrie und Wirtschaft, sondern auch fiir die öffentliche Verwaltung wirksam. Von da aus ist die manageriale Komponente selbstverständlicher Bestandteil des Verwaltungsstu56 · dlurns. Der Managerialismus hat in seiner nun schon langen Geschichte verschiedene Ausprägungen erfahren. Am Anfang stand eine orthodoxe Schule, die es meinte mit Managementprinzipien - "unity of command", "span of control" usw. - zu tun zu haben, die gleichsam die Gesetze der Verwaltung darstellen sollten. Dieser Ansatz war fiir die öffentliche Verwaltung noch nicht einflussreich. Anders war es aber dann schon mit der Formel der Managementfunktionen, wie sie in dem Akronym "POSDCORB" - planning, organizing, staffmg, directing, coordinating, reporting, budgeting - gefunden zu sein schien. 57 Besonders die Bereiche von Haushaltsgebaren und Personalverwaltung fanden Aufmerksamkeit. Hinzu kamen Aspekte der Reorganisation der öffentlichen Verwaltung. Zu einem frühen Überdenken tayloristischer Prinzipien der Geschäftsgestaltung kam es, als in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Human-Relations-Schule der arbeitende Mensch als soziales Wesen entdeckt wurde. 58 Durch Pflege der zwischenmenschlichen Beziehungen sollte die Arbeitsproduktivität gesteigert werden. Die Führungsprinzipien sollten das Soziale berücksichtigen und auf den menschlichen Faktor der Produktion eingerichtet werden. Solche Harmonievorstellungen brachen sich aber oft an der Realität der Arbeitsbedingungen. Freilich wurde mit einer solchen sozialphilosophischen Managementlehre ein Vorverständnis dafiir geschaffen, die zwischenmenschlichen Beziehungen in Verwaltung und Betrieb sozialwissenschaftlich zu erforschen. Für das Verwaltungsstudium war es bedeutsam, dass die Relevanz des Managerialismus fiir öffentliche Angelegenheiten immer mehr anerkannt wurde. Von besonderer Symbolik war dabei der "Report of the President' s Committee on Administrative Management" von 1937. 59 Einschlägige Empfehlungen stützten sich auf Managementregeln und Managementfunktionen. Es kam zu Vorschlägen, die sich in inzwischen traditionsreichen Organisationen manifestieren. Dazu gehört das Exekutivamt des Präsidenten, der Stab des Weißen Hauses und ein eigenes Budgetbüro. Der Managementgedanke reichte also bis hin zur 56 Kennzeichnend hierfür ist der Sammelband von Luther Gulick/Lyndall F. Urwick (Hrsg.), Papers on the Science of Administration, 2. Aufl., New York 1947. 57 Luther Gulick/Lyndall F. Urwick (Hrsg.), Papers on the Science of Administration, 2. Aufl., NewYork 1947. 58 Alfred Kieser, Human Relations-Bewegungen und Organisationspsycho\ogie, in: ders. (Hrsg.): Organisationstheorien, StuttgartlBerlinlKöln 1993, S. 95 ff. 59 Richard J. Stillman, Tbe American Bureaucracy, Chicago 1987, S. 276 ff.
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Staatsspitze. Für das Selbstverständnis von Verwaltungswissenschaft und Verwaltungspraxis war dann förderlich, dass das Brownlow Conunittee die Grundlagen eines effektiven Managements in Staatsgeschäften als gut bekannt ansah, und zwar nicht weniger als im privaten Sektor. Freilich knüpfte man auch in der Folgezeit immer wieder bei der privaten Unternehmenswirtschaft an. Das hatte nicht nur mit den historischen Anfangen im Taylorismus zu tun. Vielmehr sind es eben die neuen Impulse für den Managerialismus, die aus der privatwirtschaftlichen Erfahrungswelt kommen. Für die USA gilt das insbesondere auch für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich der Managerialismus in einer rationalistischen Schule als Management Science manifestierte. Stichworte wie Kybernetik, Operations Research, Systemanalyse, Kosten-Nutzen-Analyse und Planning-Programming-Budgeting System (PPBS) verweisen auf solche Umsetzungen. Die Probleme der Entscheidung und die Möglichkeiten ihrer Rationalisierung rückten in den Mittelpunkt. Mit "The New Science ofManagement Decision,,60 wurde die Breite des managerialistischen Entscheidungsverhaltens vorgestellt: von Gewohnheit und Intuition bis zur mathematischen Analyse. Und schließlich kam der Computer ins Blickfeld. Von hier an hängt im Verwaltungsstudium die Frage von Inforrnationssystemen und Datenverarbeitung, also spezifisch der Verwaltungsinforrnatik, mit dem Managementdenken zusammen. Das in jüngster Zeit im Verwaltungsstudium der USA vorherrschende Managementkonzept ist das des "Reinventing Govemment".61 Es beruht auf neoliberalen Wirtschaftslehren und neuen Managementmodellen, insbesondere "Lean Management" und "Total Quality Management" sowie auf "Business Motivation"-Vorstellungen. 62 Das Neue ist die Umstellung des Staatssektors auf QuasiMärkte und simulierten Wettbewerb, Unternehmertum und Kundschaft. Ein solcher ökonomischer Managerialismus hat seinen kongenialen Mitspieler im New Public Management der angelsächsischen Welt gefunden. Bereits vor dem "Reinventing Govemment" kam es in Großbritannien und in Neuseeland zu Strategien der Privatisierung und Binnenrationalisierung des Staates, und zwar auf der Grundlage von in den USA propagierten institutionenökonomischen Vorstellungen, nämlich der Public Choice Theorie in Großbritannien und dem
60 Herbert A. Simon, The New Science of Management Decision, rev. ed., Englewood Cliffs 1977. 61 David OsborneiTed Gaebler, Reinventing Govemment. How the Entrepreneurial Spirit is Transforming the Public Sector, Reading 1992. 62 Dirk BösenberglHeinz Metzen, Lean Management-Vorsprung durch schlanke Konzepte, 4. Aufl., LandsbergILech 1994; Tom Peters, Jenseits der Hierarchien, Liberation Management, Düsseldorfu. a. 1993.
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Principle Agent Ansatz in Neuseeland. 63 Heute geht ,,Reinventing Government" und "New Public Management" in den theoretischen Grundlagen und in den Modemisierungsstrategien zusammen - Privatisierung, Binnenrationalisierung, ,,Down sizing" -. Und der Managerialismus hat zum erstenrnal die historische Gelegenheit, auch die legalistischen Verwaltungen Kontinentaleuropas zu durchdringen. Zwar hat es immer wieder Rezeptionsversuche zu US-amerikanisehen Managementrnodellen gegeben: vom Planning-Programming-Budget System bis zum Management by Objectives. Diesen Unternehmungen war aber kein nachhaltiger Erfolg beschieden. Heute nehmen in der Finanzierungskrise und unter Kostendruck auch Verwaltungen in Kontinentaleuropa managerialistisehe Züge an. Auch die akademische Welt hat hier schon reagiert. Selbst in Deutschland gibt es inzwischen Lehrstühle und Studiengänge, die mit ,,Public Management" bezeichnet werden. 64 Der Gedanke des öffentlichen Managements ist in der US-amerikanischen Verwaltungswissenschaft und Verwaltungspraxis von besonderer Attraktivität. Viele meinen, dass ein gutes Staatswesen durch gutes Management hervorgebracht werden könne, wie mancher in Kontinentaleuropa in guten Gesetzen die gute Steuerung öffentlicher Angelegenheiten vermutet. So kann das ,,Reinventing Government", gleichsam als neotayloristischer "One Best Way" das Verwaltungsstudium prägen. Andere Strömungen und Schulen in den Vereinigten Staaten sehen freilich in der öffentlichen Verwaltung mehr Probleme der Politik denn des Managements. Entsprechend wird ,,Refounding Democratic Public Administration" eingefordert. 65 2. Politik-Schule der öffentlichen Verwaltung Der Einfluss von politischen Schulen auf das Verwaltungs studium kann kaum überschätzt werden. Woodrow Wilson, der Staatsmann und Staatslehrer, gilt als einer der Gründungsväter des Studiums der öffentlichen Verwaltung. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Politische Wissenschaft nachhaltigen Einfluss auf das Verwaltungsstudium genommen. Und viele sehen in den politischen Schulen den ,,mainstream of public administration". Das Buch ,,Politics
63 Jonathan Boston/John Martin/June Pal/ot/Pat Walsh, Public Management. The New Zealand Model, Oxford u. a. 1996; Colin Campbell/Graham K. Wilson, The End ofWhitehall,Oxford/Cambridge 1995. 64 Z. B. der Lehrstuhl für Public Management an der Universität Potsdam, im Internet vertreten unter http://www.rz.uni-potsdam.de/u/lsj>uma/index.html. Stand 10.10.2002. 65 Gary L. Wamsley/James F. Wolf(Hrsg.), Refounding Democratic Public Administration. Modem Paradoxes, Post-modem Challenges, Thousand Oaks u. a. 1996.
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of the Budgetary Process,,66 - nicht Management - gehört zu den meistzitierten Werken. Im Grunde ist das Konzept der öffentlichen Verwaltung in den USA tief von demokratischen Werten und politischen Bürgerrechten geprägt. So stellt dann dort die Vergleichende Verwaltungswissenschaft bei der Gegenüberstellung von anglo-amerikanischer und kontinentaleuropäischer Verwaltungskultur herkömmlich nicht auf den Unterschied zwischen managerialistischer und legalistischer Bürokratie ab. 67 Der politische Faktor ist die Bezugsgröße. Dort ist es die Civic Culture-Administration, die in historischer Kontinuität eines politisch-demokratischen Regimes steht, das Verwaltungen hervorbringt und begrenzt. Welche Eigendynamiken solche öffentlichen Bürokratien dann auch immer hervorbringen, sie müssen sich in der fortdauernden demokratisch-partizipativen Ordnung einer bürgerschaftlichen Kultur defInieren. Demgegenüber ist auf dem alten Kontinent die Bürokratie älter als die Demokratie. Sie verkörpert die historische Kontinuität gegenüber wechselnden politischen Regimen von Monarchien, Republiken, Diktaturen, Demokratien und stellt im Vergleich ein ,,klassisches" administratives System dar. 68 Die politischen Schulen im Studium der öffentlichen Verwaltung der USA decken ein breites Spektrum von Gegenständen und Methoden ab. So scheint zum Beispiel die Fallrnethode besonders geeignet, dem Studenten ein "Gefühl" fiir das Politische in den Verwaltungsgeschäften zu vermitteln, jedenfalls mehr als in den Lehren orthodoxer Verwaltungsprinzipien. Die Theorie- und Methodenvielfalt hat zum Beispiel in jüngster Zeit die Rezeption der Diskurstheorie hervorgebracht. Unter der Bezeichnung ,,Postmodern Public Administration" wird die Kommunikation in öffentlichen Angelegenheiten diskutiert. 69 In den Gegenständen wird die Breite politischer Einflussfaktoren abgehandelt, nicht zuletzt die Macht der öffentlichen Verwaltung selbst. Das Verhältnis der "professional schools" des Verwaltungs studiums zu den ,,Political Science Departrnents" ist nicht spannungs frei. Das hindert indessen nicht an der breiten Rezeption politikwissenschaftlicher Erkenntnisse. Public Administration hat demgegenüber die Sicherheit des Gegenstandes der öffentlichen Verwaltung, mit dem nicht nur die kontinentaleuropäische Politologie gewisse Schwierigkeiten hat.
Aaron Wildavsky, The Politics ofthe Budgetary Process, Boston 1964. Ferrel Heady, Public Administration, A Comparative Perspective, 4. Aufl., New Y orklBasel 1991. 68 Klaus König, Unternehmerisches oder exekutives Management - Die Perspektive der klassischen öffentlichen VelWaltung, in: ders., Zur Kritik eines neuen öffentlichen Managements, Speyerer Forschungsberichte 155, Speyer 1995. S. 49 ff. 69 Charles James Fox/Hugh T Miller, Postmodern Public Administration: Toward Discourse, Thousand Oaks 1995. 66
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Die englische Sprache bietet die Möglichkeit, die Dimensionen des Politischen in jeweils eigenen Begriffen zum Ausdruck zu bringen. ,,Polity" - als politisches Institutionengefüge, politische Ordnung, Verfassung; ,,Politics" - als Machtgenerierung, Konflikt, Konsens; ,,Policy" - als politischer Inhalt, politische Aufgabe. 70 "Public Policy" bezeichnet dann eine der wirkmächtigsten Schulen des Verwaltungsstudiurns in der jüngeren Zeit, die zu entsprechenden Gründungen von Studiengängen und Studienorganisationen geführt hat. Damit ändert sich freilich nichts daran, dass die öffentliche Verwaltung der Hauptort für Politikformulierung und Politikirnplementation ist und dort eben Berufschancen liegen. Entsprechend wird das Interesse von Public Policy nicht nur auf die inhaltliche Seite der Umweltpolitik oder Bildungspolitik oder Verkehrspolitik gerichtet. Vielmehr spielen prozessuale und methodologische Momente der Aufgabengestaltung eine Rolle. Damit sind auch schon zwei Nachbarschaften bezeichnet. Public Policy als Schule des Verwaltungsstudiurns überschneidet sich mit ,,Policy Analysis".7! Das ist ein breiter sozialwissenschaftlicher Ansatz der Politikfelduntersuchung. An diesem beteiligen sich mehrere Sozialwissenschaften mit Übergängen auch zu Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, und zwar durchaus auch ohne die Intention einer Professionalisierung von Studenten für öffentliche Berufe. Die andere Überschneidung besteht zur rationalistischen Schule des Managements. Das wird insbesondere an den reformorientierten Vorläufern von Public Policy in den sechziger Jahren auf dem Gebiet der öffentlichen Planung deutlich. Der Gedanke des Planning-Programrning-Budgeting Systems (PPBS) in den USA wurde folgerichtig als "Entscheidungshilfen für die Regierung Modelle, Instrumente, Probleme" durch die Politische Wissenschaft72 und als ,,Programmbudgets in Regierung und Verwaltung - Möglichkeiten und Grenzen von Planung und Entscheidungssystemen,,73 durch die Betriebswirtschaftslehre rezipiert. Die Fragen nach den Inhalten der öffentlichen Sachpolitiken, nach ihren Gründen, Voraussetzungen, Einflussgrößen, nach ihren Wirkungen und Folgen manifestieren sich auch in einem organisierten Politikzirkel. Es ist insbesondere die Ministerialverwaltung, die die Politik formuliert, Probleme identiftziert, an der Agendabildung und Zielfmdung mitwirkt und schließlich die Programme
70 Garl Böhret/Werner JanniMaria Therese Junkers/Eva Kronenwett, Innenpolitik und politische Theorie. Ein Studienbuch, 2. Aufl., Opladen 1982, S. 32. 71 Adrienne Windhoff-Heritier (Hrsg.), Policy-Analyse: Kritik und Neuorientierung, Sonderheft 24 der Politischen Vierteljahresschrift, Opladen 1993. 72 Garl Böhret, Entscheidungshilfen für die Regierung. Modelle, Instrumente, Probleme, Opladen 1970. 73 Heinrich Reinermann, Programmbudgets in Regierung und Verwaltung. Möglichkeiten und Grenzen von Planungs- und Entscheidungssystemen, Baden-Baden 1975.
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schreibt. Programme vollziehen sich nicht von selbst, sondern bedürfen der Konkretisierung, der Mittelverteilung, der Einzelfallentscheidung. Dazu sind die öffentlichen Vollzugsverwaltungen da. Folgen und Wirkungen der Sachprogramme müssen überprüft werden, sei es durch Kontrollinstanzen wie Rechnungshöfe, sei es als Rückkopplung fiir Revisionen durch die Ministerialverwaltung selbst. Der Verwaltungsfaktor ist also bei allem dabei, es sei denn, man wollte ihn analytisch ausklammern. Für ein professionelles Verwaltungsstudium ist es eher eine Schwerpunktfrage, ob man dem Namen von Public Policy oder von Public Management den Vorrang gibt. 3. Organisations-Schule der öffentlichen Verwaltung Die Beziehungen verwaltungsrelevanter Wissenschaften zwischen den Vereinigten Staaten und Kontinentaleuropa sind nach dem Zweiten Weltkrieg durch einen starken Wissenstransfer von West nach Ost in den Sozial-, Politik-, Wirtschafts- und Managementlehren geprägt. Das f,illt umso mehr auf, als die Praxis der alten europäischen Verwaltungsstaaten nicht gerade offenkundig hinter der der neuen Welt zurückfällt. Wer einen Modernisierungsrückstand konstatiert, muss sich schon an die Modernisierungsrhetorik gehalten haben. Das QualifIkationsniveau von Feldverwaltungen und Schalterbeamten hat er wohl nicht im Auge gehabt. Vor diesem Hintergrund fallt es umso mehr auf, dass eine weitere Hauptströmung des Verwaltungsstudiums in den USA in Max Weber ihren Gründungsvater hat. Webers Bürokratieforschung wurde insoweit nicht als Herrschafts-, sondern als Organisationstheorie rezipiert. Deswegen wurde er nicht in eine weitere politische Schule eingeordnet. Vielmehr gab er einer organisationswissenschaftlichen Strömung die Grundlagen. 74 Ausgangspunkt der organisationswissenschaftlichen Auseinandersetzung war zunächst der Idealtypus der Bürokratie und deren Merkmale selbst, wobei die Bezeichnung "bureaucratic model" den wissenschaftstheoretischen Status einschlägiger Aussagen - etwa präskriptiv/deskriptiv - oft unklar erscheinen ließ. Kriterien wie Regelbindung, Unpersönlichkeit, Aktenf6rrnigkeit wurden so als Dysfunktionen behandelt. Disziplinärer Druck, Unfahigkeit aus Irrtümern zu lernen, Ungleichgewicht zwischen Fähigkeiten und Autorität, unkontrollierbares Wachsturn, schließlich Inhumanität wurden kritisiert. Informale Gruppen und persönliche Indifferenz schienen der Ausweg insbesondere in der Großorganisation zu sein.
74 Dwight Waldo, Zur Theorie der Organisation: Ihr Stand, ihre Probleme, in: Der Staat 1966, S. 287 ff.
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Andere hielten daran fest, dass die bürokratische Organisation eine angemessene Antwort fiir die Anforderungen der modemen Gesellschaft sei. Sie verwiesen darauf, welche Fortschritte Wirtschaft und Gesellschaft in der Zeit bürokratischer Verwaltung zu verzeichnen haben: die Ausweitung der Lebensalternativen, das Einkommenswachstum, die bessere medizinische Versorgung, die schnelleren Kommunikationsmöglichkeiten, die gestiegene Mobilität, weiter die Herstellung von mehr Gleichheit, die Verbreiterung des Wohlstandes, der Minderheitenschutz usw. Nicht zuletzt wurde auf den Zusanunenhang von bürokratischer Verwaltung und Massendemokratie verwiesen. Dies alles blieb wiederum nicht ohne Widerspruch. Die bürokratische Organisation ist bis auf den heutigen Tag ein verwaltungswissenschaftlicher Gegenstand von Rede und Gegenrede. 75 Entsprechend ist in den organisationswissenschaftlichen Strömungen des Verwaltungsstudiums immer wieder auch nach Alternativen Ausschau gehalten worden: etwa nach anderen Umgangsformen mit dem Bürger, nicht die Segmentierung seiner Anliegen, sondern seine ganzheitliche Behandlung als Klient oder die Verhandlung mit dem Bürger als Kooperationspartner, weiter nach innen die Abflachung der Hierarchien, die Bildung von Teams usw. Die organisationswissenschaftliche Schule des Verwaltungs studiums wurde und wird insbesondere von Soziologie und Sozialpsychologie gefördert. Die Organisationsproblematik wird über die bürokratischen Fragestellungen hinaus ausgeweitet. Thematisch werden Fragen des Verhaltens in kleinen Gruppen, der persönlichen Motivation am Arbeitsplatz, der Führerschaft, des Stresses in Organisationen, des Machtkampfes im organisierten Kontext usw. aufgegriffen. Von besonderem Interesse ist die Frage des Entscheidungsverhaltens und welches Niveau der Rationalität insoweit in Organisationen zu beobachten ist, etwa ob und wie ,,zufriedenstellende" Rationalität besteht. Studien beschäftigen sich mit der Rückkopplung in der Verwaltung. Handbücher fassen schließlich Empirie und Theorie zu Motivation, Kommunikation, Partizipation, Gruppenverhalten, Entscheidungsfmdung, Führerschaft, Konflikt, organisatorischem Gleichgewicht, Macht, Autorität, Perzeption, Stress, organisierten Wandel zusammen und machen sie so fiir das Verwaltungsstudium fruchtbar. 4. Reeht als Binnenströmung von Public Administration
Die Verwaltungswissenschaft in den USA ist so zu einem guten Teil Kritik an sich ausweitenden öffentlichen Bürokratien, und zwar auch unter dem Stich-
75 Howard E. McCurdy, Public Administration: A Synthesis, Menlo Park, Calif. u.a. 1977, S. 70 ff.
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wort des Verwaltungsstaates. 76 Sieht man darauf, wie die Staatsidee in Kontinentaleuropa durch den Rechtsstaatgedanken ergänzt worden ist, dann ist weiter zu vermerken, dass auch das Recht fiir die amerikanische Verwaltungswissenschaft nicht die Beschreibung der öffentlichen Verwaltung liefert, um die Bürokratiekritik zufriedenstellend abzumildern. Weit verbreitet gilt der Satz: "That the study of administration should start from the base of management rather than the foundation oflaw".77 Das bedeutet nicht, dass es kein Verwaltungsrecht an den Law Schools gibt. Auch auf dem Gebiet von Public Administration werden Rechtsphänomene zur Kenntnis genommen. So gehört es zum Respekt politisch-demokratischer Institutionen, dass die Kontrolle der Verwaltung durch die Gerichte beobachtet und bewertet wird, wobei die Wertschätzung nicht spezifisch juristisch erfolgt. 78 Überdies gibt es Lehrbücher über öffentliche Verwaltung, die auf das Recht als "Legal Context of Public Administration" eingehen. 79 Umgekehrt gibt es auch anerkannte Lehrbücher, bei denen zwar der Ethik, aber nicht dem Recht der öffentlichen Verwaltung Aufmerksamkeit gezollt wird. Im Grunde kann man kritisieren, dass das Recht aus dem Studium der öffentlichen Verwaltung ,,herausgelesen" worden ist. Eine Überprüfung der Jahrgänge der Public Administration Review von 1949 bis 1969 hat ergeben, dass ein Prozent aller Artikel dem Verwaltungsrecht zugerechnet werden konnte. Allerdings ist die Zahl in den achtziger Jahren gestiegen bis zu dem Umstand, dass "Lawand Public Affairs" ein eigenes Themenheft gewidmet wurde. Es gibt Stimmen, die die Geringschätzung des Rechts in Public Administration als Selbstzerstörung bezeichnen. 8o Heute kann man freilich beobachten, wie das Recht als Fundament der öffentlichen Verwaltung immer mehr ins Spiel gebracht wird, in Fragen der Steuerungsinstrumente, des Verwaltungsverfahrens, des individuellen Rechts, der Verantwortlichkeit, der Gleichberechtigung, der Verfassungsgrundlagen, der Korruption, der ,,maladministration", der Patronage usw. Zwar bedeutet die Rule of Law fiir die amerikanische Verwaltung nicht das, was das Rechtsstaatsprinzip in der kontinentaleuropäischen Verwaltung vermag. Aber die Rule of Law ist so eng mit dem demokratischen Prinzip ver-
76 Dwight Waldo, The Admini~trative State: The Study of the PoIitical Theory of American PubIic Administration, New York 1948. 77 Leonhard D. White, Introduction to the Study of PubIic Administration, 4. Aufl., New York 1955. 78 James W. Fesler, Public Administration: theory and practice, Englewood Cliffs 1980. 79 John M. PfiffnerlRobert Presthus, Public Administration, 5. Aufl., New York 1967. 80 Dwight Waldo, Scope of the Theory of Public Administration, in: James C. Charlesworth (Rrsg.), Theory and Practice of Public Administration: Scope, Objectives and Methods, Philadelphia 1968, S. 1 ff.
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bunden, dass sie wirkmächtig bleibt. Letztlich ist Public Administration zu pragmatisch, um an der Realität der Rechtsphänomene vorbeigehen zu können. Und diese Realität ist auf Grund verschiedener Einflussfaktoren wirkmächtig. Dazu gehört die Verpflichtung der öffentlichen Verwaltung auf die Verfassung. Weiter geht die Verwaltung der öffentlichen Wohlfahrt nicht an der Volksrepräsentanz vorbei. Auch in den USA bestimmen die Leistungsgesetze der Volksvertretungen die administrativen Vollzüge. Sozialleistungen werden immer stärker - man schätzt 60 % - in Rechtstitel gegossen, die zu entsprechenden Reaktionsmustern von Bürger und Staat fiihren. So wird der Kontext von Kongress und Verwaltungsstaat in den USA im Thema "Building a Legislative-Centered Public Administration" zusammengefasst. 81 Überdies hat eine wachsende JuridifIzierung des gesellschaftlichen Lebens durch anwaltlich betriebene Gerichtsprozesse in den Vereinigten Staaten auch die öffentliche Verwaltung erfasst. Schließlich haben auch globalistisch-ökonomisch geprägte Ansätze zu den öffentlichen Angelegenheiten realisiert, dass Staatsapparate nicht nur den Ordnungsrahmen fiir Märkte zu gewährleisten haben, sondern dass dies auch durch Recht und Rechtsinstanzen zu erfolgen hat. Zu "Good Governance" als politisch-administrativer Steuerung gehören die "Rule of Law", eine verlässliche Rechtsordnung, Unabhängigkeit von Gerichten, Absicherung von Rechten, Stabilität des Rechts USW. 82 Public Administration US-amerikanischer Provenienz ist ein großer "global player" in der verwaltungswissenschaftlichen und verwaltungspraktischen Kommunikationsgemeinschaft. Der American Way of Life, hier in Verwaltungsangelegenheiten, wird überall propagiert, in der Mongolei und in Chile, in Finnland und Südafrika, dazu noch mediatisiert durch internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, die Weltbank, die OECD. Bei allem Parochialismus des Verwaltungsstudiurns, wie er auch von amerikanischen Akademikern kritisiert wird, gibt es doch eine Selbstbeschreibung als "global professional technocracy".83 Auch insoweit ist das Studium der öffentlichen Verwaltung in den USA nicht rechtsblind. Freilich bleibt der Unterschied zwischen einem vorwiegend managerialistisehen Verständnis der öffentlichen Verwaltung in der anglo-amerikanischen Welt und einem vorwiegend legalistischen Verständnis in Europa bestehen. Wir haben es mit zwei verschiedenen kulturellen Lagen zu tun. Im kontinentaleuropäischen Falle geht es um eine Grundorientierung an konditionalen Gesetzen, die akzessorisch mit Mitteln ausgestattet sind und entsprechend vollzogen wer81 David H. Rosenbloom, Building a Legislative-Centered Public Administration: Congress and the Administrative State, 1946-1999, Tuscaloosa 2002. 82 Worldbank (Hrsg.), The State in aChanging World, World Development Report 1997, New York 1997. 83 Richard J. Stillman, Preface to Public Administration: Search for Themes and Directions, New York 1991, S. 77 fT.
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den. Die empirische Überprüfung von Arbeitsvorgängen etwa in der deutschen Verwaltung belegt, dass bei einem beachtlichen Prozentsatz der Geschäftserledigungen die Kenntnis von Rechtsvorschriften erforderlich ist und entsprechend das Recht als maßgeblicher Teil des Verwaltungshandelns verstanden wird. 84 In Europa muss auch eine nicht-rechtsdogmatische Verwaltungswissenschaft die legalistische Verwaltungskultur perzipieren. In den USA ist das Verwaltungshandeln pragmatisch gesehen zunächst einmal Geschäftsbetrieb. Die Vorgaben von Gesetzgebung und Regierung fmden sich in gouvernementalen Programmen mit Finalitäten und Ressourcen, die effektiv und effIZient, eben managerialistisch zu implementieren sind. Der ebenfalls hohe Anteil rechtlicher Größen beim Verwaltungshandeln in den USA ändert nichts daran, dass sie - eher vergleichbar dem privatwirtschaftlichen Handeln - als "Context of Public Administration" begriffen werden. Sie sind Rahmenbedingungen des primär als managerialistisch verstandenen Handelns. Charakteristisch ist die Einschätzung der Relevanz des Verfassungsrechts als "Constitutional Competence for Public Managers".85 Für den äußeren Beobachter mag es um graduelle Fragen der Kommunikation nach Maßgabe von Recht, Macht, EffIZienz usw. gehen. Im Wissenschaftsbetrieb freilich vermittelt nach den kulturellen Bedingungen der USA anders als in Kontinentaleuropa das Studium des Rechts nicht die sicherste Wissensbasis für Verwaltungsberufe.
IV. Transdisziplinarität einer integrativen Verwaltungswissenschaft 1. "Discipline-carrefour"lIntegrative Verwaltungswissenschaft
In den Kemländern des klassischen Verwaltungssysterns Kontinentaleuropas, in Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich wird man der Verwaltungswissenschaft als grundständiges Studienfach, als disziplinärer Ort geplanter, organisierter, ausgestatteter Wissenschaft nach Art des amerikanischen Faches Public Administration keine günstige Prognose geben können. Es bleibt also die Frage nach der Transdisziplinarität der Verwaltungswissenschaft, jener Wissenschaftsform, die die Fachgrenzen aufhebt, die die Verwaltungswissenschaften multidisziplinär aufgebaut haben und an denen Interdisziplinarität prinzipiell festhält. Mit dem Konzept der Transdisziplinarität wird ein wissenschaftstheore84 Gerhard Brinkmann/Wol[gang Pippke/Wol[gang Rippe, Die TätigkeitsfeJder des höheren Verwaltungsdienstes: Arbeitsansprüche, Ausbildungserfordernisse, Personalbedarf, Opladen 1973, S. 350 ff. 85 David H Rosenbloom/James D. Carroll/Jonathan D. Carroll, Constitutional Competence for Public Managers: Cases and Commentary, Itasca, IIl. 2000.
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tisches und forschungspraktisches Programm verbunden, dass dort, wo die Wissenschaft an problemlösender Kraft wegen der Spezialisierung eingebüßt hat, disziplinäre Engfiihrungen zugunsten einer Erweiterung wissenschaftlicher Wahrnehrnungsfähigkeit und Problemlösungskompetenzen wieder aufgehoben werden. S6 Der Erfahrungsgegenstand der öffentlichen Verwaltungen leidet in Kontinentaleuropa selbst bei Bedingungen von Multidisziplinarität und Interdisziplinarität an einer Asymmetrie von Problementwicklungen und wissenschaftlicher Fächerentwicklung. Das wurde in der Bundesrepublik Deutschland etwa in den 1970er Jahren deutlich, als Reformen des territorialen Verwaltungszuschnitts, der Aufgabenzuordnung, des öffentlichen Dienstes, der Aufgaben- und Finanzplanung auf der politischen Tagesordnung standen. Auch bei der Vereinigung Deutschlands wurde sichtbar, dass zum Aufbau von Regierungszentralen, zur Zuordnung öffentlichen Vermögens, zur Einrichtung einer Mittelinstanz in Flächenländern usw. mehr gesagt werden musste, als die herkömmlichen verwaltungsrelevanten Disziplinen zu bieten in der Lage waren. Entsprechend wurden in Europa - wiederum mit einem Schwerpunkt in den 1970er Jahren - in vielen Ländern verwaltungswissenschaftliche Ansätze jenseits tradierter Disziplinen entwickelt, wobei quantitativ die Science administrative in Frankreichs7 und die Verwaltungslehre in Deutschland besonders zu nennen sind. Zwar rückten solche Ansätze angesichts wissenschaftlicher und praktischer Traditionen in die Nähe einer Hilfswissenschaft der Verwaltungsrechtslehre. Indessen gab es zwei Aspekte, die etwa im deutschen Falle auf Transdisziplinarität hinwiesen: zum einen das historische Erbe einer Verwaltungslehre im Sinne der gesamten Staatswissenschaften, zum anderen der Umstand, dass es nicht nur um eine empirisch-deskriptive Komplementärwissenschaft zur normativ-rationalen Verwaltungsrechtslehre ging, sondern im Namen der Verwaltungspolitik auch die Fragen einer rationalen Gestaltung der öffentlichen Verwaltung integriert wurden - wenn man so will: eine Antizipation der späteren Policy-Analyse in Verwaltungsangelegenheiten. Charakteristisch ist eine französische DefInition von Science administrative. Die Verwaltungswissenschaft gilt als eine "discipline-carrefour", die aus der Zusammerifassung der Ergebnisse vieler anderer Wissenschaften entsteht: Aber 86 Jiirgen Mittelstmß, Transdisziplinarität, in: Jürgen MittelstraßIMartin Carrier/ Gereon Wolters (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Band 4, Stuttgart/Weirnar 1996, S. 329. 87 Vgl. etwa Jean-Marie Auby, Traite de science administrative, Paris 1966; Bernard Gournay, Introduction ala science administrative: les administrations publiques dans les societes contemporaines, 2.ed., Paris 1970; Charles Debbasch, Science administrative: Administration publique, 2.ed., Paris 1972; Jacques Chevallier/Daniele Loschak, Introduction a la science administrative, Paris 1974; Roland Drago, Science administrative: caracteres generaux de la science administrative, les structures administratives, Paris 1977.
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trotzdem - oder eher dank dieser Umgruppierung und Integrierung der Schwesterwissenschaften - ergebe sich eine Originalität des Verwaltungsstandpunkts, der beim Studium der Sozialphänomene nicht zu entbehren sei. Man nütze die Resultate verschiedener Forschungen aus, indem man von einem Interessenzentrum als festem Anhaltspunkt ausgehe und sich in systematischer Weise die traditionell getrennten Wissenschaftszweige zunutze mache. Man gehe von dem Standpunkt aus, dass jeder dieser partikulären Wissenschaftszweige allein unfähig sei, alle spezifischen Fragen des gewählten Einheitsproblems ausführlich zu analysieren, und dass es nur durch organisierte Zusammenarbeit möglich sei, die relevanten Fragen zu erfassen. 88 Entsprechend gab es im deutschsprachigen Raum das Unternehmen, aus der Erkenntniswelt der damals noch existierenden rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät heraus, eine integrative Verwaltungswissenschaft - eben kulturell anders als Public Administration in den USA - zu begründen. 89 In Europa hat eine Verwaltungswissenschaft als Transdisziplin heute keine Konjunktur. Eher zieht man es vor, das Fach Public Administration aus den USA zu rezipieren, nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Skandinavien, in den Niederlanden, in Belgien, punktuell noch weiter und vielerorts auf dem Kontinent und dann auch in Mittel- und Osteuropa, wobei die sprachliche Dominanz des Anglo-Amerikanischen wirkmächtig ist. Unter multidisziplinären Bedingungen sehen sich die verwaltungsrelevanten Fächer relativ einig: So wird aus juristischem Munde dafiir plädiert, die Verwaltungsrechtslehre in einem interdisziplinären Forschungskonzept fortzuentwickeln, während die tradierte Verwaltungslehre als von zweifelhaftem Wert bezeichnet wird. 90 Zugleich spricht sich ein Politologe fiir die stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit in den Verwaltungswissenschaften aus. Die Verwaltungswissenschaft als Integrationswissenschaft erscheint ihm aber wiederum als zweifelhaft. 91 Bei solchen Meinungen wird übersehen, dass die Frage nach einer integrativen Verwaltungswissenschaft nicht nur eine akademische Angelegenheit ist. Es geht auch darum, die Stimme der kontinentaleuropäischen Klassik öffentlicher Verwaltung in der internationalen Kommunikationsgemeinschaft von Verwaltungswissenschaftlern und Verwaltungspraktikern zur Geltung zu bringen. In den Gremien von Verwaltungsexperten der Vereinten Nationen, der Weltbank, 88 So die charakteristische Stellungnahme von Georges Langrod, Frankreich, in: Verwaltungswissenschaft in europäischen Ländern: Stand und Tendenzen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 42, Berlin 1969, S. 26 ff. (44). 89 Klaus König, Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft, Berlin 1970. 90 Eberhard Schmidt-Aßmann, Einige Überlegungen zum Thema: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, in: Die Verwaltung 1999, Beiheft 2, S. 177 ff. 91 Jörg Bogumil, Zum Verhältnis von Politik- und Verwaltungswissenschaft in Deutschland, polis Nr. 54/2002, Arbeitspapiere aus der FernUniversität Hagen, S. 25.
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der OECD diskutiert man die öffentliche Verwaltung wn der Verwaltung willen und nicht spezifisch nach disziplinären Sichtweisen. In der OECD wurde lange Zeit ein ökonomischer Managerialismus anglo-amerikanischer Prägung als Königsweg öffentlicher Verwaltung angesehen. Westliche Länder mussten sich an einschlägigen Standards messen lassen. Insbesondere die deutsche Verwaltung geriet demgemäß in den Ruf einer gewissen Rückständigkeit. Realität ist aber, dass die deutsche Verwaltung in ihrer Leistungsfähigkeit durchaus mit Großbritannien oder den USA mithalten kann. Nur konnten wohl zu wenige die Gründe dafiir nennen, warwn die Verwaltung des Verkehrs, der Schulen, des Gesundheitswesens, warwn die ,,rule driven"-Verwaltung überhaupt in ihrer Performanz der managerialistischen Verwaltung überlegen sein könnte. 92 Schwerwiegender noch sind die Defizite in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit Ländern der Dritten Welt und der transformationspolitischen Zusammenarbeit mit postsozialistischen Ländern, die bis zu den Merkwürdigkeiten reichen, dass die Mongolei nach einem Neuseeland-Modell modernisiert werden soll.93 Hier kann man im Allgemeinen wie im Besonderen wiederwn auf die Vorzüge klassischer Verwaltungs systeme in Kontinentaleuropa verweisen. Im Allgemeinen wurzeln Länder wie Frankreich und Deutschland in einer Verwaltungsgeschichte, die eine merkantilistische Epoche aufzuweisen hat. Es gibt also eine Grunderfahrung, nach der Staat und Verwaltung die gesellschaftliche Entwicklungsagentur waren. 94 In der Verwaltung der Vereinigten Staaten von Amerika hat der Entwicklungsgedanke nur ausnahmsweise Platz, etwa im Falle der Tennessee Valley Authority.95 Im Besonderen bietet der Gegensatz zwischen Corps- beziehungsweise Laufbahngruppenstruktur in Kontinentaleuropa und Position classification in den USA ein Anschauungsbeispiel. Etwa beim Aufbau einer Steuer- und Zollverwaltung in Lateinamerika kann daraufverwiesen werden, dass das Karrieremuster klassischer Verwaltungssysteme bestimmte Bindungen an den Verwaltungs dienst schaffen kann, während die schlichte Einordnung in eine Vergütungsskala dazu führt, dass man sich in der Verwaltung ausbilden lässt, dann aber in die lukrative Beschäftigung des Privatsektors hüpft. 96 92 Vgl. Frieder Naschold, Ergebnissteuerung, Wettbewerb, Qualitätspolitik: Entwicklungspfade des öffentlichen Sektors in Europa, Berlin 1995. 93 Klaus König/Markus Adam, Neuer öffentlicher Managerialismus in der Transformationspolitik - der Fall der Mongolei, in: Eckhard Schröter (Hrsg.), Empirische Policy- und Verwaltungsforschung, Opladen 2001, S. 345 ff. 94 Wolfgang Schmidt-Streckenbach, VerwaItungsförderung: Historische Entwicklung und Verwaltung - Das Beispiel Preußen, Speyerer Forschungsbericht 37, Speyer 1984. 95 Arthur Ernest Morgan, Tbe making ofthe TV A, Buffalo, New York 1974. 96 Klaus König/Walter SchleicheriFriedrich Bolay, Zur entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit der lateinamerikanischen SteuerverwaItung, in: Verwaltungsarchiv Heft 4/1981, S. 316 ff. (S. 328).
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Der Mangel an Erkenntnissen integrativer Verwaltungswissenschaft schlägt schließlich auf die nationale Verwaltung zurück. So ist in Deutschland zum Beispiel fiir die Kommunalverwaltung ein Neues Steuerungsmodell propagiert worden, dessen Ableitung aus der Stadt Tilburg übersehen lässt, dass es sich um ein Modell anglo-amerikanischer Provenienz handelt. Eine solche Bewegung des One-Best-Way lässt sich kaum mit juristischen oder politologischen Einwänden aufhalten. Man hätte ihr - nicht nur mit einer Einzelstimme - aus Erkenntnissen einer integrativen Verwaltungswissenschaft heraus verdeutlichen können, dass die deutsche Verwaltung zwar durchaus und "where the coat fits" der Komplementarität betriebswirtschaftlicher Elemente bedarf. Aber gute Gründe sprechen gegen einen Paradigmenwechsel weg von der legalistischen Verwaltung hin zur managerialistischen Verwaltung. So ließen sich viele Entwicklungsdefizite mehr nennen, die aus dem Umstand rühren, dass das transdisziplinäre Projekt einer integrativen Verwaltungswissenschaft nicht genügend vorangetrieben wird, wie etwa der, dass bei der Weiterbildung von Führungskräften der öffentlichen Verwaltung immer mehr Praktiker vortragen, weil eben diese nicht dem Schema hoch spezialisierter Wissenschaften folgen, sondern auf umfassende Fragen aus dem Verwaltungs alltag auch komprehensive Antworten geben. 2. Theorien jenseits von Disziplinen
Sieht man das Desiderat einer integrativen Verwaltungswissenschaft als begründet an, dann stellt sich die Frage, ob es eine Theorie gibt, die einem solchen Wissenschaftsprogramm den transdisziplinären Überbau vermitteln kann. Für die integrative Verwaltungswissenschaft kommt es nicht darauf an, der Wissenschaftsleistung von transdisziplinen Theorien allgemein gerecht zu werden. Es genügt gleichsam in einer Schwachstellenanalyse die Belastbarkeit eines solchen Überbaus fiir die Erkenntnis der öffentlichen Verwaltung zu überprüfen. Es mag wie eine Reminiszenz erscheinen, wenn heute noch Marxismus und materialistische Dialektik genannt werden. Aber es muss gesehen werden, dass die marxistisch-leninistische Verwaltungswissenschaft - Organisations- und Leistungswissenschaft - Integrationsleistungen erbracht hat. 97 Das liegt an ihren Prämissen. Denn der Marxismus will mehr als eine Interdisziplin, nämlich Transdisziplin sein. 98 Er will Philosophie, Wissenschaft und Praxis in spezifi97 Vgl. Helmut Willke, Leitungswissenschaft in der DDR: Eine Fallstudie zu Problemen der Planung und Steuerung in einer entwickelten sozialistischen Gesellschaft, Berlin 1979. 98 Vgl. Andreas Strehle, Stufen sozialwissenschaftlicher Integration: Darstellung und Kritik bestehender und neuer Konzepte zur Integration der Sozialwissenschaften, Diss., St. Gallen 1978, S. 109 ff.
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scher Weise zusarrunenfiihren. Ein einheitlicher Begriffsapparat gilt als verpflichtend. Die Einzelwissenschaften werden auf eine gemeinsame Basis gestellt, bei der materielles gesellschaftliches Dasein und Klassenstandpunkt Eckpunkte markieren. Im Grunde sollen die verschiedenen Disziplinen zugunsten einer homogenen Transdisziplin aufgehoben und damit zu Teilbereichswissenschaften werden, in denen marxistisch gefasste Aspekte, wie eben die öffentliche Verwaltung, zum Ausdruck kommen. Die Macht eines Denkens, das in Kritik, Theorie und Praxis unteilbar erscheint, umfasst auch die Verwaltungswissenschaft. Die Kosten eines solchen Konzepts sind nicht einfach Ideologisierung. Man mag auch bei manchen westlichen verwaltungsbezogenen Modellen den Überschuss der Ideen über die Realitäten und das Realisierbare verzeichnen. Im Marxismus-Leninismus kamen aber zur Ideologie die Denkverbote. Bekannt geworden ist die Babelsberger Konferenz von 1958, bei der die Verwaltungsrechtswissenschaft der DDR als bürgerlich-formalistisches Relikt, als Differenzierung gegen die Einheit der Staatsmacht der Arbeiter und Bauern und gegen den demokratischen Zentralismus auf Jahre hin verboten wurde. 99 Aber es gab auch Verbote der empirischen Verwaltungsforschung. Wie mir aus Babelsberg berichtet worden ist, kam es in den 1980er Jahren zu Eingriffen von Seiten des Zentralkomitees, als eine Arbeitsuntersuchung mittelbar zeigte, dass leitende Verwaltungskader den Tag in Beratungsgremien verbrachten, um am Abend so zu entscheiden, wie es ohnehin von oben beschlossen war. In der westdeutschen DDR-Forschung war das als ,,konsultativer Autoritarismus" längst bekannt. 1OO Prohibitive Ideologisierung ist aber nicht das, was eine integrative Verwaltungswissenschaft überwölben kann. Zum Marxismus gehört der Gedanke, dass der Unterschied von Sein und Sollen überwunden werden kann. Auf empirische Fundamente bezieht sich demgegenüber ein Behaviourismus, wie er in der amerikanischen Verwaltungswissenschaft Bedeutung erlangt hat. Die einschlägige Verwaltungsschule hat sich indessen von den Ursprüngen der behaviouristischen Wissenschaftsphilosophie entfernt und ist zu dem geworden, was sich als "behavioral approach" bezeichnen lässt. 101 Es wird bei den beobachtbaren Tätigkeiten und Handlungen als empirisch fassbarer Basis angeknüpft. Man sucht nach den Regelmäßigkeiten
99 Stefan Güpping, Die Bedeutung der "Babelsberger Konferenz" von 1958 für die Verfassungs- und Wissenschaftsgeschichte der DDR, Berlin 1997, S. 149 fT.; ferner Karl Bönninger, Die Babelsberger Konferenz und das Schicksal der Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Jörn Eckert (Hrsg.), Die Babelsberger Konferenz vorn 2./3. April 1958, Baden-Baden 1993, S. 203 fT. 100 Peter Christian Ludz, Parteielite im Wandel, KölniOpladen 1968. 101 Peter H. Merkl, "Behavioristische" Tendenzen in der amerikanischen politischen Wissenschaft, in: Politische Vierteljahresschrift 1965, S. 58 fT.
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administrativen Verhaltens, nach der erfahrungsmäßigen Nachprüfung von Generalisierungen, nach präzisen Methoden, nach QuantiflZierungen. Man will empirische Theorien des Verwaltungshandelns, Systeme, Modelle entwickeln. Jedoch in der Fülle der Theorien, Systeme, Modelle, die auf menschliches Verhalten in der öffentlichen Verwaltung abstellen, äußert sich bereits wieder die Mehrwertigkeit der nordamerikanischen Verwaltungsforschung. Die Bezeichnung "administrative behavior" bleibt stehen. Aber die im strengen Sinne behavioristische Anknüpfung an die Positivität empirisch erfassbarer Verhaltensabläufe in der öffentlichen Verwaltung wird nicht durchgehalten. Vielmehr interessiert nicht die Regelhaftigkeit menschlicher Handlungen schlechthin, sondern gewisse Rationalitäten des Verwaltungshandelns bis hin zu der in der Spieltheorie angezielten Rationalität. \02 Die theoretischen Formalisierungen sind nicht nur solche aus der Formalität äußerlich beobachtbarer Aktionen und Reaktionen in der Verwaltung. Vom verhaltensorientierten Ansatz fUhrt der Weg zu einem in den USA spezifischen und einflussreichen Wissenschaftspragmatismus. Die amerikanische Verwaltungswissenschaft sieht die relevanten Vorstellungen, Begriffe, Urteile, Anschauungen auch als Regeln fiir administratives Verhalten an. Denn wissenschaftliches Denken wird als eine Aktivität verstanden, deren Sinn es ist, sich in äußeres Handeln: hier Verwaltungshandeln, umzusetzen. Die Kriterien wissenschaftlicher Wahrheit liegen in der praktischen Nutzanwendung fiir das Leben. Das Know-how - das Wissen, wie etwas gemacht werden muss - wird vorrangig. Die Nützlichkeit in den praktischen Konsequenzen ist Maßstab auch fiir Wissenschaftlichkeit. Die ,,Power to work" bedeutet die wissenschaftliche Bewährung. Eine solche Wissenschaftstheorie der Erfolgsabhängigkeiten bleibt auch bei methodologischen Verfeinerungen problematisch. In ihren Vergröberungen kann sie dahin neigen, die unreflektierte Alltagserfahrung als Wissenschaft zu nehmen. Ein undistanzierter Pragmatismus des Verwaltungshandelns kann angesichts des Standes multidisziplinärer und interdisziplinärer Verwaltungswissenschaften in Europa einem transdisziplinären Wissenschaftsprogramm zur öffentlichen Verwaltung keinen zufriedenstellenden Überbau vermitteln. Einem "behavioral approach" kann man die Public Choice-Schule entgegenstellen, die von vornherein an die Rationalität eines an Zwecken und Mitteln orientierten Handeins und an individuellen Präferenzen von Akteuren anknüpft. Mit diesem Rationalitätsanspruch lassen sich die Grenzen zwischen Erfahrungsgegenständen von Wirtschaft, Recht, Staat und korrespondierenden Wissenschaften niederlegen und von einer übergreifenden Transdisziplinarität ein102 Kennzeichnend ist v.a. das Werk von Herbert A. Simon, vgl. etwa: Administrative Behavior: A Study of Decision-making Processes in Administrative Organizations, 4. Aufl., New York 1997.
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schlägiger Erkenntnisse ausgehen. Das bedeutet nicht, dass die einzelnen sozialen Sphären keine Eigenheiten aufzuweisen hätten. Aber alle, auch die Politik, werden nach dem gleichen Verhaltensmodell gedeutet, nämlich dem der rationalen Verfolgung von Eigeninteressen nach Art eines Homo Oeconomicus. 103 Auch die öffentliche Verwaltung wird in Bürokraten als Individuen aufgelöst, die wie Unternehmer ihren Eigennutz verfolgen, freilich kein Gewinnziel haben, aber die Maximierung ihres Budgets einschließlich der PersonalsteIlen anstreben, da von deren Höhe Prestige, Machtfiille und auch Einkommen abhängig sind. Des Weiteren nutzen Ministerialbürokraten ihre InformationsvorspIiinge bei der Formulierung politischer Programme. In Konsequenz fallt die Versorgung mit politisch-administrativ produzierten Gütern gegenüber den privat angebotenen Produkten zu hoch aus und das politisch-ökonomische Gleichgewicht stellt sich mit einem möglichst großen Staatsanteil am Sozialprodukt ein. 104 Der das Budget maximierende Bürokrat ist eine "heroische" Annahme der Neuen Politischen Ökonomie, die der erfahrungswissenschaftlichen Überprüfung nicht standhält. So kommt zum Beispiel die empirische Untersuchung des Haushaltsverhaltens von Spitzenbeamten der US-amerikanischen Bundesverwaltung zur gegenteiligen Beobachtung des ,,Budget-Minimizing Bureaucrat". lOS Das heißt dann eben auch nicht, dass Verwaltungsleute die Bürgerinteressen repräsentativ im Haushalt wiedergeben. Wollte man Finanzierungsprozesse auf individuelle Akteure herunterbrechen, müsste man sich darüber Rechenschaft geben, dass allein durch den Umstand, dass ein der sozialpolitischen Untiefen überdrüssiger Kanzler, der den Spiegelreferenten Arbeit und Soziales in der Regierungszentrale durch einen Beamten des Finanzministeriums ersetzt, eine andere Lage von Informations- und Interessenberücksichtigung schafft. Es ist aber nicht bloß die Problematik einer Modellannahme, die die Public Choice-Schule in ihrem Erkenntnispotential fiir die öffentliche Verwaltung als begrenzt erscheinen lässt. Es gibt kaum ein soziales Phänomen, das wie die öffentliche Verwaltung den Menschen die Alltagserfahrung machen lässt, in eine Welt der Organisationen und Regelwerke hineingeboren zu werden und in ihr zu sterben. Und das ist auch die Erfahrung der Beamten in ihren eigenen Behörden. Wenn man heute eine Individualisierung beobachtet, die Institutionen wie Ehe, Familie, Nachbarschaft in Frage stellt, dann kann man umgekehrt ein wachsendes Angewiesensein des Individuums auf Staat und Verwaltung verzeichnen. Institutionen sind nicht vollkommen. Die Public Choice-Schule mag 103 James M. BuchananiGordon Tullock, The Calculus of Consent - Logical Foundations of Constitutional Democracy, Ann Harbor 1962. 104 William A. Niskanen , Bureaucracy and Representative Govemment, Chicago 1971; Peter BernholziFriedrich Breyer, Grundlagen der politischen Ökonomie, Band 2: Ökonomische Theorie der Politik, 3. Aufl., Tübingen 1994. 105 Julie Dolan, The Budget-Minimizing Bureaucrat? Empirical Evidence from the Senior Executive Service, in: Public Administration Review 2002, S. 42 ff.
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insofern kritisch-analytische Einsichten vennitteln, die Verbesserungen bürokratischer Organisationen und Prozesse reflektieren. Aber ein methodologischer Individualismus greift zu kurz, um Verwaltungsstaat und verwaltete Welt so zu verstehen, dass das Programm einer integrativen Verwaltungswissenschaft ausgefüllt werden könnte. Es ist das US-amerikanische Studienfach ,,Public Administration", das in seiner Theorien- und Methodenvielfalt in jüngster Zeit die Rezeption der Diskurstheorie hervorgebracht hat. Unter der Bezeichnung ,,Postmodern Public Administration" wird das kommunikative Handeln in öffentlichen Angelegenheiten diskutiert. 106 Man sollte sich insoweit nicht von missverständlichen Titeln irritieren lassen. \07 Für das Verwaltungs studium wird als maßgeblich angesehen, dass neotayloristischen Überzeichnungen eine politisch-partizipative Zivilkultur entgegengesetzt wird. In der Diskursbewegung setzt man sich mit Methodenfragen, aber auch mit Sachfragen wie der Verantwortlichkeit auseinander. Man erwartet von der Diskurstheorie davor gerettet zu werden, von einem ,,market-based rational-choice brand of thought" übernommen zu werden. \08 Damit sind jedenfalls die Fragehorizonte eines bloß technokratischen Professionalismus gesprengt. Die öffentliche Verwaltung ist das soziale System der Gesellschaft, in dem die verbindliche Allokation öffentlicher Güter und Werte vorbereitet und konkretisiert wird. Der Diskurs ist die argumentative, dialogisch konzipierte und methodisch reflektierte Form des über die vernünftige Rede vermittelten kommunikativen Handelns. Nur im herrschaftsfreien Diskurs ist die ideale Sprechsituation erfüllt. 109 In der US-amerikanischen Verwaltungswissenschaft wird die Frage erörtert, wo der Platz für einen solchen Diskurs zwischen Bürgern und nicht gewählten Amtsträgern sein kann. Verwiesen wird auf die Ausübung von Ermessen, die Begegnungen von kommunitaristischen Gruppen und Verwaltungsakteuren, intergouvernementale Kooperationen, Policy-Netzwerke, Verhandlungs lösungen bei Regulationen usw. 110 Aus der Erforschung der koopera106 Charles J. Fox/Hugh T. Miller, Postmodern Public Administration: Towards Discourse, Thousand Oaks 1995. 107 Zum Begriff der Postmoderne in der US-amerikanischen Verwaltungswissenschaft vgl. Peter Bogason, Postmodernism and American Public Administration in the 1990s, in: Administration & Society 2001, S. 165 ff. 108 Orion F. White Jr., The Ideology ofTechnocratic Empiricism and the Discourse Movement in Contemporary Public Administration: A Clarification, in: Administration & Society 1998, S. 471 ff. 109 Vgl. Jürgen Habermas, Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen HandeIns, Frankfurt a. M. 1984, S. 174 ff. 110 Charles J. Fox/Hugh T. Miller, Postmodern Public Administration: Towards Discourse, Thousand Oaks 1995; dies., Discourse, in: Jay M. Shafritz (Hrsg.), International Encyclopedia of Public Policy and Administration, Band 2, Boulder, Colorado 1998, S. 688 ff.
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tiven Verwaltung wissen wir allerdings, wie Verhandlungslösungen im "Schatten des Leviathans" zustande konnnen. 111 Auch in den Vereinigten Staaten besteht eine Grunderfahrung darin, dass eine konsensuale Integration des Klienten in die öffentliche Verwaltung nicht gelingt. Im Falle einer Sozialverwaltung ist man gescheitert, weil man nicht mehr mit knappen öffentlichen Mitteln umgehen konnte. Das lag nicht einfach daran, dass die Dotierungsinstanz Finanzmittel nur an eine Sozialbehörde mit solidem Progrannn zuweisen wollte. Die Behörde selbst musste sich vor unbegründeten Sozialansprüchen schützen können. Die einschlägigen Mechanismen versagten, weil die Ausdifferenzierung einer mit Autorität ausgestatteten Geberseite aufgegeben worden war. 112 Die Diskurstheorie mag hiernach darauf aufinerksam machen, wie sehr die öffentliche Verwaltung in der modemen Zivilgesellschaft auf Akzeptanz angewiesen ist. Der Alltag der Verwaltung, sei es der der Sozialverwaltung oder der Finanzverwaltung, der der Gewerbeaufsicht oder der der Verkehrspolizei ist indessen von ihren Herrschaftsmöglichkeiten geprägt. Eine in diesem Sinne antiautoritative Diskurstheorie ist nicht geeignet, einer integrativen Verwaltungswissenschaft den transdisziplinären Überbau zu vermitteln. Die Kategorie des Systems gehört zu den begrifflichen Grundausstattungen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Es könnten viele Systemtheorien in ihrer Relevanz für die öffentliche Verwaltung genannt werden, in transdisziplinärer Absicht nicht zuletzt die Theoretiker des politischen Systems. 1\3 In Speyer konnnt freilich Niklas Luhmann ins Blickfeld, der als Forschungsreferent der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in einer Reihe von Veröffentlichungen zur öffentlichen Verwaltung 1966 auch eine "Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme und Entwurr.! 14 vorgelegt hat. Das Verwaltungssystem gilt hier als IdentifIkation eines Sinnzusannnenhanges von Handlungen, die teilweise aufgrund der eigenen Ordnung, teilweise aufgrund von Umweltbedingungen gegenüber einer äußerst komplexen, veränderlichen, im Ganzen nicht beherrschbaren Umwelt relativ einfach und konstant gehalten wird. Als Leistung gesehen wird die Systembildung als Reduktion von Komplexität und Veränderlichkeit der Umwelt auf Ausmaße, die sinnvolles 111 Vgl. Nicolai Dose, Die verhandelnde Verwaltung - Eine empirische Untersuchung über den Vollzug des Inunissionsschutzrechts, Baden-Baden 1997. 112 Orion White, The Dialectica1 Organization: An Alternative to Bureaucracy, in: Public Administration Review 1969, S. 35 ff.; Howard E. McCurdy, Public Administration: A Synthesis, Menlo Park, California u.a. 1977, S. 346 ff. 113 Gabriel A. AlmondiG. Bingham Powell, Comparative Politics, Bostonlforonto 1978; David Easton, The Analysis ofPolitical Systems; in: Roy C. MacridisIBernard E. Brown (Hrsg.), Comparative Politics, Pacific Grove, Calif. 1990, S. 48 ff.; Helmut Willke, Systemtheorie, Stuttgart 1991. 114 Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme und Entwurf, Köln und Berlin 1966.
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menschliches Handeln erlauben, verstanden. Von der Beziehung zwischen System und Umwelt wird danach gemeint, dass sie zwar Kausalprozesse seien, aber durch systeminterne Selektionsvorgänge informationell gesteuert würden, so dass das System nicht allein durch die Umwelt determiniert werde, sondern gewisse begrenzte Autonomie besitze. Diese und die weiteren Theoriemodule ergeben ein eher "weiches" Reflexionsmuster, das sich für eine integrative Verwaltungswissenschaft, aber auch für eine interdisziplinäre Öffnung der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre l15 als fruchtbar erwiesen hat. Viele der einschlägigen Kategorien - etwa die Unterscheidung von Konditional- und Zweckprogrammen l16 - werden heute verwaltungswissenschaftlich verwendet. Der theoretisch stringente und authentische Luhrnann ist freilich der der Autopoiesis. Um es kurz zu machen: Mit der autopoietischen Wende 1l7 ging diese Systemtheorie für die integrative Verwaltungswissenschaft als transdisziplinärer Überbau verloren \l8, und zwar nicht, weil das Stichwort Verwaltung im Luhmannsehen Werk bedeutungslos geworden ist, sondern weil die autopoietische Systemtheorie in einen Konstruktivismus mündet, die dem Erfahrungsgegenstand der öffentlichen Verwaltung in der Wendung zum verwaltungswissenschaftlichen Erkenntnisgegenstand die Anschaulichkeit nimmt. Man mag dem entgegenhalten, dass Anschauungen an Formen sinnlicher Abbildung geknüpft sind. Indessen ist die Verwaltungswissenschaft an Begriffe der Alltagserfahrung gebunden. Sie verliert in dem Maße an Anschaulichkeit, wie sie den Kontakt mit der Primärerfahrung verliert. Das Luhmannsche Werk hat inzwischen eine affirmative wie kritische Sekundärliteratur ausgelöst, und zwar bis hin zur lexikalischen Erfassung. 119 Ich möchte deswegen versuchen, das, was ich kritisiere, mit einem einfachen Fall zu belegen. Die Beamtenschaft des Bundeskanzleramtes ist gehalten, zu jedem Tagesordnungspunkt der Kabinettssitzung einen entsprechenden Kabinettsvermerk vorzulegen. In diesem ist der anstehende Sachverhalt in allen Richtungen zu
115 Emil Walter-Busch, Organisationstheorien von Weber bis Weick, Amsterdam 1996, S. 215 f. 116 Niklas Luhmann, Funktionen und Folgen formaler Organisation, Berlin 1964, S. 231. 117 Hierzu etwa: Gcibor Kiss, Grundzüge und Entwicklung der Luhmannschen Systemtheorie, 2. Aufl., Stuttgart 1990, S. 89 ff. 118 Nicolai Dose, Systembildung, Erwartungsstabilisierung, Erwartungsgeneralisierung und Verwaltung in den frühen Arbeiten von Niklas Luhmann, in: Eberhard LauxlKarl Teppe (Hrsg.), Der neuzeitliche Staat und seine Verwaltung - Beiträge zur Entwicklungsgeschichte seit 1700, Stuttgart 1998, S. 267 ff. (S. 268). 119 Detle! Krause, Luhmann-Lexikon: eine Einftihrung in das Gesamtwerk von Niklas Luhmann, 2. Aufl., Stuttgart 1999; Claudio Baraldi/Giancarlo Corsi/Elena Esposito, GLU - Glossar zu Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1998.
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bewerten, rechtlich, insbesondere verfassungsrechtlich, volkswirtschaftlich wie betriebswirtschaftlich usw. Eine Hausanordnung der Regierungszentrale legt ausdrücklich fest, dass auch eine politische Bewertung vorzunehmen ist. Es kann festgestellt werden, dass diese Bewertungen unabhängig von der jeweiligen Vorbildung der Beamten gelingt, interessanterweise mit Einschränkungen im betriebswirtschaftlichen Teil. Mit der vor-autopoietischen Systemtheorie könnte man dieses Phänomen, das offenkundig Systemcharakter hat, analysieren und dabei zugleich anschaulich bleiben, und zwar im Sinne der Bindung an die Alltagserfahrung. Zuständigkeitsfragen könnten unter dem Vorzeichen der Organisationsstruktur, Arbeitsabläufe unter dem der Prozessstruktur, Sachverstandsfragen unter dem der Personalstruktur erörtert werden. Einflussgrößen der Umwelt wie der eigenen systemischen Ordnung könnten zusammengehalten werden usw. Die autopoietische Systemtheorie stellt ungleich konstruktivistischere Anforderungen. Die einschlägigen Regierungsgeschäfte des Bundeskanzleramts könnten nicht unter dem Blickwinkel eines politisch-administrativen Systems betrachtet werden. Denn wir haben es mit verschiedenen generalisierten Kommunikationsmedien zu tun - Recht, Geld, Macht - und die Technisierung dieser Codes bringt die Autopoiesis verschiedener Funktionssysteme hervor. Es geht also zugleich um das Rechtssystem, das Wirtschaftssystem, das politische System. Anschlüsse an das zweifellos politischere politische Teilsystem, nämlich das Kabinett, müssten durch weitere Hilfskonstrukte - strukturelle Kopplung, Kontextsteuerung usw. - gefimden werden. Durch solche Konstruktionen droht der Bezug zu den Begriffen der Alltagserfahrung, also zur Anschaulichkeit verloren zu gehen. Der bürokratische Widerstand ist nicht der Regelfall in einer Regierungszentrale. Aber er kommt vor. Und es wäre nützlich, dieses Phänomen mit der Kategorie der Selbstreferenz zu bearbeiten und diese nicht schlechthin zu unterstellen. Es gibt durchaus bürokratische Selbstregulative, die die Frage ihrer Verkopplung - Ankopplung oder Abkopplung - mit der formalen Regierungsorganisation aufwerfen, etwa ein parteipolitischer Zirkel von Mitarbeitern des Amtes. Aber dazu müsste man den Gedanken der strukturellen Kopplung nicht generell verbraucht haben. Es bestehen mediale Anpassungen an die Politiksprache des Kabinetts. So pflegt man nicht nach juristischer Manier · verfassungsrechtliche Bedenken anzumelden. Man WIll kein Bedenkenträger sein. Dem Politischen nähert man sich, indem man von verfassungsrechtlichen Risiken spricht. Aber letztlich ist man in der Regierungszentrale auf eine multimediale Kommunikation angewiesen. Die harte Sprache der Finanzdaten gilt für Spitzenbeamte wie Exekutivpolitiker gleichermaßen, obwohl sie von einem unterschiedlichen Rollenverständnis geprägt sind. Mit politisch geschönten Zahlen kommt man auf beiden Seiten nicht allzu weit.
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Es mag sein, dass "auch die neuere, von Verwaltung abstrahierende Theorie Niklas Luhmanns uns Verwaltung und Verwaltungen anders als üblich sehen" lassen kann. 120 Aber das ist hier nicht das Thema. Genauso ist einzuräumen, dass der Wissenschaft vielfach ein konstruktives Moment eignet. Jedoch ist die öffentliche Verwaltung kein Erfahrungsgegenstand, von dessen Alltagsbegriffen die Verwaltungswissenschaft einfach absehen kann - vielleicht ist dies der Unterschied zur Unanschaulichkeit der Gesellschaft als solcher. Die vorautopoietische Systemtheorie erlaubt analytische Zerlegungen der öffentlichen Verwaltung, die uns den Erfahrungsgegenstand nicht aus dem Auge verlieren lassen. Die autopoietische Systemtheorie zwingt zu einem Konstruktivismus, in dem die Verbindung mit den Begriffen des Verwaltungsalltags verloren gehen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass zu den nach der autopoietischen Wende untersuchten gesellschaftlichen Teilsystemen das Verwaltungssystem nicht mehr gehört. Zu vennerken ist auch, dass die autopoietische Systemtheorie in der durchaus theorieinteressierten amerikanischen Verwaltungswissenschaft nicht rezipiert worden ist. Eine transdisziplinäre Theorie, in deren Konstruktionen die Begriffe der Primärerfahrung verloren zu gehen drohen, stellt keinen belastbaren Überbau für eine integrative Verwaltungswissenschaft dar. 3. Thesen zur integrativen Verwaltungswissenschaft Die neuere Wissenschaftstheorie sieht Transdisziplinarität nicht in einem theoretischen, sondern einem forschungspraktischen, das heißt operationellen Sinne konkret werden. 121 Transdisziplinarität gilt insofern auch in erster Linie als ein Forschungsprinzip, erst in zweiter Linie, wenn auch die Theorien transdisziplinären Forschungsprogrammen folgen, als ein Theorieprinzip. Ich will nicht für mich in Anspruch nehmen, dass ich bereits an der Wende von den sechziger zu den siebziger Jahren diese Fonnel der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts beherrscht hätte. Es war mir aber erstens klar, dass es für die integrative Verwaltungs wissenschaft keine Theoriegewissheit gibt, und zweitens, dass Sprachlosigkeit nicht die Antwort auf den Modernisierungsdruck sein konnte, der auf moderne wie gegenmodeme und vonnodeme Verwaltungen ausgeübt wird.
120 Klaus DammannlDieter GrunowlKlaus P. Japp, Einleitung, in: dies. (Hrsg.), Die Verwaltung des politischen Systems: Neuere systemtheoretische Zugriffe auf ein altes Thema, Opladen 1994, S. 9. 121 Vgl. Jürgen Mittelstraß, Interdisziplinarität oder Transdisziplinarität?, in: Lutz Hieber (Hrsg.), Utopie Wissenschaft: ein Symposium an der Universität Hannover über die Chancen des Wissenschaftsbetriebs der Zukunft (2 \.122. November 1991), MünchenlWien 1993, S. 17 ff. (S. 27).
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Die Emeritierung eines Professors ist nicht der Zeitpunkt, einen Forschungsplan vorzulegen. Das Werk liegt auf dem Tisch. Andere urteilen, ob und wie es programmatisch zu verstehen ist. Es bleibt indessen die Freiheit, Thesen an die Tür zur Wissenschaft zu nageln. In diesem Sinne möchte ich mit zehn Leitsätzen zum transdisziplinären Projekt einer integrativen Verwaltungswissenschaft schließen: Erstens: Bei ausbleibender Disziplinbildung besteht Bedarf an einer integrativen Verwaltungswissenschaft in Kontinentaleuropa, insbesondere Deutschland. Weder gibt es die Theorie, die dafiir den transdisziplinären Überbau leisten kann, noch reichen tradierte Fächer wie Verwaltungsrechtslehre, Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung, politische Wissenschaft fiir sich aus, diesen Bedarf zu befriedigen. Zweitens: Eine bloße Rezeption des US-amerikanischen Studienfaches ,,Public Administration" greift zu kurz. Die eigene Leistungsfähigkeit des klassischen Verwaltungssystems Kontinentaleuropas mit seiner traditionsreichen Kultur muss aus nationalen wie internationalen Gründen, insbesondere auch im Blick auf Entwicklungs- und Transformationsländer wissenschaftlich reflektiert werden. Drittens: Die inhaltlichen Problemstellungen der Verwaltungswissenschaft sind freilich grenzüberschreitend weitgehend kanonisiert. Das dokumentieren Dutzende von Lehr-, Text-, Handbüchern der öffentlichen Verwaltung von den USA bis hin zu Deutschland. Viertens: Die Methodenfrage ist demgegenüber wissenschaftspluralistisch offen. Indessen gilt fiir Public Administration wie fiir die Verwaltungswissenschaft ein pragmatisches Relevanzkriterium. Das ergibt sich schon aus dem Bildungs- und Beratungsbezug zur Verwaltungspraxis. Überdies ist Anschaulichkeit insoweit erforderlich, wie die Verbindung zu den Begriffen der Alltagserfahrung öffentlicher Verwaltung geschaffen werden muss. Fünftens: Im Umgang mit den Grundstoffen öffentlicher Verwaltung - Verwaltungsakteure, Verwaltungshandeln, Verwaltungskultur, Verwaltungstechnologie usw. - sind es die Verwaltungsinstitutionen, die einer integrativen Verwaltungswissenschaft methodischen Halt geben. Das lehrt der Institutionentransfer bei der nachholenden Modernisierung in Entwicklungs- und Transformationsländern wie auch die Institutionenpolitik bei der weitergehenden Modernisierung moderner Verwaltungen. Sechstens: Für die weitere methodologische Verständigung ist die klassische Unterscheidung zwischen Verwaltungs lehre und Verwaltungspolitik instruktiv. Bei der Verwaltungslehre geht es herkömmlicherweise um die Beschaffenheit der öffentlichen Verwaltung, bei der Verwaltungspolitik - wie bei jeder Sachpolitik - um die Gestaltung, hier der öffentlichen Verwaltung.
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Siebentens: Mit der Verwaltungspolitik kann man Anschluss an die PolicyForschung bis hin zur Public Choice-Schule fmden. Eine fiir die integrative Verwaltungswissenschaft insoweit interessante Forschungsheuristik ist die des akteurszentrierten Institutionalismus 122, bei dem es darum geht, das Zusammenwirken von Individuen, Gruppen, Organisationen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme im institutionalisierten Handlungskontext hier der öffentlichen Verwaltung zu betrachten. Achtens: Die Beschaffenheit der öffentlichen Verwaltung - das erste Interesse von Verwaltungs lehre wie Public Administration - lässt sich indessen von einem an individuellen Handeln und Akteursverhalten orientierten Institutionalismus nicht hinreichend aufklären. Die Verwaltungspolitik erreicht immer nur Teilbereiche der Verwaltung, selbst bei umfassenden Absichten. Überdies wird die Perzeption stark von der Genese - vom "Spiel" - der Verwaltungspolitik bestimmt. Es bedarf eines originären Institutionalismus, der davon ausgeht, dass der Mensch in der Gesellschaft immer institutionell gebunden, die Verwaltung von vornherein Regeln unterworfen und organisiert ist. Neuntens: Ein systemischer Institutionalismus kann von dem Grundzug der Modeme ausgehen, das nämlich die öffentliche Verwaltung eine ausdifferenzierte soziale Handlungssphäre ist, die nach eigenen Prinzipien rationalisiert wird. Es geht also um die Systemrationalität der institutionalisierten Verwaltung. Hier liefert die idealtypische Methode hilfreiche Hinweise, um mit der Welt der Beobachtungen und Realitäten wie mit der Welt der Ideen und Normativitäten Verbindung zu halten. Es müssen jene Struktur- und Funktionsprinzipien herausgearbeitet werden, die die innere Ordnung der Verwaltung konstituieren und den Anschluss an die Steuerungsmuster der Verwaltungsumwelt herstellen. Zehntens und überhaupt: Die tradierten Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften müssen interdisziplinäre und transdisziplinäre Projekte nicht nur auf dem Gebiet der öffentlichen Verwaltung ganz anders fOrdern, und zwar faktisch, wollen sie in der von sich entgrenzenden Naturwissenschaften dominierten Forschungsgemeinschaft mithalten und gegenüber ihrem jeweiligen Praxisfeld sprachmächtig bleiben.
122 Renate MayntziFritz w: Scharpf, Der Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus, in: dies (Hrsg.), Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung, Frankfurt a. M./ New York 1995, S. 40 ff.
Teilnehmerverzeichnis
1.
von Arnim, Dr. Hans Herbert
Universitätsprofessor, Deutsche Hochschule für VelWaltungswissenschaften Speyer
2.
Banner, Gerhard
Professor, Bad Honnef
3.
Bauer, Dr. Hartmut
Universitätsprofessor, Technische Universität Dresden
4.
Beck, Dr. Dieter
Privatdozent, Forschungsreferent, Forschungsinstitut für öffentliche VelWaltung bei der Deutschen Hochschule für VelWaltungswissenschaften Speyer
5.
Beckers, Sabine
Lektorat, Carl Heyrnanns Verlag KG, Köln
6.
Benz, Dr. Angelika
Speyer
7.
Benz, Dr. Arthur
Universitätsprofessor, FernUniversitätGesamthochschule - in Hagen
8.
Bogumil, Dr. Jörg
Privatdozent, Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Sozialwissenschaften -
9.
Bohne, Dr. Eberhard
Universitätsprofessor, M.A., Deutsche Hochschule für VelWaltungswissenschaften Speyer
10. Böhret, Dr. Carl
em. Universitätsprofessor, Speyer
11. Bolay, Dr. Friedrich
Professor, VelWaltungsfachhochschule in Wiesbaden
12. Bouckaert, Dr. Geert
Professor, Direktor, Katholieke Universiteit LeuvenIBelgien
13. Brede, Dr. Helmut
Universitätsprofessor, Stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Forschungsinstituts, Universität Göttingen - Institut für Rechnungs- und Prüfungswesen privater und öffentlicher Betriebe -
13 Ziekow
194
Teilnehmerverzeichnis
14. Brenski, Carsten
Assessor, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
15. Brohm, Dr. Winfried
Universitätsprofessor, Universität Konstanz
16. Bull, Dr. Hans Peter
Universitätsprofessor, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Forschungsinstituts, Universität Hamburg - Seminar für Verwaltungslehre -
17. Buschor, Dr. Ernst
Professor, Regierungspräsident, Bildungsdirektor des Kantons Zürich/Schweiz
18. Duwendag, Dr. Dieter
Universitätsprofessor, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
19. Engel, Dr. Christoph
Universitätsprofessor, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Forschungsinstituts, Max-Planck-Projektgruppe Recht der Gemeinschaftsgüter, Bonn
20. Fenske, Dr. Hans
Professor, Speyer
21. Fisch, Dr. Rudolf
Universitätsprofessor, Rektor, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
22. Fisch, Dr. Stefan
Universitätsprofessor, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
23. Füchtner, Dr. Natascha
Referentin, Thüringer Innenministerium, Erfurt
24. Gebauer, Dr. Klaus-Eckart
Professor, Direktor, Landtag RheinlandPfalz, Mainz
25. Grunow, Dr. Dieter
Universitätsprofessor, Universität Duisburg
26. Grunwald, Dr. Klaus-Dieter
Oberkirchenrat, Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, Darmstadt
27. Heyen, Dr. Erk Volkmar
Universitätsprofessor, Ernst-Moritz-AmdtUniversität Greifswald
28. Hili, Dr. Hermann
Universitätsprofessor, Prorektor, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
29. HojJmann-Riem, Dr. Wolfgang
Universitätsprofessor, Universität Hamburg
30. Jann, Dr. Werner
Universitätsprofessor, Universität Potsdam
Teilnehmerverzeichnis
195
31. Jansen, Dr. Dorothea
Universitätsprofessorin, Deutsche Hochschule rur Verwaltungswissenschaften Speyer
32. Kind, Volker
Lektorat, Carl Heymanns Verlag KG, Köln
33. Klages, Dr. Helmut
em. Universitätsprofessor, Deutsche Hochschule rur Verwaltungswissenschaften SpeyerlHeidelberg
34. König, Dr. Dr. Klaus
Universitätsprofessor, Ministerialdirektor a.D., Deutsche Hochschule rur Verwaltungswissenschaften Speyer
35. König, Dr. Michael
Regierungsdirektor, Referatsleiter Organisation, Thüringer Innenministerium, Erfurt
36.
Laubinger, Dr. Hans-Wemer
Universitätsprofessor, M.C.L., Johannes Gutenberg-Universität Mainz - Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften -
37. Laux, Dr. Eberhard
Professor, Landrat a.D., Düsseldorf
38. Lüder, Dr. Dr. h. c. Klaus
Universitätsprofessor, Deutsche Hochschule rur Verwaltungswissenschaften Speyer
39. Montoro Chiner, Dr. Maria Jesus
Universitätsprofessorin, Universität Barcelona/Spanien
40. Morsey, Dr. Rudolf
em. Universitätsprofessor, Deutsche Hochschule rur Verwaltungswissenschaften Speyer/Neustadt an der Wein straße
41. Murswieck, Dr. Axel
Professor, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg - Institut rur Politische Wissenschaft -
42. Niedobitek, Dr. Matthias
Universitätsprofessor, Technische Universität Chernnitz
43. Pitschas, Dr. Rainer
Universitätsprofessor, Dipl.-Verwaltungswirt, Deutsche Hochschule rur Verwaltungswissenschaften Speyer
44. Püttner, Dr. Dr. h.c. Günter
em. Universitätsprofessor, Universität TübingeniSpeyer
45. Reichard, Dr. Christoph
Universitätsprofessor, Universität Potsdam
46. Reinermann, Dr. Heinrich
Universitätsprofessor, Deutsche Hochschule rur Verwaltungswissenschaften Speyer
196
Teilnehmerverzeichnis
47. Ridley, Frederick F.
Professor, Ph. D., Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Forschungsinstituts, University ofLiverpool- Institute ofPublic Administration and Management IGroßbritannien
48. Roellecke, Dr. Gerd
em. Universitätsprofessor, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Forschungsinstituts, Universität MannheimIKarlsruheWolfartsweier
49. Roßkopf, Dr. Christi an
Oberbürgermeister a.D., Speyer
50. Schimanke, Dr. Dieter
Universitätsprofessor, Staatssekretär a.D., Großhansdorf
51. Schineller, Wemer
Oberbürgermeister, Stadt Speyer
52. Schreckenberger, Dr. Waldemar
em. Universitätsprofessor, Rechtsanwalt, Staatsminister a.D., Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyerl Heidelberg
53. Schuppert, Dr. Gunnar Folke
Universitätsprofessor, HumboldtUniversität zu Berlin
54. Schwarting, Dr. Gunnar
Professor, Geschäftsführer, Städtetag Rheinland-Pfalz, Mainz
55. Shim, Dr. Ik-Sup
Professor, Dongguk Universität Seoull Korea, Gastforscher am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
56. Siedentopf, Dr. Dr. h.c. Heinrich
Universitätsprofessor, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
57. Siegel, Dr. Thorsten
Assessor, Institutsreferent (k.), Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
58. Sommermann, Dr. Karl-Peter
Universitätsprofessor, Stellvertretender Direktor, Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
Teilnehmerverzeichnis
59. Speer, Benedikt
M.A., Mag.rer.publ., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
60. Wagner, Dr. Hellrnut
Professor, Rechtsanwalt, Karlsruhe
61.
Wahl, Dr. Rainer
197
Universitätsprofessor, Albert-LudwigsUniversität Freiburg
62 . Wol/mann, Dr. Hellrnut
Universitätsprofessor, HumboldtUniversität zu Berlin
63 . Ziekow, Dr. Jan
Universitätsprofessor, Direktor, Forschungsinstitut rur öffentliche Verwaltung bei der Deutschen Hochschule rur Verwaltungswissenschaften Speyer
Zur Bibliographie von Klaus König Zusammengestellt von Carsten Brenski
1. Verwaltungs system und Verwaltungsumwelt
a) Buchveröffentlichungen Öffentliche Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland (hrsg. zusammen mit HansJoachim von Oertzen und Frido Wagener in Verbindung mit der Deutschen Sektion des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften), Baden-Baden 1981. eng\.: Administration in the Federal Republic of Germany (hrsg. zusammen mit HansJoachim von Oertzen und Frido Wagener in Verbindung mit der Deutschen Sektion des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften), Antwerp/ BostoniLondonlFrankfurt 1983. franz.: L'Administration Publique en Republique Federale d'Allemagne (hrsg. zusammen mit Hans-Joachim von Oertzen und Frido Wagener in Verbindung mit dem Internationalen Institut für Verwaltungswissenschaften), Paris 1983. Im Dienst an Staat und Recht, Internationale Festschrift Erwin Me\chiar zum 70. Geburtstag (hrsg. zusammen mit Heinz Schäffer und Kurt Ringhofer), Wien 1983. Klassifizierungsansätze staatlicher Handlungsformen (zusammen mit Nicolai Dose), Speyerer Forschungsberichte 83, Speyer 1989. Instrumente und Formen staatlichen Hande\ns (hrsg. zusammen mit Nicolai Dose), Köln u. a. 1993. Öffentliche Verwaltung in Deutschland (hrsg. zusammen mit Heinrich Siedentop/), Baden-Baden 1996/1997. eng\.: Public Administration in Germany (hrsg. zusammen mit Heinrich Siedentop/), Baden-Baden 2001. Verwaltungsstaat im Übergang. Transformation, Entwicklung, Modernisierung, BadenBaden 1999. Die deutsche Verwaltung unter 50 Jahren Grundgesetz (hrsg. zusammen mit KlausDieter Schnapau.lJ), Baden-Baden 2000 . Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert (Hrsg.), Baden-Baden 2002.
200
Zur Bibliographie von Klaus König
b) Abhandlungen Funktionen und Folgen der Politikverflechtung, in: Scharpfu.a. (Hrsg.), Politikverflechtung 11, Kronbergffs. 1977, S. 75 ff. System und Umwelt der öffentlichen Verwaltung, in: König/von OertzenIWagener (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 1981, S. 13 ff. eng!.: The System and Environment of German Public Administration, in: König/von OertzenIWagener (Hrsg.), Public Administration in the Federal Republic of Germany, AntwerplBostonlLondonIFrankfurt 1983, S. 1 ff. franz.: Le Systeme de l'Administration Publique dans son Environment, in: König/von OertzenIWagener (Hrsg.), L'Administration Publique en Republique Federale d'Allemagne, Paris 1983, S. 7 ff. Öffentliche Verwaltung als soziales System, in: Remer (Hrsg.), Verwaltungsflihrung, BerlinlNew York 1982, S. 3 ff. Bürger und Staat - Zur Bürokratie in einer demokratischen Gesellschaft, in: Politische Studien 1983, S. 279 ff. Zum Verhältnis von "direktem" und "indirektem Arbeitgeber" nach "Laborem exercens" - Voraussetzungen einer effizienten Verwaltung im sozialen Rechtsstaat, in: Heck (Hrsg.), Arbeit - ihr Wert, ihre Ordnung, Mainz 1984, S. 170 ff. span.: EI Estado Social de Derecho Corno - Empresario Directo e Indirecto: Presupuestos de una Administraci6n Eficiente, in: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.), La Dignidad de1 Trabajo, Mainz 1985, S. 225 ff. Veränderung der Einflußfaktoren in einer offenen Gesellschaft, in: Bulling (Hrsg.), Verwaltung im Kräftefeld der politischen und gesellschaftlichen Institutionen, Baden-Baden 1985, S. 25 ff. Rechtliche und tatsächliche Formen des Verwaltungshandeins, in: Verwaltungsrundschau 1990, S. 401 ff. Zur juristischen Klassifikation staatlicher Handlungsformen, in: Commemorative Issue, Keio Law Review, N°6/1990, S. 249 ff. Klassifikationsansätze zum staatlichen Handeln (zusammen mit Nicolai Dose), in: KönigIDose (Hrsg.), Instrumente und Formen staatlichen Handeins, Köln u. a. 1993, S.3 ff. Handlungs1eitende Formen staatlicher Steuerung. Eine Einführung (zusammen mit Nicolai Dose), in: KönigIDose (Hrsg.), Instrumente und Formen staatlichen Handelns, Köln u. a. 1993, S. 153 ff. Referenzen staatlicher Steuerung (zusammen mit Nicolai Dose), in: KönigIDose (Hrsg.), Instrumente und Formen staatlichen HandeIns, Köln u. a. 1993, S. 519 ff. Das Konzept des Staates in der Bundesrepublik Deutschland, "Welche Rolle spielt der Staat in den Ländern der Europäischen Union?", Internationaler Beamtenbund und Union Federale des Cadres des Fonctions Publiques, Paris 1995. Öffentliche Verwaltung im vereinigten Deutschland, in: König/Siedentopf (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung in Deutschland, Baden-Baden 1996/97, S. 13 ff. eng!.: Public Administration in the Unified Germany, in: König/Siedentopf (Hrsg.), Public Administration in Gerinany, Baden-Baden 2001, S. 13 ff.
Zur Bibliographie von Klaus König
201
franz.: Classicisme et modernisme de I'administration allemande, in: Revue fran'Yaise d'administration publique No. 78, avril-juin 1996, S. 251 ff. Der Verwaltungsstaat in Deutschland, in: Verwaltungsarchiv 4/1997, S. 545 ff. Gute Gouvernanz als Steuerungs- und Wertkonzept des modemen Verwaltungsstaates, in: JannlKönig/LandfriedIWordelmann (Hrsg.), Politik und Verwaltung auf dem Weg in die transindustrielle Gesellschaft, Festschrift rur Carl Böhret zum 65. Geburtstag, Baden-Baden 1998, S. 227 ff. Instrumenten- und Formenwandel der eingreifenden Verwaltung (zusammen mit Nicolai Dose), in: LenkIPrätorius (Hrsg.), Eingriffsstaat und öffentliche Sicherheit. Beiträge zur Rückbesinnung auf die hoheitliche Verwaltung, Baden-Baden 1998, S. 94 ff. Good Governance - as Steering and Value Concept fOT the Modem Administrative State, in: Corkery (Hrsg.), Governance: Concepts & Applications, International Institute of Administrative Sciences, Brüsse11999, S. 67 ff. Der Staat als Rechtspersönlichkeit (zusammen mit Christian Theobald), in: Adamiak/ BoclMiemieclNowacki (Hrsg.), Administracja publiczna w panstwie Prawa, Festschrift rur Jan Jendroska, Breslau 1999, S. 165 ff. Tbe Administrative State in Germany, in: WollmannISchröter (Hrsg.), Comparing Public Sector Reform in Britain and Germany. Key traditions and trends of modernisation, Aldershot u.a. 2000, S. 47 ff. Zur Typologie öffentlicher Verwaltung, in: Eberle/Ibler/Lorenz (Hrsg.), Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart, Festschrift rur Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, München 2002, S. 693 ff. Governance als Steuerungskonzept, in: König/AdamlSpeer/Theobald, Governance als entwicklungs- und transformationspolitisches Konzept, Berlin 2002, S. 9 ff. Governance-Werte, politische Konditionalität und Globalisierung, in: König/Adam! Speer/Theobald, Governance als entwicklungs- und transformationspolitisches Konzept, Berlin 2002, S. 319 ff.
2. Verwaltungswissenschaft und Regierungslehre a) Buchveröffentlichungen Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft, Berlin 1970. Encyc\opaedia of Public Administration - an International and Integrative Conception, Report of a Workshop (zusammen mit Michael Protz), Speyerer Forschungsberichte 22, Speyer 1981. Gesetzgebung und Regierung (Hrsg.), Forschungssymposium anläßlich der Emeritierung von Waldernar Schreckenberger, Speyerer Forschungsberichte 184, 1998. Verantwortung rur die Forschung (hrsg. zusammen mit WilU Blümel), Berlin 1998. Verwaltung und Verwaltungsforschung - Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert (Hrsg.), Speyerer Forschungsberichte 211, Speyer 2000 . Verwaltete Regierung - Studien zur Regierungslehre, KölnIBerlinIBonnlMünchen 2002. 14 Ziekow
202
Zur Bibliographie von Klaus König
b) Abhandlungen Öffentliche Verwaltung und soziale Differenzierung, in: Verwaltungsarchiv 1973, S. I ff. Entwicklungen des Verwaltungsstudiums in den Vereinigten Staaten von Amerika, in: Die Öffentliche Verwaltung 1975, S. 456 ff. Education for Public Administration: Deve10pments in Western Europe, in: Occasional Papers Service of the Bureaucrat, SyracuselUSA 1977. Integrative Tendenzen in der Verwaltungswissenschaft, in: Die Verwaltung 1980, S. I ff. franz.: Les Tendances integrationnistes dans la Science Administrative, in: BouletJ Langrod (Hrsg.), Science et Action Administratives, Melanges Georges Langrod, Paris 1980, S. I ff. Verwaltungswissenschaftliches Aufbaustudium: Speyer, in: Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 13/1982, S. 480 ff. Die verwaltungswissenschaftliche Ausbildung in Europa, in: Konstanzer Blätter für Hochschulfragen Nr. 3-4/1981, S. 49 ff. Der Beitrag der Wissenschaftsforschung für Wissenschaftsentwicklung und Forschungspolitik, in: Burrichter/Lauterbach (Hrsg.), Wissenschaftsforschung im internationalen Vergleich, Erlangen 1987, S. 15 ff. Zum Standort der Verwaltungswissenschaft, in: Die Öffentliche Verwaltung 1990, S. 305 ff. Parteienstaat, Parteifunktionen, Parteipolitik und Regierung, in: HartwichlWewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik 3, Opladen 1991, S. 83 ff. Verwaltungswissenschaften - interdisziplinär, in: Möller (Hrsg.), Logik der Pädagogik, Band 3, Oldenburg 1992, S. 393 ff. Fritz Morstein Marx, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Neue Deutsche Biographie, Berlin 1997, S. 159 ff. Im Dienste der Gesetzgebung, in: König (Hrsg.), Gesetzgebung und Regierung, Forschungssymposium anläßlich der Emeritierung von Waldemar Schreckenberger, Speyerer Forschungsberichte 184, Speyer 1998, S. I ff. Ausblick in die Zukunft, in: BlümellKönig (Hrsg.), Verantwortung für die Forschung, Berlin 1998, S. 89 ff. Regierungsbildung und Regierungsapparat, in: Gegenwartskunde 111999, S. 45 ff. Schlusswort, in: König/Merten (Hrsg.), Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, Symposium zum Gedächtnis an earl Hermann UIe, Berlin 2000, S. 109 ff. Der Regierungsapparat bei der Regierungsbildung nach Wahlen, in: DerlienIMurswieck (Hrsg.), Regieren nach Wahlen, Opladen 2001, S. 15 ff. Bundeskanzler, Regierungsfunktionen, Regierungszentrale (zusammen mit Thomas Knoll), in: Graf von Westphalen (Hrsg.), Deutsches Regierungssystem, München! Wien 2001, S. 289 ff.
Zur Bibliographie von Klaus König
203
Zwei Paradigmen des Verwaltungsstudiums - Vereinigte Staaten von Amerika und Kontinentaleuropa, in: König (Hrsg.), Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert, Baden-Baden 2002, S. 393 ff. In der Verantwortung rur die Zukunft, in: Sommermann (Hrsg.), Folgen von Folgenforschung, Forschungssymposium anlässlich der Emeritierung von Carl Böhret, Speyerer Forschungsberichte 225, Speyer 2002, S. 5 ff. Regieren als politisches Management und als öffentliche Govemance, in: Sommermannl Ziekow (Hrsg.), Perspektiven der Verwaltungsforschung, Beiträge zur Wissenschaftlichen Arbeitstagung aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des Forschungsinstituts fiir öffentliche Verwaltung, Berlin 2002, S. 201 ff.
3. Öffentliche Aufgaben und Aufgabenkritik a) Buchveröffentlichungen Entwicklung der Privatisierung in der Bundesrepublik Deutschland - Probleme, Stand, Ausblick -, Speyerer Forschungsberichte 66, Speyer 1988. Kritik öffentlicher Aufgaben, Baden-Baden 1989. auch:
Kritik öffentlicher Aufgaben, Speyerer Forschungsberichte 72, Speyer 1988.
Zur innenpolitischen Agenda. Die amerikanische Bundesregierung am Beginn der neunziger Jahre, Speyerer Forschungsberichte 121, Speyer 1993. Privatisierung und staatliche Regulierung (hrsg. zusammen mit Angelika Benz), BadenBaden 1997.
b) Abhandlungen Entwicklung der Privatisierung in der Bundesrepublik Deutschland - Probleme, Stand, Ausblick -, in: Verwaltungsarchiv 1988, S. 241 ff. eng\.: Developments in Privatization in the Federal Republic of Germany: Problems, Status, Outlook, in: International Review of Administrative Sciences 1988, S. 517 ff. franz.: Privatisation en Republique Federale d'Allemagne: Problemes, Statuts et Perspectives, in : Revue international des Sciences administratives (R1SA) 1988, S. 583 ff. span.: Desarrollo de la Privatizacion en la Republica Federal de Alemania: Problemas, Situacion Actual, Perspectivas, in: Documentacion Administrativa (DA), 11. Administracion y Constitucion: EI Pricipio de Eficacia, Instituto Nacional de Administracion Publica, Madrid 1989, S. 297 ff. Developments in Privatization in the Federal Republic ofGermany, in: School ofPublic and Environmental Affairs (SPEA) Review, Vo\. 10, Number 2, IndianapolislUSA, 1989, S. 25 ff.
204
Zur Bibliographie von Klaus König
An International Perspective Il: Privatisation and Institutional Modernization in Asia and Europe (zusammen mit Heinrich Siedentopf), in: ThynnelAriff (Hrsg.), Privatisation: Singapore's Experience in Perspective, Singapore 1989, S. 167 ff. Die Übertragung öffentlicher Aufgaben: Eine europäische Sicht, in: Verwaltungsarchiv 1990, S. 436 ff. eng\.:
The Transfer of Public Functions: A European Perspective, in: NglWagner (Hrsg.), Marketization in ASEAN, Institute of Southeast Asian Studies (ISEAS), Singapore 1991, S. 50 ff.
Estrategias encarninadas al Redimensionamiento del Sector Publico. EI Caso Aleman, in: Instituto Nacional de Administracion Publica, A. C. (INAP), Memoria, Il. Seminario Inter-nacional "Redimensionamiento y Modernizacion de la Administracion Publica", Mexico 1991, S. 141 ff. Systemimmanente und systemverändernde Privatisierung in Deutschland, Verwaltungsführung - Organisation - Personalwesen 5/1992, S. 279 ff. engl.:
in:
Privatization In Germany: System-Immanent And System Changing, in: The Israel Economy at the Threshold of the Year 2000, privatization and efficiency in the economy and civil service, Conference Proceedings, Jerusalem 1993, S. 21 ff.
Kommunalisierungen und andere Vermögensübertragungen auf die öffentliche Hand (zusammen mit Jan Heimann und Imke Junge), in: FischerlHaxlSchneider (Hrsg.), Treuhandanstalt - Das Unmögliche wagen, Berlin 1993, S. 263 ff. engl.:
Communalisation and other forms of property transfer to the public sector (zusammen mit Jan Heimann und Imke Junge), in: FischerlHaxlSchneider (Eds.), Treuhandanstalt - The Impossible Challenge, Berlin 1996, S. 265 ff.
Rechtliche und ordnungspolitische Fragen der Privatisierung von Staatsunternehmen in Deutschland, in: BiernatIHendlerlSchochIWasilewski (Hrsg.), Grundfragen des Verwaltungsrechts und der Privatisierung, Stuttgart u. a. 1994, S. 247 ff. Prozedurale Rationalität - Zur kontraktiven Aufgabenpolitik der achtziger Jahre -, in: Verwaltungsarchiv 111995, S. 1 ff. Staatsaufgaben und Verfassungen der neuen Bundesländer, in: IpsenIRengelinglMössnerlWeber (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel. Zum 180jährigen Bestehen der Carl Heyrnanns Verlag KG, Köln u. a. 1995, S. 109 ff. Property Transfer to the Public Sector by the Treuhandanstalt (zusammen mit Jan Heimann), in: QuaisserlWoodwardIBlaszczyk (Hrsg.), Privatization in Poland and East Germany: A Comparison, Vol. Il, Osteuropa-Institut, München 1995, S. 529 ff. Rekonstruktion der Staatsfunktionen in der Staatswirtschaft und im Wohlfahrtsstaat, in: Zeitschrift für Verwaltung (Österreich) 1996, S. 665 ff. La privatizzazione et il ruolo della pubblica amministrazione in Germania, in: Roversi Monaco (Hrsg.), Sussidiarieta e Pubbliche Arnministrazioni, Atti deI Convegno per il 40. anni della Scuola di Specializzazione in Diritto Arnministratrivo e Scienza delI'Amministrazione (Spisa), 25.-26. Settembre 1995, Bologna 1997, S. 193 ff. Vermögens- und Aufgabenzuordnung nach Üblichkeit (zusammen mit Jan Heimann), in: WollmannIDerlienlKönigIRenzschlSeibel (Hrsg.), Transformation der politischadministrativen Strukturen in Ostdeutschland, Opladen 1997, S. 119 ff.
Zur Bibliographie von Klaus König
205
Staatsfunktionen in der Staatswirtschaft und im Wohlfahrtsstaat, in: Siedentopf (Hrsg.), Öffnung und Kooperation, I. Chinesisch-Deutsches Verwaltungskolloquium, BadenBaden 1997, S. 33 ff. chin. in: Chinese Public Administration 7/1996, S. 38 ff. Vermögens- und Aufgabenzuordnung bei der ostdeutschen Transformation, in: 01szewskiegolPopowskiej, Gospodarka - Administracja - Samorzad, Festschrift für Theresa Rabska, Posen 1997, S. 195 ff. Sieg der Üblichkeit: Wasserversorgung und Abwasserentsorgung (zusammen mit Jan Heimann), in: CzadaiLehmbruch (Hrsg.), Transformationspfade in Ostdeutsch land. Beiträge zur sektoralen Vereinigungspolitik, FrankfurtlNew York 1998, S. 87 ff. Rückzug des Staates - Privatisierung der öffentlichen Verwaltung, in: Die Öffentliche Verwaltung 22/1998, S. 963 ff. Liberalisierung und Regulierung netzgebundener Güter und Dienste (zusammen mit Christian Theobald), in: GrupplRonellenfitsch (Hrsg.), Planung - Recht - Rechtsschutz. Festschrift für Willi Blümel zum 70. Geburtstag am 6. Januar 1999, Berlin 1998, S. 277 ff. Ordnungspolitische Probleme der Privatisierung, in: Deutsches Anwaltsinstitut e. V. , Brennpunkte des Verwaltungsrechts 2000. Referate der 6. Jahresarbeitstagung für Verwaltungsrecht in Berlin, Bochum 2000, S. 183 ff.
4. Organisation von Regierung und Verwaltung a) Buchveröffentlichungen Developments of the Intra-Administrative Organization in the Federal Republic of Germany, Speyerer Forschungsberichte 16, Speyer 1980. Staatskanzleien. Funktionen und Organisation, Opladen 1993. Materialien zur Organisation und Reform von Landesverwaltungen (zusammen mit Man/red Miller), Speyerer Forschungsberichte 146, Speyer 1995. Der Aufbau einer Region, (hrsg. zusammen mit Arthur Benz), Baden-Baden 1995. Ministerialorganisation zwischen Berlin und Bonn (Hrsg.), Speyerer Forschungsberichte 173, Speyer 1997. Regionalization below State-Level in Germany and the United States (Hrsg.) (zusammen mit R. Scott Fosler), Speyerer Forschungsberichte 197, Speyer 1999.
b) Abhandlungen Entwicklungen der inneren Verwaltungsorganisation in der Bundesrepublik Deutschland, in: Zeitschrift für Verwaltung 1978, S. 241 ff. Vom Umgang mit Komplexität in Organisationen: Das Bundeskanzleramt, in: Der Staat 111989, S. 49 ff.
206
Zur Bibliographie von Klaus König
Bewertung der nationalen Politik zur Dezentralisierung und Regionalisierung, Verwaltungswissenschaftliche Infonnationen, Sonderheft 10, Bonn 1989. engl.:
Appraisal of National Policies of Decentralization and Regionalization, in: International Institute of Administrative Sciences (Hrsg.), AccessibiIity and Sensitivity of Public Administration, XXIst International Congress of Administrative Sciences, Marrakech 1989, S. 51 fT.
Organisation: Voraussetzung und Folge des Regierens, in: HartwichlWewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik 1, Opladen 1990, S. 105 fT. Das Bundeskanzleramt als komplexe Organisation, in: FischIBoos (Hrsg.), Vom Umgang mit Komplexität in Organisationen, Konstanz 1990, S. 149 fT. Planung und Verwaltung der Region BerlinIBrandenburg - Problemanalyse und Lösungsvorschläge - (zusammen mit Angelika Benz und Arthur Benz), in: BenzIKönig (Hrsg.), Der Aufbau einer Region, Baden-Baden 1995, S. 37 ff. Zur Funktionsfähigkeit der Regierungszentralen: Profile der Staatskanzleien (zusammen mit Otto Häußer), in: Murswieck (Hrsg.), Regieren in den neuen Bundesländern. Institutionen und Politik, Opladen 1996, S. 21 fT. Aufbau der Landesverwaltung nach Leitbildern, in: WollmannlDerlienIKönig/Renzschi Seibel (Hrsg.), Transfonnation der politisch-administrativen Strukturen in Ostdeutschland, Opladen 1997, S. 223 fT.
5. Öffentliche Entscheidung und Verwaltungskontrolle a) Buchveröffentlichungen Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes (hrsg. zusammen mit earl Hermann Ule und Franz Becker), 2 Bände, Berlin 1967. Koordination und integrierte Planung in den Staatskanzleien (Hrsg.), Berlin 1976. Räumliche Planungen im politisch-administrativen System der Länder (zusammen mit Dieter Schimanke), Hannover 1980. Evaluation als Kontrolle der Gesetzgebung, Speyerer Forschungsberichte 34, Speyer 1983. Gesetzgebungslehre: Grundlagen - Zugänge - Anwendung (hrsg. zusammen mit Waldemar Schreckenberger und Wolfgang Zeh), StuttgartlBerlinIKölnlMainz 1986. Zur Überprüfung von Rechtsetzungsvorhaben des Bundes, Speyerer Forschungsberichte 53, Speyer 1986. Zur Verfahrensrationalität einer kontraktiven Aufgabenpolitik, Speyerer Forschungsberichte 87, Speyer 1990. Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit (hrsg. zusammen mit Detle!Merten), Symposium zum Gedächtnis an Carl Hermann Ule, Berlin 2000.
Zur Bibliographie von Klaus König
207
b) Abhandlungen Allgemeine Einleitung (zusammen mit Franz Hecker), in: UlelBeckerlKönig (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes, Band I, Berlin 1967, S. 3 ff. Europäische Gemeinschaften - Einfiihrung, in: UlelBeckerlKönig (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes, Band 11, Berlin 1967, S. 945 ff. Planung und Koordination im Regierungssystem, in: Verwaltungsarchiv 1971, S. 1 ff. Programmsteuerung in komplexen politischen Systemen, in: Die Verwaltung 1974, S. 137 ff. Koordination und Regierungspolitik: Die Rolle zentraler oder ressorteigener Einheiten fiir Regierungspolitik und für Planung im Bereich der Politikentscheidungen und Prioritätensetzung - am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, in: Deutsches Verwaltungsblatt 1975, S. 225 ff. Bürokratie und Kontrolle, in: Khol (Hrsg.), Macht und Kontrolle, Wien 1980, S. 49 ff. Zur Evaluation der Gesetzgebung, in: Kindermann (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung 1982, BerlinlHeidelberglNew York 1982, S. 306 ff. Political Advice and Administrative Support: Planning in the German Chancellery, in: Klinkers (Hrsg.), Life in Public Administration, Amsterdam 1985, S. 132 ff. franz.: Conseil Politique et Appui Administratif: La Chancellerie de la Republique Federale d'Allernagne et la Planification, in: Revue Fran~aise d'Administration Publique 1987, W 42, S. 59 ff. Aufgabenplanung im Bundeskanzleramt, in: Derlien (Hrsg.), Programmforschung unter den Bedingungen einer Konsolidierungspolitik, München 1985, S. 43 ff. und S. 101 ff. Evaluation als Kontrolle der Gesetzgebung, in: SchreckenbergerlKöniglZeh (Hrsg.), Gesetzgebungslehre, StuttgartlBerlinIKölnJMainz 1986, S. 96 ff. Nationwide Plans and the Planning of Policy at the Central Level of Govemment: The Federal Republic of Germany, in: Verwaltungswissenschafliche Informationen, Sonderheft 7, Bonn 1986, S. 35 ff. Zur Evaluation staatlicher Programme, in: Eichhorn/von Kortzfleisch (Hrsg.), Erfolgskontrolle bei der Verausgabung öffentlicher Mittel, Baden-Baden 1986, S. 19 ff. Gesetzgebungsvorhaben im Verfahren der Ministerialverwaltung, in: BlümellMerteni Quaritsch (Hrsg.), Verwaltung im Rechtsstaat, Festschrift für Carl Hermann Ule, KölnIBerlini BonnJMünchen 1987, S. 121 ff. Zur Überprüfung von Rechtsetzungsvorhaben des Bundes, in: GrimmIMaihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. XIII, Opladen 1988, S. 171 ff. Sobre la Evaluacion de los Programas Estatales, in: Instituto Nacional de Administracion Publica (Hrsg.), Documentacion Administrativa (DA), 11. Administracion y Constitucion: EI Pricipio de Eficacia, Madrid 1989, S. 413 ff. Comments on "The Chemobyl disaster and nuclear fallout", in: RosenthallPijnenburg (Hrsg.), Crisis Management and Decision Making, Simulation Oriented Scenarios, DordrechtIBostoni London 1991, S. 37 ff.
208
Zur Bibliographie von Klaus König
Formalisierung und Informalisierung im Regierungszentrum, in: HartwichlWewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik 2, Opladen 1991, S. 203 ff. Krisenmanagement: Der Fall Tschernobyl in der Bundesrepublik Deutschland, in: Sakkoulas (Hrsg.), Administration - Politique, Festschrift für Athos G. Tsoutsos, Athen 1991, S. 263 ff. eng!.:
Crisis management: the case of Chemobyl in the Federal Republic of Germany, in: StefensonlLandahllRitchey (Hrsg.), Nuclear Accidents and Crisis Management, Stockholm 1993, S. 24 ff.
Programmfunktion und Budget im Regierungsbereich, in: HartwichlWewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik 4, Opladen 1992, S. 19 ff. Koordination in der arbeitsteiligen Regierung - Zur Lage in Deutschland -, in: Zeitschrift für Verwaltung (Österreich) 1993/1, S. 10 ff. span.: EI problema de la coordinacion en un si sterna de gobiemo basado en la division dei trabajo. Es caso aleman, in: Instituto Nacional de Administracion Publica, Documentacion Administrativa, No. 230-231, April - September 1992, S. 133153. Central and Intergovemmental Planning in the Federal Republic ofGermany, in: Aroral Kanshih (Hrsg.), The Universe ofPublic Administration, Essays in honour ofSudesh K. Sharma, New Delhi 1994, S. 169 ff. "Public Sector Management" oder Gouvernanz-, Steuerungs- und Strukturierungsproblerne öffentlicher Verwaltung, in: BurthlGörlitz (Hrsg.), Politische Steuerung in Theorie und Praxis, Baden-Baden 2001, S. 293 ff.
6. Öffentlicher Dienst und Regierungspersonal a) Buchveröffentlichungen Fortbildung des höheren Verwaltungsdienstes (Hrsg.), Berlin 1974. Öffentlicher Dienst, Festschrift für Carl Hermann Ule zum 70. Geburtstag am 26.2.1977 (hrsg. zusammen mit Hans-Werner Laubinger und Frido Wagener), KölnlBerlinl BonnIMünchen 1977. Curriculumentwicklung zur Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Baden-Baden 1978. Die Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst (Hrsg.), Baden-Baden 1979. Zur Weiterentwicklung des vertikalen Laufbahngefüges - Thesen, Begründungen und Dokumentation (zusammen mit Hero Kind), Baden-Baden 1980.
b) Abhandlungen Vorbereitungsdienst (zusammen mit Ernst Hüper), in: Bierfelder (Hrsg.), Handwörterbuch des öffentlichen Dienstes - Das Personalwesen, Berlin 1976, Sp. 1758 ff.
Zur Bibliographie von Klaus König
209
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