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German Pages [583] Year 2013
Schriften zum Europäischen und Internationalen Recht
Band 22
Herausgegeben im European Legal Studies Institute / Institut für Europäische Rechtswissenschaft Abteilung für Europäisches Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung der Universität Osnabrück von Professor Dr. Oliver Dörr, LL.M., Professor Dr. Thomas Groß, Professor Dr. Hans-Werner Rengeling, Professor Dr. Jens-Peter Schneider und Professor Dr. Albrecht Weber
Jonas Jansing
Verwaltungsrechtsschutz durch tribunals in England Die Umgestaltung der »administrative justice landscape« durch den Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007 c.15
V& R unipress Universitätsverlag Osnabrück
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0101-7 ISBN 978-3-8470-0101-0 (E-Book) Veröffentlichungen des Universitätsverlags Osnabrück erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH. Ó 2013, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI Buch Bücher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Inhalt
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I.
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39 42 43
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44
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51 55 57
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Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit . . . . A. Zu den räumlichen Grenzen des Betrachtungsgegenstands . . B. Allgemeine Vorbemerkungen zur Terminologie . . . . . . . . C. Vorbemerkungen zu den Begriffen »Verwaltungsrechtsschutz« und administrative justice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prägnanz der Begriffe private law, public law und administrative law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwaltungsrechtsschutz – verwaltungsinterner Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwaltungsrechtsschutz – Schutz subjektiver Rechte . . . D. Präzisierung und Eingrenzung des Betrachtungsgegenstands tribunals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausklammerung von inquiries . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausklammerung von domestic und disciplinary tribunals 3. Ausklammerung arbeitsrechtlicher und anderer zivilrechtlicher tribunals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kennzeichen von tribunals im Sinne dieser Arbeit . . . . E. Aufgabenstellung und Schwerpunkt der Arbeit, Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 II.
Inhalt
Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung des Verwaltungsrechtsschutzes durch die ordentlichen Gerichte . . . . A. Entwicklung und heutiger Bestand der ordentlichen Gerichtsbarkeit und deren verwaltungsrechtliche Zuständigkeit. 1. Durchsetzung und Festigung königlicher Justiz und common law im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Von der curia regis zu den zentralen Gerichtshöfen . . . . . a) Die assizes und die King’s Bench . . . . . . . . . . . . . . b) Königliche Eingriffe in die Justiz – equity und Rechtsprechung durch das Parlament . . . . . . . . . . . (1) Equity und der Court of Chancery . . . . . . . . . . . (2) Angleichung der common law-Gerichtshöfe . . . . . (3) Die Friedensrichter und der Court of Star Chamber . (a) Der Court of Star Chamber und seine Aufgaben . . . (b) Die Friedensrichter als lokale Verwaltungsorgane . . (4) Missbrauch und Abschaffung des Court of Star Chamber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reform der Höchstgerichte durch die Judicature Acts im 19. Jhd. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der heutige Aufbau der Gerichte (insb. des High Court) . . a) Organisation und Zuständigkeiten des High Court . . . . (1) Die Queen’s Bench Division . . . . . . . . . . . . . . (2) Örtliche Organisation und Zusammensetzung . . . . (3) Der Administrative Court . . . . . . . . . . . . . . . b) Ordentliche Gerichte unterhalb des High Court . . . . . . B. Verwaltungsrechtsschutz durch die Gerichte: prerogative remedies, ordinary remedies und Entwicklung des judicial review (JR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das System der writs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prerogative writs bzw. prerogative remedies . . . . . . . . . a) Prohibition bzw. prohibiting order . . . . . . . . . . . . . b) Certiorari bzw. quashing order . . . . . . . . . . . . . . . c) Mandamus bzw. mandatory order . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtliche Rechtsbehelfe (ordinary remedies) . . . . . . C. Der judicial review heute – Überblick . . . . . . . . . . . . . . 1. Klagevoraussetzungen und permission . . . . . . . . . . . . a) Standing und Klagefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subsidiarität des judicial review-Verfahrens gegenüber anderen Rechtsbehelfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsschutz gegen Versagung der permission . . . . . .
67 67 68 70 72 74 76 78 79 79 80 83 83 87 88 90 92 92 94
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Inhalt
2. Mögliche Beklagte und Überprüfungsgegenstände eines judicial review-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsgrundlage und Kontrolldichte des heutigen judicial review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ultra vires, collateral fact-Doktrin und jurisdictional error . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesetzliche Ausschlussklauseln (ouster clauses) . . . (2) Die Entscheidung Anisminic und ihre Folgen . . . . (a) Überdehnung und Entwertung der Kategorie jurisdictional error in Folge von Anisminic . . . . . . (b) Fortbestehen von jurisdictional errors nach Anisminic (pre-Anisminic-error) . . . . . . . . . . . . b) Die heutigen grounds of judicial review . . . . . . . . . . (1) Illegality . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Irrationality bzw. unreasonableness . . . . . . . . . . (3) Procedural impropriety . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verfahrensgrundsätze des common law . . . . . . . . (i) Recht auf Gehör – Audi alteram partem . . . . . . . (ii) Unparteilichkeit – Nemo iudex in causa sua . . . . . (b) Verfahrensanforderungen aus Art. 6 EMRK und dem Human Rights Act 1998 c.42 . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung: Verwaltungsrechtsschutz durch die Gerichte im Wege des judicial review . . . . . . . . . . . . . . . III. Tribunals – Entstehung der tribunal landscape . . . . . . . . . . . A. Historischer und verfassungstheoretischer Hintergrund . . . . B. Die Entstehung des Verwaltungsstaates und erster tribunals im 19. Jhd. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit für die Schaffung von tribunals im 19. Jhd. . a) Einführung der Einkommenssteuer . . . . . . . . . . . . b) Reformen des Land- und Grundstücksrechts . . . . . . . c) Regulierung der Eisenbahn . . . . . . . . . . . . . . . . d) Armenfürsorge und Lokalbesteuerung . . . . . . . . . . e) Unzulänglichkeit der existierenden Institutionen . . . . . (1) Defizite der Höchstgerichte des common law . . . . . (2) Die zu spät eingeführten county courts . . . . . . . . (3) Die ungeeigneten Friedensrichter . . . . . . . . . . . 2. Die Stellung der neu geschaffenen tribunals . . . . . . . . . 3. Überprüfung der neuen Spruchkörper durch die Gerichte .
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Inhalt
a) Gerichtliche Kontrolle über tribunals im Wege des appeal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Common law-Rechtsbehelfe gegen Tribunalsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesamtschau der tribunals im 19. Jhd. . . . . . . . . . . . . 5. Außenwahrnehmung von tribunals gegen Ende des 19. Jhds. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Fundamente der modernen tribunals im 20. Jhd. und deren Entwicklung bis zur Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Schaffung insb. der sozialrechtlichen tribunals des frühen 20. Jhds. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Außenwahrnehmung der neuen tribunals . . . . . . . . 3. Veränderte Verfassungsdoktrin . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erste Rationalisierungsbemühungen . . . . . . . . . . . . . a) Das Donoughmore Committee . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Franks Report . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Tribunals and Inquiries Act 1958 . . . . . . . . . . . d) Die schrittweise Vereinheitlichung der sozialrechtlichen tribunals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung und Zwischenfazit – tribunals vor den Reformen des TCEA 2007 c.15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.
V.
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Die Reformen der tribunals durch den TCEA 2007 . . . . . . . . A. Impulse durch den Leggatt Review und deren Rezeption im White Paper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Umsetzung durch den TCEA 2007 c.15 . . . . . . . . . . . . . C. Das Grundgerüst des TCEA 2007 c.15 im Überblick . . . . . . D. Das Idealbild der tribunals nach dem TCEA 2007 c.15 und die Rolle des Senior President . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape A. Zuständigkeitsverteilungen im neuen System durch die Chambers Order . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Kammern des First-tier Tribunal (FtT) . . . . . . . . . . 1. Die Social Entitlement Chamber (SEC) . . . . . . . . . . a) Sozialrechtliche Versorgungsansprüche und tax credits/Abgrenzung zur Tax Chamber . . . . . . . . . b) Verbrechensopferentschädigungen (criminal injuries compensation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kindesunterhalt (child support) . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
d) Sonstige sozialrechtliche Zuständigkeiten . . . . . . . . . 2. Die War Pensions and Armed Forces Compensation Chamber (WPAFCC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Health, Education and Social Care Chamber (HESCC) . a) Schüler mit (Lern-)Behinderungen (Special Educational Needs, Disability Discrimination) . . . . . . . . . . . . . b) Berufsverbote zum Schutz gefährdeter Personen (vulnerable persons) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesundheitsdienstleister, Kinderbetreuung und Schulen, Sozialarbeiter (social care) . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterbringungsrecht (mental health) . . . . . . . . . . . 4. Die Tax Chamber (TC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kontrolle von Finanz- und Finanzermittlungsbehörden . b) Ausgaben von Parlamentariern . . . . . . . . . . . . . . 5. Die General Regulatory Chamber (GRC) . . . . . . . . . . . a) Datenschutz und Informationsfreiheit . . . . . . . . . . b) Sanktionen im Umweltrecht . . . . . . . . . . . . . . . . c) Disziplinaraufsichtsverfahren gegen Mitglieder der Gemeindeverwaltung (standards for England) . . . . . . d) Allgemeine Regulierungszuständigkeiten . . . . . . . . . (1) Karitative Einrichtungen (charities) . . . . . . . . . . (2) Beratungsdienstleister für Einwanderer (immigration services) . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Weitere Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Immigration and Asylum Chamber (IAC) . . . . . . . . 7. Zusammenfassung zu den Zuständigkeiten des First-tier Tribunal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Kammern des Upper Tribunal (UT) . . . . . . . . . . . . . 1. Die Administrative Appeals Chamber (AAC) . . . . . . . . . a) Erstinstanzliche Zuständigkeiten (vulnerable persons, transport, forfeiture) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeiten außerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Lands Chamber (UTLC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit für Enteignungsentschädigungen . . . . . b) Zivilrechtliche Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . c) Zweitinstanzliche Zuständigkeit für andere tribunals . . (1) Das Valuation Tribunal for England . . . . . . . . . . (2) Tribunals innerhalb des Residential Property Tribunals Service (RPTS) . . . . . . . . . . . . . . . .
252 256 257 257 259 260 261 263 264 267 267 269 271 272 275 275 276 277 281 284 286 286 287 289 290 291 293 295 296 297
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Inhalt
(a) Leasehold Valuation Tribunals (LVTs) . . . . . . . (b) Residential Property Tribunals (RPTs) . . . . . . . (c) Rent Assessment Committees (RACs) und Rent Tribunals (RTs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Tax and Chancery Chamber (TCC) . . . . . . . . . . . 4. Die Immigration and Asylum Chamber des Upper Tribunal (IAC-UT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung zu den Zuständigkeiten des Upper Tribunal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Exkurs: Tribunals außerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15 1. Tribunals für den Umgang mit sicherheitsrelevanten Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wichtige tribunals auf lokaler Ebene . . . . . . . . . . . . 3. Weitere tribunals (kursorisch) . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenfazit zu den tribunals außerhalb des TCEA 2007 c.15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die personelle Zusammensetzung der tribunals . . . . . . . . . . A. Die verschiedenen Arten von Tribunalsmitgliedern . . . . . . 1. Judges und other members nach dem TCEA 2007 c.15 . . . a) Einstellungsvoraussetzungen und Auswahl der juristischen Tribunalsmitglieder (judges bzw. legal members) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die allgemeine Befähigung zum Richteramt (Judicial-appointment eligibility condition) . . . . (a) Die erforderliche Qualifikation (relevant qualification) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Berufserfahrung (experience in law) . . . . . . . . (2) Anforderungen an die relevant experience und Ernennung der judges in First-tier- und Upper Tribunal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tribunalsmitglieder ohne juristische Qualifikation . . . (1) Die Tradition der Einbindung rechtlicher Laien in richterliche Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . (2) Allgemeines zur Aufgabe der non-legal members in den Tribunalsspruchkörpern . . . . . . . . . . . . 2. Festangestellte (salaried) und auf Honorarbasis (fee-paid) bezahlte Tribunalsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anderweitige Tätigkeiten honorarbezahlter Kräfte . . . b) Sicherheit der Amtsstellung (security of tenure) . . . .
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Inhalt
B.
C.
D. E.
(1) Die security of tenure bei fest angestellten Tribunalsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die security of tenure bei honorarbezahlten Tribunalsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Das Urteil Starrs v. Ruxton . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Bedeutung von Starrs v. Ruxton für die tribunals (3) Flexibler Einsatz von fest angestellten Tribunalsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Transferred-in judges und transferred-in members . . . . d) Tribunalsmitglieder kraft Amtes . . . . . . . . . . . . . . Auswahl und Einstellung neuer Tribunalsmitglieder und Richter durch die Judicial Appointments Commission (JAC) . . 1. Hintergrund der Schaffung der Judicial Appointments Commission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besetzung der Judicial Appointments Commission und das Auswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Verteilung der Tribunalsmitglieder auf die Kammern und die Bildung der Spruchkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Flexibilität des Personaleinsatzes – (assignment und ticketing) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bildung des jeweiligen Spruchkörpers . . . . . . . . . . Fortbildung und Leistungskontrolle bei Tribunalsmitgliedern (training und appraisal) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . .
VII. Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals . . . . . . A. Funktion, Zusammensetzung und Arbeitsweise des Tribunal Procedure Committee (TPC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der gemeinsame Kern der Verfahrensregeln . . . . . . . . . 1. Delegation richterlicher Aufgaben an administratives Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Befugnisse der Verfahrenssteuerung (case management) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Möglichkeiten zur Disziplinierung der Parteien bzw. zur vorzeitigen Verfahrensbeendigung . . . . . . . . . . . . 4. Zulassung und Austausch von Parteien . . . . . . . . . . 5. Zustellung von Dokumenten und Offenlegung von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zulassung und Anforderung von Beweismitteln und rechtlichen Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
C. D. E.
F. G.
7. Gewinnung von Informationen und Beweismitteln . . . . 8. Klagerücknahme bzw. Anerkenntnis (withdrawal) . . . . 9. Mündliche Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Entscheidungen bzw. Endurteile . . . . . . . . . . . . . . 11. Kosten und Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Alternative Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . Die zugrundeliegenden Verfahrensprinzipien (overriding objective) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompetenzen außerhalb der ausdrücklichen Regelungen . . . Die Verfahrensführung der tribunals (inquisitorial, enabling, adversarial approach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Amtsermittelndes Vorgehen (inquisitorial approach) . . . 2. Herstellung von Chancengleichheit (enabling approach) . 3. Die Zielvorgaben des höherrangigen Rechts und der overriding objective für die Verfahrensführung . . . . . . 4. Keine Übertragung von Verfahrensgrundsätzen der ordentlichen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit zu den Verfahrensregeln . . . . . . . . . . . . . Überprüfungsmechanismen und Instanzenzug (appeal, self review und gesetzlicher »judicial review«) . . . . . . . . . . . 1. (Selbst-)Überprüfung durch das Ausgangstribunal (self review) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Möglichkeiten der tribunals im self review . . . . . b) Voraussetzungen und Durchführung des self review . . 2. Erst- und zweitinstanzliche Rechtsmittel (first appeal, second- bzw. second-tier appeal) . . . . . . . . . . . . . . a) Zulassung erstinstanzlicher Rechtsmittel (permission to appeal, first appeal) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Maßstab für die Gewährung der permission . . . . (2) Permission-Verfahren beim first appeal . . . . . . . (3) Überprüfbarkeit von permission-Entscheidungen . b) Prüfungsmaßstab für Rechtsmittel (point of law) . . . . (1) Herangehensweise der Gerichte an die Abgrenzung fact/law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unbestimmte Gesetzesbegriffe . . . . . . . . . . . . (b) Ermessensentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . (2) Beispiele für überprüfbare points of law . . . . . . (3) Mögliche Folgen des Vorliegens eines point of law . c) Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Upper Tribunal (second(-tier) appeal) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
(1) Zulassungshürde important point of principle or practice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zulassungshürde other compelling reason . . . . . . (3) Richterliche Zurückhaltung aufgrund Expertenwissens der tribunals (Cooke) . . . . . . . . (4) Möglichkeiten des Court of Appeal bei Vorliegen eines error of law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nichtüberprüfbare Entscheidungen (excluded decisions) . 3. Gesetzlicher »judicial review« durch das Upper Tribunal . . a) Ausschließliche Kompetenz des Upper Tribunal zum gesetzlichen »judicial review« . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abschließend aufgezählte Verfahren . . . . . . . . . (2) Ausschluss bei Antrag auf EMRK-Unvereinbarkeitserklärung (declaration of incompatibility) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgeleitete Kompetenz des Upper Tribunal zum gesetzlichen »judicial review« . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Verfahren des Upper Tribunal im Rahmen eines gesetzlichen »judicial review«-Verfahrens . . . . . . . . . d) Zusammenfassung zum gesetzlichen »judicial review« . 4. Zwischenfazit zu den Überprüfungsmechanismen und dem Instanzenzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Rechtliche Vertretung und anderweitige Unterstützung in Tribunalsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dritte, die auf Seiten des Bürgers mitwirken . . . . . . . . . a) Möglichkeiten eines rechtlichen Vertreters (representative) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prozesskostenhilfe und Effekt der Mitwirkung eines professionellen Rechtsbeistandes . . . . . . . . . . . . . 2. Vertreter auf der Gegenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice in Relation zu den ordentlichen Gerichten (insb. dem High Court) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die formale Stellung des Upper Tribunal als superior court of record . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Möglichkeit zur Ahndung eines contempt of court . . . . . 2. Möglichkeit zum Erlass bindender Präjudizien (precedent) a) Präjudizien im englischen Recht . . . . . . . . . . . . .
440 443 446 449 449 452 453 455
456 459 459 462 464 467 468 470 472 474 475
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477 478 481 481
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Inhalt
b) Präjudizien bei tribunals . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Präzedenzwirkung von Entscheidungen des Upper Tribunal für das First-tier Tribunal und andere tribunals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Empfehlungen des Leggatt Review . . . . . . . . (b) Umsetzung durch den TCEA 2007 c.15 . . . . . . . . (2) Bindung des Upper Tribunal an vorangegangene Entscheidungen des High Court . . . . . . . . . . . . (3) Künftig mögliche Wirkung von Entscheidungen des Upper Tribunal gegenüber dem High Court(?) . . . . B. Zusammenfassung zur formalen Stellung des Upper Tribunal . C. Überprüfung von Entscheidungen des Upper Tribunal im Rahmen der supervisory jurisdiction des High Court . . . . . . 1. Ausgangslage in den Entscheidungen Cart und MR und vom Supreme Court zu beantwortende Fragen . . . . . . . . a) Vollständige Immunität des Upper Tribunal gegenüber dem judicial review? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbeschränkung des judicial review? . . . . . (1) Einschränkung des judicial review durch den pre-Anisminic-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine Einschränkung des judicial review . . . . . . . (3) Einschränkung second(-tier) appeals-Test . . . . . . 2. Entscheidung des Supreme Court in Cart und MR . . . . . . 3. Ausgangslage in der Entscheidung Eba . . . . . . . . . . . . a) Exkurs: Judicial review in Schottland . . . . . . . . . . . (1) Grundlegendes zum judicial review in Schottland . . (2) Entstehung und Rolle des Court of Session . . . . . . (3) Die supervisory jurisdiction des Court of Session und der judicial review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Schottische Besonderheiten des judicial review-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kein vergleichbares permission-Verfahren . . . . . . (b) Kein gerichtliches Ermessen für Gewährung eines Rechtsbehelfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Relevanz des schottischen Rechts in den Entscheidungen des Supreme Court . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entscheidung des Supreme Court in der Sache Eba . . . . . 5. Praktische Konsequenzen der Entscheidungen Cart, MR und Eba . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Praktischer Ablauf eines judicial review-Verfahrens . . .
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484 485 487 489 491 494 495 496 498 501 501 502 503 504 509 509 510 510 513 516 516 520 521 523 525 525
15
Inhalt
b) Mögliche Anwendung des second appeals-Test . . . . . (1) Important point of principle or practice . . . . . . . (2) Other compelling reason . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung und Analyse der Entscheidungen Cart, MR und Eba . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unvereinbarkeit mit der bisherigen Dogmatik des judicial review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pragmatische Abwägungsentscheidung . . . . . . . . . c) Offene Fragen: Notwendigkeit einer Modifikation des second appeals-Test für die Zwecke des judicial review? (1) Anwendbarkeit der Rechtsprechungslinie Cooke auf das Upper Tribunal nach Cart, MR und Eba? . . . . (a) Uneindeutige Aussagen des Supreme Court . . . . . (b) Cooke als vertrauensbasierte Selbstbeschränkung . (2) Richterliche Zurückhaltung durch besondere Rolle des Upper Tribunal (consistency of approach)? . . . (a) Selbstbeschränkung bei Anwendung des second appeals-Test im Rahmen des judicial review . . . . (b) Vereinbarkeit mit dem Urteil des Supreme Court? . d) Künftige Funktion des judicial review im System des TCEA 2007 c.15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Fazit zur Stellung des Upper Tribunal gegenüber dem High Court . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . .
526 527 529
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Zusammenfassung zu den bisherigen Reformen durch den TCEA 2007 c.15 und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Zusammenfassung zum Stand der Reformen . . . . . . . . . . . B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
551 552 558
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
561
IX.
Danksagung
Ich danke meinem Doktorvater, Professor Dr. Jens-Peter Schneider, für die fachliche und persönliche Unterstützung bei der Erstellung dieser Arbeit, für die konstruktiven Gespräche, die mir bei der Auseinandersetzung mit dem neuen und – aus deutscher Sicht – bisher nur wenig erforschten Themenkreis der tribunals stets Halt gegeben und mich in meinen Überlegungen vorangebracht haben. Er war mir ein Doktorvater im besten Sinne des Wortes. Außerdem danke ich ihm für seine Geduld und die schnelle Erstellung des Erstgutachtens. Genauso danke ich Herrn Professor Dr. Thomas Groß für die ebenso zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die herzlichen Worte, die er darin für meine Arbeit gefunden hat. Vor allem aber möchte ich mich bei meiner Familie bedanken, die mir immer eine große Stütze war : Meine Eltern, Frau Reinhild und Herrn Dr. Helmut Jansing, die in der »heißen Phase« bis in die tiefen Abendstunden hinein mit der Durchsicht des Manuskripts beschäftig waren und mich nicht zuletzt auch finanziell unterstützt und damit diese Veröffentlichung möglich gemacht haben; besonders mein Vater war mir eine unermüdliche Hilfe. Aber auch den anderen Mitgliedern meiner Familie möchte ich danken, die immer an mich geglaubt und mich bestärkt haben. Zuletzt danke ich auch den Partnern und Mitarbeitern der Rechtsanwaltskanzlei bpl Stroot und Kollegen in Osnabrück, die mir ermöglichten, durch meine Tätigkeit bei ihnen parallel zur Erstellung dieser Arbeit den Kontakt zum deutschen Recht nicht zu verlieren und mir großzügig den zeitlichen Freiraum boten, um mein Projekt voranzubringen. Lübeck, den 11. 03. 2013
Jonas Jansing
Rechtsprechungsverzeichnis
Bezeichnung1 A v. UK (2009) 49 EHRR 29 ACT Construction Co Ltd v. Customs and Excise Commissioners [1979] 1 WLR 870 ACT Construction Co Ltd v. Customs and Excise Commissioners [1981] 1 WLR 49 Aggio v. Howard de Walden Estates Ltd [2008] Ch 26 AH (Sudan) v. Secretary of State [2008] 1 AC 678 Airey v. Ireland (1979) 2 EHRR 305 Akaeke v. Secretary of State for the Home Department [2005] EWCA Civ 947 Akewushola v. Secretary of State of the Home Department [2000] 1 WLR 2295 Allen v. London Borough of Lambeth [2007] EWCA Civ 966 Anisminic v. Foreign Compensation Commission [1969] 2 AC 147 Annamunthodo v Oilfields Workers Trade Union [1961] AC 945 Associated Provincial Picture Houses Ltd v. Wednesbury Corp. [1948] 1 KB 223 Attorney General v. BBC [1981] AC 303 Attorney General v. Halling (1846) 15 M& W 687 Attorney General v. Newspaper Publishing plc [1987] 3 All ER 276 Attorney General v. Sillem (1864) 11 ER 1200 BAA Ltd v. Revenue and Customs Commissioners [2010] UKFTT 43 (TC) Bache v. Essex County Council [2000] 2 All ER 847 Bahamas District of the Methodist Church in the Caribbean and the Americas v. Symonette [2000] UKPC 31 Bangs v. Connex South Eastern Ltd [2005] ICR 763 Beedell v. West Ferry Printers Ltd [2001] ICR 962
Seite 312 429 425 492 448 402 447 394 443 111, 145, 146, 148 122 155 39 111 479 413, 414 374 471 142 414, 433, 475 417
1 Die Abkürzungen der jeweiligen Entscheidungssammlungen sind im Abkürzungsverzeichnis als »(Law Report)« gekennzeichnet. Bei Zitierung konkreter Seiten oder Randbuchstaben werden diese in (runden Klammern) angegeben; bei Zitierung von Rn. werden diese als »para.« angegeben; zur Zitierweise englischer Entscheidungen siehe Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. xxx; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 176 sowie unten, Fn. 12 und Fn. 417.
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Rechtsprechungsverzeichnis
Begum (Nipa) v. Tower Hamlets London Borough Council [2000] 1 WLR 306 Bennet v. Southwark London Borough Council [2002] ICR 881 Betterment Properties (Weymouth) LTD v. Dorset County Council [2007] EWHC 365 Bland v. Chief Supplementary Benefit Officer [1983] 1 WLR 262 Boddington v. British Transport Police [1998] 2 AC 143 Bone v. Mental Health Review Tribunal [1985] 3 All ER 330 Bracegirdle v. Oxley [1947] KB 349 British Launderers’ Research Association v. Hendon Rating Authority [1949] 1 KB 462 British Sky Broadcasting Group plc v. Competition Commission [2010] EWCA Civ 2 Brown v. Hamilton District Council 1983 SLT 397 Bruce v. Wait (1840) 133 ER 222 Brutus v. Cozens [1973] AC 854 Bryan v. United Kingdom (1969) 21 EHRR 432 BT Trasporti Srl (In Liquidation) v. Director of Border Revenue [2010] UKFTT 287 (TC) (FTT (Tax) Bulale v. Secretary of State for the Home Department (2008) Times 25 July Case of Proclamations (1611) 12 Co. Rep. 74 CB v. Suffolk County Council [2010] UKUT 413 (AAC) Central Electricity Generating Board v. Clywd County Council [1976] 1 WLR 151 Cester v. Bateson [1920] 1 KB 829 Chahal v. UK (1997) 23 EHRR 413 Chessington World of Adventures v. Reed, Ex p. News Group Newspapers Ltd [1998] IRLR 56 (EAT) Chilton v. Saga Holidays [1986] 1 All ER 841 Clark v. Clark Construction Initiatives Ltd [2009] ICR 718 Commins v. Massam (1642) 82 ER 473 Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs v. Moblix Ltd [2007] EWHC 1769 (CH) Connect Global Ltd v. HMRC [2010] UKUT 372 (TCC) Conway v. Rimmer [1968] AC 910 Cook v. Plummer [2008] 2 FLR 989 Cooke v. Secretary of State for Social Security [2001] EWCA Civ 734 Cooper v. Wilson [1937] 2 KB 309 Council of Civil Service Unions v. Minister for the Civil Service [1985] AC 374 Cramp v. Hastings Borough Council [2005] EWCA Civ 1005 Dawkins v. Lord Rokeby (1873) 8 LR QB 255 De Silva v. Social Security Commissioner [2001] EWCA Civ 539 Dorset Healthcare NHS Foundation v. MH [2009] UKUT 4 (AAC) DPP v. Crown Court at Manchester [1993] 1 WLR 1524 Dr. Bonhams’ Case (1609) 77 ER 646 Drover v. Rugman [1951] 1 KB 380 Dyason v. Secretary of State for the Environment (1998) 75 P& CR 506 Dyson v. Attorney General [1911] 1 KB 410
435 471 414 422 152 495 425 429 461 510, 518 193 429, 430 165 374 419 130 403, 464, 480 464 143 311 498 400 435 105 414 403 481 418 446, 447, 536, 546 121, 161 112, 130, 152, 154, 156 440, 441, 442, 527 197 435 263, 462, 489 498 161 415 400 111
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Rechtsprechungsverzeichnis
Dyson v. Wood (1842) 107 ER 800 E and R. v. Secretary of State for the Home Department [2004] QB 1044 Earl Cadogan v. Sportelli (CA) [2008] 1WLR 2142 Earl of Oxford’s Case (1615) 21 ER 485 Eba v. Advocate General for Scotland [2010] CSOH 45 Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29 ED& F Man Liquid Products Ltd v. Patel [2003] CP Rep 51 Edwards v. Bairstow [1956] AC 14 Elmbrigde Housing Trust v. O’Donoghue [2004] EWCA Civ 939 Errington v. Minister of Health [1935] 1 KB 249 Esure Insurance Ltd v. Direct Line Insurance plc [2008] EWCA Civ 842 Evans v. Godber [1974] 1 WLR 1317 Ex p. Fernandez (1861) 142 ER 349 Fairmount Investments Ltd v. Secretary of State for the Environment [1976] 1 WLR 1255 Farmer v. Cotton’s Trustees [1915] AC 922 Feldbrugge v. Netherlands (1986) 8 EHRR 425 Findlay v. United Kingdom (1997) 24 EHRR 221 Flannery v. Halifax Estate Agencies Ltd [2000] 1 WLR 377 Forbes v. Underwood (1886) 13 R 465 Fulham Borough Council v. Santilli [1933] 2 KB 357 Furtado v. City of London Brewery [1914] 1 KB 709 G v. G [1985] 1 WLR 647 Georg Mitchell (Chesterhall) Ltd v. Finney Lock Seeds Ltd [1983] 2 AC 803 Gillies v. Secretary of State for Work and Pensions [2006] 1 WLR 781 Global Plant Ltd v. Secretary of State for Health and Social Security [1972] 1 QB 139 Golder v. United Kingdom [1975] 1 EHRR 524 Gover v. Propertycare Ltd [2006] ICR 1073 Gregory v. Turner [2003] EWCA Civ 183 Groenvelt v. Burwell (1699) 1 Ld Raym 454 Hadmore Productions Ltd v. Hamilton [1983] 1 AC 191 Hinchy v. Secretary of State [2005] 1 WLR 967 Home Office v. Harman [1982] 1 All ER 532 Hooper v. Secretary of State for Work and Pensions [2007] EWCA Civ 495 Huddersfield Police Authority v. Watson [1947] KB 842 Hyams v. Plender [2001] 1 WLR 32 Information Commissioner v. PS [2011] UKUT 94 (AAC) Inhabitants of Berry v. Arundel (1697) 91 ER 412 Inland Revenue Commissioners v. National Federation of Self Employed and Small Businesses Ltd [1982] AC 617 Instrumatic Ltd v. Supabrase Ltd [1969] 1 WLR 519 Jackson v. Attorney General [2005] UKHL 56 Januzi v. Secretary of State for the Home Department [2006] 2 AC 426 Jennison v. Baker [1972] 2 QB 52
193 434, 435 485 77 478. 509, 521 496, 523, 524, 526, 534, 546 417 427, 428, 430 433 158 443 429 478 157 425 163 359 434 520 415 414 431 431 435 428 164 415 148 105, 193, 197 431 448 479 447 483, 490 422 404, 463 106 117, 118, 119, 120 431, 432 126 309 479
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Rechtsprechungsverzeichnis
John Dee Ltd v. Customs and Excise Commissioner [1995] STC 941 Jones (t/a Shamrock Coaches) v. Department of Transport Welsh Traffic Area [2005] EWCA Civ 58 Kataria v. Essex Strategic Health Authority [2004] 3 All ER 572 Khreino v. Khreino [2000] 1 FLR 578 Kleinwort Benson Ltd v. Lincoln City Council [1998] 4 All ER 513 Kwik Save Stores Ltd v. Secretary of State for Scotland 1999 SLT 193 L (Minors) (Care Proceedings: Solicitors) [2001] 1 WLR 100 Lake v. Bennett [1970] 1 QB 663 Laker Airways Ltd v. Department of Trade [1977] QB 643 Lane v. Esdaile [1891] AC 210 Lawal v. Northern Spirit Ltd [2003] UKHL 35 Linnet v. Coles [1986] 3 All ER 652 Llyod v. McMahon [1987] AC 625 LM v. LB Lewisham [2009] UKUT 204 (AAC) Locabail (UK) Ltd v. Bayfield Properties Ltd [2000] QB 451 Local Government Board v. Arlidge [1915] AC 120 London and Clydesdale Estate Ltd v. Aberdeen District Council [1980] 1 WLR 182 Lord Montague v. Dudman (1751) Ves. Sen. 396 Lord Protector v. Barker [1762] 97 ER 823 LS v. London Borough of Lambeth (HB) [2010] UKUT 461 (AAC) M v. Home Office [1993] 3 All ER 537 MA v. Secretary of State for Work and Pensions [2009] UKUT 211 (AAC) Mariott v. Oxford & District Co-operative Society Ltd [1969] 1 WLR 254 Merchandise Transport Ltd v. British Transport Commission [1962] 2 QB 173 Metropolitan Properties Co (FCG) Ltd v. Lannon [1969] 1 QB 577 MH v. Pembrokeshire County Council (HB) [2010] UKUT 28 (AAC) Midland Bank Ltd v. Stamps [1978] WLR 635 Miller v. Garton Shires (a firm) [2006] EWCA Civ 1386 Minister of Housing and Local Government v. Sharp [1970] 2 QB 223 Mohamed v. Morris (2000) Times, 3 Feb. Mongan v. Department for Social Development [2005] NICA 16 Moses v. MacFerlan (1760) 2 Burr 1005 Moyna v. Secretary of State for Work and Pensions [2003] 1 WLR 1929 MT (Algeria) v. Secretary of State for the Home Department [2008] QB 533 Munnich v. Godstone Rural District Council [1966] 1 WLR 427 Nakkuda Ali v. MF de S Jayaratne [1951] AC 66 Napp Pharmaceutical Holdings Ltd v. Director General of Fair Trading (No.5) [2002] EWCA Civ 796 Nelsovil Ltd v. Minister of Housing and Local Government [1962] 1 WLR 404
435 436 413 421 482 516 471 425 130 414, 422 162, 334, 335 479 160 403 335, 336 393 156, 435 99 109 463 480 390, 391 428 484 161, 162 391, 392 90 443 47 421 399 157 429, 430 426, 433 121 159 448 431
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Rechtsprechungsverzeichnis
New Fashions (London) Ltd v. Revenue and Customs Commissioners [2006] STC 175 Norton Tool Co Ltd v. Tewson [1973] 1 WLR 45 O’Kelly v. Trusthouse Forte Plc [1984] QB 90 O’Reilly v. Mackman [1983] 2 AC 237 Office of Communications v. Floe Telecom Ltd (in Liquidation) [2009] EWCA Civ 47 Office of Fair Trading v. IBA Healthcare Ltd [2004] ICR 1364 P v. Secretary of State for the Home Department [2004] EWCA Civ 1640 Pearlman v. Keepers and Governors of Harrow School [1979] QB 56 Pickin v. British Railways Board [1974] AC 765 Piglowska v. Piglowski [1999] 1 WLR 1360 Portec (UK) Ltd v. Morgensen [1976] ICR 396 Porter v. Magilll [2002] 2 AC 357 PR (Sri Lanka) & Ors v. Secretary of State for the Home Department [2011] EWCA Civ 988 Pridle v. Fisher & Sons [1968] 1 WLR 1478 Quiltotex Co. Ltd v. Minister of Housing and Local Government [1966] 1 QB 704 R(DLA) 5/98 R(G) 1/93 R(I) 6/69 R(I)12/75 R(IS) 15/99 R(IS) 17/04 R(SB) 52/83 R(U) 6/88 R. (A) v. Leeds Magistrates’ Court [2004] EWHC 554 (Admin) R. (Begum) v. Social Security Commissioners [2002] EWHC 401 (Admin) R. (Cowl) v. Plymouth CC [2001] EWCA Civ 1935 R. (G) v. Immigration Appeal Tribunal [2005] 1 WLR 1445 R. (Hoverspeed Ltd) v. Commissioners for Customs and Excise [2003] 2 WLR 950 R. (Iran) v. Secretary of State for the Home Department [2005] EWCA Civ 982 R. (on the application of Ashworth Hospital Authority) v. Mental Health Review Tribunal for West Midlands and North West Region [2001] EWHC 901 R. (on the application of Axon) v. Secretary of State for Health [2006] EWHC 37 R. (on the application of Balbo B& C Auto Transporti Internazionli) v. Secretary of State for the Home Department [2001] 1 WLR 1556 R. (on the application of Burke) v. General Medical Council [2005] EWCA Civ 1003 R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052
428 434 426, 428 48, 112, 147, 149, 510 317, 420 461 419 147, 429 126 424, 443 491 162 413, 439, 444, 445, 446 431 425 489 469 400 489 491 401 491 349 123 418, 419 123 505 124 309, 432 398 131 122 131 484, 497, 498, 499, 500, 501, 502, 521, 522
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R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28
R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2010] EWCA Civ 859 R. (on the application of Clancy) v. Secretary of State for Defence [2006] EWHC 3333 Admin R. (on the application of Davies) v. Secretary of State for Communities and Local Government [2008] EWHC 2223 R. (on the application of Farrakhan) v. Secretary of State for the Home Department [2002] EWCA Civ 606 R. (on the application of H) v. Ashworth Hospital Authority [2001] EWHC Admin 901 R. (on the application of Hamid Ali Husain) v. Asylum Support Adjudicator [2001] EWHC Admin 852 R. (on the application of Harrison) v. Flintshire Magistrates’ Court [2004] EWHC 1456 R. (on the application of MR (Pakistan)) v. Upper Tribunal [2010] EWHC 3558 (Admin) R. (on the application of Sinclair Gardens Investments (Kensington) Ltd) v. Lands Tribunal [2005] EWCA Civ 1305 R. (on the application of Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475 R. (on the application of Starling) v. Child Support Commissioners [2008] EWHC 1319 (Admin) R. (on the application of United Cooperatives Ltd) v. Manchester City Council [2005] EWHC 364 R. (on the application of Woolas) v. Parliamentary Election Court [2010] EWHC 3169 (Admin) R. (on the application of Wright) v. Secretary of State for Health [2007] EWCA Civ 999 R. (on the Prosecution of Penarth Local Board of Health) v. Local Government Board (1882) 10 QBD 309 R. (PG) v. Ealing LBC [2002] EWHC 250 R. (RB) v. First-tier Tribunal (Review) [2010] UKUT 160 (AAC) R. (TS) v. Angela Bowen (Chair of SENDIST) and Solihull Metropolitan Borough Council [2009] EWHC 5 (Admin) R. (Wiles) v. Social Security Commissioner [2010] EWCA Civ 258 R. v. A (No. 2) [2001] UKHL 25 R. v. Advertising Standards Authority Ltd Ex p. Insurance Services Plc [1990] COD 42 R. v. Assessment Committee of St. Mary Abbotts Kensington [1891] 1 QB 378 R. v. Barker (1762) 96 ER 196 R. v. Birmingham City Council Ex p. Ferrero Ltd [1992] All ER 530 R. v. Bloomsbury Income Tax Commissioners [1915] 3 KB 768
413, 445, 446, 496, 497, 501, 502, 503, 504, 505, 506, 507, 508, 509, 525, 526, 527, 528, 532, 533, 534, 535, 537, 538, 539, 545 497, 501, 502, 504, 508 398 417 132 398 164 120 497 150, 151, 360, 422, 533, 539 123, 125, 150, 151, 283, 502, 506, 521, 522, 532 397 131 93 164 107 134 355, 358, 411, 412, 454, 462, 490 434 503, 504 457 59 197 115 123, 124 234
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Rechtsprechungsverzeichnis
R. v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate Ex p. Pinochet Ugarte (No. 2) [2000] 1 AC 119 R. v. Camden LBC Ex p. Rowton Ltd (1983) 10 HLR 28 R. v. Chancellor of Cambridge University (1723) 1 Str. 557 R. v. Chief Constable of Merseyside Police Ex p. Calveley [1986] QB 424 R. v. Chief Rabbi of the United Hebrew Congregations Ex p. Wachmann [1992] 1 WLR 1036 R. v. Code of Practice Committee of the Association of the British Pharmaceutical Industry Ex p. Professional Counselling Aids [1991] COD 228 R. v. Commissioner of Police for the Metropolis Ex p. Blackburn [1968] 2 QB 118 R. v. Commissioners of Customs and Excise Ex p. Cook [1970] 1 WLR 450 R. v. Corporation of Lincoln Ex p. Shuttleworth (1613) 80 ER 1001 R. v. Cowle (1759) 2 Burr. 834 R. v. Criminal Injuries Compensation Board Ex p. Cook [1996] 1 WLR 1037 R. v. Criminal Injuries Compensation Board Ex p. Lain [1976] 2 QB 864 R. v. Criminal Injuries Compensation Board Ex p. Pearce [1994] COD 23 R. v. Customs and Excise Commissioners Ex p. Kay & Co Ltd [1996] EWHC Admin 24 R. v. Deputy Industrial Injuries Commissioner Ex p. Moore [1965] 1 QB 456 R. v. Devon County Council Ex p. Baker [1995] 1 All ER 73 R. v. Disciplinary Committee of the Jockey Club, Ex p. Aga Khan [1933] 1 WLR 909 R. v. DPP Ex p. Camelot Group Plc (1998) 10 Admin LR 93 R. v. DPP Ex p. Kebline [2000] 2 AC 326 R. v. East Sussex CC Ex p. W (A Minor) [1998] 2 FLR 1082 R. v. Electricity Commissioners Ex p. Electricity Joint Committee Co (1920) Ltd [1924] 1 KB 171 R. v. Epping and Harlow General Commissioners Ex p. Goldstraw [1983] 3 All ER 257 R. v. Fulham etc. Rent Tribunal Ex p. Philippe [1950] 2 All ER 211 R. v. Goth [1993] AC 646 R. v. Governor of Brockhill Prison Ex p. Evans (No.2) [1998] 4 All ER 993 R. v. Greater London Council Ex p. Blackburn [1976] 1 WLR 550 R. v. Greater Manchester Coroner Ex p. Tal [1984] 3 All ER 240 R. v. GS [2005] EWCA Crim 887 R. v. Hanson (1821) 106 ER 1027 R. v. Harrow LBC Ex p. D [1990] Fam 133 R. v. Hillingdon Borough Council Ex p. Royco Homes Ltd [1974] 1 QB 720 R. v. Hillingdon LBC Ex p. Puhlhofer [1986] AC 484 R. v. Housing Appeal Tribunal [1920] 3 KB 334 R. v. Hull Prison Visitors Ex p. St. Germain (No. 2) [1979] 1 WLR 1401
161 425 158 122 57 59 30, 120 115 109 98 434 130 400 113 397 124 57 123 457 122 105 122 141 162 482 120 483 313 414 118 121 118 108 377
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Rechtsprechungsverzeichnis
R. v. Huntingdon District Council Ex p. Cowan [1984] 1 WLR 501 R. v. Immigration Appeal Tribunal Ex p. Bakhtaur Singh [1986] 1 WLR 910 R. v. Industrial Tribunal Ex p. Cotswold Collotype Co Ltd [1979] ICR 190 R. v. Inland Revenue Commissioners Ex p. Preston [1985] AC 835 R. v. Inner London Quarter Sessions Ex p. D’Souza [1970] 1 WLR 376 R. v. Kensington and Chelsea LBC Ex p. Bayani (1990) 22 HLR 406 R. v. Kensington and Chelsea Rent Tribunal Ex p. Macfarlane [1974] 1 WLR 1486 R. v. Knightsbridge Crown Court Ex p. International Sporting Club (London) Ltd [1981] 3 All ER 417 R. v. Lambeth LBC Ex p. Crookes (1997) 29 HLR 28 R. v. Legal Aid Board Ex p. Donn & Co [1996] 3 All ER 1 R. v. Leicester City Justices Ex p. Barrow [1991] 2 QB 260 R. v. Lewisham LBC Ex p. Shell UK [1988] 1 All ER 938 R. v. Life Assurance Unit Trust Regulatory Organisation Ex p. Ross [1993] QB 17 R. v. Liverpool City Council Ex p. Secretary of State for Employment [1989] COD 404 R. v. London Rent Assessment Committee Ex p. Hanson [1978] QB 823 R. v. Lord President of the Privy Council Ex p. Page [1993] AC 682 R. v. Mayor of Plymouth Ex p. Bagge (1615) 11 Co. Rep. 93b R. v. Medical Appeal Tribunal (North Midland Region) Ex p. Hubble [1958] 2 QB 228 R. v. Medical Appeal Tribunal Ex p. Gilmore [1957] 1 QB 574 R. v. Metropolitan Police Commissioner Ex p. Parker [1953] 1 WLR 1150 R. v. Ministery of Defence Ex p. Sweeney [1999] COD 122 R. v. Moreley (1760) 97 ER 696 R. v. National Insurance Commissioner Ex p. Vicusi [1974] 1 WLR 646 R. v. Northumberland Compensation Appeal Tribunals Ex p. Shaw [1952] 1 KB 338 R. v. Oxford Regional Mental Health Tribunal Ex p. Secretary of State for the Home Department [1988] AC 120 R. v. Panel on Takeovers and Mergers Ex p. Datafin PLC [1987] QB 815 R. v. Panel on Takeovers and Mergers Ex p. Guinness plc [1990] 1 QB 146 R. v. Poplar Borough Council Ex p. London County Council (No. 2) [1922] 1 KB 95 R. v. Powell (1841) 113 ER 1166 R. v. Press Complaints Commission Ex p. Steward-Brady (1997) 9 Admin LR 274 R. v. Rand and Others (1866) LR 1 QB 230 R. v. Secretary of State for Health Ex p. Alcohol Recovery Project [1993] COD 344 R. v. Secretary of State for Social Sercives Ex p. Association of Metropolitan Authorities [1986] 1 WLR 1
124 496 394 122, 435 115 441 401 107 123 132 469 132 59 114 305 141, 147, 149 99, 109,158 395, 397 142, 499 159 124 142 397 105, 106, 107 158, 530 58 122, 124 480 130 59 161 120 115
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R. v. Secretary of State for Social Services Ex p. Connolly [1986] 1 WLR 421 R. v. Secretary of State for the Environment Ex p. Hackney London Borough Council [1984] 1 WLR 592 R. v. Secretary of State for the Environment Ex p. Ostler [1977] 1 QB 122 R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Robinson [1998] QB 929 R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Brind and Others [1991] 1 AC 696 R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Bugdaycay and Others (consolidated Appeals) [1987] 1 AC 514 R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. CaptiMehmet [1997] COD 61 R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Doody [1994] 1 AC 531 R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Doorga [1990] COD 109 R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Kurdistan Workers Party [2002] ACD 99 R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Swati [1986] 1 WLR 477 R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Turkut [2001] 1 All ER 719 R. v. Secretary of State for Trade and Industry Ex p. Eastway [2000] 1 WLR 2222 R. v. Secretary of State for Trade and Industry Ex p. Greenpeace Ltd (No. 1) [1998] Eu LR 48 R. v. Secretary of State for Transport Ex p. Factortame Ltd (No. 2) [1991] 1 AC 603 R. v. St. Lawrence Hospital Statutory Visitors Ex p. Pritchard [1953] 1 WLR 1158 R. v. Stepney Corp [1902] 1 KB 317 R. v. Stock (1838) 112 ER 892 R. v. Stoklesley, Yorkshire, Justices Ex p. Bartram [1956] 1 WLR 254 R. v. Sunderland Justices [1901] 2 KB 357 R. v. Sussex Justices Ex p. McCarthy [1924] 1 KB 256 R. v. Swale B.C. Ex p. Royal Society for the Protection of Birds (1990) 2 Admin LR 790 R. v. Tomlinson (1866) LR 1 CCR 49 R. v. Tottenham District Rent Tribunal Ex p. Fryer Ltd [1971] 2 QB 681 Rainbow Phillips v. Camden LBC [2005] 4 All ER 1014 RB (Algeria) v. Secretary of State for the Home Department [2009] UKHL 10 Re Butler [1939] 1 KB 570 Re DJMS (A Minor) [1978] QB 120 Re F (a minor) (wardship: appeal) [1976] 1 All ER 417 Re Housing of the Working Classes Act 1890 Ex p. Stevenson [1892] 1 QB 609 Re J (A Child) (Custody rights: jurisdiction) [2006] 1 AC 80
418 108 139 419 156 156 123 157 123 458 118, 123, 124 132 422 131 127 131 121 414 134 161 161 120 197 141 441, 527 312 425 431, 432 431 422, 423 424, 432
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Re London and Winchester Properties Ltd’s Appeal (1983) 45 P& CR 429 Re Medicaments and Related Classes of Goods (No. 2) [2001] 1 WLR 700 Re Racal Communications Ltd [1981] AC 374 Re Wooding, Wooding v. Secretary of State for Social Services [1984] 1 WLR 348 Reed Employment Plc v. Revenue and Customs Commissioners [2010] UKFTT 596 (TC) RF v. C – MEC (CSM) [2010] UKUT 41 AAC Richards v. Richards [1990] Fam 194 Ridge v. Baldwin [1963] 1 QB 539 Robert v. Parole Board [2005] 2 AC 238 Rooke v. Wither (1598) 5 Co. Rep. 99 Roy v. Kensington and Chelsea and Westminster Family Practitioner Committee [1992] 1 AC 624 Royal Aquarium and Summer and Winter Garden Society Ltd v. Parkinson [1892] 1 QB 431 Runa Begum v. Tower Hamlets LBC [2003] 2 AC 430 S and Others v. Secretary of State for the Home Department [2002] INLR 416 S v. Secretary of State for the Home Department [2002] EWCA Civ 539 Salaried Persons Postal Loans Ltd v. Revenue and Customs Commissioners [2006] STC 1315 Scott v. Bye (1842) 130 ER 338 Secretary of State for Defence v. AD and MM [2009] UKUT 10 (AAC) Secretary of State for Education and Science v. Thameside Metropolitan Borough Council [1977] AC 1014 Secretary of State for the Home Department v. Makke [2005] EWCA Civ 176 Secretary of State for Work and Pensions v. Boyle [2008] EWCA Civ 210 Secretary of State for Work and Pensions v. Cattrell [2011] EWCA Civ 572 Secretary of State for Work and Pensions v. Menary-Smith [2006] EWCA Civ 1751 Secretary of State for Work and Pensions v. Morina [2007] 1 WLR 3033 Serco Ltd v. Lawson [2006] UKHL 3 Shaw (Inspector of Taxes) v. Vicky Constructions Ltd [2002] STC 1544 Shirazi v. Secretary of State for the Home Department [2004] 2 All ER 602 Smith (Inspector of Taxes) v. Abbott [1994] 1 All ER 673 Smith v. Cosworth Casting Processess Ltd [1997] 1 WLR 1538 SSJ v. RB [2010] UKUT 454 (AAC) Stanley Cole (Wainfleet) Ltd v. Sheridan [2003] ICR 1449 Stevens v. Stevens [1965] P 147 Such v. Secretary of State for the Home Department [2006] EWCA Civ 711
297 162 112, 147, 148, 149 495 355, 358 474 423 122, 159, 160 160 99 121, 122 40, 197 163, 164 398 309 428 193 489 153 418 249 442, 443, 448, 537 489 414, 420, 422 426 428 309 426 417, 419 262, 489, 490 433 415 417
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Swain v. Hillman [2000] PIQR P51 Tandon v. Trustees of Spurgeon’s Homes [1982] AC 755 Teherani v. Secretary of State for the Home Department [2006] UKHL 47 Terry v. Huntington (1679) 145 ER 557 Thenga v. Quinn [2009] EWCA Civ 151 Timmins v. Gormley [2000] QB 451 Uphill v. BRB (Residuary) Ltd [2005] 1 WLR 2070 Vellacott v. The Convergence Group Plc [2005] EWCA Civ 290 Voice & Script International Ltd v. Alghafar [2003] EWCA Civ 736 W v. Gloucestershire CC [2001] EWHC Admin 481 Walton Kiddiwinks Private Day Nursery v. Revenue and Customs Commissioners [2011] UKFTT 479 (TC) Warner v. Suckerman (1615) 3 Bulst. 119 Webb v. R. (1994) 181 CLR 41 Wisemena v. Bornemena [1971] AC 297 Wood v. Holden (Inspector of Taxes) [2006] 1 WLR 1393 Woodhouse v. Peter Brotherhood Ltd [1972] 2 QB 520 Woollett v. Minister of Agriculture [1954] 3 All ER 529 Wootton v. Central Land Board [1957] 1 WLR 424 Worthington v. Jeffries (1875) LR 10 CP 379 X v. United Kingdom (1981) 4 EHRR 181 Z & Ors. v. Secretary of State for the Home Department [2009] EWCA Civ 1287 Z v. United Kingdom (2002) 34 EHRR 3
417 425 520, 534 140 440 336 440, 443, 444, 529 443 440 398 398 100 162 393 428 425 355 431, 432 101 262 312 164
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzung (ed.) »JR« a.E. a.F. AAC AAC-PS
AC ACD Admin / (Admin) Admin LR ADR AIT All ER Art. Aufl. Bd. BTR Bulst Burr bzw. c.
Bedeutung editor (gesetzlicher) »judicial review«2 am Ende alte Fassung3 Administrative Appeals Chamber Practice Statement – Composition of Tribunals in relation to matters that fall to be decided by the Administrative Appeals Chamber of the Upper Tribunal on or after 1 October 2010 Appeal Cases (Law Report) Administrative Court Digest (Law Report) Administrative Court (Law Report) Administrative Law Reports (UK) (Law Report) Alternative Dispute Resolution Asylum and Immigration Tribunal4 All England Law Reports (Law Report) Artikel Auflage Band British Tax Review Bulstrode’s King’s Bench Reports (Law Report) Burrow’s King’s Bench Reports, tempore Mansfield (Law Report) beziehungsweise chapter5
2 Gemeint ist das Verfahren des gesetzlichen »judicial review«, welches vom UT gem. ss.15 ff. TCEA 2007 c.15 durchgeführt wird. 3 Dies meint sowohl geänderte als auch gänzlich aufgehobene Bestimmungen. 4 Dieses tribunal bestand von 2004 – 2010. 5 Bezeichnet das Kapitel des »Statute Book«, in dem sich ein Gesetz des entsprechenden Jahres findet. Englischem Brauch folgend werden bis auf die sehr frühen alle Gesetze bis zum Jahr 1963 sowohl mit der Bezeichnung und dem Herrschaftsjahr des jeweiligen Monarchen sowie
32 Cambr. LR Ch Ch. II CICA CICAP CICB CJQ CLJ CLP CLR Cm. Cmd. CMEG Cmnd. Co. Rep. CoA COD Col. JTL Cov. LJ CP CP Rep CPR CRU CSA CSIH CSOH Cum. Supp. d.h. DCA DCLG Dep. Diss. DWP EAT EBLRev ed. EDMO
6 7 8 9
Abkürzungsverzeichnis
Cambrian Law Review (Law Report) Chancery Division (Law Report) Charles II. Criminal Injuries Compensation Authority Criminal Injuries Compensation Appeals Panel Criminal Injuries Compensation Board Civil Justice Quarterly Cambridge Law Journal Current Legal Problems Common Law Reports (Law Report) Command Paper6 Command Paper7 Child Maintenance and Enforcement Commission Command Paper8 Coke’s Reports (Law Report) Court of Appeal Crown Office Digest (Law Report) Columbia Journal of Transnational Law Coventry Law Journal Consultation Paper Civil Procedure Reporter (Law Report) Civil Procedure Rules9 Compensation Recovery Unit Child Support Agency Court of Session Inner House (Law Report) Court of Session Outer House (Law Report) Cumulative Supplement das heißt Department for Constitutional Affairs Department for Communities and Local Government Department Dissertation Department for Work and Pensions Employment Appeal Tribunal European Business Law Review Edition empty dwelling management order
der Kapitelnummer zitiert; um die zeitliche Einordnung zu erleichtern wird jeweils noch das Kalenderjahr mitzitiert (z. B.: Poor Law Amendment Act 1834 (4& 5 Will.IV.) c.76). Bei allen Gesetzen ab 1964 werden nur noch der Titel, das Jahr und die Kapitelnummer angegeben (z. B.: Constitutional Reform Act 2005 c.4); siehe zur Zitierweise englischer Gesetze insgesamt Jacobstein/Mersky, Legal Research, 1987, S. 411. Diese Abkürzung wird seit 1986 verwendet. Diese Abkürzung wurde zwischen 1919 – 1956 verwendet. Diese Abkürzung wurde zwischen 1956 – 1986 verwendet. Civil Procedure Rules 1998, SI1998/3132.
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Abkürzungsverzeichnis
Edw.VII EGMR EHR EHRR Eliz.II. EMRK ER etc. Eu LR EuGH EWCA Civ
Edward VII. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte English Historical Review European Human Rights Reports Elizabeth II. Europäische Menschenrechtskonvention English Reports (Reprint) (Law Report)
et cetera European Law Reports (Law Report) Europäischer Gerichtshof England and Wales Court of Appeal (Civil Division) (Law Report) EWHC England and Wales High Court (Law Report) Ex p. Ex parte f. Folgende Fam Family Division (Law Report) ff. und folgende FLR Family Law Reports (Law Report) Fn. Fußnote FS. Festschrift FtT First-tier Tribunal gem. Gemäß Geo.VI. George VI. Geo.V. George V. GRC General Regulatory Chamber GRC-PS Practice Statement – Composition of Tribunals in relation to matters that fall to be decided by the General Regulatory Chamber on or after 1 September 2010 GRC-Rules, SI2009/1976 The Tribunal Procedure (First-tier Tribunal) (General Regulatory Chamber) Rules 2009, SI2009/1976 grds. Grundsätzlich HC House of Commons HESCC Health, Education and Social Care Chamber HESCC-PS Practice Statement – Composition of Tribunals in Relation to Matters that fall to be Decided by Health, Education and Social Care Chamber on or after 18 November 2010 HESCC-Rules SI2008/ The Tribunal Procedure (First-tier Tribunal) 2699 (Health, Education and Social Care Chamber) Rules 2008, SI2008/2699 HLR Housing Law Reports (Law Report) HMCS Her Majesty’s Court Service HMCTS Her Majesty’s Courts and Tribunals Service HMO houses in multiple occupation HMRC Her Majesty’s Revenue and Customs
34 HoL HOPO Hrsg. i.E. i.S.d. i.S.v. i.V.m. IAC-FtT IAC-FtT/IAC-UT-PS IAC-Rules SI2005/230 IAC-UT IAT ICLR ICR IJRL ILJ INLR insb. IPSA IPT ISA ISC ISP J JAC Jhd. JIANL JPL JR JSB JSSL KB L& T Review LA LC LCJ Ld Raym Leo. LJ
Abkürzungsverzeichnis
House of Lords Home Office Presentation Officer Herausgeber im Ergebnis im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit Immigration and Asylum Chamber (First-tier Tribunal) Practice Statement – Immigration and Asylum Chambers of the First-tier Tribunal and the Upper Tribunal The Asylum and Immigration Tribunal (Procedure) Rules 2005, SI2005/230 Immigration and Asylum Chamber (Upper Tribunal) Immigration Appeal Tribunal10 Incorporated Council of Law Reporting Industrial Cases Report (Law Report) International Journal of Refugee Law Industrial Law Journal Immigration and Nationality Law Reports (Law Report) insbesondere Independent Parliamentary Standards Authority Investigatory Powers Tribunal Independent Safeguarding Authority Immigration Service Commissioner Immigration Service Provider justice/judge Judicial Appointments Commission Jahrhundert Journal of Immigration, Asylum and Nationality Law Journal of Planning and Environment Law judicial review11 Judicial Studies Board Journal of Social Security Law King’s Bench (Law Report) Landlord and Tenant Review Legal Action Lord Chancellor Lord Chief Justice Lord Raymonds King’s Bench Reports (Law Report) Leonard’s Reports of the Courts in Westminster (Law Report) Lord Justice
10 Dieses tribunal bestand von 1971 – 2004. 11 Es handelt sich ausschließlich um judicial review-Verfahren, die durch den High Court oder den Court of Session durchgeführt werden.
Abkürzungsverzeichnis
LP LQR LR CCR LR QB Ltd LVT M& W m.w.N. MLR MP MR NASS NAT NHS NICA NILT NLJ o.ä. OFT OISC Osgoode HLJ P P& CR PA PAAC para. Parl. Deb. PCB PDCS PIQR PL POAC PS PSQ QB QBD R R(I), R(IS), R(U), R(G), R (DLA), R(SB) R. r.
35 Lord President Law Quarterly Journal Crown Cases Reserved (Law Report) Law Reports Queen’s Bench (Law Report) limited Leasehold Valuation Tribunal Meeson and Welsby (Law Report) mit weiteren Nachweisen Modern Law Review Member of Parliament Master of the Rolls National Asylum Support Service National Assistance Tribunal National Health Service Northern Ireland Court of Appeal (Law Report) National Insurance Local Tribunal New Law Journal oder ähnliches Office of Fair Trading Office of the Immigration Service Commissioner Osgoode Hall Law Journal Probate (Law Report) Property and Compensation Reports (Law Report) Public Administration Pathogenes Access Appeals Commission paragraph/s Parliamentary Debates Private Client Business Pensions Disability and Carers Service Personal Injuries and Quantum (Law Report) Public Law Proscribed Organisations Appeals Commission Political Studies Political Science Quarterly Queen’s Bench (Law Report) Queen’s Bench Division (1875 – 90) (Law Report) Retties Session Cases, 4th Series (Scotland) (Law Report) Reported Decisions of the Social Security Commissioners12 (Law Report) Rex/Regina13 rule/regulation
12 Siehe zur Zitierweise der Entscheidungen der Social Security Commissioners die Informationen auf der Website der Entscheidungsdatenbank für Tribunalsentscheidungen, http:// www.osscsc.gov.uk/decisions/decisions.htm, besucht am: 13. 03. 2012 13 Siehe zur Verwendung dieser Abkürzung auch unten, Fn. 417.
36 RAC RCS Rn. RPT RPTS RSC RT s. S. SBAT sch. SEC SEC-AsylSupp-PS
SEC-CrimInComp-PS
SEC-PS
SEC-Rules SI2008/2685 SEN ser. SI SIAC SLT SOCA SPT ss. SSAT SSI STC Str. tab. TC TCC TC/TCC-PS
Abkürzungsverzeichnis
Rent Assessment Committees Rules of the Court of Session14 Randnummer/n Residential Property Tribunal Residential Property Tribunals Service Rules of the Supreme Court Rent Tribunal section Seite/n Supplementary Benefit Appeal Tribunal schedule Social Entitlements Chamber Practice Statement, Composition of Tribunals in relation to matters that fall to be decided in Asylum Support Cases in the Social Entitlement Chamber on or after 3 November 2008 Practice Statement – Composition of Tribunals in relation to matters that fall to be decided in Criminal Injury Compensation Cases in the Social Entitlement Chamber on or after 3 November 2008 Composition of Tribunals in Social Security and Child Support Cases in the Social Entitlement Chamber on or after 3 November 2008 The Tribunal Procedure (First-tier Tribunal) (Social Entitlement Chamber) Rules 2008, SI2008/2685 Special Educational Needs series Statutory Instrument Special Immigration Appeals Commission Scots Law Journal (Law Report) Serious Organised Crime Agency Senior President of Tribunals Sections Social Security Appeal Tribunals Scottish Statutory Instrument Simon’s Tax Cases (Law Report) Strange’s King’s Bench Reports (Law Report) table Tax Chamber Tax and Chancery Chamber Practice Statement – Composition of Tribunals in Relation to Matters that fall to be decided by the Tax Chamber of the First-tier Tribunal and the Tax Chamber of the Upper Tribunal on or after 1 September 2009
14 Act of Sederunt (Rules of the Court of Session 1994) SSI1994/1443
Abkürzungsverzeichnis
TCEA 2007 c.15 TC-Rules SI2009/273
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Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007 c.15 The Tribunal Procedure (First-tier Tribunal) (Tax Chamber) Rules 2009, SI2009/273 TJTG Tribunals Judicial Training Group TPC Tribunal Procedure Committee TS Tribunals Service u.s.w. und so weiter UK United Kingdom UKBA United Kingdom Border Agency UKFTT United Kingdom First-tier Tribunal (Law Report) UKHL United Kingdom House of Lords (Law Report) UKPC United Kingdom Privy Council (Law Report) UKSC United Kingdom Supreme Court (Law Report) UKUT United Kingdom Upper Tribunal (Law Report) UT Upper Tribunal UTLC Lands Chamber UTLC-PS Practice Statement – Composition of Tribunals in relation to matters that fall to be decided by the Lands Chamber of the Upper Tribunal on or after 1 June 2009 UTLC-Rules SI2010/2600 The Tribunal Procedure (Upper Tribunal) (Lands Chamber) Rules 2010, SI2010/2600 UT-Rules SI2008/2698 The Tribunal Procedure (Upper Tribunal) Rules 2008, SI2008/ 2698 u.U. unter Umständen v.a. vor allem VAT value added tax Ves. Sen. Vesey Senior’s Chancery Reports (Law Report) vgl. vergleiche Vict. Victoria vol. volume Will.& Mary William III. & Mary II. Will.IV William IV. WLR Weekly Law Reports (Law Report) WPAFCC War Pensions and Armed Forces Compensation Chamber WPAFCC-PS Practice Statement, Composition of Tribunals in Relation to matters that fall to be decided by the War Pensions and Armed Forces Compensation Chamber on or after 3 November 2008 WPAFCC-Rules SI2008/ The Tribunal Procedure (First-tier Tribunal) (War Pensions 2686 and Armed Forces Compensation Chamber) Rules 2008, SI2008/2686 Yale LJ Yale Law Journal z.B. zum Beispiel z.T. zum Teil Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und VölkerZaöRV recht
I. Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Rechtsschutz auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts in England durch tribunals1 und deren Reform. Diese einfach klingende Umschreibung dessen, worum es auf den folgenden Seiten gehen soll, ist für sich genommen sehr wenig aussagekräftig; denn schon der Begriff »tribunal« konnte in der englischen Rechtswissenschaft bisher nicht abschließend definiert werden.2 Grob gesagt handelt es sich dabei um Spruchkörper, die Streitigkeiten zwischen zwei Parteien – vornehmlich, aber nicht ausschließlich, Staat und Bürger – entscheiden, welche in einem bestimmten, gemeinhin durch ein Parlamentsgesetz geregelten Lebensbereich entstehen. Die Spruchkörper, zu deren Bezeichnung der Begriff jedoch bisher verwendet wurde, waren und sind bei genauerem Hinsehen zu unterschiedlich, als dass eine wirklich präzise und abschließende Definition möglich wäre.3 Einigkeit besteht allenfalls insoweit, als dass tribunals keine courts, sind4 und deshalb außerhalb der »usual judicial hierarchy«5 stehen; aber auch dies ermöglicht keine einfache und präzise Abgrenzung.6 1 Der Begriff wird hier als englischer Begriff verwendet – und dementsprechend kleingeschrieben. 2 »There is no general definition of what constitutes a tribunal […].« Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.13; Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 2 – 019; Forbes, Justice in Tribunals, 2nd ed. 2006, S. 1. »The term tribunal is used to describe a very wide range of bodies which possess few, if any, universally common features.« Siehe Genn, Tribunals, in: Feldman/Birks (Hrsg.), English Public Law 2004 (985), para. 20.01. 3 Treffend ist daher immer noch die Aussage in Jackson, Machinery of Justice, 5th ed. 1967, S. 352: »[The] most marked characteristic of tribunals is that they are a very mixed lot.« 4 »Tribunal is used in a general sense and in a specific sense. In its general sense, it covers all bodies that determine the legal position of the parties before them. In its specific sense, it is used to distinguish some of those bodies from those that are courts.« Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.13. »While every court is a tribunal, the converse is not true.« Siehe Attorney General v. BBC [1981] AC 303 (308) per Dilhorne LJ. 5 Rutherford/Bone/Burke, Osborn’s Concise Law Dictionary, 8th ed. 1993, Stichwort: »tribunal«; Forbes, Justice in Tribunals, 2nd ed. 2006, S. 1. 6 »[›Tribunal‹] has not, like the word ›court‹ an ascertainable meaning in English law.« Royal
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Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
Obwohl der Begriff also nicht als Definition taugt, ist er dennoch als Bezeichnung für bestimmte Spruchkörper allgemein anerkannt und gebräuchlich.7 Zur Darstellung bzw. zum Verständnis des Verwaltungsrechtsschutzes jenseits des Ärmelkanals8 ist er gleichsam unumgänglich: Denn tribunals sind von enormer praktischer Bedeutung für den Rechtsschutz des Einzelnen gegen den Staat9 – die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bürger Streitigkeiten mit dem Staat vor einem tribunal ausfechten muss, ist viel höher als die, dass er sich damit vor einem ordentlichen Gericht wiederfindet.10 Ungeachtet dieser praktischen Wichtigkeit führten tribunals in der rechtswissenschaftlichen Betrachtung – gerade im Gegensatz zu den ordentlichen Gerichten – lange Zeit eher ein Schattendasein.11
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Aquarium and Summer and Winter Garden Society Ltd v. Parkinson [1892] 1 QB 431 (446) per Fry LJ. Ergänzt werden muss diese Aussage durch die Tatsache, dass auch der Begriff »court« nicht definiert ist, sondern allenfalls ein klarer, aber unausgesprochener Konsens über dessen Bedeutung besteht. Mehr oder weniger tiefgehende Ausführungen zu tribunals finden sich heute in jedem Lehrbuch zum englischen Rechts- und Gerichtssystem; siehe nur Keenan/Smith, English Law, 15th ed. 2007, S. 69 ff.; Kelly/Slapper, English Legal System, 10th 2009 – 2010, S. 393; Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 550; Gillespie, English Legal System, 2nd ed. 2009, S. 493 ff.; Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 3.1; Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 11 – 001. Auch sind sie selbstverständlicher Bestandteil aller Werke zum öffentlichen Recht; siehe nur Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 770 ff.; Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 001 ff.; Cane, Administrative Law, 4th ed. 2004, S.387 ff.; Harlow/Rawlings, Law and Administration, 3rd ed. 2009, S. 486 ff.; Endicott, Administrative Law, 2009, S. 429 ff. Siehe zur bisherigen, rechtswissenschaftlichen Behandlung von tribunals aber auch bei Fn. 11. Diese Formulierung wird hier bewusst gewählt, weil auch die Beschreibung des räumlichen Betrachtungsbereichs dieser Arbeit einiger Erläuterungen bedarf; siehe unten, I.A., S. 42. »There is no doubt […] that tribunals represent one of the most important pillars of the system of justice in this country […].« Carnwath, Tribunal Justice – A Quiet Revolution, 2005, S. (2); Buck, CJQ 2006, 25, 458 (459, Fn. 5); Gillespie, English Legal System, 2nd ed. 2009, S. 493. »The ordinary law-abiding citizen is more likely to find himself concerned with [tribunals] than with the regular courts of law.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 771; siehe auch Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 1.1 ff. »Together [tribunals] form the largest part of the civil justice system in England and Wales, hearing about a million cases each year. That number of cases alone makes their work of great importance to our society, since more of us bring a case before a tribunal than go to any other part of the justice system. Their collective impact is immense[…].« »Preoccupation with the courts and the ambit of judicial review has resulted in a ›top-down‹ approach to grievances with scholars concentrating on the decisions of bodies at the top of the grievance hierarchy.« Mulcahy, Sliding Scales of Justice, in: Harris/Partington (Hrsg.), Administrative Justice in the 21st Century 1999, S. 66 (70); Genn, Tribunal Review of Decision-making, in: Richardson/Genn (Hrsg.), Administrative Law and government action – The Courts and alternative mechanisms of review 1994, S. 249 (250) meint, viele Lehrbücher zum Verwaltungsrecht würden tribunals zwar behandeln, beschränkten sich in ihrer Analyse jedoch auf die oberflächliche Feststellung, sie seien eine »gute Sache«; siehe auch Sydow/ Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 96 f. sowie unten, bei Fn. 126.
Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
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Auch um der enormen praktischen Bedeutung von tribunals für den Rechtsschutz des Einzelnen Rechnung zu tragen, hat der britische Gesetzgeber nun einen großen Teil der bisherigen tribunals bzw. der tribunal landscape, die diese formten, einer umfassenden Umgestaltung unterzogen und darüber hinaus damit begonnen, jenes unsystematische Konglomerat von Spruchkörpern, Gremien und Verfahren zu vereinheitlichen, das bisher die sog. administrative justice landscape12 bildete. Dies geschah – und geschieht noch immer – durch den und in Folge des Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007 c.15 (im Folgenden: TCEA 2007 c.15). Ziel dieser Arbeit wird sein, die Ausgangslage, die bisherigen Veränderungen und die möglichen Folgen dieser Reformen für das englische Verwaltungsrecht aufzuzeigen. Weil der durch den TCEA 2007 c.15 eingeleitete Reformprozess kontinuierlich fortschreitet und noch lange nicht abgeschlossen ist, ist das sogleich gezeichnete Bild der sich stetig verändernden tribunal landscape notwendigerweise ein vorübergehendes – Veränderungen bei den tribunals in Folge des TCEA 2007 c.15 konnten in dieser Arbeit bis Ende 2011 berücksichtigt werden. Besonderes Augenmerk wird dabei vor allem auf das Verhältnis der courts zu den neuen, reformierten tribunals gelegt werden, um die Frage zu beantworten, wo die tribunals innerhalb der administrative justice landscape zu verorten sind und ob sich in den reformierten tribunals nun nicht erstmals so etwas wie eine eigenständige Verwaltungsgerichtsbarkeit in Ansätzen erkennen lässt, deren Abwesenheit bisher stets als ein zentrales Merkmal der englischen Rechtsordnung angesehen wurde.13 Wichtig hierfür wird neben der Betrachtung der tribunals selbst insb. auch die Betrachtung des geschichtsträchtigen Verfahrens des judicial review sein, mit dem die ordentlichen Gerichte bisher maßgeblich zur Entstehung und Systematisierung des englischen Verwaltungsrechts beigetragen haben und dessen Anwendung zur Kontrolle der Entscheidungen der neu durch den TCEA 2007 c.15 geschaffenen tribunals nun erheblich modifiziert wurde. Diese grobe Umschreibung des Betrachtungsgegenstandes bedarf allerdings zunächst noch weiterer Vorbemerkungen und Präzisierungen:
12 Dieser Begriff findet sich bereits in den Regierungsmaterialien, die den Reformen durch den TCEA 2007 c.15 vorausgingen; siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004 S. 9 ff. Siehe etwa auch den Titel des Arbeitspapiers »The Developing Administrative Justice Landscape«; AJTC, The Developing Administrative Justice Landscape, 2009. 13 Dazu siehe sogleich, I.C.1., S. 44.
42
A.
Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
Zu den räumlichen Grenzen des Betrachtungsgegenstands
Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, wird sie sich in geographischer Hinsicht grundsätzlich auf England beschränken – und dennoch wird sich an einigen Stellen ein weiterer Betrachtungswinkel nicht vermeiden lassen. Dies liegt an der komplizierten, asymmetrischen und dynamischen regionalen Struktur des Vereinigten Königreiches.14 Das United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland,15 bestehend aus den Regionen16 England, Wales, Schottland und Nord Irland, ist grds. ein unitarischer Staat.17 Historisch gesehen haben sich die einzelnen Teile aber in vielerlei Hinsicht eigenständig und unabhängig voneinander entwickelt, was sich – wenngleich in unterschiedlichem Maße – auch in den jeweils in den Regionen geltenden Rechtssystemen niedergeschlagen hat.18 Aufgrund von sehr unterschiedlich ausgeprägten Bestrebungen zur Er14 »The United Kingdom is a complicated state. It is an asymmetrical union of four component parts: England, Wales, Scotland, and Northern Ireland. The asymmetry of the union is dynamic, not static. The legal and political relationships between and indeed within the component parts are changing.« Tomkins, Public Law, 2003, S. 1. 15 Seit dem Royal and Parliamentary Titles Act 1927 (17 Geo.V) c.4 hat das Parlament in Westminster den Titel »Parliament of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland«; entsprechend definiert der Interpretation Act 1978 c.30 »United Kingdom« als »Great Britain and Northern Ireland«. »Großbritannien« umfasst dabei die britische Hauptinsel, also England, Wales und Schottland, sowie die unmittelbar naheliegenden Inseln Isle of White und die Isle of Scilly sowie die zu Schottland gehörenden Inseln (Hebriden, Orkney und die Shetlandinseln). Siehe zum Ganzen Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 41 Fn. 28 m.w.N. 16 Der Begriff »Region« wird hier – im Anschluss an seine Verwendung in Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007 S. 45 ff. – der sprachlichen Einfachheit halber für die einzelnen historischen Landesteile des Vereinigten Königreiches gewählt; nicht zu verwechseln ist der Begriff mit dem der »region«, der die heute bestehenden territorialen Untergliederungen Englands bezeichnet; siehe s.1 bzw. sch.1 Regional Development Agencies Act 1998 c.45. Durch s.4 Regional Development Agencies Act 1998 c.45 wird England in die Zuständigkeitsgebiete verschiedener »Regional Development Agencies« aufgeteilt, die vor allem die Aufgabe haben, die wirtschaftliche Entwicklung ihrer jeweiligen Region zu fördern. 17 Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 45. 18 »[O]ur first observation is that there has never been a single, unified legal system which served the whole of the British Isles. […] In the territorial sense, there are still distinct systems of public and private law for England and Wales, for Scotland, for Ireland (North and South), and for the Channel Islands and the Isle of Man. The variety is daunting and there is no simple way toward comprehensive treatment.« Tompson, Islands of Law, 2000, S. 2. Insbesondere Schottland hat aufgrund seiner Geschichte auch heute ein in vielerlei Hinsicht anderes Rechtssystem; siehe zur historischen Entwicklung des schottischen Rechts insgesamt Walker, The Scottish Legal System, 8th ed. 2001, S. 113; Ashton, in: Ashton (Hrsg.), Fundamentals of Scots Law 8th ed., 2005, S. 32 ff. die der Frage nachgeht: »Why is the Scots system so different from the English system?«. Zur eigenständigen Rechtsentwicklung in Wales siehe Watkin, Legal History of Wales, 2007, S. 1ff; siehe zum Ganzen auch Kleve/
Allgemeine Vorbemerkungen zur Terminologie
43
richtung einer Selbstverwaltung und politischer Eigenständigkeit hat es zudem seit 1998/9919 einen teilweise sehr weitgehenden Prozess der Übertragung einzelner Kompetenzen des Zentralstaats auf diese Regionen gegeben, der als devolution bekannt ist.20 Diese geschichts- und »devolutionsbedingte« Komplexität des Staatsgebildes wirkt sich an vielen Stellen auf das materielle Verwaltungsrecht und damit auch auf die Organisation bzw. die Kompetenzen von tribunals aus21 und führt heute noch zu einigen rechtlichen Komplikationen. Insb. eine nähere Betrachtung Schottlands wird teilweise unumgänglich sein – Ausgangspunkt der Arbeit bleibt aber stets die Rechtslage in England.22
B.
Allgemeine Vorbemerkungen zur Terminologie
Des Weiteren sei noch zur Terminologie bzw. der Begriffsverwendung der Arbeit Folgendes vorweggeschickt: In Arbeiten, die sich mit ausländischem Recht beschäftigen, stellen sich immer wieder schwierige Übersetzungsprobleme, die
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Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 45 und Lyall, Introduction to British Law, 2nd ed. 2002, S. 170. Insbesondere der unter der damaligen Labour Regierung verabschiedete Scotland Act 1998 c.46, der Government of Wales Act 1998 c.38 und der Northern Ireland Act 1998 c.47 sind jene Gesetze, die den jeweiligen Bestrebungen zur Selbstverwaltung Rechnung trugen und die gegenwärtige Gestalt des Vereinigten Königreichs prägen. Allerdings bestanden auch schon vor diesen Gesetzen z. T. erhebliche Unterschiede hinsichtlich des jeweils in diesen Teilgebieten anzuwendenden Rechts; siehe zum Ganzen statt aller Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 46 sowie Lyall, Introduction to British Law, 2nd ed. 2002, S. 170. Der Begriff »devolution« ist nicht ins Deutsche übersetzbar; siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 45. Der damit bezeichnete Prozess hat sowohl nach Schottland, Wales und Nord Irland umfassende Kompetenzen zur Selbstverwaltung dieser Regionen übertragen und jeweils eigene Legislativ- und Exekutivorgane geschaffen. England hingegen hat bisher keine vergleichbar umfassende Übertragung von Kompetenzen oberhalb der »Regional Development Agencies« (siehe oben, Fn. 16) erlebt; siehe Leyland/Anthony, Textbook on Administrative Law, 6th ed. 2009, para. 3.6.1. England betreffende Angelegenheiten werden vielmehr von der Londoner Zentralregierung geregelt. Der sprachlichen Einfachheit halber wird der englische Begriff »devolution« im Folgenden auch in eingedeutschter Form als »Devolution« verwendet. Ein und dasselbe tribunal kann in manchen Fällen Zuständigkeiten für das ganze Vereinigte Königreich haben, in anderen aber nur für eine oder mehrere der Regionen; siehe zu den Zuständigkeiten der tribunals unten, V., S. 239ff. Ausgeschlossen ist damit also etwa eine Betrachtung all jener tribunals, die ausschließlich in einer der anderen jeweiligen Regionen von Bedeutung sind. Aufgrund des in Wales am wenigsten weit fortgeschrittenen Prozesses der Devolution und des daraus resultierenden weitest gehenden Gleichlaufs des Rechts in England und Wales können die meisten Ausführungen zumindest auch auf Wales bedenkenlos übertragen werden. Hinsichtlich Nord Irlands und Schottlands ist dies nicht der Fall. Dort evtl. bestehende Besonderheiten werden daher so weit wie möglich ausgelassen, um den Umfang der Arbeit nicht zu sprengen.
44
Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
weder unter Anwendung vorgegebener Regeln noch unter Anspannung des Sprachgefühls restlos sauber und überzeugend gelöst werden können.23 Das gilt insbesondere für das englische Recht.24 Deshalb wird diese Arbeit häufig Originalzitate und Originalbegriffe verwenden, unter Umständen auch in sprachlich unsauberen Kombinationen mit deutschen Begriffen oder anderweitig »eingedeutscht«. Dies geschieht, um stilistisch unschöne, mehrere Wörter umfassende Umschreibungen der jeweiligen englischen Begriffe zu vermeiden.
C.
Vorbemerkungen zu den Begriffen »Verwaltungsrechtsschutz« und administrative justice
Der Begriff »Verwaltungsrechtsschutz«, wie er hier im Titel der Arbeit verwendet wird, dient als Platzhalter für den Begriff administrative justice. Diese Begriffsverwendung bedarf ebenfalls einiger Vorbemerkungen:
1.
Prägnanz der Begriffe private law, public law und administrative law
Zum einen kann der Begriff »Verwaltungsrechtsschutz« deshalb irreführend sein, weil die damit nach deutschem Verständnis einhergehende, dogmatische Abgrenzung zwischen Verwaltungsrecht und Privatrecht sich nicht auf das englische Recht übertragen lässt. Das Gebiet des öffentlichen Rechts in England ist nur wenig kohärent und dogmatisch durchdrungen,25 was vor allem historische Ursachen hat: Lange Zeit lehnte das englische Recht die Existenz eines public law ab.26 Gefestigte, weitgehend anerkannte Theorien zur Abgrenzung 23 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 6. 24 »Die beiden Rechtskulturen der zivilisierten Welt sind voneinander so verschieden, dass sogar die adäquate Übersetzung der Rechtsworte des einen in die Sprache des anderen Rechtsgebietes fast unmöglich ist.« Radbruch, Der Geist des englischen Rechts, 3. Aufl. 1956, S. 8; Wiesner, Administrative Tribunals in Großbritannien, 1974, S. 16. 25 Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007 S. 175; Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Hoffman-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts Bd. 1/3, 2006, § 10 A Rn. 8. Dabei verfügt das englische Recht grds. über eine Jahrhunderte alte Tradition gerichtlicher Kontrolle über im weitesten Sinne exekutive Entscheidungen, die maßgeblich zur Entwicklung des heutigen Verwaltungsrechts beigetragen hat, wie sogleich noch näher dargestellt wird. 26 MacCormick, CLP 1983, 36(1), 13 (20 f.); Posser, PS 1996, 44, 473 »[…] lack of a distinctive system of public law«; Baum, Der Schutz verfassungsmäßiger Rechte im englischen Common Law, 2004, S. 22; Loughlin, Idea of Public Law, 2003, S. 2: »Modern History is based on the rejection of the idea of public law.«
Zu den Begriffen »Verwaltungsrechtsschutz« und administrative justice
45
von öffentlichem und privatem Recht, wie sie in Deutschland bekannt sind,27 bestehen daher in England nicht.28 Allerdings gab es auch lange keine praktische Notwendigkeit für eine solche Abgrenzung: Denn England hat zugleich kein, vielen kontinentaleuropäischen Staaten gemeines29 System von eigenen, spezialisierten Verwaltungsgerichten.30 Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nach deutschem Verständnis wurden und werden heute noch vor jenen Gerichten verhandelt, die auch für zivilrechtliche Streitigkeiten zuständig sind31 – und eben von tribunals. Diese Eigentümlichkeit des englischen Rechts wird in den Arbeiten des einflussreichen englischen Verfassungstheoretikers Albert Venn Dicey deutlich,32 der mit seinen Theorien zugleich maßgeblich dazu beitrug, dass das englische Recht der Idee eines Verwaltungsrechts und eigenen Verwaltungsgerichten lange Zeit ablehnend 27 Gemeint sind die (modifizierte) Subjektstheorie, Subordinationstheorie und Interessentheorie. Zum Stand der »Public-Private Divide« in Deutschland heute siehe Schneider, The public-private divide in Germany, in: Ruffert (Hrsg.), The public-private divide: Potential for transformation 2009, S. 85 (85 ff.). 28 Im Rahmen etwa der o.g. Definition von sch.7 para. 14 TCEA 2007 c.15 stellt sich ja letztlich eine ähnliche Frage wie auch bei der Auslegung des § 40 VwGO. Die Frage, was denn »decisions of an administrative or executive nature« seien, ist letztlich nichts anderes als die Frage nach einer »Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Art«. Während in Deutschland Juristen für die Beantwortung dieser Frage auf gefestigte Theorien zurückgreifen können, stellt sich die englische Rechtswissenschaft teilweise heute noch die Frage, ob und wann eine solche Abgrenzung überhaupt notwendig und wie sie sinnvoll möglich wäre. Siehe dazu Oliver, Public-Private Divides in English Law, in: Ruffert (Hrsg.), The Public-Private Divide: Potential for Transformation? 2009, S. 1 (16), wo sie feststellt: »To summarize, it is my contention that there is not and never has been a strict public private divide in English law. […] My contention is […] that we have, at most, some separate substantive and adjectival public laws, but we do not have a coherent divide between public and private law or laws.« 29 Typisch für ein vom common law geprägtes Land ist ein vereinheitlichtes Gerichtssystem, das sich – etwa einer Pyramide gleich – aus verschiedenen Einzelgerichten zusammensetzt, die Fälle aus den verschiedenen Rechtsgebieten entscheiden, an deren Spitze jedoch ein höchstes Gericht steht, welches potentiell zur Entscheidung sämtlicher Fälle berufen ist, unabhängig davon, welchem Rechtsgebiet der fragliche Fall entstammt. Demgegenüber verfügen zivilistisch geprägte Rechtsordnungen regelmäßig über ein unabhängiges, eigenständiges System von Verwaltungsgerichten; siehe Merryman/P¦rez Perdomo, The Civil Law Tradition, 3rd ed. 2007, S. 86, die die Gerichtssysteme von common law-Ländern gerade den zivilistisch geprägten Rechtsordnungen gegenüberstellen, in denen das Bestehen gesonderter Gerichtsbarkeiten mit gesonderten Höchstgerichten für die verschiedenen Rechtsmaterien typisch ist. 30 Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 126; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 1. 31 Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2005, S. 133. Im CoA (dem zweithöchsten Gericht Englands) etwa ist die Kammer für Zivilsachen für die Entscheidung verwaltungsrechtlicher Streitigkeiten zuständig – lediglich im High Court gibt es eine eigene Abteilung, die als sog. »Administrative Court« ausschließlich mit Verwaltungssachen befasst ist. Dazu sowie zum gesamten Gerichtsaufbau im Einzelnen generell unten; siehe II.A.3., S. 87ff. 32 Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 117.
46
Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
gegenüber stand: Sein 1885 erschienenes Werk Introduction to the Study of the Law of the Constitution ist für das englische öffentliche Recht bis in das 20. Jhd. hinein von nicht zu unterschätzender Bedeutung.33 Eine wesentliche Aussage Diceys in diesem Werk ist, dass aus einem zentralen Verfassungsprinzip des englischen Rechts, der rule of law,34 folge, dass allen Rechtsbeziehungen – also sowohl solchen der Bürger untereinander, als auch solchen zwischen dem Bürger und dem Staat35 – die allgemeinen Regeln des common law zu Grunde lägen; öffentlichen Stellen dürften keine Privilegien hinsichtlich ihrer Bindung an dieses allgemeine Recht eingeräumt werden.36 Konsequenterweise müsse daher der Staat all seine Handlungen auch vor denselben Gerichten verantworten wie der einfache Bürger.37 Die Existenz von droit administratif bzw. 33 Siehe Sydow, Parlamentssuprematie und Rule of Law, 2005, S. 7ff; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 36 f.; Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 117. 34 Die »rule of law« ist letztlich die Entsprechung zum Rechtsstaatsprinzip des deutschen Verfassungsrechts und besagt, dass alle staatliche Gewalt an Recht und Gesetz gebunden ist und dass es entsprechend keine Willkürherrschaft geben kann – während dies nach deutschem Verständnis in Ermangelung eines nennenswerten Bestandes von Gewohnheitsrecht mit ›Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes‹ ausgedrückt wird, bezieht die englische Formulierung eben nicht nur gesetzliche Regelungen mit ein, sondern zugleich auch die des common law. Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 36 sowie zum Ganzen Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2005, S. 133. 35 Der Begriff des Staates bzw. des »state« beschreibt im englischen Recht grds. keine rechtlich selbstständige Entität; der Staat hat keine eigene Rechtsfähigkeit und ist damit selbst kein eigenständiges rechtliches Konzept – vielmehr wird dieser fehlende Staatsbegriff teilweise durch ein weites Verständnis des Begriffs der Krone bzw. »crown« ersetzt. Die Verwendung dieses Begriffs ist dabei aber ebenso wenig konsequent; siehe zum Ganzen Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 43 f. Hier wird der Begriff des Staates letztlich als Inbegriff der Exekutivorgane verstanden. 36 Siehe Dicey, Law of the Constitution, 8th ed. 1915, insb. S. 198: »It [the rule of law] means, again, equality before the law or the equal subjection of all classes to the ordinary law courts; the ›rule of law‹ in this sense excludes the idea of any exemption of officials or others from the duty of obedience to the law which governs other citizens or from the jurisdiction of the ordinary tribunals; there can be with us nothing really corresponding to the ›administrative law‹ (droit administratif) or the ›administrative tribunals‹ (tribunaux administratifs) of France. The notion which lies at the bottom of the ›administrative law‹ known to foreign countries is, that affairs or disputes in which the government or its servants are concerned are beyond the sphere of the civil courts and must be dealt with by special and more or less official bodies. This idea is utterly unknown to the law of England, and indeed is fundamentally inconsistent with our traditions and customs.« Siehe auch Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 38; Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 118. 37 Die Aussage, dass Staat und Bürger vermeintlich absolut gleich vor den Regeln des common law seien, hatte dabei allerdings schon immer in der Realität ihre Durchbrechungen, wie der Bereich der Staatshaftung (heute weitgehend geregelt im Crown Proceedings Act 1947 c.44) zeigt. Siehe dazu im Einzelnen Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 64 sowie 166 f. m. w. N.
Zu den Begriffen »Verwaltungsrechtsschutz« und administrative justice
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tribunaux administratifs, also eines eigenen Verwaltungsrechts, über das von eigens dafür geschaffenen Verwaltungsgerichten judiziert wird, wie sie zu Diceys Zeit in Frankreich bestanden, war für ihn in England ausgeschlossen; die Annahme besonderer Rechtsregeln für die Verwaltung verbot sich für ihn, da ein solches Sonderrecht nach dem von ihm geprägten Verständnis vor allem einen Schutz vor der Härte des (allgemeinen) Rechts und damit eine Privilegierung der öffentlichen Stellen darstellte.38 Durch den prägenden Einfluss dieser Lehre wurde eine Trennung des Rechts in öffentliches und privates Recht, die sich in der Schaffung getrennter Rechtsprechungsorgane hätte institutionalisieren können, effektiv verhindert.39 Mittlerweile wird Dicey teilweise vorgeworfen, dass er das französische droit administratif, auf dessen Kontrastierung gegen das englische Recht viele seiner Schlüsse fußten, missverstanden habe:40 Er übersah, dass mit einem System von öffentlichem Recht nicht nur Privilegien, sondern auch besondere Verpflichtungen für Hoheitsträger einhergehen können.41 Dennoch trug der enorme
38 Siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 64. Unrecht hatte Dicey mit dieser Aussage ursprünglich nicht, waren doch unter Napoleon tatsächlich einzelne Regelungen erlassen worden, die den Administratoren gegenüber den Gerichten einzelne strafrechtliche Privilegien gewährten, die sie in Ausübung ihres Amtes genossen. Dicey hielt indessen auch noch an seiner Kritik fest, als die betreffenden Regelungen schon lange wieder abgeschafft waren; siehe zum Ganzen Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 50 ff. Diese Vorstellung Diceys, das französische »droit administratif« habe vor allem eine Privilegierung der Exekutive zur Folge gehabt, hat noch lange nachgewirkt, wie die Entscheidung Minister of Housing and Local Government v. Sharp [1970] 2 QB 223 (266) per Denning LJ zeigt: »Our English law does not allow a public officer to shelter behind a droit administratif.« 39 Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 118; Allison, A Continental Distinction in the Common Law, 1996, S. 18 ff.; Baum, Der Schutz verfassungsmäßiger Rechte im englischen Common Law, 2004, S. 116. Vgl. auch Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 63 f. 40 Dies wird ihm zumindest in der Literatur (sowohl der deutschen als auch der englischen) verschiedentlich vorgeworfen: »Dicey’s denunciation of the French system was based on his mistaken conclusion that the administrative courts of France, culminating in the Conseil d’ Êtat, must exist for the purpose of giving to officials, a whole body of special rights, privileges, or prerogatives as against private citizens, so as to make them a law unto themselves’. It has long been realised that this picture was wrong, but it has become a traditional caricature.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 21. Siehe auch Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 64 f; Baum, Der Schutz verfassungsmäßiger Rechte im englischen Common Law, 2004, S. 116 ff.; Sydow, Parlamentssuprematie und Rule of Law, 2005, S. 10 ff. m. w. N.; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 36 ff. 41 Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 118; Kleve/ Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 64 f.
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Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
Einfluss Diceys lange dazu bei, dass das common law der Idee eines Verwaltungsrechts ablehnend gegenüberstand.42 Entsprechend konnte sich erst in den letzten Jahrzehnten ein administrative law als eigenständige Disziplin herausbilden43 – allerdings ohne, dass es heute ein wirklich gefestigtes, in sich geschlossenes System darstellen würde.44 Die praktische Notwendigkeit einer Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht hing dabei vor allem mit der richterrechtlichen Schaffung eines Exklusivitätsprinzips für die Anwendung bestimmter Rechtsbehelfe auf öffentlichrechtliche Kontexte zusammen, auf die sogleich noch eingegangen wird; entsprechend erfolgt die Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht vor allem in diesem Zusammenhang.45 Wo administrative law als Teil von public 42 »[F]ar from undertaking systemic study, generations of laywers were being brought up to believe, as Dicey had supposedly maintained, that administrative law was repugnant to the British constitution. [This] blighted the study of the law in what should have become its formative period.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 15; siehe auch Kleve/ Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 65 mit Verweis auf Lepsius, Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997, S. 1, der diese Abneigung allerdings im US-amerikanischen Zusammenhang beschreibt. 43 Eine der wichtigsten Gesamtdarstellungen des englischen Rechts, Halsbury’s Laws of England, wies erst in der vierten Auflage von 1973 einen eigenen Band »Administrative Law« auf. Dabei hätte schon viel früher die Chance bestanden, aus dem stetig wachsenden Bestand von Urteilen ordentlicher Gerichte ein System von »administrative law« zu entwickeln: So attestierte schon Maitland, Constitutional History of England, 1913, S. 505: »If you take up a modern volume of the reports of the Queen’s Bench Division, you will find that about half the cases reported have to do with rules or administrative law; I mean such matters as local rating, the powers of local boards, the granting of licences for various trades and professions, the Public Health Acts, and so forth.« Allerdings wurden all diese von den damaligen Juristen nur als unsystematische Einzelfälle angesehen, die nicht zur Entwicklung allgemeiner Prinzipien taugten. Eine starke Zurückhaltung der Gerichte bei der Kontrolle von exekutiven Entscheidungen Anfang des 20. Jhds. führte dazu, dass die Entwicklung verwaltungsrechtlicher Prinzipien durch die Gerichte gehemmt wurde, was den Eindruck von unsystematischen Einzelfallentscheidungen wohl verstärkte; siehe zum Ganzen Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 12 ff. 44 Siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 65 f. 45 Gemeint ist die exklusive Anwendung des JR-Verfahrens auf öffentlich-rechtliche Zusammenhänge seit der Entscheidung O’Reilly v. Mackman [1983] 2 AC 237; zu dieser Entscheidung, die in vielerlei Hinsicht einen Meilenstein der Entwicklung des englischen öffentlichen Rechts darstellt, siehe im Einzelnen unten, bei Fn. 408. Die Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht wirft in diesem Zusammenhang oftmals komplexe und sehr stark vom Einzelfall abhängige Fragen auf, die in der Rechtsprechung von Fall zu Fall und deshalb kaum dogmatisch systematisierbar beantwortet werden. Immer wieder gibt es daher Zweifelsfälle, ob ein Rechtsstreit nun eher öffentlich-rechtliche Fragen aufwirft und daher nur die öffentlich-rechtlichen Rechtsbehelfe anzuwenden sind, oder ob die eher zivilrechtlichen Rechtsbehelfe gewährt werden müssen. Da beide von den ordentlichen Gerichten gewährt werden, ist dies keine Frage des Rechtsweges, sondern der richtigen Klageart, die u. U. Auswirkungen auf die Begründetheit der Klage haben kann, weshalb die
Zu den Begriffen »Verwaltungsrechtsschutz« und administrative justice
49
law46 doch einmal grundlegend gegenüber dem private law abgegrenzt wird, erfolgt dies daher anhand rein äußerlicher Merkmale.47 Vor diesem Hintergrund muss der Begriff »Verwaltungsrechtsschutz« hier pragmatisch gehandhabt werden – es geht vor allem um solche Mechanismen, welche die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen dem Einzelnen und dem Staat im weitesten Sinne in seinen verschiedenen Erscheinungs- und Handlungsformen ermöglichen.
2.
Verwaltungsrechtsschutz – verwaltungsinterner Rechtsschutz
Darüber hinaus ist die Verwendung des Begriffs »Verwaltungsrechtsschutz« als Übersetzung für administrative justice auch deshalb nicht ganz präzise, weil letzterer Begriff teilweise so verstanden wird, dass er auch jene Sphäre staatlichen Handelns umfasst, die aus deutscher Sicht wohl als Verwaltungsverfahren anzusehen wäre; er kann also auch das (erstmalige) Ergehen administrativer und exekutiver Entscheidungen bezeichnen.48 Der Schwerpunkt der Betrachtung soll hier aber gerade auf dem Rechtsschutz Notwendigkeit der Abgrenzung sehr kritisch betrachtet wird; siehe zum Ganzen Wade/ Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 566 ff. sowie auch unten, II.B.3. S. 110ff. 46 Die wenig klare Umgrenzung von »administrative law« wird dabei schon gegenüber dem weiteren Rechtsgebiet des »public law« deutlich, zu dem auch das »constitutional law« zählt: »The various categories in which the law is divided are more-or-less artificial, and the distinction between constitutional law and administrative law need not concern us unduly. The only point to make is that whereas administrative law focuses on public administration, constitutional law is broader, being concerned with the whole gamut of public institutions and public function.« Siehe Cane, Administrative Law, 5th ed. 2011, S. 3. 47 Siehe etwa Cane, Administrative Law, 5th ed. 2011, S. 4ff: »Public law is contrasted with ›private law‹. In rough terms, private law is concerned primarily with relations between citizens; public law deals primarily with the public sector and with relations between citizens and the bureaucracy. The distinction between the public and private sectors of society has at least two dimensions. Its institutional dimension refers to the distinction between public agencies and officials – loosely ›the government‹ or ›the state‹ – on the one hand and ›private‹ citizens on the other. Its functional dimension refers to the distinction between public functions (or what we might call ›governance‹) and private activities. In these terms, public law is concerned with public institutions and their relations with private citizens, and with the performance of public functions, while private law is concerned with private activities and relations between citizens (both individuals and corporations).« 48 So wird etwa das »administrative justice system« unter dem TCEA 2007 c.15 erstmals legal definiert als »[…]the overall system by which decisions of an administrative or executive nature are made in relation to particular persons, including: (a) the procedures for making such decisions (b) the law under which such decisions are made, and (c) the system for resolving disputes and airing grievances in relation to such decisions.« Siehe sch.7, para.14 TCEA 2007 c.15. Diese Definition steht dabei im Zusammenhang mit den Aufgaben des AJTC; zu dessen Aufgaben siehe im Einzelnen unten, bei Fn. 1056ff.
50
Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
gegen solche, bereits ergangene Entscheidungen liegen.49 Mit »Verwaltungsrechtsschutz« gemeint ist damit also die Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen, die außerhalb der Sphäre der Verwaltung selbst stattfindet; es soll also nicht schwerpunktmäßig um Rechtsschutzmechanismen gehen, die der Verwaltung selbst die Überprüfung von Entscheidungen ermöglichen (oftmals als internal review bezeichnet)50 oder um Mechanismen, die vor Ergehen einer Verwaltungsentscheidung zum Tragen kommen (inquiries).51 Dabei waren gerade die Tätigkeiten der tribunals lange Zeit eher der Sphäre der Verwaltung selbst zuzurechnen; wie jedoch gezeigt werden wird, ist dies heute in aller Regel nicht mehr der Fall, weshalb zumindest die heutige Tätigkeit der tribunals Schutz gegen die Verwaltung darstellt und nicht mehr durch diese.
3.
Verwaltungsrechtsschutz – Schutz subjektiver Rechte
Zuletzt muss zum Begriff »Verwaltungsrechtsschutz« noch vorweggeschickt werden, dass insb. der letzte Wortteil »Rechtsschutz« u. U. das Missverständnis hervorrufen könnte, es ginge im Folgenden vor allem um den Schutz subjektiver Rechte. Ein solches Begriffsverständnis wäre im englischen Kontext allerdings zu eng, da zumindest das common law nur sehr wenige, subjektive (Grund-)Rechte kennt52 und erst seit Inkrafttreten des Human Rights Act 1998 c.42 positive Rechtsverbürgungen eine verstärkte Rolle im öffentlichen Recht spielen.53 Auch in dieser Hinsicht muss hier daher ein weites Verständnis des Begriffs »Verwaltungsrechtsschutz« zu Grunde gelegt werden, welches sowohl den Schutz 49 Es soll hier also nur um den letzten Teil der in Fn. 48 genannten Definition gehen: »[…] (c) the system for resolving disputes and airing grievances in relation to such decisions.« Soweit wie möglich ausgeklammert wird damit der Prozess des Ergehens der »decisions of an administrative or executive nature«, die im Folgenden vereinfachend als »Ausgangsentscheidungen« bezeichnet werden. 50 Zu solchen Rechtsschutzmechanismen insgesamt siehe Sydow/Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 86 (97 ff.). 51 Dazu siehe sogleich, I.D.1., S. 55. 52 Das englische Verfassungsrecht selbst hat keinen kodifizierten Grundrechtskatalog und kennt so gut wie keine positiv und ausdrücklich gewährten Rechtsverbürgungen – die wenigen, die es gibt, ergeben sich dafür aber bereits aus den frühesten Verfassungsdokumenten (wie etwa die Schutzmechanismen gegen Freiheitsentzug des Habeas Corpus Act 1679 (2 Ch. II) c.2 oder die Garantien der Bill of Rights 1688 (1 Will.& Mary) c.2, die etwa die Redefreiheit der Abgeordneten des Parlaments garantiert). Der Schutz des Einzelnen resultiert daher aus den residualen Freiheitsrechten des common law – alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt; siehe zum Ganzen Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 37 f. sowie Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 76 ff. 53 Auf den Human Rights Act 1998 c.42 wird noch an verschiedenen Stellen dieser Arbeit eingegangen werden; siehe vor allem unten, II.C.3.b)(3)(b), S. 162.
Präzisierung und Eingrenzung des Betrachtungsgegenstands tribunals
51
subjektiver Rechte als auch darüber hinaus den »Schutz des Rechts« auf Initiative des einzelnen Bürgers umfasst.54
D.
Präzisierung und Eingrenzung des Betrachtungsgegenstands tribunals
Der so verstandene Begriff von Verwaltungsrechtsschutz beschreibt am ehesten die heutige Aufgabe jener Institutionen, die man als tribunals bezeichnet: Wie gesagt bestehen tribunals in so unterschiedlichen Formen und Ausprägungen, dass eine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs nicht existiert:55 Es ist daher auch nicht abschließend möglich zu sagen, wie viele tribunals es eigentlich gab bzw. gibt.56 Die Bezeichnung einer Institution oder eines Spruchkörpers – so ihnen denn
54 Der deutsche Leser darf sich also nicht irritieren lassen, wenn im Folgenden weitgehend »Verwaltungsrechtsschutz« geschildert wird, ohne dass dies im Zusammenhang mit zu schützenden, subjektiven Rechten steht. 55 Entsprechend unterschiedlich waren bisher die Herangehensweisen bzw. Formulierungen, welche Autoren von Ausarbeitungen über tribunals wählten, um das Problem zu lösen, einerseits den Gegenstand ihrer Ausführungen zu benennen, ohne sich andererseits auf eine Definition festlegen zu müssen. Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 2 bringt dieses Problem – an dem auch die hier vorliegende Darstellung letztlich leidet – auf den Punkt: »A common feature of contributions to the literature on ›tribunals‹ is an initial, somewhat despairing observation, that the term ›tribunal‹ is used to refer to many different types of institutions, followed by the discussion that fails to realise the implicit promise of definitional sensitivity.« Eine übliche Vorgehensweise zur Lösung dieses Problems ist, den Begriff »tribunal« nicht weiter abstrakt zu erklären, sondern anhand von Beispielen zu umschreiben. So etwa Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 550; Kelly/Slapper, English Legal System, 10th 2009 – 2010, S. 393. 56 Je nachdem, welchen Begriff von »tribunal« man zu Grunde legt bzw. je nach Zählweise, kann die Anzahl von tribunals erheblich variieren: Häufig wird – offenbar unter Berufung auf den Leggatt Review (zu diesem im Einzelnen siehe unten, IV.A., S. 224) – für die Zeit direkt vor Beginn des Reformprozesses durch den TCEA 2007 c.15 von ca. 70 verschiedenen tribunals ausgegangen (etwa Sydow/Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 102; Turpin/Tomkins, British Government and the Constitution, 6th ed. 2007, S. 716; Gillespie, English Legal System, 2nd ed. 2009, S. 493), teilweise ist aber auch von 130 tribunals die Rede (siehe Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 11 – 001), allerdings jeweils ohne Hinweis darauf, wie diese Zahl zustande gekommen sein soll. Die Expertenkommission um Sir Andrew Leggatt, welche die Regierung vor Beginn der Reformen durch den TCEA 2007 c.15 einberufen hatte, sammelte im Jahr 2000 noch 137 verschiedene, schon bestehende oder demnächst zu schaffende tribunals; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Ch. 1, para. 1.6 (Diese werden aufgezählt in Lord Chancellor’s Department, Review of Tribunals Consultation Paper, 2000 Annex A). Durch Auslassung bestimmter Spruchkörper wurde diese Zahl für den Bericht auf 70 tribunals reduziert; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, An Overview, para. 2.
52
Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
überhaupt eine verliehen wird57 – ist jedenfalls nicht aussagekräftig:58 Auch Spruchkörper und Institutionen mit den Bezeichnungen Panel, Board, Commissioner, Commission, Committee, Registrar, Adjudicator, Umpire59 und sogar Court60 wurden bzw. werden unter dem Oberbegriff tribunal gefasst.61 Auch eine Beschreibung anhand rein äußerlicher Merkmale fällt schwer : Als landläufiges (Ideal-)Bild eines tribunal wurde das von »three wise men behind a desk listening to evidence or argument, not necessarily addressed by a lawyer, frequently asking searching questions and at the end giving brief but incisive report or decision« beschrieben.62 In welchem Kontext das in diesem Bild Beschriebene jedoch geschieht, darüber besteht allenfalls eine diffuse Vorstellung.63
57 Die Namensgebung für die einzelnen Spruchkörper ist schon deshalb kein bisschen aussagekräftig, weil sich die Bezeichnungen für ein- und denselben Spruchkörper häufig ändern und manche tribunals auch keinen eigenen Namen haben, was mitunter sehr verwirrend sein und zur Folge haben kann, dass nicht sofort klar ist, welcher Spruchkörper denn nun genau gemeint ist; siehe etwa das »section 703« bzw. »section 706«-tribunal (dazu siehe im Einzelnen unten, bei Fn. 1284ff.). 58 Cane, Administrative Law, 4th ed. 2004, S. 387; Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 002. 59 Die Bezeichnung »umpire« macht deutlich, dass bei manchem Spruchkörper bereits die Namensgebung eine politische Grundentscheidung zum Ausdruck bringen soll, eine Institution gerade als Alternative zu einem ordentlichen Gericht zu schaffen: Dass etwa die Bezeichnung »umpire« insb. für das hier gemeinte (nicht mehr existente) tribunal im Sozialrecht, das durch s.89 National Insurance Act 1911 (1& 2 Geo.V.) c.55 geschaffen wurde, dem Sport entlehnt war, war kein Zufall, sondern sollte gerade auch die Fairness der in diesen Gremien angewandten Verfahren in Abgrenzung zu den demgegenüber als bourgeois empfundenen ordentlichen Gerichten zum Ausdruck bringen; siehe Dean, Social Security and Social Control, 1991, S. 92. Auch heute noch gibt es einen »umpire«; siehe unten, bei Fn. 1611. 60 Gemeint sind etwa die »courts of referees« (zu diesem siehe im Einzelnen unten, bei Fn. 888) oder die »local valuation courts« (zu diesen siehe unten, bei Fn. 766), deren Namensgebung gerade durch die Verwendung des Wortes »court« besonders verwirrend ist – ungeachtet dieser Bezeichnung wurden diese heute nicht mehr bestehenden Spruchkörper als tribunal eingeordnet; siehe zu den courts of referees: Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 35; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 160; sowie zu local valuation courts Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 236 ff. 61 Siehe nur die Bezeichnungen für die in sch.1 Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53 bzw. in den entsprechenden Vorschriften der jeweiligen Vorgängergesetze (siehe sogleich, Fn. 76) genannten Spruchkörper. Auf viele der dort genannten Spruchkörper wird im Verlauf der Arbeit noch näher eingegangen, einige von ihnen bestehen allerdings heute nicht mehr. 62 So gibt Farmer, Tribunals and Government, 1974, S. 2 das Bild eines Laien von einem tribunal wieder. 63 Farmer, Tribunals and Government, 1974, S. 2, der der soeben wiedergegebenen Beschreibung eines tribunal auch gleich einschränkend hinzufügt: »But [the layman] would have great difficulty in describing the context of the tribunals’ inquiry.« So trifft das beschriebene Bild tatsächlich auf die unterschiedlichsten Spruchkörper zu.
Präzisierung und Eingrenzung des Betrachtungsgegenstands tribunals
53
Tatsächlich64 entscheiden die meisten tribunals vor allem Streitigkeiten zwischen Staat und Bürger, einige aber eben auch solche zwischen zwei Bürgern.65 Einige tribunals erfüllen ihre Aufgaben für das Gebiet des gesamten Vereinigten Königreichs, andere hingegen nur innerhalb einer oder mehrerer Regionen (also etwa England und Wales oder nur England), auf lokaler Ebene oder innerhalb jeweils gesondert zugeschnittener, örtlicher Zuständigkeitsbereiche.66 Die Spruchkörper vieler tribunals sind oft mit mehreren Personen, darunter auch juristischen Laien besetzt – tribunals können aber auch aus einer einzigen Person bestehen, die Jurist oder u. U. sogar juristischer Laie sein kann.67 Die Bandbreite dessen, womit sich tribunals inhaltlich befassen, reicht von Streitigkeiten über Strafmandate für falsches Parken68 bis zu hochkomplexen Steuerfällen, bei denen Millionenbeträge auf dem Spiel stehen,69 von Berufsverboten über Abschiebungen70 bis hin zu Abhörmaßnahmen durch Geheimdienste71 und außerdem so mancher Frage, die sich offenbar bisher niemand gestellt hat – mit der Folge, dass bestimmte tribunals bisher noch nie angerufen wurden.72 Dementsprechend groß war und ist auch die Bandbreite der Verfahrensweisen von tribunals.73 64 Die folgende Umschreibung von tribunals ist grds. eine Darstellung des Ist-Zustandes zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit (Sept. 2011). Der durch den TCEA 2007 c.15 eingeleitete Reformprozess, der stetig voranschreitet, hat hier allerdings schon an vielen Stellen Strukturen geschaffen, die bereits greifbar sind und für mehr Klarheit sorgen, wie sich dem Leser der Arbeit am Ende erschließen sollte. 65 Siehe zu den wichtigsten tribunals dieser Art, den Employment Tribunals und dem Employment Appeal Tribunal sogleich, I.D.3., S. 59ff. 66 Die Erfassung des Begriffs »tribunal« wird zudem dadurch erschwert, dass manche der für das gesamte UK zuständigen tribunals dezentral Sitzungen abhalten; die jeweils vor Ort tagenden Spruchkörper werden dann ebenfalls als »tribunal« bezeichnet. Fragen von örtlicher Zuständigkeit spielen bei tribunals ohnehin meist keine Rolle, da die Frage, wo eine Verhandlung durchgeführt wird, meist von reinen Praktikabilitätserwägungen abhängt; siehe auch Sydow/Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 102. Siehe dazu auch noch unten, V., S. 239ff. insb Fn. 1133ff. 67 Zu den möglichen Zusammensetzungen von tribunals siehe unten, VI, S. 321. 68 Zu den parking adjudicators siehe unten, V.D.2., S. 315 insb. bei Fn. 1581. 69 Zum Bereich Steuerrecht siehe unten, V.B.4., S. 263. 70 Zum Bereich Asyl- und Immigrationsrecht siehe unten, V.B.6., S. 281. 71 Siehe hierzu unten, V.D.I., S. 311 insb. bei Fn. 1572. 72 Siehe Cane, Administrative Law, 4th ed. 2004, S. 388: Während einige tribunals täglich tausende Fälle entscheiden, sind manch andere tribunals in der gesamten Zeit ihrer Existenz nicht ein einziges Mal zusammengetreten; wie etwa jenes tribunal, welches nach r.11 The Antarctic Regulations 1995, SI1995/490, gestützt auf den Antarctica Act 1994 c.15, über Streitigkeiten zwischen dem Außenministerium und Personen zu befinden hat, denen eine Erlaubnis zur Durchführung einer Reise in die Antarktis versagt wurde; siehe zu diesem Rechtsbereich Halsbury’s Laws of England, Bd. 2, 5th ed. 2008, para. 990 ff.; zum tribunal insb. para. 991 Fn. 2. Möglicherweise hängt die geringe praktische Relevanz dieses tribunal auch mit der mangelnden Attraktivität der Antarktis als Reiseziel zusammen. 73 Manche tribunals ähneln in ihren Verfahrensweisen eher dem englischen Idealbild eines
54
Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
Ein greifbares, äußerliches Indiz dafür, dass es sich bei einer Institution um ein tribunal handelt, war bis zu den Reformen durch den TCEA 2007 c.15, ob sie der Aufsicht des – sogleich noch näher erläuterten – Council on Tribunals74 unterstand, einem Gremium, das vor allem die Tätigkeit bestimmter tribunals wissenschaftlich begleiten und kontinuierlich Vorschläge zur Verbesserung ihrer Verfahren und Organisation machen sollte:75 In den Gesetzen, in denen die Aufgaben des Council on Tribunals geregelt waren,76 fand sich jedoch ebenfalls keine allgemeine Definition von »tribunal«, vielmehr waren die Spruchkörper, die unter die Aufsicht des Council on Tribunals fallen sollten, abschließend aufgezählt.77 Von dieser Aufzählung wurden aber zugleich nicht alle Institutionen, die als tribunals angesehen wurden, erfasst.78 Um ungeachtet all dessen eine sinnvolle und handhabbare Beschäftigung mit dieser wenig greifbaren Vielfalt von Institutionen zu ermöglichen und zugleich den Umfang der Arbeit noch weiter zu beschränken, sollen tribunals zunächst von äußerlich sehr ähnlichen Institutionen abgegrenzt und auch bestimmte Gruppen von tribunals von einer vertieften Betrachtung ausgeschlossen werden; dabei ist bereits jetzt anzumerken, dass auch die auszuschließenden Gruppen teilweise nur mit Mühe zu umreißen sind:
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gerichtlichen Verfahrens, das oftmals als kontradiktorisch beschrieben wird. In anderen Bereichen hingegen entsprechen die Verfahren eher dem oben, bei Fn. 62 wiedergegebenen Idealbild und sind entsprechend eher inquisitorisch (siehe zum Ganzen unten, VII.E., S. 394). Einige wenige Verfahren von manchen tribunals bestehen eher in der Einbindung des tribunal in ein Verwaltungsverfahren (siehe etwa zu den »registergerichtlichen« Aufgaben der UTLC unten, bei Fn. 1481). Siehe zum »Council on Tribunals« im Einzelnen auch unten, III.C.4.c), S. 212ff. Bereits hier sei bemerkt, dass der Council on Tribunals durch ein anderes Gremium, den »Administrative Justice and Tribunals Council«, (zu diesem siehe unten, IV.B., S. 229) ersetzt wurde. Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 003. Erstmals geschaffen wurde der Council on Tribunals durch den Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II.) c.66, der später durch den Tribunals and Inquiries Act 1966 c.43, den Tribunals and Inquiries Act 1971 c.62 und schließlich durch den Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53 modifiziert bzw. konsolidiert wurde; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 329 ff. sowie unten, III.C.4.c), S. 212. Siehe zuletzt den Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53: In sch.1 und 2 wurden die tribunals genannt, die – in verschieden intensivem Maße – einer Aufsicht durch den Council on Tribunals unterstehen sollten. Nicht zuständig war der Council on Tribunals etwa für die Aufsicht über solche Spruchkörper, die sich mit besonderen Fragen der nationalen Sicherheit befassen, wie etwa das Investigatory Powers Tribunal oder die Special Immigration Appeals Commission (zu diesen siehe unten, bei V.D.1, S. 311); beide tribunals tauchen in den oben, Fn. 77, genannten Anhängen zum Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53 nicht auf; siehe auch hierzu Lord Chancellor’s Department, Review of Tribunals Consultation Paper, 2000 Annex A II.
Präzisierung und Eingrenzung des Betrachtungsgegenstands tribunals
1.
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Ausklammerung von inquiries
In funktionaler Hinsicht müssen die tribunals, um die es hier gehen soll, von weiteren Institutionen und Verfahren abgegrenzt werden, die auch als Bestandteil der administrative justice landscape angesehen werden können und schon rein äußerlich sehr ähnliche Aufgaben erfüllen. Ein Mechanismus, der solche äußerlichen Parallelen zu tribunals aufweist, jedoch funktional von diesen unterschieden werden kann, ist der der inquiries.79 Dabei sind die äußeren Erscheinungsformen dessen, was als »inquiry« bezeichnet wird, ebenfalls sehr unterschiedlich:80 Zum einen sind damit statutory inquiries gemeint, die vor allem im Bereich des Bau- und Fachplanungsrechts von Bedeutung sind.81 Diese stellen ein grds. öffentlich durchgeführtes Verfahren dar, in welchem dem Bürger die Möglichkeit gegeben wird, seine Vorstellungen gegen eine durch einen Hoheitsträger anvisierte Bau- oder Enteignungsmaßnahme zu äußern oder sich gegen die Versagung einer Baugenehmigung durch eine Gemeinde zu wehren.82 Zugleich 79 Siehe zur Unterscheidung zwischen »administrative tribunals« und »statutory inquiries« allgemein Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 1/3. 80 Siehe statt aller die Darstellung bei Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 801 ff. 81 Diese Art von Verfahren ist insb. für Bereiche des Bauplanungsrechts relevant und kann sowohl bei einfachen Baugenehmigungen für Einzelpersonen als auch bei der Entscheidung über den Standort von Großprojekten wie Flughäfen oder Atomkraftwerken oder Enteignungen zum Einsatz kommen; siehe zu diesen Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 801 ff.; Franks, Report on Tribunals (Cmnd. 218), 1957, para. 242 ff. Weitere Beispiele für statutory inquiries sind etwa jene committees, die sich mit Genehmigungsentscheidungen im Zusammenhang mit der Holzwirtschaft (z. B. Abholzungsgenehmigungen) befassen: Geschaffen werden diese bei Bedarf durch s.27 Forestry Act 1967 c.10, um nach s.16 Forestry Act 1967 c.10 darüber zu befinden, ob einer Person zu Recht eine Genehmigung zum Schlagen von Holz versagt wurde; das committee entscheidet dabei nicht selbst, sondern legt dem zuständigen Minister lediglich eine Entscheidungsempfehlung vor, die dieser dann nach seinem Ermessen umsetzen oder zurückweisen kann. 82 Auch nach englischem Baurecht sind grds. die Kommunalbehörden bzw. Gemeinden für die Erteilung von Baugenehmigungen zuständig. Wird diese nicht oder nicht wie beantragt erteilt, gibt s.78 Town and Country Planning Act 1990 c.8 – vereinfacht – dem Bürger das Rechtsmittel, den zuständigen Minister anzurufen (»Secretary of State«; zur konkreten Bedeutung dieser Bezeichnung siehe auch unten, Fn. 495. Zuständig sind damit die Mitarbeiter des Department for Communities and Local Government (DCLG)), der sodann über die Versagung der Baugenehmigung entscheidet. Allerdings kann auf Wunsch der Parteien dieser Entscheidung ein Ermittlungsverfahren durch einen »planning inspector« vorausgehen, der sodann vom zuständigen Minister eingeschaltet wird, um das Für und Wider der Erteilung der Baugenehmigung zu bewerten. Da dies in der Praxis meist geschieht, nehmen die Angehörigen des »planning inspectorate«, einer »executive agency« (dazu siehe unten, Fn. 497) des DCLG, praktisch die Aufgaben des Ministers wahr ; siehe zum »planning inspectorate« Sporle, Tribunals, 2008, Autum, 9 (9 ff.); Shepley, Recruitment, Training and Monitoring of Quality in the Planning Inspectorate, in: Harris/Partington (Hrsg.), Admi-
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Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
haben sie mitunter die äußere Form von gerichtsähnlichen Verfahren: Die von einem inquiry zu beantwortenden Fragen werden vom Bürger, manchmal unterstützt von einem Rechtsbeistand und einem Behördenvertreter in öffentlicher Verhandlung vor einer grds. unabhängigen Instanz erörtert.83 Von den hier darzustellenden tribunals unterscheiden sich inquiries jedoch durch ihre Funktion: Denn sie wenden nicht Rechtsregeln auf einen Sachverhalt an, um selbst eine abschließende Entscheidung einer Streitfrage zu treffen; zumindest in der Theorie dient ihr Verfahren vielmehr dazu, durch das Sammeln von Fakten und die Anwendung von Rechtsregeln auf diese eine Entscheidungsempfehlung auszusprechen, da die eigentliche Entscheidung – zumindest pro forma – vom zuständigen Minister gefällt wird.84 Sie können daher funktional eher als Teil eines Verwaltungsverfahrens gelten und werden deshalb hier von einer näheren Betrachtung ausgenommen. Auf der anderen Seite werden mit dem Begriff »inquiry« auch solche Verfahren bezeichnet, die etwa eine, einem Untersuchungsausschuss entsprechende Rolle haben und in den unterschiedlichsten Situationen etabliert werden können; sie können entweder auf eine gesetzliche Grundlage gestützt und mit richterlichen Kompetenzen, z. B. zur Vorladung von Zeugen, versehen werden, um etwa einen politischen Skandal oder ein anderes Ereignis von besonderem Interesse zu untersuchen.85 Sie können aber auch direkt von einem Minister nistrative Justice in the 21st century 1999, S. 417 (417 ff.). Der »planning inspector« entscheidet deshalb faktisch meist über die ihm vorgelegte Frage – rein rechtlich wird die Entscheidung aber vom zuständigen Minister getroffen; siehe zu den tatsächlich noch wesentlich differenzierteren Verfahrensvarianten des Rechtsschutzes im Bauplanungsrecht insgesamt Duxbury, Telling & Duxbury’s planning law and procedure, 14th ed. 2009, para. 19.01 ff., insb. para. 19.15. 83 Entgegen der Bezeichnung »inquiry« ist das Verfahren nicht unbedingt inquisitorisch. Kommt es etwa in einem inquiry-Verfahren über eine Enteignung zur mündlichen Verhandlung, ist diese in erster Linie von den Parteien betrieben, die Zeugen aufrufen und sogar Kreuzverhöre durchführen; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 805. Gerade die Ähnlichkeit, die dieses Verfahren zu einem gerichtlichen Verfahren aufweist, war dabei wohl in der Vergangenheit Grund zu Klagen: »Although an object of these inquiries is to assuage the feelings of the citizen, and to give his objections the fairest possible consideration, they have given rise to many complaints. They are a hybrid legal-and-administrative process, and for the very reason that they have been made to look as much as possible like judicial proceedings, people grumble at the fact that they fall short of it.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 802. 84 Die Aufgabe eines statutory inquiry ist nicht justiziell (»judicial«), auch wenn seine Verfahrensweise rein äußerlich diesen Anschein erweckt – es ist letztlich ein Verwaltungsverfahren (»administrative procedure«), an dessen Ende eine »policy«-Entscheidung steht; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 802 f. So wird etwa im Bauplanungsrecht die Entscheidung über Rechtsmittel vom zuständigen Minister getroffen, nicht von demjenigen, der das inquiry-Verfahren durchgeführt hat; siehe schon oben, Fn. 82. 85 Derartige »Tribunals of Inquiries« wurden durch den Tribunals of Inquiry (Evidence) Act 1921, (11& 12 Geo.V) c.7 eingerichtet, der durch den Inquiries Act 2005 c.12 umfassend reformiert wurde. Die auf diese Grundlagen gestützten inquiries verfügen dann über die
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ohne besondere gesetzliche Grundlage eingesetzt werden.86 Auch diese Art von inquiries soll hier unberücksichtigt bleiben.
2.
Ausklammerung von domestic und disciplinary tribunals
Nicht befassen wird sich die Arbeit ferner mit der Gruppe der sog. domestic87 bzw. disciplinary tribunals.88 Dabei handelt es sich um Spruchkörper, die über verschiedene disziplinarrechtliche Streitigkeiten innerhalb bestimmter Berufsgruppen, aber auch privatrechtlicher Vereinigungen wie Sportverbänden, Gewerkschaften oder Vereinen entscheiden.89 Für einen Großteil der Spruchkörper, die in die Gruppe der domestic tribunal eingeordnet werden, rechtfertigt sich ein weitgehender Ausschluss aus einer Arbeit zum Verwaltungsrechtsschutz dadurch, dass die meisten von ihnen als Organe der Selbstverwaltung keine direkte gesetzliche Grundlage haben oder auf einem anderen hoheitlichen Akt basieren, sondern sie ihre Befugnisse auf vertragliche Basis stützen und sie schon deshalb keine hoheitliche Gewalt ausüben.90 Indiz für die Einordnung eines tribunal in diese Gruppe ist, dass gegen Entscheidungen solcher reinen domestic tribunals nicht das volle Spektrum der unten noch näher zu erläuternden Rechtsbehelfe des judicial review zur Verfügung steht, sondern lediglich solche Rechtsbehelfe, die auch sonst im Privatrecht zur Anwendung kommen können.91
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gleichen Kompetenzen wie der High Court, um Ermittlungen durchzuführen bzw. Zeugen vorzuladen; siehe zum Ganzen Keenan/Smith, English Law, 15th ed. 2007, S. 77 sowie Wade/ Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 824. Allerdings verfügen sie dann auch nicht über besondere Kompetenzen oder Ermittlungsbefugnisse; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 824. Beide Begriffe finden sich bei Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 3.4.1. Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 266 f. m. w. N. Siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 3.4.1; Kelly/Slapper, English Legal System, 10th 2009 – 2010, S. 399. Siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 3.4.1; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 267. Die Grundlage für ihre Tätigkeit sind – soweit es domestic tribunals von privatrechtlichen Vereinigungen angeht – die jeweiligen vertraglichen Grundlagen; ihre Rechtsprechungskompetenz basiert damit in erster Linie auf einer freiwilligen Unterwerfung des Einzelnen unter deren Autorität und hat schon deshalb kein hoheitliches Element. Die Rechtsbehelfe des JR kommen sowohl gegen Entscheidungen von Sportverbänden (siehe etwa die R. v. Disciplinary Committee of the Jockey Club, Ex p. Aga Khan [1933] 1 WLR 909 (923 f.) per Bingham MR), Religionsgemeinschaften (R. v. Chief Rabbi of the United Hebrew Congregations Ex p. Wachmann [1992] 1 WLR 1036 (1041 ff.) per Brown J) oder Entscheidungen kaufmännischer Vereinigungen (siehe etwa R. v. Insurance Ombudsman Bureau Ex p. Aegon Life Assurance Ltd 1994 C.L.C. 88 (94) per Rose J) nicht zur Anwendung, weil diesen eine »public function« abgesprochen wird; siehe zum Ganzen auch Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 034, m. w. N. insb. in Fn. 179 – 181. Gegen Entscheidungen solcher Spruchkörper bleibt aber zumindest der Rechtsbehelf der »decla-
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Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
Einige dieser tribunals, insb. jene, die Disziplinarbefugnisse über bestimmte Berufsstände und Personengruppen ausüben,92 basieren demgegenüber sehr wohl auf ausführlichen, gesetzlichen Grundlagen;93 auch untersteht die Tätigkeit dieser tribunals der Aufsicht der ordentlichen Gerichte, welche im Wesentlichen die gleichen Prinzipien und die gleichen Überprüfungsverfahren auf diese Spruchkörper anwenden, wie auf jene tribunals, um die es hier gehen wird.94 Dennoch sollen hier etwa die Ehrengerichte und Selbstverwaltungsorgane für alle juristischen95 und medizinischen Professionen96 sowie Architekten97 und ähnliche Berufsstände, genauso wie die internen Spruchkörper der Universitäten und Gefängnisse98 nicht weiter betrachtet werden,99 ebenso wie die diszi-
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ration« (zu dieser siehe unten, II.B.3., S. 110) anwendbar, der allerdings nicht nur im JR, sondern auch als privatrechtlicher Rechtsbehelf geltend gemacht werden kann; siehe Keenan/Smith, English Law, 15th ed. 2007, S. 79. Solche Berufs- und Ehrengerichte bestehen etwa für Haus- und Zahnärzte, Optiker oder Tierärzte; siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 3.4.1. Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 267; ein Beispiel für ein solches, auf Gesetz gestütztes domestic tribunal ist etwa das »Solicitors Disciplinary Tribunal« gem. s.46 Solicitors Act 1974 c.47; zu diesen im Einzelnen siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 16/1 ff. Siehe dazu Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 3.4.2 sowie insgesamt zu domestic tribunals Keenan/Smith, English Law, 15th ed. 2007, S. 78 f. Die Entscheidung R. v. Panel on Takeovers and Mergers Ex p. Datafin PLC, [1987] QB 815 (838) per Donaldson MR zeigt aber zugleich, wie schwierig diese Gruppe abzugrenzen ist von den tribunals, um die es hier gehen soll: Dort streitgegenständlich war die Entscheidung eines tribunal, dessen Existenz und Tätigkeit sich nicht auf eine gesetzliche Grundlage, sondern nur auf die Übereinkunft all derer stützen konnte, über die das tribunal seine Aufsicht ausübte (es handelte sich um ein Ehrengericht der in der Londoner City tätigen Finanzwelt). Der High Court, der zur Überprüfung einer Entscheidung dieses tribunal im Wege des JR berufen wurde, entschied, dass es auch ohne eine eigene gesetzliche Grundlage eine öffentliche Funktion ausübe, weil sich aus anderen Gesetzen die Anerkennung der Selbstverwaltungsmechanismen ergab, deren Teil das tribunal war. Neben den oben, Fn. 93 genannten Solicitors Disciplinary Tribunal fallen darunter auch »adjudication panels«, die über professionelles Fehlverhalten von barristers entscheiden; zu deren Rechtsgrundlagen, Zuständigkeit, Zusammensetzung und Verfahren siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 66, 5th ed. 2009, para. 1262. Hierher gehören insb. alle Regulierungsgremien des General Medical Council, dessen Kompetenzen durch den Medical Act 1983 c.54 geregelt werden; siehe zu den disziplinarrechtlichen tribunals in diesem Zusammenhang Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 6/1 ff. Es sind dies die Gremien, die Disziplinarbefugnisse nach dem Architect Act 1997 c.22 ausüben. Die altehrwürdigen Universitäten verfügten seit jeher über eigene Instrumente zur Klärung disziplinarrechtlicher und sonstiger Streitigkeiten, sog. »boards of visitors«, d. h. von der Krone ernannte Inspektoren (oft Richter des High Court), die über Streitigkeiten nach dem internen Recht der Universitäten entschieden. Ebenfalls über einen ähnlichen Mechanismus von boards of visitors verfügen Gefängnisse. Siehe Law/Martin, in: Law/Martin (ed.), A Dictionary of Law, 2009, Stichwort: »visitor n.«. Heute allerdings regelt sich die Entscheidung disziplinarrechtlicher Fragen auch in den Universitäten nach den gesetzlichen Regeln des High Education Act 2004 c.8, der ein gesetzliches Verfahren und ein eigenes tribunal (den
Präzisierung und Eingrenzung des Betrachtungsgegenstands tribunals
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plinarrechtlichen Spruchkörper öffentlicher Bediensteter, wie etwa der Polizei100 oder der Streitkräfte, weil diese von vornherein nur für einen begrenzten Personenkreis Relevanz entfalten können.
3.
Ausklammerung arbeitsrechtlicher und anderer zivilrechtlicher tribunals
In der Praxis sehr wichtig – und dennoch hier von einer näheren Betrachtung ausgeschlossen – sind ferner die Employment Tribunals bzw. das Employment Appeal Tribunal.101 Diese Spruchkörper beschäftigen sich, wie schon der Name sagt, in der Praxis vor allem mit Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts und bilden insofern das Äquivalent zur deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit.102 Aus diesem Grund – und auch deshalb, weil sie von den Reformen durch den TCEA 2007 c.15 in weit geringerem Maße betroffen sind als andere tribunals103 – werden auch sie hier nicht berücksichtigt.104
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Independent Adjudicator for High Education) vorsieht; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 4 – 035. Als Spruchkörper, denen eine »public function« zugesprochen wurde, und die daher Gegenstand von Verfahren im Wege des JR wurden, wurden von den Gerichten etwa die Disziplinarorgane der Standesorganisationen der Werbebranche (Advertising Standards Authority, R. v. Advertising Standards Authority Ltd Ex p. Insurance Services Plc [1990] COD 42), der Presse (R. v. Press Complaints Commission Ex p. Steward-Brady (1997) 9 Admin LR 274), der pharmazeutischen Industrie (R. v. Code of Practice Committee of the Association of the British Pharmaceutical Industry Ex p. Professional Counselling Aids [1991] COD 228), eine Selbstverwaltungsorganisation des Verbandes von Lebensversicherern (R. v. Life Assurance Unit Trust Regulatory Organisation Ex p. Ross [1993] QB 17) und weiterer Spruchkörper angesehen; siehe zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 042 m.w.N. Auch all diese Organe sind hier nicht Gegenstand vertiefter Betrachtungen. Gemeint ist hier das Police Appeal Tribunal, gegründet durch sch.6 i. V. m. s.85 Police Act 1996 c.16. Seine Verfahren regeln sich nach den Police Appeal Tribunal Rules 2008, SI2008/ 2863; siehe zu diesem tribunal auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 36(1), 4th ed. 2007, para. 305 ff. Siehe zu diesem Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 3.21 ff. und Part. II (Employment Tribunals and the Employment Appeal Tribunal); zu Zuständigkeit, Zusammensetzung und Verfahren der Employment Tribunals und des Employment Appeal Tribunal siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 41, 5th ed. 2009, para. 1363 ff.; Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 3.3.1; Kelly/Slapper, English Legal System, 10th 2009 – 2010, S. 396; siehe zur geschichtlichen Entwicklung und den einzelnen Vorläufern dieser tribunals bei Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 177 sowie Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 9/1 ff. Zusammensetzung, Organisation und Verfahren sowie die wichtigsten Kompetenzbereiche dieser arbeitsrechtlichen tribunals werden durch den Employment Tribunals Act 1996 c.17 geregelt. In der Tat wurden diese tribunals in ihrer praktischen Tätigkeit schon als den ordentlichen Gerichten so nahe angesehen, dass sie bereits als »Labour Courts« bezeichnet wurden; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Overview, para. 10. Leggatt, Tribunals for Users, 2001, An Overview, para. 10 war aufgrund der Besonderheiten
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Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
Ferner ausgeschlossen sein wird eine nähere Betrachtung des Copyright Tribunal,105 welches ebenfalls in erster Linie Streitigkeiten zwischen Privaten – nämlich Lizenznehmern und Lizenzgebern eines Schutzrechts für geistiges Eigentum – entscheidet,106 des Registered Designs Appeal Tribunal107 und aller dieser tribunals zu dem Schluss gekommen, dass es unangebracht sei, diese genauso zu behandeln wie jene tribunals, um die es hier gehen soll. Allerdings erfahren auch diese tribunals durch den TCEA 2007 c.15 eine erhebliche Aufwertung: Durch das Gesetz wird der Schutzbereich der »continued judicial independence« auf diese tribunals ausgedehnt. (s.1 i. V. m. s.3 Constitutional Reform Act 2005 c.4 – dazu siehe unten, VI., S. 321) Sie werden dem Senior President of Tribunals unterstellt (zu diesem siehe auch unten, IV.D., S. 233) und ihre Tribunalsmitglieder sind Ex officio Mitglieder der tribunals, die durch den TCEA 2007 c.15 geschaffen wurden (ss.4 und 5 – zu den Ex officio Mitgliedern der reformierten tribunals siehe unten VI.A.2.d), S. 343). Außerdem können die Funktionen einiger tribunals an die arbeitsrechtlichen tribunals transferiert werden (s.30 TCEA 2007 c.15). Zuletzt sei erwähnt, dass auch diese tribunals der Aufsicht des Nachfolgegremiums des Council on Tribunals unterstehen und damit nach der gesetzlichen Definition ebenfalls zum »administrative justice system« i. S.v. sch.7 para.13(1) TCEA 2007 c.15 gehören. 104 Diese tribunals werden hier deshalb ausgeschlossen, weil Schwerpunkt dieser Arbeit Streitigkeiten zwischen Staat und Bürger sein sollen. Dass diese tribunals deshalb aus der Betrachtung herausfallen, soll jedoch nicht heißen, dass sich diese nicht auch mit Fragen befassen, die Streitigkeiten zwischen Staat und Bürger betreffen: So können etwa Entscheidungen über die Entlassung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes (»civil servants«) – mithin Streitigkeiten zwischen Staat und Bürger – vor den arbeitsrechtlichen tribunals ausgefochten werden. Seit 1996 werden viele civil servants durch individuelle Arbeitsverträge eingestellt; siehe Cane/Conaghan/Daintith, in: Cane (ed.), Oxford Companion to Law, 2009, Stichwort: »civil service«. Außerdem sind die heutigen arbeitsrechtlichen tribunals aus solchen Einrichtungen hervorgegangen – den Industrial Tribunals –, deren Tätigkeitsfeld ein tripolares Rechtsverhältnis (nämlich Klagen gegen Ausbildungsförderungsabgaben nach dem Industrial Training Act 1964 c.16) betraf, und sie sind damit zumindest den Ursprüngen nach mit den tribunals, um die es hier gehen soll, vergleichbar. Insofern konnte man sie zumindest lange Zeit durchaus auch als »administrative tribunals« bezeichnen; so etwa Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 177 ff. Des Weiteren haben sie auch heute noch einige Zuständigkeiten für Streitigkeiten, die sich nicht von denen jener tribunals unterscheiden, um die es hier gehen soll: So sind sie etwa nach s.24 Health and Safety and Work Act 1974 c.37 zuständig für Entscheidungen zu sog. »improvement notices«, d. h. behördlichen Bescheiden, die an einen Arbeitgeber aufgrund der Verletzung einer Arbeitsschutzvorschrift erlassen werden können. Aufgrund ihrer vornehmlich klassisch arbeitsrechtlichen Zuständigkeit werden sie aber heute in erster Linie als »party and party tribunals« und eben als »not true administrative tribunals« angesehen; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, An Overview, para. 10. 105 Ursprünglich wurde dieses eingerichtet durch s.23 Copyright Act 1956 (4& 5 Eliz.II) c.74; durch s.145(1) Copyright, Designs and Patents Act 1988 c.48 wurde es umbenannt und erhielt weitere Aufgaben. 106 Auch dieses tribunal ist damit in erster Linie ein »party and party« tribunal und wurde auch vom Leggatt Review entsprechend eingeordnet. Dies heißt aber dennoch nicht, dass es nicht auch über Streitigkeiten zwischen Staat und Bürger entscheiden kann: Nach s.139(1) Copyright, Designs and Patents Act 1988 c.48 kann unter Umständen gegen die Entscheidung eines Ministers vorgegangen werden: So kann dieser etwa Anordnungen hinsichtlich der Vervielfältigung von Druckerzeugnissen in den Bibliotheken von Bildungseinrichtungen treffen, gegen die sich der Inhaber des Schutzrechts an dem Druckerzeugnis an das tribunal
Präzisierung und Eingrenzung des Betrachtungsgegenstands tribunals
61
weiteren Einrichtungen, die sich im weitesten Sinne mit dem Recht zum Schutze geistigen Eigentums befassen,108 da es auch in diesen Fällen um vornehmlich privatrechtliche Streitigkeiten geht. Aus dem gleichen Grund ausgeschlossen sind zuletzt auch die Agricultural Lands Tribunals, die sich heute109 vor allem mit Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Landpachtvertrages110 befassen.111
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wenden kann. Siehe zur Zuständigkeit dieses tribunal auch unter : UK Intellectual Property Office, Review of the Copyright Tribunal, 2007, S. 10. Dieses tribunal, das nach s.28 Registered Design Act 1949 (12,13& 14 Geo.VI) c.88 geschaffen wurde, um Entscheidungen der zentralen Patentrechtsbehörde (des ComptrollerGeneral of Patents, Designs and Trade Marks) zu hören, wird durch den TCEA 2007 c.15 demnächst abgeschafft werden; siehe s.143 TCEA 2007 c.15 sowie Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 638. Nicht Gegenstand näherer Betrachtung sind damit auch jene tribunals und Einrichtungen, die unter dem Dach des Intellectual Property Office vereinigt sind, wie der ComptrollerGeneral of Patents, Designs and Trade Marks oder das Company Names Tribunal. Diese tribunals wurden durch den s.73 Agriculture Act 1947 (10& 11 Geo.VI.) c.48 geschaffen: Während und nach dem 2. Weltkrieg kam es zu umfassenden staatlichen Interventionen in die Landwirtschaft: Der Landwirtschaftsminister konnte einem Bauern seine Ländereien entziehen und einem anderen Bauern anvertrauen, wenn der ursprüngliche Landbesitzer das Land schlecht bewirtschaftete (es lag dann ein Fall von sog. »bad husbandry« vor). Um Rechtsschutz gegen diese Entscheidungen zu ermöglichen, wurden die Agricultural Lands Tribunals ursprünglich geschaffen. Mit dem Agricultural Holdings Act 1948 (11& 12 Eliz.II) c.63 wurde zugleich das Regime zur Regelung von landwirtschaftlichen Betrieben (»agricultural holdings«) geschaffen und die Zuständigkeit für damit zusammenhängende Streitigkeiten den Agricultural Lands Tribunals anvertraut. Durch den Agriculture Act 1958 (6& 7 Eliz.II) c.71 wurden dann die staatlichen Interventionsmöglichkeiten in die Landwirtschaft abgeschafft, die Agricultural Lands Tribunals und ihre zivilrechtlichen Zuständigkeiten aber beibehalten; siehe zum Ganzen Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 230 ff.; Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 2/4. Heute besteht ein solches Agricultural Lands Tribunal für jeweils eine von acht Regionen im Vereinigten Königreich; siehe Agricultural Land Tribunals (Areas) Order 1982, SI1982/97. Siehe zu agricultural holdings in Folge des Agricultural Holdings (England) Act 1875 (38& 39 Vict.) c.92 im Allgemeinen sowie zu den Parallelen zum deutschen Landpachtrecht Luhmann, Entwicklung des englischen Landpachtrechts, 2010, S. 87ff und zu den heutigen Agricultural Lands Tribunals S. 199 ff. Agricultural Lands Tribunals entscheiden heute ausschließlich Streitigkeiten zwischen Privaten; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 232. Die Möglichkeiten zur Anrufung eines Agricultural Lands Tribunal ergeben sich vor allem aus dem Agricultural Holdings Act 1986 c.5 sowie aus dem Hill Farming Act 1946 (2& 3 Eliz.II) c.23. Sie befassen sich mit der Nutzung und Bewirtschaftung von agricultural holdings, d. h. praktisch mit Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Landpachtvertrags. Diese Streitigkeiten können dabei sowohl die schlechte Bewirtschaftung eines Grundstücks durch dessen Pächter als auch die schlechte Verwaltung eines Grundstücks durch den Verpächter (»landlord« – siehe hierzu auch unten, Fn. 1528 sowie bei Fn. 738) betreffen. Außerdem entscheiden sie über Streitigkeiten betreffend die ordnungsgemäße Entwässerung zwischen den Besitzern angrenzender landwirtschaftlicher Grundstücke: Diese Zuständigkeit ergibt sich aus ss.28 und 30 Land Drainage Act 1991 c.59. Siehe zum Ganzen Halsbury’s Laws of England, Bd. 1, 5th ed. 2008, para. 671.
62 4.
Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
Kennzeichen von tribunals im Sinne dieser Arbeit
Die damit verbleibende Gruppe von Spruchkörpern wird verschiedentlich bezeichnet als appeal tribunals,112 administrative tribunals,113 statutory tribunals,114 special tribunals115 oder auch einfach nur tribunals116. Da die Verwendung der genannten Komposita insgesamt inkonsistent ist, wird in dieser Arbeit darauf verzichtet; gleichwohl erfüllen die tribunals, die Gegenstand der Arbeit sind, regelmäßig alle Attribute, die durch die genannten Zusätze jeweils betont werden: Alle Spruchkörper, um die es im Folgenden gehen soll, eint die Aufgabe, Streitigkeiten in der Rolle eines neutralen Dritten zu entscheiden. Sie alle können dabei – zumindest mittlerweile117 – ihre Kompetenzen stets auf ein Parlamentsgesetz oder zumindest einen Sekundärrechtsakt zurückführen, für dessen Erlass ein Parlamentsgesetz die Ermächtigungsgrundlage bereitstellt (statuto112 So Cane, Administrative Law, 4th ed. 2004, S. 387, der allerdings selbst klarstellt, dass diese Begriffsverwendung die Gefahr von Missverständnissen birgt. Mit »appeal tribunals« meint Cane solche, die gegen eine bestimmte Ausgangsentscheidung angerufen werden können, welche also erstinstanzlich tätig werden; gleichzeitig wird der Begriff »appeal tribunal« aber auch verwendet, um ein tribunal zu beschreiben, welches erst in zweiter Instanz – also gegen die Entscheidung eines vorgeschalteten tribunal – angerufen werden kann; siehe etwa Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 6.9 Einige appeal tribunals im letztgenannten Sinne bringen diese Rolle bereits in ihrer Bezeichnung zum Ausdruck, etwa das Immigration Appeal Tribunal (zu diesem siehe unten, V.B.6., S. 281) oder das Employment Appeal Tribunal, weshalb hier der letztgenannten Begriffsverwendung gefolgt wird. 113 Siehe etwa Sydow/Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 85 (später im Text ist dann demgegenüber von »statutory tribunals« die Rede); Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 2 ff.; Kelly/Slapper, English Legal System, 10th 2009 – 2010, S. 393; siehe auch Leggatt, Tribunals for Users, 2001, An Overview, para. 2. Die Bezeichnung »administrative tribunal« kann dabei irreführend sein, da sie andeutet, dass das tribunal eine administrative Aufgabe wahrnehme, also etwa Teil eines Verwaltungsprozesses bzw. einer Behörde sei – das ist aber zumindest heute in aller Regel nicht mehr der Fall; so auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 770 (wenngleich Ausnahmen bestehen; siehe unten, V.C.2.b), S. 293). Wie allerdings noch gezeigt wird, war diese Begriffsverwendung in früheren Zeiten durchaus gerechtfertigt (so verwendet etwa Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 8 bewusst den Begriff »administrative tribunal« im Zusammenhang mit den tribunals als Regulierungs- und Implementationsorgan im 19. Jhd.). 114 Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 770. 115 Jackson/Spencer, Machinery of Justice, 8th ed. 1989, S. 118. 116 Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, S. 9 – 001 ff. 117 Die manchmal zu findende Aussage, dass tribunals durch ein Parlamentsgesetz oder zumindest auf einen untergesetzlichen Rechtsakt, der sich auf ein solches stützen kann, geschaffen würden, (siehe etwa Gillespie, English Legal System, 2nd ed. 2009, S. 493; Kelly/ Slapper, English Legal System, 10th 2009 – 2010, S. 393; Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 11 – 002) trifft in ihrer Allgemeinheit nur auf die jetzige Situation zu. Denn es gab bis in die jüngere Vergangenheit hinein auch tribunals, deren Existenz sich in letzter Konsequenz nicht auf ein Parlamentsgesetz, sondern nur auf die »royal prerogative« stützen konnte; dazu siehe unten, bei Fn. 1173.
Aufgabenstellung und Schwerpunkt der Arbeit, Gang der Darstellung
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ry). Durch diese Koppelung der Tätigkeit der tribunals an ein Parlamentsgesetz sind sie zugleich dadurch gekennzeichnet, dass sie für einen, in jedem Fall sehr genau umgrenzbaren Sachbereich – dessen Größe und praktische Relevanz jedoch sehr unterschiedlich sein kann – zuständig sind; dies äußert sich in speziell auf die Anforderungen des jeweiligen Zuständigkeitsbereichs zugeschnittenen Verfahren und oftmals auch darin, dass sich das für den Sachbereich jeweils erforderliche Fachwissen bereits in ihrer personellen Zusammensetzung widerspiegelt (special). Der jeweilige Arbeitsbereich umfasst in aller Regel Streitigkeiten, die aus der hoheitlichen Maßnahme eines Verwaltungsorgans resultieren (administrative), für deren Überprüfung ein ausdrücklich niedergelegtes Recht zur Anrufung des tribunal, ein appeal-Recht,118 gewährt wird (appeal tribunal).
E.
Aufgabenstellung und Schwerpunkt der Arbeit, Gang der Darstellung
Diese Arbeit stellt sich der Aufgabe, folgende Fragestellungen zu beantworten: 1. Was sind tribunals, was führte zu ihrer Entstehung und was waren die Gründe für das Fehlen jeglicher Systematik der bisherigen tribunals? 2. Wie wurden und werden tribunals in Folge der Reformen durch den TCEA 2007 c.15 umgestaltet? 3. Wo sind die reformierten tribunals in der umgestalteten administrative justice landscape insb. in Relation zu den ordentlichen Gerichten zu verorten und welche Auswirkungen haben die Reformen auf das Verfahren des judicial review? 4. Welche Auswirkungen könnte die Umgestaltung der tribunals auf die künftige Entwicklung des englischen Verwaltungsrechts haben? Insbesondere die beiden letzten Fragen hängen eng miteinander zusammen und sind aus rechtsvergleichender Perspektive von Bedeutung, war es doch bisher gerade das Verfahren des judicial review, durch welches die ordentlichen Gerichte das englische Verwaltungsrecht maßgeblich entwickelt und ausgestaltet haben. Wie gezeigt werden soll, ist durch die Reform der tribunals nun eine Institution geschaffen worden, die ein hohes Potential hat, künftig ihrerseits einen Teil zur weiteren Entwicklung des englischen Verwaltungsrechts beizutragen. Der Schwerpunkt der Arbeit soll daher auf der Betrachtung jener beiden 118 Siehe zur Verwendung des Begriffs »appeal-Recht« auch unten, bei Fn. 1120.
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Allgemeine Vorbemerkungen und Gegenstand der Arbeit
tribunals liegen, die durch den TCEA 2007 c.15 neu geschaffen wurden – dem First-tier Tribunal (im Folgenden: FtT) und dem Upper Tribunal (im Folgenden: UT). Diese haben bisher die Aufgaben und Kompetenzen von einer Vielzahl von bisher isoliert nebeneinander stehenden tribunals übernommen. Im Rahmen der Darstellung der Kompetenzen und Zuständigkeiten des FtT und des UT wird daher notwendigerweise zugleich auch auf jene tribunals eingegangen werden, die gleichzeitig mit dieser Zuständigkeitsübertragung abgeschafft wurden. Um zudem das Bild des Verwaltungsrechtsschutzes durch tribunals zu komplettieren, wird im Rahmen eines Exkurses auch auf einige solche tribunals eingegangen, die (bisher) durch die Reformen noch nicht betroffen sind. Um sich dem Phänomen tribunal insb. in Abgrenzung zu den ordentlichen Gerichten und deren Rolle für den Verwaltungsrechtsschutz nähern zu können, erfolgt jedoch zunächst eine umfassende historische Einführung: Ihr Zweck ist, in einem »allgemeinen Teil« die Grundlagen des englischen öffentlichen Rechts, dessen Entwicklung sowie seine wichtigsten Begrifflichkeiten darzustellen, um im weiteren Verlauf der Arbeit darauf aufbauen zu können. Daran schließt sich eine ausführliche Betrachtung der Entstehung des englischen Verwaltungsstaates und der tribunal landscape an, die zur Beantwortung der zu 1.) gestellten Frage insb. auf die historischen und politischen Hintergründe der Entstehung von tribunals eingeht. Unabdingbar hierfür ist eine umfassende Sichtweise, da Rechtsinstitute anderer Rechtsordnungen stets eingebettet in ihren historischen Kontext und nicht losgelöst von konkreten politischen, sozialen und kulturellen Bedingungen zu betrachten sind, da ein solches Unternehmen sonst weitgehend fruchtlos wäre.119 Gerade im Falle Englands ist der Blick hinein in die Geschichte in besonderem Maße notwendig, um dem deutschen Leser die Eigenarten und Probleme des englischen Rechts der Gegenwart begreiflich zu machen.120 Dies gilt umso mehr in dem vergleichsweise jungen und noch immer wenig gefestigten Rechtsgebiet wie dem öffentlichen Recht.121 Die Arbeit wird dabei in erster Linie auslandsrechtskundlich sein und nur vereinzelt einen Blick auf das deutsche Recht werfen, wo dies sinnvoll erscheint, um dem deutschen Leser einzelne englische Phänomene besser verständlich zu machen: Wie noch gezeigt wird, sind die Tätigkeiten auch der neuen tribunals nämlich so vielfältig, dass ein umfassender Vergleich mit einer einzelnen deutschen Institution kaum sinnvoll möglich scheint. 119 Vgl. Kahn-Freund, MLR 1974, 37(1), 1 (5 ff.); Baum, Der Schutz verfassungsmäßiger Rechte im englischen Common Law, 2004, S. 20. 120 Siehe schon Radbruch, Der Geist des englischen Rechts, 3. Aufl. 1956, S. 5 f.; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 7. 121 Tomkins, Public Law, 2003, S. 3: »[…] English public law can not be adequately understood without a sense of history.«
Aufgabenstellung und Schwerpunkt der Arbeit, Gang der Darstellung
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Der Gang der Darstellung ist dabei wie folgt: In Teil II wird zunächst auf die Entwicklung der ordentlichen Gerichtsbarkeit und auf das Verfahren des judicial review (im Folgenden auch: JR) eingegangen, mittels dessen die ordentlichen Gerichte Verwaltungsrechtsschutz gewähren. In Teil III wird dann die historische Entwicklung der tribunals und deren Verhältnis zu den ordentlichen Gerichten beleuchtet. Ziel wird sein, die Entwicklung sowohl des englischen Verwaltungsstaates und der tribunals von den frühesten historischen Wurzeln bis hin zur Ausgangssituation vor den gegenwärtigen Reformen durch den TCEA 2007 c.15 in groben Zügen nachzuzeichnen. In Teil IV wird sodann im Überblick auf eben diese Reformen eingegangen und dargestellt, welche politischen Erwägungen diesen zugrunde lagen und wie ihre Umsetzung angegangen wurde. Zudem wird ein Überblick über das vom TCEA 2007 c.15 angestrebte System geboten. Sodann wird in Teil V der bisherige Fortschritt insb. hinsichtlich der Systematisierung der vormaligen Einzeltribunals aufgezeigt, gefolgt von einer Darstellung der personellen Zusammensetzung der tribunals in Teil VI, einem Überblick über ihre neuen Verfahrensregeln in Teil VII sowie einer Darstellung der Rechtsmittel und des Instanzenzuges und den Möglichkeiten rechtlicher Vertretung. Der vorletzte Teil VIII soll sich sodann der Frage widmen, welche Stellung diese neu reformierten tribunals innerhalb des Systems der administrative justice insb. in Relation zu den ordentlichen Gerichten bzw. – genauer – zum High Court einnehmen. Im letzten Teil IX werden abschließend die bis dahin gefundenen Ergebnisse zusammengefasst mit einem Ausblick daraufhin, welche Bedeutung die Reformen des TCEA 2007 c.15 auf den Verwaltungsrechtsschutz in England und die Entwicklung des Verwaltungsrechts haben könnten.
II. Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung des Verwaltungsrechtsschutzes durch die ordentlichen Gerichte
»It was said once that the British acquired their Empire in a fit of absence of mind; so also have they acquired their system of administrative justice. There was no moment or even period when a system of administrative law was brought into existence: There was no statute or edict which declared the new field of adjudication open. The system just grew piecemeal.«122
Dieses Zitat lässt ahnen, dass die Darstellung dessen, was heute unter dem Begriff administrative justice erfasst ist, sich kaum an festen Grenzen oder zeitlichen Zäsuren als Fixpunkt orientieren kann. Um den tribunals, insb. in Abgrenzung zu den courts näher zu kommen, wird nun zunächst in groben Zügen dargestellt, was genau mit den »ordentlichen Gerichten« gemeint ist, welche Rolle sie für die administrative justice spielen und wie sie zur fragmentarischen Entwicklung des öffentlichen Rechts in England beigetragen haben.123
A.
Entwicklung und heutiger Bestand der ordentlichen Gerichtsbarkeit und deren verwaltungsrechtliche Zuständigkeit
Rechtsschutz des Einzelnen gegenüber hoheitlichen Akten geschieht seit jeher durch die ordinary courts of common law124, die eine grds. universelle Zustän122 Elcock, Administrative Justice, 1969, S. 1. 123 In Ermangelung echter Zäsuren in der Entwicklung des englischen öffentlichen Rechts muss man bei dessen Betrachtung bis ins Mittelalter zurückblicken; siehe Radbruch, Der Geist des englischen Rechts, 3. Aufl. 1956, S. 5 f.; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 7 Fn.1 m.w.N. 124 Der Begriff »ordinary courts« ist, genauso wenig wie der Begriff »tribunal«, definiert oder definierbar ; letztlich gibt es aber auch hier einen unausgesprochenen Konsens darüber, was alles darunter fällt: »[I]t is assumed that everyone who has to deal with legal affairs is accqainted with the system of county courts, the High Court, the Court of Appeal, and the
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Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung
digkeit haben.125 Sie und ihre Verfahren spielten – ganz im Gegensatz zu den tribunals – sowohl für praktisch tätige Juristen als auch in der Rechtswissenschaft im Bereich des Verwaltungsrechtsschutzes bisher die Hauptrolle.126
1.
Durchsetzung und Festigung königlicher Justiz und common law im Mittelalter
Die Geschichte dieser heutigen common law-Gerichte beginnt mit der curia regis127, einem Gremium von Vertrauten des Königs, das seit der Herrschaft Williams I.128 existierte.129 An dieses Forum konnten Streitfragen zwischen einzelnen Untertanen zur Entscheidung herangetragen werden; die curia regis hatte insoweit eine justizielle Aufgabe. Sie sollte sich im Laufe der Zeit130 in verschiedene Teilgremien aufspalten, die unterschiedliche Aufgaben übernahmen.131
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House of Lords for civil matters and magistrates’ courts and the Crown Court for criminal matters: they are just ›the courts‹«. Jackson/Spencer, Machinery of Justice, 8th ed. 1989, S. 107. Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 1 ff. sowie auch unten, II.A.3., S. 87f. Siehe Partington, Introduction to the English Legal System, 4th ed. 2008, S. 151: »Practising lawyers tend to think of administrative law as, in essence, the special process available in the High Court known as judicial review. Academic lawyers go beyond this court-focused approach to include in their analyses comments on other mechanisms for the resolution of disputes. But the treatment tends to be somewhat superficial and even here the balance is normally tilted in favour of the courts’ role.« Siehe auch schon oben, bei Fn. 11. Die Namensgebung für dieses Gremium ist nicht eindeutig, sie wurde unter anderem auch »aula regis« oder »king’s council« genannt; für weitere Namen siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 12 Fn. 46. Genannt auch »William the Conquerer«, der es schaffte, König Harold II. zu besiegen und dessen Thron als vermeintlich legitimer Nachfolger des angelsächsischen Königs Edward des Bekenners zu besteigen; siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 10. William schuf dadurch eine starke Zentralgewalt, dass er an seine Gefolgschaft nur wenige, kleine und weit verstreute Lehen vergab und eine Unterbelehnung verbot. Diese strenge Ordnung des englischen Feudalismus und die demgegenüber starke Zentralgewalt des Königs machten letztlich die Entstehung des common law erst möglich; siehe Bernstorf, Einführung in das Englische Recht, 3. Aufl. 2006, S. 2. Insofern ist die normannische Eroberung und Herrschaft tatsächlich lange eine der wenigen, wirklichen Wendepunkte der englischen Geschichte, wobei auch William I. viele Elemente des Staats- und Rechtsgebildes, das er vorfand, übernahm; siehe Kluxen, Englische Verfassungsgeschichte, 1987, S. 15. Die curia regis war die Keimzelle für alle obersten Gerichte, aber auch für die anderen Verfassungsorgane des englischen bzw. britischen Staates, wie beide Häuser des Parlaments und des Privy Council; siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 17; Hey, in: Hey (ed.), The Oxford Companion to Local and Family History, 2009, Stichwort: »Curia Regis«. Diese Aufspaltung geschah dabei nicht organisiert und schleichend; die Verwendung uneinheitlicher Terminologien für die einzelnen Gremien erschwert es, diese Entwicklung nachzuvollziehen; siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 14. So bildete sich etwa bereits unter König Henry I. ein engerer Rat von Vertrauenspersonen
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Die curia regis war kein reines Gericht, sondern hatte neben richterlichen vor allem die Aufgabe, den König in allen Angelegenheiten der Legislative und Administration zu beraten.132 Neben der von der curia regis ausgehenden, zentralen Gerichtsbarkeit bestand auch eine Unzahl von lokalen Gerichten mit eigenen Rechtstraditionen.133 Während der Herrschaft Heinrichs II. (ab 1166) wurden erstmals jährlich Mitglieder der curia regis unabhängig vom Aufenthaltsort des Königs als Reiserichter in das Land geschickt, um in seinem Namen Recht zu sprechen.134 Diese dezentralen Sitzungen der curia regis wurden eyers135 genannt. Die Reiserichter der eyers hatten eine umfassende Zuständigkeit, sowohl für zivil- als auch strafrechtliche Belange, dienten zugleich aber auch als Aufsichtsgremien über die lokalen Feudalherren und Administratoren und waren damit ein erster Mechanismus von zentraler »Verwaltungskontrolle«.136 Den lokalen Spruchkörpern gegenüber war das von den eyers im Namen des Königs gesprochene Recht übergeordnet137 und verdrängte allmählich die bis dahin geltenden lokalen Sitten und Gebräuche138, was den Grundstein für die
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heraus, die eine Art permanente »curia regis« oder »permanent council« darstellten; siehe Kluxen, Englische Verfassungsgeschichte, 1987, S. 26; Strauch, House of Lords, 2003, S. 14 m.w.N. in Fn. 63. Die curia regis war ein Nachkomme des angelsächsischen »witenagemot«; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 17. Sie war letztlich eine Folge des Feudalsystems. Dreimal im Jahr hielt William I. an unterschiedlichen Orten Hof und beorderte nach seinem Belieben all seine mächtigsten Vasallen zu sich, um mit ihnen zu beraten und Streitfragen zu entscheiden; siehe Kluxen, Englische Verfassungsgeschichte, 1987, S. 16. Es gab für jede territoriale Untergliederung (»shires«, »hundreds«, »boroughs« usw.) eigene Gerichte sowie die Gerichte der jeweiligen Lords; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 13. Gute Darstellungen des Staatsgebildes abseits der zentralen Organe im frühen Mittelalter finden sich bei Kluxen, Englische Verfassungsgeschichte, 1987, S. 15 ff., insb. S. 17 f. sowie für die Zeit ab dem 16. Jhd. Henderson, Foundations of English Administrative Law, 1963, S. 9 ff. Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 15 ff. Als Mitglieder der »curia regis« sollten diese Reiserichter die Macht des Monarchen vor Ort festigen sowie für eine einheitliche Rechtsanwendung sorgen und verschiedene administrative und fiskalische Aufgaben wahrnehmen; siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 20. Die Richter selbst wurden als »justiciae errantes«, später »justiciarii in itinere« bezeichnet; für die Institution dieser Richter bürgerte sich später der französische Begriff »eyre« ein; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 16. »[T]he justices started into their long agenda […] investigating crimes and unexplained deaths, misconduct and negligence by officials, irregularities and shortcomings of all kinds, the feudal and fiscal rights of the Crown and private disputes. The general eyres were not merely law courts; they were a way of supervising local government through itinerant central government.« Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 16. »Over and above everything stand the pleas of the royal court, which preserves the use and custom of its law at all times and in all places and with constant uniformity.« Leges Henrici Primi, vi 6 (Downer ed. S. 97, 109), wiedergegeben in: Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 13. Bernstorf, Einführung in das Englische Recht, 3. Aufl. 2006, S. 3.
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Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung
Entstehung des common law legte139 (obgleich lokale Gerichtsbarkeiten im Bereich des Zivilrechts noch einige Jahrhunderte überdauern sollten).140
2.
Von der curia regis zu den zentralen Gerichtshöfen
Die curia regis als Zentrum der königlichen Verwaltung und Rechtsprechung war zunächst selbst nicht sesshaft, sondern reiste zusammen mit dem König durch das ganze Land.141 Seit dem 12. Jhd. jedoch blieben immer größere Teile dieses Gremiums auch permanent in Westminster.142 Insb. der umfangreiche Stab der Finanzverwaltung, der als »Exchequer«143 bezeichnet wurde, war alsbald zu groß, um dauerhaft mit dem König umherzureisen.144 Ab 1190 kann nachgewiesen werden, dass diese Finanzverwaltung selbstständig erste richterliche Ermittlungen in Steuerangelegenheiten durchführen konnte, die besonderen Richtern, den Barons of the Exchequer, oblagen.145 Damit war der Grundstein für 139 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 7 f. m. w. N. 140 So hielten sich etwa noch lange die sog. »palatine courts«, die Gerichte der counties palatine, jener Gebiete also, die seit der Zeit der Normannen nur ihrem jeweiligen Pfalzgrafen und zunächst (siehe aber auch unten, Fn. 324) nicht den königlichen Gerichten unterstanden. Einige davon wurden im Laufe der Zeit entweder mit den zentralen Gerichten zusammengelegt oder einzeln abgeschafft. Aber erst 1977 wurden auch die letzten lokalen und regionalen Gerichte wie »manorial-«, »county-« und »hundreds courts«, »leets« und »courts of pie poudre« durch den Administration of Justice Act 1977 c.38 abgeschafft; siehe zum Ganzen Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 27. 141 Siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 15 f. bzw. S. 33. Dies gilt zumindest wohl für den oben, Fn. 131, erwähnten permanent council – neben diesem existierte wohl noch ein größerer Rat, der einen erweiterten Personenkreis einschloss und nicht ständig bestand, sondern sich zunächst unregelmäßig und ab 1272 vier Mal im Jahr in Provinzhauptstädten traf und bei diesen Treffen auch die Aufgaben des permanent council übernahm. Daraus entstand später das Parlament; siehe unten, Fn. 168. 142 Westminster meint Westminster Hall, eine um 1099 gebaute, große Halle, in der bis 1882 sowohl das Parlament als auch die obersten Gerichtshöfe des Landes untergebracht waren; siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 22 Fn. 46 m.w.N. 143 Die Bezeichnung »Exchequer« stammt von der Musterung eines Tisches in jenem Raum, in dem sich der zentrale Stab der Finanzverwaltung befand: Dieser mit einem Schachbrettmuster (»chequered«) belegte Tisch sollte das Zählen von Geld erleichtern; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 18. 144 Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 18. Der Exchequer war ebenfalls eine Ausprägung der curia regis: Wenn Finanzsachen zur Beratung standen, konstituierte sich der permanent council als Exchequer dort, wo sich das schachbrettgemusterte Tuch befand. Daraus entwickelte sich allerdings schnell ein eigenständiger, zentraler Gerichtshof; siehe Kluxen, Englische Verfassungsgeschichte, 1987, S. 26. 145 Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 47. Die Finanzverwaltung teilte sich dabei spätestens unter Edward I. in zwei verschiedene Sparten auf, den »Exchequer of Receipt«, der weiterhin rechnerische und Buchführungstätigkeiten ausübte, und den »Exchequer of Account«, der über Rechtsfragen entschied, die sich im Zusammenhang mit königlichen Einkünften stellten. Siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 26 m.w.N.
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das erste der zentralen common law-Gerichte, den späteren Court of Exchequer,146 gelegt, dessen Zuständigkeit zunächst auf rein finanzrechtliche Streitigkeiten beschränkt war. Parallel hierzu bildete sich noch ein weiteres Gremium147 heraus, welches sich von der curia regis abspaltete, in Westminster sesshaft und seinerseits Vorläufer von zwei weiteren, zentralen common law-Gerichten wurde:148 Wenngleich die Einzelheiten und der genaue Hergang dieser Entwicklung nicht geklärt ist,149 steht doch fest, dass Mitglieder der curia regis auf Anordnung Heinrichs II. dauerhaft in Westminster bleiben und dort bestimmte Fragen und Fälle, die an den König herangetragen wurden, selbstständig entscheiden sollten.150 Spätestens151 ab 1234152 lässt sich deshalb die Entstehung von zwei zentralen common law-Gerichten aus diesem Teil der curia regis nachzeichnen, nämlich des Court of Common Pleas (zunächst als Common Bench bezeichnet) und des Court of the
146 Der Name »Court of Exchequer« tauchte unter der Herrschaft von Edward I. auf; zuvor wurde wohl der Titel »Curia in the Exchequer« verwendet; siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 27 Fn. 93 m.w.N. 147 Siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 18. Siehe zum Ganzen auch Strauch, House of Lords, 2003, S. 22 Fn. 47 m. w. N. 148 Diese Änderung geschah, um die curia regis zu entlasten; obgleich dieses Gremium wohl mit der curia regis (und auch dem Exchequer) personenidentisch war, war es dennoch von dieser unabhängig. Die curia regis bzw. der König konnten aber weiterhin direkt angerufen werden, und auch die Reiserichter blieben zunächst bestehen; siehe zur ganzen Entwicklung Pollock/Maitland, History of English Law before the time of Edward I, Bd. 1 2nd ed. 1895, S. 177; Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 18; Strauch, House of Lords, 2003, S. 22. 149 Insb. ist nicht ganz klar, ob dieses neu geschaffene, stationäre Gremium nun Vorläufer des Court of the King’s Bench oder des Court of Common Pleas war; siehe zu den verschiedenen Auffassungen Adams, The Origin of the English Constitution, 1912, S. 137; Hatschek, Verfassungsgeschichte, 1913, S. 279; Pollock/Maitland, History of English Law before the time of Edward I, Bd. 1 2nd ed. 1895, S. 177 ff.; Stubbs, Constitutional History of England, Bd. I 6th ed. 1903, S. 644 ff.; Pollard, Evolution of Parliament, 2nd ed. 1926, S. 26; Churchill, History of the English-Speaking Peoples, Bd. I 2nd ed. 1956, S. 174; Brand, The Origins of the English Legal Profession, 1992, S. 22 Fn. 47 m.w.N.; Hale, History of the Common Law, Bd. I 5th ed. 1794, S. 261; Strauch, House of Lords, 2003, S. 23; siehe außerdem zum Ganzen Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 18. 150 Auf Anordnung von Henry II. sollten nur besonders schwierige Fälle nach wie vor dem König selbst bzw. dem Rest des königlichen Rates zur Entscheidung vorgelegt werden; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 18 m.w.N. 151 Eine Zeit lang existierte dieses Gremium offenbar nicht als solches, zumindest fanden in dieser Zeit keine Sitzungen statt, da König John I. anordnete, dass alle Sitzungen dieses Gerichts nur in seinem Beisein und damit vor ihm persönlich abzuhalten wären; Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 19. 152 Seit dieser Zeit existierten zwei verschiedene Serien von »plea rolls«; das sind die Verzeichnisse der unterschiedlichen »pleas«, also der verschiedenen Anträge (»actions«), die nach dem common law an das Gericht gestellt werden konnten; siehe Hey, in: Hey (ed.), The Oxford Companion to Local and Family History, 2009, Stichwort: »Plea Rolls«.
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King’s Bench.153 Im Verlaufe des 13. Jhd. entwickelten sich hieraus zwei völlig eigenständige Institutionen mit jeweils eigenen Richtern und Offiziellen,154 denen gegenüber auch die eyers nach und nach an Wichtigkeit verloren.155 a)
Die assizes und die King’s Bench
An die Stelle der eyers trat nach und nach das System der sog. assizes:156 Die Richter der neuen, zentralen Gerichtshöfe in Westminster wurden regelmäßig in festen Gebieten – circuits157 – mit jeweils begrenzten sachlichen Zuständigkeiten eingesetzt; ein System, das lange die Grundlage für die regionale Tätigkeit des späteren High Court158 bilden sollte.159 Anders als die grds. universell zuständigen eyers waren die Richter bei den assizes aufgrund einer jeweiligen Einzelermächtigung (commission) nur für sachlich beschränkte Aufgaben ernannt und auch nur für begrenzte Zeit in bestimmten Bezirken zuständig – es gab etwa die commission of oyer and terminer (Kommission zum »Hören und Entscheiden« von bzw. über bestimmte Straftaten) und die commissions of gaol delivery (die etwa über die Freilassung von Strafgefangenen zu befinden hatten).160 153 Die Bezeichnungen dieser beiden, voneinander zu unterscheidenden Gerichte ist verwirrend: Der »Court of Common Pleas« wurde ursprünglich wohl auch als »Common Bench« oder einfach »the Bench« oder »the Place« bezeichnet. Der Name »Court of Common Pleas« entstand erst zu Zeiten der Tudors (1485 – 1603). Ausdrücke wie »The King’s Justices of the Bench« meinen damit nicht den Court of the King’s Bench, sondern den Court of Common Pleas; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 38. 154 Siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 20. Ab wann der Court of the King’s Bench als eigenständig anzusehen ist, ist unter Historikern umstritten: Die Datierungen schwanken zwischen 1234 und 1276 (siehe hierzu Strauch, House of Lords, 2003, S. 29 m.w.N. in Fn. 113). Ab 1268 wurde wohl erstmals ein Chief Justice of the King’s Bench berufen; siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 29 m.w.N. in Fn. 110. Dieses Amt besteht noch heute; siehe hierzu unten, bei Fn. 253. 155 Seit Beginn der Herrschaft von Eduard III. (ca. 1330) wurden keine regelmäßigen »eyers« mehr durchgeführt; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 20. 156 Als »assizes« wurden die Sitzungen der Richter der King’s Bench bezeichnet, die regelmäßig in den bestimmten Bezirken auf Rundreise geschickt wurden. Die »eyers« waren nicht mehr ausreichend, um den Bedarf an königlicher Rechtsprechung im Land zu decken; zwischen den Zeiten der eyers wurden daher zunehmend ad hoc Richter ausgesandt. 157 Im Laufe der Zeit – wenngleich mit geringen Schwankungen – bildeten sich sechs solcher circuits heraus; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 21. Im Grunde besteht diese Einteilung Englands noch heute; siehe unten, bei Fn. 273. 158 Hierzu siehe unten, II.A.3., S. 87. 159 Das System von assizes wurde durch den Courts Act 1971 c.23 abgeschafft. Allerdings geht die Bezeichnung »circuit judge«, die auch heute noch für die Richter des Crown Court und der county courts sowie einige Richter des High Court verwendet wird (s.16 Courts Act 1971 c.23), auf die mittelalterlichen assizes und deren circuits zurück; siehe zu den circuit judges auch unten, bei Fn. 1717. 160 Siehe Baker, The Oxford History of the Laws of England, Bd. VI 2003, S. 255.
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Gleichzeitig kristallisierte sich zwischen der Common Bench und dem Court of the King’s Bench aufgrund einer Festsetzung der Magna Carta von 1215 eine Aufgabenteilung heraus: Aus Klausel 17 der Magna Carta161 wurde geschlossen, dass es dem Court of the King’s Bench, der zunächst tatsächlich, später jedoch nur aufgrund einer Fiktion,162 stets coram rege, also in Anwesenheit des Königs abgehalten wurde, grds. verboten war, common pleas, mithin solche Rechtsstreitigkeiten zu hören, an denen der König kein besonderes Interesse hatte (m.a.W. zivilrechtliche Klagen). Die Zuständigkeit des Court of the King’s Bench beschränkte sich damit etwa auf Fälle, die den König selbst und seine Rechte betrafen, worunter etwa Fälle schwerer Straftaten fielen.163 Im 14. Jhd. festigte sich die Aufgabenverteilung zwischen Court of the King’s Bench und Court of Common Pleas dahingehend, dass der Court of the King’s Bench neben einer unbeschränkten, sowohl erst- als auch zweitinstanzlichen, strafrechtlichen Zuständigkeit auch eine Zuständigkeit für die Korrektur von Fehlern anderer Gerichte164 erlangte, einschließlich des Court of Common Pleas.165 161 Klausel 17 der Magna Carta schrieb vor, »[that] common pleas should not follow the king but should be held in some certain place« (Magna Carta 1215 (1225, c.11)). 162 Da der Court of the King’s Bench aus dem königlichen Rat hervorging, wurden dessen Sitzungen zunächst stets »coram rege«, d. h. in Anwesenheit des Monarchen abgehalten (und da dieser im Land herumreiste, saß das Gericht damit nicht »in some certain place«). Unter Edward I. allerdings wurde die Anwesenheit des Königs in den Sitzungen die Ausnahme, so dass spätestens im 14. Jhd. das Abhalten von Sitzungen der King’s Bench »in coram rege« zur reinen Fiktion verkam; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 39. 163 Schwerwiegende Straftaten wurden als Störung des königlichen Friedens (»king’s peace«) aufgefasst und damit als Angriff auf den König selbst; siehe Blackstone, Commentaries on the Laws of England, Bd. I 1771, S. 268; Hatschek, Verfassungsgeschichte, 1913, S. 61 f; Allen, Inquiry into the Rise and Growth of the Royal Prerogative in England, 1849, S. 88. Von Interesse für den König waren daneben aber auch Fälle prominenter Personen oder politischer Brisanz; siehe Baldwin, The king’s council in England, 1913, S. 54 mit Beispielen; siehe zum Ganzen auch Strauch, House of Lords, 2003, S. 28; Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 19 und 38. Die schiere Zahl der vom Court of Common Pleas entschiedenen Fälle war viel größer als die des Court of the King’s Bench, was ihm einen enormen Einfluss auf die Entwicklung des common law verlieh; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 38. 164 Allerdings bestand keine Aufsichtsbefugnis des Court of the King’s Bench gegenüber dem Court of Exchequer ; siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 28 m.w.N. in Fn. 105. 1357 forderten die Adeligen eine solche Überprüfungsbefugnis des Court of the Queen’s Bench über den Court of Exchequer. Der König verweigerte dies aber und schuf stattdessen zehn Jahre später ein eigenes Sondergremium als Appellationsinstanz für den Court of Exchequer, die sog. »Council Chamber« (später bekannt als »Exchequer Chamber«). Mit einem Gesetz 1585 (27 Eliz.I.) c.8 wurde ein weiteres Gericht geschaffen aus Richtern des Court of Common Pleas und den Richtern des Court of Exchequer, dessen Aufgabe es war, Irrtümer der (Queen’s) Bench zu korrigieren. Auch dieses Gericht wurde später »Court of Exchequer Chamber« genannt; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 137 f. sowie Newton, General Principles of Law, 3rd ed. 1983, S. 16; Strauch, House of Lords, 2003, S. 28. 1830 wurden die Zuständigkeiten dieser Spruchkörper dann in einem
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Diese Aufsichtsbefugnis der King’s Bench sollte das Fundament legen für jene Rechtsbehelfe, mit denen die ordentlichen Gerichte noch heute Verwaltungsaufsicht ausüben.166 b)
Königliche Eingriffe in die Justiz – equity und Rechtsprechung durch das Parlament
Der Court of Common Pleas und der Court of the King’s Bench bauten das common law immer weiter zu einem System aus. Obwohl es dabei dem Court of the King’s Bench oblag, Recht im Namen und – zumindest qua Fiktion – auch im Beisein des Königs zu sprechen, hatte der Monarch daneben stets noch die Möglichkeit, per Dekret überall dort selbst einen Richterspruch zu erlassen, wo das common law als nicht anwendbar oder grob unbillig angesehen wurde.167 Derartige Interventionen geschahen dabei nicht nur durch den Monarchen neuen, abermals »Court of Exchequer Chamber« genannten Gericht vereinigt. Die Rechtsprechung dieses Gerichts wiederum verschmolz später mit dem CoA; siehe unten, bei Fn. 233 sowie zum Ganzen Strauch, House of Lords, 2003, S. 28. 165 Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 38. Als Rechtsmittelinstanz selbst gegenüber dem Court of Common Pleas unterstand der Court of the King’s Bench damit letztlich nur noch dem König selbst und seinem Rat; siehe Pike, Constitutional History of the House of Lords, 1894, S. 290; Walker, Oxford Companion to Law, 1980, Stichwort: »King’s (or Queen’s) Bench, Court of« (S. 702); »Common Pleas, Court of« (S. 254) und »curia regis« (S. 326); Knappen, Constitutional and Legal History, 1942, S. 200; Strauch, House of Lords, 2003, S. 29. 166 Die grundsätzliche Beschränkung seiner Zuständigkeit durch die Magna Carta wurde dabei im Übrigen auch Anfang des 15. Jhd. noch aufrechterhalten, obwohl deren Voraussetzungen gar nicht mehr vorlagen: Die King’s Bench hatte zu diesem Zeitpunkt nämlich endgültig in Westmister einen festen Sitz genommen und war damit »in some certain place« (s. o., Fn. 161f.). Zwischen 1305 – 1318 wurde das Gericht in Westminster etabliert. Ungeachtet all dessen wurden die Beschränkungen der Magna Carta weiter angewandt, die Zuständigkeit des Court of the King’s Bench nicht erweitert; Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 39. Das mitunter sehr komplexe System von einzelnen Gerichten mit in mancher Hinsicht beschränkten Zuständigkeiten trug letztlich auch zur Entstehung der beiden rechtlichen Anwaltsprofessionen in England bei – das hohe Risiko der falschen Wahl des Gerichts machte für den Kläger eine eingehende, vorherige Beratung erforderlich, die nicht durch einen barrister geleistet werden konnte, da diese genug damit zu tun hatten, in den ordentlichen Gerichten aufzutreten und im Namen ihrer Klienten zu plädieren. Die Aufgabe der Klagevorbereitung fiel damit denen zu, die zwar rechtlich gebildet, aber nicht durch eine der Inns of Court eingegliedert waren. So bildeten sich die solicitors (zu diesen siehe noch unten, Fn. 1634) heraus; vgl. Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 163. 167 Der König war Garant von Recht und Billigkeit (»Fountain of Justice«) und behielt eine Auffangkompetenz zur Korrektur von Urteilen, wenn deren Ergebnis als ungerecht empfunden wurde; Bernstorf, Einführung in das Englische Recht, 3. Aufl. 2006, S. 6. Mit der Zeit wurde der König dabei allerdings auf solche Fragen beschränkt, in denen sich das common law als unvollkommen herausstellte. Auch waren keine Interventionen des Königs möglich, die Auswirkungen auf Leib, Leben oder persönliche Freiheit hatten; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 98.
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persönlich, vielmehr wurden besonders wichtige Streitfragen auch durch das mittlerweile aus der curia regis entstandene, vom König einzuberufende Parlament168 entschieden, insb. durch die darin versammelten Adeligen, die ab ca. 1332 das House of Lords bildeten.169 Die Tradition solcher parlamentarischen Rechtsprechungstätigkeit bestand – wenn auch zuletzt nur noch theoretisch – bis 2009, da bis zu diesem Zeitpunkt das House of Lords (im Folgenden auch: HoL) als höchstes Gericht des Vereinigten Königreichs durch einen neu errichteten Supreme Court abgelöst wurde.170 Im Verlauf des 15. Jhds. bildete sich außerdem neben dem Court of the King’s 168 Die Könige regierten zunächst aus der curia regis heraus, die sich entweder aus den engsten persönlichen Beratern (»permanent council«) oder als um alle Barone und Prälaten erweitertes Gremium (»great council«) konstituierte. Siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 14 ff. Diese Zusammenkünfte fanden unregelmäßig statt und hatten zunächst nur vorübergehenden Charakter. Dies änderte sich erst nach der Herrschaft John I. Nach dessen Tod folgte sein Sohn Henry III., der im Alter von neun Jahren gekrönt wurde. Durch seine Minderjährigkeit bestand die Notwendigkeit, den Adel stärker in die Regierungsgeschäfte einzubeziehen, weshalb sich nun der great council regelmäßig traf. Nach der Volljährigkeit Henrys III. versuchte dieser die bisherige Macht des Rates zu seinen eigenen Gunsten zu beschneiden, was den Widerstand der Adeligen und eine offene Revolte zur Folge hatte, die 1258 zu den »Provisions of Oxford« führte. Darin wurde festgelegt, dass Treffen der Adeligen zur Beratung des Königs in regelmäßigen Abständen stattzufinden hätten. Schon um 1230 wurden größere Zusammenkünfte als »Parlament« bezeichnet; seit der Einführung der regelmäßigen Treffen der Adeligen bürgerte sich dieser Begriff aber auch im Vokabular der königlichen Kanzlei ein. Ab 1295 entwickelte sich dann das sog. »model parliament«, in dem drei Stände vertreten waren: Die königlichen Beamten und Juristen, die weltlichen und geistlichen Fürsten und die Repräsentanten der counties und boroughs, die zunächst gemeinsam tagten; siehe zum Ganzen Kluxen, Englische Verfassungsgeschichte, 1987, S. 63 ff. 169 Ab 1332 teilten sich die im Parlament versammelten Gruppen zunehmend und um 1377 hatten sich deutlich zwei unterschiedliche Kammern herausgebildet, die später das House of Commons und das House of Lords bildeten; siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 39ff. Durch die Entwicklung des Parlaments aus der curia regis war deren Rechtsprechungsaufgabe ebenfalls auf das Parlament übergegangen (siehe etwa die noch sehr unbestimmten Ausführungen von Fleta, einem königlichen Chronisten, der 1285 beschrieb, dass das Parlament ein Gremium sei, in welchem »[…] judgements are resolved, new remedies are provided for newly arisen wrongs, and justice is done to everyone according to his deserts«. Siehe Fleta, ii.2 § 1, zitiert nach Plucknett, A Concise History of the Common Law, 5th ed. 1956, S. 200; Strauch, House of Lords, 2003, S. 41. Das House of Lords war dabei aufgrund seiner historischen Stellung und Zusammensetzung sowie der schon zu Zeiten der curia regis engen Verbindung zum König für Rechtsprechungsaufgaben geeigneter als das größere House of Commons; siehe Pollard, Evolution of Parliament, 2nd ed. 1926, S. 123 f; Strauch, House of Lords, 2003, S. 43: Schließlich hatten die Lords bereits Erfahrung insb. mit Prozessen über Fehlverhalten anderer Adeliger gehabt, da schon durch die Magna Carta festgeschrieben war, dass Adelige nur durch ihresgleichen verurteilt werden konnten. Spätestens ab 1400 hatten die commons mit der Rechtsprechungstätigkeit im Parlament nichts mehr zu tun; siehe Holdsworth, History of English Law, Bd. I 1938, S. 364; Strauch, House of Lords, 2003, S. 29 m. w. N. 170 Allerdings wurde dessen Rechtsprechungsaufgabe zuletzt nur noch durch einen Bruchteil der Mitglieder des HoL ausgeübt, das sog. »judicial committee«; siehe hierzu bei Fn. 236.
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Bench, dem Court of Common Pleas und dem Court of Exchequer noch eine weitere, eigenständige Gerichtsbarkeit, gewissermaßen als Institutionalisierung königlicher Intervention in das Justizsystem heraus, welche zu den Gerichten des common law in »Konkurrenz« trat:171 (1) Equity und der Court of Chancery Bereits im 14. Jhd. baten Untertanen so häufig um königliche Interventionsmaßnahmen gegen Urteile der drei Gerichtshöfe, dass die praktische Ausübung dieser Aufgabe vom Monarchen auf ständige königliche Berater, vor allem auf den Vorsitzenden des königlichen Sekretariats, den (Lord)172 Chancellor, überging.173 Aus dieser Tätigkeit des Chancellor erwuchs im Laufe der Zeit ein weiteres, eigenständiges Gericht, der Court of Chancery174 und zugleich auch eine eigene Rechtsmasse, das law of equity:175 Der Chancellor war bei seiner Aufgabe nicht an die Regeln des common law gebunden,176 sondern konnte nach reiner Billigkeit (equity) befinden;177 die so anfangs mögliche Flexibilität und Ge171 Dabei kann tatsächlich insoweit von einer Konkurrenz gesprochen werden, als dass die Richter der verschiedenen Gerichtshöfe auch ein finanzielles Interesse daran hatten, viele Verfahren durchzuführen: Denn zwar erhielten sie ein Grundgehalt sowie ihre Roben von der Krone, einen wichtigen Bestandteil ihres Einkommens machten aber die Gerichtsgebühren aus; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 166. 172 Den Titel des »Lord« wurde den Vorsitzenden der königlichen Kanzlei (»cancellarius«, später »chancellor«) erst ab dem 15. Jhd verliehen. Dieses Amt ist das älteste, noch bestehende Staatsamt; siehe Bernstorf, Einführung in das Englische Recht, 3. Aufl. 2006, S. 27. Allerdings hat sich die Rolle des heutigen Lord Chancellor durch den Constitutional Reform Act 2005 c.4 grundlegend gewandelt; dazu siehe unten, bei Fn. 1771. 173 Der Lord Chancellor war zuständig für den Betrieb der königlichen Schreibstube, in der auch die »writs« ausgefertigt und mit dem königlichen Siegel versehen wurden: Writs waren königliche Dokumente, die den unterschiedlichsten Zwecken dienen konnten, vor allem für die Einleitung eines Verfahrens vor einem der zentralen Gerichte; dazu siehe unten, II.B.1., S. 96 und Fn. 305). Die Verfahrenseinleitung mittels eines writ wurde dabei stets über den Umweg des Lord Chancellor geführt, der den writ gegen eine Gebühr zunächst ausstellen musste; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 41 u. 57 ff. Die eigentliche Aufgabe des Lord Chancellor war die Aufbewahrung und Verwaltung des königlichen Siegels. Allerdings war seine Position de facto so wichtig, dass man sie als mittelalterliches Äquivalent zum heutigen Premierminister bezeichnen könnte; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 39. 174 Aufgrund der ständig steigenden Verfahrenszahlen bildete sich innerhalb des königlichen Sekretariats (der »Chancery«) eine eigene Abteilung mit Rechtsprechungsaufgaben heraus, der Court of Chancery, dem zunächst nur der Lord Kanzler angehörte; ab 1703 wurde dieser bei seiner Rechtsprechungstätigkeit unterstützt durch seinen höchsten untergebenen Beamten, den »Master of the Rolls«; siehe Bernstorf, Einführung in das Englische Recht, 3. Aufl. 2006, S. 7. 175 Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 99. 176 Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 103. 177 So war das Verfahren des Court of Chancery vor allem nicht an die inhaltlich begrenzten writs der anderen Gerichte gebunden. Da der Lord Chancellor selbst schließlich für die
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schwindigkeit solcher equity-Verfahren sowie die Tatsache, dass das common law für einige Rechtsprobleme178 schlicht keine Lösungen bot, führten zunächst dazu, dass die immer häufiger werdenden Urteile der Chancellors allmählich eine eigene Systematik entwickelten und damit letztlich ein eigenes equityRechtssystem begründeten.179 Erstellung der writs verantwortlich war, konnte vielmehr als Ergebnis eines Verfahrens vor dem Lord Chancellor ein neuer, individuell zugeschnittener writ erlassen werden, den der Kläger sodann vor einem der ordentlichen Gerichte für sich nutzbar machen konnte; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 102. 178 Ein wichtiger Anwendungsbereich für die Rechtsprechungsbefugnisse des Lord Chancellor ergab sich für die sog. »trusts«: Derartige Rechtsverhältnisse – für die es keine wirklich vergleichbare Rechtsfigur im deutschen Recht gibt – existierten bereits im 12./13. Jhd. In dieser Zeit dienten sie dazu, Rittern, die an den Kreuzzügen teilnahmen, zu ermöglichen, ihre Ländereien für die Zeit ihrer Abwesenheit auf einen anderen zu übertragen, der sie zu Gunsten der Familie des Ritters verwalten sollte. Solche trusts – auch als »uses« bezeichnet – wurden später genutzt, um die Feudallasten zu umgehen, die mit dem Landbesitz verbunden waren. Weigerte sich der Treuhänder in diesen Konstruktionen, das Grundstück an den Berechtigten zurück zu übertragen, konnte dieser die Rückübertragung nicht vor einem der common law-Gerichte einklagen, da dort ein entsprechendes Verfahren (bzw. ein entsprechender writ) nicht existierte. In vielen dieser Fälle war daher einziger Ausweg ein Rückgriff auf die besondere Rechtsprechungskompetenz des Lord Chancellor ; siehe Bernstorf, Einführung in das Englische Recht, 3. Aufl. 2006, S. 159 f. »Trust-Law« und der aus diesem stammende Gedanke, zwei verschiedenen Personen einen eigentümerähnlichen Anspruch an einem Grundstück einzuräumen, hatte auf die Entwicklung des englischen Privatrechts mit ihrer Zweigleisigkeit aus common law und equity einen erheblichen Einfluss. Trusts sind heute die wohl deutlichste Ausprägung des Systems der equity, und der Begriff taucht in den unterschiedlichsten rechtlichen Zusammenhängen auf, in denen Rechtsfragen folgerichtig nach Regeln der equity zu entscheiden sind: Etwa im Bereich von Pensionskassen (»pension trusts«), wohltätigen Organisationen (»charities«) und Versicherungsvereinen (»friendly societies«); siehe zum Ganzen, Hudson, Equity & Trusts, 2nd ed. 2001, S. 693 ff. Viele dieser Bereiche sind heute gesetzlich geregelt und fallen in die Zuständigkeiten von tribunals. 179 »[E]quity would increasingly be regarded as the peculiar prerogative of the Court of Chancery[…]. As a consequence, equity itself became a kind of law, in the sense of a body of coherent principles, and the original rationale of the chancellor’s bill jurisdiction faded into history.« Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 108. Durch die schiere Masse an Verfahren, die mit zunehmendem Bedarf nach Rechtsprechungstätigkeit der Chancellors anhängig wurden, waren diese gezwungen, für ständig wiederkehrende Fälle routinemäßig zu entscheiden. Da ab Ende des 16. Jhds. auch die Entscheidungen des Court of Chancery in aller Regel schriftlich dokumentiert wurden, bildete sich so – genau wie das common law – ein systematischer Korpus von Rechtsregeln heraus; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 110. Das System der equity errang später formal den Vorrang vor dem common law: Im Earl of Oxford’s Case (1615) 21 ER 485, kamen common law-Gerichte und Court of Chancery zu unterschiedlichen Ergebnissen: Der Earl of Oxford hatte hier vor dem Court of the King’s Bench ein Urteil erstritten, dessen Vollstreckung ihm jedoch durch eine sog. »injunction« des Lord Chancellor untersagt wurde (zu den Möglichkeiten des Lord Chancellor zum Erlass einer solchen sog. »injunction« siehe unten, bei Fn. 398). Der Fall wurde dem damaligen König James I. zur Entscheidung vorgelegt, der zu Gunsten des Lord Chancellor befand. Seither gilt die Formel: »Equity shall prevail«; siehe Bernstorf, Einführung in das Englische Recht, 3.
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(2) Angleichung der common law-Gerichtshöfe Insbesondere die Richter des Court of the King’s Bench reagierten auf diese Konkurrenz durch den Court of Chancery mit einer sehr kreativen Anwendung der ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente,180 was die Zuständigkeitsbeschränkungen aufgrund der Magna Carta zu einem Teil umging und ihnen ermöglichte, verstärkt common pleas an sich zu ziehen. Dies geschah insb. auf Kosten des Court of Common Pleas, der sich gegenüber der innovativen King’s Bench eher reaktionär verhielt,181 was dazu führte, dass um 1670 die Zahl der Verfahren vor dem Court of Common Pleas gegenüber den attraktiveren Verfahren des Court of the King’s Bench massiv abgenommen hatte.182 Außerdem erweiterte sich auch die Zuständigkeit des Court of Exchequer – obwohl ursprünglich nur für Fragen im Zusammenhang mit Besteuerung zuständig – kontinuierlich in den Bereich der common pleas hinein und steigerte so das Konkurrenzverhältnis der Gerichte untereinander.183 Ungeachtet gesetzli-
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Aufl. 2006, S. 8. Diese Regel wurde später auch gesetzlich verankert und ist es bis heute (siehe unten, Fn. 232). Allerdings blieb dieser Vorrang letztlich ohne große Relevanz, da zugleich die Maxime »equity follows the law« gilt, nach der die Regeln der equity ohnehin nur dort zur Anwendung kommen sollen, wo das common law keinen Rechtsbehelf bietet; das Konfliktpotential ist damit von vornherein gering; siehe Maitland, Equity, 1913, S. 19; Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 114. Dies geschah vor allem durch die verstärkte Nutzung der sog. »bill-procedures«, welche für den Kläger eine Erleichterung bei der Einleitung von Verfahren darstellten. Normalerweise musste für die Einleitung eines Verfahrens stets ein writ beim Lord Chancellor beantragt werden, der dann dem Gericht zugestellt wurde, was teuer und langwierig war (siehe oben, Fn. 173, sowie Fn. 305). Mittels eines bill konnte sich der Kläger hingegen direkt an das Gericht wenden, um ein Verfahren einzuleiten; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 42. Zwar war die Gesamtzahl der Verfahren des Court of Common Pleas gegenüber denen des Court of the King’s Bench zunächst viel höher, dennoch wurde die Ausweitung der Zuständigkeiten des Court of the King’s Bench durch den Court of Common Pleas argwöhnisch beobachtet und mündete im Laufe der Zeit in einen offenen Konflikt zwischen den beiden Gerichten; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 44 ff. Siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 46 f. Verfahren vor diesem Gericht waren für die Kläger deshalb besonders attraktiv, weil sie davon ausgehen konnten, dass das Gremium, das sich mit dem Eintreiben von Steuern für den König befasste, über besonders effektive Mittel zur Verfolgung von Schuldnern verfügen musste, die sich die privaten Kläger zunutze machen wollten; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 48. Obgleich verschiedentlich versucht wurde, durch Gesetze die Befassung des Court of Exchequer mit common pleas zu unterbinden, wirkte sich auch hier die Kreativität der Kläger und deren Juristen dahingehend aus, dass sämtliche Beschränkungen der Zuständigkeit effektiv umgangen wurden. So war die zivilrechtliche Zuständigkeit des Court of Exchequer zunächst auf Klagen gegen bzw. durch sein eigenes Personal sowie gegen und durch andere Bedienstete des Steuerwesens beschränkt; deshalb gerierten sich Kläger zunehmend als Hilfsorgane solcher Bediensteten und klagten in deren Namen. Auch waren Klagen aller Personen möglich, die eine Steuerschuld zu begleichen hatten, dies aber nicht konnten, weil die Schuld eines Dritten ihnen
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cher Bestimmungen sowie der Versuche der Richter des Court of Exchequer selbst, dies zu verhindern, wurde so auch dieser im Laufe der Zeit durch die Kläger und deren findige Anwälte ebenfalls zu einem Forum für common pleas.184 Diese stetig fortschreitende Angleichung der Tätigkeitsbereiche der ordentlichen Gerichte führte dazu, dass spätestens Anfang des 17. Jhds. die drei common law-Gerichtshöfe über nahezu gleiche Zuständigkeiten verfügten und sich entsprechend mit nahezu gleichen Fragen befassten185 – heraus stach allenfalls der Court of the King’s Bench, dem als einzigen die Durchführung der coram rege-Verfahren oblag und der sich insofern eine Sonderstellung bewahrt hatte, als ihm die Aufgabe zufiel, die Entscheidungen anderer Spruchkörper zu kontrollieren. Diese Kontrollbefugnis, auf deren Mittel sogleich noch ausführlich eingegangen wird, sollte den Grundstein legen für die Rechtsbehelfe, mit denen die Gerichte noch heute Verwaltungsrechtsschutz ausüben. (3) Die Friedensrichter und der Court of Star Chamber Für das Verständnis der Entwicklung des englischen Justizapparats und insb. der verwaltungsrechtlichen Kontrollbefugnisse des Court of the King’s Bench ist an dieser Stelle aber noch kurz auf ein weiteres, besonderes Gericht einzugehen, den Court of Star Chamber – denn dieses Gremium (bzw. dessen Abschaffung) sollte für die Entwicklung der Verwaltungskontrolle in England eine wichtige Rolle spielen: (a) Der Court of Star Chamber und seine Aufgaben Auch dieses Gremium entwickelte sich aus dem königlichen Beraterstab und bezog Autorität direkt vom König: Zwischen 1515 – 1529186 nahm ein Teil des königlichen Rates, der in der »Sternenkammer«187 tagte, immer mehr richter-
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gegenüber noch nicht gezahlt worden war (sog. »quominus«-Verfahren). Insb. aus diesem letzten Instrument entwickelte sich während des Interregnums ein oft genutztes Einfallstor, um Klagen gegen private Schuldner vor den Court of Exchequer zu tragen; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 48 f. »Despite Magna Carta and subsequent legislation, and despite the better judgement of some of the barons, the Exchequer of Pleas had been turned by litigants into a third court for common pleas«. Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 49. Darauf wird sogleich noch näher eingegangen; siehe unten, II.A.2.c), S. 83. Thomas Wolsley war zu dieser Zeit (unter der Herrschaft Heinrichs VIII.) Lord Chancellor, der Kläger mit verschiedensten Anliegen dazu ermunterte, Angelegenheiten der Star Chamber vorzulegen; siehe Baker, Oxford History of the Laws of England, Bd. VI 2003, S. 197 ff. Ab 1347, nach dem Bau von Westminster Palace, tagte der königliche Rat in einem Raum, dessen Decke mit der Darstellung eines Sternenhimmels geschmückt war. Nach diesem Raum wurde der königliche Rat später auch als »camera estella« bzw. »Star Chamber« bezeichnet; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 118.
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liche Aufgaben wahr ;188 ab 1540 bestehen eigene, gesonderte Akten für diese richterlichen Entscheidungen,189 womit der Court of Star Chamber als eigenständiger, gesonderter Spruchkörper angesehen werden kann.190 Der Court of Star Chamber übte zunächst eine kaum vom Court of Chancery zu unterscheidende191 zivilrechtliche Zuständigkeit aus. In seinen Verfahren machte der Kläger allerdings meist strafrechtliches Verhalten192 als Grund für die besondere Notwendigkeit einer Entscheidung gerade durch die Star Chamber geltend,193 womit diese immer mehr strafrechtliche Aufgaben übernahm. Für die Entwicklung der Verwaltungsjustiz ist dies deshalb relevant, weil sie so insb. umfangreiche Aufsichtsbefugnisse über untergeordnete Verwaltungs- und Justizorgane erlangte, konnte sie doch gerade Vorwürfen von Rechtsbeugung durch königliche und lokale Beamte, Korruption und Erpressung nachgehen.194 Dadurch gewann sie zugleich eine effektive Aufsicht insb. über die Friedensrichter, die justices of the peace,195 die ihrerseits noch heute von einiger Bedeutung für das englische Justizsystem sind: (b) Die Friedensrichter als lokale Verwaltungsorgane Die Bewahrung der Ordnung der mittelalterlichen Gesellschaft Englands stellte der König nicht nur durch die zentralen Gerichtshöfe, die eyers und assizes, 188 Dabei wurden zunächst vor allem zivilrechtliche Verfahren behandelt; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 118. 189 Siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 118. 190 Allerdings war dieser Spruchkörper zunächst fast personenidentisch mit dem sog. »Privy Council«, dem Teil der curia regis, der weiterhin in erster Linie beratende Aufgaben wahrnahm. Insbesondere war faktischer Vorsitzender der Star Chamber der Lord Chancellor, was die Abgrenzung der Tätigkeit der Star Chamber vom Court of Chancery erschwert; siehe zum Ganzen Baker, The Oxford History of the Laws of England, Bd. VI 2003, S. 199 f. 191 Die Darstellung der Entstehung der Star Chamber – in Abgrenzung etwa zum Court of Chancery – wird zusätzlich dadurch erschwert, dass auch letzterer in der Star Chamber tagte und die Verfahren den Gremien völlig frei zugewiesen und auch hin- und her transferiert werden konnten; siehe Baker, The Oxford History of the Laws of England, Bd. VI 2003, S. 195 f. 192 Etwa Aufstände, widerrechtliche Versammlung, Meineid (»perjury«) und gewaltsames Betreten befriedeten Besitzes (»forcible entry«). Ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld für die Star Chamber waren auch Vorwürfe von Rechtsbeugung; diese geschah etwa durch Korruption; siehe zum Ganzen Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 118. 193 Dabei ging es wohl in den meisten Verfahren um Ansprüche aus Grundeigentum; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 118. Loeper bezeichnet die Star Chamber für die Zeit der Tudors demgegenüber als »oberstes Polizeigericht«; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 17. 194 Derartige Vorwürfe gegen Amtsträger gelangten ebenfalls vor die Star Chamber ; siehe Baker, The Oxford History of the Laws of England, Bd. VI 2003, S. 198. 195 Baker, The Oxford History of the Laws of England, Bd. VI 2003, S. 198.
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sicher – vielmehr wurde bereits um 1200196 damit begonnen, einzelne Ritter aus jeder Grafschaft197 mit der Aufgabe zu betrauen, als custodes pacis,198 später als justices of the peace,199 als jeweils stationäre Repräsentanten des Königs auf lokaler Ebene den öffentlichen Frieden zu wahren.200 Das noch heute bestehende Amt des Friedensrichters201 war damit wohl die früheste Manifestation des heutigen englischen Verwaltungsapparats abseits der Gremien in Westminster : Dieses Amt war unbesoldet, weshalb nur Begüterte es ausfüllen konnten (einzige Zugangsvoraussetzung war ein bestimmtes Mindestvermögen, sog. property qualification),202 und es waren rechtliche Laien, die bestellt wurden.203 Unter der Herrschaft Edwards III. (1327 – 77) wurden diese Friedensrichter durch verschiedene Gesetze zunehmend mit besonderen, richterlichen,204 aber auch administrativen Aufgaben betraut,205 da die regelmäßigen assizes nicht mehr zur 196 Unter der Herrschaft des Königs Richard I., (1189 – 1199); siehe Cannon, in: Cannon (ed.), Dictionary of British History, 2009, Stichwort: »justices of the peace«. 197 Die Friedensrichter rekrutierten sich aus den Reihen der örtlichen »gentry«, der begüterten und mit Land versehenen (»landed gentry«) Klasse niederer Adeliger ; vgl. Mulholland, in: Cannon (ed.), Oxford Companion to British History, 2002, Stichwort: »justices of the peace«. 198 Siehe zum Ganzen auch Kluxen, Englische Verfassungsgeschichte, 1987, S. 128. 199 Diesen noch heute verwendeten Namen erhielten sie unter der Herrschaft Eduards III (1327 – 1377); siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 25. Durch den Justices of the Peace Act 1361 (34 Edw. III.) c.1 wurden die Friedensrichter erstmals als solche bezeichnet und ihre bisherigen Rechte zur Aufrechterhaltung des lokalen Friedens und ihre Strafgewalt auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. 200 »To keep the peace« (siehe zum »King’s Peace« bereits oben, Fn. 163) – Damit war eigentlich eher auf die polizeiliche Funktion der Friedensrichter Bezug genommen als auf eine richterliche. Diese Ritter wurden jedoch oft auch in den Kommissionen »oyer and terminer« oder »gaol delivery« eingesetzt, um die Richter der assizes zu entlasten; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 24. 201 Siehe zur heutigen Rolle der Friedensrichter unten, bei Fn. 291f. 202 Damit die Unabhängigkeit der Friedensrichter sichergestellt werden konnte, durften ab 1439 nur noch Personen als solche bestellt werden, die über ein bestimmtes Mindesteinkommen verfügten; Kluxen, Englische Verfassungsgeschichte, 1987, S. 129. An der Unentgeltlichkeit der Tätigkeit als Friedensrichter hat sich im Grunde bis heute nichts geändert: Eine solche »property qualification« sollte sich später auch bei anderen Organen finden, was zur Folge hatte, dass oftmals für eine Vielzahl von Ämtern nur ein begrenzter, begüterter Kreis in Betracht kam, weshalb diese Personen mehrere Ämter innehatten; siehe auch noch unten, Fn 719. 203 Die Friedensrichter wurden vom Lord Chancellor ernannt und entlassen, der auch ihre Amtsführung überwachte. Dabei gab es keinerlei Garantie für die richterliche Unabhängigkeit der Friedensrichter, da sie auch ohne besonderen Grund entlassen werden konnten; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 20 f. m. w. N. 204 Allerdings ist zu beachten, dass viele der administrativen Aufgaben in einem eher richterlichen Verfahren abgearbeitet wurden; siehe Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 25, der davon ausgeht, dass zwischen richterlichen Aufgaben und richterlichen Verfahren differenziert werden kann. 205 Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 20 m.w.N. Schon im Jahr 1307 erhielten
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Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung genügten. Rechtlich schwierige Entscheidungen, sowohl administrativer als auch justizieller Art, konnten sie bis zu sog. quarter sessions vertagen, einem allvierteljährlichen Treffen der Friedensrichter eines Bezirks.206 Nach und nach übernahmen diese Friedensrichter jene richterlichen und administrativen Funktionen, die zuvor die lokalen Gemeinschaften – die shires und hundreds – und deren lokale Ordnungsorgane, die sheriffs,207 wahrgenommen hatten.208 Unter der Herrschaft der Tudors (1485 – 1603) dann war das Amt der Friedensrichter zum örtlich wichtigsten geworden und es fielen ihnen neben den insb. strafrichterlichen Aufgaben wesentliche Teile der Gemeindeverwaltung zu;209 gleichzeitig unterstanden sie aber stets auch einer effektiven Kontrolle durch die zentralen Staatsorgane.210 Unter der Herrschaft der Stuarts (ab 1603) wurde diese zentralstaatliche Kontrolle verschärft – und zwar eben durch den Court of Star Chamber.211
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Friedensrichter erste Polizeibefugnisse, 1314 ein Verhaftungsrecht und 1316 ein Untersuchungsrecht. Durch die Statute of Labourers 1351 (25 Edw. III.) c.1 wurde den Friedensrichtern auch die Aufsicht über Preise und Löhne verliehen. In der Folgezeit erweiterten sich diese Befugnisse auf die Überwachung der Einhaltung von Arbeitsgesetzen, Maßen und Gewichten, Marktordnungen und Preisgestaltungen. Später wurden auch ihre strafrechtlichen Kompetenzen erweitert; siehe zum Ganzen Kluxen, Englische Verfassungsgeschichte, 1987, S. 128. Seit ca. 1360 war gesetzlich angeordnet, dass an vier hohen kirchlichen Feiertagen jedes Jahr Sitzungen von mehreren Friedensrichtern abzuhalten waren, die man als »general quarter sessions of the peace« bezeichnete. Einer Entscheidung durch solche quarter sessions vorbehalten blieb einerseits etwa die Bestrafung mittelschwerer Straftaten (sprich aller Vergehen, deren Bestrafung nicht durch die assizes geschah, wie bestimmte Kapitalverbrechen), aber auch Entscheidungen über Bau und Erhaltung von Straßen und Brücken oder Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Armen- und Waisenrecht; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 25; Hey, in: Hey (ed.), The Oxford Companion to Local and Family History, 2009, Stichwort: »quarter sessions«. Unter den angelsächsischen Königen waren sheriffs königliche Beauftragte – »reeves« – die in den »shires«, den Verwaltungseinheiten, in die das Land eingeteilt war und aus denen sich später die »counties« entwickelten (zu den shires siehe Kluxen, Englische Verfassungsgeschichte, 1987, S. 9), für Ordnung zu sorgen hatten und Steuern eintrieben. Außerdem hatten sie bei den Sitzungen der damaligen örtlichen Gerichtsversammlungen, die in den Orten der shires abgehalten wurden, anwesend zu sein, weshalb sie bald auch mit justiziellen Aufgaben assoziiert wurden. Sie hatten dabei eher einen schlechten Ruf, so dass sie langfristig von den justices of the peace verdrängt wurden; siehe Palliser, in: Cannon (ed.), Oxford Companion to British History, 2002, Stichwort: »sheriffs«. Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 25. Etwa die Armenfürsorge und die Erteilung von Lizenzen zum Ausschank von Alkohol oder gewerbepolizeiliche Aufgaben; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 20 m.w.N. Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 21. Moir, Justice of the Peace, 1969, S. 81; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 21.
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(4) Missbrauch und Abschaffung des Court of Star Chamber Unter den Stuarts ging der Court of Star Chamber aber nicht nur korrigierend gegen Fehlverhalten von Friedensrichtern vor und übte so effektive Kontrolle über diese aus, sondern er wurde zugleich auch zu massiven Interventionen in das Rechtssystem und für politische Urteile zur Unterdrückung der Opposition des Parlaments gegen den König genutzt.212 Obwohl die Star Chamber zu Zeiten der Tudors noch durchaus geschätzt wurde, ist sie aufgrund dieser Verwicklung in absolutistische Auswüchse Charles’ I. im kollektiven Gedächtnis Englands in besonders schlechter Erinnerung geblieben.213 Durch den Star Chamber Abolition Act 1641 wurde die Star Chamber abgeschafft – die Nachwirkungen der negativen Erfahrungen mit diesem Sondergericht beeinflussten jedoch die Entwicklung des englischen Verwaltungsrechts noch lange, lag doch in dem Machtmissbrauch der Stuart-Periode zugleich auch eine Ursache für die jahrhundertelange Ablehnung eines gesonderten öffentlichen Rechts begründet.214 Die negative Erfahrung mit dem Sondergericht der Star Chamber ließ in England die Notwendigkeit einer einheitlichen Gerichtsbarkeit zur politischen Grundüberzeugung werden.215 Insbesondere auf der Entwicklung der tribunals lastet die Erinnerung an dieses Sondergericht »wie ein böser Traum«.216 Zugleich führte der Wegfall der Star Chamber dazu, dass der Court of the King’s Bench seine Rolle als Aufsichtsorgan über andere Hoheitsträger ausbauen konnte, wie sogleich noch gezeigt wird. c)
Reform der Höchstgerichte durch die Judicature Acts im 19. Jhd.
Wie oben ausgeführt, hatte die starke Konkurrenz zwischen den königlichen common law-Gerichten217 gegen Ende der Herrschaft Charles II. (ab 1685) dazu geführt, dass effektiv sowohl der Court of the King’s Bench als auch der Court of 212 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 17. 213 »There can be little doubt, that the Star Chamber was useful and was felt to be useful. […] But that it was a tyrannical court that it became more and more tyrannical, and under Charles I. was guilty of great infamies is still more indubitable. It was a court of politicians enforcing a policy, not a court of judges administering the law.«; Maitland, Constitutional History of England, 1913, S. 263. Die Star Chamber wurde als Symbol der Tyrannei schlechthin angesehen; siehe Cannon, in: Cannon (ed.), Dictionary of British History, 2009, Stichwort: »Star Chamber«. 214 Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007 S. 39. 215 Siehe nur Riedel, Kontrolle der Verwaltung, 1976, S. 195, der in dem Wirken der Star Chamber einen »Hauptfaktor für das Fehlen einer getrennten Verwaltungsgerichtsbarkeit und überhaupt eines Systems des Verwaltungsrechts« erblickt; ebenso Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 16. 216 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 18. 217 Court of Common Pleas, Court of Exchequer und Court of the King’s Bench
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Common Pleas sowie der Court of Exchequer eine ähnliche Zuständigkeit für die meisten common pleas hatten und über nahezu gleiche Verfahren verfügten218 – wirklich unterscheidbar waren die drei Gerichte damit allenfalls noch hinsichtlich ihrer ursprünglichen, besonderen Zuständigkeiten.219 Im Laufe der zweiten Hälfte des 18. Jhds. stieg die Gesamtzahl von zivilrechtlichen Verfahren, von denen die meisten vor der King’s Bench verhandelt wurden.220 Angesichts dessen bestand ab 1830 Bedarf, die Institutionen des Justizwesens umfassend zu reformieren;221 1867 wurde schließlich eine Kommission eingesetzt, um Optimierungspotential in der Zuständigkeitsverteilung der zentralen Gerichtshöfe zu finden, was letztlich in den Judicature Acts von 1873 und 1875222 mündete: Durch diese Gesetze wurden die bisher selbstständigen common law-Gerichte in einen neu geschaffenen Supreme Court of Judicature überführt, der in zwei Ebenen unterteilt war.223 Die untere Ebene bildete der High Court, der seinerseits
218 Unterschiede zwischen den Verfahren bestanden allenfalls äußerlich und hinsichtlich der Verfahrenskosten; die Richter der drei Gerichte wurden kollektiv als die »twelve justices« bezeichnet und als Einheit angesehen, deren Verteilung auf verschiedene Spruchkörper letztlich als »little more than an accident of history« angesehen wurde; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 49 f. 219 Der Court of Exchequer hatte seine besondere Zuständigkeit für Steuerfragen, die King’s Bench ihre besondere Aufsichtsrolle über andere Gremien, und der Court of Common Pleas bewahrte sich exklusive Zuständigkeiten etwa für common pleas im Bereich des Grundstücksrechts; allerdings hatten die zuletzt genannten gegenüber den Verfahren vor dem Court of Common Pleas bereits ernorm an Wichtigkeit zugenommen; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 50. 220 Was wohl vor allem auf die dort tätigen Richterpersönlichkeiten zurückzuführen ist, die – insb. im Gegensatz zum Court of Common Pleas – besonders kreativ auf die sich verändernden Anforderungen des Wirtschaftslebens reagierten; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 50. 221 Dies geschah in einem »Monument viktorianischen Reformeifers«; vgl. Blom-Cooper/ Drewry, Final appeal, 1972, S. 23. Siehe zum Ganzen Strauch, House of Lords, 2003, S. 73, der die einzelnen Reformschritte betreffend die jeweiligen Gerichte schildert: Es wurden in dieser Zeit auch zahlreiche neue Gerichte gegründet, wie etwa der Central Criminal Court 1834 (Central Criminal Court Act (4& 5 Will.IV.) c.36 (siehe zum Crown Court unten, Fn. 298), die county courts als untere, lokal zuständige Zivilgerichte (County Courts Act 1846 (9& 10 Vict.) c.95 – siehe zu diesen auch unten, III.B.1.e)(2), S. 185), den Court of Crown Cases Reseverd (Crown Cases Act 1848 (11& 12 Vict.) c.78), der später durch den Court of Criminal Appeal (Criminal Appeal Act 1907 (7 Edw.VII) c.23) und dann 1966 durch die Criminal Division des heutigen CoA abgelöst wurde; siehe zum Ganzen Thomas, MLR 1967, 30(1), 64 (64 ff.). Außerdem wurde der CoA in Chancery (Court of Chancery Act 1851 (14& 15 Vict.) c.83, siehe unten, Fn. 227) geschaffen. 1857 wurden außerdem zivilrechtliche Zuständigkeiten in Ehe- und Erbrechtssachen, die zuvor den Kirchengerichten oblagen, auf neu geschaffene Gerichte übertragen; siehe unten, Fn. 224. 222 Das erste Gesetz, der Supreme Court of Judicature Act 1873 (36& 37 Vict.) c.66, trat erst gleichzeitig mit dem Supreme Court of Judicature Act 1875 (38& 39 Vict.) c.77 in Kraft; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 51. 223 Siehe s.4 Supreme Court of Judicature Act 1873 (36& 37 Vict.) c.66.
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in fünf Abteilungen untergliedert war, von denen drei224 jeweils den Court of King’s Bench, den Court of Common Pleas und den Court of Exchequer nachbildeten; die letzten beiden wurden 1880 aufgelöst, so dass nur die Queen’s225 Bench Division als einzige Manifestation der ursprünglichen common law-Gerichte übrigblieb.226 Ab 1813 war außerdem schrittweise das System der equity-Rechtsprechung reformiert worden,227 um der zwischenzeitlich in diesem Bereich entstandenen Probleme – auch hier gab es nämlich mittlerweile überlange Verfahrensdauern und enorm hohe Verfahrenskosten228 – Herr zu werden. Die anfänglichen Reformen konnten diese Probleme aber nur bedingt lösen und so wurde um 1850 die Diskussion um die Zusammenlegung von common law- und equity-Gerichten laut,229 als deren Ergebnis 1865230 bzw. 1875231 die Zuständigkeiten für die jeweiligen Rechtsmassen von common law und equity auf allen Ebenen des Justizsystems zusammengeführt wurden. Ab diesem Zeitpunkt waren alle Richter der oberen und unteren Gerichte befugt, über Rechtsfragen, die sich aus dem System der equity ergaben, zu entscheiden.232 224 Die beiden anderen Abteilungen des damaligen High Court übernahmen die Zuständigkeiten des High Court of Admirality (hierzu siehe unten, bei Fn. 247), des Court of Probate und des Court of Divorce and Matrimonial Causes. Court of Probate und Court of Divorces and Matrimonial Causes waren 1857 errichtet worden: Ersterer hatte die erbrechtlichen, letzterer die familienrechtlichen Zuständigkeiten der Kirchengerichte übernommen. Zusammen mit dem High Court of Admirality wurden diese Gerichte nun zunächst in einer eigenen Abteilung – der Probate, Divorce and Admirality Division – zusammengefasst. Durch den Administration of Justice Act 1970 c.31 wurde diese in »Family Division« umbenannt und die Zuständigkeit des Admirality Courts in die Queen’s Bench Division und die Zuständigkeit des Court of Probate in die Chancery Division des High Court abgegeben; siehe Law/Martin, in: Law/Martin (ed.), A Dictionary of Law, 2009, Stichwort: »Probate, Divorce and Admirality Division«. 225 Die Judicature Acts wurden unter der Herrschaft Königin Victorias erlassen. 226 Seither wird der Vorsitzende der Queen’s Bench Division auch offiziell Lord Chief Justice genannt; Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 51 Fn. 69; siehe zum heutigen Amt des Lord Chief Justice auch unten, bei Fn. 252. 227 1813 wurde zunächst ein Vice-Chancellor zur Unterstützung des Lord Chancellor eingeführt, 1842 der althergebrachte Posten des Master of the Rolls (siehe oben, Fn. 174) mit mehr Kompetenzen ausgestattet, um den Lord Chancellor zu entlasten, 1851 wurde mit dem Court of Appeal in Chancery ein eigener Instanzenzug für den Rechtsbereich der equity eingeführt; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 113 f. 228 Siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 111 ff. 229 Schon durch den Common Law Procedure Act 1854 (17& 18 Vict.) c.125 wurden Zuständigkeiten und Verfahren von common law-Gerichten und Court of Chancery einander angenähert. 230 Zunächst auf Ebene der neu geschaffenen county courts (siehe zu diesen unten, III.B.1.e)(2), S. 185) durch den County Courts Equitable Jurisdiction Act 1865 (28& 29 Vict.) c.99. 231 Mit Wirkung des Supreme Court of Judicature Act 1873 (36& 37 Vict.) c.66. 232 Vom einstigen Court of Chancery blieb allein die Chancery Division des High Court, die sich jedoch nur durch ihr besonderes Wissen um Fragen des Systems der equity aus-
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Auf der zweiten Ebene des Supreme Court of Judicature wurde außerdem der Court of Appeal (im Folgenden auch CoA) installiert, der als zentrale Revisionsinstanz die Aufsicht über den High Court übernahm.233 Ursprünglich war dabei geplant, durch die Einführung dieser zentralen Appellationsinstanz zugleich die Rechtsprechungskompetenz des Parlaments abzuschaffen – bevor dieser Plan jedoch verwirklicht werden konnte, kam es zu einem Regierungswechsel,234 die Rechtsprechungskompetenz des HoL wurde beibehalten und 1876 auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.235 Dadurch wurde die Rechtsprechungstätigkeit des HoL zugleich faktisch in die Hände eines mit professionellen Richtern besetzten Gremiums, des Judicial Committee236 gelegt, welches seine Rechtsprechungsbefugnis für ganz Großbritannien237 ausübte.238
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zeichnet, nicht aber durch die Anwendung gesonderter Verfahren oder die exklusive Möglichkeit zur Gewährung besonderer Rechtsbehelfe; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 114. Insoweit übernahm der CoA die Zuständigkeiten der bisherigen Appellationsgerichte, also sowohl des Court of Appeal in Chancery (siehe oben, Fn. 227) als auch des Court of Exchequer Chamber, der ja gerade erst 40 Jahre zuvor geschaffen worden war (siehe oben, Fn. 164). Der – versuchten – Etablierung des CoA als höchstes Gericht für England verdankte der alte »Supreme Court of England and Wales« seinen letztlich irreführenden Namen: Durch den Supreme Court of Judicature Act 1873 (36& 37 Vict.) c.66 wollte die damalige liberale Regierung die Rechtsprechungstätigkeit des HoL für England abschaffen (für Schottland und Nordirland hätte sie allerdings weiter Bestand gehabt). Gleichzeitig wurde der CoA eingeführt, der den Platz an der Spitze des Instanzenzuges einnehmen sollte. In Folge eines Regierungswechsels wurde dies mit dem Appellate Jurisdiction Act 1876 (39& 40 Vict.) c.59 wieder rückgängig gemacht; man behielt jedoch die sonstigen Veränderungen hinsichtlich der Gerichte, insbesondere den CoA, sowie die Bezeichnung »Supreme Court of England and Wales« bei; siehe Kelly/Slapper, English Legal System, 10th 2009 – 2010, S. 149. Dies geschah durch den Appellate Jurisdiction Act 1876 (39& 40 Vict) c.59. Das Gremium wurde »Appellate«- bzw. »Judicial Committee of the House of Lords« genannt. Obgleich nach dem Appellate Jurisdiction Act 1876 (39& 40 Vict.) c.59 das HoL nach wie vor als ganzes die Rechtsprechungstätigkeit ausübte, sah s.5 Appellate Jurisdiction Act 1876 (39& 40 Vict.) c.59 vor, dass nur solche Oberhausmitglieder über Rechtsfragen entscheiden durften, die eine juristische Ausbildung und Erfahrung als Richter besaßen. Außerdem sollten durch die Königin zwei Lords Justices of Appeal in Ordinary mit richterlicher Erfahrung in das Appellate Committee ernannt werden (s.4 Appellate Jurisdiction Act 1876 (39& 40 Vict.) c.59). Dies gilt allerdings nur für zivilrechtliche Fragen: Durch den Union with Scotland Act 1706 c.11 des englischen Parlaments und den Union with England Act 1707 c.7 des alten, daraufhin aufgelösten schottischen Parlaments wurde die Trennung der jeweiligen Gerichtsbarkeiten der beiden Länder grds. aufrechterhalten: Gem. Art. XIX des Union with Scotland Act 1706 c.11 bzw. des Union with England Act 1707 c.7 durften schottische Fälle nicht vor einem der englischen Obergerichte, welche ihren Sitz nach wie vor in Westminster Hall hatten, verhandelt werden. Da das HoL allerdings in dieser Aufzählung nicht genannt wurde, war zunächst unklar, ob es diesem als »Court in Westminster Hall« verboten sein sollte, schottische Strafrechtsfälle zu hören, oder ob sich seine Zuständigkeit nunmehr auch auf Schottland erstrecken sollte. Die Tatsache, dass das HoL regelmäßig in Westminster Hall tagte, führte dabei nach Auffassung einiger nicht automatisch zu einem Ausschluss von
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Dieses so entstandene Grundgerüst zentralstaatlicher Rechtsprechungsorgane – mit dem Supreme Court bestehend aus High Court und CoA und dem HoL als letzter Revisionsinstanz – blieb mit geringfügigen Modifikationen bis 2009 erhalten; heute stellt sich der Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit insgesamt wie folgt dar :
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Der heutige Aufbau der Gerichte (insb. des High Court)
Die Spitze der heutigen Gerichtsbarkeit bildet seit 2009 zunächst der neue Supreme Court of the United Kingdom, der durch den Constitutional Reform Act 2005 eingeführt wurde und das Judicial Committee des House of Lords239 als oberstes Gericht des Vereinigten Königreiches abgelöst hat.240 dessen Zuständigkeit: Denn im Gegensatz zu den Sitzungen der königlichen Gerichte – Court of Common Pleas, Court of Queen’s Bench und Court of Exchequer – war die Abhaltung von Sitzungen des HoL in Westminster nicht zwingend; siehe Dicey/Rait, Thoughts on the Union between England and Scotland, 1920, S. 192; Stechern, Das Recht in den Romanen von Sir Walter Scott, 2002, S. 83. Das HoL war ja anders als die ordentlichen Gerichte nicht durch die Bestimmungen der Magna Carta verpflichtet, »in some certain place« zu sitzen (siehe oben, bei Fn. 161). Da auch das damalige schottische Parlament über eine eigene Rechtsprechungskompetenz verfügte, wurde geschlossen, dass mit der Verschmelzung der beiden Parlamente durch Art. III der jeweiligen Einigungsgesetze von 1707 dessen Rechtsprechungsbefugnis auf das englische Parlament übergegangen sei. Allerdings hatte auch das schottische Parlament keine Rechtsprechungsbefugnisse in strafrechtlichen Fällen gehabt – folgerichtig konnte eine solche Zuständigkeit auch nicht auf das HoL übergehen; siehe zum Ganzen Strauch, House of Lords, 2003, S. 86 m.w.N. 238 Siehe zum Ganzen Strauch, House of Lords, 2003, S. 79 f. m. w. N. 239 Nach Beendigung der Militärdiktatur Cromwells (in dieser Zeit war das Oberhaus kurzzeitig abgeschafft) und der Rückkehr König Charles I. 1660 auf den Thron wurde in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass sich die Zuständigkeit des HoL auf zweitinstanzliche Streitigkeiten beschränke; siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 46. Die Zuständigkeit als Rechtsmittelinstanz für Strafsachen entstand für das HoL hingegen erst mit dem Criminal Appeal Act 1907 (7 Edw.VII.) c.23; siehe Strauch, House of Lords, 2003, S. 67 f. 240 Der Supreme Court of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland hat am 01. 10. 2009 seine praktische Arbeit in einem eigens dafür umgebauten Gebäude in Westminster, direkt gegenüber den Houses of Parliament aufgenommen. Die Einführung des Supreme Court war neben der grundlegenden Veränderung des Amtes des Lord Chancellor der wohl wichtigste Schritt in der umfassenden Verfassungsreform unter der Regierung Blair ; siehe zum Ganzen Department for Constitutional Affairs, Constitutional Reform: a Supreme Court for the United Kingdom (CP11/03), 2003 sowie aus deutscher Perspektive Sydow, ZaöRV 2004, 65 (66). Neben dem Supreme Court gibt es heute noch ein weiteres Gremium, das nicht mit dem HoL oder dem Supreme Court zu verwechseln ist, nämlich das Judicial Committee of the Privy Council. Dieses Gremium ist mit dem Richterkolleg des HoL bzw. des heutigen Supreme Court personenidentisch und geht auch auf die gleichen Wurzeln zurück, ist aber eine andere juristische Person. Es ist heute in erster Linie für die Rechtsmittelverfahren aus einigen ehemaligen Kronkolonien zuständig; siehe hierzu Strauch, House of Lords, 2003, S. 1 Fn. 3.
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Darunter liegen nun für England die zusammenfassend in Senior Courts of England and Wales umbenannten241 Höchstgerichte: Diese umfassen zunächst den CoA, der heute unterteilt ist in eine zivilrechtliche und eine strafrechtliche Abteilung.242 Der CoA ist ein reines Appellationsgericht ohne eigene, originäre Zuständigkeiten. Nächsttiefere Ebene der Senior Courts of England and Wales ist der High Court. Dieser ist für den Verwaltungsrechtsschutz von besonderem Interesse, übt er doch erstinstanzlich die Zuständigkeit für JR-Verfahren aus: a)
Organisation und Zuständigkeiten des High Court
Der High Court setzt sich zusammen243 aus 108 puisne judges, d. h. einfachen Richtern244 und den jeweiligen Präsidenten und Vizepräsidenten der einzelnen Abteilungen des High Court. Diese Abteilungen245 sind die Queen’s Bench Division246 (mit ihren drei Unterabteilungen, dem Admirality- und dem Commercial Court247 sowie dem sogleich noch näher dargestellten Administrative
241 S.1 Senior Courts Act 1981 c.54. In älterer Literatur ist allerdings statt vom »Senior Courts Act« noch vom »Supreme Court Act« die Rede; erst durch sch.11(4) para. 1 ff. Constitutional Reform 2005 c.4 wurde der »Supreme Court Act« und die durch ihn geregelten Gerichte in »Senior Courts Act 1981 c.54« bzw. »Senior Courts« umbenannt, um der Schaffung des neuen »Supreme Court of the United Kingdom« Rechnung zu tragen. Diese Veränderungen traten dabei gem. s.148 Constitutional Reform Act 2005 c.4 i. V. m. The Constitutional Reform Act 2005 (Commencement No. 11) Order 2009, SI2009/1604 erst am 01. 10. 2009 in Kraft, gleichzeitig mit der Arbeitsaufnahme des neuen Supreme Court of the United Kingdom. 242 Der Vorsitzende der zivilrechtlichen Abteilung des CoA ist der Master of the Rolls, der Vorsitzende der strafrechtlichen Abteilung ist der Lord Chief Justice, s.3(2) Senior Courts Act 1981 c.54; zu diesem sogleich, bei Fn. 252. 243 S.4 Senior Courts Act 1981 c.54. 244 Der offizielle Titel der puisne judges ist »Justice of the High Court«; siehe insgesamt s.4(2) Senior Courts Act 1981 c.54. Die Zahl der Justices of the High Court ist gegenwärtig durch s.4(1)(e) Senior Courts Act 1981 c.54 begrenzt, kann aber durch »Order in Council« mit Zustimmung des Parlaments geändert werden. Die Bezeichnung als »puisne judge« meint dabei letztlich nur, dass diese keines der in s.4(1)(a)-(ddd) Senior Courts Act 1981 c.54 genannten Ämter inne haben. Siehe Law/Martin, in: Law/Martin (ed.), A Dictionary of Law, 2009, Stichwort: »puisne judge«. 245 Die Unterteilung ergibt sich aus s.5 Senior Courts Act 1981 c.54. 246 Dieser wird dadurch eine besonders hervorgehobene Stellung verliehen, dass der Lord Chief Justice – neben dem President of the Queen’s Bench und dem Vice-President of the Queen’s Bench – Mitglied dieser Kammer ist; zu dessen besonderem Amt sogleich, bei Fn. 252. 247 S.6(1)(b) Senior Courts Act 1981 c.54. Der Admirality Court setzt sich vornehmlich mit privat- bzw. handelsrechtlichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Seefahrt auseinander ; der Commercial Court befasst sich in erster Linie mit handelsrechtlichen Fragen; siehe zu diesem Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.4.3.3. Keine dieser
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Court248), die Chancery Division249 (welche als weitere Unterabteilung ein Patentgericht hat)250 und die hier nicht weiter relevante Family Division.251 Außerdem ist Mitglied des High Court auch der Lord Chief Justice – traditionell war dessen Amt das zweithöchste richterliche Amt in England nach dem des Lord Chancellor ; er war Vorsitzender der Queen’s Bench Division.252 Aufgrund gravierender Veränderungen der Stellung des Lord Chancellor bekleidet nunmehr der Lord Chief Justice das höchste richterliche Amt im englischen Justizwesen.253 Er nimmt heute eine Vielzahl von Aufgaben im Zusammenhang mit der Organisation und Repräsentation der Richterschaft wahr, die zuvor dem Lord Chancellor oblagen;254 ferner ist er letztverantwortlich für die Zuweisung von Aufgaben an die Richter.255 Zugleich nimmt er auch an – meist besonders komplexen – Verfahren des High Court aktiv als Richter teil, genauso wie an Verfahren des CoA, dessen ex officio-Mitglied er außerdem ist. Wie sogleich noch gezeigt wird, wurde ein diesem Posten weitgehend entsprechendes Amt mittlerweile auch für die tribunals eingeführt.256 Innerhalb des High Court obliegt es dem Lord Chief Justice, die anderen High
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Abteilungen ist dabei ein eigenständiges Gericht, es handelt sich vielmehr um eine Anzahl von Richtern, die auf die jeweiligen Sachbereiche spezialisiert sind. Zu diesem siehe sogleich, II.A.3.a)(3), S. 92. Die Chancery Division ist Nachfolger des Court of Chancery. Vorsitzender ist heute der Chancellor of the High Court (und nicht etwa der Lord Chancellor); siehe s.5(1)(a) Senior Courts Act 1981c.54. Den »Patents Court«; siehe s.6(1)(a) Senior Courts Act 1981c.54. Siehe zu dieser Kammer insgesamt Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.4.5. Siehe Law/Martin, in: Law/Martin (ed.), A Dictionary of Law, 2009, Stichwort: »Lord Chief Justice«. Das Amt des Lord Chief Justice lässt sich bis ins 13. Jhd. zurückverfolgen (siehe schon oben, bei Fn. 154). Durch die jüngsten Reformen aufgrund des Constitutional Reform Act 2005 c.4 allerdings (siehe hierzu im Einzelnen unten, bei Fn. 1771) sind die richterlichen Aufgaben des Lord Chancellor auf den Lord Chief Justice übergegangen. Anders als der Lord Chancellor ist der Lord Chief Justice kein politischer Beamter, sondern vollständig unabhängiger Richter, er behält sein Amt also auch nach einem Regierungswechsel. Der Lord Chief Justice wird heute regelmäßig aus den Reihen der Richter des CoA oder sogar denen des Supreme Court ernannt, entsprechend ist die Rückbindung dieses Postens an den High Court nicht mehr so stark wie früher einmal; siehe zum Ganzen Law/Martin, in: Law/Martin (ed.), A Dictionary of Law, 2009, Stichwort: »Lord Chief Justice«. Der Lord Chief Justice ist heute Vorsteher der gesamten Richterschaft für England und Wales und ist dafür verantwortlich, die Ansichten der Richterschaft gegenüber Parlament und Regierung zu repräsentieren. Ferner obliegt ihm die Aufrechterhaltung einer angemessenen (Gesundheits- und Alters-) Versorgung der Richterschaft im Rahmen der Ressourcen, die das Parlament hierfür zur Verfügung stellt; siehe s.7 Constitutional Reform Act 2005 c.4. Dem Lord Chief Justice obliegt damit die »maintenance of appropriate arrangements for the deployment of the judiciary of England and Wales and the allocation of work within courts.«; siehe s.7(2)(c) Constitutional Reform Act 2005 c.4. Siehe hierzu unten, bei Fn. 1099.
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Court Richter in Abstimmung mit dem Lord Chancellor den einzelnen Abteilungen zuzuweisen;257 außerdem können bei gesteigertem Arbeitsanfall noch weitere Personen als Richter des High Court eingesetzt werden.258 Einige wenige Zuständigkeiten der einzelnen Abteilungen des High Court sind bereits durch ausdrückliche, gesetzliche Zuweisungen verteilt;259 diese Verteilung stellt aber keine abschließende oder auch nur repräsentative Liste dar – maßgeblich für die Zuständigkeit ist letztlich deren Verteilung zwischen jenen Einzelgerichten, in deren Fußstapfen der High Court und seine jeweiligen Abteilungen getreten sind.260 Da aber auch deren Zuständigkeit niemals abschließend festgelegt wurde, sondern sich ihr Tätigkeitsfeld als das Produkt der Entwicklungen über Jahrhunderte darstellt, ist die Zuständigkeit des High Court heute insgesamt grds. unbeschränkt261 und ihre Verteilung auf die einzelnen Kammern nur bedingt vorgegeben. Entsprechend haben – sofern nicht ausdrücklich gesetzlich anders angeordnet – letztlich alle Richter des High Court die gleichen Kompetenzen und Zuständigkeiten.262 Dennoch nimmt insb. die Queen’s Bench Division eine gewisse Sonderstellung ein: (1) Die Queen’s Bench Division Die Queen’s Bench Division ist als direkte Nachfolgerin des Court of the Queen’s Bench, des Court of Exchequer und Court of Common Pleas anzusehen und hat 257 High Court-Richter können durch den Lord Chief Justice in Abstimmung mit dem Lord Chancellor sowie dem Einverständnis des betreffenden Richters und des Präsidenten der Abteilung, in die der Richter zugewiesen werden soll, zwischen den einzelnen Abteilungen jederzeit versetzt werden. Wie noch gezeigt wird, ist dies ein System, das nun auch die durch den TCEA 2007 c.15 reformierten tribunals angewanden; siehe unten, VI.C.1., S. 351. 258 Es können sowohl Richter, die sonst in höheren als auch niederen Instanzen tätig sind, hinzugezogen werden: Aktive und ehemalige Richter des CoA und pensionierte puisne judges, circuit judges (zu diesen siehe auch unten, bei Fn. 1717), und Recorders (siehe zu diesen auch unten, bei Fn. 1719) können als Richter des High Court tätig werden, wenn der Lord Chief Justice diese anfordert; siehe s.9(4) und (5) Senior Courts Act 1981 c.54. Solche Anfragen sind aber sehr selten; siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.4.1. 259 Die Zuständigkeit der einzelnen Abteilungen des High Court – soweit sie ausdrücklich geregelt sind – ergeben sich aus sch.1 Senior Courts Act 1981 c.54 sowie in Details aus den allgemeinen Zivilverfahrensregeln der Civil Procedure Rules, SI1998/3132 (im Folgenden: »CPR«) und den unter diesen ergangenen practice directions. 260 Die in sch.1 Senior Courts Act 1981 c.54 aufgezählten Zuständigkeiten – insb. die der Queen’s Bench Division – sind nicht abschließend und geben das tatsächliche Tätigkeitsfeld dieser Abteilung nur unzureichend wieder ; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 10, 4th ed. 2002, para. 613 Fn. 1. 261 Siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.4.1. 262 S.4(6) Senior Courts Act 1981 c.54. Sollte ein Verfahren vor einer eigentlich nicht zuständigen division eingeleitet worden sein, kann der betreffende Richter es an die zuständige Kammer verweisen – oder den Streit gleich selbst entscheiden; siehe Midland Bank Ltd v. Stamps [1978] WLR 635 per Donaldson MR.
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demnach auch deren Zuständigkeiten und Kompetenzen übernommen; entsprechend ist sie insb. für jene Streitigkeiten zuständig, die zuvor als coram rege vor dem Court of the Queen’s Bench gehört wurden, und hat damit zugleich die Zuständigkeit zur Überwachung anderer Spruchkörper und tribunals.263 In der Praxis wichtiger und vor allem zahlreicher als diese Aufgaben sind allerdings heute jene common law-Zuständigkeiten, welche die Queen’s Bench Division vom Court of Common Pleas übernommen hat; sie ist damit hauptsächlich ein Zivilgericht und hört vor allem Klagen wegen Vertragsbruchs oder deliktsrechtlicher Ansprüche (tort).264 Für den Verwaltungsrechtsschutz von Bedeutung ist außerdem die Chancery Division, die mit einigen ihrer Zuständigkeiten administrative justice ausübt: Zwar ist sie – als Nachfolgerin des Court of Chancery265 – heute originär vor allem zuständig für Fälle, die dem Rechtsbereich der equity zugerechnet werden, was vor allem privat-266 und gesellschaftsrechtliche Fragen267 sowie Fragen des Patent- und Markenschutzrechts268 umfasst.269 Daneben waren der Chancery Division aber auch ausdrücklich einige Kompetenzen zur Überprüfung von Entscheidungen von tribunals auf dem Gebiet des Steuerrechts übertragen, auf die an anderer Stelle zurückzukommen sein wird.270 263 Die drei divisions, die zunächst die drei Einzelgerichte nachbildeten, wurden 1880 in die Queen’s Bench Division überführt; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 10, 4th ed. 2002, para. 603 sowie oben, bei Fn. 225. 264 Siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.4.3.2. 265 Der Lord Chancellor war bis zu den Reformen des Constitutional Reform Act 2005 c.4 nominell der Vorsitzende der Chancery Division des High Court – rein praktisch nahm diese Funktion allerdings stets der Vizepräsident der Chancery Division ein; siehe zum Ganzen Halsbury’s Laws of England, Bd. 10, 4th ed. 2002, para. 603 sowie auch unten, Fn. 1771. 266 In ihr Aufgabenfeld fallen Fragen des Grundstücks- bzw. Immobiliarsachenrechts (sch.1 para.1(a), (b) und (j) Senior Courts Act 1981 c.54; davon umfasst sind auch Streitigkeiten über Immobiliarsachenrechte sowie die Übertragung, Teilung oder Belastung von Grundstücken sowie die Ernennung eines Betreuers für die Verwaltung des Grundstücks eines Minderjährigen), Fragen im Zusammenhang mit trusts (sch.1 para.1(c) Senior Courts Act 1981 c.54; siehe zu diesen bereits oben, Fn. 178. Hierunter fallen auch Streitigkeiten über nichtgewinnorientierte Einrichtungen (»charities«); siehe auch unten V.B.5.d)(1), S. 275), Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung letztwilliger Verfügungen (siehe sch.1 para.1(d) und (h) Senior Courts Act 1981 c.54); dies umfasst erbrechtliche Streitigkeiten, sofern es dabei etwa um die Auslegung eines Testaments geht (»other than non-contentious probate«) und anderer Urkunden). 267 Sch.1 para.1 a.E. und 1(f) Senior Courts Act 1981 c.54. 268 Sch.1 para.1(i) Senior Courts Act 1981 c.54. 269 Außerdem ist diese Kammer für Fragen des Insolvenzrechts zuständig; siehe sch.1 para 1(e) Senior Courts Act 1981 c.54. 270 Dazu siehe im Einzelnen unten, V.C.3., S. 306. Dass diese Zuständigkeit nicht etwa in der Queen’s Bench Division verortet wurde, verwundert etwas, ist diese doch eigentlich Nachfolger des Court of Exchequer, der ursprünglich mit Steuersachen befasst war.
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(2) Örtliche Organisation und Zusammensetzung Der zentrale Sitz aller Gerichte, die die Senior Courts bilden, ist London.271 Allerdings kann der High Court überall in ganz England und Wales Sitzungen abhalten.272 Bis 2005 geschah dies grds. nach wie vor in dem System der circuits, in denen zuvor die Reiserichter der assizes tätig waren; seit 2005 sind England und Wales anstatt in circuits in regions eingeteilt, für die jeweils Verwaltungseinheiten errichtet wurden, innerhalb derer die Richter nun ihre Zuständigkeit ausüben.273 Der High Court kann sich in Form eines Einzelrichters oder als Kollegialorgan konstitutieren. Wo der High Court als Kollegialorgan zusammentritt, ist vom Divisional Court die Rede,274 der regelmäßig aus Richtern der Queen’s Bench Division besteht, aber auch mit Richtern der anderen Abteilungen bestückt werden kann.275 Diese Konstellation wird zumindest traditionell für Verfahren des JR angewandt,276 mittlerweile werden aber de facto viele JR-Verfahren von einem Einzelrichter durchgeführt.277 (3) Der Administrative Court Wie oben gezeigt, hat die Queen’s Bench Division vom Court of the Queen’s Bench die Zuständigkeiten für coram rege-Verfahren übernommen. Innerhalb der Queen’s Bench Division bildete sich für diese Verfahren eine besondere Abteilung, die Crown Office List heraus. Effektiv handelte es sich dabei aber lediglich um eine Liste mit Namen von Richtern, denen eigenes, administratives Personal zugeordnet war.278 Dieses rein administrative Arrangement wurde dann 2000 in 271 Genauer gesagt in den nach s.222 Courts of Justice Building Act 1865 (28& 29 Vict.) c.48 (mittlerweile aufgehoben) und dem Courts of Justice Concentration (Site) Act 1865 (28& 29 Vict.) c.49 offiziell als »The Royal Courts of Justice« bezeichneten Gebäude im Herzen Londons; siehe s.71(1)(a) Senior Courts Act 1981 c.54; siehe auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 10, 4th ed. 2002, para. 601. 272 S.71(1) Senior Courts Act 1981 c.54. Der High Court hat dabei keine eigenen, gesonderten Gebäude, vielmehr teilt er sich die Gebäude mit anderen, regionalen Gerichten. 273 Siehe Department for Constitutional Affairs, Annual Report – Judicial Statistics, 2005, S. 1 ff. sowie die Übersichtskarte auf S. 4. 274 Siehe s.66(1) und (3) Senior Courts Act 1981 c.54. 275 S.66(4) Senior Courts Act 1981 c.54. Ein solcher Divisional Court muss aus mindestens zwei Richtern bestehen, von denen der jeweils ranghöchste den Vorsitz hat; s.66(5) Senior Courts Act 1981 c.54. In aller Regel besteht ein Divisional Court für Verfahren der Queen’s Bench Division aus drei Richtern; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 10, 4th ed. 2002, para. 605 Fn. 3 sowie Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.4.3.5. 276 Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.4.3.5. 277 Siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 003. 278 Die auf der Crown Office List aufgeführten Richter hörten die meiste Zeit zivilrechtliche Streitigkeiten; siehe Oliver, Public-Private Divides in English Law, in: Ruffert (Hrsg.), The Public-Private Divide: Potential for Transformation? 2009, S. 11.
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Administrative Court umbenannt279 – daher ist der Administrative Court entgegen seinem Namen also kein echtes »Verwaltungsgericht«.280 Man muss ihn vielmehr als eine Art »Personalpool« von Richtern begreifen, die sich auf öffentlich-rechtliche Fragestellungen spezialisiert haben, aber ansonsten wie die anderen Richter der Queen’s Bench Division auch zivilrechtliche Verfahren hören können.281 Seit 2009 findet sich für den Administrative Court für JRVerfahren, die zuvor nur in London verhandelt wurden, eine gesonderte Regelung, nach der die gängigsten Typen von Verfahren nun auch in vier district registries außerhalb Londons gehört werden können.282 Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass der Administrative Court nicht nur zuständig ist für die Durchführung von JR-Verfahren, sondern auch für eine Palette von anderen Fällen, wie etwa von Verfahren wegen eines contempt of court,283 sowie für verschiedene, gesetzlich geregelte Klagemöglichkeiten.284 Außerdem kann aus Richtern des Administrative Court auch ein Election Court formiert werden, ein ad hoc einberufener Spruchkörper, der mit der Überprüfung von Parlaments- oder Gemeinderatswahlen betraut werden kann.285 Obwohl dieses Gremium nur aus High Court-Richtern zusammengesetzt ist, und als court bezeichnet wird, wird es zugleich als tribunal eingeordnet – und untersteht deshalb auch der Aufsicht des Administrative Court im Wege des JR, was verdeutlicht, wie fließend die Grenzen zwischen Gerichten und tribunals sein können.286
279 Dies geschah durch eine practice direction des Lord Chief Justice vom 19. 06. 2000; Practice Direction (QBD: Admin Ct: Establishment) [2000] 1 WLR 1654; siehe auch Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.4.3.5). 280 Vgl. Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 28. 281 Auch Richter der anderen Abteilungen des High Court, etwa der Chancery Division und der Family Division sitzen regelmäßig als Richter des »Administrative Court«; siehe die Informationen über die möglichen Zusammensetzungen des Administrative Court auf der Internetpräsenz des High Court, abrufbar hier: http://www.justice.gov.uk/guidance/ courts-and-tribunals/courts/administrative-court/judges-nominated-to-deal-with-theadmin.court-list.htm, besucht am: 30. 09. 2011. 282 Siehe Pt. 54D Practice Direction 1 zu Teil 54D CPR (zu den CPR auch unten, Fn. 298 sowie Fn. 1013). Nach dieser Vorschrift können Anträge zur Einleitung eines JR-Verfahren nun in Birmingham, Cardiff, Leeds, Manchester oder eben London eingereicht werden. Zuvor war die Einleitung von JR-Verfahren faktisch nur in London möglich, was die Befürchtung eines ungleichen Zugangs zur Justiz in anderen Regionen weckte, der durch Schaffung der district registries begegnet werden sollte; siehe zum Ganzen auch Nason, PL 2009, Jul., 440 (440 ff.). 283 Dazu siehe unten, VIII.A.1., S. 478. 284 Siehe zu den weiteren Zuständigkeiten des Administrative Court Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 003 Fn. 16. 285 Siehe zu diesem election court s.123 Representation of the People Act 1983 c.2. 286 Siehe die Entscheidung R. (on the application of Woolas) v. Parliamentary Election Court [2010] EWHC 3169 (Admin), para. 33 per Thomas LJ.
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Ordentliche Gerichte unterhalb des High Court
Die ordentliche Gerichtsbarkeit besteht allerdings nicht nur aus den eben geschilderten Obergerichten: Ebenfalls Bestandteil der Senior Courts ist seit 1971 der Crown Court, ein hauptsächlich erstinstanzliches Strafgericht, welches die regelmäßigen assizes sowie die quarter sessions287 ablöste288 und das überall in England und Wales tagen kann.289 Unmittelbar unter den Senior Courts rangieren heute county courts als Zivilgerichte290 und die Magistrates’ Courts291 als heutige Organisationsform der Friedensrichter, denen vor allem strafrechtliche, aber auch zivilrechtliche292 Aufgaben obliegen. Außerdem nehmen sie noch immer einige wenige Verwaltungsaufgaben wahr.293 Einige ihrer Zuständigkeiten hängen dabei eng mit solchen Fragestellungen zusammen, über die tribunals entscheiden.294
287 Zu diesen siehe schon oben, bei Fn. 206. 288 Siehe s.1(1) Senior Courts Act 1981 c.54. Bis zu ihrer Ersetzung durch den Crown Court aufgrund des Courts Act 1971 c.23 hielten die assizes (dazu siehe oben, II.A.2.a), S. 72) drei oder viermal im Jahr in den gleichen circuits Sitzungen ab. Die während der Industriellen Revolution entstandenen großen Ballungszentren wurden jedoch durch diese nicht adäquat wiedergegeben, und die Richter verbrachten zuviel ihrer Zeit damit, von einem circuit zum nächsten zu reisen. 289 Der Crown Court ist damit kein lokales Gericht, vielmehr tagt er in der Praxis nur in jeweiligen lokalen court centres. Für London gilt eine Sonderregel, hier tagt der Crown Court unter dem Titel »Central Criminal Court«; siehe s.8(3) Senior Courts Act 1981 c.54 i. V. m. s.4(7) Courts Act 1971 c.23. Dieses Gericht ist auch bekannt als »Old Bailey«; siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.5.3. 290 County courts sind heute ausschließlich in Zivilsachen als Eingangsinstanz für Klagen mit geringerem Streitwert tätig und mit Juristen besetzt; siehe Bernstorf, Einführung in das Englische Recht, 3. Aufl. 2006, S. 19 sowie allgemein hierzu Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.6.1. Zu ihrer Entstehung siehe auch unten, III.B.1.e)(2), S. 185. 291 Die Magistrates’ Courts haben funktionell die petty sessions abgelöst (zu diesen siehe bereits oben, Fn. 206). Sie bestehen auf lokaler Ebene sowohl nach wie vor als Kollegialorgane von Laien (»lay magistrates«), umfassen mittlerweile aber auch aus sog. »District Judges (Magistrates’ Courts)« (vormals »stipendiary magistrates«), professionelle Juristen, die als Einzelrichter die gleichen Kompetenzen haben wie ein Spruchkörper von lay magistrates; siehe zur Ernennung, Zuständigkeit, Organisation und Arbeitsweise von Friedensrichtern Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.7.1ff. 292 Magistrates sind auch für bestimmte familienrechtliche Angelegenheiten zuständig, etwa nach dem Domestic Proceedings and Magistrates’ Courts Act 1978 c.22, dem Children Act 1989 c.41 und dem Family Law Act 1996 c.27; siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.7.6.3; Bernstorf, Einführung in das Englische Recht, 3. Aufl. 2006, S. 20 sowie Halsbury’s Laws of England, Bd. 29(2), 4th ed. 2002, para. 539 m.w.N. 293 Die wichtigsten sind die Vergabe von Lizenzen zum Ausschank von Alkohol und zur Durchführung von Glücksspiel; siehe hierzu Halsbury’s Laws of England, Bd. 29(2), 4th ed. 2002, para. 535 m.w.N. 294 So können Magistrates’ Courts etwa im Bereich des Unterbringungsrechts (dazu siehe unten, Fn. 1269) oder im Bereich des Kindesunterhalts (siehe unten, bei Fn. 1196) für bestimmte Fragen zuständig sein.
Verwaltungsrechtsschutz durch die Gerichte
B.
95
Verwaltungsrechtsschutz durch die Gerichte: prerogative remedies, ordinary remedies und Entwicklung des judicial review (JR)
Gerade bei der Betrachtung des Verfahrens des JR295 kommt man um eine Beschäftigung mit dessen Geschichte nicht umhin: Nicht nur, weil eine umfassende Kodifizierung der zugrunde liegenden Prinzipien nie erfolgt ist,296 sondern vielmehr auch, weil der Gesetzgeber selbst den Rückgriff auf die von der Rechtsprechung über Jahrhunderte entwickelten Prinzipien angeordnet hat.297 Das heutige Verfahren des JR ist gerichtet auf die Erlangung von Rechtsbehelfen, die bis 1977 eigenständig nebeneinander standen.298 Jeder dieser Rechtsbehelfe musste zuvor gesondert vom Kläger beantragt werden und un295 Obwohl es sich beim JR um ein Verfahren zur Gewährung bestimmter Rechtsbehelfe handelt, wird in der Praxis die Bezeichnung »judicial review« oft synonym für den angestrebten Rechtsbehelf gebraucht; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 534. Im Anschluss an Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 001 Fn. 2 ist mit »judicial review« im Folgenden aber stets nur das Verfahren gemeint, mittels dessen die unten beschriebenen Rechtsbehelfe angestrebt werden können, nicht aber die Rechtsbehelfe selbst. 296 Die heute vorliegende Kodifizierung in s.31 Senior Courts Act 1981 c.54 und den hierzu ergangenen CPR ist nur punktuell; siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 132. 297 Siehe s.29(1) des Senior Courts Act 1981 c.54, der für die Begründung der Zuständigkeit des High Court zur Durchführung von JR-Verfahren vorschreibt: »The High Court shall have jurisdiction to make orders of mandamus, prohibition and certiorari in those classes of cases in which it had power to do so immediately before the commencement of this Act.« Damit ist diese Rechtsprechungskompetenz »directly linked to that of the court of King’s Bench in the 17th century and earlier.«; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 003. Dieser Rückgriff auf die Geschichte hat dabei auch durchaus praktische Relevanz: »The medieval origins of the prerogative writs; the various constitutional and jurisdictional struggles of the seventeenth century ; the adaptation of the early writs to changing circumstances by, in particular, famous eighteenth century jurists like Holt, Blackstone and Mansfield – all these aspects are part of the chequered history of judicial review and remain of interest, and even of some practical relevance, today.«; siehe Supperstone/Goudie/Walker, Judicial Review, 3rd ed. 2005, para. 2.1.3. 298 Das Verfahren des JR als überwölbende Struktur für die verschiedenen Rechtsbehelfe ist 1977 durch eine Modifikation untergesetzlicher Verfahrensregeln eingeführt worden, nämlich durch Order 53 der »Rules of the Supreme Court« (im Folgenden: RSC); siehe Sydow/Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 86 Fn. 8. Voraus ging dem 1976 eine Empfehlung der Law Commission (einer ständigen Kommission zur Überwachung und Verbesserung des Rechts); siehe Law Commission, Report on Remedies in Administrative Law, 1967 S. 3 ff. sowie Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 135. Durch den Senior Courts Act 1981 c.54 wurden die bereits bestehenden Regeln dann gewissermaßen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Die RSC wurden dann 2000 nach einer umfassenden Untersuchung der Zivilverfahrensregeln insgesamt (dazu siehe auch unten, Fn. 1013) durch die CPR weitgehend abgelöst, einige Teile der RSC sind aber noch in Kraft (siehe unten, Fn. 317).
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Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung
terlag einem jeweils eigenen Verfahren mit eigenen, verfahrensrechtlichen Besonderheiten.299 Heute stellen die Regelungen zum JR für die Gewährung all dieser Rechtsbehelfe ein überwölbendes Verfahren zur Verfügung, so dass mit einem claim for judicial review300 unter einheitlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen alle Rechtsbehelfe erlangt werden können.301 Dabei können die Rechtsbehelfe in die Gruppe der ordinary remedies und der prerogative remedies eingeteilt werden:302 Erstere kennzeichnet, dass sie grds. auch gegenüber Privatpersonen geltend gemacht werden können, wohingegen man letztere als spezifisch öffentlich-rechtlich bezeichnen kann.303
1.
Das System der writs
Diese remedies gehen historisch auf ein mittelalterliches System besonderer writs zurück. Writs waren ursprünglich schriftliche Anordnungen des Königs in Kurzfassung, versehen mit dem königlichen Siegel, mittels dessen der Monarch verschiedenste Befehle erlassen konnte.304 Vor allem aber konnte mit ihrer Hilfe die königliche Justiz gegenüber den lokalen Gerichten ins Spiel gebracht werden, 299 Bis zur Einführung des JR durch die RSC 1977 musste der Kläger sich schon bei Erhebung der Klage auf einen Rechtsbehelf und ein sog. »special prerogative procedure« (Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 102) festlegen, was mit schwierigen Abgrenzungsproblemen und einem enormen Risiko der falschen Wahl des Rechtsmittels – und damit des Prozessverlustes – verbunden war. Zu den damit verbundenen Problemen siehe Street, Justice in the Welfare State, 2nd ed. 1975, S. 66. Auch danach bestanden zunächst noch erhebliche Rechtsunsicherheiten (siehe dazu Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 598 ff.) die erst durch weitere Verfahrensreformen und die Rechtsprechung aufgelöst werden konnten; zu den späteren Prozessrechtsreformen siehe Fordham, PL 2001, Spr., 4 (4 ff.); Sunkin/Cornford, PL 2001, Spr., 11 (11 ff.); Sydow/Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtschutz, 2007, S. 87 sowie unten, Fn. 1013. Heute muss der Kläger nur noch den Antrag auf JR stellen und das Gericht entscheidet, welchen Rechtsbehelf es gewährt – durch die Einführung des JR sind die alten Rechtsbehelfe also nicht ersetzt worden, vielmehr besteht nun ein neuer Zugangsmechanismus zu ihnen; siehe Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 135. 300 Siehe 54.2 CPR sowie Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 133. 301 Im Wege des JR können also heute alle öffentlich-rechtlichen Rechtsbehelfe in einem einzigen Antrag unter gleichen Anforderungen geltend gemacht werden; siehe zum Ganzen auch Jones/Thompson, Garner’s Administrative Law, 8th ed. 1996, S. 282ff; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 133. 302 Sydow/Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 87 Fn. 9. Bei Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 130 ist statt von »ordinary remedies« von »private law remedies« die Rede. 303 Sydow/Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 86; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 133 ff. 304 Caeneghem, Royal Writs in England from the Conquest to Glanville, 1959, S. v.ff.; Woolf/ Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 005.
Verwaltungsrechtsschutz durch die Gerichte
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da Betroffene mittels der writs um Überprüfung von Urteilen und damit Rechtsschutz gegen diese ersuchen konnten.305 Mit verstärkter Anrufung der zentralen königlichen Gerichte bildeten sich im Laufe der Zeit bestimmte Typen von writs für bestimmte klägerische Begehren heraus, so dass die writs mehr und mehr zu starren Formularen zur Einleitung genau determinierter, auf ein jeweils klar festgelegtes Ziel gerichteter Gerichtsverfahren wurden.306 Der Kläger war faktisch darauf angewiesen, dass der writ für sein konkretes Begehren bereits existierte, da sich das gesamte Verfahren nach dem einmal ausgewählten writ richtete.307
305 Kluxen, Englische Verfassungsgeschichte, 1987, S. 215 f. (Glossar); Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 121. War eine Verfahrenseinleitung bei einem der königlichen Gerichte mittels eines bill (siehe dazu oben, Fn. 180) nicht möglich, musste der Kläger beim Lord Chancellor einen writ beschaffen, wollte er ein Verfahren vor einem königlichen Gericht einleiten (siehe schon oben, bei Fn. 173). Die ursprünglichen writs lassen sich dabei in zwei Kategorien einteilen – solche über »rights« (eine in die Zukunft gerichtete Geltendmachung eines Anspruchs oder Rechts) und solche für »wrongs« (die retrospektive Betrachtung und Aburteilung eines Verhaltens). Erstere enthielten – vereinfacht – eine königliche Anordnung an einen Sheriff, die beklagte Person zur Vornahme einer bestimmten Handlung oder Unterlassung zu bringen oder bei Weigerung den Beklagten dem Gericht zuzuführen, damit er dort seine Weigerung erkläre. Da die Vornahme der begehrten Handlung durch den Beklagten die Ausnahme war, verkam das Bestehen dieser Alternative für den Beklagten bald zur reinen Fiktion; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 57 f. Die letztere Art von writs (solche für »wrongs«) enthielten demgegenüber eine direkte Vorladung einer Person, vor dem Gericht aufzutreten und zu erläutern, warum sie eine bestimmte Tat begangen hat; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 60. 306 Bis ins 13. Jhd. hinein bestand eine weitgehende Freiheit des Lord Chancellor und seiner Sekretäre (»clerks«) zur Schaffung neuer writs, sie wurde jedoch durch den Lord Chancellor zunehmend zurückhaltend betrieben, weshalb Kläger zunächst mehr und mehr auf bereits existierende writs verwiesen wurden (siehe zur Rolle des Lord Chancellor bei der Einleitung von Gerichtsverfahren schon oben, Fn. 173). Bis zur Mitte des 13. Jhds. hatte sich so ein Register von writs herausgebildet, auf das die Kläger zunehmend angewiesen waren. Die freie Schaffung neuer writs durch den Lord Chancellor wurde zunehmend als Eingriff in dieses sich entwickelnde System aufgefasst und so wurde in den Provisions of Oxford 1258 festgeschrieben, dass der Lord Chancellor neue writs nur mit Zustimmung des Königlichen Rates erlassen dürfe; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 55 f. 307 Diese große Bedeutung des writ-Systems und seiner Beschränkungen für die Verfahren der zentralen Gerichte führte so lange Zeit zur Dominanz verfahrensrechtlicher, technischer Fragen im common law: »The choice of original writ governed the whole course of litigation from beginning to end, since the procedures and methods of trial available in an action commenced by one kind of writ were not necessarily available in another.« Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 56. Der writ war damit letztlich die Basis des common law; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 56.
98 2.
Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung
Prerogative writs bzw. prerogative remedies
Die jeweiligen writs verselbstständigten sich im Laufe der Zeit und entwickelten sich zugleich von einem Mittel der Exekutive zu einem gerichtlichen Instrument,308 von dem vor allem der Court of the King’s Bench Gebrauch machen konnte.309 Gerade dessen Richter, die die Kompetenz zur Überprüfung von Entscheidungen anderer Gerichte hatten, waren bestrebt, ihren Urteilen große Autorität zu verleihen, um so etwa auch solche Gerichte einer effektiven Kontrolle unterstellen zu können, gegen die andere writs nicht anwendbar waren.310 Spätestens ab Mitte des 18. Jhd. wird für manche der vom Court of the Queen’s Bench genutzten writs daher die Bezeichnung prerogative writs verwendet, um deren Herleitung aus dem allem anderen übergeordneten Recht des Königs kenntlich zu machen.311 Anders als die Rechtsbehelfe des Court of Common Pleas mit seiner zunehmenden Erstarrung312 wurden die prerogative writs vom Court of the King’s Bench stets mit großem Ermessen und so flexibel gehandhabt, dass sie teilweise einer Billigkeitsrechtsprechung ähnlich der equity des Court of Chancery nahekamen.313 Der Court of the King’s Bench entwickelte die prerogative writs 308 »The development of the writ system, therefore, has about it a hint of paradox for modern administrative law: what began as executive commands aimed at avoiding judicial proceedings became in turn the central mechanism for the judicial control of executive action«. Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 007. 309 Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 121 m.w.N. Diese Entwicklung zeigt sich besonders deutlich beim writ of certiorari; siehe unten, II.B.2.b), S. 102f. 310 So ging es vor allem darum, die Cinque Ports (zu diesen siehe unten, Fn. 328) der Aufsicht der königlichen Gerichte zu unterstellen, da die anderen writs in normalen Verfahren zwischen Privaten aufgrund des Sonderstatus der Cinque Ports auf deren Territorium keine Wirksamkeit entfalteten; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 009. 311 Der genaue Zeitpunkt der Entstehung der Bezeichnung »prerogative writ« lässt sich dabei nicht bestimmen: 1759 wurden mehrere der so bezeichneten writs erstmals als besondere Gruppe aufgefasst; siehe R. v. Cowle (1759) 2 Burr. 834 (855 f.) per Mansfield J; Woolf/ Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 008, meinen, die Bezeichnung bestimmter, für den Kläger besonders günstiger writs (etwa den »writ of habeas corpus« – zu diesem siehe unten, Fn. 317) als prerogative writs wurde letztlich schon viel früher von besonders königstreuen Richterpersönlichkeiten eingeführt, die das weite Ermessen, das dem Gericht mit einem solchen writ zustand, mit der besonderen Gnade und Fürsorge des Königs erklärten; ähnlich Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 144, der aus dem weiten Ermessen der Gerichte im Rahmen der prerogative writs schließt, dass es sich eigentlich um eine »equitable jurisdiction« handelte – da diese Rechtsbehelfe aber mit dem Court of King’s Bench von einem common law-Gericht gewährt wurden, erschien es wohl angemessener, dieses weite Ermessen auf das Vorrecht des König zu stützen. 312 Zur Erstarrung der Verfahren vor dem Court of Common Pleas oben, II.A.2.b)(2), S. 78. 313 Die prerogative writs wurden nicht etwa aufgrund eines bestehenden Rechts des Bürgers
Verwaltungsrechtsschutz durch die Gerichte
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zugleich zu einem Mittel, um untergeordnete Instanzen gewissermaßen im Zaum ihrer Zuständigkeiten zu halten: Er schuf so eine Rechtsaufsicht, die zunächst nur die Kontrolle von Verfahrensfehlern beinhaltete, aber schnell auch ausdrücklich ein der kontrollierten Instanz gewährtes Ermessen einschloss.314 Einflussreiche Juristen wie Coke CJ behaupteten so für den Court of the King’s Bench eine Zuständigkeit für die Korrektur von »[…] errors and misdemeanours extrajudicial, tending to the breach of the peace, or oppression to the subjects […] or any other manner of misgovernment.«315 Die Entwicklung dieser writs war dabei allerdings lange Zeit nicht systematisch konsequent, sondern stets eine Reaktion der Gerichte auf neue Herausforderungen316 und vollzog sich letztlich für jeden einzelnen writ gesondert. Für folgende der prerogative writs, die heute noch im JR fortleben, soll die Entwicklung in groben Zügen nachgezeichnet werden:317
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durch das Gericht gewährt, sondern vielmehr nur nach Ermessen: »[The courts had] a great latitude and discretion […] not bound by such strict rules as in cases of private rights«; siehe Lord Montague v. Dudman (1751) 2 Ves. Sen. 396, per Hardwicke LC., wiedergegeben in: Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 144. Auch heute noch steht im Rahmen des JR die letztliche Gewährung eines Rechtsbehelfs durch das Gericht in dessen Ermessen; dazu siehe unten, bei Fn. 421ff. »Although the words of [a commission] give authority to the commissioners to act according to their discretion, their proceedings ought nevertheless to be limited and bound within the rule of reason and law, for discretion is a science […] and they are not to act according to their wills and private affections.« Rooke v. Wither (1598) 5 Co. Rep. 99 (100) per Coke. James Bagge’s Case, R. v. Mayor of Plymouth Ex p. Bagge (1615) 11 Co. Rep. 93b (98) per Coke; Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 144. »It will become apparent […] that the development and application of these remedies in an ever growing variety of public law contexts was the product of many centuries of uncoordinated judicial activity […].«; siehe Supperstone/Goudie/Walker, Judicial Review, 3rd ed. 2005, para. 2.2.3. Nicht alle prerogative writs werden hier dargestellt – so zählte etwa zu dieser Gruppe neben den unten dargestellten im Mittelalter auch noch der »writ of quo warranto« (eine Aufforderung an einen Hoheitsträger, die rechtliche Grundlage für eine Maßnahme nachzuweisen), der aber seit dem 17. Jhd. weitgehend funktionslos ist und seit 1938 abgeschafft wurde; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 145. Heute noch kann– wenngleich wohl nicht im öffentlich-rechtlichen Kontext – grds. der »writ of ne exeat regno« genutzt werden, mit dem ein privater Kläger verhindern kann, dass sein privater Schuldner das Land verlässt (siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 501). Ebenfalls als prerogative writ einzuordnen ist der writ of habeas corpus, der auch heute noch besteht. Mit diesem writ kann eine unrechtmäßige Inhaftierung oder anderweitige Einschränkung der Bewegungsfreiheit gerichtlich überprüft und kurzfristig beendet werden; geregelt ist dies heute in den alten RSC, von denen gem. sch.1 CPR einzelne Bestimmungen weitergelten. Der writ of habeas corpus wird als Teil der »inherent supervisory jurisdiction« (dazu unten, bei Fn. 519) angesehen; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 17 – 001 ff. zu seiner heutigen Anwendung sowie para. 15 – 044 ff. zur langen Geschichte dieses writs. Habeas corpus ist der wohl bekannteste writ, wenn zugleich auch der, der am seltensten genutzt wird; siehe Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 131. Er ist auch nur von geringer
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Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung
Prohibition bzw. prohibiting order
Die prohibition bzw. prohibiting order, wie sie heute bezeichnet wird, ist ein an ein untergeordnetes Gericht, tribunal oder auch eine Verwaltungsbehörde gerichtetes Verbot, ein bereits laufendes Verfahren fortzuführen.318 Es ist der älteste der prerogative writs, der sich im 13. Jhd. entwickelte, um zu verhindern, dass sich kirchliche Gerichte,319 die nur über spiritual matters320 zu entscheiden hatten, mit Fragen befassten, für welche sich die common law-Gerichte zuständig hielten.321 Die Gewährung dieses Rechtsbehelfs erfolgte ursprünglich durch den König auf Anregung seines Untertanen;322 diese Herleitung aus dem Recht des Königs verlieh ihm besondere Autorität, kam doch dessen Missachtung einer Majestätsbeleidigung gleich.323 Während des 16. und 17. Jhd. erwei-
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Bedeutung für das Verwaltungsrecht, da in den allermeisten Fällen das mit ihm verfolgte Ziel auch im Wege des JR nach 54 CPR erreicht werden kann. Relevanz hat er insoweit nur noch im Bereich des Asylrechts und im Bereich des Unterbringungsrechts (»mental health«; dazu siehe unten, V.B.3.d), S. 261); siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 17 – 010. Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 111. »Ecclesiastical courts« gab es verschiedenste unter den verschiedensten Namen und Bezeichnungen: Vor der Reformation etwa »archdeacons’ courts«, »bishops’ (consistory) courts«, »archiepiscopal courts« sowie als besonderes Gericht für Canterbury den »Court of Arches« und für York den »Chancery Court«, die auch als »prerogative courts« bezeichnet wurden; siehe Traver, in: Hey, Oxford Companion to Local and Family History, 2009, Stichwort: »ecclesiastical courts«. »Spiritual matters« waren von den »temporal matters« zu unterscheiden, für welche die common law-Gerichte zuständig waren; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 112. »Spiritual matters« umfassten etwa Dinge wie Eheangelegenheiten, Erbregelungen und Testamente und die Bestrafung von Todsünden (z. B. Ehebruch und Völlerei), aber auch die Bestrafung von Priestern, für welche die Kirche eine exklusive Zuständigkeit behauptete – und damit zugleich eine Immunität der Priester gegenüber der weltlichen Gerichtsbarkeit. An dieser Frage entzündete sich um 1160 ein Streit zwischen König Heinrich II. und der Kirche, der sich in vielen einzelnen Verfahren äußerte, in denen beschuldigte Kirchenleute versuchten, mittels der prohibition ihrer Bestrafung durch die kirchlichen Gerichte zu entgehen; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 128 f. Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 144. Die zum Teil schwierigen Abgrenzungsfragen zwischen weltlichem und kirchlichem Recht wurden damit letztendlich stets von den weltlichen Gerichten entschieden, so dass die King’s Bench mit der Zeit einen Vorrang vor den kirchlichen Gerichten gewann und sich das common law gegenüber dem kirchlichen Recht durchsetzte; siehe Warner v. Barret 124 E.R. 364; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 112. Das jeweilige Verfahren wurde »ad coronam et dignitatem meam pertinent« geführt und damit direkt auf die Rechte der Krone gestützt; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 017. Siehe etwa die Entscheidung Warner v. Suckerman (1615) 3 Bulst. 119 per Crocke J, in der es um die Frage der Anwendbarkeit der prohibition gegenüber den Gerichten des County Palatine of Lancaster ging und in der es heißt: »It [the writ of prohibition] is breve regium and jus coronae, and if this writ shall be denied in such cases, this would be in laesionem, exhereditationem, et derogationem coronae.«; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 017. Die Möglichkeit zum Erlass einer prohibition
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terte sich der Anwendungsbereich dieses Rechtsbehelfes auch auf alle möglichen anderen Gerichte324, wie etwa die palatine courts,325 den Court of Admirality,326 den Court of Chivalry,327 die Gerichte der Cinque Ports328 oder die eigenen Gerichte der Universitäten.329 Dabei wurde der Ursprung dieses Rechtsbehelfs in dem königlichen Prärogativrecht von den Gerichten betont – dass durch seine Gewährung letztlich die privaten Rechte des eigentlichen Klägers geschützt würden, war eigentlich nur ein Nebeneffekt, vorrangig diente die prohibition der Abwehr von Eingriffen in die königliche Ordnung.330
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hatten nur die Richter des Court of King’s Bench und des Court of Common Pleas; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 144 f. Coke CJ behauptete gar, dass die prohibition sogar gegen den Court of Chancery anwendbar wäre, was sich aber wohl nicht durchsetzen konnte; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 144. Deren Gerichte waren von den zentralen königlichen Gerichten insoweit unabhängig, als dass sie grds. nicht an deren writs gebunden waren – mit Ausnahme eben der prohibition; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 010; zu den counties palatine siehe schon oben, Fn. 140. Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 144; zum Admirality Court siehe oben, Fn. 247. Der »Court of Chivalry« ist ein Gericht, welches durch James I. eingesetzt wurde, um Streitigkeiten über Ehrverletzungen und Verleumdungen sowie über Fragen der Heraldik und das Führen von Wappen zu entscheiden. Dieses Gericht besteht noch heute. Siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 010. »Cinque Ports« war die Bezeichnung für eine Gruppe von Städten an der südöstlichen Kanalküste, die aufgrund ihrer besonderen, strategischen Lage seit dem 12. Jhd. von der Krone dazu verpflichtet wurden, dauerhaft einsatzbereite Kriegsschiffe vorzuhalten und dafür im Gegenzug gewisse Handels- und Steuerprivilegien sowie Selbstverwaltungsrechte vom König verliehen bekamen; siehe Palliser, in: Cannon (ed.), Oxford Companion to British History, 2002, Stichwort: »Cinque Ports«. Obwohl die Cinque Ports anders als die counties palatine keine königlichen Rechte hatten, übten sie doch eine weitgehend eigenständige Rechtsprechung straf- und zivilrechtlicher Natur aus, und jede der Städte besaß ein eigenes Gericht, das einem eigenen, zentralen Gericht unter dem Vorsitz des »Lord Warden«, eines hohen königlichen Würdenträgers, unterstand; siehe zum Ganzen, Baker, The Oxford History of the Laws of England, Bd. VI 2003, S. 318 f. Die Rechtsprechungsmöglichkeiten dieses Gerichts wurden 1855 weitgehend abgeschafft durch s.108 Municipal Corporations Act 1835 (5& 6 Will.IV.) c.76. Dies sind der Court of the Chancellor or Vice-Chancellor of Oxford University und der Cambridge University Chancellor’s Court; siehe s.23(3) Administration of Justice Act 1977 c.38. Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 019. Dass die Gewähr der prohibition nicht allein zum Schutz der Rechte des Klägers geschieht, sondern zum Schutz der Prärogativrechte des Königs, macht die Entscheidung Worthington v. Jeffries (1875) LR 10 CP 379 per Brett J deutlich: »[T]he ground of decision, in considering whether prohibition is or is not to be granted, is not whether the individual suitor has or has not suffered damage, but is whether the royal prerogative has been encroached upon by reason of the prescribed order of the administration of justice having been disobeyed.« Konsequenterweise kann daher die Gewährung dieses Rechtsbehelfs auch durch Personen beantragt werden, die nicht Partei des Verfahrens sind, welches zum Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemacht werden soll. Allerdings finden sich auch Äußerungen, die den
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Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung
Der Anwendungsbereich der prohibition bzw. der heutigen prohibiting order war und ist allerdings im Vergleich zu den anderen Rechtsbehelfen gering331: Da sie nur die Fortsetzung bereits laufender Verfahren verhindert, kann sie nicht gegen eine bereits ergangene Entscheidung angewandt werden; letzteres ist vielmehr Aufgabe der certiorari332 bzw. quashing order. b)
Certiorari bzw. quashing order
Ein weiterer, wichtiger writ war die certiorari. Aus diesem entwickelte sich der heutige Rechtsbehelf der quashing order,333 der seiner Funktion nach der deutschen Anfechtungsklage gleichkommt.334 Dieser writ entstand im Mittelalter aus Anordnungen des Königs, ihn über bestimmte Vorgänge zu informieren,335 und richtete sich als solcher etwa an einen örtlichen sheriff,336 der sodann Nachforschungen anzustellen und deren Ergebnis dem König mitzuteilen hatte.337 Auch die Gerichte nutzten diese certiorari zunächst als allgemeines Mittel zur Information338 und ab ca. 1280 finden sich dann die verschiedensten anderen Ver-
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Schluss zulassen, dass die prohibition ursprünglich nicht nach Ermessen gewährt wurde; siehe etwa: Coke, Second Part of the Institutes of the laws of England, 1797, S. 607: »Yet prohibition there upon are not of favour, but of justice to be granted«; siehe auch Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 113 Fn. 2, der daraus folgert, dass die prohibition in diesem Fall nicht aufgrund richterlichen Ermessens, sondern aufgrund objektiven Rechts gewährt wurde; siehe dazu auch unten, Fn. 414. Nach der intensiven Nutzung der prohibition im 17. Jhd. nahm deren Bedeutung im Vergleich zu anderen prerogative writs ab, weil einerseits seit Abschaffung der Star Chamber 1641 von keinem König mehr der Versuch unternommen wurde, ein neues, besonderes Gericht ohne Zustimmung des Parlaments einzuführen und andererseits sich für die Aufsicht über nichtgerichtliche Exekutivtätigkeiten andere Mechanismen etabliert hatten; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 145. Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 112. Heute ist dies geregelt in r.54.2(c) CPR. Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 103; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 133 ff. m. w. N. Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 005; Supperstone/Goudie/Walker, Judicial Review, 3rd ed. 2005, para. 2.2.6. Der König nutzte den writ also dazu, um sich bestimmter Dinge zu vergewissern bzw. sich versichern zu lassen (»certiorari«); siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 103. Siehe zu diesem schon oben, bei Fn. 207. Derartige königliche Anordnungen finden sich bereits seit 1260 im »Calendar of Inquisitions«, Vol. i, pp. 30, 131, siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 005 Fn. 12. Nach Henderson, Foundations of English Administrative Law, 1963, S. 83 finden sich die ersten, frühen certioraries erst zur Zeit der Thronbesteigung König Eduards I. (1272 – 1307). Darüber hinaus wurde der writ of certiorari aber auch in anderen Zusammenhängen eingesetzt, etwa auch, um bestimmte Feudalpflichten einzufordern (z. B. die Bereitstellung von Soldaten); siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 005. Die certiorari diente den Gerichten zunächst wohl als allgemeines richterliches Ermittlungsinstrument: »It seems that a judge of the central court could call up any matter of
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wendungen von certioraris durch die Gerichte auf Antrag der Parteien.339 Diese frühe certiorari der Gerichte konnte dabei die Form eines anderen, ganz ähnlichen writ – des writ of error340 – annehmen,341 mittels dessen die königlichen Gerichte ein unteres Gericht, das zur Führung von Verfahrensakten verpflichtet war (court of record),342 zur Übersendung dieser Mitschriften auffordern konnten, um diese auf Fehler zu prüfen;343 führte das Gericht keine Verfahrensmitschriften, konnte der writ of error durch den writ of false judgement ergänzt werden, durch den ein Spruchkörper zur Erstellung eines Verfahrens-
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judicial or administrative record which became relevant to a pending legal action.«; siehe Henderson, Foundations of English Administrative Law, 1963, S. 90. Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 014 ff. mit Beispielen für die unterschiedlichen Verwendungen der certiorari in der Zeit vom 14. bis zum 17. Jhd. Mittels des writ of error konnten von einem höheren Gericht die plea rolls eines unteren Gerichts zur Inspektion angefordert werden, die ein Protokoll des Verfahrens enthielten und als absolutes Beweismittel für die Darlegung von Verfahrensfehlern angesehen wurden. Das höhere Gericht konnte sich daher nur mit Fehlern befassen, die sich aus der Akte selbst ergaben (etwa das Fehlen eines wichtigen Verfahrensschritts) oder neuen Fakten, die sich dem Gericht außerhalb der Akte aufdrängten (etwa den Tod einer Verfahrenspartei). Praktisch war die Kontrolldichte dieses Verfahrens damit vor allem auf offensichtliche Verfahrensfehler beschränkt. Erst im 16 Jhd. wurden die plea rolls detaillierter geführt, so dass sich eine tiefergehende Kontrolle durch die Gerichte entwickeln konnte; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 136 f. Zum Verhältnis der certiorari zum writ of error siehe Milsom, Historical Foundations of the Common Law, 2nd ed. 1981, S. 55 ff. Während die certiorari ein originär der königlichen Exekutive zustehender writ war, dessen sich die Gerichte gelegentlich bedienten, entstammt der writ of error originär der Judikative; siehe auch Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 014. Nicht alle Gerichte waren courts of record: Einige lokale Gerichte und manche Feudalgerichte (bezeichnet als »seignoral-«, »seigneurial-« bzw. »manorial courts«; siehe Mulholland, in: Cannon (ed.), Oxford Companion to British History, 2002, Stichwort: »manorial courts«), denen durch königliche Gewährung oder kraft unvordenklicher Verjährung auch einzelne Zuständigkeiten für Fragen des allgemeinen Zivilrechts, etwa Vertrags- und Schadenersatzrecht verliehen wurden, führten keine schriftlichen Verfahrensaufzeichnungen; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 26. Jeder court of record war außerdem der Aufsicht eines anderen Gremiums unterstellt: Akten aus den unteren Gerichten sowie den Gerichten der counties palatine und auch vom Court of Common Pleas wurden vom Court of King’s Bench überprüft. Dieser seinerseits, genau wie der Court of Exchequer, unterstand im Mittelalter der Aufsicht des königlichen Rates bzw. später des HoL; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 137. Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 103; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 014. Writ of error und certiorari hingen offenbar sehr eng miteinander zusammen, wobei letztere ein ergänzendes Hilfsmittel in Verfahren aufgrund ersterem war – bei Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 148, wird etwa geschildert, dass der writ of certiorari für ein höheres Gericht innerhalb eines Verfahrens wegen eines writ of error anwendbar gewesen sei, um bestimmte Tatsachen, die nicht aus der plea roll hervorgingen, durch das zu kontrollierende Gericht bestätigen zu lassen.
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protokolls aufgefordert werden konnte.344 Dies ermöglichte bereits eine erste, rudimentäre Rechtskontrolle justizieller Spruchkörper.345 Im Laufe des 17. Jhds. wurde die certiorari immer wichtiger und erlangte zudem ihre Funktion, eine überprüfte und für fehlerhaft befundene Entscheidung automatisch aufzuheben346. Die Entwicklung gerade der certiorari und deren Nutzung durch die ordentlichen Gerichte in dieser Zeit hängt mit der Rolle der Star Chamber347 bzw. deren Abschaffung zusammen: Das 1640 aufgelöste Sondergericht hinterließ hinsichtlich der Kontrolle der lokalen Gerichte, sowie insb. der Friedensrichter, ein Machtvakuum;348 durch seine Abschaffung waren nationale Zentralgewalt und die örtlichen Verwaltungsinstitutionen auseinandergerissen worden und die effektiven Kontrollmechanismen zwischen beiden Ebenen weggefallen.349 Es war der Court of the King’s Bench, der diese Lücke füllte,350 wozu er sich vor allem der certiorari bediente, um insb. die Verfahrensakten der Friedensrichter zu überprüfen, wobei in diesem Zusammenhang zwischen richterlichen und den administrativen Tätigkeiten der Friedensrichter kaum unterschieden wurde.351 Neben den Friedensrichtern waren außerdem zwischenzeitlich noch andere Spruchkörper durch Gesetze geschaffen worden, die über Zwangsbefugnisse verfügten und welche der Court of the King’s Bench im Wege der certiorari seiner Kontrolle unterwarf352 – wie etwa die Commissioners of Sewers,353 eine frühe Form einer besonderen Verwaltungsinstitution. 344 Mit dem »writ of false judgment« konnten die königlichen Gerichte ad hoc die Erstellung einer Akte über ein bestimmtes Verfahren anordnen, die dann durch das Gericht überprüft wurde; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 137 Fn. 7. 345 Die Rechtskontrolle im Wege des writ of error beschränkte sich auf technische und Verfahrensfragen, da die Akte meist keine rechtlichen Überlegungen des überprüften Spruchkörpers enthielt. Die Einführung eines Instanzenzuges und der inhaltlich viel weitergehenden gesetzlichen appeal-Rechte zwischen den einzelnen Gerichtshöfen im 19. Jhd. machte den writ of error und das ganze damit zusammenhängende Verfahren letztlich obsolet; siehe zum Ganzen Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 138. 346 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 103. 347 Siehe oben, II.A.2.b)(3), S. 79. 348 Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 510. 349 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 21. 350 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 21. 351 Supperstone/Goudie/Walker, Judicial Review, 3rd ed. 2005, para. 2.2.13. 352 Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 149. 353 Commissioners of Sewers – »Sewer« meinte im weitesten Sinne Einrichtungen zum Schutz vor Überflutungen, was sowohl Dämme als auch Entwässerungsgräben umfassen kann – waren Gremien von Laien, die sich im Wesentlichen mit Fragen des Flutschutzes und der Landgewinnung befassten. Sie waren eine der frühesten Ausprägungen eines beginnenden Verwaltungsstaates und hatten bis ins 20. Jhd. Bestand. Zunächst wurden solche Gremien vom König ad hoc einberufen und ihnen umfassende Vollmachten erteilt (»commission«). Mit wachsendem Erfolg dieser Gremien entwickelten sich diese immer mehr zu einer ständigen Einrichtung, für die einzelne gesetzliche Regelungen entwickelt wurden, die dann
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Die certiorari prägte sich so im Verlauf des 17. Jhds. in der Form aus, dass sie jedenfalls gegen alle Institutionen anwendbar war, die durch ein Gesetz geschaffen waren und die ihre Aufgaben in einer den Gerichten ähnlichen Verfahrensweise wahrnahmen,354 denen also eine duty to act judicially oblag.355 Wo eine solche gerichtsähnliche Verfahrensweise nicht vorgeschrieben war, war die certiorari zunächst nicht anwendbar.356 Eingeschränkt wurde die Anwendung der certiorari des Weiteren noch da-
wiederum mit der Statute of Sewers 1531 (23 Henry VIII) c.5 konsolidiert wurden. Auf Grundlage dieses letztgenannten Gesetzes wurden sie dann später zu einer dauerhaften Einrichtung gemacht. Die Kompetenzen dieser Gremien waren »large and undefined«; siehe Bohn, Standard Library Cyclopedia, Bd. 4 1849, Stichwort: »Sewers«, S. 685. Von diesem großen Aufgabenfeld waren sowohl administrative Tätigkeiten als auch Rechtssprechungsaufgaben umfasst: Sie waren dazu berufen, Beschwerden über die von ihnen selbst angeordneten Maßnahmen anzuhören und hierüber zu entscheiden; Woolrych, Law of Sewers, 1830, S. 373. In einem Quorum von 6 Commissioners konnten sie Anordnungen treffen, die im Ergebnis Gerichtsurteilen gleich kamen. Diese duale Aufgabenstellung erschwerte schon den Zeitgenossen die Einordnung dieses Gremiums – im 17. Jhd. setzte sich die Auffassung durch, dass sie einen »court of sewers« darstellten. Eine Darstellung der Argumente für und wider diese Einordnung als »court« erfolgt bei Callis, wiedergegeben in Broderpit, The Reading of the Famous and Learned Robert Callis, 3rd ed. 1824, S. 194 ff. Die ihnen vom Gesetz verliehene Autorität war dabei zeitweilig so groß, dass ihre Entscheidungen lange Zeit auch keiner Kontrolle durch die King’s Bench zugänglich waren – zwischen 1616 und 1643 fand eine Kontrolle von Entscheidungen der commissioners durch die common law-Gerichte faktisch nicht statt; siehe Henderson/Jaffe, LQR 1956, (72), 345 (353 ff., insb. 355). Spätestens 1643 jedoch unterwarf die King’s Bench die commissioners ihrer Kontrolle im Wege der certiorari, was als der erste Anwendungsfall dieses writ und damit zugleich als Beginn der Entwicklung gilt, die sich bis zum heutigen JR fortsetzte; vgl. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 253 Fn. 122, nach der die Unterwerfung der Commissioners of Sewers unter die certiorari durch die King’s Bench mit der Entscheidung Commins v. Massam (1642) 82 ER 473 (1643) March NR 196 geschah; ebenso Henderson/ Jaffe, LQR 1956, (72), 345 (355). Die Einordnung der Commissioners of Sewers blieb im Übrigen schwierig – wegen ihrer administrativen Aufgaben und ihrer eher justizförmigen Verfahrensweisen kann man sie wohl als allerfrüheste Vorformen der späteren tribunals begreifen: In dem bekannten Fall R. v. Northumberland Compensation Appeal Tribunals Ex p. Shaw [1952] 1 KB 338 (350), per Denning LJ wurden die Commissioners of Sewers erstmals als »statutory tribunal« bezeichnet; genauso Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 253, (»specialist tribunals«); siehe auch Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 104. 354 Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 149 sowie Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 510 unter Verweis auf die Entscheidung Groenvelt v. Burwell (1699) 1 Ld Raym 454 (469) per Holt CJ: »Where any court is erected by statute a certiorari lies to it.« 355 Siehe R. v. Electricity Commissioners Ex p. Electricity Joint Committee Co (1920) Ltd [1924] 1 KB 171; ferner hierzu Cane, Administrative Law, 4th ed. 2004, S. 83; Friedmann, Kontrolle der Vewaltung, 1970, S. 183; Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 131 m.w.N. 356 Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 149.
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durch, dass hier das Gericht auf den Inhalt der Akte angewiesen war.357 Aufgrund dieser Abhängigkeit von einer Akte bildeten sich für Verfahren der certiorari zwei Entscheidungsstufen heraus: Die erste Stufe war der Befehl, dem Gericht sämtliche Aufzeichnungen und Akten über ein abgeschlossenes Verfahren zukommen zu lassen, um zu ermitteln, wie das zur prüfende Verfahren abgelaufen ist.358 In der zweiten Stufe erfolgte dann die eigentliche Prüfung der Akte und die Ermittlung, ob ein (Verfahrens-)Fehler vorlag.359 Anfangs geschahen Aufhebungen von Entscheidungen vor allem aufgrund von Formfehlern, die sich bereits bei erster Durchsicht der übersandten Unterlagen ergaben (error on the face of the record).360 Erst mit fortschreitender Entwicklung des sogleich noch näher geschilderten ultra vires-Gedankens361 wurde dieser selbst zum zentralen Prüfstein bei der Begutachtung der Akten.362 Gegen Ende des 17. Jhd. hatte der Court of the King’s Bench also vor allem mittels der certiorari eine umfassende Zuständigkeit als Aufsichtsinstanz sowohl für justizielle Entscheidungen von Friedensrichtern und quarter sessions363, als auch über deren administrative Zuständigkeiten erlangt, da zwischen beiden ohnehin kaum differenziert werden konnte;364 er schritt ein, sobald sich aus den überprüften Akten Rechtsfehler ergaben.365 Obgleich die Anwendbarkeit der 357 Die Überprüfung von rein ministeriellen Angelegenheiten war hingegen ausgeschlossen; siehe De Smith, MLR 1952, 15(2), 189 (191). 358 Allen, Law in the Making, 7th ed. 1964, S. 572, der von einem »essentially disciplinary or supervisory process« spricht. Die Weigerung der zu überprüfenden Instanz, die Akten an das überprüfende Gericht auszuhändigen, stellte einen strafbaren contempt of court dar. 359 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 103. 360 Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 510. Ein »error on the face of the record« bezeichnet auch heute noch einen Rechtsfehler, der so offensichtlich ist, dass er sich bereits bei der ersten Durchsicht der Verfahrensakten ergibt; siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 152. Diese Fehlerkategorie geriet im 19. Jhd., v. a. nach dem Summary Jurisdiction Act 1848 (11& 12 Vict.) c.42 (siehe dazu unten, Fn. 367), zunächst in Vergessenheit, da dieses Verfahren ja vom Vorhandensein einer Akte abhing, zu deren Führung aber nicht jeder Spruchkörper verpflichtet war. Erst in den 1950er Jahren sollten die Gerichte diese Fehlerkategorie wiederentdecken; siehe die Entscheidung R. v. Northumberland Compensation Appeal Tribunals Ex p. Shaw [1952] 1 KB 338; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 110 m.w.N; siehe zur Rolle dieser Fehlerkategorie im heutigen JR auch unten, Fn. 548. 361 Zu dieser im Einzelnen siehe unten, II.C.3., S. 133ff. 362 Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 510. 363 Zu diesen siehe oben, bei Fn. 206. 364 Daher musste sich der Court of the King’s Bench nun mit so verschiedenen Dingen auseinandersetzen wie Bauarbeiten an Straßen und Brücken, Lizenzvergaben und der Aufsicht der Friedensrichter über die Armenversorgung: Die Gemeinden behaupteten dabei oftmals eine negative Kompetenz und versuchten so gegenseitig, ihre jeweiligen Pflichten zur Versorgung der Armen aufeinander abzuwälzen; siehe etwa die Entscheidung Inhabitants of Berry v. Arundel (1697) 91 ER 412; Henderson, Foundations of English Administrative Law, 1963, S. 117. 365 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 24.
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»certiorari« durch eine weitgehende Verlagerung der administrativen Tätigkeiten der Friedensrichter auf neu geschaffene Kommunalverwaltungseinheiten366 und Veränderungen der Verfahren der Friedensrichter zeitweilig stark eingeschränkt war,367 war der Court of the King’s Bench dennoch dauerhaft zur wichtigsten koordinierenden Autorität zwischen dem Zentralstaat und den lokalen Untergliederungen geworden.368 Inzwischen war der Anwendungsbereich der certiorari auch auf Entscheidungen zentralstaatlicher Organe unter ministerieller Aufsicht ausgedehnt worden, solange deren konkrete Verfahren gerichtsähnlich ausgestaltet waren.369 Mit der einsetzenden Industriellen Revolution, dem wachsenden Wohlfahrtsstaat und dem damit einhergehenden Entstehen von immer mehr tribunals und Verwaltungsbehörden370 weiteten – da gegen deren Entscheidungen die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zur Einlegung eines Rechtsbehelfs meist nicht gegeben war371 – die Gerichte auch den Anwendungsbereich der certiorari auf diese Spruchkörper aus,372 was durch eine extensivere Auslegung des Begriffs der Verfahrensakte (record)373 und den Verzicht auf das Merkmal der duty to act judicially gelang.374 366 1835 wurden durch den Municipal Corporations Act 1835 (5& 6 Will.IV.) c.67 gewählte Gemeinderäte geschaffen und durch s.3 Local Government Act 1888 (51& 52 Vict.) c.41 wurden die bis dahin sehr weitgehenden administrativen Befugnisse der Friedensrichter auf diese neu eingeführten lokalen Behörden übertragen, die im Verlauf des 19. Jhd. stetig weitere Verwaltungsaufgaben erhalten sollten; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 149; Holdsworth, History of English Law, Bd. XIV 1964, S. 234 – 236; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 25. 367 Durch den Summary Jurisdiction Act 1848 (11& 12 Vict.) c.42 wurde die Notwendigkeit schriftlicher Begründungen für die Entscheidungen der Friedensrichter abgeschafft. Damit gab es keine Anwendungsmöglichkeit mehr für die certiorari, da nun keine schriftlichen Aufzeichnungen mehr erstellt wurden, die in diesem Rahmen hätten überprüft werden können; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 149. 368 Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 510. Dabei erstreckte sich die certiorari hinsichtlich der Überprüfung von richterlichen Tätigkeiten nach wie vor sowohl auf das Straf- als auch das Zivilrecht; siehe De Smith, MLR 1952, 15(2), 189 (192). 369 Damit spielte bei der Frage der Anwendbarkeit der certiorari die Frage nach der Natur der Institution keine Rolle mehr – entscheidend war allein die zu überprüfende, konkrete Entscheidung selbst; siehe De Smith, MLR 1952, 15(2), 189 (192). 370 Im Einzelnen zu dieser Entwicklung siehe unten, III.B., S. 171. 371 Siehe zu den Aufsichtskompetenzen der Gerichte über tribunals noch unten, III.B.3., S. 188. 372 Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 149. 373 Die Rechtsprechung milderte die Anforderungen an das Vorliegen einer »record«, etwa in R. (on the Prosecution of Penarth Local Board of Health) v. Local Government Board (1882) 10 QBD 309 und R. v. Northumberland Compensation Appeal Tribunals Ex p. Shaw [1952] 1 KB 338; siehe auch Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 149. Die »record« umfasste damit nicht mehr wie zuvor bloß das Protokoll des Verfahrens, sondern vor allem die Begründung der Entscheidung; siehe etwa R. v. Knightsbridge Crown Court Ex p. International Sporting Club (London) Ltd [1981] 3 All ER 417. 374 Zum Begriff »duty to act judicially« siehe auch unten, bei Fn. 643ff.
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Die heutige certiorari bzw. quashing order375 ist der am häufigsten gewährte Rechtsbehelf in JR-Verfahren,376 mit der eine Entscheidung bei Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit ex tunc aufgehoben,377 unter Erteilung von Anweisungen an die Ausgangsbehörde zurückverwiesen378 oder in Ausnahmefällen durch das Gericht selbst entschieden werden kann.379 Mit der Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für das Verfahren des JR wurde das Erfordernis der Vorlegung einer Akte obsolet, so dass die Überprüfung von Entscheidungen heute nicht mehr nur auf aus der Akte ersichtliche Verfahrensfehler beschränkt ist.380 c)
Mandamus bzw. mandatory order
Ein weiterer writ war der des mandamus, der heute als mandatory order bezeichnet wird.381 Dieser konnte genutzt werden, um einen Träger hoheitlicher Gewalt zur Wahrnehmung seiner öffentlichen Pflichten zu zwingen; die heutige mandatory order richtet sich mithin gegen ein Unterlassen und ähnelt der deutschen Verpflichtungsklage.382 Das Wort mandamus383 fand sich im Mittelalter in den unterschiedlichsten writs;384 als eigenständige Kategorie eines gerichtlichen Rechtsbehelfs entwickelte sich der writ of mandamus allerdings erst 375 Seit dem Administration of Justice (Miscellaneous Provisions) Act 1938 (1& 2 Geo.VI.) c.63 ist die certiorari kein prerogative writ mehr, sondern eine prerogative order ; heute geregelt in s.29(1) Senior Courts Act 1981 c.54 und r.54.19 CPR. 376 Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 134. 377 Allerdings kann die Behörde nach Aufhebung der Entscheidung die inhaltlich gleiche Entscheidung nochmal erlassen, die zum materiell gleichen Ergebnis führt, wenn dabei die Vorgaben des Gerichts über den festgestellten Fehler beachtet werden; siehe etwa R. v. Secretary of State for the Environment Ex p. Hackney London Borough Council [1984] 1 WLR 592; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 134. Deshalb wird häufig der Rechtsbehelf der certiorari mit dem der prohibition kombiniert, um nach Kassation der angegriffenen Entscheidung durch das Gericht den Erlass einer neuen Entscheidung durch die Behörde zu verhindern; siehe Kleve/ Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 135. 378 R.54.19(2)(a)(ii) CPR. 379 R.54.19(2)(b) CPR. 380 Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 150; zum heutigen Umfang der Prüfung im Wege des JR siehe sogleich, II.C.3.b), S. 151. 381 Siehe r.54(2)(a) CPR. 382 Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 136; Auf diesem Wege kann etwa auch ein tribunal dazu verpflichtet werden, einen Streit zu entscheiden, den es zuvor nicht zugelassen hatte; siehe R. v. Housing Appeal Tribunal [1920] 3 KB 334; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 113. 383 »We command«; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 147. 384 Jenks, Yale LJ 1923, 6, 523 (530): »[T]he autocratic head of a vast administrative system will have occasions to ›mandamus‹ his subjects many times in the course of a day […]«; Woolf/ Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 006.
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im 17. Jhd. als Mittel zur Kontrolle kommunaler Körperschaften.385 Dabei handelte es sich zunächst vor allem um Fälle, in denen der Kläger seine (Wieder-) Einsetzung in ein bestimmtes Amt begehrte.386 Allerdings erweiterte sich der Anwendungsbereich des writ of mandamus kontinuierlich, so dass bald auch die Erfüllung von allen möglichen anderen Amtspflichten erzwungen werden konnte387 – und zwar nicht nur vom Bürger selbst, sondern auch durch die Krone,388 die auf diesem Wege gegen untätige kommunale Amtsträger vorging.389 Wie im Falle der certiorari auch, wurde die Anwendbarkeit des writ of mandamus durch die Schaffung lokaler Verwaltungskörperschaften und die Übertragung vieler Kompetenzen auf deren gewählte Organe eingeschränkt.390 Im 20. Jhd. allerdings erweiterte sich der Anwendungsbereich wieder, so dass heute auch alle möglichen zentralstaatlichen Institutionen mittels des writ of mandamus bzw. der mandatory order zu Maßnahmen gezwungen werden können.391 Die Missachtung einer solchen
385 Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 147. Die ersten Anwendungsfälle für einen »writ of mandamus« im heutigen Sinne waren wohl die Entscheidungen R. v. Corporation of Lincoln Ex p. Shuttleworth (1613) 80 ER 1001 und James Bagge’s Case, R. v. Mayor of Plymouth Ex p. Bagge (1615) 11 Co. Rep. 93b; siehe auch Henderson, Foundations of English Administrative Law, 1963, S. 46 – 50; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 114. Zwar waren ähnliche Fälle – der Kläger klagte auf Wiedereinsetzung auf ein Gemeindeamt, von dem er zu Unrecht enthoben worden war – bereits früher vorgekommen; insb. die Entscheidung Bagge’s Case gab aber den Anstoß zur Entwicklung eines regelmäßigen Rechtsbehelfs; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 114. 386 Der writ of mandamus wurde von denen, die um ein öffentliches Amt gebracht wurden, als »writ of restitution« angesehen; siehe etwa die Entscheidungen R. v. Corporation of Lincoln Ex p. Shuttleworth (1613) 80 ER 1001 und R. v The Major and Burgesses of the City of Glocester 81 ER 159; Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 147. Solche Wiedereinsetzungsklagen waren bis ins 19. Jhd. hinein fast die einzigen Anwendungsfälle für mandamus-Klagen; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 148 f. 387 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 114. In der Entscheidung Lord Protector v. Barker [1762] 97 ER 823 (824) per Mansfield LJ, der feststellt, dass der writ of mandamus ein Prärogativrechtsbehelf sei, »[which] was introduced, to prevent disorder from a failure of justice, and defect of police. Therefore it ought to be used upon all occasion where the law has established no specific remedy and where in justice and good government there ought to be one […].«; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 522. 388 Mandamus kann auch heute noch von einer Behörde genutzt werden, um eine andere Behörde zu verklagen; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 523. 389 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 114. Nach der Abschaffung der Star Chamber und während des Interregnums war der writ of mandamus nahezu das einzige wirksame Mittel, die lokalen magistrates mit ihrer weitgehenden Unabhängigkeit zur Wahrnehmung ihrer Pflichten zu bewegen; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 521. 390 Speziell durch den Municipal Corporations Act 1835 (5& 6 Will.IV) c. 76 (siehe oben, Fn. 328 und 366); Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 148. 391 Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 148; für Beispiele für die
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Anordnung war und ist ein Fall eines contempt of court, für den auch Hoheitsträger empfindlich sanktioniert werden können.392
3.
Zivilrechtliche Rechtsbehelfe (ordinary remedies)
Als ordinary oder private law remedies werden heute die Rechtsbehelfe bezeichnet, die sich aus der Rechtsmasse der equity entwickelt haben und – im Vergleich zu den dargestellten prerogative writs – erst seit kurzer Zeit von Bedeutung für den öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz sind.393 Hierher gehört zunächst die injunction,394 eine Art Unterlassungs- bzw. Leistungsurteil,395 mit dem das Gericht einer Partei sowohl die Vornahme als auch die Unterlassung einer bestimmten Handlung einstweilig,396 vorbeugend oder final vorschreiben kann.397 Die injunction war in der Rechtsprechung des Court of Chancery seit dem 14. Jhd. entstanden398 und entwickelte sich zu einer dem sonstigen common
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diversen Anwendungsfälle für die order of mandamus heute siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 524 f. Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 522; zum »contempt of court« auch unten, VIII.A.1., S. 478. Declaration und injunction entwickelten ihren Einsatz im öffentlichen Recht erst ab dem 19. Jhd, ohne dabei jedoch die althergebrachten prerogative writs in ihrer Bedeutung für den Rechtsschutz des Einzelnen zu verdrängen, wobei die Einzelheiten ihrer Entwicklung wohl nicht mehr recht nachvollzogen werden können; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 049. Erst im 20. Jhd. erlangten sie durch die Rechtsprechung einzelner Richter eine gewisse Kohärenz; siehe zur Entwicklung von declaration und injunction generell Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 047 ff.; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 100 f sowie Cane, Administrative Law, 4th ed. 2004, S. 86; Aldous/Alder, Applications for Judicial Review, 2nd ed. 1993, S. 65 ff. Siehe r.54.3(1) CPR. Oftmals ist statt einer mandatory order auch der Erlass einer mandatory injunction möglich. Außerdem ist eine injunction auch in solchen Situationen möglich, in denen eine declaration (dazu sogleich, bei Fn. 400) ergehen kann, was die Abgrenzung dieser Rechtsbehelfe gegeneinander schwierig macht; siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 137 ff. Insoweit ist von einer »interim« oder »interlocutory injunction« die Rede. In diesen Zusammenhängen, also als Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes, hat die injunction besonders seit den 1990er Jahren (insb. mit der Entscheidung »Factortame«, dazu siehe unten, bei Fn. 489) an Bedeutung gewonnen; siehe Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 130 m.w.N. in Fn. 146 sowie zum einstweiligen Rechtsschutz im Wege des JR und dessen Beeinflussung durch das europäische Recht insgesamt Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 165 ff. m. w. N. Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 138 ff. m. w. N. Sie ging aus der Rechtsprechung des Lord Chancellor hervor, der sie zunächst dazu verwendete, um die Vollstreckung von Urteilen der common law-Gerichte zu verhindern, die
Verwaltungsrechtsschutz durch die Gerichte
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law fremden, allgemeinen Unterlassungsklage, durch deren Einsatz der Bürger präventiv den unterschiedlichsten Rechtsverletzungen durch Private wie auch Hoheitsträgern entgegenwirken konnte.399 Ordinary remedy ist außerdem die declaration, ein der deutschen Feststellungsklage nach § 43 VwGO entsprechender Rechtsbehelf400 ohne vollstreckbaren Inhalt,401 der sich aus einer Praxis des Court of Exchequer entwickelte,402 der im 16. Jhd. eine eigene equity-Rechtsprechungspraxis im Zusammenhang mit steuerrechtlichen Fragen besaß;403 nach 1841 geriet das Verfahren allerdings weitgehend in Vergessenheit und wurde erst 1911 durch den High Court404 wiederbelebt.405 Jedoch erst in den 1970er Jahren gewann die declaration eine echte Relevanz im öffentlich-rechtlichen Kontext.406 Zuletzt sei der Vollständigkeit halber noch bemerkt, dass im Wege des JR auch ein Anspruch auf Schadenersatz – damages – geltend gemacht werden kann, wenn dieser zusammen mit einem oder mehreren der oben genannten Rechtsbehelfe begehrt wird.407 Alle dargestellten Rechtsbehelfe kann der Kläger heute im Verfahren des judicial review beantragen. Dabei konnten declaration, injunction und damages zunächst auch nach Einführung des JR-Verfahrens weiterhin als ganz normale
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407
sich nach seinem Rechtsgefühl als unerträglich hart darstellten; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 101 u. 124 f; zur geschichtlichen Entwicklung der injunction insgesamt siehe Raack, Ind.L.J., 1985 – 1986, 539 (539 ff.). Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 124. Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 137 f. m. w. N. Zu den Einzelheiten der Handhabung der declaration heute siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 18 – 038. Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 101 und 119 m.w.N. Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 050 f. Daneben hatte der Court of Exchequer parallel zum Court of Chancery seit dem 16. Jhd. die Möglichkeit, equity-Urteile außerhalb des Bereichs des Steuerrechts fällen zu können; siehe Holdsworth, History of English Law, Bd. I 1938, S. 241 sowie die Entscheidung Attorney General v. Halling (1846) 15 M& W 687 (694) per Pollock, wo die Geschichte der »equitable jurisdiction« des Court of Exchequer nachvollzogen wird. In der Zwischenzeit waren mit Überführung des Court of Exchequer in den High Court durch die Judicature Acts (siehe oben, II.A.2.c), S. 83) auch die Zuständigkeiten dieses Gerichts auf den High Court übergegangen; vgl. Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 119. Siehe die Entscheidung Dyson v. Attorney General [1911] 1 KB 410; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 068. Einige der wichtigsten Entscheidungen für die Entwicklung des englischen Verwaltungsrechts überhaupt ergingen als declarations, wie etwa Ridge v. Baldwin [1963] 1 QB 539 (dazu siehe unten, bei Fn. 648) oder Anisminic v. Foreign Compensation Commission [1969] 2 AC 147 (dazu ausführlich unten, II.C.3.a)(2), S. 144); siehe zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 18 – 040. Siehe r.54.3(2) CPR sowie Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 138 f.
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Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung
Privatrechtsbehelfe nach den im Zivilrecht entwickelten Verfahrensregeln gegen Hoheitsträger geltend gemacht werden. Seit der Entscheidung O’Reilly v. Mackman408 steht allerdings fest, dass durch ein solches Vorgehen die Verfahrensvoraussetzungen, welche für den heutigen JR aufgestellt wurden, nicht umgangen werden dürfen, womit ein Exklusivitätsverhältnis zwischen den privatrechtlichen Rechtsbehelfen und den im JR zu erlangenden Rechtsbehelfen geschaffen ist.409 Der heutige JR, unter dessen Dach all die eben geschilderten writs vereinigt sind, stellt damit einen einheitlichen Mechanismus der Verwaltungskontrolle durch die ordentlichen Gerichte dar410 – wobei nur der High Court, genauer gesagt die Queen’s Bench Division des High Court und innerhalb dieser der Administrative Court von sich aus befugt ist, das JR-Verfahren als Eingangsinstanz durchzuführen.411
C.
Der judicial review heute – Überblick
Trotz der Vereinigung von prerogative und ordinary remedies unter dem gemeinsamen Dach des JR haben sich manche Besonderheiten insb. der Präro408 O’Reilly v. Mackman [1983] 2 AC 237; siehe hierzu auch schon oben, bei Fn. 45. 409 Dieses Exklusivitätsverhältnis wird von r.54.1(2)(a) CPR kodifiziert, die vorschreibt, dass der JR Anwendung findet, wenn es sich um die Überprüfung der Tätigkeit einer Stelle handelt, die eine »public function« ausübt. Es wird aber von den Gerichten flexibel gehandhabt, was eine klare Abgrenzung zwischen dem öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Verfahrensweg in ihrer Wirksamkeit einschränkt; siehe zum Ganzen Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 135ff; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 139 f. Zum heutigen Exklusivitätsverhältnis zwischen den einzelnen Rechtsbehelfen siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 097 ff. 410 »[Judicial review is a] means by which judicial control of administrative action is exercised«; siehe Council of Civil Service Unions v. Minister for the Civil Service [1985] AC 374 (408) per Lord Diplock; »Judicial Review is thus a fundamental mechanism for keeping public authorities within due bounds and for upholding the rule of law.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 29; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 130 f. 411 Die Durchführung des JR durch den CoA etwa ist damit nicht möglich – dies ergibt sich aus der Entscheidung Re Racal Communications Ltd [1981] AC 374 (381) per Diplock LJ: »The jurisdiction of the Court of Appeal is wholly statutory ; it is appellate only. […] It has no jurisdiction itself to entertain any original application for judicial review; it has appellate jurisdiction over judgments and orders of the High Court made by that court on applications for judicial review.« Inhaltlich ging es in dieser Entscheidung um die Frage, ob ein Richter des High Court selbst bei Ausübung einer ihm durch Gesetz übertragenen Tätigkeit im Wege eines Verfahrens durch den CoA überprüft werden kann, was letztlich einem JR entspricht, wenn ein appeal zum CoA durch das Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Der judicial review heute – Überblick
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gativrechtsbehelfe erhalten und beeinflussen das JR-Verfahren noch heute:412 Deren historische Grundlegung als dem König zustehende Machtmittel bedeutet auch heute noch, dass der Theorie nach es der Monarch selbst ist, der gegen ein hoheitliches Fehlverhalten mittels des ihm zustehenden Prärogativrechts in Form des Gerichts vorgeht413 – der Kläger setzt diesen Vorgang durch seinen Antrag an das Gericht lediglich in Gang,414 ohne sich jedoch dabei auf ein eigenes Recht auf Rechtsschutz stützen zu können.415 Diese Art der »Prozessstandschaft«416 äußert sich bereits in der Zitierweise von JR-Entscheidungen.417 Vor allem aber bedeutet es konsequenterweise auch, dass die gerichtliche Über412 »Today, the prerogative remedies remain at the centre of judicial review and they continue to manifest their early characteristics.« Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 011. 413 Brigdes/Poynter, The Applicant’s Guide to Judicial Review, 1995, S. 4; Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 122. 414 Für den ältesten prerogative writ, die prohibition, ist dies allerdings nicht ganz so klar, da hier auch Entscheidungen bekannt sind, bei denen dieser Rechtsbehelf »as of right« gewährt wurde; siehe Bingham, PL 1991, Spr., 64 (65); Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 010. 415 »Aggrieved citizens still cannot initiate judicial review proceedings as of right; they must first seek the permission of the court.« Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 011. Allerdings kann sich im Einzelfall ein Recht auf Durchführung des JR aus Art. 6 EMRK i. V. m. mit dem Human Rights Act 1998 c.42 ergeben. 416 »The underlying policy is that all inferior courts and authorities have only limited jurisdiction or powers and must be kept within their legal bounds. This is the concern of the Crown, for the sake of orderly administration of justice, but it is a private complaint which sets the Crown in motion.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 510. 417 In JR-Verfahren ist die Krone – bezeichnet als »Rex.«, »Reg.«, »Regina« oder »R« – nominell Kläger des Verfahrens: Denn dafür zu sorgen, dass Verwaltungsbehörden und andere staatliche Stellen sich an die Grenzen ihrer jeweiligen Machtbefugnisse (»jurisdiction« – dazu siehe sogleich, bei Fn. 545) halten, ist Aufgabe der Krone; die Klage des Einzelnen wird von der Krone lediglich als Anlass genommen, das fragliche Verhalten einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen; siehe Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 122 Fn. 435; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 130 Fn. 509. Fälle, in denen ein prerogative remedy geltend gemacht wurde, wurden daher als »R v. X Ex p. Y« zitiert. Anders hingegen war früher die Zitierweise in Fällen, in denen ein ordinary remedy geltend gemacht wurde: Hier trat der eigentliche Kläger in eigenem Namen auf, entsprechend wurde er auch als Kläger in der Entscheidung benannt, also »X v. Y«. Seit 2001 allerdings werden alle Entscheidungen in JR-Verfahren nach Teil 54 CPR unabhängig vom angestrebten Rechtsbehelf bezeichnet als »R (on the application of X) v. Y«; siehe zum Ganzen Leyland/ Anthony, Textbook on Administrative Law, 6th ed. 2009, para. 9.6; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. A-007. Im Übrigen gehen die Gerichte davon aus, dass das Auftreten des Monarchen in JR-Verfahren keine reine Formalität ist – da die Krone eine andere Verfahrenspartei darstellt als der eigentliche Kläger, in dessen Namen sie agiert, entfaltet etwa ein durch letzteren selbst durchgeführtes Gerichtsverfahren keine entgegenstehende Rechtskraft (»issue estopell«) für ein JR-Verfahren; siehe R. v. Customs and Excise Commissioners Ex p. Kay & Co Ltd [1996] EWHC Admin 245, para. 78 per Keene J.
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Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung
prüfung hoheitlicher Entscheidungen im Wege des JR nicht nur dem Bürger offensteht, sondern auch einem anderen Hoheitsträger418 – ein Aspekt, der zwar vergleichweise selten zum Tragen kommt419 und gegenüber der Bedeutung des JR für den Rechtsschutz des Einzelnen gegen hoheitliche Akte oft in den Hintergrund gerät, der aber gerade deshalb inbs. für den deutschen Betrachter umso hervorhebungswürdiger scheint.420 Eine weitere, wichtige Konsequenz ist ferner, dass die Rechtsbehelfe grds. nach Ermessen des Gerichts gewährt werden.421 Dies äußert sich darin, dass das Gericht frei ist zu entscheiden, ob es den angestrebten Rechtsbehelf gewährt oder nicht, bzw. ob es einen anderen Rechtsbehelf als den beantragten gewährt oder ihn gänzlich versagt und zwar auch dann, wenn alle anerkannten Voraussetzungen für die Gewährung des Rechtsbehelfs eigentlich vorliegen.422 Dies gilt 418 »Another important, but sometimes neglected function of administrative law is to regulate relations betweeen different public bodies […]. Decisions taken in the exercise of statutory power by one public authority that affect another may be challenged by way of judicial review by the public authority affected. The usual principles of judicial review apply, to ensure that decisions are based upon a proper interpretation of the law, that there is no abuse of power and, increasingly, that procedural fairness is observed so that a public body which might be adversely affected by a decision of another body is given the opportunity to make representations before the final decision is taken.« Lewis, Judicial Remedies in Public Law, 3rd ed. 2004, para. 4 – 049. Voraussetzung für das Vorgehen eines Hoheitsträgers gegen einen anderen ist allerdings, dass dieser prozessführungsbefugt ist, was nicht unbedingt automatisch der Fall ist, sondern sich gegebenenfalls erst aus dem Gesetzesrecht ergibt, wie etwa bei Gemeinden, denen s.222 Local Government Act 1972 c.70 Prozessführungsbefugnis gewährt; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 2 – 014. 419 Praktisch wichtig ist die Möglichkeit zur Durchführung des JR insb. im Bereich des Kommunalrechts: Es können sich etwa Kommunalbehörden gegen Maßnahmen des Zentralstaates wehren, als auch gegen Maßnahmen anderer Kommunalbehörden; umgekehrt können auch die zentralstaatlichen Organe gegen kommunale Verwaltungseinheiten vorgehen (siehe etwa die Entscheidung R. v. Liverpool City Council Ex p. Secretary of State for Employment [1989] COD 404). Dies verdeutlicht, dass die Möglichkeit zur Anrufung des Gerichts nicht etwa vom Vorliegen einer Klagebefugnis aufgrund der Betroffenheit in einem eigenen Recht abhängig ist – eine »kommunale Selbstverwaltungsgarantie« nach deutschem Muster gibt es in England ohnehin nicht; siehe zu den Kommunalbehörden auch noch unten, bei Fn. 496; zum Ganzen auch ausführlich Lewis, Judicial Remedies in Public Law, 3rd ed. 2004, para. 4 – 049; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 2 – 014. 420 Insb. bei der Kontrolle von Tribunalsentscheidungen äußert sich dies, da diese sowohl auf Antrag des Bürgers als auch auf Antrag des beklagten Hoheitsträgers gerichtlich überprüft werden können; siehe auch unten, bei Fn. 2772. 421 »The grant or refusal of a remedy is still in the discretion of the court.« Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 011. Dies gilt allerdings nicht für alle prerogative remedies, da der writ of habeas corpus (siehe hierzu oben, Fn. 317) grds. aufgrund subjektiven Rechts gewährt wird und seine Gewährung damit nicht im Ermessen des Gerichts steht; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 500. 422 »[E]ven if the claimant has standing, has made the application in good time, and can
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dabei sowohl für die prerogative remedies, also quashing- prohibitive-423 und mandatory order,424 als deren primärer Zweck angesehen wird, die Ordnung innerhalb des Rechtssystems sicherzustellen,425 aber auch für die ordinary remedies.426
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establish that the defendant has acted illegally, relief may be denied if the court thinks, for some reason, that it should not be granted. The fact that a decision is void or that some action or inaction is illegal does not impose on the court any obligation towards a remedy to the claimant.« Cane, Administrative Law, 4th ed. 2004, S. 91. Ein Beispiel für die Nichtgewährung des vom Kläger beantragten Rechtsbehelfs ist etwa die Entscheidung R. v. Secretary of State for Social Sercives Ex p. Association of Metropolitan Authorities [1986] 1 WLR 1, in der eine Rechtsverordnung unrechtmäßig zustande gekommen war und der Kläger deshalb die Aufhebung einer auf diese gestützte Entscheidung begehrte: Das Gericht entschied, die Entscheidung nicht mittels quashing order aufzuheben, da bereits andere Entscheidungen, gestützt auf die entsprechende Verordnung, ergangen waren; vielmehr gewährte es nur eine declaration, wodurch die Rechtswidrigkeit festgestellt und der Erlass weiterer Entscheidungen auf Grundlage der Verordnung faktisch verhindert wurde; siehe auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 601 Fn. 147 m.w.N. Auch kann das Gericht den Rechtsbehelf versagen, wenn etwa der Kläger vom Vorliegen eines Verfahrensfehlers wusste, diesen aber nicht im Rahmen eines anderen Rechtsbehelfs geltend gemacht hat, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre; siehe R. v. Inner London Quarter Sessions Ex p. D’Souza [1970] 1 WLR 376; ferner kann das Gericht den Rechtsbehelf versagen, wenn die Klage zwar im Ergebnis begründet, aber aus verwerflichen Motiven erhoben wurde, etwa um einem Konkurrenten zu schaden; siehe R. v. Commissioners of Customs and Excise Ex p. Cook [1970] 1 WLR 450; siehe zum Ganzen mit weiteren Beispielen Bingham, PL 1991, Spr., 64 (65) sowie Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 149 inbs. zum Ermessen auf der Zulässigkeitsebene. »This Court hath authority to quash Orders of Sessions, Presentments, Endictments etc. made in Inferior Courts, or before Justices of Peace or other Commissioners if there be cause, that is, if they be defective in matter or form […]. But this quashing is but by favour of the Court, for the Court is not tyed Ex Officio to do it, but may leave the party to plead unto them[…].« Style, Regestum Practicale, 1657, S. 272, wiedergeben in Henderson, Foundations of English Administrative Law, 1963, S. 107; siehe auch Bingham, PL 1991, Spr., 64 (65). »[Mandamus is] a prerogative writ flowing from the King himself, sitting in his court, superintending the police and preserving the peace of his country.« R. v. Barker (1762) 96 ER 196 (196) per Mansfield CJ; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 036. Diese enge Verknüpfung von mandamus mit dem König erklärt, dass mandamus stets als Ermessensrechtsbehelf angesehen und daher als »pre-eminently a discretionary remedy« bezeichnet wurde; siehe Bingham, PL 1991, Spr., 64 (66). »[Q]uashing order and the prohibiting order have as their primary purpose the preservation of order in the legal system by preventing excess and abuse of power, rather than the final determination of private rights.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 600. Siehe Bingham, PL 1991, Spr., 64 (66). Historisch ergibt sich das aus dem Ursprung dieser Rechtsbehelfe aus dem Recht der equity. Durch den Einfluss des europäischen Rechts, insb. nach Umsetzung der EMRK durch den Human Rights Act 1998 c.42, hat sich dies allerdings in manchen Bereichen geändert; siehe hierzu Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 146 und 162ff m. w. N. zu den Einflüssen von Art. 34 EMRK bzw. s.7(7) Human Rights Act 1998 c.42 auf das Zuläs-
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Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung
Dieses historisch bedingte, gerichtliche Ermessen äußert sich im heutigen JR auf verschiedenen anderen Ebenen des Verfahrens – insb. die Zulässigkeitsanforderungen des JR-Verfahrens sind durch die Geschichte der prerogative- und ordinary remedies beeinflusst:427 Einige der prozessualen Voraussetzungen des heutigen Verfahrens werden im Folgenden überblicksartig dargestellt:
1.
Klagevoraussetzungen und permission
Das JR-Verfahren insgesamt gliedert sich zunächst in zwei Stufen, nämlich die permission-Phase428 als selbstständiges Zulässigkeits- bzw. Zulassungsverfahren429 und das eigentliche Hauptverfahren.430 Historisch lässt sich die Anforderung der permission auf das Verfahren zur Erlangung der prerogative writs431 bzw. auf deren Ursprung im Recht des Königs zurückführen432 – da der Theorie nach ja nicht der Kläger selbst, sondern die Krone auf Veranlassung des Klägers gegen den beklagten Hoheitsträger vorgeht, musste der Rechtssuchende zunächst das Tätigwerden der Krone (in Form des Gerichts) beantragen.433
427 428 429 430 431 432
433
sigkeitserfordernis des »standing« bei Klagen im JR sowie umfassend Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 215ff m. w. N. Auf die Inkorporation und die Auswirkungen des Human Rights Act 1998 c.42 auf Verfahren und Zusammensetzung der tribunals wird noch an anderer Stelle eingegangen; siehe unten, II.C.3.b)(3)(b), S. 162. »[T]he development of the application [of judicial review] is complicated and interwined with the historical deficiencies and peculiarities of the remedies themselves.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 549. Siehe s.31(3) Senior Courts Act Part 1981 und r.54.4 CPR. Bis 1977 wurde die heutige permission noch als »leave« bezeichnet; siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 141. Da das Gericht bereits hier ein Ermessen ausüben kann, erfordert die ›Zulässigkeit‹ der Klage nach deutschem Verständnis eine ›Zulassung‹ durch das Gericht. Siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 139. Durch die gemeinsame Regelung von prerogative und ordinary remedies wurde die Voraussetzung der permission, das zuvor nur bei ersteren galt, auf letztere übertragen; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 556. Als gesonderte Verfahrensstufe wird leave bzw. permission für die Geltendmachung der prerogative writs seit dem Administration of Justice (Miscellaneous Provisions) Act 1933 (23& 24 Geo.V.) c.36 angewandt; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 081 und 16 – 041; zum Ganzen siehe auch Le Sueur/Sunkin, PL 1992, Spr., 102 (102 ff.). Riedel, Kontrolle der Verwaltung, 1976, S. 24 f.; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 141. Vor 1933 war es so, dass der Kläger, der einen prerogative writ begehrte, zunächst das Gericht in mündlicher Anhörung von der Notwendigkeit des Erlasses eines solchen überzeugen musste, woraufhin das Gericht ihn vorläufig erließ (sog. »rule« oder »order nisi«); sodann hatte der
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Das heutige permission-Verfahren kann seinerseits in mehreren Stufen vonstatten gehen: Zunächst wird die Klageschrift,434 die der Kläger dem Gericht, dem Klagegegner und allen weiteren möglichen Parteien (interested parties) zugesandt hat,435 vom Gericht geprüft, wobei die anderen Verfahrensbeteiligten bereits die Möglichkeit haben, sich zur Sache einzulassen.436 Hält das Gericht die vorgebrachten Gründe für tragfähig, gewährt es die permission; versagt es sie, stehen hiergegen sogleich noch näher geschilderte Reaktionsmöglichkeiten offen.437 Bei seiner Entscheidung über die permission übt das Gericht im Rahmen seiner Prüfung sein Ermessen aus;438 die Kriterien, nach denen die permission gewährt oder versagt wird, sind damit rein richterrechtlich bestimmt und können von den Gerichten sehr frei an sich verändernde Umstände angepasst werden.439 Der praktische Zweck der Verfahrensebene der permission liegt heute vor allem in der Auslese rechtsmissbräuchlicher Klagen oder solcher ohne jede Erfolgsaussicht;440 entsprechend führt das Gericht bei der permission vor allem eine summarische Vorprüfung durch, bei der der Kläger das Gericht davon
434 435 436
437 438
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Beklagte im Rahmen einer weiteren Anhörung die Möglichkeit, das Gericht vom Gegenteil zu überzeugen; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 15 – 080 f.; Le Sueur/Sunkin, PL 1992, Spr., 102 (102 ff.). Deutlich wird dies schon bei dem zweistufigen Verfahren bei der certiorari im Mittelalter ; dazu siehe oben, bei Fn. 357f. Es handelt sich dabei grds. um ein Formular, welches der Kläger auszufüllen und mit einer ausführlichen Klagebegründung zu versehen hat; siehe zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, Appendix J, para. 16 – 035 m. w. N. Der Kläger selbst bewirkt die Zustellung der Klageschrift beim Gericht, beim Beklagten und beim Klagegegner ; siehe Practice Direction 54 A – Judicial Review, r.54.7, para. 6.1. Dies ist erst seit der Einführung von Teil 54 CPR der Fall, vorher fand dieses Verfahren »ex parte« statt; das Gericht entschied also allein, ohne Möglichkeit der Stellungnahme für Beteiligte; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 555. Um bereits im permission-Verfahren Stellung nehmen zu können, muss die Verfahrenspartei zunächst das »acknowledgment of service« abgeben und kann sich dann zur Sache äußern; siehe auch Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 042. Siehe sogleich, II.C.1.c), S. 125. Dieses Ermessen ist von dem zu unterscheiden, welches das Gericht hinsichtlich der Gewährung des beantragten Rechtsbehelfs hat; siehe Inland Revenue Commissioners v. National Federation of Self Employed and Small Businesses Ltd [1982] AC 617 (644), per Diplock LJ. Immer wieder wurde gefordert, die Kriterien für die Gewährung oder Versagung der permission zu kodifizieren – dass der Gesetzgeber dies dennoch nie getan hat, impliziert, »[that] judges’ hands should not be tied down by codification and that they should be free to develop, or change, the criteria in the light of their perception of changing needs.« Bondy/ Sunkin, PL 2008, 647 (651) m. w. N., die zudem anhand statistischer Daten zeigen, dass die tatsächliche Handhabung der permission durch die Gerichte sehr unterschiedlich und inkonsistent ist. Insgesamt dient das Erfordernis also dazu, sowohl Behörden als Klagegegner, als auch das Gericht vor unberechtigter bzw. übermäßiger Inanspruchnahme zu schützen; siehe Woolf/ Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 045.
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Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung
überzeugen muss, dass er einen arguable case hat.441 Das Gericht ist dabei nicht auf die Prüfung von Zulässigkeitsbedingungen beschränkt,442 es kann vielmehr auch bereits auf dieser Ebene im Rahmen seines Ermessens Zweckmäßigkeits(policy-) Erwägungen anstellen, also etwa berücksichtigen, welche Folgen die Gewährung der permission für künftige Verfahren haben könnte.443 Bei ihrer Entscheidung sind die Gerichte heute tendenziell eher restriktiv444 – statistisch betrachtet scheitern auf dieser Verfahrensebene die meisten JR-Anträge.445
a)
Standing und Klagefrist
Da die Gewährung oder Versagung der permission also letztlich im Ermessen des Gerichts liegt, gibt es keine abschließende Aufzählung oder Definition für die Gründe, bei deren Vorliegen die permission gewährt wird.446 Aus s.31 Senior Courts Act 1981 c.54 und den Civil Procedure Rules (CPR) ergeben sich lediglich zwei Gründe für die Versagung der permission, nämlich eine verspätet erhobene Klage und das Fehlen eines sufficient interest, eines hinreichenden Rechts441 Es geht dabei nicht etwa nur um die Schlüssigkeit der Klage, sondern um die Erfolgsaussichten insgesamt: »If, on a quick perusal of the material then available, the court thinks that it discloses what might on further consideration turn out to be an arguable case in favour of granting to the applicant the relief claimed, it ought, in the exercise of a judicial discretion, to give him leave to apply for that relief.« Inland Revenue Commissioners v. National Federation of Self Employed and Small Businesses Ltd [1982] AC 617 (644), per Diplock LJ. 442 S.31(3) Senior Courts Act 1981 c.54 schreibt selbst lediglich zwei Gründe vor, deretwegen die permission versagt werden kann (zu diesen im Einzelnen sogleich, bei Fn. 447). Allerdings ist das Vorliegen dieser Punkte kaum summarisch zu ermitteln, sondern bedarf mitunter eingehender rechtlicher Prüfung, weshalb diese Gesichtspunkte regelmäßig erst zum Gegenstand des Hauptverfahrens gemacht werden; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 046. 443 So kann das Gericht etwa die permission versagen, weil es der Auffassung ist, dass deren Gewährung künftig gleichartige Entscheidungen hemmen würde; siehe R. v. Hillingdon LBC Ex p. Puhlhofer,[1986] AC 484 (518) per Brightman LJ; R. v. Harrow LBC Ex p. D [1990] Fam 133 (138) per Butler-Sloss LJ; siehe auch Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 048. 444 Bis in die frühen 1980er Jahre hinein herrschte noch eine weniger restriktive Praxis bei der Zulassung von JR-Anträgen vor. Aufgrund einer Flut von Klagen in bestimmten Sachbereichen (insb. Klagen von Obdachlosen und später Asylbewerbern) wurde die Gewährung der permission schließlich weniger generös gehandhabt. Diese veränderte Haltung äußerte sich in Entscheidungen wie R. v. Hillingdon LBC Ex p. Puhlhofer [1986] AC 484 (siehe oben, Fn. 443) oder R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Swati [1986] 1 WLR 477. Durch Modifikationen der Verfahrensregeln, insb. der Einführung des »acknowledgement of service« (siehe oben, Fn. 436) kam es zu einem weiteren Rückgang erfolgreicher Anträge auf permission; siehe zum Ganzen Bondy/Sunkin, PL 2008, 647 (651). 445 Siehe Bondy/Sunkin, PL 2008, 647 (651) m. w. N.; konkrete Zahlen zu den JR-Verfahren finden sich unten, in Fn. 684. 446 Siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 046.
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schutzinteresses des Klägers.447 Das zuletzt genannte Kriterium ist dabei grds. nicht nur auf der Ebene der permission relevant, vielmehr wird sufficient interest letztlich synonym verwandt für den weitergehenden Begriff des standing.448 Standing wiederum ist aber keine reine Zulassungshürde, deren einmaliges Überspringen ausreicht – vielmehr muss es sowohl auf der Ebene der permission als auch im Rahmen des eigentlichen Verfahrens vorliegen.449 Auf Ebene der permission kann das Gericht wegen fehlenden standing solche Fälle abweisen, in denen ein schutzwürdiges, nachvollziehbares Rechtsschutzinteresse des Klägers fehlt, etwa wenn sich der Kläger nur wichtig machen will,450 worin die Filterfunktion des permission-Verfahrens zum Ausdruck kommt. In jeder späteren Phase des Verfahrens muss das Gericht außerdem von sich aus prüfen, ob das standing des Klägers noch immer gegeben ist, oder ob es zwischenzeitlich weggefallen ist.451 Auf der permission-Ebene als summarischer Prüfung führt dabei nur ein offensichtlich fehlendes Rechtsschutzinteresse zum Ausschluss der Klage; auf dieser Ebene spielt das Kriterium des standing in der Praxis daher nur eine geringe Rolle, vielmehr wird es oft zum Gegenstand des eigentlichen Verfahrens gemacht,452 weil die Frage nach dem Vorliegen des standing in der heutigen Rechtsprechung sehr stark abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls gehandhabt wird.453 Tendenziell ist dieses Kriterium sehr flexibel 447 Vor der Vereinheitlichung der Rechtsbehelfe unter dem gemeinsamen Dach des JR bestanden für jeden einzelnen Rechtsbehelf auch eigene Anforderungen an die Zulassung. Die Schaffung eines einheitlichen Zulassungskriteriums mit dem »sufficient interest« sollte den Gerichten die Aufgabe abnehmen, die einzelnen Präzedenzfälle, die zur Zulassung der bisherigen Einzelrechtsbehelfe ergangen und in sich völlig inkonsistent waren, unter einer einheitlichen Linie vereinigen zu müssen. Zwar ist wohl die alte Rechtsprechung zu den subjektiven Anforderungen an den Kläger für die Zulassung des JR teilweise auch heute noch relevant; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 2 – 007. Allerdings ist ihre Wirkung durch die Äußerungen in dem Urteil Inland Revenue Commissioners v. National Federation of Self Employed and Small Businesses Ltd [1982] AC 617 (638 ff.) per Diplock LJ weitgehend eingeschränkt; siehe zum Ganzen auch Kleve/ Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 147. 448 So auch Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 147; Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 589, der die synonyme Verwendung von »standing« und »sufficient interest« kritisiert. 449 Siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 147; Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 590. 450 Das Gericht kann so »[…] abuse by busybodies, cranks and other mischief-makers« verhindern; siehe Inland Revenue Commissioners v. National Federation of Self Employed and Small Businesses Ltd [1982] AC 617 (653 G) per Scarman LJ. 451 Die Frage nach dem Vorliegen von »standing« ist letztlich eine Frage der jurisdiction des Gerichts, weshalb es diese Voraussetzung von sich aus prüfen muss. Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 2 – 009. 452 Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 046. 453 Mit der oben (Fn. 447 und 450) genannten Entscheidung Inland Revenue Commissioners v.
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und die Rechtsprechung bei der Zuerkennung von standing mitunter sehr liberal,454 so dass teilweise auch die Gewährung der permission für Popularklagen einzelner Bürger möglich ist.455 Hoheitsträger hingegen haben in der Regel schon dann standing, wenn die von ihnen angegriffene Entscheidung eines anderen Hoheitsträgers ihre eigene Aufgabenerfüllung beeinflusst.456 Für Fälle, die im Anwendungsbereich des Human Rights Act 1998 c.42 als Umsetzung der EMRK liegen, bestehen für das standing besondere Regeln, die die Anforderungen einer Betroffenheit des Klägers als »Opfer« aus Art. 34 EMRK übernimmt.457 Eine weitere Zulassungshürde ist, dass der JR grds. fristgebunden ist und unverzüglich, spätestens aber drei Monate nach dem Ereignis, welches die Tatsachen schafft, auf die sich die Klage gründet,458 erhoben werden muss. Die Einhaltung der Frist hat das Gericht grds. auf der permission-Ebene zu berücksichtigen – das gerichtliche Ermessen in der permission-Phase führt jedoch dazu, dass die Frist keine Ausschlussfrist ist, sondern auch ein verspäteter Antrag aufgrund des Ermessens des Gerichts zugelassen werden kann.459 Umgekehrt kann die permission aber auch versagt werden, wenn eine Klageschrift
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National Federation of Self Employed and Small Businesses Ltd [1982] AC 617, in der es um die Klage von Steuerzahlern gegen die Finanzbehörden wegen deren Verzicht auf die Beitreibung von Steuern von bestimmten Personen ging, hat das HoL festgelegt, dass das Kriterium des »standing« letztlich nicht als abstraktes Zulässigkeitskriterium gehandhabt werden könne, sondern in Zusammenschau mit allen anderen Fakten des Falles betrachtet werden müsse. Damit wird die Anforderung des »standing« zu einem Test, der zur materiellen Begründetheit der Klage hinzukommt und bei dem danach zu fragen ist, ob der Kläger die konkrete Klage überhaupt geltend machen darf; siehe m. w. N. Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 591 f. Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 147 f. Siehe die Äußerungen in Inland Revenue Commissioners v. National Federation of Self Employed and Small Businesses Ltd [1982] AC 617 (644 E) per Diplock LJ sowie R. v. Greater London Council Ex p. Blackburn [1976] 1 WLR 550 (559) per Denning LJ; siehe ferner Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 592 sowie Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, 2007, S. 148 mit Beispielen für die wenig restriktive Rechtsprechung zum »standing«. Siehe Lewis, Judicial Remedies in Public Law, 3rd ed. 2004, para. 10 – 032 m. w. N. Die Regelung hierzu ist s.7(7) Human Rights Act 1998 c.42; siehe dazu ferner Kleve/ Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 146 und S. 162ff; zum Human Rights Act 1998 c.42 im Einzelnen siehe unten, II.C.3.b)(3)(b), S. 162ff. Siehe r.54.5 CPR; siehe auch Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 149. Eine Verspätung in der Klageerhebung kann das Gericht grds. nach seinem Ermessen berücksichtigen und verspätete Klagen zulassen, wenn gute Gründe hierfür bestehen; siehe s.31(6) Senior Courts Act 1981 c.54 und r 3.1 CPR i. V. m. Practice Direction 54, para. 5.6(3); siehe z. B. R. (on the application of Harrison) v. Flintshire Magistrates’ Court [2004] EWHC 1456; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 050.
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zwar innerhalb der Dreimonatsfrist eingereicht wurde, aber früher hätte eingereicht werden können460 oder »zu früh« eingereicht wurde.461 Was das Gericht bei der Beurteilung der Fristgemäßheit in seiner Ermessensausübung zu berücksichtigen hat und was nicht, ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt und lässt sich kaum abstrakt beschreiben.462 b)
Subsidiarität des judicial review-Verfahrens gegenüber anderen Rechtsbehelfen
Von den Gerichten im Rahmen des permission-Verfahrens in der Vergangenheit sehr unterschiedlich beurteilt wurde die Frage, in welchem Verhältnis das Verfahren des JR zu anderen Rechtsbehelfen steht bzw. ob der JR subsidiär ist, dessen Durchführung also die Ausschöpfung anderer Rechtsbehelfe notwendig macht: Lange Zeit sahen sich die Gerichte an der Gewährung des JR durch die Möglichkeit des Klägers, einen anderen Rechtsbehelf einlegen zu können, nicht gehindert – wo etwa die Möglichkeit bestand, gegen eine bestimmte Maßnahme oder Unterlassung direkt den zuständigen Minister463 bzw. die Behörde anzurufen464 oder wo ein ähnlicher, informell ausgestalteter Mechanismus465 gesetzlich vorgesehen war, wurde der JR dennoch für anwendbar gehalten.466 460 So etwa die Entscheidung R. v. Secretary of State for Health Ex p. Alcohol Recovery Project [1993] COD 344; R. v. Swale B.C. Ex p. Royal Society for the Protection of Birds (1990) 2 Admin LR 790; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 052. 461 Gemeint ist der Fall der »prematurity«. Darunter kann etwa gefasst werden, dass ein Kläger gegen eine Maßnahme vorgeht, die etwa nur Teil eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens ist oder gegen eine nur vorläufige Entscheidung; siehe zum Ganzen Lewis, Judicial Remedies in Public Law, 3rd ed. 2004, para. 11 – 013 m. w. N. 462 Gründe für die Zulassung der Klage trotz Verspätung waren in der Vergangenheit etwa Zeitverzögerungen durch die Beantragung von Prozesskostenhilfe, eine besonders wichtige Rechtsfrage, ein Zeitverlust durch die vorherige Inanspruchnahme alternativer Rechtsbehelfe; Gründe für die Versagung der permission trotz Fristwahrung waren etwa Verzögerungen durch die Einschaltung eines nichtjuristischen Prozessvertreters; siehe zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 054. 463 Wie etwa im Fall Cooper v. Wilson [1937] 2 KB 309; gegen die hier streitgegenständliche Entscheidung über die Entlassung eines hohen Polizeioffiziers hätte für diesen ein gesetzliches Recht zur Anrufung des Innenministers bestanden, von dem jedoch kein Gebrauch gemacht wurde. Das Gericht hielt dies für zulässig. Genauso auch die Entscheidungen R. v. Hillingdon Borough Council Ex p. Royco Homes Ltd [1974] 1 QB 720 und Munnich v. Godstone Rural District Council [1966] 1 WLR 427 – in diesen beiden Fällen wäre gegen die streitgegenständliche Bauplanungsentscheidung die Anrufung des entsprechenden Ministers mit einer weiteren Möglichkeit zur Überprüfung von dessen Entscheidung beim CoA möglich gewesen; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 602 f. 464 Siehe den Fall R. v. Stepney Corp [1902] 1 KB 317, in dem gegen die streitgegenständliche
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In jüngerer Zeit allerdings fanden sich immer wieder genau entgegengesetzte Aussagen der Gerichte, die deutlich machen, dass der JR als subsidiärer Rechtsbehelf angesehen wird, der grds. auf besondere Ausnahmefälle beschränkt und daher beim Vorliegen alternativer Rechtsbehelfe regelmäßig ausgeschlossen sein soll:467 Als den JR ausschließende Alternativrechtsbehelfe wurden dabei wiederum die unterschiedlichsten, formellen wie informellen Verfahren und Mechanismen angesehen,468 wie etwa die Möglichkeit der An-
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Entscheidung einer Lokalbehörde über die Höhe einer finanziellen Entschädigung für die Abschaffung eines Gemeindeamtes ein Recht zum appeal zum Finanzministerium bestand. Siehe etwa die Entscheidung Roy v. Kensington and Chelsea and Westminster Family Practitioner Committee [1992] 1 AC 624, in der gegen die Entscheidungen über die Höhe von Zahlungen des Gesundheitssystems an Ärzte eine zwar nicht gesetzlich, aber in einer Rechtsverordnung niedergelegte Möglichkeit bestand, gegen die Entscheidung des zuständigen Gremiums den Minister anzurufen; der dort vorgesehene Rechtsbehelf wurde vom Gericht in seiner Ausgestaltung als »loose and uncertain« aufgefasst. Gleichwohl deutete das Gericht an, dass dem Kläger, der dieses Mittel nicht ausschöpft, die Verfahrenskosten für das JR-Verfahren auferlegt werden könnten; siehe Roy v. Kensington and Chelsea and Westminster Family Practitioner Committee [1992] 1 AC 624 (637 B-H) per Lowry LJ. Siehe zum Ganzen Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 602. Entsprechend wurde die Möglichkeit zur Einlegung des JR auch unter dem Aspekt eines freiwilligen Verzichts auf dessen Durchführung durch die Nutzung eines anderen Rechtsbehelfs nicht ausgeschlossen. Dieses Argument wurde vereinzelt gegen die Zulässigkeit des JR vorgebracht, etwa in der Entscheidung Ridge v. Baldwin, in der zunächst der CoA die Zulässigkeit des JR mit dem Argument ausschloss, der Kläger habe, nachdem er die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, gegen die streitgegenständliche Entscheidung vorzugehen, durchlaufen hatte, konkludent auf die Ausübung seiner Möglichkeit zur Durchführung des JR verzichtet (siehe Ridge v. Baldwin [1963] 1 QB 539 (571 ff. per Holroyd LJ; 578 ff. per Harman LJ; 583 ff. per Davis LJ). Das HoL hob diese Entscheidung jedoch auf (Ridge v. Baldwin [1963] 1 QB 539) und entschied später – als Privy Council – auch in anderen Fällen entsprechend; siehe Annamunthodo v Oilfields Workers Trade Union [1961] AC 945. Allgemein äußerte sich etwa das HoL in R. v. Inland Revenue Commissioners Ex p. Preston [1985] AC 835 (852)per Lord Scarman: »A remedy by way of judicial review is not to be made available where an alternative remedy exists. This is a proposition of great importance. Judicial review is a collateral challenge: it is not an appeal. Where Parliament has provided by statute appeal procedure, […] it will only be very rarely that the courts will allow the collateral process of judicial review to be used to attack an appealable decision.« I. E. ebenso R. v. Chief Constable of Merseyside Police Ex p Calveley [1986] QB 424 (433) per May LJ, wo das Gericht entschied, der Kläger solle stets zuerst alle anderen Rechte zum appeal ausüben, bevor ein JR zulässig sein könne, »[…] save in the most exceptional circumstances«, unter Bezugnahme auf R. v. Epping and Harlow General Commissioners Ex p. Goldstraw [1983] 3 All ER 257 (262) per Donaldson MR; genauso R. v. Panel on Takeovers and Mergers Ex p. Guinness plc [1990] 1 QB 146 (177E, 177G–178 A) per Donaldson MR; siehe zum Ganzen auch Moules, JR, 2005, 4, 350 (352 ff., para. 13 ff.); Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 604; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 014ff, jeweils m. w. N. Etwa ein gesetzlich geregeltes Beschwerdeverfahren bei der handelnden Behörde, R. v. East Sussex CC Ex p. W (A Minor) [1998] 2 FLR 1082: Hier bestand die Möglichkeit, gegen die streitgegenständliche Entscheidung einer lokalen Behörde über die Unterbringung geistig gestörter Kinder in Heimen ein gesetzlich vorgeschriebenes Beschwerdeverfahren zu eben
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rufung eines Ombudsmannes.469 Entsprechend wurde dem Kläger in vielen Fällen die permission versagt, wo das Gericht nach summarischer Prüfung in Ausübung seines Ermessens zu dem Ergebnis kam, dass ein anderer Rechtsbehelf für den Kläger verfügbar war und im konkreten Fall hätte genutzt werden können.470 Das Erstarken dieser eher restriktiven Auffassung471 rührte vom Bestreben der Gerichte her, die stetig wachsende Zahl von Anträgen auf JR einzudämmen;472 es entwickelte sich die Praxis, beim Bestehen möglicher Alternativ-
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dieser Behörde in Anspruch zu nehmen. Genauso wurde als hinreichender Alternativrechtsbehelf die Möglichkeit angesehen, sich nach Androhung einer Geldstrafe durch einen Minister hiergegen mit einer Beschwerde an diesen zu wenden; siehe R. (on the application of Balbo B& C Auto Transporti Internazionli) v. Secretary of State for the Home Department [2001] 1 WLR 1556 (1561) per Brooke LJ: Genau genommen war hier der Alternativrechtsbehelf nicht die Möglichkeit, sich gegen die Androhung zu wenden (dies hatte der Kläger in dem konkreten Verfahren nämlich getan), sondern die Tatsache, dass es nach erfolgloser Beschwerde gegen das Ergehen der Geldstrafe an dem Minister war, diese auch einzuklagen – im Rahmen des sich anschließenden Verfahrens wären die Gegenvorstellungen der Kläger einer gerichtlichen Prüfung zugeführt worden. Sogar die Möglichkeit zur Durchführung eines Privatklageverfahrens wurde als den JR ausschließender Alternativrechtsbehelf angesehen; siehe R. v. DPP Ex p. Camelot Group Plc (1998) 10 Admin LR 93; siehe zum Ganzen auch Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 021. R. v. Lambeth LBC Ex p. Crookes (1997) 29 HLR 28 (39) per Blom-Cooper QC: Ombudsleute können idR »maladministration«, also schlechte Verwaltungstätigkeit untersuchen, wobei dieser Begriff nicht definiert ist und daher gewisse Überschneidungen mit dem Anwendungsbereich des JR aufweisen kann; siehe zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 1 – 083; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 168 ff. Stellt ein Ombudsmann »maladministration« fest, spricht er eine Empfehlung aus, wie die Behörde damit umgehen und im konkreten Fall Abhilfe schaffen kann (etwa durch eine Entschuldigung gegenüber dem Bürger oder die Zahlung einer Entschädigung), die allerdings für die Behörde grds. unverbindlich ist – angesichts der hohen tatsächlichen Bindungswirkung einer solchen Empfehlung jedoch sah das Gericht hier die Anrufung eines Ombudsmannes als hinreichend effektiven Alternativrechtsbehelf an, um die permission zu versagen. Siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 016. In folgenden Entscheidungen folgerten die Gerichte entsprechend, dass bereits die permission aufgrund der Möglichkeit zur Einlegung eines alternativen Rechtsbehelfs versagt werden müsse: R. (Cowl) v. Plymouth CC [2001] EWCA Civ 1935 (2002) per Woolf LJ; R. (on the application of Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475 (zu dieser Entscheidung siehe auch unten, bei Fn. 590); R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Swati [1986] 1 WLR 477; R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Capti-Mehmet [1997] COD 61; in folgenden Entscheidungen wurde hingegen die Klage erst im Rahmen des Hauptverfahrens abgewiesen: R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Doorga [1990] COD 109. R. v. Birmingham City Council Ex p. Ferrero Ltd [1992] All ER 530; R. (A) v. Leeds Magistrates’ Court [2004] EWHC 554 (Admin); siehe zum Ganzen auch Moules, JR, 2005, 4, 350 (352 ff., para. 13 ff.). Zunächst äußerten sich die Gerichte zu diesen Fragen nur »in obiter«, d. h. ohne, dass dies verbindliche Rechtswirkung entfaltete. Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 604. Zwischenzeitlich hat die Law
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rechtsbehelfe, die permission zu versagen, weshalb man mittlerweile die Annahme der Subsidiarität des JR wohl als Grundhaltung der Gerichte für die Ausübung ihres Ermessens ansehen kann.473 Entsprechend schließt die Schaffung eines neuen Rechtsbehelfs durch ein Parlamentsgesetz den JR zumindest in aller Regel aus – wenngleich dies eben nicht automatisch geschieht.474 Mittlerweile haben sich gewisse Fallgruppen entwickelt, wann die Gerichte den JR trotz Bestehens eines Alternativrechtsbehelfs zulassen: So sahen die Gerichte den JR etwa dort als nicht subsidiär an, wo ein anderer, grds. möglicher Rechtsbehelf für den Kläger nicht so effektiv ist wie der JR,475 oder wo im Wege des JR die Möglichkeit besteht, eine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung zu entscheiden.476 Wo allerdings der Gesetzgeber selbst ein mehrstufiges appeal-Recht zu einem Gericht oder tribunal ausgestaltet hat, führt die Nichtausschöpfung dieses Weges durch den Kläger in einem JR-Verfahren fast immer zur Versagung der permission:477 Zum einen deshalb, weil die Prüfungsdichte solcher Mechanismen in aller Regel größer ist als die im Rahmen des JR,478 und damit dem Rechtsschutzbegehren des Bürgers durch andere Verfahren besser gedient ist,
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Commission die Einführung einer ausdrücklichen Regelung gefordert, nach der die Durchführung des JR jedenfalls davon abhängig sein soll, dass alle anderen möglichen Rechtsbehelfe zuvor ausgeschöpft sind; siehe Law Commission, Administrative Law, 1994, para. 5.33; Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 604. Diese Grundhaltung der Gerichte äußert sich bereits im Pre-Action Protocol for Judicial Review, para. 2 (wiedergegeben etwa in Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, Appendix I), das die Anforderungen, die an eine Klageschrift zur Beantragung des JR gestellt werden, erklärt und ausführt: »Judicial Review may be used where there is no right of appeal or where all avenues of appeal have been exhausted«. In der bereits (Fn. 467) genannten Entscheidung R. v. Panel on Takeovers and Mergers Ex p. Guinness plc [1990] 1 QB 146, para. 177E, 177G–178 A per Donaldson MR wurde die aufgrund des Vorhandenseins alternativer Rechtsbehelfe von den Gerichten aufgestellte Beschränkung gerade als »self-imposed fetter« beschrieben. Siehe etwa die Entscheidungen R. v. Deputy Governor of Parkhurst Prison Ex p. Leech [1988] AC 533. Der mögliche Alternativrechtsbehelf war die Einlegung einer Beschwerde durch einen Gefangenen an den Innenminister gegen eine Disziplinarmaßnahme durch den Gefängnisdirektor. In der Entscheidung R. (Hoverspeed Ltd) v. Commissioners for Customs and Excise [2003] 2 WLR 950, para 57 f. per Mance LJ hingegen bestand der Alternativrechtsbehelf in einem stark limitierten Recht zum appeal zu einem tribunal, das in seiner Ausgestaltung jedoch als unzureichend angesehen wurde. Siehe R. v. Huntingdon District Council Ex p. Cowan [1984] 1 WLR 501 (507) per Gildwell J; R. v. Devon County Council Ex p. Baker [1995] 1 All ER 73 (87a–d), per Dillon LJ bzw. (92e–h) per Brown LJ; siehe auch Moules, JR, 2005, 4, 350 (354, para. 20.). Siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 018 f, 16 – 020 unter Verweis auf die Entscheidungen R. v. Birmingham City Council Ex p. Ferrero Ltd [1992] All ER 530 (siehe schon oben, Fn. 470); Farley v. Secretary of State for Work and Pensions (No. 2) [2006] UKHL 31; R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Swati [1986] 1 WLR 477; R. v. Ministery of Defence Ex p. Sweeney [1999] COD 1222. Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 020.; zur Prüfungsdichte im Rahmen des JR siehe sogleich, II.C.3., S. 133.
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zum anderen, weil die Intention des Gesetzgebers, die hinter der Schaffung der jeweiligen appeal-Mechanismen in ihrer konkreten Ausgestaltung steht, nicht zum Tragen käme, könnte der Kläger einfach ein anderes Verfahren wählen.479 Grds. stellen die Rechtsbehelfe, für deren Gewährung das nun bestehende Tribunalsystem des TCEA 2007 c.15 geschaffen wurde, einen Alternativrechtsbehelf zum JR dar.480 Der Frage, inwiefern dies zum Ausschluss der Anwendbarkeit des JR führt, wird an andererer Stelle nachgegangen.481 c)
Rechtsschutz gegen Versagung der permission
Lehnt das Gericht die Gewährung der permission ab, kann der Kläger die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragen.482 Ist das Gericht auch nach Durchführung der mündlichen Anhörung nicht davon überzeugt, dass der Kläger einen arguable case hat, und lehnt daher den Antrag endgültig ab, kann der Kläger gegen diese ablehnende Entscheidung seinerseits ein Rechtsmittel zum CoA als nächster Instanz einlegen; dieser allerdings bedarf erneut einer permission to appeal, entweder durch den High Court oder durch den CoA.483 Auch das Verfahren zur Beantragung der permission to appeal zum CoA besteht dabei aus einem mündlichen und einem schriftlichen Verfahrensschritt,484 nach dessen Durchlaufen der CoA entweder den High Court zur Einleitung des Hauptverfahrens verpflichten oder die Sache gleich selbst entscheiden kann.485 Insgesamt ergeben sich also vier mögliche, richterliche Prüfungen einer Ausgangsentscheidung, die der Kläger in jedem Fall in Anspruch nehmen kann und zwar selbst dann, wenn seine Klage keinerlei Aussicht auf Erfolg hat. Auch darauf wird an anderer Stelle noch zurückzukommen sein.
479 Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 020; R. (on the application of Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475, para. 54 per Phillips MR; zu dieser Entscheidung siehe auch unten, bei Fn. 590. 480 Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 019. 481 Siehe unten, VIII.C., S. 495ff. 482 Hat der Richter den Antrag auf Gewährung der permission nach den schriftlichen Ausführungen von Kläger und Beklagtem abgelehnt, kann der Kläger die Durchführung der mündlichen Anhörung verlangen; siehe r.54.12 CPR. 483 Siehe r.52.3 CPR. Der Antrag ist binnen sieben Tagen nach Eingang der schriftlichen Versagungsentscheidung zu stellen. 484 Zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 061. 485 Siehe r.52.15 CPR. Der CoA kann dann entweder die »permission to appeal« versagen, sie erteilen und eine Anhörung im Hauptsacheverfahren einleiten oder die »permission to claim for judicial review« erteilen, womit das Verfahren gleichsam an den High Court zurückverwiesen wird und dort ins Hauptverfahren übergeht, es sei denn, der CoA trifft eine andere Anordnung. Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 556 Fn. 44; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 061.
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Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung
Mögliche Beklagte und Überprüfungsgegenstände eines judicial review-Verfahrens
Aufgrund seines Ursprungs in den writs ist der heutige JR ein Rechtsbehelf, der gegen Entscheidungen, Maßnahmen und Unterlassungen aller möglichen Hoheitsträger und staatlichen Akteure eingesetzt werden kann – sowohl justiziell verfahrende Spruchkörper als auch administrative Institutionen unterstanden schließlich einst der Kontrolle durch den Court of the King’s Bench und unterstehen deshalb heute der Aufsicht seines Nachfolgers, des High Court. Ausgenommen von umfassender, gerichtlicher Aufsicht im Wege des JR ist freilich das Parlament aufgrund des verfassungsrechtlichen Dogmas der Parlamentssuprematie,486 nach der eine Bestimmung, die in einem Parlamentsgesetz enthalten ist, nicht durch ein Gericht in Frage gestellt werden kann.487 Allerdings ist vor allem durch die Einflüsse des Europarechts dieser Grundsatz mittlerweile in mancher Hinsicht aufgeweicht,488 da die Gerichte Bestimmungen in Parlamentsgesetzen etwa auf ihre Vereinbarkeit mit dem Europarecht überprüfen können489 sowie 486 Die »Parliament Supremacy« bzw. »Sovereignty of Parliament« besagt zum einen, dass das Parlament omnikompetent ist (»It can in theory ban smoking in Paris, or repeal the grant of independence to former colonies.«) und zugleich, dass es ein Machtmonopol besitzt, so dass alle Befugnisse der Exekutive letztlich stets der (ausdrücklichen oder impliziten) Billigung und der Aufsicht des Parlaments unterliegen; siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 1 – 002. Eine weitere wichtige Regel, die hieraus hergeleitet wird, ist die, dass es vollständig ungebunden ist; insb. kann kein früheres Parlament ein späteres binden (»Parliament cannot bind its successors«); zu den praktischen Auswirkungen dieser Regel siehe unten, Fn. 489. 487 Das Dogma der Parlamentssuprematie besagt für die Anwendbarkeit des JR, dass eine materielle Prüfung sowie die Befassung des Gerichts mit dem Zustandekommen eines Parlamentsgesetzes nicht statthaft ist; siehe Pickin v. British Railways Board [1974] AC 765 m. w. N. Herleiten lässt sich diese Doktrin bereits aus Artikel 9 der Bill of Rights 1689 (1 Will.& Mary) c.2: »[…] proceedings in Parliament ought not to be impeached or questioned in any court«; siehe zum Ganzen statt aller Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 143 f. Aus der Doktrin der Parlamentssuprematie folgt ferner, dass die Binnenorganisation des Parlaments sowie Äußerungen in parlamentarischen Debatten nicht Gegenstand gerichtlicher Prüfung sein können (»parliamentary privilege«); siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 019. 488 Auch nach innerstaatlichem Recht können sich Konstellationen ergeben, in denen Bestimmungen in Parlamentsgesetzen zum Gegenstand gerichtlicher Prüfung werden können: So etwa im Fall Jackson v. Attorney General [2005] UKHL 56, in dem das Gericht berufen war, im Wege des JR über die Wirksamkeit eines Gesetzes zum Verbot der Fuchsjagd mit Hunden zu befinden, welches nach dem Verfahren der Parliament Acts 1911 and 1949 zustande gekommen war; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para.3 – 019. 489 Durch s.2(4) European Communities Act 1972 c.68 wurde vorgeschrieben, dass das Europarecht gegenüber allem innerstaatlichen Recht Vorrang genieße – die Schlussfolgerung, dass die Gerichte angesichts dieser Regel die Kompetenz hätten, Parlamentsgesetze auf ihre
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auf deren Vereinbarkeit mit der EMRK, worauf an anderer Stelle noch eingegangen wird.490 Abgesehen davon ist der potentielle Anwendungsbereich des JR auf Hoheitsträger jedoch heute nahezu unbegrenzt: Im Rahmen der Kodifikation des JR durch den Senior Court Act 1981 c.54 und der CPR wurde er dahingehend umschrieben, dass all das zum Gegenstand eines JR-Verfahrens gemacht werden kann, was in Wahrnehmung einer public function geschieht.491 Da das englische Recht keine klare Grenzziehung zwischen privatem und öffentlichem Recht vornimmt,492 ist diese abstrakte Umschreibung des Anwendungsbereichs des JR für sich genommen nur wenig aussagekräftig und damit durch die Gerichte sehr frei handhabbar. Eine viel klarere Umschreibung lässt sich andererseits wohl kaum geben, weil staatliches Handeln in England heute die unterschiedlichsten Erscheinungsformen annehmen kann493 und staatliche Funktionen insb. seit Mitte der 1980er Jahre unterschiedlichsten Akteuren in verschiedensten Organisationsformen übertragen sind, was die Identifikation der Ausübung einer
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Vereinbarkeit mit europäischem Recht zu prüfen und im Falle ihrer Unvereinbarkeit ihre Unanwendbarkeit durch die Gewährung entsprechender Rechtsbehelfe anzuordnen, war dennoch erst in der Entscheidung R. v. Secretary of State for Transport Ex p. Factortame Ltd (No. 2) [1991] 1 AC 603 von den Gerichten gezogen worden: Denn prima facie ist dies unvereinbar mit dem Prinzip »Parliament can not bind its successors« (siehe oben, Fn. 486). In der genannten Entscheidung ging es um die Vereinbarkeit einer Bestimmung zur Begrenzung des Fischfangs durch spanische Fischerboote in britischen Gewässern, die europarechtswidrig war. Dadurch dass s.2(4) European Communities Act 1972 c.68 die Bestimmung dieses späteren Gesetzes nun unwirksam werden ließ, war gleichsam eine Bindung des späteren Parlaments durch ein früheres eingetreten. So lange der European Communities Act 1972 c.68 also noch in Kraft ist, gilt das Prinzip der Parlamentssuprematie in dieser Hinsicht nur eingeschränkt – allerdings kann jedes spätere Parlament jederzeit den European Communities Act 1972 c.68 widerrufen, da dieser selbst keinen höherwertigen Schutz genießt als irgendein anderes Gesetz. Siehe zum Ganzen Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 23 f. sowie Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 71 f. Bestimmte Gerichte können ein Parlamentsgesetz im Wege einer »declaration of incompatibility« für unvereinbar mit der EMRK erklären; siehe hierzu im Einzelnen noch unten, VII.G.3.a)(2), S. 456. Siehe r.54.1(2)(a) CPR: »a ›claim for judicial review‹ means a claim to review the lawfulness of (i) an enactment; or (ii) a decision, action or failure to act in relation to the exercise of a public function«. Dazu siehe schon oben, I.C.1, S. 44. Gerade im Rahmen der Bestimmung des Anwendungsbereichs des JR wird die fehlende Abgrenzung zwischen »public law« und »private law« deutlich; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 001. Eine Handlungsformenlehre wie das deutsche Verwaltungsrecht kennt das englische Recht nicht. Es gibt im englischen Recht schon gar keinen festen Begriff eines Verwaltungsverfahrens – demgemäß gibt es genausowenig eine Entsprechung zum deutschen Verwaltungsakt; siehe zum Ganzen Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 91 ff.
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public function teilweise erheblich erschweren kann:494 Exekutive Funktionen werden sowohl direkt von Ministerien495 und kommunalen496 Behörden wahrgenommen, aber auch von sog. executive agencies497 und non-departmental public bodies (NDPBs)498, d. h. organisatorisch mehr oder weniger eigenstän494 Englisches Recht kennt das Konzept des Staates als Rechtsperson nicht; siehe oben, Fn. 35. 495 Die zentralstaatliche Regierung besteht im Grunde aus einer Vielzahl von »Secretaries of State«. Das Amt des Secretary of State ist ein einheitliches, es gibt also grds. von Rechts wegen keinerlei Differenzierungen zwischen einzelnen sachlichen Zuständigkeitsbereichen der Fachministerien; damit ist also jeder einzelne Secretary of State in der Lage, die Aufgabe eines jeden anderen Secretary of State wahrzunehmen. Der Zuschnitt der Ministerien kann dabei entsprechend den Vorschriften des Ministers of the Crown Act 1975 c.26 durch Verordnung verändert werden. Solche Ministerien haben dabei meist selbst eine körperschaftliche Organisationsform; siehe zum Ganzen Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 41 sowie Halsbury’s Laws of England, Bd. 8(2), 4th ed. 1996, para. 355 mit einer Übersicht über die gegenwärtig bestehenden Ministerien. Die Bezeichnung »Secretary of State« wird in britischen Gesetzen fast ausschließlich zur Bezeichnung eines handelnden Exekutivorgans verwandt. Nur die cabinet ministers sind dabei den deutschen Bundesministern vergleichbar, leiten ein eigenes Regierungsministerium und sind Teil des Kabinetts des Premierministers; daneben gibt es noch eine Vielzahl von junior ministers, die als Äquivalente zu den deutschen Staatssekretären die Regierungsarbeit unterstützen; siehe zum Ganzen Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 79 f. 496 Es gibt 410 local authorities in England und Wales mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Aufgaben; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 004. Dabei nimmt die englische Kommunalverwaltung nur solche Aufgaben wahr, die ihr durch den Zentralstaat zugewiesen sind, eine kommunale Selbstverwaltungsgarantie kennt das englische Recht nicht; zum Aufbau der Kommunalverwaltung in England im Einzelnen siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 87 ff. 497 Die Existenz dieser executive agencies geht auf die sog. »Next Steps«-Initiative der späten 1980er Jahre zurück, in der damit begonnen wurde, eine Aufteilung innerhalb der Exekutive zwischen der Schaffung politischer Zielvorgaben und deren Umsetzung herzustellen: Während ersteres heute Aufgabe der zentralstaatlichen Ministerien ist, wurden für letzteres die executive agencies geschaffen, die für die Durchführung ihrer Aufgaben mit unterschiedlich weitgehenden Kompetenzen ausgestattet sein und durchaus auch hoheitliche Zwangsbefugnisse ausüben können. Diese agencies nehmen daher heute eine Vielzahl von Verwaltungsaufgaben wahr, vor allem in der Leistungsverwaltung. Dabei ist der hier verwendete Begriff »executive agency« für sich genommen keineswegs aussagekräftig, da die betreffenden Einrichtungen die unterschiedlichsten Namen tragen können. Der tatsächliche Grad der organisatorischen Abhängigkeit der agencies von einem zentralstaatlichen Regierungsministerium ist recht unterschiedlich – teilweise sind sie weitgehend in die Organisation eines Ministeriums integriert, teilweise bestehen sie aber auch als eigenständige Körperschaften. Ihre Mitarbeiter sind civil servants, also Beamte. Sie sind damit letztlich den nachgeordneten Dienststellen des deutschen Rechts vergleichbar. In jedem Fall ist für die Tätigkeit der executive agencies ein Minister direkt gegenüber dem Parlament verantwortlich; siehe zum Ganzen Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 57 f. m. w. N. Die »Next Steps«-Initiative war getragen von Ideen des »New Public Management«; siehe auch Cane/Conaghan/ Daintith, in: Cane (ed.), Oxford Companion to Law, 2009, Stichwort: »Next Steps Agencies«. 498 Diese Einrichtungen werden z. T. auch als »QUANGOS« (»Quasi Autonomous Non-
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digen Verwaltungseinheiten, die die verschiedensten, auch privatrechtlichen Organisationsformen haben können499. Außerdem sind alle möglichen Formen von justiziellen Handlungen durch niedere Gerichte – sowohl straf- als auch zivilrechtlicher Zuständigkeit500 – sowie Ombudsleute, behördeninterne Überprüfungsmechanismen und natürlich tribunals potentiell im Wege des JR überprüfbar,501 einschließlich Entscheidungen mancher domestic tribunals.502 Ferner kommt es für die Anwendbarkeit des JR letztlich auch nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Maßnahme auf ein Gesetz oder einen anderen, hoheitlichen Akt gründet:503 Auch Exekutivakte, die sich auf eine nicht geregelte Kompetenz aus dem common law, nämlich die royal prerogative504 stützen, sind
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500 501 502 503
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Governmental Organisations«) bezeichnet. Von den executive agencies unterscheiden sie sich dadurch, dass sie in noch größerem Maße unabhängig sind von einem Ministerium und dass kein Minister die politische Verantwortung für die Aktivitäten dieser Einrichtungen gegenüber dem Parlament trägt. Sie nehmen dabei die verschiedensten Aufgaben des Zentralstaats wahr, können mit hoheitlichen (Zwangs-)Befugnissen ausgestattet sein oder auch nur beratende Funktionen haben. Ihre Verbindung zur Zentralregierung besteht dabei meist nur darin, dass sie aus dem Regierungshaushalt finanziert werden und ihre jeweiligen Führungspersönlichkeiten maßgeblich von der Regierung bestimmt werden; siehe zum Ganzen Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 83 m.w.N. Gegenwärtig (Sept. 2011) finden auch auf dem Feld der NDBPs umfassende Reformbemühungen statt: Durch den Public Bodies Bill 2011 versucht die Regierung einen großen Teil des zwischenzeitlich entstandenen Wildwuchses von NDPBs durch Zusammenlegung und Abschaffung einzudämmen; siehe die Informationen auf der Internetpräsenz des Unterhauses, abrufbar hier: http://services. parliament.uk/bills/2010 – 11/publicbodieshl.html, besucht am: 04. 09. 2011. Die Schaffung dieser Einrichtungen wird durch Gesetze legitimiert, ihre konkrete Ausgestaltung kann aber auch die Form einer Gesellschaft des Privatrechts annehmen, auf die die Regierung jedoch auf verschiedenen Wegen (etwa durch die maßgebliche Bestimmung des Führungspersonals) Einfluss ausübt; siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 84 m.w.N. Siehe insb. zu den möglichen Anwendungen des JR im Rahmen eines normalen Zivilverfahrens die Darstellung der Entscheidung »Sivarubramaniam« unten, bei Fn. 590. Siehe zum potentiellen Anwendungsbereich des JR auf justizielle Entscheidungen im weitesten Sinne Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 005 ff. Siehe dazu bereits oben, I.D.2., S. 57, Fn. 92. Ob der jeweilige Überprüfungsgegenstand dem JR zugänglich ist, prüfen die Gerichte zunächst danach, was als Kompetenzgrundlage herangezogen werden kann. Dabei wenden die Gerichte die (widerlegliche) Vermutung an, dass es sich um eine überprüfbare Maßnahme handelt, wenn die Rechtsgrundlage ein Parlamentsgesetz oder ein untergesetzlicher Rechtsakt ist (handelt es sich etwa um einen »private act« – dazu siehe unten, bei Fn. 750 – ist eine Überprüfung im JR nicht zwingend). Erst wenn dieses offensichtliche Kriterium nicht gegeben ist, fragen die Gerichte danach, ob der zu überprüfende Akt in Ausübung einer »public function« geschah; dafür hat die Rechtsprechung bisher die verschiedensten Tests angewandt, die nur wenig klar und von den Gerichten auch bewusst offen gehalten werden; siehe zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 045 sowie para. 3 – 053. Während die Befugnisse der Monarchen im 17. Jhd. noch so weitreichend waren, dass auch Verhaftungen und Steuererhebungen auf sie gestützt werden konnten, sind die heutigen Prärogativbefugnisse der Exekutive nur noch ein fast vollständig durch ausdrückliches
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nach der Rechtsprechung seit der Entscheidung Lain grds. überprüfbar :505 Lange Zeit war eine effektive gerichtliche Kontrolle solcher Maßnahmen durch das grds. noch heute geltende Argument gehindert, zumindest die prerogative remedies könnten schon rein logisch nicht zur Überprüfung derartiger Prärogativbefugnisse der Exekutive genutzt werden, stützen sie sich doch selbst auf eben dieses königliche Prärogativrecht.506 Durch die Möglichkeit zur Gewährung Gesetzesrecht ersetztes Relikt, das zudem nur in dem Rahmen besteht, wie es durch das common law – d. h. durch die Gerichte – zugelassen wird (»[T]he King hath no prerogative, but that which the lay of the land allows him.« Case of Proclamations (1611) 12 Co. Rep. 74 (76) per Coke; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 032; siehe zum Ganzen Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 181). Beispiele für »prerogative powers« von großer praktischer Bedeutung waren bisher etwa das Recht, Telefonate abzuhören und einige andere polizeiliche Befugnisse (siehe Foulkes, Administrative Law, 8th ed. 1995, S. 54 mit Beispielen aus der Rechtsprechung sowie Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 57), die gesamte Organisation des öffentlichen Dienstes oder der Abschluss völkerrechtlicher Verträge; siehe zum Ganzen Le Sueur, Nature, Powers and Accountibility of Central Government, in: Feldman (Hrsg.), English Public Law 2004 paras 3.109 – 3.117 mit weiteren Beispielen. Diese Bereiche sind aber heute weitgehend gesetzlich geregelt worden. 505 Bis in die 1970er Jahre hinein gingen die Gerichte davon aus, dass sie nicht befugt seien, die Ausübung von prerogative powers zu überprüfen – sie hielten sich lediglich für befugt zu entscheiden, ob überhaupt eine solche vorliegt oder nicht sowie ihre Reichweite, ob sie ausgeübt wurde und ob sie durch eine gesetzliche Bestimmung überholt ist; siehe zuletzt Laker Airways Ltd v. Department of Trade [1977] QB 643; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 033 Fn. 130 m. w. N. Dies änderte sich mit der Entscheidung R. v. Criminal Injuries Compensation Board Ex p. Lain [1976] 2 QB 864: Hier wurde die Entscheidung des »Criminal Injuries Compensation Board« überprüft, eines Gremiums, das gestützt auf die königliche Prärogative geschaffen worden war; siehe auch Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 135; siehe zum Rechtsbereich der »criminal injuries compensation« noch unten, V.B.1.b), S. 247f. Spätere Entscheidungen haben dies bestätigt, wenngleich sich die Gerichte trotz der grds. Bejahung ihrer Prüfungskompetenz in einigen Wirkungsbereichen der Prärogativrechte sehr zurückhalten, wie die Entscheidung Council of Civil Service Unions v. Minister for the Civil Service [1985] AC 374 (sog. »GCHQ-Case«) zeigt: Auch hier entschied das HoL, dass es grds. keinen Grund mehr gebe, exekutive Entscheidungen nicht zu überprüfen, bloß weil deren Grundlage eine prerogative power ist. Die Frage, die sich das Gericht vielmehr stellen müsse, sei, ob diese prerogative power justiziabel sei oder nicht. Solche nicht-justiziablen Akte der Exekutive sollten etwa das Gnadenrecht, die Verleihung von Ehrungen, die Auflösung des Parlaments und die Ernennung von Ministern sein; siehe Council of Civil Service Unions v. Minister for the Civil Service [1985] AC 374 (418) per Scarman LJ sowie zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 034. 506 Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 132. Da die prerogative writs ja gerade aus den königlichen Prärogativrechten abgeleitet werden und damit letztlich einen ›königlichen Gefallen‹ gegenüber dem Bürger darstellten, konnten sie logischerweise nicht gegen Maßnahmen in Stellung gebracht werden, die ihrerseits auf der Prärogative beruhten; siehe R. v. Powell (1841) 113 ER 1166 (1170) per Denman CJ: »[…] there would be an incongruity in the Queen commanding herself to do an act […]«. Dieses Argument trägt heute zumindest noch insoweit, als dass Maßnahmen, die unmittelbar der Krone zugerechnet werden, nach wie vor nicht mittels der prerogative remedies überprüfbar sind – dies hat jedoch regelmäßig keine praktische Auswirkung, da die prerogative
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der ordinary remedies im Wege des JR jedoch ist heute die Durchführung des JRVerfahrens auch hinsichtlich Maßnahmen, die unmittelbar auf die Kompetenzen der Krone gestützt sind, nicht mehr gehindert.507 Durch einen sehr breiten und flexiblen Ansatz haben die Gerichte jedoch diese und andere Beschränkungen der Anwendbarkeit des JR bzw. der in diesem Verfahren gewährten einzelnen Rechtsbehelfe508 überwunden und so fast jedes hoheitliche Handeln weitgehend überprüfbar gemacht: Sowohl rechtliches als auch tatsächliches Handeln,509 unabhängig davon, ob bzw. welche Außenwirkung es entfaltet,510 und auch grds. unabhängig davon, ob eine Handlung durch autoritative individuelle Einzelfallregelung, Rechtssetzung511 oder vertraglich erfolgt.512 Von vornherein ausgenommen von gerichtlicher Kontrolle sind
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remedies zwar nicht gegen die Krone, sehr wohl aber gegen deren Minister und Regierungsbehörden anwendbar sind, denen von der Krone Handlungsermächtigungen erteilt werden; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 521. Gegen die seltenen Maßnahmen, die ihre Autorität direkt von der Krone ableiten, kann also zumindest die declaration gegen den im Namen der Krone handelnden Minister angewandt werden; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 483. So konnten etwa die certiorari bzw. quashing order und die prohibition bzw. prohibitive order lange Zeit nicht gegen solche hoheitlichen Akte eingesetzt werden, die selbst keine unmittelbare Rechtswirkung entfalteten, sondern ihrerseits Bestandteil eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses waren: »It cannot be too clearly understood that the remedy by way of certiorari only lies to bring up to this court and quash something which is a determination or a decision.« R. v. St. Lawrence Hospital Statutory Visitors Ex p. Pritchard [1953] 1 WLR 1158 (1166) per Parker J. Anwendbar waren die beiden writs daher nicht auf vorgelagerte Entscheidungen, also etwa nicht auf den bloßen Bericht eines Gremiums, wenn dieser lediglich als Entscheidungsgrundlage für ein anderes Gremium diente. Heute sind diese Beschränkungen allerdings überwunden; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 517 f.; siehe ferner Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 025. Es können etwa auch Presseerklärungen überprüft werden; siehe R. v. Secretary of State for Trade and Industry Ex p. Greenpeace Ltd (No. 1) [1998] Eu LR 48. Es ist also grds. auch die Überprüfung von rein behördeninternen Verwaltungsanweisungen, unabhängig von deren konkreter Anwendung möglich; siehe R. (on the application of Axon) v. Secretary of State for Health [2006] EWHC 37; R. (on the application of Burke) v. General Medical Council [2005] EWCA Civ 1003; R. (on the application of United Cooperatives Ltd) v. Manchester City Council [2005] EWHC 364. Allerdings sind die Gerichte in diesen Fällen bei der Zulassung des JR restriktiv – außerdem stellt sich hier u. U. das Problem der »prematurity« (dazu siehe oben, Fn. 461); siehe zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para.3 – 027. Sofern es sich nicht um echte Parlamentsgesetze handelt, können auch abstrakt-generelle Rechtsnormen im Wege des JR überprüft werden, vor allem »delegated legislation«, also Rechtsverordnungen durch Exekutivorgane; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para.3 – 011 m. w. N. Dies gilt auch dann, wenn diese durch das Parlament genehmigt wurden; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 22 m. w. N. Auch vertragliches Handeln kann im Wege des JR überprüft werden, solange dieses nur zur Ausübung einer »public function« dient. Wann dies der Fall ist, lässt sich nur an Beispielen verdeutlichen: JR ist sowohl anwendbar, wenn ein Vertrag geschlossen wird (wie es etwa im
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praktisch so gut wie keine exekutiven Maßnahmen, allenfalls bestimmte, sehr seltene Anordnungen des Attorney General.513 In einigen Bereichen, in deren Zentrum letztlich politische Abwägungsen stehen, üben die Gerichte außerdem größte Zurückhaltung, etwa wenn Exekutiventscheidungen Fragen der nationalen Sicherheit betreffen.514 Ungeachtet seines großen potentiellen Anwendungsspektrums und der in der Vergangenheit eher zunehmenden Verfahrenszahlen ist der JR rein quantitativ für den Rechtsschutz des Bürgers jedoch zu vernachlässigen – von den jährlich anhängig gemachten Verfahren vor dem High Court werden selbst von den wenigen Verfahren, die die permission-Hürde überspringen können, mehr Klagen letztlich abgewiesen als stattgegeben; vor allem aber tragen JR-Verfahren gegenüber den Verfahrenszahlen der sogleich dargestellten tribunals nur einen verschwindend geringen Anteil zur Gesamtaktivität auf dem Feld der adminis-
Vergaberecht geschieht: siehe R. v. Legal Aid Board Ex p. Donn & Co [1996] 3 All ER 1, wo es um die Vergabe eines Vertrages über die rechtliche Vertretung von Golfkriegsveteranen ging) als auch, wenn gerade die Weigerung, einen (weiteren) Vertrag zu schließen, überprüft werden soll (siehe etwa R. v. Lewisham LBC Ex p. Shell UK [1988] 1 All ER 938, in der die beklagte Gemeinde sich weigerte, mit der Klägerin einen Vertrag zu schließen aufgrund von deren Verbindungen zu Südafrikas Apartheid-Regime.); siehe zum Ganzen Woolf/ Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para.3 – 056 ff. 513 Das Amt des Attorney General kann bis ins 13. Jhd. zurückverfolgt werden und ist bis heute nur sporadisch geregelt. Er ist politischer Beamter, d. h. der Amtsinhaber muss zurücktreten, wenn er durch die Regierung dazu aufgefordert wird oder die Regierung abgewählt wird; siehe Gillespie, English Legal System, 1st 2007, S. 404. Aufgabe des Attorney General ist grds. zunächst die Vertretung der Regierung in nationalen und internationalen Prozessen und ihre rechtliche Beratung. Vor allem aber spielt er eine wichtige Rolle im Rahmen strafrechtlicher Anklageverfahren; siehe hierzu Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 415. Ferner kann er mit bestimmten Maßnahmen, die sich seit jeher auf die royal prerogative stützen, in Ermittlungs- bzw. Anklageverfahren eingreifen, etwa durch die Anordnung, ein laufendes Ermittlungsverfahren gegen eine Person einzustellen (»nolle prosequi«-Anordnung). Derartige Entscheidungen können nicht zum Gegenstand eines JRVerfahrens gemacht werden – die Kontrolle dieser Tätigkeiten des Attorney General obliegt allein dem Parlament; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para.3 – 019. Ferner hat der Attorney General auch verschiedene weitere Funktionen im Zusammenhang mit Gerichts- und Tribunalsverfahren (etwa im Bereich wohltätiger Organisationen; siehe unten, V.B.5.d)(1), S. 275), und kann auch zuständig sein für die Einleitung von »contempt«-Verfahren (zum »contempt« siehe unten VIII.A.1., S. 478ff.). 514 Entscheidungen mit Belang für die nationale Sicherheit beinhalten oft Abwägungen, für die die Gerichte sich gegenüber der Exekutive für nicht geeignet halten – von vornherein ausgenommen ist die Überprüfung in diesem Bereich aber nicht; siehe etwa R. (on the application of Farrakhan) v. Secretary of State for the Home Department [2002] EWCA Civ 606; R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Turkut [2001] 1 All ER 719 (729) per Brown LJ; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para.1 – 032. Weitere, in erster Linie politische Entscheidungen der Exekutive, die die Gerichte wohl nicht überprüfen würden, sind die im »GCHQ-Case« genannten Beispiele für die Wahrnehmung der royal prerogative (dazu siehe bereits oben in Fn. 505).
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trative justice bei.515 Die tatsächlichen Aussichten eines einzelnen Klägers, im Wege des JR effektiv gegen eine Exekutivmaßnahme geschützt zu werden, sind daher eher gering, was auch mit der insgesamt geringen Dichte der gerichtlichen Kontrolle zusammenhängt, die im Wege des JR erfolgen kann:516
3.
Rechtsgrundlage und Kontrolldichte des heutigen judicial review
Der Zweck des JR ist grds. nicht, die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidungen von Hoheitsträgern herbeizuführen; vielmehr können die Gerichte im Wege des JR lediglich über die Legalität (legality) einer Entscheidung befinden.517 Ihre Prüfung ist mithin klassischerweise vor allem auf die Frage beschränkt, ob die in Rede stehende Entscheidung sich innerhalb jener Grenzen hält, die für die Tätigkeit der Behörde oder des sonstigen Entscheidungsträgers gelten;518 die in dieser Art beschränkte Kompetenz der Gerichte wird als supervisory jurisdiction bezeichnet.519 Praktisch schließt dies zugleich aus, dass das Gericht seine eigene Bewertung einer Sachlage an die Stelle derjenigen des Hoheitsträgers setzen kann, dessen Entscheidung überprüft wird.520 Ausgeschlossen ist damit im Rahmen des JR jedenfalls die Kontrolle der merits, also der materiellen Aspekte der konkreten 515 2010 gab es ca. 10.600 neue Anträge auf Gewährung zur Zulassung eines JR-Verfahrens (anhängig insgesamt, d. h. einschließlich solcher Verfahren, aus dem Vorjahr, waren ca. 16.800 Verfahren). Im gleichen Zeitraum wurde aber nur in 460 Fällen die Zulassung gewährt und die Klage inhaltlich vom Gericht behandelt. Von den anhängig gemachten 460 Klagen waren zudem nur 190 (42 %) erfolgreich, 260 (55 %) hingegen wurden abgewiesen; siehe Ministry of Justice, Judicial and Court Statistics, 2010, S. 5. 516 Sydow/Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 87. 517 »When subjecting some administrative act or order to judicial review, the court is concerned with its legality : is it within the limits of the powers granted? […] On review, the question is ›lawful or unlawful‹?« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 29; siehe insgesamt auch Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 129 f.; Guisanni, Constitutional and Adminsitrative Law, 2008, para. 14 – 003; Leyland/Anthony, Textbook on Administrative Law, 6th ed. 2009, para. 9.1. 518 Die Aufgabe der Gerichte besteht mithin darin sicherzustellen, dass sich ein jeder Hoheitsträger in den Grenzen hält, die sich – heute in erster Linie – aus dem Gesetz oder aber aus dem common law ergeben; vgl. Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 123 m.w.N. 519 Bradley/Ewing, Constitutional and Administrative Law, 14th ed. 2007, para. 9.1. 520 Siehe Guisanni, Constitutional and Adminsitrative Law, 2008, para. 14 – 003. Es geht nur um die Frage, ob die jeweils streitgegenständliche Maßnahme oder Entscheidung so, wie sie getroffen wurde, Bestand haben kann oder nicht; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 29; siehe auch Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 1 – 005 ff., der die hieraus folgenden Beschränkungen für die Prüfungsdichte anschaulich schildert.
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Entscheidung.521 Das Gericht kontrolliert vereinfacht gesagt nur das »wie« eines hoheitlichen Aktes, beschränkt sich also darauf zu prüfen, ob die Maßnahme oder Entscheidung zum Zeitpunkt ihres Ergehens auf hinreichende Tatsachen sowie die daraus gezogenen Schlussfolgerungen auf geltendes Recht gestützt werden konnte sowie auf die Prüfung der Einhaltung der Verfahrensregeln.522 Der JR ist damit zugleich auf die Überprüfung von Rechtsfragen beschränkt, Tatsachenfragen stellen sich in aller Regel nicht523 – wenngleich bereits hier vorweggeschickt sei, dass die Unterscheidung zwischen fact und law, also solchen Fragen, die als Rechts- und solchen, die als Tatsachenfragen aufgefasst werden, keineswegs gefestigt ist.524 Welche Rechtsfehler das Gericht im Rahmen des heutigen JR genau berücksichtigen kann und wie sich der Umfang dieser Kontrolle bis heute entwickelt hat, wird sogleich näher geschildert. Zuvor jedoch ist anzumerken, dass über die dogmatische Herleitung der Kompetenz der Gerichte zur Ausübung des JR in seiner heutigen Form seit längerem525 Streit besteht:526 Vereinfacht – eine umfassende Behandlung dieser 521 Der nicht ins Deutsche übersetzbare oder definierbare Begriff »merits« umfasst etwa Tatsachenfragen, Ermessenserwägungen und Wertungsfragen, die der Entscheidung bzw. Maßnahme des Hoheitsträgers zu Grunde liegen; siehe hierzu Brinktrine, Verwaltungsermessen in Deutschland und England, 1998, S. 187; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 129. 522 Siehe zum Begriff »merits review« in Abgrenzung zum »judicial review« allgemein Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 176, der den Begriff des »merits review« dort allerdings in erster Linie an konkreten Beispielen aus dem australischen Recht exemplifiziert. I. E. genauso aber auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 29. 523 Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 129. In aller Regel wird kein Beweis über Sachfragen erhoben, vielmehr werden Tatsachen aufgrund von eidesstattlicher Versicherung (»affidavit«) in den Prozess eingeführt; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 220. Wo doch einmal Tatsachen zu ermitteln sind, kann das Gericht im Wege des JR selbst tatsächliche Feststellungen treffen und ist hierfür mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet, obgleich sich dies nicht ausdrücklich aus den CPR ergibt: Es kann etwa ein Kreuzverhör anordnen; siehe R. (PG) v. Ealing LBC [2002] EWHC 250. Auch kann das Gericht gem. r.54.16 CPR die Vorlage von Dokumenten fordern; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para.16 – 074 ff. Dass es aber tatsächlich Tatsachenfeststellungen anordnet, geschieht nur höchst selten: Ein Ausnahmefall war etwa das Urteil R. v. Stoklesley, Yorkshire, Justices Ex p. Bartram [1956] 1 WLR 254; Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 220; siehe zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para 16 – 074. 524 Siehe zu der unsicheren Unterscheidung zwischen »fact« und »law« unten, VII.G.2.b), S. 423 sowie zu dieser Diskussion im Zusammenhang mit dem JR Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 11 – 048, Fn. 131 m.w.N. und Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 229. 525 Die Debatte wurde angestoßen durch den Aufsatz Oliver, PL 1987, 543 (543 ff.) (abgedruckt: Oliver, Is the Ultra Vires Rule the Basis of Judicial Review?, in: Forsyth (Hrsg.), Judicial Review and the Constitution 2000, S. 4 (4 ff.)); vgl. Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 342.
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Thematik würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen – steht im Mittelpunkt dieses Streits die Frage, worin die verfassungsrechtliche Grundlage dafür gesehen werden kann, dass die Gerichte den JR in der Form entwickelt haben, die er heute hat;527 eine Frage, die mit fundamentalen Fragen des Verfassungsrechts verknüpft ist,528 die ihrerseits immer wieder Gegenstand umfassender Diskussionen sind: Nach der orthodoxen, lange Zeit unwidersprochenen Auffassung, der sog. ultra vires theory, sei die Grundlage aller Kompetenzen der Gerichte im Rahmen des JR darin zu sehen, dass die Gerichte dazu berufen seien, die Einhaltung der Grenzen zu überwachen, die das Parlament einem jeden Hoheitsträger gesetzt habe.529 Dieser klassische Ansatz stellt damit vor allem das verfassungsrechtliche Prinzip der Parlamentssuprematie in den Mittelpunkt seiner Rechtfertigung des JR, gemäß dem letztlich alle staatliche Gewalt – also auch die der Gerichte – vom Parlament abgeleitet sein muss.530 526 »The primary question raised by British judicial review,[…], is the source and extent of this power – why do judges have this power of judicial review, and how should that power be exercised?« Ringhand, Col. JTL 2005, 865 (871 ff.). Die über diese Frage bestehenden, divergierenden Auffassungen können hier nur rudimentär dargestellt werden – ausführliche und sehr anschauliche Darstellungen der einzelnen Ansichten finden sich bei Forsyth, Judicial Review and the Consitution, 2000, S. 3 ff.; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 1 – 011; Supperstone/Goudie/Walker, Judicial Review, 3rd ed. 2005, para. 6.2.1 ff.; Ringhand, Col. JTL 2005, 865 (871 ff.); aus der deutschen Literaur siehe nur Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 336 ff.; Becker, ZaöRV 2001, 61, 85 (85 ff.). 527 Siehe Leyland/Anthony, Textbook on Administrative Law, 6th ed. 2009, para. 9.1. Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien der sogleich geschilderten Debatte, dass die Entwicklung des JR tatsächlich durch die Gerichte geschehen ist – lediglich die Frage, wodurch diese Entwicklung zu legitimieren ist, ist Gegenstand des Streits; siehe Bradley/Ewing, Constitutional and Administrative Law, 14th ed. 2007, S. 696. 528 »The constitution shapes administrative law and in turn is shaped by it«; siehe Woolf/ Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 1 – 011; vgl. auch Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 336. 529 Wichtigster Vertreter der klassischen »ultra vires theory« der Gegenwart war William Wade (der 2004 verstarb). Sie wird – wenn auch mittlerweile in modifizierter Form (siehe unten, Fn. 536) – nun von Forsyth vertreten: »The simple proposition that a public authority may not act outside its powers (ultra vires) might fitly be called the central principle of administrative law«; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 30. 530 Zentrales Argument dieser Auffassung ist, dass das souveräne Parlament die richterliche Rechtsentwicklung jederzeit durch Gesetze aufhalten oder dirigieren kann – dass dies jedoch nicht geschehen ist, sei als stillschweigende Zustimmung der Legislative zur Entwicklung des JR durch die Judikative zu sehen: »[T]he judicial achievement in creating the modern law did not take place in a constitutional vacuum. It took place against the background of a sovereign legislature that could have intervened at any moment (and sometimes did). […] [T]he legislature may reasonably be taken to have given tacit approval to the development by the judiciary of the priniciples of judicial review, subject, crucially, the regognition of legislative supremacy«. Forsyth, Of Fig Leaves and Fairy-Tales, in: Forsyth (Hrsg.), Judicial Review and the Constitution 2000, S. 39 (41). Den Zusammenhang zwi-
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Von den Kritikern dieser Auffassung, deren Konzept zusammenfassend als common law theory bezeichnet werden kann,531 wird hiergegen vor allem vorgebracht, dass mittlerweile ja auch solche hoheitlichen Maßnahmen durch die Gerichte geprüft würden, die sich nicht auf ein Gesetz oder sonstwie parlamentarisch legitimierten Rechtsakt stützen – wo die Exekutive Gebrauch von ihren Prärogativrechten mache,532 gebe es auch keinerlei parlamentarisch legitimierten Akt als Kompetenzgrundlage, aus dem sich der Wille des Parlaments zu den Kompetenzen des Hoheitsträgers durch die Gerichte ermitteln ließe.533 In diesen Fällen könne daher ein Abstellen auf den Willen des Parlaments letztlich nur Fiktion sein. Die Grundlage für den heutigen JR sei daher vielmehr im common law zu sehen – die sogleich noch näher beschriebenen Standards, an denen die Gerichte hoheitliches Handeln im Rahmen des JR heute messen (grounds of review), seien mithin richterrechtliche Schöpfungen, deren Legitimation nicht im Willen des Parlaments, sondern in einer den Gerichten inhärenten Kompetenz aus dem common law liegt.534 Als Reaktion auf diese Kritik haben die Vertreter der ultra vires theory diese mittlerweile modifiziert (modified ultra vires theory)535 : Danach liegt der ge-
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schen der »ultra vires theory« und dem Prinzip der Parlamentssuprematie beschreibt anschaulich auch Ringhand, Col. JTL 2005, 865 (871). Siehe Guisanni, Constitutional and Adminsitrative Law, 2008, para. 14 – 006. Auch diese Rechtsakte können Gerichte mittlerweile kontrollieren; siehe oben, bei Fn. 504. Die Vertreter der »common law theory« variieren dabei ihrerseits ebenfalls hinsichtlich Details ihrer Auffassungen – die Vertreter der »ultra vires theory« haben daher das Meinungsspektrum innerhalb der »common law theory« in zwei Gruppen eingeteilt, nämlich die »weak« und die »strong critics«; siehe Forsyth, Of Fig Leaves and Fairy-Tales, in: Forsyth (Hrsg.), Judicial Review and the Constitution 2000, S. 29 (33 f.); siehe auch zusammenfassend Ringhand, Col. JTL 2005, 865 (880 ff.): Als erstere werden dabei diejenigen bezeichnet, die meinen, das Abstellen der »ultra vires theory« auf einen unausgesprochenen Willen des Gesetzgebers sei Fiktion, ohne allerdings das für die »ultra vires theory« zentrale Prinzip der Parlamentssuprematie in Frage zu stellen – dieser Gruppe werden Craig, Ultra Vires and the Foundations of Judicial Review, in: Forsyth (Hrsg.), Judicial Review and the Constitution 2000, S. 47 (47 ff.) und Oliver, Is the Ultra Vires Rule the Basis of Judicial Review?, in: Forsyth (Hrsg.), Judicial Review and the Constitution 2000, S. 4 (4 ff.) zugerechnet. Letztere hingegen kennzeichne, dass sie aus der richterrechtlichen Entwicklung des JR letztlich die Konsequenz ziehen müssten, dass die Gerichte in der Lage seien, ihre aus dem common law gewonnene Kompetenz zur Entwicklung des JR schlussendlich auch gegen das Parlament durchzusetzen, weil das Dogma der Parlamentssuprematie ebenfalls eine Entwicklung des common law sei; siehe Forsyth, Of Fig Leaves and Fairy-Tales, in: Forsyth (Hrsg.), Judicial Review and the Constitution 2000, S. 29 (34). In diese Gruppe wird etwa Lord Laws mit dessen Beitrag zu dieser Debatte in PL 1995, Spr., 72 (72 ff.) eingeordnet. Siehe nur Craig, Ultra Vires and the Foundations of Judicial Review, in: Forsyth (Hrsg.), Judicial Review and the Constitution 2000 S. 47 (61). Übersichtlich dargestellt werden das Meinungsspektrum und die Argumente der »weak challenge« bei Ringhand, Col. JTL 2005, 865 (882 ff.). Siehe Elliott, CLJ 1999, 58(1), 129 (149 ff.); Guisanni, Constitutional and Adminsitrative Law, 2008, para. 14 – 006.
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richtlichen Kompetenz zum JR zwar nicht ein in jedem Fall konkret zu ermittelnder, aber ein allgemeiner, nicht ausdrücklich geäußerter Wille des Parlaments zu Grunde, dass die Gerichte jedes hoheitliche Handeln in eben jenen Grenzen halten sollen, die die Gerichte in ihrer Rechtsprechung entwickelt haben – die richterrechtliche Rechtsentwicklung ist demnach durch einen general intent des Parlaments getragen, der dadurch zum Ausdruck komme, dass es die richterliche Rechtsfortbildung nicht unterbinde, sondern bewusst hinnehme.536 Diese widerstreitenden Grundpositionen sind mittlerweile weitgehend festgefahren, ohne dass zu erkennen wäre, dass eine dieser beiden Ansichten die Oberhand hätte.537 Demnach besteht in vielerlei Hinsicht Einigkeit zwischen den Disputanten: Vor allem wird von den Gegnern der ultra vires theory nicht bestritten, dass es in jedem Fall Zweck des JR ist, einen Hoheitsträger in jenen Grenzen zu halten, die sich im Wege der Auslegung einem Gesetz oder anderem, ausdrücklichen Rechtsakt entnehmen lassen538 – und dies sind die praktisch weitaus meisten Fälle.539 Lediglich die Frage, ob die konkrete Festlegung dieser Grenzen unter Rückgriff auf einen – vermeintlichen – parlamentarischen Willen notwendig sei, wird von den Verfechtern der common law theory bestritten.540 Ungeachtet der Differenzen über die dogmatische Herleitung dieser Kompetenz kann damit jedenfalls gesagt werden, dass als Aufgabe der Gerichte angesehen wird, mittels des JR zu verhindern, dass Hoheitsträger ultra vires handeln, was immer dann der Fall ist, wenn der betreffende Hoheitsträger einen Rechtsfehler 536 Dieser Begründungsansatz des JR wurde ins Feld geführt von Marc Elliott in seinem Aufsatz Elliott, CLJ 1999, 58(1), 129 (129 ff.) und Elliott, Constitutional Foundations of Judicial Review, 2001, S. 247 ff.; siehe auch Ringhand, Col. JTL 2005, 865 (888 ff.). 537 Vor allem ist nicht ersichtlich, dass eine dieser Auffassungen sich in der Rechtsprechung hätte durchsetzen können; beide Auffassungen führen verschiedene Urteile und richterliche Äußerungen für sich ins Feld. 538 Siehe Leyland/Anthony, Textbook on Administrative Law, 6th ed. 2009, para. 9.1. Dies unterstreicht etwa Craig, einer der wichtigsten Kritiker der »ultra vires-theory«, der seiner eigenen Kritik folgende Klarstellung voranstellt: »When reading the criticisms of the ultra vires principle […] it is important to bear two related points in mind in order to avoid confusion. One is that those who are critical of the ultra vires principle as the foundation of judicial review are not committed in any sense to regard legislative intent as being irrelevant in determining the extent and incidence of such review. It is self-evident that the enabling legislation must be considered when determining the ambit of a body’s powers.« Craig, Ultra Vires and the Foundations of Judicial Review, in: Forsyth (Hrsg.), Judicial Review and the Constitution 2000 S. 47 (49). 539 Leyland/Anthony, Textbook on Administrative Law, 6th ed. 2009, para. 10.1. 540 So stellt Craig als wohl wichtigster Verter der »common law theory« klar : »[C]ritis of the ultra vires principle are of course concerned to keep bodies within their assigned spheres. The central issue is how far the relevant legal rules and their application can be satisfactorily explained by reference to legislative intent.« Craig, Ultra Vires and the Foundations of Judicial Review, in: Forsyth (Hrsg.), Judicial Review and the Constitution 2000 S. 47 (49).
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begeht, der das Vorliegen eines der heute bestehenden, sogleich näher geschilderten grounds of review begründet.541 Die Entwicklung dieser grounds of review war dabei durch eine stetige Ausdehnung der Prüfungsdichte des JR gekennzeichnet – obgleich die Gerichte nämlich mit den prerogative writs auf ein Jahrhunderte altes Instrumentarium zur Rechtskontrolle von Hoheitsträgern zurückgreifen konnten, war doch die Dichte der mit diesen Rechtsbehelfen ausgeübten Kontrolle bis in die zweite Hälfte des 20. Jhds. hinein stark eingeschränkt542 und zwar in mehrfacher Hinsicht: a)
Ultra vires, collateral fact-Doktrin und jurisdictional error
Der bereits angesprochene ultra vires-Gedanke543 besagt vereinfacht, dass die Gerichte effektiv nur in solches Handeln eines Hoheitsträgers korrigierend 541 Wenn daher im Folgenden von »ultra vires« bzw. der »ultra vires«-Doktrin die Rede ist, ist dies keine Positionierung in der geschilderten Auseinandersetzung zu Gunsten der »ultra vires theory«, sondern meint – entsprechend einem verbreiteten Sprachgebrauch (siehe etwa Bradley/Ewing, Constitutional and Administrative Law, 14th ed. 2007, S. 697; Guisanni, Constitutional and Adminsitrative Law, 2008, para. 15.003, S. 269) – lediglich ein Handeln, welches das Vorliegen eines der »grounds of judicial review« begründet. Ebenso handhaben es auch Leyland/Anthony, Textbook on Administrative Law, 6th ed. 2009, para. 9.1. 542 Eine verfassungsrechtliche Verankerung gerichtlichen Rechtsschutzes, die Art. 19 IV GG in Konsequenz und Deutlichkeit vergleichbar wäre, existiert in England nicht; siehe Kleve/ Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 145. Analysen des gerichtlichen Rechtsschutzes in England kamen daher in der Vergangenheit oft zu dem Ergebnis, dass dieser unzureichend sei; siehe Friedmann, Kontrolle der Vewaltung, 1970, S. 184 m.w.N.; Dobson, CJQ 1982, 1, 1 (4); Riedel, Kontrolle der Verwaltung, 1976, S. 278. 543 Der »ultra vires«-Gedanke hat sich als spezifisches Konzept nicht etwa im Zusammenhang mit typischen, öffentlich-rechtlichen Funktionsträgern wie Behörden und Ministerien entwickelt sondern ist eigentlich ein Kind des Gesellschaftsrechts: Im Zuge der Industriellen Revolution in der zweiten Hälfte des 19. Jhds. wurde eine große Zahl von Gesellschaften des Privatrechts zum Bau von Kanalsystemen und Eisenbahnlinien durch besondere Parlamentsgesetze geschaffen (dazu siehe auch noch unten, bei Fn. 748). Als die Gerichte dazu berufen wurden, sich mit den rechtlichen Möglichkeiten dieser Gesellschaften zu befassen, entwickelten sie die »ultra vires«-Doktrin; siehe insb. zur weiteren Entwicklung und Übertragung der Grundsätze der »ultra vires«-Doktrin auf Lokalbehörden Glücksmann, Grenzen der Betätigung englischer Verwaltungsbehörden, 1984, S. 14 ff. Die eigentlich damit bezeichneten Ideen hatten allerdings schon vorher Gestalt angenommen, nämlich im Bereich des Zivilrechts im Zusammenhang mit juristischen Personengemeinschaften nach dem Recht des common law; siehe zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 4 – 012 sowie Street, Treatise on the Doctrine of Ultra Vires, 1930, S. 1 – 3. Im heutigen Gesellschaftsrecht ist die »ultra vires«Doktrin jedoch weitgehend erodiert; siehe Rajak, Cambrian L.R., 1995, 26, 9 (9 ff.). Zum deutschen Verständnis der »ultra vires«-Lehre siehe Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 3 2004, § 83 Rn. 80 ff.; Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwal-
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eingreifen dürfen, durch welches dieser den Bereich der ihm zugewiesenen Kompetenzen überschritten hat.544 Der damit gleichsam vorausgesetzte, gerichtlicher Korrektur gegenüber impermeable Bereich hoheitlicher Tätigkeit wird dabei mit dem schillernden Begriff jurisdiction545 bezeichnet. Dieser Begriff, der in den unterschiedlichsten Zusammenhängen auftaucht und den man wohl am ehesten mit »Entscheidungsbefugnis« übersetzen kann,546 ermöglicht rein theoretisch die Typisierung hoheitlichen Fehlverhaltens als entweder jurisdictional error oder error within jurisdiction547 und ist im Zusammenhang mit der Überprüfung justizieller Entscheidungen von niederen Gerichten und an-
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tungsrechts, 2007, S. 123 Fn. 436 sowie Becker, ZaöRV 2001, 61, 85 (85 ff.); zum Zusammenhang der »ultra vires«-Doktrin mit Gesellschaftsrecht und den königlichen Prärogativrechten siehe auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 183 f. »Judicial review of administrative action was founded upon the premise that an inferior tribunal or administrative public authority is entitled to decide wrongly, but is not entitled to exceed the jurisdiction it was given by statute.« Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 4 – 002; siehe auch Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 151 f.; Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 123; Spoerr, VerwArch, 1991, 25 (38); Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 74. Dem Begriff »jurisdiction« liegt in der englischen Rechtssprache kein einheitlicher Inhalt zu Grunde; siehe Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 123; Supperstone/Goudie/Walker, Judicial Review, 3rd ed. 2005, para. 6.1.1 (»Jurisdiction […] is a protean word.«). Der Begriff »jurisdiction« wird zunächst sowohl im Zusammenhang mit richterlichen Entscheidungstätigkeiten (also im Zusammenhang mit tribunals) als auch im Zusammenhang mit (Ausgangs-)Entscheidungen von Behörden verwendet, wobei allerdings teilweise für letztere auch der Begriff »vires« gebraucht wird;siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 4 – 011 mit Verweis auf R. v. Secretary of State for the Environment Ex p. Ostler [1977] 1 QB 122 (135) per Denning MR, (138) per Goff LJ. »Jurisdiction means authority to decide.« Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 4 – 010. Unter den Begriff fällt damit mehr als nur die »Zuständigkeit« nach deutschem Verständnis; siehe zum Ganzen Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 123 und 125. Kann der deutsche Begriff der »Zuständigkeit« in die Kategorien sachlich, örtlich, instanziell, funktionell unterteilt werden (siehe Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 21 Rn. 47; Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 228 ff.), fallen diese zwar auch nach englischem Verständnis unter den Begriff »jurisdiction«, allerdings ohne dass zwischen diesen terminologisch einheitlich differenziert würde; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, S. 59 para. 2.2, der zwar die unterschiedlichen Bedeutungen von »jurisdiction« im Zusammenhang mit tribunals darstellt, aber hierzu feststellt: »Unfortunately, the law does not have terms of art, or even generally accepted language, to distinguish these differences of use [of jurisdiction].«. Genauso wird auch von »outside jurisdiction« oder »in excess of power« gesprochen, wobei in diese Fehlerkategorie nicht nur Rechtsfehler sondern auch fehlerhafte Tatsachenfeststellungen fallen (sog. »precedent«, »jurisdictional« oder »collateral facts«; siehe hierzu Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 4 – 048 bzw. Wade/ Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 213). Letzteres umfasst falsche tatsächliche Feststellungen, durch deren Vorliegen die jurisdiction eines Gremiums überhaupt erst eröffnet wird; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 211 f.
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deren justiziellen Spruchkörpern entstanden.548 Die klassische ultra viresDoktrin knüpft wiederum daran an, indem sie den ordentlichen Gerichten eine Kompetenz zur Aufhebung von Entscheidungen auch nicht justiziell verfahrender Hoheitsträger verleiht, die einen jurisdictional error enthalten.549 Bis in die 1970er Jahre – teilweise aber noch darüberhinaus – sahen sich die Gerichte jedoch an einer umfassenderen Rechtskontrolle hoheitlichen Handelns vor allem durch ihre Handhabung der ultra vires-Doktrin gehindert: Für die Bestimmung des Vorliegens eines jurisdictional error wurde auf die sog. collateral fact-Doktrin zurückgegriffen:550 Als jurisdictional error wurden danach etwa Rechtsfehler bei der Subsumtion eines Lebenssachverhalts unter ein Tatbestandsmerkmal einer Ermächtigungsgrundlage angesehen: Wo also ein tribunal nur dann eine bestimmte Rechtsfolge anordnen konnte, wenn es zuvor zu dem Ergebnis gekommen war, dass eine Handlung oder Unterlassung sich unter einen bestimmten Rechtsbegriff subsumieren lässt, bewegte es sich außerhalb seiner jurisdiction, wenn dem tribunal bei dieser Subsumtion ein Fehler un548 Das Konzept von »jurisdiction« bzw. die Unterscheidung zwischen »errors within jurisdiction« und »jurisdictional errors« ist damit älter als die »ultra vires«-Doktrin und hat sich aus der Aufsicht der zentralen Gerichtshöfe über untere Gerichte entwickelt: Schon der älteste der prerogative writs, die prohibition, diente ja letzlich dazu, eine dem common law fremde jurisdiction (nämlich die nach römischem Recht verfahrenden Kirchengerichte) in ihre Schranken zu weisen (siehe oben, bei Fn. 319ff.). Im Verlauf des 17. Jhds. begann der Court of the King’s Bench auch bei seiner Aufsicht über die Friedensrichter, die sich ja ebenfalls justizieller Verfahren bedienten, zu unterscheiden zwischen hoheitlichen Akten, die ohne jurisdiction geschahen, die deshalb der certiorari zugänglich waren und gegen deren jeweiligen Verantwortlichen persönlich auch im Wege des »trespass« zivilrechtlich vorgegangen werden konnte. Dabei konnte innerhalb eines solchen Verfahrens die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme inzidenter überprüft werden (»collateral challenge«), wenn das Gericht zu dem Schluss kam, dass die überprüfte Maßnahme ohne jurisdiction geschehen war. Fehler, die innerhalb der jurisdiction geschahen, waren demgegenüber nicht im Wege der »collateral challenge« überprüfbar und auch gegenüber der certiorari immun – zumindest sofern es sich nicht um einen »error on the face of the record« (siehe oben, Fn. 360) handelte. Entsprechend war also auch der Schluss, dass das Vorliegen einer fremden jurisdiction die Prüfungskompetenz der Gerichte beschränken könne, grds. schon im 17. Jhd. gezogen worden; siehe Terry v. Huntington (1679) 145 ER 557 (559) per Hale J; siehe zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 4 – 007 f. 549 »In essence, the doctrine of ultra vires permits the courts to strike down decisions made by bodies exercising public functions which they have not power to make.« Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 4 – 011. Dies umfasst nicht nur einzelne, behördliche Akte gegenüber dem Bürger, sondern auch untergesetzliche Normen: »Ultra vires« können damit auch Verordnungen und Satzungen sein und zwar sowohl aus materiellen als auch aus Verfahrensgründen; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 4 – 013; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 74. 550 Die Terminologie ist dabei auch hier nicht eindeutig; das im Folgenden dargestellte Konzept wird auch »preliminary fact« oder »jurisdictional fact«-Doktrin genannt; siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 14 – 004 ff.
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terlief.551 Fehler, die der Hoheitsträger innerhalb seiner jurisdiction beging, waren demgegenüber nicht überprüfbar – Ausnahmen hiervon waren allenfalls errors on the face of the record, bei deren Vorliegen die Gerichte sich auch für berechtigt hielten, einen error within jurisdiction zu überprüfen.552 Obwohl dieses, auf der collateral fact-Theorie basierende Verständnis der ultra vires-Doktrin stets eine Unterscheidung zwischen jurisdictional error und error within jurisdiction erforderlich machte, waren diese beiden Kategorien jedoch nie völlig klar gegeneinander abgrenzbar ;553 je nach dem von welchem Standpunkt das Gericht eine Frage betrachtete, konnte es ein behördliches Verhalten entweder als jurisdictional error begreifen und seine eigene Rechtsauffassung gegen die der Behörde setzen oder das Verhalten als error within jurisdiction ansehen und damit eine weitere Prüfung ausschließen.554 (1) Gesetzliche Ausschlussklauseln (ouster clauses) Die Abgrenzung jurisdictional error/error within jurisdiction als Suche nach der Grenze der jurisdiction eines Hoheitsträgers geht in Folge des ultra vires-Ge551 Siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 214 ff. (unter Verweis insb. auf die Entscheidungen R. v. Fulham etc. Rent Tribunal Ex p. Philippe [1950] 2 All ER 211 und R. v. Tottenham District Rent Tribunal Ex p. Fryer Ltd [1971] 2 QB 681) mit u. a. folgendem Beispiel: Ein »rent tribunal« (dazu im Einzelnen unten, V.C.2.c)(2)(c), S. 302) hat gesetzlich die Möglichkeit eine zu zahlende Miete zu reduzieren (siehe s.78(2)(a)(ii) Rent Act 1977 c.42), wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass ein bestimmter Bestandteil der Miete letztlich einen nicht gerechtfertigten Mietaufschlag, ein »premium« (siehe s.119 Rent Act 1977 c.42) darstellt. Subsumiert das tribunal nun eine tatsächliche Zahlung fälschlicherweise unter den Begriff des »premium« und mindert deshalb die Mietzahlungspflicht, ist der Subsumtionsfehler ein jurisdictional error, da die Kompetenz des tribunal zur Mietminderung schließlich vom Vorliegen eines premium abhing. 552 Siehe R. v. Lord President of the Privy Council Ex p. Page [1993] AC 682 (701) per BrownWilkinson LJ, der die Möglichkeit zur Aufhebung einer Entscheidung aufgrund eines »error on the face of the record« als wohl einzige Ausnahme zum allgemeinen Grundsatz beschreibt, dass die Gerichte eine Entscheidung, die »intra vires« gefällt wurde, nicht überprüfen können; zur Kategorie des »error on the face of the record« bereits oben, bei Fn. 360. 553 »The concept of jurisdictional error has become one of the most elusive in administrative law, largely because it calls for analytical distinctions which have, as judicial review has developed, become difficult if not impossible to sustain. There is the vexed distinction between jurisdictional error and error of law within jurisdiction. There is also a related distinction between »preliminary« or »collateral« requirements which have to be fulfilled before a public authority’s jurisdiction exists (which therefore go to a public authority’s jurisdiction, being preliminary or collateral to the »merits« of the decision), and requirements (of law or fact or merits) which do not.« Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 4 – 003; siehe mit der gleichen Kritik auch Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 14 – 038. 554 Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 125. Die »ultra vires«-Doktrin scheint auf den ersten Blick logisch stringent zu sein, die auf sie gestützte Kasuistik ist aber letztlich völlig verworren; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 85 f. mit Beispielen.
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dankens und seiner Anknüpfung gerichtlicher Kontrolldichte an diese Fehlerkategorien notwendigerweise mit der Frage einher, welche jurisdiction denn die Gerichte eigentlich zur Kontrolle der in Rede stehenden Maßnahmen haben;555 die jurisdiction eines Hoheitsträgers kann also aufgrund einer Bestimmung größer werden, welche – spiegelbildlich – die gerichtliche Kontrolle von dessen Entscheidungen einschränkt.556 Bestimmungen, die ausdrücklich auf eine solche Beschränkung gerichtlicher Kontrolle abzielen, werden ouster clauses genannt,557 die in unterschiedlichsten Formen auftreten können.558 Obgleich dem common law ein umfassendes Grundrecht auf Justizgewährung entsprechend etwa Art. 19 IV GG unbekannt ist,559 waren die Gerichte bisher dennoch in der Lage, überall dort eine – wenn auch noch weiter beschränkte – Kontrolle hoheitlicher Maßnahmen aufrecht zu erhalten, wo dies für notwendig erachtet wurde, und zwar ungeachtet aller immer wieder unternommenen Versuche des Gesetzgebers, eine solche vollständig auszuschließen. Die Gerichte gehen dabei heute560 davon aus, dass eine Vermutung zu Gunsten des JR spricht, die nur dort nicht gelte, wo der Gesetzgeber dessen Ausschluss ausdrücklich und unmissverständlich anordne, was sie zugleich zu einer sehr restriktiven Auslegung solcher Bestimmungen berechtige.561 Selbst dort, wo der Wortlaut einer ouster 555 Auch im Zusammenhang mit den Kompetenzen der obersten Gerichtshöfe wird schließlich von »jurisdiction« gesprochen: »Jurisdiction« bedeutet in diesem Zusammenhang »courts have power to enquire into such a claim and consider whether any relief is called for.« Bahamas District of the Methodist Church in the Caribbean and the Americas v. Symonette [2000] UKPC 31 (32) per Nicholls LJ. 556 Die jurisdiction des zu überprüfenden Spruchkörpers und die des überprüfenden sind damit »two interlocking aspects of jurisdiction[.]« Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 4 – 015. 557 Sie können auch »preclusive clauses« genannt werden; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 019; siehe auch Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 144 f. 558 Siehe zu den unterschiedlichen Formen von »ouster clauses« bei Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para 4 – 014; Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 10.11.1 sowie Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 87 ff. 559 Siehe Riedel, Kontrolle der Verwaltung, 1976, S. 278; Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 133; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 145. Zu den Auswirkungen der Geltung des Human Rights Act 1998 c.42 auf die Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen siehe Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 334 ff. 560 Die restriktive Grundhaltung der Gerichte zu »ouster clauses« findet sich bereits sehr früh; siehe etwa R. v. Moreley (1760) 97 ER 696: In dieser Entscheidung ging es darum, ob s.6 Conventicle Act 1670 (22 Ch. II) c. 1 – es handelte sich dabei um ein Gesetz zur Unterdrückung von Treffen, die nicht mit dem Glauben der englischen Kirche vereinbar waren, »conventicle« genannt – die certiorari ausschließen könne. 561 »I find it very well settled that the remedy by certiorari is never to be taken away by any statute except by the most clear and explicit words« R. v. Medical Appeal Tribunal Ex p. Gilmore [1957] 1 QB 574 (583) per Lord Denning LJ; siehe auch Wade/Forsyth, Adminis-
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clause augenscheinlich keinerlei Interpretationsspielraum zulässt, fanden die Gerichte daher Wege, eine gerichtliche Prüfung einzuleiten:562 So etwa in Fällen, wo das Gesetz vorschrieb, eine Entscheidung könne »durch kein Gericht in Frage gestellt werden.«563 Zwar wurde die Wirkung vieler älterer ouster clauses durch die Legislative selbst weitgehend564 entschärft,565 allerdings war der Gesetzgeber zugleich wegen der Parlamentssuprematie auch nie an der Schaffung neuer ouster clauses gehindert. Die somit immer wieder unternommenen Versuche, durch diverse Gesetzesbestimmungen den JR auszuschließen, führten mitunter zu massiven Konflikten zwischen der Legislative und der demgegenüber immer selbstbewusster werdenden Judikative.566 Mittlerweile haben auch hier die
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trative Law, 10th ed. 2009, S. 610 m.w.N.: »It is a common law presumption of legislative intent that access to the courts in respect of justiciable issues is not to be denied save by clear words in a statute.« Dabei muss es sich auch um parlamentarisches Gesetzesrecht handeln – Rechtsverordnungen und andere untergesetzliche Rechtsnormen reichen hierfür nur dann, wenn der Erlass einer solchen Bestimmung sich abermals auf eine ausdrückliche Rechtsnorm im Gesetzesrecht stützen kann; Cester v. Bateson [1920] 1 KB 829; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para 4 – 016 . Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 610: »[T]he Courts have […] long been zealous to resist encroachments upon their jurisdiction.«; siehe auch Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 145 m.w.N. Allerdings war die Bereitschaft der Gerichte hierzu nicht immer so groß – während des 2. Weltkrieges etwa bestand eher eine gegenläufige Tendenz, gegenüber exekutiven Maßnahmen besonders großzügig die eigene Kontrolldichte zurückzunehmen; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 88 f. Zu einer solchen Bestimmung und dem Umgang der Gerichte mit ihr siehe sogleich, insb. Fn. 572. Weitere Beispiele und Formulierungen für derartige »ouster clauses« laute(te)n etwa: »[D]ecision[s] of the Tribunal shall be conclusive for all purposes« (s.14(4) National Assistance Act 1948 (11& 12 Geo.VI) c.29 a. F. oder ss.15(2) und 22(2) National Service Act 1948 (11& 12 Geo.IV) c.64 a. F.) oder »shall not be called in question in any legal proceedings« (siehe s.268(1) Town and Country Planning Act 1990 c.8) oder » [D]ecisions of the Tribunal (including decisions as to whether they have jurisdiction) shall not be subject to appeal or be liable to be questioned in any court.« (s.67(8) Regulation of Investigatory Powers Act 2000 c.23 sowie s.5(4) Security Service Act 1989 c.5 a. F. und s.91(10) Police Act 1997 c.50); siehe zum Ganzen auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 617 f. Schon im ersten Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II) c.66 waren Ausnahmen vorgesehen; auf die wohl bedeutendste wird sogleich eingegangen; siehe unten, Fn. 572. So wurden etwa für ouster clauses, die vorschrieben, eine Entscheidung sei »not to be called into question by any court«, in ihrer Wirkung durch s.11 des Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II) c.66 bzw. heute s.12(1) Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53 stark eingeschränkt: Es wurde vorgeschrieben, dass eine Gesetzesklausel mit einer solchen Formulierung in jedem Gesetz von vor 1958 grds. nicht die Anwendbarkeit von certiorari und mandamus betreffen solle; siehe zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para 4 – 017 sowie Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 89. Verschiedentlich schienen die Richter in den Konflikten mit den anderen Teilgewalten im Zusammenhang mit ouster clauses gewillt, gar das Prinzip der Parlamentssuprematie zu Gunsten der Aufrechterhaltung ihrer JR-jurisdiction zu opfern: »There are even limits on the supremacy of Parliament which it is the courts’ inalienable responsibility to identify and uphold«. Woolf, PL 1995, Spr., 57 (68); Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009,
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Einflüsse des europäischen Rechts, vor allem der EMRK, den Gerichten wertvolle Hilfsmittel zur effektiven Umgehung solcher gesetzlichen Ausschlussklauseln an die Hand gegeben.567 Weil die Gerichte also an einen gesetzlichen Ausschluss ihrer Kompetenz zur Durchführung des JR so hohe Anforderungen stellen, führt heute eine ouster clause in der Regel nicht dazu, dass der JR tatsächlich vollständig und dauerhaft ausgeschlossen ist – was sie jedoch bewirken kann ist, dass die Gerichte ihre Prüfungskompetenz weitgehend zurückfahren, wie sogleich gezeigt wird.568 (2) Die Entscheidung Anisminic und ihre Folgen Die o.g. Beschränkungen der Kontrolldichte des JR durch die collateral factDoktrin wurden durch die Entscheidung Anisminic des HoL weitgehend in ihrer Wirksamkeit beschnitten; zugleich ist die Entscheidung ein gutes Beispiel dafür, wie die Gerichte vermeintlich eindeutige ouster clauses umgehen und eine gerichtliche Kontrolle ermöglichen können: In dieser Entscheidung, die wohl als eine der wichtigsten Wendemarken für die Entwicklung des modernen JR angesehen werden kann,569 ging es inhaltlich um die Kontrolle von Entscheidungen der Foreign Compensation Commission, eines tribunal, dessen Aufgabe die Bestimmung von Entschädigungsleistungen für Eigentumsverluste von Briten im Ausland war.570 Streitig war letztlich die
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S. 617, wenngleich sich derartige Äußerungen nicht in Urteilen selbst finden. Der wohl massivste Konflikt dieser Art in jüngerer Zeit entzündete sich an einer Bestimmung im Asylum and Immigration (Treatment of Claimants) Bill 2004: Dieser enthielt eine Klausel, die effektiv jegliche gerichtliche Kontrolle in Asyl- und Einwanderungsverfahren ausgeschlossen hätte (siehe den Abdruck des Normvorschlags in (o. A.), JR, 2004, 97 (97 f.); Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 145 f.; Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 617 f. (insb. Fn. 279); Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 384. Sowohl von Seiten der Wissenschaft als auch von hochrangigen Richtern stieß diese Bestimmung auf massive Kritik, die erkennen ließ, dass die Gerichte hier zum Äußersten bereit gewesen wären, wäre die Klausel Gesetz geworden. Dies ist jedoch letztlich nicht geschehen. Diese Diskussion befeuerte dabei auch die oben angedeutete Debatte über die verfassungsrechtliche Fundierung des JR (siehe schon oben, bei Fn. 533); siehe ansonsten zum hochsensiblen Bereich des Asyl- und Einwanderungsrecht auch Le Sueur, PL 2004, Sum., 225 (233) sowie unten, V.B.6., S. 281ff.; siehe zu ouster clauses insgesamt auch Woolf/ Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 1 – 018 ff. Siehe hierzu im Einzelnen Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 620 f. Siehe unten, II.C.3.a)(2)(b), S. 148f. Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 614: »That case was a high-water mark of judicial review.« Konkret ging es um Eigentumsverluste in Folge der Suez-Krise von 1956: Hintergrund der Entscheidung war die Nationalisierung von Minen der »Anisminic Ltd« auf der SinaiHalbinsel im Verlauf der Suez-Krise. Ägypten musste aufgrund eines Abkommens von 1959 für Enteignungen Entschädigungen an das Vereinigte Königreich leisten. Durch Rechtsverordnung wurde ein Verfahren geregelt, durch welches diese ägyptischen Entschädigungsgelder von einem tribunal, der Foreign Compensation Commission, auf Enteig-
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Auslegung eines Rechtsbegriffs durch das tribunal, welche die Gewährung eines Entschädigungsanspruchs der klagenden Anisminic Ltd ausschloss;571 dabei sah sich das HoL mit einer ouster clause konfrontiert, die ihrem Wortlaut nach eigentlich eine gerichtliche Überprüfung jeder Entscheidung (determination) des tribunal ausschloss.572 Das HoL entschied jedoch, dass diese ouster clause die Überprüfung der tribunal-Entscheidung nicht vollständig ausschließen könne: Denn die fragliche Entscheidung des tribunal sei keine determination, die dem Wortlaut nach durch die ouster clause vor gerichtlicher Überprüfung geschützt sei. Die von dem tribunal getroffene Entscheidung sei vielmehr ultra vires und damit zugleich in einem Maße rechtsfehlerhaft, dass sie als rechtliches Nullum (nullity) anzusehen sei: Durch die falsche Auslegung des streitigen Rechtsbegriffs habe das tribunal den klägerischen Anspruch abgeschmettert aus Gründen, die es nicht hätte berücksichtigen dürfen – diese fehlerhafte Auslegung sei ein jurisdictional error, aufgrund dessen das tribunal seine jurisdiction überschritten habe, weshalb das Gericht diese Entscheidung aufheben konnte.573 nungsopfer verteilt werden sollten (die grundlegenden Regeln zu diesem tribunal finden sich im Foreign Compensation Act 1950 (12& 13 Geo.VI) c.12; siehe auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 8(2), 4th ed. 1996, para. 804). 571 Es ging um den Begriff »successor in title«: Nach der Verordnung zur Regelung der Entschädigungsansprüche war Voraussetzung, dass der Anspruchsteller oder sein Rechtsnachfolger (»successor in title«) zum Zeitpunkt des Abschlusses des Entschädigungsvertrages von 1959 die britische Nationalität besitzen müsse. Die Anisminic Ltd, die zunächst noch einen anderen Namen hatte, hatte den Namen des ihr entzogenen Eigentums jedoch bereits vor Abschluss des Vertrages an ein ägyptisches Staatsunternehmen (»T.E.D.O.«) zu einem Bruchteil seines Wertes verkaufen müssen – nach der Verstaatlichung hatte die spätere Anisminic Ltd nämlich noch unter ihrem alten Namen gegenüber T.E.D.O Druck gemacht, indem sie ihre ehemaligen Kunden über die Umstände ihrer Entfernung aus dem Geschäft informierte. So konnte T.E.D.O gezwungen werden, für die Rechte an dem Namen und die Namensänderung in Anisminic Ltd zu bezahlen, wobei dies in Form eines »Kaufvertrages« über die Unternehmensbestandteile der Anisminic Ltd in Ägypten geschah (die ja eigentlich nicht hätten verkauft werden müssen, da sie bereits verstaatlicht waren). Das tribunal war angesichts dessen jedoch der Auffassung, T.E.D.O. sei »successor in title« der Anisminic Ltd, weshalb die Voraussetzung, dass Anspruchssteller oder Rechtsnachfolger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die britische Nationalität besitzen musste, nicht erfüllt und der Anspruch der Anisminic Ltd mithin versagt wurde; siehe die übersichtliche Sachverhaltsschilderung in Anisminic v. Foreign Compensation Commission [1969] 2 AC 147 (202 B) per Pearce LJ. 572 S.4(4) Foreign Compensation Act 1950 (12& 13 Geo.VI) c.12 lautete: »The determination by the commission of any application made to them under this Act shall not be called into question in any court of law.« Obgleich dieses Gesetz bereits vor 1958 erlassen wurde, war es von s.11 Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II) c.66 nicht erfasst (siehe dazu oben, Fn. 564 bzw. Fn. 565), da diese Bestimmung gem. s.11(3) Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II) c.66 ausgenommen war – damit war s.4(4) Foreign Compensation Act 1950 (12& 13 Geo.VI) c.12 vollumfänglich wirksam; siehe auch Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para 4 – 028. 573 »I would therefore hold that the words ›and any person who became successor in title to
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Mit der Einordnung des Auslegungsfehlers des tribunal als jurisdictional error hatte das Gericht zum einen die Wirkung der ouster clause weitgehend beschränkt,574 denn der jurisdictional error machte aus der determination ein rechtliches Nullum, das nicht mehr vom gesetzlichen Ausschluss erfasst war.575 Um aber überhaupt diesen Schluss ziehen zu können, musste das HoL die Kategorie des jurisdictional error so weit ausdehnen, dass ein solcher auch vorlag, wenn – wie hier – das tribunal seine Entscheidung auf Erwägungen stützte, zu deren Berücksichtigung es nach Auffassung des Gerichts nicht befugt war.576 (a)
Überdehnung und Entwertung der Kategorie jurisdictional error in Folge von Anisminic Obgleich die Richter in Anisminic dies nicht einmütig aussprachen, sondern vielmehr selbst die Unterscheidung zwischen jurisdictional error und error within jurisdiction verwendeten, machten sie durch ihr sehr weites Verständnis von jurisdictional error die Differenzierung zwischen den beiden Fehlertypen jurisdictional error/error within jurisdiction faktisch unmöglich; durch die extreme Ausdehnung von ersterem blieb für letzteren nichts mehr übrig.577 In
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such person‹ in article 4(1)(b)(ii) have no application to a case where the applicant is the original owner. It follows that the commission rejected the appellants’ claim on a ground which they had no right to take into account and that their decision was a nullity.« Anisminic v. Foreign Compensation Commission [1969] 2 AC 147 (175 C) per Reid LJ. Konsequenterweise wären nach dieser Lesart nur solche »determinations« vor gerichtlicher Kontrolle geschützt, die errors within jurisdiction oder errors on the face of the record enthielten. Siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para 4 – 029. Siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 222. »It has sometimes been said that it is only where a tribunal acts without jurisdiction that its decision is a nullity. But in such cases the word ›jurisdiction‹ has been used in a very wide sense, and I have come to the conclusion that it is better not to use the term except in the narrow and original sense of the tribunal being entitled to enter on the inquiry in question. But there are many cases where, although the tribunal had jurisdiction to enter on the inquiry, it has done or failed to do something in the course of the inquiry which is of such a nature that its decision is a nullity. It may have given its decision in bad faith. It may have made a decision which it had no power to make. It may have failed in the course of the inquiry to comply with the requirements of natural justice. It may in perfect good faith have misconstrued the provisions giving it power to act so that it failed to deal with the question remitted to it and decided some question which was not remitted to it. It may have refused to take into account something which it was required to take into account. Or it may have based its decision on some matter which, under the provisions setting it up, it had no right to take into account.« Anisminic v. Foreign Compensation Commission [1969] 2 AC 147 (171 B-D) per Reid LJ. Zwar erkannten die Richter in dieser Entscheidung zunächst noch an, dass ein tribunal die Möglichkeit habe, unbehelligt innerhalb seiner jurisdiction Fehler zu begehen – angesichts der in dem wiedergegebenen Zitat genannten Rechtsfehler, die als jurisdictional errors angesehen werden sollten, blieb für einen »error within jurisdiction« im Grunde nichts mehr übrig; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para 4 – 029. »The House of Lords had in fact extended their scope of jurisdictional error to such an
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einigen darauf folgenden Entscheidungen wurden hieraus die Konsequenzen gezogen578 und infolgedessen die Unterscheidung zwischen jurisdictional error und error within jurisdiction, also die collateral fact doctrine in den allermeisten Zusammenhängen aufgegeben.579 Heute ist deshalb im Wege des JR eine Überprüfung administrativer und justizieller Rechtsakte grds. auf alle errors of law möglich.580 Allerdings ist die Frage, was genau eigentlich als error of law durch die Gerichte kontrollierbar sein soll, mindestens genauso schwierig zu beantworten wie die Frage nach der Trennung von error within jurisdiction/jurisdictional error, wie noch gezeigt werden wird.581 Die Rechtsprechung in Folge des Anisminic-Urteils bedeutete damit zwar den weitgehenden Untergang der Kategorien von error within jurisdiction und jurisdictional error. Das dahinterstehende Prinzip, dass jeglicher hoheitliche Akt sich innerhalb seiner – zumindest ausdrücklich gewährten582 – jurisdiction
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extreme point that judges were driven to conclude that the basic distinction between jurisdictional and non-jurisdictional error, upon which the Anisminic judgement purported to be founded, had been rendered unintelligible. All error of law now appeared to be jurisdictional error, so that the decision of any administrative tribunal or authority could be quashed for such error, regardless of its nature.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 615 und S. 222 f. Die erste Entscheidung, in der aus dem Anisminic-Urteil ausdrücklich die Konsequenz gezogen wurde, dass die Unterscheidung zwischen »jurisdictional error« und »error within jurisdiction« aufgegeben werden sollte, war Pearlman v. Keepers and Governors of Harrow School [1979] QB 56, (70) per Denning MR: »I would suggest that this distinction should now be discarded. The High Court has, and should have, jurisdiction to control the proceedings of inferior courts and tribunals by way of judicial review. When they go wrong in law, the High Court should have power to put them right. […] The way to get things right is to hold thus: no court or tribunal has any jurisdiction to make an error of law on which the decision of the case depends. If it makes such an error, it goes outside its jurisdiction and certiorari will lie to correct it.« . Dem folgten Äußerungen in Re Racal Communications Ltd [1981] AC 374 sowie in der Entscheidung O’Reilly v. Mackman [1983] 2 AC 237 (dazu siehe schon oben bei Fn. 45 sowie unten, Fn. 586) und in R. v. Lord President of the Privy Council Ex p. Page [1993] AC 682 (701) per Browne-Wilkinson LJ; siehe zum Ganzen auch Woolf/ Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para 4 – 033; Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 224. »The concept of error of law within jurisdiction is now obsolete« Lewis, Judicial Remedies in Public Law, 3rd ed. 2004, para. 5 – 005. So deutlich, wie diese Aussage zu sein scheint, war die Aufgabe der Anisminic-Kategorien jedoch nicht, wie sogleich noch gezeigt wird. Allerdings bedeutet dies nicht, dass eine wirklich umfassende Rechtskontrolle nach deutschem Verständnis stattfände: Das englische Recht kennt nämlich nicht wie das deutsche Verwaltungsrecht eine Unterscheidung zwischen Beurteilungsspielräumen der Behörde auf Tatbestandsebene und der Gewährung von Ermessen; entsprechend fehlt es auch an der im deutschen Recht bekannten Anknüpfung an diese Kategorien zur Bestimmung der gerichtlichen Kontrolldichte. Siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007 S. 152 f. Siehe zu den enormen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von »error of law« und »error of fact« unten, VII.G.2.b), S. 423ff. Siehe oben, bei Fn. 541.
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halten muss, bei deren Überschreitung der handelnde Hoheitsträger ultra vires agiert, hat jedoch Bestand.583 Nach wie vor ist daher die Rechtskontrolle der Gerichte im Wege des JR grds. auf solche Rechtsfehler beschränkt, die sich auf die jurisdiction des handelnden Hoheitsträgers beziehen,584 zu deren Ermittlung jedoch heute in den meisten Zusammenhängen andere, wesentlich weitere Kategorien herangezogen werden als jurisdictional error und error within jurisdiction. In einigen Zusammenhängen allerdings wurde diese Unterscheidung auch nach Anisminic noch genutzt: (b)
Fortbestehen von jurisdictional errors nach Anisminic (pre-Anisminic-error) Obwohl die Unterscheidung zwischen jurisdictional error und error within jurisdiction nach Anisminic weitgehend als obsolet angesehen wurde, nutzten die Gerichte diese Kategorien in vereinzelten Entscheidungen weiterhin als Maßstab, um damit ihre eigene Prüfungskompetenz zu beschränken.585 Rechtfertigen ließ sich dies durch verbleibende Widersprüchlichkeiten in der Rechtsprechung im Nachgang der Entscheidung Anisminic.586 583 »When subjecting some administrative act or order to judicial review, the court is concerned with its legality : is it within the limits of the powers granted? […] Judicial review is thus a fundamental mechanism for keeping public authorities within due bounds and for upholding the rule of law.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 28. 584 Vgl. Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 150. 585 Die Notwendigkeit des Vorliegens eines jurisdictional error wurde von den Gerichten als weitgehende Beschränkung der Rechtsfehler angesehen, die im Wege des JR gerügt werden konnten – wie aber schon gezeigt wurde, war bereits vor Anisminic eine weitgehende Manipulation dieser Kategorien möglich, so dass letztlich nahezu jeder Rechtsfehler überprüft werden konnte; siehe oben, bei Fn. 553f.: »Unfortunately, as the court recognised, the cases before Anisminic do not provide clear guidance.« Gregory v. Turner [2003] EWCA Civ 183, para 40 per Brooke LJ. 586 Diese Widersprüchlichkeiten betrafen die Frage, ob die »pre-Anisminic«-Kategorien nun tatsächlich in allen Anwendungssituationen des JR obsolet waren oder ob man hinsichtlich der Anwendung des JR auf Verwaltungsbehörden und tribunals einerseits und courts andererseits zu differenzieren habe. Letzteres legten insb. folgende Passagen in der Entscheidung Re Racal Communications Ltd [1981] AC 374 (382 f.) per Diplock LJ nahe: »In Anisminic [1969] 2 AC 147 this House was concerned only with decisions of administrative tribunals. Nothing I say is intended to detract from the breadth of the scope of application to administrative tribunals of the principles laid down in that case. It is a legal landmark; […]. It proceeds on the presumption that where Parliament confers on an administrative tribunal or authority, as distinct from a court of law, power to decide particular questions defined by the Act conferring the power, Parliament intends to confine that power to answering the question as it has been so defined[.]« (Hervorhebung durch Verfasser). Und weiter : »[W] here a decision-making power is conferred by statute upon a court of law, Parliament did not intend to confer upon it power to decide questions of law as well as questions of fact. Whether it did or not and, in the case of inferior courts, what limits are imposed on the kinds of questions of law they are empowered to decide, depends upon the construction of
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Die Notwendigkeit für einen solchen Rückgriff auf die pre-Anisminic-Kategorien wurde etwa dort gesehen, wo der Gesetzgeber einerseits eine umfassende Möglichkeit zur Überprüfung einer Entscheidung, etwa ein Recht zur Anrufung eines unabhängigen Spruchkörpers vorsah, und zugleich im Gesetz deutlich machte, dass die auf diesem Wege getroffene Entscheidung im Interesse der Finalität keiner weiteren Überprüfung unterzogen werden sollte.587 Eine derartige Regelung wurde etwa in den Vorschriften des Access to Justice Act 1999 c.22 hinsichtlich der Überprüfung von Entscheidungen von county courts gesehen: Der Gesetzgeber schrieb vor, dass gegen deren Entscheidungen grds. die Einlegung eines Rechtsmittels zum CoA möglich sei, welches jedoch der Zulassung (permission) nach einer summarischen Vorprüfung durch einen county court oder den CoA bedürfe.588 Zugleich ordnete das Gesetz an, dass die Entscheidung, das Rechtsmittel nicht zuzulassen, selbst keiner weiteren Überprüfung durch ein Rechtsmittel zugänglich sein sollte.589 Angesichts dieses ausdrücklichen Ausschlusses der Überprüfbarkeit dieser Entscheidung stellte sich die Frage, ob diese »Nichtzulassungsentscheidung« nicht wenigstens im Wege des JR überprüfbar sein könnte. In dem Verfahren Sivasubramaniam590 befanden die Gerichte, dass der JR in
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the statute unencumbered by any such presumption. In the case of inferior courts where the decision of the court is made final and conclusive by the statute, this may involve the survival of those subtle distinctions formerly drawn between errors of law which go to jurisdiction and errors of law which do not that did so much to confuse English administrative law before Anisminic […]«. In der späteren Entscheidung O’Reilly v. Mackman [1983] 2 AC 237 (278) per Diplock LJ nimmt er diese Differenzierung allerdings nicht mehr vor: Dort feiert er in obiter die Anisminic-Entscheidung als »[…] a landmark decision […] which has liberated English public law from the fetter that the courts had therefore imposed on themselves so far as determinations of inferior courts and statutory tribunals were concerned, by drawing esoteric distinctions between errors of law committed by such tribunals that went to their jurisdiction, and errors of law committed by them within their jurisdiction.« (Hervorhebung durch Verfasser); siehe zum Ganzen auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 225, der darstellt, wie diese Widersprüche später von der Rechtsprechung in Einklang gebracht wurden. Siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 4 – 052 sowie zum Ganzen auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 225. Ein Beispiel für den Rückgriff auf »pre-Anisminic«-Kategorien findet sich in der Entscheidung R. v. Lord President of the Privy Council Ex p. Page [1993] AC 682 (702 f.) per Browne-Wilkinson LJ, der ausdrücklich auf die Ausführungen von Lord Diplock in Racal Bezug nimmt (703 D-F); zur Entscheidung Re Racal Communications Ltd [1981] AC 374 siehe schon oben, Fn. 586. Dort wurde festgesetzt, dass Entscheidungen eines »visitor« (siehe »visitors« als Aufsichtsorgane über Universitäten oben, bei Fn. 98) nur auf das Vorliegen von jurisdictional error überprüft werden können. Die Einlegung des Rechtsmittels war damit von der Gewährung der »permission to appeal« abhängig, die sowohl durch den county court als auch durch den CoA gewährt werden konnte; siehe r.52(3)(2)(a) CPR. Siehe s.54(4) Access to Justice Act 1999 c.22. R. (on the application of Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR
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der beschriebenen Konstellation nicht ausgeschlossen sei, dass er jedoch weitgehend zu beschränken sei auf absolute Ausnahmefälle (exceptional circumstances).591 Solch ein Ausnahmefall läge dann vor, wenn die Nichtzulassungsentscheidung einen Rechtsfehler aufwies, der einen jurisdictional error im Sinne der Rechtsprechung vor der Zeit von Anisminic dargestellt hätte – wenn also etwa der Richter eine Bestimmung falsch auslegen würde, die seine Zuständigkeit erst eröffnet oder wenn ein besonders schwerwiegender Verfahrensfehler begangen würde.592 Dieser Entscheidung folgte der CoA auch später in seinem Urteil in der Sache Sinclair Gardens,593 welches die Überprüfung von Entscheidungen eines tribunal, nämlich des Lands Tribunal594 betraf.595 In beiden
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475. Dieser Entscheidung lag dabei ein hochgradig obskurer Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger litt gewissermaßen an Verfolgungswahn und stützte seinen Antrag auf JR gegen die Entscheidung des county court, sein Rechtsmittel nicht zuzulassen darauf, dass der county court-Richter sich mit dem Klagegegner des Ausgangsverfahren verschworen habe, um ihm, dem Kläger, zu schaden. Keine Instanz schenkte diesen Vorwürfen Glauben, weshalb das Verfahren eigentlich völlig aussichtslos war ; entsprechend versagte der High Court die permission für die Durchführung des JR. Das Verfahren wurde jedoch gewissermaßen vom Justizministerium übernommen, welches als beigeladene Partei vom Gericht zugelassen wurde und sodann gegen die Entscheidung des High Court, die permission für den JR zu versagen, den CoA anrief, um diesem die Möglichkeit zu geben, die nun einmal aufgeworfene Rechtsfrage über die Anwendbarkeit des JR zu entscheiden; siehe R. (on the application of Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475, para. 1 ff. per Phillips MR. »Under the 1999 Act, and the rules pursuant to it, a coherent statutory scheme has been set up governing appeals at all levels short of the House of Lords. One object of the scheme is to ensure that, where there is an arguable ground for challenging a decision of the lower court, an appeal will lie, but to prevent court resources being wasted by the pursuit of appeals which have no prospect of success. The other object of the scheme is to ensure that the level of Judge dealing with the application for permission to appeal, and the appeal if permission is given, is appropriate to the dispute. This is a sensible scheme which accords with the object of access to justice and the Woolf reforms. It has the merit of proportionality. To admit an applicant to by-pass the scheme by pursuing a claim for judicial review before a judge of the Administrative Court is to defeat the object of the exercise. We believe that this should not be permitted unless there are exceptional circumstances – and we find it hard to envisage what these could be.« R. (on the application of Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475, para. 48 per Phillips MR. »The possibility remains that there may be very rare cases where a litigant challenges the jurisdiction of a Circuit Judge giving or refusing permission to appeal on the ground of jurisdictional error in the narrow, pre-Anisminic sense, or procedural irregularity of such a kind as to constitute a denial of the applicant’s right to a fair hearing. If such grounds are made out we consider that a proper case for judicial review will have been established.« R. (on the application of Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475, para. 56 per Phillips MR. R. (on the application of Sinclair Gardens Investments (Kensington) Ltd) v. Lands Tribunal [2005] EWCA Civ 1305. Zu diesem siehe unten, V.C.2., S. 290. Bezugnehmend auf das eigene Urteil in der Sache Sivasubramaniam urteilte der CoA hier, dass die Reichweite der Anwendbarkeit des JR davon abhinge, inwieweit das vom Gesetzgeber vorgesehene System zur Überprüfung von Entscheidungen des Lands Tribunal die
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Fällen reduzierten die Gerichte ihre eigene Prüfungskompetenz dabei, weil sie annahmen, dass das jeweils vom Gesetzgeber geschaffene System von Rechtsbehelfen einen ausreichenden Schutz gegen Fehlentscheidungen böte, weshalb die Gewährung eines weiteren Rechtsbehelfs in Form des JR unverhältnismäßig sei.596 Darauf wird zurückzukommen sein.597 b)
Die heutigen grounds of judicial review
Nach der Entscheidung Anisminic musste also ein neuer Gradmesser dafür gefunden werden, wann die Gerichte im Wege des JR eine Maßnahme oder Entscheidung für unrechtmäßig erklären konnten.598 Die Rechtsprechung selbst hat daher den Versuch gemacht, die immer weniger überschaubaren Judikate zur Begründetheit des JR anhand der sog. grounds of judicial review, also bestimmter Klagegründe zu systematisieren.599
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gleichen Charakteristika habe wie das System des Access to Justice Act 1999 c.22: »In the end, the question which needs to be determined in this case is whether the statutory scheme […] for appealing decisions of the [tribunal] […] can be said to amount to what this court variously described in […] Sivasubramaniam […] as ›an adequate system for reviewing the merits‹ of the first instance decision, and ›fair, adequate and proportionate protection against the risk that [the first instance tribunal] acted without jurisdiction or fell into error‹. If the statutory scheme satisfies that test, […] judicial review of a refusal of permission to appeal will only be granted in the ›exceptional circumstances‹ as identified in […] Sivasubramaniam.« R. (on the application of Sinclair Gardens Investments (Kensington) Ltd) v. Lands Tribunal [2005] EWCA Civ 1305, para. 40 per Neuberger LJ. Dieser Fall ist auch in anderer Hinsicht von Interesse, siehe unten, bei Fn. 1864. Siehe R. (on the application of Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475, para. 54 per Phillips MR: »This scheme we consider provides the litigant with fair, adequate and proportionate protection against the risk that the Judge of the lower court may have acted without jurisdiction or fallen into error. […] [T]he possibility that a Circuit Judge may exceed his jurisdiction, in the narrow pre Anisminic sense, where that jurisdiction is the statutory power to determine an application for permission to appeal from the decision of a District Judge, is patently unlikely. In such circumstances an application for judicial review is likely to be founded on the assertion by the litigant that the Circuit Judge was wrong to conclude that the attack on the decision of the District Judge was without merit. […] We do not consider that Judges of the Administrative Court should be required to devote time to considering applications for permission to claim judicial review on grounds such as these. They should dismiss them summarily in the exercise of their discretion. The ground for so doing is that Parliament has put in place an adequate system for the reviewing the merits of decisions made by District Judges and it is not appropriate that there should be further review of these by the High Court[.]« Siehe unten, VIII.C.1., S. 496. »In general […], in a claim of judicial review it is no longer of any significance whether the source of alleged invalidity of administrative action is based upon an excess of jurisdiction or error of law within jurisdiction. Nor does it matter whether the error is or is not an error disclosed on the face of the record.« Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 4 – 042 ff. Die Rechtsprechung zur Begründetheit des JR anhand von Klagegründen darzustellen ist
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Allgemeiner Teil – historische Einführung und Darstellung
Die so entwickelten, heute bekannten grounds of judicial review sind illegality, irrationality und procedural impropriety.600 Sie sind allerdings keineswegs als in sich geschlossene, stets klar voneinander abgrenzbare Kategorien zu verstehen, vielmehr können sie ineinander übergehen, wo ein bestimmtes, vom Gericht im JR zu prüfendes Verhalten unter mehrere der grounds fällt,601 weshalb sowohl die Klassifikation einzelner Rechtsfehler durch die Gerichte als auch die Terminologie alles andere als konsistent ist.602 Außerdem ist die Typisierung der grounds nicht abschließend, sondern einer weiteren Entwicklung zugänglich; es wurde bereits angedacht, ob auch Verhältnismäßigkeit nach deutschem Verständnis ein solcher ground sein könne.603 Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die einzelnen Klagegründe gegeben werden: (1) Illegality Unter dem Klagegrund der illegality werden heute die Fälle behandelt, bei denen der handelnde Hoheitsträger aufgrund eines Fehlers in der Auslegung des materiellen Rechts seine Befugnisse überschreitet604 und damit nach den alten Maßstäben einen jurisdictional error begangen hätte.605 Mit diesem ground kann der Kläger etwa Fälle geltend machen, in denen der handelnde Hoheitsträger das Recht, das ihm eine Kompetenz gewährt, falsch angewandt hat.606 Dies umfasst Fälle, in denen Tatbestandsvoraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage nicht vorliegen, Befugnisse ausgeübt werden, die nach der Ermächtigungsgrundlage nicht bestehen oder für andere Zwecke als die vom Recht intendierten genutzt werden, oder wo der Hoheitsträger hinter der von ihm geforderten
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nicht die einzige, zumindest aber sehr gebräuchliche Möglichkeit zur Systematisierung; siehe – allerdings mit jeweils variierender Terminologie – etwa Barnett, Constitutional and Administrative Law, 7th ed. 2009, S. 717; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 5 – 001 ff.; genauso Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 150. Siehe die Leitentscheidung Council of Civil Service Unions v. Minister for the Civil Service [1985] AC 374 (410 C-E), per Diplock LJ. »Categorisation of types of challenge assists in an orderly exposition of the principles underlying our developing public law. But these are not watertight compartments because the various grounds for judicial review run together.« Boddington v. British Transport Police [1998] 2 AC 143 (152) per Irvine LJ. Siehe Barnett, Constitutional and Administrative Law, 7th ed. 2009, S. 719. Dies hat bereits Lord Diplock selbst in der oben (Fn. 600) genannten Entscheidung angedeutet; siehe Council of Civil Service Unions v. Minister for the Civil Service [1985] AC 374 (410 C-E), per Diplock LJ. »[Illegality] involves the courts in insisting that public bodies keep within the scope of their powers.« Lester/Jowell, PL 1987, Aut., 368 (369). Siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 151; vgl. auch Alder, Constitutional and Administrative Law, 7th ed. 2009, S. 315 ff., der insoweit von »narrow ultra vires« spricht; Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 147. Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 147.
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Erfüllung seiner Pflichten zurückbleibt.607 In der Praxis bedarf die Prüfung, ob dieser Klagegrund vorliegt, vor allem der Interpretation jener Rechtsregeln – also sowohl von Gesetzen und Verordnungen als auch des common law bzw. der Prärogativrechte –, aus denen sich Kompetenzen oder Pflichten für Hoheitsträger ergeben.608 Wie tiefgehend jedoch die dabei stattfindende Kontrolle der Gerichte tatsächlich ist, lässt sich nur schwer darstellen, da dem englischen Recht eine der deutschen vergleichbare Ermessenslehre und damit einhergehende, systematische Differenzierung zwischen unbestimmten Rechtsbegriffen bzw. Beurteilungsspielräumen auf Tatbestandsebene und Ermessensentscheidungen auf Rechtsfolgenebene fremd ist609 – daher kann auch aus der Verwendung entsprechender deutscher Begriffe im Rahmen dieser Darstellung nichts zwingend gefolgert werden:610 Es werden hierunter etwa Fälle gefasst, bei denen der Hoheitsträger den Wortlaut einer Ermächtigungsgrundlage falsch interpretiert hat,611 er im Rahmen seiner Entscheidung Erwägungen miteinbezogen hat, die für die Zwecke der Ermächtigungsgrundlage irrelevant waren bzw. er relevante Erwägungen nicht mit einbezogen hat,612 oder wo der Hoheitsträger seine Befugnisse fälschlicherweise an einen anderen delegiert hat.613 Außerdem wird als Fall der illegality auch eine unzulässige Selbstbindung des einem Hoheitsträger zustehenden Ermessens, sog. fettering of discretion,614 die Knüpfung einer für den Bürger
607 Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 5 – 002; vgl. zum Ganzen auch Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 151 f. 608 Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 5 – 003. 609 »There is no universal rule as to the principles on which the exercise of a discretion may be reviewed. Each statute or type of statute must be individually looked at.« Secretary of State for Education and Science v. Thameside Metropolitan Borough Council [1977] AC 1014 (1047) per Wilberforce LJ; siehe ferner Herdegen, Landesbericht Großbritannien, in: Frowein (Hrsg.), Die Kontrolldichte bei der gerichtlichen Überprüfung von Handlungen der Verwaltung 1993, S. 38 (43); Brinktrine, Verwaltungsermessen in Deutschland und England, 1998, S. 169 ff. 610 Siehe genauso bei Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 150. 611 Zu den Grundsätzen der Auslegung von Gesetzen und weiteren Rechtsquellen im Einzelnen siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 5 – 020. 612 Siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 5 – 110 m.w.N. 613 Siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 5 – 138 m.w.N. 614 Im krassen Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland, wo aufgrund Art. 3 GG eine ermessenslenkende Wirkung etwa durch Verwaltungsanweisungen selbst vorgegeben ist, wird dem Hoheitsträger in England vorgeworfen, sein Ermessen durch die Gleichbehandlung von Sachverhalten nicht ausgeübt zu haben. Unter dem Merkmal der »illegality« diskutieren dies Barnett, Constitutional and Administrative Law, 7th ed. 2009, S. 720. Anders hingegen etwa Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, pa-
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positiven Entscheidung an nicht erfüllbare Bedingungen615 oder bad faith eines Hoheitsträgers, d. h. etwa Handeln unter Verschweigen der Gründe bzw. aus vorgeschobenen Gründen, aufgefasst.616 (2) Irrationality bzw. unreasonableness Unter dem Klagegrund der irrationality bzw. unreasonableness617 werden heute vor allem solche Fragen gefasst, die sich mit der Wahrnehmung einer bestehenden Kompetenz eines Hoheitsträgers befassen:618 Die Prüfung des Vorliegens der irrationality bezieht sich damit vor allem auf die Rechtsfolgenseite einer Rechtsregel und stellt deshalb nach deutschem Verständnis eine Prüfung der Ermessensausübung eines Hoheitsträgers dar619 – das soll aber nicht heißen, dass die irrationality-Kontrolle nur auf Rechtsfolgenseite stattfindet, denn unter Umständen kann auch die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs auf Tatbestandsebene unreasonable bzw. irrational sein.620 In der Regel erfolgt je-
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ra. 9.003 ff., wo der Aspekt des »fettering of discretion« selbstständig behandelt und Aspekte des »fettering« unter allen anderen »grounds of review« einsortiert werden. Siehe dazu Barnett, Constitutional and Administrative Law, 7th ed. 2009, S. 732. Die eigentlich relevante Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist allerdings die, ob das Vorliegen einer unerfüllbaren Bedingung stets zur »illegality« der Entscheidung führt oder ob diese nicht vielmehr von der eigentlichen Entscheidung abgetrennt werden kann – dann läge hinsichtlich der Entscheidung als ganzer nämlich keine »illegality« mehr vor; siehe Barnett, Constitutional and Administrative Law, 7th ed. 2009, S. 720; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 5 – 135 ff. Barnett, Constitutional and Administrative Law, 7th ed. 2009, S. 732; siehe auch Woolf/ Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para.5 – 080ff mit Beispielen. Diese beiden Begriffe werden weitgehend synonym verwandt; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para.11 – 001. Unter Bezug auf die Ausführungen Lord Diplocks in der oben (bei Fn. 603) genannten Entscheidung Council of Civil Service Unions v. Minister for the Civil Service [1985] AC 374 (410 C-E), per Diplock LJ führen Lester/Jowell, PL 1987, Aut., 368 (369) aus: »By separating irrationality from illegality, he [Lord Diplock] made the point that even though a decision may be legal (in the sense of being within the scope of the legislative scheme), it may nevertheless be substantively unlawful. In other words, he recognised that the courts may strike down a decision because it offends substantive principles, independent of those provided for by the statute in question.« Allerdings sei hier wieder daran erinnert, dass das englische Recht eine der deutschen vergleichbaren Ermessenslehre nicht kennt – entsprechend können aus der Verwendung der Begriffe »Tatbestand« und »Ermessen« keine zwingenden Schlüsse gezogen werden; genauso auch Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 149. Siehe Supperstone/Goudie/Walker, Judicial Review, 3rd ed. 2005, para.8.8.1 mit folgendem Beispiel: Wo etwa eine gesetzliche Vorschrift die Wahrnehmung einer bestimmten Kompetenz durch einen Hoheitsträger mit einem Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsebene verknüpft, kann schon dieser daraufhin geprüft werden, ob die Auslegung der Behörde »irrational« war; siehe zur »unreasonableness« auf Tatbstandsebene auch unten, bei VII.G.2.b), S. 423ff. Bei der Betrachtung der »irrationality« äußert sich damit für deutsche Juristen wieder das Problem der fehlenden Differenzierung zwischen unterschiedlichen Maßstäben für die Überprüfung von Entscheidungen betreffend Tatbestand und Ermessen
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doch die Prüfung des Vorliegens von irrationality erst nach der Prüfung von illegality, da die Feststellung einer Fehlinterpretation einer Ermächtigungsgrundlage durch den handelnden Hoheitsträger bereits für die Aufhebung der streitgegenständlichen Entscheidung unter dem Klagegrund der illegality ausreicht.621 Der für das Vorliegen von irrationality von den Gerichten angewandte Test bringt zugleich zum Ausdruck, dass die Prüfung der eigenen Entscheidung des Hoheitsträgers nur sehr eingeschränkt erfolgen soll: Denn hat das Gericht einmal festgestellt, dass ein Hoheitsträger nicht illegal, also innerhalb seiner Zuständigkeit gehandelt hat, bleibt dem Gericht für die Prüfung der unreasonableness nur noch, letztlich doch seine eigene Einschätzung der konkreten Situation an die Stelle der Einschätzung des Hoheitsträgers zu setzen, was jedoch eigentlich im Rahmen des JR gerade nicht möglich sein soll;622 von dieser Regel ist die Prüfung der irrationality also letztlich eine Ausnahme, weshalb die Gerichte sich für verpflichtet halten, diese auf ein Minimum zu reduzieren.623 Entsprechend dem von Lord Diplock für das Vorliegen von irrationality bzw. unreasonableness adaptierten Test ist eine Entscheidung nur dann irrational, wenn kein pflichtgemäß agierender Entscheidungsträger an Stelle des handelnden Hoheitsträgers die in Rede stehende Entscheidung getroffen hätte.624
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einer Norm (siehe oben, bei Fn. 609), wie sie in der deutschen Ermessenslehre bekannt ist; vgl. Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 150. Ist eine Entscheidung deshalb »irrational«, weil der handelnde Hoheitsträger die Ermächtigungsgrundlage falsch interpretiert hat, wird die Entscheidung bereits aufgrund des Vorliegens von »illegality« aufgehoben. Außerdem ist es für die Feststellung von »irrationality« nötig, die Ziele und Zwecke einer Kompetenzgrundlage zu ermitteln, was das Gericht jedoch auch bei der Prüfung der »illegality« leisten muss; siehe Supperstone/Goudie/ Walker, Judicial Review, 3rd ed. 2005, para. 8.9.1. Siehe oben, bei Fn. 521. Brigdes/Poynter, The Applicant’s Guide to Judicial Review, 1995, S. 15; Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 151. Diesen Gedanken haben die Gerichte in unzählig variierten Formen immer wieder ausgedrückt und ihn auf den Test zurückgeführt, den sie in der Entscheidung Associated Provincial Picture Houses Ltd v. Wednesbury Corp. [1948] 1 KB 223 (230) per Greene MR niedergelegt haben (»It is true to say that, if a decision on a competent matter is so unreasonable that no reasonable authority could ever have come to it, then the courts can interfere.«) und die deshalb als »Wednesbury unreasonableness« bezeichnet wird. Auch Lord Diplock bezog sich auf diesen Gedanken, den er jedoch unter dem Schlagwort »irrationality« einordnete und wie folgt beschrieb: »It applies to a decision which is so outrageous in its defiance of logic or of accepted moral standards that no sensible person who had applied his mind to the question to be decided could have arrived at it.« Letztere Formel ist dabei weiter als erstere, da hier deutlich wird, dass die zu überprüfende Ausgangsentscheidung auch aufgrund der Anlegung falscher moralischer Standards »unreasonable« sein kann. Beide Formeln werden jedoch letztlich als Zirkelschluss kritisiert, schließlich kann ein pflichtgemäß handelnder Hoheitsträger nie »irrational« handeln, wenn dies als pflichtwidrig angesehen wird; siehe zu dieser Kritik Lester/Jowell, PL 1987, Aut., 368 (368 ff.); Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 11 – 003 und
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Die Kontrolle der Entscheidungen ist damit faktisch auf eine reine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt.625 Allerdings sind die Gerichte in einigen Sachbereichen von diesem Maßstab abgerückt und haben vielmehr argumentiert, dass dort, wo fundamentale Lebensbedürfnisse und Rechte des Einzelnen von einer Maßnahme betroffen sein können und der Einzelne daher besonderen Schutzes bedarf, eine niedrigere Schwelle gerichtlichen Einschreitens bestehen müsste – je wichtiger also die in Rede stehenden Rechte des Einzelnen sind, umso niedriger sind die Anforderungen, die die Gerichte für das Vorliegen von irrationality stellen.626 (3) Procedural impropriety Der Klagegrund der procedural impropriety umfasst die Verletzung von Verfahrensregeln und zwar sowohl solchen, die sich direkt aus einer ausdrücklichen Vorschrift ergeben, als auch solchen, die dem common law entspringen.627 Die Verletzung von Verfahrensregeln, die sich aus dem Gesetz oder Rechtsverordnungen ergeben, führt in der Regel ohne weiteres zur Aufhebung einer Entscheidung als rechtswidrig.628 Auf die Verfahrensanforderungen, die sich aus dem Gesetz und darauf gestützten Rechtsverordnungen für die Verfahren von tribunals ergeben, wird an anderer Stelle noch genau eingegangen629 – hier soll nur ein Überblick über die allgemein geltenden Anforderungen an Verfahren nach dem common law und der EMRK gegeben werden, die heute für alle Arten von Hoheitsträgern gelten. Die Kontrolle der Einhaltung der Verfahrensregeln hatte stets einen min-
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11 – 019 ff. Einen aktuellen Versuch zur Verteidigung des »Wednesbury«-Kriteriums gegen die Kritik unternimmt Daly, PL 2011, Apr., 238 (238 ff.). Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 155. Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 151. Dieser verschärfte Überprüfungsstandard wird »sub-Wednesbury«-Standard oder auch »most anxious scrutiny« genannt; siehe die Entscheidungen R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Bugdaycay and Others (consolidated Appeals) [1987] 1 AC 514 (531F) per Bridge LJ; R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Brind and Others [1991] 1 AC 696; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 155; siehe zu diesem Standard inhaltlicher Kontrolle (wenn auch unter anderer Bezeichnung) ebenfalls Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 11 – 093 ff. Wie bereits die genannten Entscheidungen zeigen, kommt dieser verschärfte Kontrollmaßstab dabei gerade auch im Bereich des Asyl- und Immigrationsrechts zum Einsatz; siehe dazu noch unten, bei Fn. 1413. Siehe bereits Council of Civil Service Unions v. Minister for the Civil Service [1985] AC 374 (411 A-B), per Diplock LJ; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 158. Dies hängt allerdings von der Konkretheit der jeweils in Frage stehenden Bestimmung ab; siehe etwa London and Clydesdale Estate Ltd v. Aberdeen District Council [1980] 1 WLR 182. Siehe hierzu unten, VII., S. 361.
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destens ebenso hohen Stellenwert in der Rechtsprechung der Gerichte wie die Kontrolle der Kompetenzen staatlicher Organe.630 Die Regeln, die die Richter im Rahmen dieser Funktion entwickelt haben, bilden heute allgemein geltende Grundsätze, sowohl für Verwaltungsbehörden als auch tribunals und Gerichte und werden unter den rules of natural justice zusammengefasst,631 die eng mit dem Konzept des ultra vires zusammenhängen632 – auch die Nichtbeachtung der rules of natural justice stellt ein Handeln ultra vires dar.633 (a) Verfahrensgrundsätze des common law Die rules of natural justice, die sich über Jahrhunderte in der Rechtsprechung der Gerichte entwickelt haben,634 umfassen zwei zentrale Grundsätze: Audi alteram partem und nemo iudex in sua causa.635 Diese heute allgemein gültigen Verfahrensgrundsätze wurden aus den Verfahrensweisen der ordentlichen Gerichte extrahiert,636 ihr Ursprung liegt damit im adversary system, also der kontradiktorischen Verfahrensweise der englischen Gerichte,637 welches vom inquisitorial system abgegrenzt wird, das eher durch Amtsermittlung gekennzeichnet ist.638 Aufgrund dieses Ursprungs wurden die rules of natural justice 630 Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 372. Die Gerichte erkennen als Zwecke der Verfahrensregeln nicht nur deren Einfluss auf die Richtigkeit und Akzeptanz einer Entscheidung als Ergebnis des Verfahrens (»instrumental role«), sondern auch eine darüber hinausgehende, nicht funktionale Rolle an, da die Beteiligung eines von einem Verfahren Betroffenen dessen menschliche Würde schütze; siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 12 – 002 mit Verweis auf R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Doody [1994] 1 AC 531 (551) per Mustill LJ. 631 Mittlerweile wird das damit bezeichnete Konzept auch mit anderen Begriffen benannt, was mit seiner ständigen Weiterentwicklung zu tun hat; dazu siehe sogleich, bei Fn. 649. 632 Siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 373. 633 »It is to be implied, unless the contrary appears, that Parliament does not authorise by the Act the exercise of powers in breach of the principles of natural justice, and that Parliament does by the Act require, in particular procedures, compliance with those principles«. Fairmount Investments Ltd v. Secretary of State for the Environment [1976] 1 WLR 1255 (1263) per Russel LJ. Es wird insoweit auch von »procedural ultra vires« gesprochen; siehe Kelly/Slapper, English Legal System, 10th 2009 – 2010, para. 7.5.3. 634 In der frühen Phase wurde der Begriff »natural justice« dabei allerdings in einem weiten, naturrechtlichen Sinn als allgemeine Gerechtigkeitserwägung verstanden, die nicht nur auf Verfahrensfragen beschränkt war ; siehe etwa die Begriffsverwendung in dem Fall Moses v. MacFerlan (1760) 2 Burr 1005 (1012) per Mansfield CJ; Endicott, Administrative Law, 2009, S. 109; siehe auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 374: »In their medieval guise they were regarded as part of the immutable order of things, so that in theory even the power of the legislature could not alter them.« 635 Siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 12 – 001. 636 Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 12 – 002. 637 Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 158. 638 Siehe Cane, Administrative Law, 4th ed. 2004, S. 136; zum Unterschied zwischen beiden Verfahrenstypen auch unten, VII.E., S. 394.
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zunächst nur auf Spruchkörper angewandt, die gerichtsähnlich verfuhren,639 gelten jedoch heute als allgemeine Grundsätze, auf die sich jeder – d. h. auch ein Hoheitsträger640 – berufen kann; diese Entwicklung vollzog sich bei beiden Einzelgrundsätzen unterschiedlich: (i) Recht auf Gehör – Audi alteram partem Den Grundsatz des audi alteram partem, nach dem jeder ein Recht auf Gehör hat, kennen die Gerichte spätestens seit dem 17. Jhd.641 Der Ursprung der rules of natural justice hatte zur Folge, dass auch der audi alteram partem-Grundsatz nur dort für anwendbar gehalten wurde, wo der jeweilige Hoheitsträger in einer den Gerichten ähnlichen Art und Weise verfuhr bzw. verfahren musste, ihm also eine duty to act judicially oblag;642 denn nur einem gerichtlichen Verfahren war aufgrund der kontradiktorischen Ausgestaltung die Anhörung beider Parteien immanent.643 Historisch betrachtet hing die Beschränkung auf gerichtsähnlich verfahrende Spruchkörper wohl auch mit der gleichartigen Beschränkung für die Anwendbarkeit der certiorari zusammen.644 639 Siehe Endicott, Administrative Law, 2009, S. 109; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 158. 640 Dies kann insb. vor einem tribunal relevant werden: Ein Beispiel hierfür ist die Entscheidung R. v. Oxford Regional Mental Health Tribunal Ex p. Secretary of State for the Home Department [1988] AC 120 (126) per Bridge LJ: Hier ging es um einen Fall, in dem ein tribunal bei der Beurteilung der Freilassung eines psychisch Kranken den zuständigen Minister nicht rechtzeitig über die Anhörung informiert hatte. Die Richter sahen hierdurch völlig selbstverständlich die »rules of natural justice« zu Lasten des Ministers verletzt. 641 Die ersten Fälle, in denen die Gerichte dies als allgemein geltende Regel ansahen, betrafen vor allem die Enthebung von Ämtern, etwa James Bagge’s Case, R. v. Mayor of Plymouth Ex p. Bagge (1615) 11 Co. Rep. 93b (siehe hierzu auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 374) oder R. v. Chancellor of Cambridge University (1723) 1 Str. 557 (»Dr. Bentley’s Case«), in dem es heißt: »Even God himself did not pass sentence upon Adam, before he was called upon to make his defence.«; vgl. Endicott, Administrative Law, 2009, S. 110. 642 Siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 12 – 004: So wurde etwa in dem Fall Errington v. Minister of Health [1935] 1 KB 249 (279) per Maugham LJ entschieden, dass dort, wo ein Minister in Ausübung einer administrativen Tätigkeit handelte, der Anhörungsgrundsatz nicht anwendbar sei; da im konkreten Fall jedoch ein tripolares Rechtsverhältnis (ein Streit zwischen einem Bürger und seiner Gemeinde), der durch den Spruch des Ministers entschieden werden sollte, dem Streit also eine »lis inter partes« zu Grunde lag, nahm das Gericht an, dass der Minister hier »quasi-judicially« agiere und deshalb die »audi alteram partem«-Regel anzuwenden sei; siehe zum Ganzen auch Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 77 f. mit Beispielen aus der Rechtsprechung. 643 Das »adversarial system« der ordentlichen Gerichte lebt davon, dass die Entscheidung, die ergeht, nachvollziehbar auf dem basiert, was die Parteien im Rahmen des Verfahrens vorgetragen haben; siehe Cane, Administrative Law, 4th ed. 2004, S. 138. 644 Siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 12 – 005; siehe zur Beschränkung der Anwendbarkeit der certiorari auf Spruchkörper, denen eine »duty to act judicially« oblag, schon oben, bei Fn. 355.
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Entscheidendes Kriterium für die Anwendbarkeit des Anhörungsgrundsatzes war damit also, ob die fragliche Entscheidung gewissermaßen als Urteilsspruch erging, was eine schwierige Abgrenzung von administrativen und gerichtlichen Verfahrensweisen erforderlich machte; weil dies zu unbefriedigenden Beschränkungen der Prüfungsmöglichkeiten über Spruchkörper führte, deren Verfahren nicht als gerichtsähnlich angesehen werden konnten, ergab sich daraus wiederum eine künstliche Ausdehnung des Begriffs der duty to act judicially.645 Darüber hinaus differenzierte die Rechtsprechung in der Geltung des Anhörungsgrundsatzes auch nach dem Gegenstand des Verfahrens: Solche Verfahren, in denen es um die Entscheidung über ein right ging - also eine Rechtsposition, die sich aus dem common law ergab und über die normalerweise die Gerichte befanden - erforderten eine Anhörung vor dem Eingriff; dort hingegen, wo die streitgegenständliche Entscheidung eine gewährte Erlaubnis betraf, wo die Rechtsposition also lediglich ein privilege darstellte, war keine vorherige Anhörung notwendig.646 Beide Beschränkungen führten kurz nach Ende des 2. Weltkrieges zu einer inkonsistenten Rechtsprechung und zu Kritik in der Literatur ; die Wirksamkeit des Anhörungsgrundsatzes war zu diesem Zeitpunkt auf einen Tiefpunkt gesunken.647 Erst mit der Leitentscheidung Ridge v. Baldwin von 1964 und den daran anschließenden Urteilen wurde der Anhörungsgrundsatz allgemeine Maxime für alle möglichen Entscheidungen von Hoheitsträgern.648 Allgemeingültige, für alle Verfahren gleichermaßen geltende Anforderungen enthält dieser Grundsatz jedoch bis heute nicht: Der Audi alteram partem-Grundsatz wird mittlerweile generell als Grundsatz der procedural fairness beschrieben, dessen konkrete Anforderungen vom Einzelfall abhängen, so dass sich nur wenig Allgemeinverbindliches darüber sagen lässt.649 Für justizielle Verfahren – also für die Verfahren der tribunals – wird aus dem Grundsatz der procedural fairness etwa abgeleitet, dass die Parteien eines solchen Verfahrens hinreichende Informationen und Zeit haben müssen, um ihre Verfahrensführung vorzuberei645 Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 158. 646 Siehe etwa Nakkuda Ali v. MF de S Jayaratne [1951] AC 66; genauso auch R. v. Metropolitan Police Commissioner Ex p. Parker [1953] 1 WLR 1150 (1154) per Godard C.J; siehe zum Ganzen Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 12 – 001 und para. 12 – 006. 647 Siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 12 – 008. 648 Ridge v. Baldwin [1963] 1 QB 539; siehe dazu auch Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 12 – 008; Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 373; Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 6 – 043; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 159 f. 649 Siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 106 f.
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ten650 sowie dass in der Regel eine mündliche Verhandlung stattzufinden hat,651 in deren Rahmen den Verfahrensparteien hinreichend Gelegenheit gegeben wird, auf das von der Gegenseite Vorgebrachte zu reagieren. Was das jedoch heißen kann, ist wieder einzelfallabhängig und kann nicht abstrakt beschrieben werden; die Möglichkeiten der Verfahrensbeteiligung in den tribunals ist ohnehin sehr variantenreich ausgestaltet, weshalb die konkreten Anforderungen der procedural fairness an das jeweilige Verfahren höchst unterschiedlich sein können.652 (ii) Unparteilichkeit – Nemo iudex in causa sua Der zweite Teilgrundsatz des Prinzips der natural justice – Nemo iudex in causa sua – wird auch als rule against bias bezeichnet.653 Bekannt ist dieser Grundsatz im englischen Recht wohl schon seit der Zeit Bractons,654 wenngleich er wohl erst viel später Bestandteil des common law wurde.655 Der Grundsatz besagt, dass jede Partei eines Verfahrens ein Recht darauf hat, dass der Streit objektiv, unparteiisch und im Einklang mit dem Recht entschieden wird, was voraussetzt, dass kein an der Entscheidung Beteiligter ein eigenes Interesse am Ausgang der Entscheidung haben darf.656 Das ist regel650 Ridge v. Baldwin [1963] 1 QB 539 (113) per Morris LJ; siehe insgesamt zu weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung auch Fordham, Judicial Review Handbook, 4th ed. 2004, para. 60.5 ff.; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 107. 651 Siehe etwa Llyod v. McMahon [1987] AC 625 (649) per Dillon LJ; siehe zum Ganzen auch Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 107 m.w.N. 652 So wurde es etwa für zulässig befunden, dass ein tribunal von sich aus anordnet, dass bestimmte, für den Betroffenen ungünstige Informationen in einem Bewährungsverfahren nicht der eigentlichen Verfahrenspartei offengelegt wurden, sondern nur deren speziell ernanntem Vertreter, der über den Inhalt dieser Informationen nicht mit dem Kläger kommunizieren durfte; siehe Robert v. Parole Board [2005] 2 AC 238 sowie hierzu auch Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 12 – 030. Für einige tribunals ist ein solches Verfahren sogar gesetzlich vorgeschrieben; dazu siehe unten, V.D.1., S. 311. 653 Statt aller siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 101 f. 654 Also Mitte des 13. Jhds; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 10 – 008 ff. m. w. N. 655 Es lässt sich offenbar kein direkter Einfluss der Aussage Bractons auf das common law nachweisen, vielmehr hat das common law scheinbar eigenständig die gleichen Grundsätze entwickelt, wie sie im römischen Recht bereits Bestand hatten. Einzelne einflussreiche englische Juristen wandten den Grundsatz bereits im Verlauf des 17. Jhds. an, aber erst seit Mitte des 19. Jhds. kann er gesichert als Bestandteil des common law angesehen werden; siehe zum Ganzen Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 10 – 009 ff. 656 Siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 101 f. Dieses universelle Verfahrensprinzip, das sowohl auf rein administrative als auch auf richterliche Entscheidungsprozesse Anwendung findet, kennt die
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mäßig der Fall, wenn der Entscheidungsträger ein Vermögensinteresse an der Entscheidung hat,657 oder wenn er familiär oder geschäftlich mit dem von der Entscheidung Betroffenen verbunden ist.658 Darüber hinaus enthält die rule against bias aber auch die weitergehende Komponente, nach der schon der Anschein von Parteilichkeit oder fehlender Unabhängigkeit eines Entscheidungsträgers (apparent bias) verhindert werden soll.659 Abgesehen von offensichtlichen Fällen wie einem finanziellen Interesse oder familiärer Verbundenheit war jedoch in der Rechtsprechung lange nicht geklärt, wann bias sonst noch vorliegt: Es hatten sich zwei verschieden formulierte Tests für das Vorliegen von bias entwickelt,660 deren Anforderungen unterschiedlich hoch waren und die sich zudem im Laufe der Zeit miteinander vermischten,661 so dass eine völlig unübersichtliche Rechtsprechung entstand.662
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Rechtsprechung bereits seit Dr. Bonhams’ Case (1609) 77 ER 646; siehe Loveland, Constitutional law, Administrative Law and Human Rights, 4th ed. 2006, S. 566 ff. Liegt dies vor, führt das zur automatischen Disqualifikation des Entscheidungsträgers, egal ob dieser tatsächlich befangen war oder nicht und es reicht auch bereits ein Interesse von sehr geringem finanziellen Wert aus, sofern es dem Entscheidungsträger allein zusteht; siehe hierzu im Einzelnen Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 13 – 002. Siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007; S. 101 f. Liegt ein solches Interesse vor, bedeutet es nicht zwingend den Ausschluss des Entscheidungsträgers – familiäre Verbundenheit oder Geschäftsverbindungen führen jedoch zu einer automatischen Disqualifizierung; es ist nicht weiter danach zu fragen, ob der handelnde Entscheidungsträger tatsächlich befangen war ; siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 13 – 002 m. w. N. Genauso hierher gehört, wenn der Entscheidungsträger mit einer Organisation verbunden ist, die ein Interesse am Ausgang der Streitigkeit hat; siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 13 – 002. Ein bekannter Fall einer solchen Verbindung ist die Entscheidung R. v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate Ex p. Pinochet Ugarte (No. 2) [2000] 1 AC 119, in der eine Entscheidung des HoL über die Abschiebung des Diktators Pinochet durch das HoL aufgehoben wurde, weil einer der an der Ausgangsentscheidung beteiligten Richter – Lord Hoffmann – Vorsitzender einer Organisation zur finanziellen Unterstützung des englischen Ablegers von Amnesty International war. Amnesty International jedoch war an dem Verfahren beteiligt. Obgleich die Richter betonten, dass Lord Hoffmann keine Befangenheit unterstellt werde, hoben sie die Entscheidung auf. Dieser Aspekt wurde erst Anfang des 20. Jhds als Bestandteil des Grundsatzes identifiziert; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 10 – 007. Der berühmtesten Ausdruck dieser Regel findet sich in der Entscheidung R. v. Sussex Justices Ex p. McCarthy [1924] 1 KB 256 (259) per Hewart CJ: »[It] is of fundamental importance that justice should not only be done, but should also be seen to be done.«; siehe zu weiteren Entscheidungen auch nächste Fn. 660. Der erste Test zielte auf eine reale Gefahr bzw. Wahrscheinlichkeit der Voreingenommenheit ab (»real likelihood of bias«, siehe R. v. Rand and Others (1866) LR 1 QB 230; R. v. Sunderland Justices [1901] 2 KB 357; Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 382 Fn. 13 m. w. N.), der zweite auf einen berechtigten Verdacht der Voreingenommenheit (»reasonable suspicion of bias«, siehe Cooper v. Wilson [1937] 2 KB 309 (324, 344) per Greer LJ; siehe zum Ganzen Cranston, PL 1979, Aut., 237 (237 ff.); Rawlings, PL 1980, Spr., 122; Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 13 – 006. Metropolitan Properties Co (FCG) Ltd v. Lannon [1969] 1 QB 577, (598 ff.) per Denning MR,
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Die Rechtslage wurde erst 1993 in der Entscheidung Gough vorläufig dahingehend geklärt, dass es auf das Vorliegen einer realen »Gefahr der Voreingenommenheit« ankam.663 Dabei blieb die Rechtsprechung jedoch nicht stehen: Im Lichte der Judikatur des EGMR zur Frage der Unbefangenheit im Rahmen von Art. 6 EMRK664 sowie Entscheidungen von Höchstgerichten anderer Commonwealth-Staaten665 entwickelten die englischen Gerichte den Test dahingehend weiter,666 dass der, der die Frage der Befangenheit zu entscheiden hat, zunächst alle Umstände zu ermitteln und in Betracht zu ziehen hat, die für die Beurteilung des Vorliegens von bias im konkreten Fall von Bedeutung sein könnten, um sodann vom Standpunkt eines fair-minded and informed observer darüber zu entscheiden habe, ob eine reale Gefahr der Befangenheit besteht.667 (b)
Verfahrensanforderungen aus Art. 6 EMRK und dem Human Rights Act 1998 c.42 Die rules of natural justice haben sich in der Rechtsprechung der Gerichte mittlerweile so gefestigt, dass auch der Gesetzgeber an einigen Stellen die dahinterstehenden Konzepte als bekannt vorausgesetzt hat,668 wenngleich eine einheitliche Terminologie für diese Grundsätze nicht besteht, da die Rechtsprechung seit den späten 1960er Jahren auch andere Begrifflichkeiten verwendet wie due process oder duty to act fairly.669 Heute ergibt sich insb. für die
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der zwar seine Ausführungen mit Bezug auf das Urteil einleitet, das für den »reasonable suspicion«-Test maßgeblich ist, letztlich aber den »real likelihood«-Test anwendet. Siehe die Entscheidung R. v. Goth [1993] AC 646 (667) per Goff LJ, der feststellt, dass gerade die Ausführungen Lord Dennings in Metropolitan Properties Co (FCG) Ltd v. Lannon [1969] 1 QB 577 »a legacy of some confusion« hinterlassen hätten; siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 13 – 006. Siehe R. v. Goth [1993] AC 646 (670 E-F) per Goff LJ: »I prefer to state the test in terms of real danger rather than real likelihood, to ensure that the court is thinking in terms of possibility rather than probability of bias. Accordingly, having ascertained the relevant circumstances, the court should ask itself whether, having regard to those circumstances, there was a real danger of bias on the part of the relevant member of the tribunal in question.«. Dazu im Einzelnen sogleich, II.C.3.b)(3)(b), S. 162f. Siehe Webb v. R. (1994) 181 CLR 41; Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 13 – 007. Zuerst modifizierte der CoA den Test in der Entscheidung Re Medicaments and Related Classes of Goods (No. 2) [2001] 1 WLR 700 (711) per Phillips MR; Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 13 – 007. Später wurde die Modifikation vom HoL bestätigt in der Entscheidugen Porter v. Magilll [2002] 2 AC 357 (494, para. 102 ff.) per Hope LJ. Porter v. Magilll [2002] 2 AC 357 (494, para. 102 ff.) per Hope LJ und ihm folgend auch Lawal v. Northern Spirit Ltd [2003] UKHL 35 (zu hierzu auch noch unten, bei Fn. 1702); siehe zum Ganzen Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 384. In einigen vereinzelten Gesetzen fanden sich Bestimmungen, die auf die rules of natural justice verwiesen, ohne diese allerdings zu definieren, etwa im s.3(10) Foreign Compensation Act 1969 c.20 oder in s.6(13) Trade Union and Labour Relations Act 1974 c.52. Das zeugt davon, wie gefestigt die Dogmatik der Gerichte hierzu mittlerweile ist; siehe Wade/ Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 374. Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 7 – 003.
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Verfahren von tribunals des Weiteren auch aus Art. 6 EMRK die Forderung, ein unabhängiges und unparteiliches Verfahren670 durchzuführen.671 Die EMRK wurde durch den Human Rights Act 1998 c.42 mit Wirkung vom 02. Oktober 2000 in das englische Recht inkorporiert,672 und alle Gerichte und tribunals sind verpflichtet, bei ihrer Entscheidungsfindung die Rechtsprechung des EGMR zu berücksichtigen.673 Nationales Gesetzesrecht ist dabei stets – und zwar von allen Rechtsanwendern – so weit wie möglich so auszulegen, dass die Garantien der EMRK Wirksamkeit erlangen.674 Die Anwendbarkeit des Art. 6 EMRK setzt voraus, dass ein Spruchkörper über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen eine Person erhobene strafrechtliche Anklage zu entscheiden hat.675 Für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf viele der tribunals ist die Formulierung »zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen« maßgeblich, obgleich diese gemäß ihrer Formulierung ursprünglich nur »zivilrechtliche Ansprüche« nach deutschem Verständnis meinte.676 Jedoch wurde die Bestimmung vom EGMR dahingehend ausgelegt, dass sie neben rein
670 Es wird differenziert zwischen dem Begriff der »Unabhängigkeit« (»independence«) und »Unbefangenheit« bzw. »Unparteilichkeit« (»impartiality«): »Unabhängigkeit« ist zu verstehen im Sinne einer institutionellen Unabhängigkeit des Spruchkörpers, d. h. keine Verquickung mit den Parteien des von diesem Spruchkörper zu entscheidenden Rechtsstreits bzw. im verwaltungsrechtlichen Kontext von der Exekutive, insb. muss diese Unabhängigkeit auch nach außen sichtbar sein. Siehe dazu Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 67 ff.; Grabenwarter, EMRK, 3. Aufl. 2008, § 24 Rn. 32. Unbefangenheit bzw. Unparteilichkeit hängt eng mit der beschriebenen Unabhängigkeit zusammen, da erstere Voraussetzung für letztere ist; der EGMR prüft das Vorliegen dieser Bedingung unter subjektiven und objektiven Gesichtspunkten; siehe Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 76; Grabenwarter, EMRK, 3. Aufl. 2008, § 24 Rn. 39. 671 Für einige tribunals, die sich etwa mit dem Sachbereich des Unterbringungsrechts befassen, ergeben sich außerdem noch Anforderungen aus Art. 5 EMRK, worauf im Folgenden jedoch nur am Rande eingegangen werden soll; siehe unten V.B.3.d), S. 261. 672 Siehe Letts, Natural Justice in Tribunals (UK), in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008 S. 46; statt aller hierzu außerdem Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 69 ff. 673 S.2 Human Rights Act 1998 c.42: »A court or tribunal determining a question which has arisen in connection with a convention right must take into account any (a) judgment, decision, declaration or advisory opinion of the European Court of Human Rights […].«; siehe zum Human Rights Act 1998 c.42 insgesamt statt aller Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 77 ff. 674 S.3 Human Rights Act 1998 c.42. 675 Siehe Art. 6 I EMRK – in englischer Fassung: »In the determination of his civil rights and obligations or of any criminal charge against him, everyone is entitled to a fair and public hearing within a reasonable time by an independent and impartial tribunal established by law.«. 676 Feldbrugge v. Netherlands (1986) 8 EHRR 425 (444 paras 19 – 21); Runa Begum v. Tower Hamlets LBC [2003] 2 AC 430; Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 12 – 0018.
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privatrechtlichen Ansprüchen auch Streitigkeiten über im öffentlichen Recht wurzelnde Rechte umfasst.677 Die Rechtsprechung des EGMR wird jedoch in England teilweise noch nicht als konsistent empfunden678 und so hatten die englischen Gerichte bei der Umsetzung dieser Auslegung einige Schwierigkeiten.679 Deshalb ist nicht ganz klar, wann das Vorliegen etwa eines sozialrechtlichen Anspruchs des Bürgers gegen den Staat den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK eröffnet – die Gerichte gehen grds. davon aus, dass Ansprüche auf Leistungen, deren Gewährung in erster Linie im Ermessen des Hoheitsträgers steht, den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK nicht eröffnen, jedoch ist auch diese Rechtsprechung wohl noch nicht gefestigt.680 Wenngleich damit nicht alle tribunals stets im Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK liegen, so sind doch zumindest potentiell alle tribunals, die sich mit sozialrechtlichen, steuerrechtlichen aber auch asyl- und immigrationsrechtlichen Streitigkeiten befassen, im Anwendungsbereich von Art. 6 I EMRK.681 677 Art. 6 I EMRK eröffnet den Schutzbereich seiner Verfahrensgarantien für alle Streitigkeiten »of a genuine and serious nature.« Z v. United Kingdom (2002) 34 EHRR 3, 87; siehe zur entsprechenden Anwendung der Vorschrift in Deutschland auch Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 14: In der autonomen Auslegung der EMRK stellt der EGMR darauf ab, ob das Ergebnis eines Verfahrens für zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen unmittelbar entscheidend ist (siehe etwa Klein/Deutschland, EGMR NJW 2001, 213; Gast u. Popp/Deutschland, EGMR NJW 2001, 211). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Anspruch zivilrechtlich ist i. S. d. innerstaatlichen Rechts, weshalb auch ein Anspruch zwischen Staat und Bürger über einen Hoheitsakt ein »zivilrechtlicher Anspruch« sein kann, über dessen Bestehen innerstaatlich die Verwaltungs- oder Sozialgerichte zu entscheiden haben – daher fallen nahezu alle Sozialstreitigkeiten darunter ; siehe Grabenwarter, EMRK, 3. Aufl. 2008, § 24 Rn. 7. 678 Siehe hierzu aus englischer Sicht Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 12 – 019. 679 »An English lawyer tends to see all claims against the state which are not wholly discretionary as civil rights and to look with indifference upon the casuistry that finds the need to detect analogies with private law.« Runa Begum v. Tower Hamlets LBC [2003] 2 AC 430 (456) per Hoffman LJ. 680 Dass grds. auch öffentlich-rechtliche Ansprüche den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK eröffnen können, haben die Gerichte in der Entscheidung R. (on the application of Wright) v. Secretary of State for Health [2007] EWCA Civ 999 anerkannt. Beispiele für die Schwierigkeiten der englischen Gerichte bei der Bewertung der Frage, wann ein Anspruch den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK eröffnet, sind etwa die Entscheidungen R. (on the application of Hamid Ali Husain) v. Asylum Support Adjudicator [2001] EWHC Admin 852 und Runa Begum v. Tower Hamlets LBC [2003] 2 AC 430. Dort wurde der Anwendungsbereich von Art. 6 I EMRK dahingehend beschränkt, dass solche Ansprüche gegen den Staat nicht hierunter fallen, deren Gewährung in erster Linie eine Ermessensentscheidung ist. 681 Siehe auch Letts, Natural Justice in Tribunals (UK), in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008, S. 49, die mit Verweis auf die Entscheidung Golder v. United Kingdom [1975] 1 EHRR 524 darauf hinweist, dass die Entscheidung darüber, ob ein konkretes tribunal bzw. ein von diesem zu entscheidendes Verfahren im Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK liegt, ohnehin vom EGMR zu treffen ist.
Zusammenfassung
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In jedem Fall legen sowohl der EGMR als auch die englischen Gerichte die Anforderungen von Art. 6 I EMRK ganzheitlich und pragmatisch aus und betrachten für die Beurteilung der Frage, ob eine konkrete Verletzung vorliegt, in jedem Einzelfall das Verfahren als ganzes:682 Ging ein Verfahren durch mehrere Instanzen, liegt eine Verletzung etwa der Unabhängigkeitserfordernis nicht vor, wenn in diesem Verfahren die Anrufung einer Instanz möglich war, welche die Anforderungen aus Art. 6 EMRK erfüllte – nicht notwendig hingegen war, dass jede Instanz diese Anforderungen erfüllt.683 Nichtsdestotrotz sind die Verfahrensgarantien der EMRK aufgrund der Pflicht zu deren Anwendung schon nach dem nationalen Recht vom tribunal zu beachten, was etwa Einfluss auf die Auslegung und Handhabung kodifizierter Verfahrensnormen oder die Zusammensetzung des tribunals haben kann, worauf noch eingegangen wird.
D.
Zusammenfassung: Verwaltungsrechtsschutz durch die Gerichte im Wege des judicial review
Die ordentlichen Gerichte können Verwaltungsrechtsschutz vor allem durch die Ausübung ihrer supervisory jurisdiction gewähren, um die der Bürger im Verfahren des JR ersuchen kann, um eine große Bandbreite hoheitlicher Maßnahmen einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Nur der High Court als Nachfolger der alten common law-Gerichtshöfe und des Court of Chancery ist originär befugt, diese Rechtsbehelfe zu gewähren. Die Kodifikation des JR beschränkt sich auch heute noch auf die grundlegenden Verfahrensregeln – hinsichtlich der Reichweite der supervisory jurisdiction knüpft das Gesetz selbst unmittelbar an jene Kompetenzen der Gerichte an, die sich seit jeher aus dem common law und damit aus der Rechtsprechung der Gerichte selbst ergeben. Dies verleiht den Gerichten noch heute einen erheblichen Spielraum bei der Festlegung der Grenzen ihrer Kompetenzen, die schließlich nie abschließend definiert wurden. Zweck der Prüfung ist vor allem, sicherzustellen, dass der Hoheitsträger, dessen Maßnahme überprüft wird, sich in den Grenzen seiner ihm gewährten Kompetenzen gehalten hat, was eine Überprüfung der merits der Entscheidung ausschließt, aber andererseits – aufgrund der vielfältigen Bedeutungen von ju682 Letts, Natural Justice in Tribunals (UK), in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008, S. 49. 683 Bryan v. United Kingdom (1969) 21 EHRR 432; Letts, Natural Justice in Tribunals (UK), in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008, S. 49. Der EGMR fordert im Rahmen der Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK lediglich, dass gegen Entscheidungen eines tribunal die Anrufung eines »court of full jurisdiction« möglich ist; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 378.
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risdiction – mehr umfasst als die reine Frage nach der Zuständigkeit. Schon auf der Ebene der Zulässigkeit haben die Gerichte dabei ein beträchtliches Ermessen; das gleiche gilt für die Gewährung oder Versagung der Rechtsbehelfe. Auch wenn die dogmatische Legitimation hierfür nicht klar ist, so ist doch die Entwicklung und Ausgestaltung des JR durch die Gerichte selbst betrieben worden – faktisch entscheiden sie damit selbst darüber, wann sie welche hoheitliche Maßnahme überprüfen, wie tief diese Prüfung geht und welche Fehler einer Entscheidung welche Konsequenzen haben. Es war und ist ihnen damit möglich, ihre supervisory jurisdiction und damit zugleich ihre eigene Rolle innerhalb der administrative justice landscape an sich verändernde Umstände anzupassen. Der Umgang der Gerichte mit ouster clauses hat dabei einerseits gezeigt, dass die Gerichte an die Hinnahme jeglicher Beschränkungen ihrer supervisory jurisdiction durch den Gesetzgeber sehr hohe Anforderungen knüpfen. Andererseits sind sie in ihrer Rechtsprechung etwa zur Gewährung der permission sehr restriktiv und verweigern zudem dort regelmäßig eine Überprüfung, wo dem Kläger andere, effektive Wege zur Verfügung stehen – vor allem dort, wo dieser Weg ein mehrinstanzliches Tribunalverfahren ist. Obwohl gerade aufgrund der hohen Zulassungshürden die Anzahl der JRVerfahren gegenüber den sogleich noch darzustellenden Verfahren der tribunals rein quantitativ weit zurückbleibt,684 waren viele Entscheidungen der Gerichte, die auf diesem Wege ergingen, für das englische Verwaltungsrecht systembildend685 – wichtige, materiellrechtliche Grundsätze für das Verwaltungsrecht wurden durch die Gerichte in Ausübung ihrer supervisory jurisdiction geschaffen oder ausgestaltet686 und jahrhundertealte Grundsätze wie die rules of natural justice (wieder)entdeckt und ausgebaut: Waren die Gerichte vor und 684 Den 10.600 im Jahr 2010 neu eingereichten Anträgen auf Gewährung der »permission« für die Durchführung des JR (siehe schon oben, Fn. 515) stehen für das Geschäftsjahr 2010 – 2011 ca. 612.900 Fälle entgegen, die bei tribunals neu eingereicht wurden; siehe Anhang, Tab. 1.1 Ministry of Justice, Annual Tribunals Statistics 2010 – 2011, 2011 (nicht mitgezählt sind dabei die Fälle, die vor den Employment und Employment Appeal Tribunals anhängig geworden sind). Zum Arbeitsanfall bei den tribunals innerhalb der Struktrur des TCEA 2007 c.15 siehe auch unten, Fn. 1429. Einen guten Überblick über die zahlenmäßige Entwicklung der JR-Verfahren bietet Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 1 – 044 ff. 685 Die Brisanz der Rechtsfragen, die im Wege von JR-Verfahren entschieden werden, zeigt sich etwa auch an der Zahl der JR-Verfahren, die den weiteren Instanzenzug bis zum HoL bzw. zum Supreme Court durchlaufen – zwischen 1998 und 2006 machten Rechtsmittel gegen JRVerfahren immerhin 21 % aller vom HoL entschiedenen Verfahren aus; siehe Woolf/Jowell/ Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 1 – 047. 686 »Today […] the principles developed through judicial review have become central to all of public administration in-so-far as those principles seek to enhance both the way decisions are reached and the quality of the decisions made.« Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 1 – 004.
Zusammenfassung
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während des 2. Weltkriegs noch sehr zurückhaltend, was die Überprüfung exekutiver Maßnahmen anging, kam es seit den 1960er Jahren zu einer stetigen Ausweitung richterlicher Interventionen;687 die bereits genannten Entscheidungen Anisminic, Ridge v Baldwin und O’Reilly v Mackman sind nur einige wenige, aber dafür umso wichtigere Beispiele dafür, wie die Gerichte das englische öffentliche Recht geformt haben. Die Gerichte können dabei das ihnen historisch zustehende Ermessen nutzen, um ihre eigenen Überprüfungskompetenzen so anzupassen und die Hürden für die Einleitung von JR-Verfahren so anzuheben oder abzusenken, dass sie in der Lage sind, nur solche Verfahren zu sich vordringen zu lassen, die Rechtsfragen von großer Bedeutung aufwerfen und geeignet sind, das Recht fortzuentwickeln. Dadurch, dass potentiell jede public function in den Anwendungsbereich des JR fällt, können die Gerichte auch Entscheidungen auf jedem Sachund Rechtsbereich überprüfen, was es ihnen ermöglicht, die Entwicklung des öffentlichen Rechts als ganzes im Blick zu haben und durch ihre Entscheidungen über den Einzelfall hinaus zu beeinflussen. Die quantitativ geringe Bedeutung für den Verwaltungsrechtschutz des Einzelnen wird also gewissermaßen durch die Qualität und Relevanz der Entscheidungen für die Rechtsentwicklung kompensiert,688 weshalb der JR zwar nicht unbedingt eine unmittelbare Wirkung auf die alltägliche Verwaltungspraxis,689 aber doch einen enormen Einfluss auf die Systembildung690 des englischen Verwaltungsrechts insgesamt hatte und hat.691 Als Mittel des Verwaltungsrechtsschutzes ist der JR daher weniger für die 687 Das Maß, in dem die Gerichte in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg die Exekutive ihrer Aufsicht unterstellten, bewirkte »[…] that it has seemed to many laywers as if administrative law was invented in the second half of the 20th century.« Endicott, Administrative Law, 2009, S. 56 f. mit einer Darstellung der Rechtsprechungsentwicklung. 688 »Where the Administrative Court comes into its own is in relation to what we might call ›high profile judicial review‹. […] Such cases are high profile in the sense that they concern issues of wide public interest that may be politically controversial. […]« Cane, Understanding Judicial Review and its Impact, in: Hertogh (Hrsg.), Judicial Review and Bureaucratic Impact – International and Interdisciplinary Perspectives 2004, S. 15 (18 f.). 689 Der Einfluss des JR auf die tagtägliche Verwaltungspraxis ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig und wohl insgesamt eher gering; siehe Halliday, Judicial Review and Compliance with Administrative Law, 2004, S. 19, der den Einfluss des JR auf die Entscheidungspraxis von Verwaltungsbeamten untersucht hat, die sich um die Unterbringung Obdachloser kümmern und feststellt: »In essence this book constitutes an empirical study of non-compliance«. 690 Obwohl Entscheidungen einzelner Beamter nur sehr bedingt durch den JR beeinflusst werden, wirkt er sich aber in jedem Fall generell auf die Ausgestaltung künftiger Verwaltungsverfahren aus; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 1 – 056. 691 Vgl. Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 157; Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 130.
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Lösung des individuellen Falls von Bedeutung, vielmehr entfaltet er durch seinen Einfluss auf die Fortbildung des Rechts insgesamt einen eher präventiven Schutz für den Einzelnen und gibt dem High Court die Möglichkeit, die künftige Rechtsentwicklung aktiv zu beeinflussen. Wie im nächsten Kapitel gezeigt werden wird, war die Rolle der tribunals demgegenüber stets eine völlig andere – ihre Aufgabe wurde vor allem darin gesehen, dem einzelnen Bürger in seinem Fall unkomplizierte Abhilfe zu schaffen. Durch die Reformen des TCEA 2007 c.15 allerdings ist nun ein System geschaffen worden, welches ein über diese Aufgabe ersichtlich hinausgehendes Potential hat.
III. Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
Im Grunde lässt sich die Entstehung der tribunals genausowenig an eine echte historische Zäsur knüpfen wie die Entwicklung des Verwaltungsrechtsschutzes durch die ordentlichen Gerichte.692 Die heutige, moderne tribunal landscape hat ihre Wurzeln vor allem im frühen 20. Jhd.693 – allerdings sind einige der tribunals, die bis zur Schaffung des TCEA 2007 c.15 bestanden, bereits eine Schöpfung des frühen 19. Jhds. und manche Vorläufer dieser Entwicklung lassen sich sogar bis ins 16. Jhd. zurückverfolgen. Im Folgenden soll die Entwicklung der tribunals und deren Rolle bis zu den Reformen durch den TCEA 2007 c.15 daher nur in groben Zügen und exemplifiziert an einigen Beispielen nachgezeichnet werden.
A.
Historischer und verfassungstheoretischer Hintergrund
Wie die Geschichte der einzelnen Gerichte gezeigt hat, leiteten diese ihre Autorität von der Krone ab. Ihre Rechtsprechungstätigkeit war mithin zunächst vor allem auch ein Machtinstrument des jeweiligen Königs:694 Die Entwicklung der zentralen common law-Gerichten aus dem königlichen Beraterstab und der 692 »[A]lthough administrative tribunals as we know them are of recent origin, the administrative tribunal as a judicial phenomenon has exercised the minds of lawyers for many centuries.« Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 17. 693 Dies ist die wohl allgemein anerkannte Auffassung: Siehe etwa Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 2 – 017: »It is in the liberal enactments of this period that the modern tribunal system has its real roots.« Genauso auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 771; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 158; Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 17. 694 Streitigkeiten zwischen Bürgern mittels eines staatlichen Verfahrens durch eine neutrale Instanz zu entscheiden war schließlich nicht nur ein Mittel, um den Frieden im Land zu wahren, sondern zugleich auch die eigene, königliche Macht zu demonstrieren und zu festigen; siehe Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 24.
170
Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
tatsächliche Einfluss der Monarchen auf diese695 führten gleichsam dazu, dass die Gerichte als Mittel zur Führung des Staates und ihre Aufgabe der Streitentscheidung zwischen Untertanen letztlich als Regierungstätigkeit angesehen wurde.696 Dies galt umso mehr für ein Konsiliargericht wie die Star Chamber, deren Zuständigkeiten im Grunde unbegrenzt waren und die ihre Urteile nicht in Anwendung etablierter Rechtsprinzipien, sondern letztlich nach politischen Erwägungen fällte.697 Auf lokaler Ebene fand sich eine Entsprechung dazu bei den Friedensrichtern, die ebenfalls als Vertreter des Königs in den jeweiligen Gebieten wahrgenommen wurden.698 Im Laufe des 17. Jhds. änderte sich jedoch das Verhältnis zwischen königlicher Exekutive und den common law-Gerichten fundamental: Nach der Glorious Revolution699 und der sich damit konsolidierenden Vormachtstellung des Parlaments gegenüber dem Monarchen wurden die zentralen Gerichte nun nicht mehr als Bestandteil der königlichen Regierungsmaschinerie angesehen, sondern mehr und mehr als Mechanismus zur Durchsetzung parlamentarischen Willens, wie er in dessen Gesetzen Ausdruck fand.700 Die Gerichte traten also nun mit der Aufgabe, den Willen des Parlaments auch gegenüber der Exekutive durchzusetzen, dieser gleichsam gegenüber.701 695 Der König hatte bis ins 17. Jhd. hinein stets die Möglichkeit, Richter nach Belieben aus dem Amt zu entfernen; siehe Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 25. 696 »In this early period (roughly from the Norman Conquest to the English Revolution) the distinction between ›administrating justice‹ and governing the country was less sharply drawn than it is now. The relationship between the central courts and the executive at this time can perhaps be captured by saying that ›doing justice‹ was understood as a mode or task of governance. By contrast, today we think of courts, vis--vis the executive, primarily as instruments of accountability for the supervision of government activity rather than performance of a governmental task.« Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 25. 697 Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 22; Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 24; zur Star Chamber siehe oben, II.A.2.b)(3), S. 79. 698 Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 25. 699 Der »Glorious Revolution« war der Bürgerkrieg von 1642 mit der Folge des Interregnums Oliver Cromwells vorausgegangen, nach dessen Ende Charles II. als letzter König der Stuart-Dynastie den Thron bestiegen hatte. Weil dieser jedoch bald durch seine ungeschickte Religionspolitik das Parlament gegen sich aufgebracht hatte, vertrieben ihn 1688 William III. und Mary I. und beide bestiegen mit Zustimmung des Parlaments gemeinsam den Thron; siehe Haan/Niedhart, Geschichte Englands, 2. Aufl. 2002, S. 198 ff.; sowie Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 213 ff. 700 Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 22 f.; Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 26 Fn. 17: »The 17th century witnessed a major change in the relationship between the monarchial executive and the central courts. The conciliar courts were abolished and, as a result of the triumph of parliament over the Monarch, the central courts came to be understood no longer as participants in the royal project of governance but as instruments of parliamentary will, expressed in statutes.« 701 »[P]arliament rather than the courts became guarantor of the Constitution and of civil liberties; and the judges became ›lions under the mace rather than under the throne‹.« AbelSmith/Stevens, Lawyers and the Courts, 1967, S. 8; siehe auch Wraith/Hutchesson, Admi-
Die Entstehung des Verwaltungsstaates und erster tribunals im 19. Jhd.
B.
171
Die Entstehung des Verwaltungsstaates und erster tribunals im 19. Jhd.
Ausgangspunkt für die Entwicklung, die zur heutigen Gestalt des Verwaltungsstaates in England führte, waren die Folgen der Industriellen Revolution des 19. Jhds. In dieser Zeit entstanden zugleich tribunals, die bis zu den Reformen des TCEA 2007 c.15 Bestand haben sollten; genauso wurzeln in dieser Zeit auch die Ursachen für die Vielgestaltigkeit, Inkohärenz und Ungewissheit über den Status von tribunals und damit jener tribunal landscape, die bis zum TCEA 2007 c.15 wucherte.702 Die enorm schnelle Ausdehnung von Industrie und Handel, die während des 18. Jhd. stetig an Geschwindigkeit zugenommen hatte, ging einher mit Phänomenen wie einer explosionsartigen Vermehrung der Bevölkerung, einer allgemein einsetzenden Landflucht und sich verändernde Arbeitstechniken und -bedingungen.703 Die Folgen dieser Erscheinungen waren gravierend: Durch die Landflucht waren in den Städten Slums mit katastrophalen Wohnverhältnissen entstanden; durch mangelnde Be- und Entwässerung breiteten sich Epidemien aus; die schlechter werdenden Lebensbedingungen, die Armut und die ständig steigende Bevölkerungsdichte in den Städten bereiteten den Nährboden für eine Zunahme von Kriminalität704 – all dies schuf dringenden Bedarf für massives staatliches Eingreifen. Zudem resultierten aus den technologischen Innovationen wie dem Eisenbahnbau oder der zunehmenden Technisierung von Produktionsprozessen gänzlich neue Interessenkonflikte, zu deren Lösung der Staat effektive Instrumente zur Verfügung stellen musste; dies erforderte zugleich eine Reform des Steuersystems, dessen Einnahmen dringend benötigt wurden, um die politischen Vorhaben zu finanzieren.705
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nistrative Tribunals, 1973, S. 22. Die neue Machtstellung des Parlaments gegenüber der königlichen Exekutive und die Einordnung der Gerichte in dieses Gefüge äußerte sich konsequenterweise darin, dass im Act of Settlement 1701 (12& 13 Will.& Mary) c.2 festgelegt wurde, dass nun die Möglichkeit zur Entlassung von Richtern dem Parlament zustehen sollte. Auch wurden die Gründe für eine Entlassung der Richter beschränkt: »[J]udges commissions be made quamdiu se bene gesserint [so long as they are of good behaviour], and their salaries ascertained and established; but upon the address of both Houses of Parliament it may be lawful to remove them.« Act of Settlement 1701 (12& 13 Will.& Mary) c.2, wiedergegeben bei Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 26 Fn. 20. »The reasons for the diversity, lack of coherence, uncertainty of status and inherent individual weaknesses [of tribunals] which have rendered both theoretical analysis and practical reform so problematic lie to a considerable extent in the historico-legal context of the statutory administrative tribunals an an institution in the nineteenth century.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 3. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 10. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 12. Hinzu kamen außerdem die finanziellen Folgen des Krieges mit Frankreich zu Beginn des 19. Jhds.; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 20.
172 1.
Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
Notwendigkeit für die Schaffung von tribunals im 19. Jhd.
Die bis dahin bestehenden, eher fragmentarischen Strukturen und Institutionen des Staates706 waren den Herausforderungen dieser Zeit nicht mehr gewachsen.707 Das neue Ausmaß an komplexen, das ganze Land erfassenden Problemen erforderte die gesteigerte Schlagkraft eines Zentralstaates, der mit diesen Anforderungen zu einem umfassenden Verwaltungsstaat anwuchs.708 Dieser Umund Ausbau des Staates als Reaktion auf die Probleme der Zeit brachte eine stetig wachsende Landschaft von »non-departmental, ›multi-functional‹ executive agencies«709 hervor, die jeweils zusammen mit den gesetzlichen Vorschriften geschaffen wurden, zu deren Umsetzung sie berufen waren.710 Diese Reformgesetze gestalteten gleichsam als parent acts711 dieser Gremien deren Besetzung und ihre Verfahren aus. So entstanden in völlig unterschiedlichen Sachbereichen Institutionen, aus denen sich einige der heutigen tribunals entwickelten:
a)
Einführung der Einkommenssteuer
Durch die vielfältigen Aufgaben, die der Staat in der Zeit der Industriellen Revolution übernehmen musste, bedurfte es vor allem einer Reform des Steuersystems, da die finanziellen Lasten für den Staat immens und die bisherigen 706 Die einzigen nennenswerten und für den Bürger wahrnehmbaren Ausprägungen des Zentralstaates zu dieser Zeit waren die Steuerbehörden, die zentralen Gerichtshöfe und die Armee: »England’s central administration did little in 1833 besides administer justice, collect taxes, and defend the realm.« Roberts, Victorian Origins of the British Welfare State, 1969, S. 13. 707 Im Bereich des Armenrechts etwa (siehe hierzu sogleich, III.B.1.d), S. 181) hatte sich gezeigt, dass nur eine starke, zentralstaatlich kontrollierte Verwaltungsorganisation die effektive Versorgung bzw. Beitreibung der dafür erforderlichen Mittel zur Unterstützung der Armen gewährleisten konnte. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 22. 708 »The degree of initiative, authority and control necessary to implement the reforms uniformly and effectively could come only from central government. […] A central agency would also distance the reforms from local vested interests and would, as indeed happened, build up an expertise and good practice that it could then, in theory, disseminate. […] The outcome was a program of centralizing legislative reform of almost unparalleled importance, spanning the whole of the nineteenth century and creating the English administrative state.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 22. 709 Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 30. 710 »A tribunal’s purpose was to implement, as an organ of the executive, the statutory regime consigned to it[.] […] [T]ribunals were exercising their judicial functions where they were resolving disputes arising from their implementation of the legislation, on their merits and objectively by the establishment of facts and the application to those facts of legal rules.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 8. 711 Diese Begriffsverwendung findet sich bei Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 111, 122, 308, 262 usw.
Die Entstehung des Verwaltungsstaates und erster tribunals im 19. Jhd.
173
Steuern zu deren Deckung unzureichend waren.712 Dabei wurden Strukturen von tribunals geschaffen, die sich an bereits Bekanntem orientierten: Schon 1799 wurde unter der Regierung von William Pitt in England erstmals die Besteuerung von Einkommen als vorübergehende Abgabe eingeführt, um die Kosten der napoleonischen Kriege zu finanzieren.713 Da es im Bereich des Steuerrechts besonders wichtig war, dass die Erhebung und Beitreibung der Steuern nicht durch Streitigkeiten gehemmt wurden, wählte die Regierung solche Organisationsformen zur Administrierung des neuen Regimes aus, die vertraut schienen, weil sie von anderen, älteren Organen des Steuerrechts bereits bekannt waren – nämlich den Land Tax Commissioners,714 denen die bis dahin die Verwaltung der so wichtigen Steuer auf Land oblag.715 So konnte die Regierung jenem Aspekt der Einkommensbesteuerung, der besonders viel Widerstand hevorzurufen geeignet war, etwas von seiner Brisanz nehmen: Es wurde nämlich nicht unbedingt die Steuer selbst als problematisch angesehen, sondern vielmehr die Tatsache, dass für deren Erhebung grds. die Offenlegung der eigenen Einkommensverhältnisse notwendig gewesen wäre.716 Wegen der großen Brisanz dieses Aspekts 712 Problematisch war vor allem, dass das bis dato existierende Steuersystem die enorme Wertschöpfung, die sich im Lauf der Industrialisierung durch den Handel ergab, nicht erfassen konnte und daher diese weitgehend unbesteuert blieb; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 21. 713 Cannon, in: Cannon (ed.), Dictionary of British History, 2009, Stichwort: »income tax«; Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 24. 714 Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 3/3 f.; siehe auch Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 24. 715 Die land tax war eine anhand des Wertes von Land berechnete Steuer, die spätestens (ähnliche Abgaben gab es wohl auch schon erheblich früher, wie etwa das Danegeld zu angelsächsischer Zeit) seit der Glorious Revolution regelmäßig erhoben wurde. Bemessungsgrundlage dieser Steuer war nicht ausschließlich, aber v. a. der Ertragswert (nicht etwa der Veräußerungswert) eines Grundstücks; besteuert werden konnte aber auch anderes persönliches Eigentum und andere Einnahmequellen, wie etwa die Vorteile aus der Inhaberschaft eines öffentlichen Amtes o. ä. Dennoch wurde diese Steuer als »land tax« allgemein bekannt; siehe Edwin, The Income Tax, 2nd ed. 1914, S. 48 f. Schon durch ein Gesetz von 1688 (1 Will.& Mary) c. 20 wurde durch das Parlament der Krone die Erhebung einer Sonderabgabe zur Finanzierung von Militärausgaben bewilligt. Heute wird dieses Gesetz teilweise als erster »Land Tax Act« bezeichnet. Ab 1698 wurde dies durch ein System von Quoten ersetzt, die county-, hundred- oder gemeindeweise erhoben wurden; vgl. Turner/Beckett/Afton, Agricultural Rent, 1997, S. 61.Die land tax war lange Zeit eine der wichtigsten Einnahmequellen des Staates; siehe Beckett, EHR 1985, 285 (285 ff.). Erst 1963 wurde sie gänzlich abgeschafft. Einen kurzen Überblick über die Geschichte der land tax seit dem Mittelalter bietet Chandler, The Land Tax, 1899, S. 1 ff. 716 Dies stellte einen Bruch mit der steuerrechtlichen Tradition Englands insofern dar, als alle bisherigen Steuern, die auf Güter erhoben wurden, gewissermaßen »freiwillig« waren, da die Steuer schließlich nur anfiel, wenn ein bestimmtes Gut ge- oder verkauft wurde; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 240, die insoweit von »voluntary taxes« spricht. Die Einkommenssteuer hingegen fiel stets und unabhängig vom eigenen Geschäftsgebaren an; siehe auch Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 3/4. Aus
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
wurde vom Steuerpflichtigen nicht die direkte Darlegung seiner Finanzen verlangt, sondern ähnlich wie bei der land tax ein surveyor eingesetzt, der das Einkommen eines Steuerpflichtigen zu schätzen hatte; entstanden Streitigkeiten über dessen Schätzung, konnte der surveyor den Fall einem neu eingerichteten Gremium, den General Commissioners for the Purposes of the Income and Property Tax Act717 (bis heute bekannt und deshalb auch hier grds. bezeichnet als General Commissioners) vorlegen, die dann ggf. nach eigenen Ermittlungen über die Steuerhöhe zu entscheiden hatten.718 Da das Land für die Verwaltung der land tax ohnehin bereits in Bezirke aufgeteilt war, übernahm man diese einfach und ernannte als General Commissioners – genau wie bei der land tax – rechtliche Laien aus der jeweiligen Region, die lediglich eine property qualification erfüllen mussten.719 Deren Aufgabe war zunächst eher administrativer Natur;720 gegen ihre Entscheidungen war die Anrufung eines eigenen Gremiums, der Commissioners of Appeal, möglich und zwar sowohl für den Steuerzahler als auch für den surveyor als Steuerschätzer.721 1803 wurden die Commissioners of Appeal abgeschafft722 und durch besondere Ausschüsse von General Commis-
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dieser Erwägung heraus mussten die General Commissioners sowie alle nachfolgenden Amtsträger, die mit Steuerverwaltung zu tun hatten, in ihrem Amtseid bekräftigen, dass sie alles, was sie im Rahmen ihrer Tätigkeit über die finanziellen Verhältnisse des Einzelnen erfuhren, streng vertraulich zu behandeln hätten; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 113 m.w.N. sowie Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 3/3; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 222 f.; Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 24. Siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 153. Siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 3/4. Ein gut beleumundeter Nachbar, so dachte man, der selbst gut situiert war und deshalb wohl auch ein gutes Gefühl für den Wert von Dingen haben würde, wäre am besten geeignet abzuschätzen, über welches Einkommen die Menschen in seiner Umgebung verfügten; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 3/4. Weil gerade den mit den Finanzen anderer befassten General Commissioners großes Vertrauen entgegengebracht werden sollte, fiel deren property qualification besonders hoch aus; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 114 f. Oftmals waren schon deshalb die Ämter des Friedensrichters, Land Tax Commissioners und General Commissioners (und Friedensrichter) in der Hand ein- und derselben Person; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 116. Das meint wohl auch Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 222, der die General Commissioners als »Anhängsel der friedensrichterlichen Gemeindeverwaltung« bezeichnet. Die Tätigkeit der General Commissioners und der surveyors war zunächst sehr ähnlich der der Land Tax Commissioners; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 189. S.16 Income and Property Taxes Act 1799 (39 Geo.III.) c.13, wiedergegeben in Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 153. Gegen Entscheidungen der General Commissioners war sodann nur noch die Anrufung eines besonderen Kollegialorgans aus drei General Commissioners möglich; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 145, die ausführlich die zu dieser Zeit bestehenden, äußerst komplexen Mechanismen zur Überprüfung von Entscheidungen der General Commissioners beschreibt, sowie Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 222, jeweils m. w. N.
Die Entstehung des Verwaltungsstaates und erster tribunals im 19. Jhd.
175
sioners ersetzt, die alle aus der Verwaltung der Steuer resultierende Streitigkeiten zu entscheiden hatten.723 1805 allerdings wurde dann an deren Stelle ein neues Gremium geschaffen,724 die Special Commissioners for the Purposes of the Income Tax Act (bis heute bekannt und deshalb hier entsprechend bezeichnet als Special Commissioners), die ebenfalls bis zu deren Integration in das System des TCEA 2007 c.15 Bestand haben sollten.725 1816 wurde die Einkommenssteuer kurzzeitig erneut abgeschafft,726 unter der Regierung von Robert Peel (1842) jedoch wieder eingeführt727 und die früheren Arrangements der Verwaltung dieser Steuer weitgehend übernommen.728 Sowohl die General als auch die Special Commissioners verloren im Laufe der folgenden Zeit immer mehr ihre administrativen Aufgaben und waren zuletzt rein justizielle Organe;729 zudem waren die Special Commissioners bald nicht mehr Rechtsmittelinstanz gegen Entscheidungen der General Commissioners, sondern gleichsam erstinstanzlich für besonders komplexe Steuerfälle zuständig.730 Die so geschaffenen Institutionen blieben lange Zeit weitgehend unver723 Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 24. 724 S.30 Income and Property Taxes Act 1805 (45 Geo.III.) c.49; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 155; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 223; Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 24 f. 725 Siehe zu deren Integration unten, V.B.4., S. 263. 726 Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 3/3. 727 Allerdings war diese Einkommenssteuer inhaltlich gegenüber der von 1799 stark modifiziert, sowohl hinsichtlich der zu Grunde liegenden Prinzipien als auch hinsichtlich der Verfahren der Berechnung; sie erfasste daher auch gerade das Einkommen, das durch Handelsgewinne generiert war. Dennoch stellten sich die gleichen Probleme wie bei der ersten Einführung der Einkommenssteuer. 728 Modifiziert wurde dabei allerdings insb. die Rolle der »Special Commissioners«: Diese waren Beamten des Finanzministeriums und meist Volljuristen (siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 137.) Es gab dabei nur drei Special Commssioners für das ganze Land, die – wie auch die Richter – auf »circuit« gingen; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 198. Sie erhielten eine veränderte Rolle, weil es insb. für die Kaufleute problematisch war, dass mit den General Commissioners Laien, die oftmals ihrerseits kaufmännischen Berufen nachgingen und deshalb u. U. potentielle Kunden oder Konkurrenten sein konnten, Einblick in die finanziellen Verhältnisse bekamen. Diesen Steuerzahlern wurde daher die Wahl gelassen, ob die von ihnen zu entrichtende Steuerhöhe zunächst von einem General Commissioner bestimmt werden sollte (wogegen dann ein Special Commissioner zur Überprüfung angerufen werden konnte), oder ob der Special Commissioner direkt die Steuerschätzung vornehmen sollte; siehe Jones, BTR 2005, 1, 80 (81 ff.). 729 Ihre letzten administrativen Funktionen verloren die General Commissioners allerdings erst mit dem Income Tax Management Act 1964 c.37; siehe auch Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 223. 730 Siehe zu dem stetigen Verlust administrativer Funktionen der Special Commissioners Jones, BTR 2005, 1, 80 (81 ff.), der diese Entwicklung seit 1842 ausführlich schildert. 1874 wurde zudem erstmals die Möglichkeit geschaffen, gegen Entscheidungen der General Commis-
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
ändert;731 zuletzt hatten sie eine sehr weitreichende Zuständigkeit für die Überprüfung der verschiedensten Maßnahmen der Finanzverwaltung, die noch näher dargestellt wird.732 b)
Reformen des Land- und Grundstücksrechts
Um die wachsende Bevölkerung zu ernähren, war eine Steigerung landwirtschaftlicher Erträge notwendig. Der dafür notwendigen Erschließung von Boden für die landwirtschaftliche Nutzung standen jedoch zum Teil völlig veraltete Rechtsregeln und Gebräuche entgegen.733 Besonders unpopulär war etwa das System der sog. tithes: Tithe war eine Art Reallast in Form eines Zehnten, der seit dem Mittelalter auf unterschiedlichste Erträgnisse eines Grundstücks erhoben wurde und an die Kirche oder den örtlichen Adel zu leisten war.734 Bis in die 1830er Jahre hinein wurde dieser Zehnte teilweise noch in Naturalien geleistet, was mit unzeitgemäßem Aufwand und Kosten verbunden war.735
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sioners den High Court im Wege des »case stated«-Verfahrens (zu diesem siehe unten, bei Fn. 826) anzurufen und um Prüfung von Rechtsfragen zu bitten; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 3/4. Die Special Commissioners nahmen daher zuletzt eine Rolle neben den General Commissioners ein, da sie sich mit besonders komplexen und schwierigen steuerrechtlichen Fällen sowie einigen weiteren Entscheidungen der Finanzverwaltung befassten; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Tax tribunals, para. 2; siehe zum Ganzen außerdem Stebbings, BTR 2005, 114 (114 ff.). Zur Zeit des Franks Report etwa wurden die General Commissioners noch immer von den Land Tax Commissioners (und damit zugleich den Friedensrichtern), meist aus deren eigenen Reihen ernannt, die Special Commissioners nach wie vor vom Finanzministerium: siehe Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, para. 235. Erst durch den Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II) c.66 wurde die Funktion der Ernennung der commissioners auf den Lord Chancellor übertragen; siehe zum Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II) c.66 auch unten, III.C.4.c), S. 212. Siehe unten, V.B.4., S. 263f. Das Grundstücksrecht ist wohl das eigentümlichste und für kontinentaleuropäische Juristen am schwersten zu erschließende Gebiet des englischen Rechts, weil es auch heute noch von Strukturen und Dogmen geprägt ist, die auf das normannische Feudalsystem zurückgehen; eine Beschäftigung mit diesem Rechtsgebiet setzt für deutsche Juristen deshalb voraus, dass sie sich weitgehend von den aus dem BGB bekannten Kategorien freimachen; siehe Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 7. Entsprechend sind auch die hier stark verkürzten Darstellungen und die Verwendung deutscher Begrifflichkeiten wie »Eigentum«, »Reallast« und »Grundstücksrecht« mit größter Vorsicht zu genießen. Siehe zum System der »tithes« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 12 – 14. Evans, The Contentious Tithe, 1976, S. 21 und 23; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 13. Die Regeln über diese Leistungspflicht waren äußerst komplex und technisch und gaben oft Anlass zu teuren und langwierigen Streitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten, was zudem das Verhältnis von Leistungspflichtigem und Leistungsempfänger – und damit oftmals den örtlichen Kirchenleuten, die auf den tithe als Unterhalt angewiesen waren – vergiftete; siehe etwa die Schilderungen in den Verhandlungen des Unterhauses,
Die Entstehung des Verwaltungsstaates und erster tribunals im 19. Jhd.
177
Ähnlich negative Auswirkungen hatte auch das System des sog. copyhold, das bis zu Zeiten Königin Victorias weit verbreitet war und eine effektive wirtschaftliche Nutzung von Land verhinderte.736 Copyhold war eine ursprünglich der Leibeigenschaft vergleichbare Art von feudalistisch geprägtem Recht737 zur Nutzung eines Grundstücks, bei dem ein Grundstücksbesitzer (tenant) mit dem Grundstückseigentümer (landlord)738 eine Vereinbarung über die Leistung bestimmter Dienste, Geldsummen oder Güter als Gegenleistung für Landnutzung vereinbarte, wobei die Vereinbarung von den Gerichten der jeweiligen Grafschaft739 festgehalten wurde.740 Obgleich tithes wie copyholds aufgrund ihrer anachronistischen Regeln zu-
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Parl. Deb. (HC) 12. 05. 1836, Vol. XXXIII, ser. 3, para. 892 ff. per Buller MP, abrufbar unter : http://hansard.millbanksystems.com/commons/1836/may/12/commutation-of-tithes-eng land, besucht am 06. 09. 2011. Eine Übertragung der Rechtsstellung, die sich aus einem copyhold ergab, war nur mit Zustimmung des landlord möglich und auch die Bewirtschaftung von Wäldern (über ein bestimmtes Maß hinaus) oder das Ausbeuten von Bodenschätzen auf solchen copyholdGrundstücken bedurfte der Zustimmung des landlord, was oft zur Folge hatte, dass sie faktisch unterblieb. Auch unterbanden die Regeln des copyhold eine effektive Instandhaltung des Landes; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, 15 f. sowie zum copyhold insgesamt Foster, The Copyhold etc. Act, 1841, S. 3. Das Recht des copyhold richtete sich sowohl nach dem common law als auch nach lokalen Sitten und Gewohnheitsrecht, was Auseinandersetzungen hierüber außerordentlich komplex machte; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 14. William I. nahm kraft seiner Eroberung Englands alles Land für die Krone in Anspruch – als König war er damit einziger Eigentümer allen Grund und Bodens (daran hat sich im Übrigen bis heute nichts geändert – rein dogmatisch kann auch heute niemand in England vollwertiges Grundeigentum erwerben, vielmehr leiten sich Rechte an einem Grundstück noch immer nur vom Recht des Königs ab). Sodann verlieh er als »Lord Paramount« Lehen (»tenures«) an seine Gefolgsleute (»tenants in chief«), die ihrem König als Gegenleistung bestimmte Güter oder (persönliche bzw. Kriegs-)Dienste schuldeten. Nach Erfüllung dieser Pflichten konnte der tenant mit dem Land nach Belieben verfahren – er war sodann »freeholder«. Bei einem copyhold bestand grds. seit dem Mittelalter diese Möglichkeit der vollständigen Ableistung der Lehenspflicht nicht (copyholder konnten also nicht zu freeholdern werden); vielmehr waren die Dienstpflichten der copyholders unbegrenzt und sie damit faktisch Leibeigene; siehe Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 7 f.; siehe zu »landlord« und »tenant« auch unten, Fn. 1528. Den »manorial courts«; dazu siehe oben, Fn. 342. Die Bezeichnung »copyhold« resultierte daher, dass der tenant eine Kopie des Eintrages in die court roll, also das entsprechende Verzeichnis des jeweiligen manorial courts erhielt; meist waren diese Akten jedoch nur schlecht oder überhaupt nicht schriftlich geführt, was erhebliche Rechtsunsicherheiten und daraus resultierende Streitigkeiten hervorrief. Wenn ein Grundeigentümer sowohl copyhold- als auch normale Grundstücke besaß, war oft das eine vom anderen nicht eindeutig abgrenzbar, was eine Veräußerung des »normalen« Grundstücks erschwerte; siehe zum Ganzen Beckett, in: Cannon (ed.), Oxford Companion to British History, 2009, Stichwort: »copyhold«. Diese Regelungen waren daher nicht nur aus Sicht des Grundstückseigentümers und des Grundstücksbesitzers, sondern auch aus Sicht der Allgemeinheit ein Ärgernis und ein »blot on the juridicial system of the country«; siehe House of Commons Select Committee (Copyholds Enfranchisement), Report on Copyholds Enfranchisement 1837, 1838 S. 3.
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nehmend als Bremse für den Fortschritt empfunden wurden, konnten sie nicht einfach abgeschafft werden, stellten doch die sich aus diesen Rechtsverhältnissen ergebenden Rechtspositionen nicht zu unterschätzende Vermögenswerte dar.741 Zwischen 1835 und 1845 wurden daher umfassende gesetzliche Regelungen zur Umwandlung dieser Rechtspositionen bzw. deren Ersetzung durch zeitgemäße finanzielle Kompensation in schnellen und effektiven Verfahren geschaffen:742 Es wurden zwei (personenidentische) Gremien eingerichtet – die Tithe Commissioners und die Copyhold Commissioners –, die weitgehend unabhängig von der Exekutive waren und grds. aus Laien bestanden, die auf die Unterstützung von juristisch gebildeten Assistenten zurückgreifen konnten;743 ihnen oblag es, die Umwandlung der Grundstücksrechte voranzutreiben.744 Sowohl die Tithe Commissioners als auch die Copyhold Commissioners hatten aber auch die Aufgabe, alle Streitigkeiten zu entscheiden, die aus ihrer administrativen Tätigkeit resultierten; sie hatten mithin zugleich eine justizielle Funktion.745
741 Siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 13 f. und 16: Insb. die tithes wurden als privates Vermögensrecht angesehen und die Berechtigten unternahmen teilweise erhebliche Anstrengungen, ihre Rechte auf neue Erzeugnisse wie Karotten und Kartoffeln auszudehnen oder lange Zeit ruhende und fast vergessene Bezugsrechte wieder geltend zu machen. 742 Durch den Tithe Commutation Act 1836 (6& 7 Will.IV) c.71 wurde zwingend die Umwandlung der althergebrachten Rechte auf tithe in eine an die jeweiligen Getreidepreise angepasste, jährlich zu zahlende Geldrente angeordnet und entsprechende Verfahren hierfür eingeführt. Durch den Copyhold and Customary Tenure, Commutation, Enfranchisement, and Improvement Act (4& 5 Vict.) c.35 wurde ein Mechanismus geschaffen, mit dem die Umwandlung von copyhold-Rechten in einen vollwertigen freehold (zu einigen Aspekten des freehold heute siehe unten, Fn. 1506) umgewandelt werden konnte. 743 Die ausgebildeten Juristen sollten dabei vor allem Praktiker sein, die sich durch Erfahrung beim Bewerten der Richtigkeit von Aussagen und Beweisen auszeichneten; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 132 f. Aufgrund der besonderen Bedeutung des tithe gerade für die Kirche verwundert es nicht, dass der Erzbischof von Canterbury einen der commissioners ernennen durfte; siehe Anderson, Part Two: Public Law, in: Baker (Hrsg.), The Oxford History of the Laws of England – 1820 – 1914 Bd. XI/2010 S. 349 ff. 744 Die administrativen Pflichten der jeweiligen commissioners waren dabei unterschiedlich stark ausgeprägt – die Tithe Commissioners etwa ließen die Höhe der vom tenant an den landlord zu zahlenden Geldkompensation in der Regel durch einen von ihnen ernannten Assistant Commissioner festsetzen und bestätigten den so festgestellten Betrag; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 161 m.w.N. Die administrativen Pflichten der Copyhold Commissioners hingegen beschränkten sich im Wesentlichen darauf, eine zwischen landlord und tenant vereinbarte Kompensationshöhe zu bestätigen; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 162 m.w.N. 745 Siehe s.45 Tithe Commutation Act 1836 (6& 7 Will.IV.) c.71 bzw. s.39 Copyhold Act 1841, (4& 5 Vict.) c.35; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 164 f. und 169: So konnten etwa die Festsetzungen des Assistant Commissioner von den Tithe Commissioners überprüft werden.
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Regulierung der Eisenbahn
Bedarf für Eingriffe des Staates ergab sich auch aus der zunehmenden Erschließung Englands durch Eisenbahnnetze, die die Regulierung des Wettbewerbs und der Netznutzung746 sowie Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlich machte.747 Auch der Landhunger der Eisenbahngesellschaften748 war weitestgehend unkontrolliert, genauso wie die von ihnen betriebene Errichtung von Brücken und Tunnels, deren Genehmigung zunächst den hierfür nicht hinreichend qualifizierten Friedensrichtern oder den ordentlichen Gerichten oblag.749 Die Einhaltung der den Eisenbahngesellschaften auferlegten Pflichten war außerdem nur schwer durchzusetzen, da nur das sog. private act-Verfahren750 zur Verfügung stand, das für den Bürger mit vielen 746 Ein vordringliches und für die Öffentlichkeit besonders spürbares Problem war die fehlende Kooperation der Eisenbahngesellschaften untereinander und die daraus resultierenden Friktionen: So wurden Fahrpläne und Strecken absichtlich so gestaltet, dass Anschlüsse an Linien von Konkurrenzunternehmen nicht ohne lange Wartezeiten erreicht wurden; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 19 f. 747 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 17. 748 Eisenbahngesellschaften waren zwar grds. von Privatleuten betrieben, ihre Gründung stützte sich aber auf einen »private act« (siehe dazu noch sogleich, Fn. 750) – dies verlieh ihnen in der Außenwahrnehmung einen »semi-public character«; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 25. 749 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 18 m.w.N. 750 In Großbritannien existiert keine dem Art. 19 I GG vergleichbare Regel zum Ausschluss von Einzelfallgesetzen: »Private acts« bzw. »private bills« sind besondere Einzelfallgesetze des Parlaments. Diese können in ihrer Regelung hinsichtlich einer bestimmten (natürlichen oder juristischen) Person bzw. eines Personenkreises (»private« oder »personal act«) oder aber in ihrer Anwendung auf ein bestimmtes geographisches Gebiet (sog. »local act«) beschränkt sein. Alle anderen Gesetze werden demgegenüber als »public general acts« bezeichnet; siehe zum Ganzen Loveland, Constitutional law, Administrative Law and Human Rights, 4th ed. 2006, S. 148 ff. Solche »private acts/bills« spielen heute faktisch nur noch eine untergeordnete Rolle, in der Vergangenheit wurden sie aber gerade im Zusammenhang mit dem Bau von Eisenbahnlinien und zur Zuweisung von Kompetenzen an Kommunalverwaltungen genutzt; siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 57. Die Verabschiedung solcher Gesetze erfolgt grds. in den gleichen Verfahrensabschnitten wie bei einem normalen »public general act«, praktisch sind diese aber näher an ein gerichtliches Verfahren angelehnt und durch eine umfassende Sachverhaltsermittlung gekennzeichnet. Die Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens kann sowohl durch eine außerhalb des Parlaments stehende Organisation oder Person im Wege einer Petition geschehen als auch durch die Regierung oder andere Parlamentarier. Sodann erhalten Personen, die von einem Gesetz besonders betroffen sein könnten (»directly and specially affected«), die Möglichkeit, Gegenvorstellungen gegen das Gesetz zu erheben. Geschieht dies, wird die »committee stage« eingeleitet, bei der ein parlamentarisches Komitee das in den jeweiligen Petitionen vorgebrachte Für und Wider gegeneinander abwägt und ein gerichtsähnliches Verfahren anwendet. Das Komitee untersucht den vorgebrachten Gesetzesentwurf daraufhin, ob das damit angestrebte Ziel »proper and desirable« ist, wobei sowohl Befürworter als auch Gegner des jeweiligen Gesetzes sich in diesem Verfahren durch Rechtsbeistände vertreten lassen.
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Nachteilen verbunden war und zudem von den einflussreichen und finanziell potenten Gesellschaften unterminiert werden konnte.751 Im letzten Viertel des 19. Jhds. entstanden außerdem zunehmend Monopole, deren Einflusssphäre sich ungehemmt zu erweitern drohte. In mehreren Gesetzen752 versuchte das Parlament deshalb, die Eisenbahngesellschaften einer effektiven staatlichen Kontrolle zu unterstellen.753 Da diese aber das größte wirtschaftliche Einzelinteresse der damaligen Zeit repräsentierten, war insb. in diesem Bereich die Frage nach dem angemessenen Mechanismus zur Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben schwierig und kontrovers.754 Letztlich wurde die Aufgabe der Eisenbahnregulierung den Railway and Canal Commissioners übertragen, die eine gewisse Autorität daraus zogen, dass ihr Vorsitzender ein Richter des High Court war.755 Diesem Gremium oblagen nicht nur verschiedenste Regulierungsentscheidungen,756 sondern zugleich die Klärung aller Streitigkeiten, die im Zu-
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Kommt das Komitee zu einem negativen Ergebnis (der Gesetzesvorschlag ist dann »not proved«), gilt das Vorhaben als abgelehnt; ist das Ergebnis positiv, wird das parlamentarische Verfahren fortgesetzt; siehe Cane/Conaghan/Daintith, in: Cane (ed.), Oxford Companion to Law, 2009, Stichwort: »Private Bills«. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 18 m.w.N. Zunächst mit s.2 Railway and Canal Traffic Act 1854 (17& 18 Vict.) c.31 und später durch den Railway and Canal Traffic Act 1873 (36& 37 Vict.) c.48: Durch ersteren sollte das Problem der fehlenden Zusammenarbeit der Eisenbahngesellschaften gelöst und durch durch letzteren sollte der zunehmenden Monopolbildung unter den Eisenbahngesellschaften entgegengewirkt werden; siehe hierzu die Äußerungen in den Parlamentsdebatten, Parl. Deb. (HC) 10. 02. 1873, vol. CCXIV, ser. 3, para. 229 ff. per Fortescue MP, abrufbar unter : http://hansard.millbanksystems.com/commons/1873/feb/10/leave-first-reading, besucht am 07. 09. 2011. Die verschiedenen – oftmals erfolglosen – Versuche des Gesetzgebers, die komplexe Materie der Eisenbahnregulierung effektiv zu gestalten, beschreiben ausführlich Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 174 ff.; Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 26 sowieJackson/Spencer, Machinery of Justice, 8th ed. 1989, S. 108 f. Alderman, The Railway Interest, 1973, S. 15; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 33. Die Schwierigkeiten werden durch die Tatsache verdeutlicht, dass zwischen 1839 und 1888 sechs verschiedene Organe zur Regulierung der Eisenbahnen geschaffen bzw. eingesetzt wurden; unter anderem wurde auch der Court of Common Pleas mit der Aufgabe betraut, Beschwerden von Händlern und Fahrgästen gegen die halbstaatlichen Eisenbahngesellschaften zu hören; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 34 m.w.N. sowie 54 ff. (zu den Problemen bei der Wahrnehmung der Aufgaben durch den Court of Common Pleas siehe S. 56 f.) sowie zum Ganzen Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 25. Siehe Railway and Canal Traffic Act 1873, (36& 37 Vict.) c.48. Ihre endgültige Form und ihre ausreichende Kompetenz erhielt diese Kommission aber erst durch den Railway and Canal Traffic Act 1888, (51& 52 Vict.) c.25; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 34. So etwa die Entscheidung über die Angemessenheit der von den Eisenbahngesellschaften erhobenen Gebühren für die Durchleitung fremder Züge durch das eigene Netz (»through rates«) oder die Überprüfung und Genehmigung von Kooperationsvereinbarungen zwischen mehreren Gesellschaften; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 180 mit Verweis auf die jeweiligen gesetzlichen Vorschriften.
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sammenhang mit der Eisenbahnregulierung auftraten.757 Dieses Gremium war dabei der Stammvater des späteren Transport Tribunal,758 welches durch die gegenwärtigen Reformen in das UT überführt wurde.759 d)
Armenfürsorge und Lokalbesteuerung
Die Administration der Armenfürsorge oblag seit der Zeit Elizabeth I. den Friedensrichtern, die lokal zuständige overseers760 ernannten, und funktionierte stets mehr schlecht als recht – denn den Unterhalt für die Armen musste jeweils die Gemeinde aufbringen, welcher der Bedürftige angehörte, was zu vielen Streitigkeiten zwischen den Gemeinden über die Zuständigkeit für einen Bedürftigen vor den ordentlichen Gerichten führte.761 Für die Finanzierung der Armenfürsorge wurden in jeder Gemeinde Abgaben erhoben, die sich im Wesentlichen am Wert des Grundbesitzes der Einwohner bemaßen.762 1834 wurde der Versuch gemacht, das Armenrecht grundlegend zu reformieren und auf eine neue, zentralstaatlich kontrollierte Grundlage zu stellen.763 1836 wurden dann neue Berechnungsmethoden der lokal erhobenen Abgaben eingeführt, deren Anwendung weiterhin von den lokalen overseers umgesetzt werden musste, deren Maßnahmen nach wie vor von den Friedensrichtern überprüft werden konnten.764 1862 jedoch wurde die Aufsicht über die Tätigkeit der lokalen overseers in die Hände eines neuen Gremiums gelegt, des Union Assessment Committee. Dieses nahm dabei zum einen die administrative Aufgabe der Schätzung des Grundstückswertes, zum anderen aber auch die justizielle Aufgabe wahr, Einwendungen gegen die Schätzungen zu hören und hierüber zu entscheiden.765 Aus diesen Union Assessment Committees sollten später die local 757 Dies umfasste sowohl Streitfragen, die aus Entscheidungen der comissioners selbst resultierten sowie Streitigkeiten, die zwischen zwei Eisenbahngesellschaften oder Eisenbahngesellschaften und deren Kunden entstanden; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 180 f. 758 Siehe Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 25 ff. 759 Siehe zum Transport Tribunal auch unten, bei Fn. 1372. 760 Diese Aufseher hatten die Aufgabe, eine jeweils lokal festgesetzte Armensteuer einzutreiben, die den Kranken und Alten zu Gute kommen sollte; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 11. 761 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 12. 762 Diese Form der an den Wert eines Grundstücks geknüpften Lokalsteuer gibt es noch heute; dazu siehe unten, bei Fn. 1490. 763 Dies geschah durch den Poor Law Amendment Act 1834 (4& 5 Will.IV.) c.76, der die sog. »Poor Law Commission« schuf, ein zentralstaatliches Organ, welches die Ausführung des neuen Gesetzes überwachen sollte, und entzog den Friedensrichtern einen großen Teil ihrer Aufgaben; zum Ganzen siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 23, 30. 764 Dies geschah durch den Parochial Assessments Act 1836 (6& 7 Will.IV.) c.96; siehe dazu Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 58 und 171. 765 Siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 172 f.
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valuation courts und aus diesen die Valuation Tribunals hervorgehen, die heute noch bestehen und ähnliche Aufgaben im Zusammenhang mit lokal erhobenen Steuern haben.766 e)
Unzulänglichkeit der existierenden Institutionen
Um all diese großen Reformaufgaben zu bewältigen, war vor allem ein effektiver Verwaltungsapparat notwendig, der möglichst reibungslos die notwendigen Einzelentscheidungen treffen und umsetzen konnte – andererseits machte aber das teilweise enorme Konfliktpotential der angestrebten Reformziele großen Widerstand der Beteiligten gegen jede Umsetzungstätigkeit absehbar. Gerade in den Politikbereichen, die mit als massiv empfundenen Eingriffen verbunden waren, wie dem Steuerrecht, war daher die schnelle Beilegung aufkommender Streitigkeiten mittels eines allgemein akzeptierten Mechanismus essenziell, um 766 Dazu siehe unten, bei Fn. 1490. Durch den Rating and Valuation Act 1925 (15& 16 Geo.V.) c.90 wurde zunächst die Verantwortung der Besteuerung von den overseers auf die mittlerweile neu geschaffenen kommunalen Institutionen, insb. die County und District Councils (s.1 Rating and Valuation Act 1925 (15& 16 Geo.V.) c.90) übertragen; auch wurden die Union Assessment Committees durch »Assessment Committees« ersetzt, deren Aufgabe nun dahingehend abgewandelt wurde, dass der von einer Wertfestsetzung betroffene Bürger gegen diese nicht mehr nur Beschwerde zum Assessment Committee einlegen, sondern auch eine Gegenvorstellung zur Schätzung durch die Kommunalbehörde vorbringen konnte (siehe ss.17 und 37 Rating and Valuation Act 1925 (15& 16 Geo.V.) c.90). Dass unter diesem Regime die Kommunalbehörden einerseits die Steuer festsetzten und andererseits von deren Aufkommen profitierten, war unbefriedigend, weshalb das ganze System durch den Local Government Act 1948 (11& 12 Geo.VI.) c.26 nochmals gravierend umgestaltet wurde – die Schätzung des Grundstückswertes ging von den lokalen Organen endgültig auf die »Valuation Officers« über, die den zentralstaatlichen Finanzbehörden unterstanden; die Assessment Committees wiederum wurden durch local valuation courts ersetzt, die aber letztlich die gleiche Aufgabe hatten (siehe s.44 Local Government Act 1948 (11& 12 Geo.VI.) c.26; zu den Valuation Courts siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 236 ff.). Durch den General Rate Act 1967 c.9 wurden die bisherigen Gesetze konsolidiert, das System aber im Wesentlichen beibehalten. Durch den Local Government Finance Act 1988 c.41 wurde dann – effektiv erst ab 1990 – für Privatleute kurzzeitig das System der lokalen, bis dahin als »rates« bezeichneten Steuern zu Gunsten der unbeliebten »community charge« oder »poll tax«, einer unabhängig vom Wert eines Grundstüks zu entrichtenden Kopfsteuer, weitgehend abgeschafft. Für nicht zu Wohnzwecken genutzte Gebäude wurden jedoch die rates (sog. »business rates«) beibehalten. Die local valuation courts wurden entsprechend durch Valuation and Community Charge Tribunals ersetzt und mit Aufgaben im Zusammenhang mit der community charge betraut, die sie neben ihren bisherigen Aufgaben im Zusammenhang mit den rates für rein gewerblich genutzte Gebäuden behielten. Die poll tax aber war so unbeliebt, dass sie schon 1992 wieder abgeschafft und durch das heutige System der »council tax« ersetzt wurde, das wieder auf einem System von rates und damit dem Wert von Wohnimmobilien basiert. Die gesetzliche Grundlage für die Einführung des heutigen Valuation Tribunal for England befindet sich in s.136 i. V. m. sch.11(1) para. A1 Local Government and Finance Act 1988 c.41, entsprechend geändert durch den Local Government and Public Involvement in Health Act 2007 c. 28.
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für die Akzeptanz der neuen Politik zu sorgen.767 Darüber hinaus wurde die Einrichtung solcher Streitentscheidungsmechanismen als Möglichkeit gesehen, politischen Gegnern und Bedenkenträgern gegen die erklärten Ziele bereits im Vorfeld den argumentativen Wind aus den Segeln zu nehmen.768 Das Hauptaugenmerk bei der Suche nach den jeweiligen Streitentscheidungsmechanismen lag dabei auf deren Effektivität, nicht unbedingt auf deren Qualität.769 Die Inanspruchnahme der Verfahren sollte für die potentiellen Kläger, vor allem für den einzelnen Bürger besonders attraktiv sein, um sicherzustellen, dass die Streitigkeiten auf geordnetem Wege schnell aus der Welt geschafft werden konnten, weshalb die Verfahren möglichst kostengünstig sein sollten. Attraktive, schnelle und kostengünstige Verfahren wiederum mussten einfach gehalten sein, um den Bürger in die Lage zu versetzen, möglichst ohne Hinzuziehung eines teuren, professionellen Rechtsbeistands daran teilzunehmen.770 Ferner mussten die Verfahren so ortsnah wie möglich abgewickelt werden, weil schnelle Kommunikations- und Transportmittel trotz der fortgeschrittenen Entwicklung der Eisenbahn für viele noch unerschwinglich waren.771 Der Gesetzgeber hätte zwar auf bereits bestehende staatliche Institutionen zurückgreifen können – letztlich war aber keine wirklich geeignet, die anvisierten Ziele zu verwirklichen: (1) Defizite der Höchstgerichte des common law Die zentralen Gerichtshöfe waren zweifellos eine hervorragende Institution zur Entscheidung von Rechtsfragen; die Fähigkeiten der Richter standen außer Frage und ihre Unabhängigkeit von der Exekutive war mittlerweile gefestigt;772 ihre Verfahren zur Entscheidung von Rechtsfragen waren außerdem über Jahrhunderte entwickelt und wohlerprobt. Für die Entscheidung von Sachfragen konnten sie auf die jurys zurückgreifen, die traditionell als am fähigsten angesehen wurden, Sachfragen zu entscheiden.773
767 »Popularity, if not approbation, was essential to the carrying out of government policy, and the protection of the individual through effective dispute resolution provisions was central to popular acceptance.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 38. 768 »[…] quieting the minds of landed proprietors«: Diese Aussage taucht auf im Zusammenhang mit einer Diskussion über die Übertragung von Streitentscheidungskompetenzen auf das Zentralorgan zur Regulierung von Eisenbahnen; siehe House of Lords Select Committee (Railroads), Report on Railroads, 1846, S. 10. 769 So wurde etwa für den Bereich des Einkommenssteuerrechts »quick justice, even if it is not of the highest« angestrebt; siehe House of Lords, Report to the Departmental Committee on Income Tax, Appendix, 1905, S. 165. 770 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 40. 771 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 40. 772 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 41. 773 Allerdings war auch das System der Jurys zu dieser Zeit in Kritik geraten; siehe House of
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Nichtsdestotrotz wurden die Gerichte für die Lösung der nun anstehenden Aufgaben als ungeeignet angesehen:774 Die Struktur der ordentlichen Gerichte war ja zu diesem Zeitpunkt selbst dringend reformbedürftig.775 Außerdem wurde ungeachtet der Fähigkeiten der Richter bezweifelt, dass diese in der Lage wären, sich mit den zum Teil sehr technischen und detaillierten Fragestellungen zu befassen, die die neuen Gesetze mit sich brachten.776 Des Weiteren waren auch die jurys nicht frei von Kritik, sie wurden zunehmend als kosten- und zeitintensives Element gerichtlicher Verfahren angesehen.777 Wegen generell steigender Verfahrenszahlen wurde außerdem angestrebt, die Ressourcen der ordentlichen Gerichten778 nicht noch durch andere Aufgaben zu binden.779 Darüber hinaus wurden die Richter auch für ungeeignet gehalten, die den anstehenden Rechtsfragen zu Grunde liegenden politischen Strategien angemessen mit in ihre Entscheidungen einzubeziehen:780 Insb. die unteren Gerichte waren in ihren Urteilen zunehmend durch den ständig anschwellenden Bestand an Präjudizien gebunden, der für die neuen Herausforderungen als ungeeignet, weil die notwendige Flexibilität hemmend, angesehen wurde.781 Vor allem aber sprachen die von den Gerichten angewandten Verfahrensregeln gegen deren Betrauung mit den neuen Fragestellungen, wurden die Verfahren doch als zu technisch, komplex und unflexibel angesehen.782 In jeder
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Commons (Judicature Commission), First Report, 1869, S. 18 sowie Manchester, Modern Legal History of England and Wales, 1980, S. 86 – 99. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 41. Zur Struktur der ordentlichen Gerichte vor Einführung des Supreme Court siehe oben, II.A.2.c), S. 83. Auch wenn das common law in einigen Bereichen bereits den Einsatz von Sachverständigen im Gerichtsprozess kannte; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 41. Außerdem waren sie zwar für die Entscheidung einfacher Sachfragen geeignet, aber mindestens ebenso wenig wie die Richter zur Entscheidung komplizierter, technischer Fragen; siehe House of Commons (Judicature Commission), First Report, 1869 S. 18 sowie generell Manchester, Modern Legal History of England and Wales, 1980, S. 86 – 99. Die personellen Ressourcen der Obergerichte waren zu diesem Zeitpunkt noch sehr begrenzt – jedes Gericht hatte seinen Vorsitzenden und nur drei puisne judges (siehe zu diesen schon oben, bei Fn. 244); auch der Court of Chancery hatte erst vor kurzem Verstärkung durch den Vice Chancellor bekommen (siehe oben, Fn. 227). Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 42. Arthurs, Osgoode HLJ 1979, 1, 1 (19 f.). »Furthermore, the regular courts were increasingly dominated by the rigorous doctrine of judicial precedent […] It restricted the flexibility of the judges to respond to changing conditions.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 42. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 42 f. Zu den Problemen der Verfahren der ordentlichen Gerichte siehe die Äußerungen in den Debatten des Unterhauses, Parl. Deb. (HC) 07. 02. 1828, vol. XVIII, new series, para. 127 ff., per Brougham MP, abrufbar unter : http://hansard.millbanksystems.com/commons/1828/feb/07/state-of-the-courts-of-com mon-law, besucht am: 03. 09. 2011: Der Redner vertrat die Ansicht, dass die Umständlichkeit, technische Komplexität und strenge Formgebundenheit der damaligen Verfahren auf ein »denial of justice« hinausliefen. Dies galt im Übrigen nicht nur für die common law-
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Phase war die Einbringung rechtlicher Beistände erforderlich, was die Verfahren teuer und somit für die meisten unerschwinglich machte. Auch waren die Verfahren schon wegen der unflexiblen Terminierungsmöglickeiten783 äußerst langwierig, was sie für die Entscheidung vieler ähnlicher Streitigkeiten in kurzer Zeit völlig ungeeignet machte.784 Hinzu kam noch, dass die Richter selbst am wenigsten Interesse an der Beschäftigung mit den Reformgesetzen hatten, die sie wegen ihrer Detailliertheit und ihrer engen Verknüpfung mit Sachfragen nicht als echtes Recht und eine Beschäftigung damit als unter ihrer Würde ansahen,785 und für deren Ausführung zudem andere als juristische Fähigkeiten für notwendig gehalten wurden.786 Die Höchstgerichte mit diesen Streitigkeiten zu betrauen verbot sich damit.787 (2) Die zu spät eingeführten county courts Aber auch niedere Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit kamen als Streitentscheidungsorgane für die meisten Reformvorhaben nicht in Betracht: Durch den Recovery of Small Debts Act 1846 (9& 10 Vict.) c.95 waren die county Gerichte, sondern auch für den Court of Chancery, der als »slow [and] nearly insensible« bezeichnet wurde; siehe Parl. Deb. (HC) 30. 05. 1821, vol. V, ser. 2, para. 1034, per Taylor MP, abrufbar unter : http://hansard.millbanksystems.com/commons/1821/may/30/delays-inthe-court-of-chancery-and-in, besucht am: 07. 09. 2011. Dort werden die Verfahren mit folgenden Worten beschrieben: »[F]ew entered the court of chancery without alarm and […] none escaped from it without suffering.« 783 Das lag vor allem auch an den traditionell langen Gerichtsferien: Das »legal year« war in vier Abschnitte eingeteilt, in denen Gerichtssitzungen stattfanden, gefolgt von vier Abschnitten ohne Sitzungen; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 65. 784 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 43. 785 »There was […] a reluctance on the part of many judges to implement new legislation which they did not regard as law at all. The judges of the superior courts in the nineteenth century perceived themselves to be the guardians of the law, members of an ancient, elite, intellectual and honourable profession, a perception strengthened by their reverence for the law itself. Accordingly they felt that the adjudication of small administrative factual disputes was beneath them or else highly technical and beyond the ability of the courts of law to determine.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 44. 786 »[T]he habits of the legal mind were [not] best fitted to decide questions, which were not questions of strict law, but of discretion, of administration, and of special knowledge directed to a special subject.« Parl. Deb. (HC) 27. 02. 1873, vol. CCXIV, ser. 3, para. 1056, per Fortescue MP abrufbar unter : http://hansard.millbanksystems.com/commons/1873/feb/ 27/bill-34-second-reading#S3 V0214P0_18730227_HOC_72, besucht am: 08. 09. 2011. 787 Wie ungeeignet die ordentlichen Gerichte waren, macht folgendes Zitat im Zusammenhang mit der Regulierung der Eisenbahn besonders deutlich: »I do not think, that a court of law can ever decide those cases; I mean questions as to the correspondence of trains and the minute arrangements of administration. A court is accustomed to decide an issue, yes or no; whether A wrongs B or not; but to decide a questions of whether a railway company gives proper facilities or not to a particular town, or to a particular trade, or a particular class of passengers, is a question which is hardly fit for a court of law to decide.« Joint Select Committee (Railway Amalgamation), Report on Railway Amalgamation 1872, 1872 S. 699.
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courts788 als kleine, lokale Gerichte geschaffen worden, die weniger begüterten Klägern erlaubten, zivilrechtliche Verfahren durchzuführen.789 Sie waren mit professionellen Richtern besetzt und hatten den Status ordentlicher Gerichte, die in das normale Justizsystem eingebunden waren, ihre Verfahren waren schnell und kostengünstig ausgestaltet.790 Obwohl sie damit viele günstige Voraussetzungen mitbrachten, wurden sie dennoch nicht mit neuen Aufgaben betraut; vor allem, weil ihre Gründung für die meisten Gesetzesvorhaben schlicht zu spät kam.791 Außerdem hatten sie bereits eine Vielzahl anderer Aufgaben zu erfüllen,792 und obgleich die Verfahren der county courts im Vergleich zu den höheren Gerichten bereits erheblich simpler konzipiert waren, mussten die Parteien dennoch meist Anwälte einschalten.793 (3) Die ungeeigneten Friedensrichter Die Institution, die sich auf den ersten Blick am ehesten empfahl, waren die Friedensrichter.794 Diese waren als unterste Stufe des ordentlichen Verwaltungsund Justizsystems795 grds. hervorragend geeignet, um viele kleine Verfahren abzuarbeiten.796 Obwohl sie in der Regel keine Experten auf einem bestimmten Gebiet und keine Juristen waren, hatten sie doch meist grundlegendes Wissen über materielles- und Prozessrecht sowie Kenntnisse über die lokalen Eigenheiten ihres Zuständigkeitsgebiets – insb. über die Bewirtschaftung von Land, womit sich ihr Einsatz besonders auf dem Gebiet der Grundstücksrechte angeboten hätte.797 Zudem waren sie lokal angesehene Persönlichkeiten und ar788 Siehe hierzu schon oben, Fn. 290. 789 Diese Gerichte wurden beschrieben als »the poor man’s courts, where speedy justice could be had.« Parl. Deb. (HC) 11. 06. 1869, vol. CXCVI., ser. 3, para. 1600, per Gurney MP, abrufbar unter : http://hansard.millbanksystems.com/commons/1869/jun/11/bill-97-com mittee, besucht am: 08. 09. 2011. 790 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 46. 791 Sowohl die Reformen der Grundstücksrechte, des Steuerrechts als auch des Armenrechts wurden vor Einführung der county courts angegangen. Nur für die Lösung von Streitigkeiten bezüglich der Eisenbahnregulierung hätten sie zur Verfügung gestanden; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 46. 792 Sie fungierten etwa auch als Insolvenzgerichte; siehe den Bankruptcy Act 1869 (32& 33 Vict.) c.71. 793 Ihr einzig wirklicher Vorteil war damit nur ihre örtliche Erreichbarkeit für die Parteien. Dennoch wurde den county courts aber doch die Rolle als arbitrator nach dem Workmen’s Compensation Act 1897 (60& 61 Vict.) c.71, sch.2 übertragen. 794 Zu diesen siehe oben, II.A.2.b)(3)(b), S. 80f. 795 Die Friedensrichter waren in dieser Zeit etwa zuständig für die Verwaltung von Gefängnissen und Zufluchtsheimen (»asylums«), für die Instandhaltung von Brücken und Straßen, sie hatten Polizeibefugnisse und waren in die Verwaltung des Armenrechts eingebunden; siehe Lubenow, Politics of Government Growth, 1971, S. 16. Gleichzeitig waren sie aber auch als Strafrichter für minder schwere Delikte tätig. 796 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 48. 797 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 49.
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beiteten ohne Bezahlung.798 Dennoch eigneten sie sich tatsächlich am aller wenigsten für die Zwecke des Gesetzgebers: Sie waren zu unabhängig von zentraler Kontrolle, um die nötige Kohärenz der Rechtshandhabung sicherzustellen.799 Auch entstammten sie überwiegend den höheren und begüterten sozialen Schichten, weshalb ihre politischen Ansichten tendenziell eher konservativ waren, was sie potentiell zu Gegnern insb. der sozialen- und der Steuergesetzgebungsprojekte machte.800 Außerdem waren Friedensrichter vor allem auf dem Lande verwurzelt – damit waren sie aber für die Befassung mit Problemen, die aus der zunehmenden Urbanisierung und Technisierung resultierten, denkbar ungeeignet.801
2.
Die Stellung der neu geschaffenen tribunals
Da keine der bestehenden Institutionen für die angestrebten Zwecke in Betracht kam, musste und konnte der Gesetzgeber völlig neue Einrichtungen schaffen, die der ihnen zugedachten Aufgabe der Implementation zentralistischer Gesetzgebung (und ihrer damit einhergehenden Stellung zwischen Exekutive und Judikative) gerecht werden konnten, ohne dabei an richterliche Konventionen oder hergebrachte Grundsätze gebunden zu sein.802 Die Unabhängigkeit der 798 Deshalb waren sie – im Vergleich zu den anderen, ordentlichen Gerichten – nicht nur für die öffentliche Hand, sondern auch für die Verfahrensparteien billiger. Durch die grds. Anbindung ihres Zuständigkeitsbereiches an ihren tatsächlichen Wohnort bzw. jenen Ort, an dem sie Land besaßen, waren sie ohne großen Aufwand erreichbar und ihre Verfahren waren schnell und unkompliziert; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 49. 799 Thomas, CLP 1950, 3, 214 (216 ff.) im Zusammenhang mit dem Einsatz der Friedensrichter im Bereich der Armenfürsorge; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 27. 800 Es waren ja gerade Land- und Fabrikbesitzer und Großverdiener, die durch die Landreform-, Arbeiterschutz- und Steuergesetzgebung am ehesten getroffen wurden – und damit die Klientel, der die Friedensrichter zumeist entstammten; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 49. Auch war in der Vergangenheit bereits der Einsatz von Friedensrichtern auf manch gänzlich neuem Gebiet gescheitert: So etwa die Übertragung von Zuständigkeiten im Zusammenhang mit der Fenstersteuer von 1696; siehe Ward, EHR 1952, 522 (529). 801 »[J]ustices of the Peace […] understood little and sympathised less with the new and overwhelming problems of urban poverty and sanitation, or the advance of the new technology from which sprang the canals, the railways and all the other manifestations of the new industrial age« Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 25; genauso Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 49. 802 »It being evident that the established organs of the legal system were inappropriate, the legislature was freed from judicial conventions, to create, by statute, a body that embodied the various qualities peculiar to the implementation of centralising legislation. Its necessary rejection of conventional judicial bodies paradoxically allowed it to endow the new body with those judicial characteristics it required for its own judicial function and which were suited to the overall purpose.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 70. Allerdings
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neuen Spruchkörper von der Exekutive war dabei kein herausragendes Ziel, eher im Gegenteil: Je näher ein Implementationsmechanismus einem konkreten Ministerium zuzuordnen war, umso eher war sichergestellt, dass die Rechtsanwendung einheitlich und kohärent geschah.803 Außerdem wurde die Aufgabe der Streitentscheidung für die neuen Spruchkörper vom Gesetzgeber nicht als einzige oder wichtigste angesehen; vielmehr ging er davon aus, dass diese Funktion – obgleich ihrer Natur nach justizförmig – Teil der Tätigkeit der Implementation der Reformgesetze sei.804 Der Gesetzgeber hatte daher die althergebrachten Mechanismen für justizförmige Verfahren auch deshalb vermieden, weil man davon überzeugt war, dass die Administration eines Gesetzeswerks und die Lösung daraus resultierender Streitigkeiten untrennbar zusammengehörten.805 Diese Einschätzung war mit der zeitgenössischen Verfassungstheorie nicht nur vollauf vereinbar, sie ergab sich vielmehr daraus – die effektive Umsetzung von Gesetzgebung war eben Aufgabe der Exekutive, nicht der Justiz.806 Aus dieser organisatorischen Zuordnung der neu geschaffenen tribunals als Teil der Exekutive ergaben sich Konsequenzen für deren Verhältnis zu den ordentlichen Gerichten:
3.
Überprüfung der neuen Spruchkörper durch die Gerichte
Aufgrund der Aufgabenstellung der tribunals als in erster Linie administrative Implementationsorgane standen sie – trotz ihrer justiziellen Tätigkeiten – grundsätzlich außerhalb des normalen Systems der ordentlichen Gerichte und unterlagen damit auch nicht der für andere Gerichte üblichen Kontrollmechanismen.807 Obwohl nicht von der Gesetzgebung beabsichtigt war, dass die Spruchkörper in Streitigkeiten zwischen Staat und Bürger zu Gunsten des
803 804 805
806
807
wurden durchaus einige dieser Mechanismen, auch in Kombinationen miteinander, in einigen der reformierten Rechtsbereiche eingesetzt – etwa die Friedensrichter oder das Mittel der arbitration; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, 58 ff. »Dispute resolution through the implementing administrative body would […] serve to preserve central control over the entire administration of the law.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 63 f.; siehe auch Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 31. Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 31. »[E]ffective dispute resolution was not the only, or even the principal requirement. The duties required of a body to implement the new regulatory legislation were a mixture of legislative, administrative, judicial and policy functions, in varying proportions, and inextricably mixed.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 61; Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 31 der insoweit von »embedded adjudication« spricht. »This solution was, furthermore, constituent with constitutional theory : the implementation of the legislation was part of the administration of the country, and as such was a function of the executive, not the judiciary.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 63. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 229.
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Staates entschieden,808 bestand hierzu in manchen Bereichen eine deutliche Tendenz.809 Weil ihnen zugleich auch die positiven Attribute der ordentlichen Gerichte – fundierte juristische Kompetenz, erprobte und etablierte Verfahren und vor allem verfassungsrechtlich gesicherte Unabhängigkeit – fehlten,810 wurde von Seiten der Richterschaft die Notwendigkeit gerichtlicher Oberaufsicht811 über tribunals behauptet,812 wobei die Rufe danach naturgemäß dort am lautesten waren, wo die von einem tribunal behandelte Problematik komplexe Rechtsfragen813 umfasste oder es um Entscheidungen von großer wirtschaftlicher Tragweite ging.814 Wo hingegen der Gesetzgeber selbst ein mehrinstanzliches Tribunalverfahren geschaffen hatte – wie zeitweise im Einkommenssteuerrecht815– hatten die Argumente für eine weitere gerichtliche Kontrolle weniger Schlagkraft, wurde doch davon ausgegangen, dass der Kläger durch ein zweistufiges Tribunalsystem bereits genügend Gelegenheit hatte, alle Rechts- und Sachfragen hinreichend darzulegen.816 808 Angestrebt war Kohärenz, nicht Parteilichkeit. 809 »It was particularly striking in the sphere of income taxation, where by the end of the nineteenth century the traditional safeguard to the taxpayer – the General Commissioners of Income Tax – had become in many instances little more than the tool of bureaucracy. It was all the more remarkable in this instance because such domination was not intended by the legislation. Indeed, the statute expressly provided that control and responsibility were in the hand of the General Commissioners while the role of the government official, the surveyor, was merely supervisory. It was, however, an almost inevitable result of the practical working of the system.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 98. 810 Was das Risiko rechtlicher Fehlentscheidungen hoch erscheinen ließ; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 229. 811 Diese wurde allenfalls als ultima ratio gewünscht: Denn einerseits wurden die ordentlichen Gerichte zwar als letzte und beste Sicherung gegen Machtmissbrauch der Exekutive angesehen. Einen vollständiger Ausschluss gerichtlicher Kontrolle über die tribunals ging den meisten dann aber doch zu weit; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 230. 812 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 229. 813 Insbesondere hinsichtlich Rechtsfragen wurde gerichtliche Kontrolle gewünscht, da die juristische Kompetenz mancher tribunals aufgrund ihrer Zusammensetzung aus Laien oder nur einigen Juristen bezweifelt wurde, hinsichtlich Sachfragen wurden die Entscheidungen der tribunals hingegen nur selten angegriffen; siehe Parl. Deb. (HC) 23. 05. 1853, vol. CXXVII, ser. 3, para. 537 per Blackett MP, abrufbar unter : http://hansard.millbank systems.com/commons/1853/may/23/income-tax-bill, besucht am: 03. 09. 2011; House of Commons Select Committee (Income Tax), Minutes of Evidence (Income and Property Tax), 1852 S. 185. 814 Insofern war der Gedanke einer »proportionate dispute resolution«, wie er durch die Reformen des TCEA 2007 umgesetzt werden sollte, (dazu siehe unten, bei Fn. 1041) nicht neu: »[I]t was natural and reasonable where large interests were at stake to have recourse to a body of the highest legal calibre.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 230. 815 Siehe schon oben, Fn. 721ff. 816 Im Falle der Einkommensteuer wurden auch deshalb keine appeal-Rechte geschaffen, um den stetigen Fluss von Steuergeld nicht zu stark zu hindern, war doch befürchtet worden, dass die Gewährung weiterer Klagemöglichkeiten über die bereits bestehenden hinaus zu einer wahren Klageflut geführt hätte; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006,
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Gerichtliche Kontrolle über tribunals und deren Entscheidungen war grds. entweder in Ausübung der supervisory jurisdiction oder im Wege eines durch den Gesetzgeber frei auszugestaltenden Überprüfungsrechts, eines appeal, möglich:817
a)
Gerichtliche Kontrolle über tribunals im Wege des appeal
Damals wie heute sind appeals ausdrücklich vom Gesetz gewährte Verfahren zur Überprüfung von Entscheidungen, die, je nach Ausgestaltung durch den Gesetzgeber, sowohl die Überprüfung von Tatsachen- und/oder Rechtsfragen gestatten. Der Gesetzgeber stand jeder Schaffung solcher Möglichkeiten zur Anrufung der ordentlichen Höchstgerichten zunächst tendenziell ablehnend gegenüber, unterminierte dies doch die Vorteile der tribunals, die sich eben erst aus ihrer konzeptionellen Andersartigkeit zu den Gerichten ergaben:818 Hätte man gegen ihre Entscheidungen Möglichkeiten zum appeal, also zur Anrufung von Gerichten durch gesetzliche Bestimmung, geschaffen, hätte dies zu einem von vornherein sehr langen Instanzenzug geführt,819 den nicht nur der Gesetzgeber zu verhindern suchte, sondern teilweise auch die potentiellen Verfahrensparteien.820 Für das common law stellten vor allem solche Möglichkeiten zum appeal, die die Überprüfung von Sachfragen ermöglichten, ohnehin
817 818 819 820
S. 240. Nach den Judicature Acts wurden auch für die tribunals, die sich mit Einkommensteuer befassten, eine Möglichkeit des appeal im Wege des »case stated«-Verfahrens (dazu siehe sogleich, bei Fn. 826) geschaffen. Angesichts der durch die Judicature Acts eingeräumten appeal-Rechte gegen Entscheidungen unterer Gerichte, in denen es sich um Streitigkeiten von weit weniger wirtschaftlichem Gewicht handelte, war es nicht mehr zu rechtfertigen gewesen, in den Einkommensteuersachen, in denen es meist um viel mehr Geld ging, keine appeal-Rechte vorzusehen; siehe Stebbings, BTR 1996, 6, 611 (611 ff.). Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 229. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 231. Je nach Startpunkt des appeal wäre ein Instanzenzug von mindestens vier Spruchkörpern zustande gekommen: Ausgangstribunal, High Court als Eingangsinstanz, CoA, HoL; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 232. So bestand etwa insb. im Zusammenhang mit der Eisenbahnregulierung die Befürchtung, dass durch einen langen Instanzenzug gerade die finanziell potenten Eisenbahngesellschaften begünstigt würden: Die im Gegensatz dazu meist kleinen, mittelständischen Händler, die mit den Eisenbahngesellschaften oft über Transporttarife und -bedingungen stritten, fürchteten, dass die Gesellschaften ihre finanzielle Macht nutzen würden, um kleinste Streitigkeiten durch alle Instanzen hochzutreiben, bis die finanziellen Mittel ihrer Gegner erschöpft waren. Des Weiteren wäre es den vermögenden Parteien eines solchen Verfahrens möglich gewesen, durch Ausschöpfung aller Instanzen auch die Implementierung der Politik zu verhindern. Außerdem hätte das appeal-Recht sich ohnehin nur auf Rechtsfragen beschränken können, da den Gerichten für die Entscheidung von Sachfragen schließlich immer noch die fachliche Kompetenz fehlte; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 232.
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Fremdkörper dar,821 war doch eine Grundüberzeugung des common law, dass die jury der beste Entscheider über Sachfragen sei;822 deren Entscheidungen würden aber nicht dadurch verbessert werden, dass eine weitere jury versuchte, die gleichen Sachfragen noch einmal zu beantworten.823 Ähnliche Erwägungen galten auch für die tribunals, die für die Entscheidung von Sachfragen als am besten geeignet angesehen wurden, insb. dort, wo sie aus Laien bestanden, die aus dem jeweiligen Zuständigkeitsbereich des Spruchkörpers stammten und daher am ehesten mit den – oftmals für die Streitentscheidung relevanten – Gegebenheiten vor Ort vertraut waren.824 Möglichkeiten zum appeal wurden daher oftmals nur auf Rechtsfragen beschränkt und insgesamt eher restriktiv gewährt.825 Wo solche Möglichkeiten zum appeal eröffnet waren, wurden diese oft als case stated-Verfahren ausgestaltet.826 Der Vorteil dieses Verfahrens lag darin, dass die Überprüfung auf 821 »The right to appeal – in the sense of submitting a complaint to another and superior body, that the decision of the original body was wrong in fact or law – was not a right allowed by the common law and was unusual in the eighteenth and early nineteenth centuries.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 233. 822 Stephen, New Commentaries on the Laws of England, Bd. 3 1845, S. 622 f.; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 233. Die Möglichkeit zur Überprüfung der Sachfeststellungen einer unteren Instanz durch eine höhere wurde sogar für unnötig und nicht wünschenswert gehalten, da sie lediglich Verfahren in die Länge zöge; siehe House of Commons (Judicature Commission), Second Report 1872, 1872, S. 20. 823 Im Gegenteil, war doch die Entscheidung von Sachfragen meist auf das Gedächtnis von Zeugen oder die Kenntnisnahme von Unterlagen gestützt – ersteres konnte aber mit der Zeit nicht besser werden und die Aufbewahrung umfangreicher Aufzeichnungen war mit Aufwand und Kosten verbunden, an denen niemandem gelegen war; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 233. 824 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 233. Das Vertrauen in die Fähigkeiten der tribunals, etwa der Tithe Commissioners, war dabei wohl auch berechtigt, wurden doch die meisten ihrer Entscheidungen trotz bestehender appeal-Rechte nicht angegriffen; siehe The Tithe Commissioners for England and Wales, Report of the Tithe Commissioners for England and Wales 1840, 1840, S. 3. 825 Zwar ging mit den generellen Reformen des Justizwesens zugleich auch eine Ausweitung von appeal-Rechten unter den ordentlichen Gerichten einher, bei den meisten tribunals hingegen schrieb der Gesetzgeber grds. vor, dass die Entscheidung des Ausgangstribunals »final and not to be questionable in any court« oder »without any further appeal, upon any pretence whatsoever« sein solle; siehe s.8 bzw. s.23 Land Tax Act 1797 (38 Geo.III.) c.5; siehe zum Ganzen Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 236 f. 826 Das »case stated«-Verfahren ist eine besondere Art von appeal, mittels dessen eine bestimmte Rechtsfrage gleich einem Vorlageverfahren dem High Court zur Beantwortung vorgelegt werden kann. So kann etwa auch heute noch gegen eine Entscheidung eines Magistrates’ Court in Strafsachen statt eines normalen appeal zum Crown Court, der Überprüfungsinstanz für den Magistrates’ Court in Strafsachen, im Wege des »case stated«Verfahrens eine Rechtsfrage direkt dem High Court zur Beantwortung vorgelegt werden. Dafür muss vorgetragen werden, dass die Friedensrichter des Magistrates’ Court sich hinsichtlich der Auslegung des Rechts geirrt (unter den Begriff der Rechtsfrage fallen dabei regelmäßig auch gravierend falsche Tatsachenfeststellungen) oder ihre jurisdiction über-
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konkrete, streitige Rechtsfragen beschränkt wurde, die von der Ausgangsinstanz auf Antrag der Parteien genau herausgearbeitet und dem zur Überprüfung berufenen Gericht vorgelegt werden konnten.827 Meistens sah das Gesetz zudem Bestimmungen vor, welche von der Geltendmachung von Rechtsbehelfen gegen Ausgangsentscheidungen der tribunals zumindest abschrecken sollte; so war oft vorgesehen, dass die Entscheidung des tribunal »final« sein sollte, was bedeutete, dass kein Recht zum appeal bestand,828 außer in den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen.829 Insgesamt war das Bild der vom Gesetzgeber selbst eingeräumten Möglichkeiten zur Überprüfung von Entscheidungen der neuen tribunals durch die Gerichte aber von einer unübersichtlichen Vielfalt geprägt, die keine konsistente Rechtsprechungsentwicklung ermöglichte.830 b)
Common law-Rechtsbehelfe gegen Tribunalsentscheidungen
Neben den vom Gesetzgeber vorgesehenen Möglichkeiten der Überprüfung konnten grds. auch die althergebrachten Rechtsbehelfe des common law zur
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schritten haben; siehe s.111(1) Magistrates’ Court Act 1980 c.43. In diesem Verfahren hat der High Court ein weites Ermessen und kann die Entscheidung aufheben, verändern, an den vorlegenden Magistrates’ Court zurückverweisen und dabei anordnen, dass dieser (wenn die Ausgangsentscheidung als Kollegialorgan getroffen wurde) in anderer Zusammensetzung über die Frage zu entscheiden habe. Bei Einleitung des Verfahrens muss die beantragende Partei bereits jene Rechtsfrage formulieren, die dem High Court zur Beantwortung vorgelegt werden soll; weigert sich das Ausgangsgericht diese Frage vorzulegen, kann der Beantragende ein JR-Verfahren gegen diese Entscheidung anstrengen; siehe zum Ganzen Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 7.2.1.2. Konsequenterweise war die Überprüfung der Entscheidung nur auf diese eine Frage beschränkt; der Nachteil war allerdings, dass dafür zunächst die erforderlichen Schriftstücke formuliert werden mussten, die die zu beantwortende Rechtsfrage genau herausarbeiteten. Den Gerichten erlaubte dieses Verfahren nicht etwa die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung, sondern deren Abänderung im Lichte der Rechtsauffassung des Gerichts. Dieses Verfahren fand v. a. in Steuersachen Anwendung; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 238 f. Siehe etwa s.8 Land Tax Act 1797 (38 Geo.III.) c.5. Außerdem fand sich die Bestimmung, dass die Entscheidungen der zuständigen Kommission hinsichtlich der Höhe der durch sie geschätzten Steuer »not questionable in any court« sein solle; s.23 Land Tax Act 1797 (38 Geo.III.) c.5. Eine ähnlich deutlich formulierte Bestimmung fand sich in s.121 Land Tax Redemption Act 1798 (38 Geo.III) c.60, nach der die Bestimmung der commissioners »final and conclusive upon all parties« sein sollte; weitere Beispiele finden sich bei Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 237. »The parent legislation of the nineteenth-century tribunals, having provided the decisions of the commissioners were final, in most instances compromised and proceeded to prove that that was subject to the limited right to appeal to the regular courts on questions of law.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 237. »The supervision exercised by the courts through their appellate jurisdiction was an important safeguard, but, like the tribunals themselves, was statutory in its nature and so of inconsistent application.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 250.
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Kontrolle der tribunals fruchtbar gemacht werden.831 Die Methoden des common law zur Überprüfung unterer Gerichte – writ of error832 und writ of false judgement833 – waren auf die neuen Spruchkörper allerdings zunächst nicht direkt übertragbar : Der writ of error wurde schon deshalb für nicht anwendbar gehalten, weil es sich – bis auf einen Fall834 – bei den tribunals nicht um courts of record835 handelte, sie also keine Verfahrensakten führten, die hätten überprüft werden können.836 Aber auch die Anwendbarkeitsvoraussetzung für den writ of false judgement, mit dem die Anfertigung einer Akte hätte gefordert werden können, wurde bei den tribunals zunächst als nicht gegeben angesehen, da es sich bei ihnen nach damaliger Auffassung um »court[s] newly instituted, impowered to proceed by methods unknown to the common law« handelte, was als prinzipieller Hinderungsgrund für dessen Anwendung angesehen wurde.837 Im Übrigen wären diese Rechtsbehelfe aber auch – selbst wenn ihre Einlegung möglich gewesen wäre – aufgrund ihrer Komplexität und ihrer Förmlichkeit wohl kaum auf einen derart spezialisierten und als Verwaltungsapparat ausgestalteten Spruchkörper wie die damaligen tribunals anwendbar gewesen.838 Deshalb griffen die Gerichte auf die prerogative writs zurück,839 auch wenn mit 831 Da diese aus dem common law und damit einer einheitlichen und ungeachtet gesetzgeberischer Interventionen geltenden Rechtsmasse entwickelt waren, waren sie potentiell kohärenter und damit für eine dauerhafte gerichtliche Kontrolle über die tribunals effektiver als die stets unterschiedlich ausgestalteten appeal-Rechte; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 250. 832 Zu diesem Verfahren siehe oben, bei Fn. 340ff. Da Bestandteil dieses Verfahrens war, dass das Obergericht die zu überprüfenden Prozessunterlagen anforderte, wurde dieses Verfahren bei unteren Gerichten – wie etwa den county courts – durch den Court of the King’s Bench durchgeführt. 833 Siehe hierzu bereits oben, bei Fn. 344f., sowie allgemein Pollock/Maitland, The History of English Law before the time of Eduard the I., Bd. 2 2nd ed. 1911, S. 666 ff.; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 251 unter Verweis auf die Entscheidung Dyson v. Wood (1842) 107 ER 800. 834 Die Ausnahme waren die Railway Commissioners von 1888; siehe s.2 Railway and Canal Traffic Act 1888, (51& 52 Vict.) c.25. 835 Bacon, A New Abridgement of the Law, Bd. 3 1832, Stichwort: »Error« (A3, S. 62); Coke, First Part of the Institutes of the Laws of England, Bd. 2 1853, [288b.]; Groenvelt v. Burwell (1699) 1 Ld Raym 454; Scott v. Bye (1842) 130 ER 338; Bruce v. Wait (1840) 133 ER 222; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 251. 836 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 251 sowie 297 – 300; Groenvelt v. Burwell (1699) 1 Ld Raym 454 (469) per Holt CJ. 837 Die Anforderung, dass es sich für die Anwendbarkeit des writ of false judgement um einen court of common law handeln musste, war in der Rechtsprechung seit langem geklärt; siehe Groenvelt v. Burwell (1699) 1 Ld Raym 454 (469) per Holt CJ. Allerdings wurde dieses Hindernis später durch eine großzügige Auslegung des Begriffs »court of common law« überwunden; siehe Stebbings, BTR 1997, 2, 119 (119 ff.). 838 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 252. 839 Deren Anwendung wiederum war alles anderes als unproblematisch, weil etwa die certiorari ursprünglich nur als auf courts of common law anwendbar angesehen wurde und
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
deren Anwendung die Nachteile der komplexen und teuren common law-Verfahrensweisen einhergingen, die der Gesetzgeber durch die Begrenzung der appeal-Rechte bei den tribunals vermeiden wollte;840 entsprechend gab es vielfältige Versuche, die Anwendung der prerogative writs auf die tribunals in den parent acts auszuschließen, was jedoch aufgrund der restriktiven Rechtsprechung der Gerichte zu ouster clauses eine effektive Kontrolle durch die Gerichte faktisch nicht verhindern konnte.841
4.
Gesamtschau der tribunals im 19. Jhd.
Die konkrete Ausgestaltung der tribunals des 19. Jhds. war stets dem Zweck untergeordnet, sie in die Lage zu versetzen, die Ziele ihres jeweiligen parent act möglichst effektiv umzusetzen.842 Anders als bei den Friedensrichtern843 hingen ihre justiziellen Aufgabe inhaltlich direkt mit den Verwaltungsaufgaben zusammen, die ihr parent act ihnen aufgab – die Aufgabe der Streitentscheidung war hierzu lediglich ein Annex, was sich in vielen Aspekten der Ausgestaltung der tribunals niederschlug, etwa der Besetzung mit fachlich (mehr oder weniger) kompetenten Laien anstatt Juristen.844 Nichtsdestotrotz fanden sich in diesem justiziellen Element der tribunals viele Merkmale, die dem restlichen Justizsystem nicht fremd waren:845 Bei der Ausgestaltung der Besetzung der tribunals, in der vor allem das jeweils erforderliche Sonderwissen sicherzustellen war, orientierte man sich – bewusst oder
840 841 842 843
844
845
zugleich auch auf die Existenz einer Akte angewiesen war. Beide Hindernisse hatte die Rechtsprechung aber Anfang des 19. Jhds. überwunden; siehe im Einzelnen Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 255. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 269. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 271 f.; zur seit jeher restriktiven Handhabung von »ouster clauses« siehe oben, II.C.3.a)(1), S. 141 insb. bei Fn. 562. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 296. Bei den Friedensrichtern war die Vereinigung von justiziellen (insb. strafrechtlichen) und administrativen (insb. polizei- und kommunalrechtlichen) Aufgaben im Grunde historischen Zufälligkeiten geschuldet und hatte per se nichts miteinander zu tun. Deshalb fiel es bei den Friedensrichtern auch viel leichter, zwischen den jeweils von diesen wahrgenommenen Funktionen zu unterscheiden; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 309. »The primarily administrative nature of the jurisdiction of the new tribunals had a far reaching effect. It coloured every aspect of their nature: their constitution, composition, procedures. The highly specialised jurisdiction necessitated specialist commissioners rather than lawyers; the integration of the adjudicatory with the administrative demanded informal or unusual procedures; the administrative nature of the work meant there was no clear lis inter partes in the adjudication process, and finally, the nature of the work inevitably gave rise to some connection between the tribunal and government department.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 296. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 273.
Die Entstehung des Verwaltungsstaates und erster tribunals im 19. Jhd.
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unbewusst846 – an Bekanntem.847 Dies galt auch hinsichtlich der Verfahren: Obgleich sich für die justiziellen Aufgaben der tribunals meist nichts aus dem jeweiligen parent act eines tribunal ergab,848 verfuhren sie in Ausübung dieser Aufgaben doch nach jenen Grundsätzen, die auch für die ordentlichen Gerichten galten;849 ihre Verfahrenspraxis wurde insoweit teilweise von den an manchen Verfahren beteiligten Juristen beeinflusst.850 Doch auch dort, wo eine solche Prägung durch beteiligte Juristen nicht stattfand, waren die Verfahrensregeln der tribunals für die Streitentscheidung – ungeachtet ihrer eigentlich administrativen Aufgabe – von den rules of natural justice geprägt, wie sie die ordentlichen Gerichte über Jahrhunderte entwickelt hatten und deren Beachtung sie von den tribunals forderten.851 Obgleich die tribunals des 19.Jhds. hinsichtlich Zusammensetzung und Verfahren somit einige Merkmale ordentlicher Gerichte aufwiesen, war ihre konkrete Ausgestaltung dennoch stets so spezifisch auf die Anforderungen ihrer jeweiligen Aufgabe zugeschnitten, dass sich so etwas wie ein universelles »Modelltribunal«, das man zudem als Bestandteil des allgemeinen Justizwesens hätte identifizieren können, nicht entwickeln konnte.852 Diese fehlende Kohärenz der 846 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 274. 847 Die Benennung juristischer Laien als Mitglieder der Spruchkörper etwa war für sich genommen ja nichts Neues, denn die Mitwirkung von Laien im Justizsystem geschah in Form der Friedensrichter, der Jury und im Rahmen von ebenfalls seit langem bekannten Schiedsgerichtsverfahren; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 274. Die Qualifikationsvoraussetzungen etwa der General Commissioners of Income Tax waren dabei im Prinzip wieder die gleichen wie bei den Friedensrichtern (gem. s.1 Land Tax Act 1827 (7& 8 Geo. IV.) c. 75; vgl. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 274.) Auch besondere Spruchkörper, deren Mitglieder sich durch Expertenwissen auf besonderen Sachgebieten auszeichneten, waren dem common law ja nicht fremd: Besondere Gerichte für besondere Sachfragen waren etwa der Court of Admirality (siehe oben, Fn. 224) oder der Court of Chivalry (siehe oben, Fn. 327). 848 Während sich in den meisten parent acts der tribunals detaillierte Regelungen zu den administrativen Aspekten ihrer Tätigkeit fanden, war der justizielle Aspekt ihrer Tätigkeit weitgehend unreguliert; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 276. 849 Die meisten tribunals entwickelten ihre Verfahren für die Entscheidung von Streitigkeiten – mangels ausdrücklicher Regelungen oder Präzedenzentscheidungen – selbst, wobei sie sich an Mustern orienterten, die ihnen aus dem ordentlichen Justizsystem bekannt waren. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 276. 850 Dieser Rückgriff wurde dabei durch die personelle Zusammensetzung der tribunals begünstigt: Die juristisch gebildeten Tribunalsmitglieder griffen auf das zurück, was sie von den ordentlichen Gerichten her kannten; für jene tribunals, die ohnehin aus Friedensrichtern bestanden, lag die Übertragung der für diese geltenden Verfahrensgrundsätze auch auf den neuen Kontext ohnehin nahe; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 276. 851 Dass den justiziellen Verfahren der tribunals die gleichen Prinzipien zu Grunde lagen wie denen der Friedensrichter, erleichterte letztlich auch den Schritt zur Anwendung der prerogative writs auf die tribunals; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 277. 852 Nur dort, wo tribunals inhaltlich ähnliche Aufgaben zu erfüllen hatten, wurden die
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
damaligen tribunals sollte in den darauffolgenden Jahrhunderten ihre Einordnung und Reform erheblich erschweren.853
5.
Außenwahrnehmung von tribunals gegen Ende des 19. Jhds.
Gegen Ende des 19. Jhds. konzentrierten sich Systematisierungsbemühungen des Gesetzgebers noch auf das ordentliche Rechtssystem, welches mit seinen vielen vereinzelten Gerichten als zu unsystematisch und unbefriedigend empfunden wurde:854 Tribunals wurden demgegenüber von vielen Zeitgenossen weder als Teil des Justizsystems noch überhaupt als eigene Kategorie angesehen, sondern vielmehr als government by commission855 – konsequenterweise erstreckten sich die Bemühungen, die Justiz zu reformieren, nicht auch auf sie.856
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Grundzüge des einen auf das andere übertragen, so etwa im Bereich der tribunals, die für Grundstücksrechte zuständig waren: Die sich aus dem Gesetz ergebenden Verfahrensregeln, Kompetenzen, Pflichten und Rechtsmittelvorschriften waren bei den tribunals, die sich mit copyholds und tithes befassten, identisch und auch hinsichtlich der von den tribunals selbst entwickelten und angewandten Grundsätze bestanden auf dem Gebiet des Grundstücksrechts erhebliche Ähnlichkeiten zwischen den einzelnen Spruchkörpern; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 282 f. »With legal influences falling short of a legal model, and only a degree of modelling within subject areas, what emerges is that tribunals were individually conceived, self-contained and were, to a large extent, ad hoc. While common aims gave rise to a similarity in their fundamental features, one formula for personnel and composition, one common code of procedure and one system of appeals were all impossible. This was because the requirements of individual tribunals were very different, and the details of the tribunals were dictated by the subject-matter each tribunal was formed to address. It was this need for subject-specificity that led inevitably to each tribunal being essentially sui generis and lacking underlying principles, and it explains the considerable challenge faced when attempts were made in the following century both to classify the growing numbers of tribunals and ultimately to reform them.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 288. Gleichzeitig waren die Reformen der Justiz vor allem durch die Judicature Acts (zu diesen siehe schon oben, II.A.2.c), S. 83), aber auch von dem Wunsch getragen, für alle Arten von Streitigkeiten einen möglichst genau auf deren Anforderungen zugeschnittenen Spruchkörper bereitzustellen, was die weitere Entstehung von ad hoc tribunals zu erklären vermag; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 294. Heute wird dieser Gedanke unter dem Schlagwort »proportionate dispute resolution« diskutiert; dazu siehe unten, bei Fn. 1041. Selbst ein in seiner Ausgestaltung noch am gerichtsähnlichstes tribunal wie etwa die Railway Commission von 1874 wurde allenfalls als »non-legal tribunal, at best a hybrid« bezeichnet; House of Commons Select Committee (Railways (Rates and Fares)), Minutes of Evidence on Railways (Rates and Fares) 1882, 1882, S. 277, para. 3994. Letztendlich liegt der Vergleich etwa zu den mittelalterlichen commissions of oyer and terminer und gaol delivery nahe (zu diesen siehe oben, bei Fn. 160), die ja zunächst auch als ad hoc eingesetzte Sondergerichte eine Ausprägung der königlichen Regierungsgewalt waren. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 294. Die tribunals spielten deshalb auch in den Diskussionen, die zu den Reformen der ordentlichen Gerichte durch die Judicature Acts führten, keine Rolle; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 310.
Die Entstehung des Verwaltungsstaates und erster tribunals im 19. Jhd.
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Die Zusammensetzung der tribunals aus Laien und ihre nur beschränkten Zuständigkeiten implizierten grds., dass sie jedenfalls den common law-Gerichten untergeordnet waren.857 Manche tribunals allerdings nahmen durchaus – entweder gestützt auf ihren parent act oder aus sich selbst heraus – Kompetenzen in Anspruch, die gerade als Charakteristika der ordentlichen Gerichte angesehen wurden.858 Dies führte mit der Zeit zu einer verstärkten Aufmerksamkeit der ordentlichen Gerichte für einige tribunals und zu deren näheren Befassung mit ihren eigenen Kompetenzen und ihrer Stellung innerhalb des Justizsystems859 sowie zu der generellen Frage, wie denn die administrativen Aufgaben eines tribunal von dessen justiziellen zu unterscheiden seien.860 Ungeachtet der An857 »[The] common features [of tribunals] were too generalised to permit any meaningful classification, but the inclusive nature of their personnel and the limitation of their powers resulted in a clear perception of inferiority to the central courts in Westminster, staffed with expert judges and possessing wide jurisdiction. Yet the breadth of the inferior disputeresolution culture was such that the statutory tribunals could theoretically claim a place within it.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 295. 858 An den Status als »court«, insb. aber auch an den Status als »court of record« wurden seinerzeit bestimmte, verfahrensrechtliche Privilegien geknüpft, die manchen der damaligen tribunals durch ihren jeweiligen parent act zugewiesen waren: So etwa das Recht, Zeugen vorzuladen und Eide abzunehmen; siehe etwa R. v. Assessment Committee of St. Mary Abbotts Kensington [1891] 1 QB 378 (382) per Esher MR. Derartige Möglichkeiten hatten die steuer- und grundstücksrechtlichen sowie die Eisenbahn-tribunals inne; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 297. Ferner zu nennen war die Möglichkeit, Geldstrafen zu verhängen (wobei letztes als Kennzeichen eines court of record galt; siehe Groenvelt v. Burwell (1699) 1 Ld Raym 454 (467) per Holt CJ), welche ebenfalls die Steuerund die Eisenbahntribunals innehatten (letztere hatten dabei sogar die Möglichkeit, noch weitere Strafen wegen eines »contempt« zu verhängen; siehe S. 25 Railway and Canal Traffic Act (36& 37 Vict.) c.48; zum »contempt« siehe unten, VIII.A.1., S. 478). Eine Diskussion über diese Kompetenzen der tribunals und deren daraus resultierende Stellung innerhalb des Justizsystems kam allerdings erst spät in der zweiten Hälfte des 19. Jhds. auf, weil diese Verfahrensmöglichkeiten zunächst praktisch kaum ins Gewicht fielen, was auch daran lag, dass die Existenz der ersten tribunals ja durch die von ihrem parent act verfolgten Ziele zeitlich befristet war (etwa im Falle der Tithe Commissioners, die nicht mehr benötigt wurden, nachdem alle tithes umgewandelt waren); siehe zum Ganzen Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 297 ff. 859 Aus der Gerichtsähnlichkeit mancher tribunals, die teilweise bereits im Gesetz angelegt war, ergab sich die Frage, ob bestimmte Regelungen, die unzweifelhaft für die common lawGerichte galten, auch in den tribunals anwendbar wären; siehe etwa die Entscheidungen R. v. Tomlinson (1866) LR 1 CCR 49 zur Frage, ob eine Falschaussage vor einem tribunal als solche strafbar sei sowie die Entscheidung Dawkins v. Lord Rokeby (1873) 8 LR QB 255, in der es um die Frage ging, ob auch in einem tribunal das Privileg von verfahrensbeteiligten Richtern, Zeugen und Anwälten galt, wegen diffamierender Aussagen im Verfahren nicht belangbar zu sein; hierzu siehe auch die Entscheidung Royal Aquarium and Summer and Winter Garden Society Ltd v. Parkinson [1892] 1 QB 431 sowie die Entscheidung R. v. Assessment Committee of St. Mary Abbotts Kensington [1891] 1 QB 378 (380) per Pollock B. 860 Diese Frage stellte sich insb. in der Entscheidung Royal Aquarium and Summer and Winter Garden Society Ltd v. Parkinson [1892] 1 QB 431 (452) per Lopes LJ, in der es heißt: »The word ›judicial‹ has two meanings. It may refer to the discharge of duties exercisable by a
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
leihen, welche manches tribunal in Wahrnehmung seiner justiziellen Aufgabe aus dem ordentlichen Justizsystem genommen hatte, und den damit bestehenden äußerlichen Ähnlichkeiten zu den ordentlichen Gerichten,861 war gegen Ende des 19. Jhds. weitgehend geklärt, dass tribunals kein Bestandteil des ordentlichen Justizsystems seien.862 Zu sehr wurde ihr Bild geprägt von ihrer in erster Linie administrativen Funktion.863 Die Unterschiedlichkeit der tribunals untereinander überwog zudem die bei einigen tribunals vorhandenen Einflüsse der ordentlichen Gerichte und machte übertragbare oder gar allgemein gültige Aussagen über sie oder ihre zusammenfassende Einordnung in einer Kategorie unmöglich.864 Auch deshalb wurden die tribunals als »bodies existing on the periphery of [a] class of inferior dispute-resolution bodies«865 angesehen, wohingegen die Friedensrichter, jurys, lokalen und speziellen Gerichte allenthalben als Bestandteile des ordentlichen Justizsystems galten.866 Wie sehr sich die neuen tribunals gegenüber dem System der common law-Gerichte letztlich als Fremdkörper darstellten, zeigte sich ja schon daran, welche Schwierigkeiten die Gerichte zunächst hatten, sie ihrer Aufsicht mittels der prerogative writs zu unterstellen.
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judge or by justices in court, or to administrative duties which need to be performed in court, but in respect of which it is necessary to bring a judicial mind – that is, a mind to determine what is fair and just in respect of the matters under consideration.« Konsequenz dieses Urteils war, dass das Innehaben einer richterlichen Funktion aus einem Spruchkörper noch keinen »court« macht, der auch die anderen Privilegien in Anspruch nehmen kann, die mit diesem Status verknüpft wären; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 306. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 307. »By the close of the nineteenth century, the courts had confirmed the statutory tribunals as juridicially administrative and not judicial bodies, thus placing them outside the regular system and denying them the privileges of courts of law.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 306. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 308 f. Dass die administrativen und die justiziellen Aufgaben anders als bei den Friedensrichtern so eng miteinander zusammenhingen, verhinderte, dass letztere als herausragendes Charakteristikum der tribunals hätten wahrgenommen werden können; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 309. Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 309. Die tribunals spielten deshalb auch in den Diskussionen, die zu den Reformen der ordentlichen Gerichte durch die Judicature Acts führten, keine Rolle, weder kollektiv noch einzeln; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 310.
Die Fundamente der modernen tribunals im 20. Jhd.
C.
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Die Fundamente der modernen tribunals im 20. Jhd. und deren Entwicklung bis zur Reform
Mit zunehmender Komplexität des ökonomischen, sozialen und politischen Lebens im 20. Jhd. wuchs auch der Staatsapparat immer weiter und differenzierte sich auf allen Ebenen aus, was auch die bis dahin geschaffenen Institutionen erfasste: Tribunals wandelten sich im Verlauf des 20. Jhds. grundlegend von Exekutivorganen zur Implementation bestimmter, gesetzgeberischer Ziele mit notwendigerweise angegliederter Rechtsprechungsfunktion zu immer selbstständiger werdenden Organen mit vornehmlich justiziellen Aufgaben und damit zu einem Teil des Justizsystems. Genau wie es in den Jahrhunderten zuvor mit den Friedensrichtern geschehen war, verlor die exekutive Tätigkeit der tribunals gegenüber ihrer justiziellen immer mehr an Bedeutung; zunehmende Organisation und Rationalisierung steigerten die Leistungsfähigkeit vor allem der zentralstaatlichen Bürokratie und versetzten die Regierung in die Lage, selbst mehr und mehr administrative Aufgaben in allen Lebensbereichen zu übernehmen, die immer dichter vom Gesetzesrecht durchdrungen wurden.867 Die stetig zunehmende Komplexität jener Bereiche, in denen bereits tribunals eingesetzt wurden, machte außerdem deren Professionalisierung und Spezialisierung erforderlich.868 Ihre justiziellen Funktionen hatten sich als Mechanismus der Streitentscheidung bewährt, weshalb sie nun bei den tribunals verblieb, während die ursprünglich vorherrschende, administrative Komponente ihrer Aufgabe mehr und mehr auf andere Organe der Exekutive überging.869
1.
Die Schaffung insb. der sozialrechtlichen tribunals des frühen 20. Jhds.
Die zunehmende Trennung zwischen administrativen und justiziellen Tätigkeiten vollzog sich nicht nur bei einzelnen tribunals, sondern war eine generelle Evolution von tribunals als Gattung: Denn auch in neu durch den Gesetzgeber 867 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 327. 868 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 237: »[A]s the various spheres in which tribunals operated became more complex with the increasing sophistication of society, government and the economy, so they required and gathered increasingly specialised expertise. It was realised that the work was moving beyond the ability of temporary commissions of part-time lay personnel in permanent commissions, and that specialist remunerated and permanent officials were needed.« 869 So verloren etwa die General und Special Commissioners for income tax immer mehr ihrer administrativen Tätigkeiten an die sonstigen Organe der Finanzverwaltung; siehe etwa Jones, BTR 2005, 1, 80 (80); Stebbings, BTR 1993, 1, 52 (52). Auch die tribunals, die sich mit der Regulierung der Eisenbahn befassten, wurden entsprechend umgestaltet; siehe Robson, Justice and Administrative Law, 3rd ed. 1951, S. 100 ff.
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
geregelten Sachbereichen – etwa dem Sozialrecht – wurden nun Gremien geschaffen, die in erster Linie justizielle Aufgaben wahrnahmen,870 und damit der Erlass administrativer Ausgangsentscheidungen und deren Überprüfung in verschiedene Hände gelegt: Viele der tribunals, die heute den größten Arbeitsanfall aufweisen und damit praktisch am wichtigsten sind, sind als Folge der Schaffung des modernen Sozialstaats des 20. Jhds.871 entstanden; diese Zeit wird daher auch als eigentliche Wiege der modernen tribunals angesehen.872 Dabei waren die jeweiligen Arrangements zur Verwaltung bei jeder der neu geschaffenen Sozialleistungen höchst unterschiedlich: 1908 etwa wurde durch die damalige sozial-liberale Regierung als eines der ersten modernen Instrumente sozialer Sicherung ein System beitragsunabhängiger Pensionen geschaffen,873 zusammen mit einem Verwaltungsapparat, bei dem die Ausgangsentscheidung über die Gewährung des Pensionsanspruchs und Streitigkeiten hierüber auf unterschiedliche – wenn auch jeweils verwaltungsinterne – Gremien verteilt wurde.874 Erstmals 1911 wurde dann mit dem National Insurance Act 1911 (1& 2 Geo.
870 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 237 f. 871 1906 kam eine liberale Regierung an die Macht, die über eine derart komfortable Mehrheit im Parlament verfügte, dass sie umfassende politische Umwälzungen vornehmen konnte, die zur Basis des welfare state wurden; siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 2 – 016. 872 »[T]he orthodox view is, that the national insurance tribunals of 1911 constituted the first of the modern administrative tribunals, and indeed in composition, jurisdiction and process they are clearly recognisable to the modern lawyer.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 328. 873 Dies geschah durch den Old Age Pensions Act 1908 (8. Edw.VII) c.40. Dies war wohl der erste sozialrechtliche Anspruch heutiger Prägung, der geschaffen wurde; das Geld wurde dabei noch über Postämter verteilt; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/3. 874 Siehe zum Ganzen Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 771; Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 33; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 329. Über die Gewährung dieser Pensionen entschied ein »Pensions Officer«, dessen Entscheidungen durch ein auf lokaler Ebene etabliertes »Pensions Committee« angefochten werden konnten. Seine Mitglieder wurden von den jeweiligen Lokalverwaltungsbehörden (also etwa den county councils) ernannt, ihre Entscheidungen wiederum konnten letztlich durch das sog. »Local Government Board« überprüft werden. Dieses war ein zentralstaatliches Organ (faktisch ein Regierungsministerium), welches die Poor Law Commission (zu dieser siehe oben, Fn. 763) ablöste und die verschiedensten Aufsichtsfunktionen über die kommunalen Verwaltungsaufgaben hatte, die im weitesten Sinne mit der Versorgung der Armen sowie der öffentlichen Gesundheitsvorsorge, Impfungen oder auch der Registrierung von Geburten und Todesfällen zusammenhing; siehe hierzu Milo, PSQ 1898, 2, 232 (233 ff.). Damit waren zwar auf unterster Ebene der Erlass der Ausgangsentscheidung und deren Überprüfung durch zwei verschiedene Organe möglich, die letztliche Oberaufsicht hatte aber wieder die Exekutive, weshalb es hier noch an einem wirklich unabhängigen, justiziellen Element fehlte; siehe Bonner, JSSL 2002, 9(1), 11 (17).
Die Fundamente der modernen tribunals im 20. Jhd.
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V.) c.55875 in einer umfassenden Reform ein weitgehendes Kranken- und Arbeitslosenversicherungssystem eingeführt,876 welches sich in seinen Grundzügen877 stark an das anlehnte, was Bismarck in Deutschland zuvor durchgesetzt hatte.878 Auch damit ging die Schaffung mehrerer neuer Verwaltungsstrukturen einher, die aber – obwohl in ein- und demselben Gesetz geregelt – für jede einzelne Sozialleistung unterschiedlich waren: Unterstützungsleistungen für Kranke oder Mutterschaftsgeld879 wurden etwa von privatrechtlich organisierten, aber staatlicher Kontrolle unterstehenden Versicherungsvereinen880 und –gesellschaften881 verwaltet, die über die Gewährung von Hilfsleistungen zu befinden hatten und dabei unter der Aufsicht sog. Insurance Commissioners standen, deren Entscheidungen wiederum von den county courts überprüfbar waren.882 Ausgangsentscheidungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung hingegen wurden in diesem System von sog. Insurance Officers getroffen, die das Board of Trade, praktisch ein Regierungsministerium,883 ernannte.884 Streitig875 National Insurance Act 1911 (1& 2 Geo. V.) c.55. 876 Es handelte sich um das erste große soziale Reformwerk, das eine grundlegende und umfassende Umgestaltung dieses Rechtsbereichs darstellte; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 158 m.w.N.; zur Entstehung des englischen Sozialversicherungssystems siehe Ritter, Sozialversicherung in Deutschland und England, 1983, S. 76 ff. (insb. 85 ff.); Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 158 f. 877 Eine Arbeitslosenversicherung, wie sie Teil II des National Insurance Act 1911 (1& 2 Geo. V.) c.55 einführte, gab es in Deutschland noch nicht; dennoch orierentierte sich ihre Ausgestaltung an Elementen, die sich so bereits in der Krankenversicherung in Deutschland fanden; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 159 m.w.N. in Fn. 4. 878 Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 53. 879 Sowohl Krankengeld (»sickness benefit«), Unterstützungsleistungen für Behinderte (»disablement benefit«) und Unterstützung für werdende Mütter (»maternity benefit«). 880 Sog. »approved« oder »friendly societies«; dies sind privatrechtliche Vereinigungen, die sich im 17. Jhd. vermehrt – ähnlich einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit – in Dörfern und Städten gründeten und deren Mitglieder einen kleinen, regelmäßigen Beitrag leisteten, um etwa im Krankheitsfalle aus dem so gemeinschaftlich gebildeten Fonds versorgt zu werden. Hatten diese ursprünglich meist nur wenige hundert Mitglieder, wuchsen sie ab 1830 rapide, wobei sie als Versicherung ständig an Bedeutung gewannen; durch den National Insurance Act 1911 (1& 2 Geo. V.) c.55 wurden sie dann als Versicherungsträger in das staatliche Versicherungssystem eingebunden; siehe Cannon, in: Cannon (ed.), Dictionary of British History, 2009, Stichwort: »friendly societies«. 881 Neben den genossenschaftlichen friendly societies, waren auch rein gewinnorientierte »industrial insurance firms« entstanden, die ebenfalls in das staatliche Versicherungssystem eingebunden waren; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 160. 882 Die Insurance Commissioners waren ein zentrales Verwaltungsorgan, welches sowohl Rechtsvorschriften erlassen als auch Einzelfragen im Zusammenhang mit den Beitragslasten für die Versicherten an die Versicherungsträger entscheiden konnte; siehe Bonner, JSSL 2002, 9(1), 11 (18 ff.); Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 160. 883 Das »Board of Trade« war ursprünglich nur eine Unterabteilung des Privy Council und hatte zunächst lediglich beratende Aufgaben: Ab 1696 wurde eine Gruppe innerhalb des Privy Council als »Board of Trade and Plantations« geschaffen; siehe Holdsworth, History of English Law, Bd. X 1938, S. 467. Nachdem es 1782 zunächst abgeschafft wurde, wurde es
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
keiten, die aus diesen Entscheidungen erwuchsen, wurden erstinstanzlich einem court of referees vorgelegt, gegen dessen Entscheidungen wiederum ein appeal zu einem Umpire möglich war.885 Nach Ende des 1. Weltkrieges wurden Regelungen für Rentenzahlungen an Kriegsversehrte geschaffen und für daraus resultierende Streitigkeiten neue Pension Tribunals886 und durch den Widows’, Orphans’ and Old Age Pensions Act 1925 (15& 16 Geo.V) c.29 wurden für Unterstützungsleistungen an Witwen, Waisen und Rentner abermals andere Verwaltungsmechanismen etabliert.887 Insb. die neuen 1911 errichteten courts of referees wurden jedoch aufgrund ihrer enormen Inanspruchnahme schnell immens wichtig und können als die ersten tribunals nach derzeitigem Verständnis angesehen werden,888 da sie einige
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bereits 1784 von William Pitt wieder eingeführt, zunächst noch als reines Beratungsgremium; 1786 wurde es durch Order in Council zu einem eigenen Organ mit einem Präsidenten und eigenem Personal ausgebaut; siehe Holdsworth, History of English Law, Bd. XIV 1964, S. 123. Zuständig war es für die unterschiedlichsten Dinge, nicht nur für die Regulierung von Handel und Gewerbe, sondern auch für Kolonialpolitik; siehe zu den Aufgaben des Board of Trade Holdsworth, History of English Law, Bd. XI 1938, S. 71. Siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/3; Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, 178; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, 160; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 328. Siehe Teil II National Insurance Act 1911 (1& 2 Geo. V.) c.55 sowie Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/3; Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, 178; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, 160; zu den courts of referees auch noch unten, bei Fn. 1617. Dass ein und dasselbe Gesetz damit zwei völlig verschiedene Rechtswege für Sozialleistungen vorgesehen hatte, war wohl dem politischen Einfluss der kommerziellen Versicherungsgesellschaften geschuldet, die in die neuen Verwaltungsarrangements integriert werden wollten; siehe Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 34. Seit 1916 gab es ein »Ministry of Pensions«, das sich ausschließlich mit Kriegsrenten (»war pensions«) beschäftigte; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/3 ff. sowie 15/29. Ab 1919 wurden diese Pensionen sowie Hinterbliebenenrenten von lokalen »war pensions committees« verwaltet, die die Ansprüche des jeweiligen Klägers ermittelten und eine Empfehlung an den zuständigen Minister aussprachen, gegen dessen Entscheidung ein tribunal angerufen werden konnte; siehe Jackson/Spencer, Machinery of Justice, 8th ed. 1989, S. 109. Diese vom Lord Chancellor ernannten »pension tribunals« bestanden aus einem Juristen, einem Arzt und einem Mitglied, welches seinerseits Kriegsversehrter war, der zudem den gleichen militärischen Rang haben musste wie der jeweils betreffende Kläger ; siehe Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 35; zu diesen Kriegsrenten heute siehe im Einzelnen auch unten, V.B.2., S. 256. Zuständig für die Gewährung dieser Unterstützungsleistungen war das neu geschaffene Gesundheitsministerium, bei dem die Leistungen direkt beantragt werden mussten – gegen dessen Entscheidungen war die Anrufung eines einzelnen »referee« möglich, eines Volljuristen, der aus einem »panel of referees« ausgewählt wurde; siehe Pipkin, Social Politics and Modern Democracies, Bd. 2 1931, S. 120; Bonner, JSSL 2001, 1(8), 9 (19) sowie Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 179. Siehe etwa Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 33; genauso auch Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 328.
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für heute tribunalscharakteristische Merkmale wie eine paritätische Besetzung und einfach ausgestaltete Verfahren aufwiesen.889 Die Gründe, warum im Rahmen dieser Gesetzgebung mit neuen Mechanismen experimentiert wurde, anstatt die entsprechenden Streitfälle den ordentlichen Gerichten zur Entscheidung zu übertragen, waren dabei ähnliche Überlegungen, wie sie schon für die tribunals des 19. Jhds. galten:890 Zum einen wäre deren Einsatz nach wie vor mit Aufwand und Kosten verbunden gewesen, die in keinem Verhältnis zu den Streitwerten standen;891 zum anderen waren die Gerichte bereits hinreichend ausgelastet, so dass befürchtet werden musste, dass sie in der zu erwartenden Fülle sozialrechtlicher Kleinststreitigkeiten untergehen würden.892 Außerdem wurde noch immer befürchtet, dass die Richter der ordentlichen Gerichte den sozialen Reformbemühungen generell eher skeptisch gegenüberstehen und eine effektive Umsetzung der Sozialgesetzgebung verhindern würden.893 Vor allem aber hatte man bereits schlechte Erfahrungen mit den ordentlichen Gerichten als Forum für Klagen im Bereich sozialrechtlicher Regelungen gemacht: Durch den Workmen’s (Compensation for Injuries) Act 1897 (60& 61 Vict.) c. 37 und dessen Nachfolgegesetz, den Workmen’s Compensation Act 1906 (6 Edw.VII.) c.58 wurde ein System geschaffen, mittels dessen Arbeiter Kompensationen für Verletzungen von ihren Arbeitgebern erlangen konnten, ohne dass der verletzte Arbeiter ein Verschulden des Arbeitgebers nachweisen musste; es genügte für die Haftung des Arbeitgebers vielmehr der Beweis, dass die Verletzung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit eingetreten war.894 Als Instanz für Streitigkeiten waren die ordentlichen Gerichte vorgesehen gewesen, was jedoch eine effektive Wirkung dieser Sozialgesetzgebung verhinderte: Die Verfahren vor den Gerichten wurden nämlich von den hinter den Arbeitgebern stehenden, finanziell potenten Versicherungen so in die Länge
889 Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 35: »These ›courts‹ introduced a concept new to British administration, namely the local tribunal, non-legal in character and having representatives from the same class as the most likely to be affected by the decisions.«; siehe auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 772. 890 Siehe hierzu oben, III.B.1.e), S. 182. Zwar bestand das Problem der Reformbedürftigkeit der ordentlichen Gerichte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr (die Reformen waren ja gerade durch die Judicature Acts abgeschlossen worden); insb. die Technizität der Verfahren der Höchstgerichte sowie die bereits vielfache Auslastung der unteren Gerichte standen nach wie vor als Probleme im Weg. 891 Siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 773; Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 2 – 017. 892 Siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 2 – 017. 893 So hatten bereits bestimmte Gerichtsentscheidungen der Vergangenheit gezeigt, dass die ordentlichen Gerichte dem Standpunkt der Gewerkschaften gegenüber nicht aufgeschlossen waren; siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 2 – 017. 894 Siehe zum Ganzen Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 160 f.
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
gezogen, bis den klagenden Arbeitnehmern »die Puste ausging«.895 Der Arbeiter, der durch diese Gesetzeswerke eigentlich hätte geschützt werden sollen, hatte damit das Nachsehen. Die courts of referees hingegen, deren Verfahren einfach, unkompliziert und schnell ausgestaltet waren, stellte sich demgegenüber deutlich als Erfolgsmodell dar.896 Entsprechend entstanden in der Folgezeit immer mehr Spruchkörper dieser Art, und zwar nicht mehr nur im Zusammenhang mit den Reaktionen des Gesetzgebers auf die sozialen Herausforderungen wie kriegsbedingter Wohnungsknappheit897 oder zunehmender Einwanderung,898 sondern auch in allen möglichen anderen Bereichen wie etwa dem zunehmenden Straßenverkehr,899 der Landwirtschaft900 oder der Unterbringung psychisch Kranker.901
2.
Die Außenwahrnehmung der neuen tribunals
Der allmähliche Wegfall der administrativen Funktionen der tribunals veränderte auch deren Außenwahrnehmung: Die immer stärker werdende Betonung ihrer justiziellen Funktion wurde von Zeitgenossen sehr kritisch betrachtet, ja sogar als Bedrohung für die rule of law angesehen.902 Während tribunals im 19. Jhd. als Organe der Exekutive geschaffen und auch als solche angesehen wurden, stellte der kontinuierliche Wegfall von deren administrativer Komponente konsequenterweise ihre justizförmigen Verfahren und damit ihre Ähnlichkeit zu den ordentlichen Gerichte heraus.903 Mit der Wahrnehmung dieser Gerichts895 Begünstigt wurde dies durch die Verfahrensregeln der ordentlichen Gerichte, die schließlich dem common law entstammten und daher nicht für die Zwecke geeignet waren, die ihnen das Gesetz gewissermaßen überstülpte; siehe zum Ganzen Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 160 f.; Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 2 – 017. 896 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 161. 897 Zu deren Bekämpfung wurde ein System zur behördlichen Festsetzung von Mieten und damit einhergehend »Rent Tribunals« geschaffen; siehe dazu unten, V.C.2.c)(2)(c), S. 302. 898 Dazu siehe unten, V.B.6., S. 281. 899 Dazu siehe unten, V.C.1.a), S. 287, insb. bei Fn. 1447. 900 Hierzu wurden die Agricultural Lands Tribunals geschaffen; dazu schon oben, bei Fn. 109. 901 Zu diesem Rechtsbereich siehe unten, V.B.3.d), S. 261; siehe zum Ganzen Jackson/Spencer, Machinery of Justice, 8th ed. 1989, S. 110 f. 902 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 328. 903 Die Veränderung der alten tribunals hin zu einem justizförmig verfahrenden Spruchkörper äußerte sich auch in der Nomenklatur : Waren zur Bezeichnung der tribunals des 19. Jhds. sowohl offiziell wie auch in der Öffentlichkeit eher Begriffe wie »commission« oder »board« verwandt worden, die Assoziationen zur öffentlichen Verwaltung transportierten, verschwanden diese im Laufe des 20. Jhds. mit dem Wegfall der administrativen Funktionen der tribunals zunehmend. Sie wurden nun vom Begriff »tribunal« abgelöst, der eher mit einem justiziellen Verfahren konnotiert ist; siehe Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 329.
Die Fundamente der modernen tribunals im 20. Jhd.
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ähnlichkeit wurden nun aber auch erstmals Fragen nach der Einordnung der tribunals in den Rest des Justizsystems laut, die vorher so nicht gestellt worden waren.904 Das ordentliche Justizsystem war über Jahrhunderte gewachsen, verfassungsrechtlich gefestigt und genoss ein hohes Ansehen – tribunals hingegen konnten sich nicht auf eine auch nur annähernd hiermit vergleichbar gesicherte Stellung und Reputation stützen.905 Ihre Existenz und ihr Wesen war unproblematisch, so lange sie effektive Lösungen für dringende Probleme bereitstellen konnten – nun jedoch übten sie augenscheinlich die richterliche Gewalt des Staates aus, ohne jene Voraussetzungen mitzubringen, die hierfür als verfassungsrechtlich notwendig angesehen wurden.906
3.
Veränderte Verfassungsdoktrin
Verstärkt wurde diese Skepsis dadurch, dass sich mit dem stetig wachsenden Staat auch die Verfassungsdoktrin weiterentwickelt hatte: Das Konzept der rule of law war mittlerweile durch die Ideen der Gewaltenteilung stark beeinflusst worden, als deren Ausdruck im Rahmen der Judikative die Unabhängigkeit des Entscheidungsträgers von den Parteien galt.907 Gewaltenteilung, wie sie von 904 Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 328; siehe auch Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 32: »When multi-functional agencies were first established in the 19th century, embedded adjudication of disputes between citizen and government was understood as an aspect of the administrative process. It was only when such agencies were stripped of their non-adjudicatory functions and transformed into mono-functional adjudicatory agencies that the similarity between their basic function and that of the courts was discerned. Once that happened, however, administrative tribunals came to be seen as more-or-less problematic.« 905 Tribunals gehörten per se nicht zur »judicial branch of government«, sondern waren eben ursprünglich Geschöpfe der Exekutive und wurden auch als solche wahrgenommen. Sie wurden gerade nicht ausschließlich mit Juristen und schon gar nicht Richtern besetzt, die Angehörigen ihrer Spruchkörper genossen also auch nicht die gleichen verfassungsrechtlichen Garantien hinsichtlich Einkommen und Entfernung aus dem Amt (»security of tenure«; dazu siehe auch unten, VI.A.2.b), S. 336); Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 32; Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 105 – 109. 906 »Their nature and function as organs of the executive were accepted and the close integration and subservient role of their judicial function prevented them from being perceived as posing any challenge to either the regular courts of the rule of law, and not even to the uniform administration of the law as some inferior courts were, because they were not perceived as administrating the judicial power of the state or indeed as creating a new type of dispute resolution. They were rather regarded as a legitimate and effective administrative response to the challenges of over a hundred years of intensive industrialisation, and any anxiety was on the grounds of increasing state intervention into new spheres of human activity and its accompanying bureaucracy.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 328 f. 907 »Tensions developed […] primarily because of an increased appreciation of the importance
206
Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
Montesquieu verstanden wurde, umfasste schließlich die Vorstellung, dass jede der drei Staatsgewalten jeweils eigenständigen und strikt voneinander getrennten Organen zu übertragen sei – als Organe der Judikative wurden aber vor allem die obersten Gerichte gesehen,908 von deren Beispiel die tribunals nicht weiter hätten entfernt sein können:909 Obgleich im 20. Jhd. viele tribunals praktisch keine administrativen Aufgaben mehr ausführten, waren sie doch noch eng mit der Exekutive verflochten: Die Zuständigkeit auf ihrem jeweiligen Sachgebiet ergab sich nämlich noch immer aus einem parent act, der auch die Grundlagen der Tätigkeit der Verwaltungsorgane auf diesem Gebiet regelte, und schon dadurch erschienen sie über ihre inhaltliche Tätigkeit hinaus als eng mit diesen verknüpft.910 Außerdem war regelmäßig jener Minister der Regierung zuständig für die Ernennung von Mitgliedern der tribunals, in dessen Ressort zugleich die administrativen Aufgaben eines bestimmten parent act fielen, und auch was Ressourcen und Personal der tribunals anging, waren sie vollständig von dem entsprechenden Sachministerium (insoweit ist von sponsoring department die Rede)911 abhängig.912
4.
Erste Rationalisierungsbemühungen
Dass seit dem 19. Jhd. eine blühende und ständig bunter werdende Landschaft verschiedenster Organe und Spruchkörper gewachsen war, wurde lange Zeit weder von der Öffentlichkeit noch von Seiten der Wissenschaft zur Kenntnis genommen.913 Erst Ende der 1920er Jahre wurde diese Entwicklung Gegenstand
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of independence in dispute-resolution. That, allied to a more rigid interpretation of the rule of law and the separation of powers, rendered […] [the tribunals’] place in the public organism more equivocal than at their inception.« Stebbings, Foundations of Tribunals, 2006, S. 329. Zu dieser, fast ausschließlich auf die Höchstgerichte in London zentrierten Wahrnehmung der Judikative siehe schon oben, bei Fn. 11 sowie Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 32. »The idea that the judicial function should be allocated to judicial institutions, coupled with a narrow understanding of judicial institutions in terms of the superior central courts, was what generated the problem of tribunals.« Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 32. »Although not embedded within agencies, such tribunals, like their 19th-century forebears, were ›specialist‹ in the sense that they were created to adjudicate disputes arising out of the implementation of a specific statutory regime. One result of their specialist nature was that they were linked in various ways to the department responsible for implementing the relevant statutory regime.« Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 32. Siehe etwa den Sprachgebrauch bei Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 552; Cane, Administrative Law, 5th ed. 2011, S. 317; Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 32. Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 32. Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 318.
Die Fundamente der modernen tribunals im 20. Jhd.
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von Abhandlungen, die sich kritisch – und öffentlichkeitswirksam914 – mit diesem Phänomen auseinandersetzen.915 In seinem Buch Justice and Administrative Law von 1928 forderte Robson916 mit deutlichen Worten die Angleichung des bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Sammelsuriums von in Verwaltungsstrukturen integrierten Spruchkörpern an gerichtliche Strukturen917 und lehnte die bestehenden Formen von embedded adjudication generell ab.918 Um den Missständen abzuhelfen, schlug er vor, die Einrichtung künftiger tribunals zu systematisieren und sie nur unter bestimmten Bedingungen zu kreieren;919 des Weiteren regte er auch die Schaffung eines Superior Administrative Appeal Tribunal an, dessen Entscheidungen nicht weiter angreifbar sein sollten.920 Insb. mit letzerem nahm er damit etwas vorweg, was der Gesetzgeber heute im Wege des TCEA 2007 c.15 umgesetzt hat.
914 Aufsehenerregend war vor allem das 1929 erschienene Buch »The New Despotism« von Lord Hewart of Bury, dem damaligen Lord Chancellor, in welchem er sich vor allem über die Möglichkeiten der Exekutive zum Erlass untergesetzlicher Rechtsnormen äußerte, aber auch über die Praxis, Streitigkeiten über Entscheidungen der Verwaltung Spruchkörpern anzuvertrauen, die der Exekutive zuzuordnen sind; siehe Carr, Concerning English Administrative Law, 1941, S. 25; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 320. Allerdings machte Lord Hewart selbst keine Vorschläge zur Veränderung dieser Situation; siehe Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 32 f. 915 Siehe Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 33. 916 Robson, Justice and Administrative Law, 1928, S. 1 ff. 917 Robson forderte, dass auch Spruchkörper, die in Verwaltungsorgane integriert sind, bei ihrer Tätigkeit eine richterliche Denkweise (»judicial mind«) anzuwenden hätten: »[W]ithout a judicial mind to apply it, our body of law would disintegrate in a year, and society relapse into savagery.« Robson, Justice and Administrative Law, 1928, S. 35 f. Robson forderte deshalb etwa die Einbindung professioneller Anwälte in die Verfahren von tribunals; vgl. Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 33 Fn 50. 918 »In no circumstances should judicial functions be left to remain in hotchpotch with ordinary executice duties of a central department.« Robson, Justice and Administrative Law, 1928, S. 319; Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 34. 919 Tribunals sollten seiner Auffassung nach nur dort eingesetzt werden, wo ein neues politisches Ziel einheitlich umgesetzt werden muss, welches mit Eingriffen in Freiheit oder Eigentum des Einzelnen einhergeht, wo die dafür notwendigen Verwaltungsstandards schnell und effektiv implementiert werden müssen und hierfür besonderes Wissen der Entscheidungsträger notwendig ist; siehe Robson, Justice and Administrative Law, 1928, S. 315 f. Unklar ist, ob diese Kriterien seiner Meinung nach kumulativ oder alternativ vorliegen mussten; siehe auch Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 34 Fn. 56. 920 Allenfalls die Überprüfung im Wege der Rechtsbehelfe des common law sollte weiterhin möglich sein; siehe Robson, Justice and Administrative Law, 1928, S. 321; Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 34 Fn. 52 u. 53.
208 a)
Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
Das Donoughmore Committee
Angesichts dieser Kritik921 und der daraufhin einsetzenden öffentlichen Debatte sah sich die damalige Regierung 1929 veranlasst, ein Gutachten durch eine Expertengruppe, das Donoughmore Committee,922 in Auftrag zu geben, um Streitentscheidungen durch Exekutivorgane zu untersuchen.923 Wohl aufgrund der unklaren Formulierung des eigentlichen Arbeitsauftrags legte die Gruppe dabei den Schwerpunkt der Untersuchung vor allem auf die Frage nach dem Verhältnis solcher embedded adjudication zu den ordentlichen Gerichten924 und damit auf verfassungsrechtliche Fragen, befasste sich aber nicht mit der konkreten Ausgestaltung und den Verfahren der tribunals.925 In ihrem Bericht von 1932 kam sie vor allem zu dem Ergebnis, dass Gesetzesklauseln, die eine Überprüfung von Entscheidungen solcher Organe der embedded adjudication verhinderten, abzulehnen seien; auch zog sie den Schluss, dass tribunals nur unter bestimmten Bedingungen eingesetzt werden sollten,926 dass aber an der grundsätzlichen Verteilung von Aufgaben zwischen Legislative und Judikative in ihrer damaligen Ausprägung nichts auszusetzen sei.927 Robsons Vorschlag eines unabhängigen, kohärenten Systems von tribunals lehnte sie folglich ab und hielt stattdessen an der pragmatischen Schaffung von tribunals ad-hoc, wie sie in der Vergangenheit vorherrschend war, fest; sie empfahl aber zumindest die Beibehaltung der Aufsichtsbefugnisse der ordentlichen Gerichte aus dem common law und die Schaffung bzw. den Ausbau von einheitlichen appeal-Rechten zu den Gerichten.928 Der Bericht des Donoughmore Committee blieb in der Folgezeit ohne nennenswerten Effekt,929 die Schaffung neuer und der Umbau alter tribunals schritt 921 Öffentlich wahrgenommen wurde allerdings vor allem die Kritik im »New Despotism«; siehe Carr, Concerning English Administrative Law, 1941, S. 25 f.; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 320. 922 Das »Committee on Ministers’ Powers« unter dem Vorsitz von Lord Donoughmore, nach dessen Namen es gemeinhin als »Donoughmore Committee« bekannt ist; Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 35; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 319; siehe zum Ganzen auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.5. 923 Die Expertengruppe sollte sich dabei mit den Möglichkeiten von Regierungsministern auseinandersetzen, selbst »judicial and quasi-judicial decisions« zu treffen und Vorschläge dazu machen, wie die Verfassungsprinzipien der Parlamentssuprematie und der rule of law gesichert werden könnten; siehe Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 35. 924 Siehe Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 35. 925 Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.6. 926 Nämlich nur dann, wenn die Vorteile ihres Einsatzes gegenüber den ordentlichen Gerichten außer Frage stehen; siehe Hely-Hutchinson, Report – Committee on Ministers’ Powers (Cmd.4060), 1932 , Sec. III, para. 9 ff. (S. 92 ff.). 927 Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 35. 928 Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 35 f. 929 Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 42: »[T]he Report of the Donoughmore Com-
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ohne jedes System weiter voran,930 insbesondere nach Ende des 2. Weltkriegs; auch die Vorschläge zur Veränderung der appeal-Rechte wurden nicht umgesetzt.931
b)
Der Franks Report
Schon 23 Jahre später wurde eine weitere Expertengruppe eingesetzt,932 deren Arbeitsauftrag wesentlich genauer formuliert und festgelegt war auf die Untersuchung von tribunals und inquiries,933 wobei der Schwerpunkt nun auf der Betrachtung der Verfahren und Arbeitsweisen solcher Spruchkörper und deren gerichtlicher Beaufsichtigung lag.934 Diese Gruppe – das Franks Committee935 – stellte 1957 ihren Bericht vor, der als Franks Report bekannt wurde.936 Sie klassifizierte darin die tribunals als »machinery provided by parliament for the adjudication of disputes rather than as part of the machinery of administration«937 und hob erstmals den besonderen Wert von tribunals938 aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften hervor, welche sie gerade von den ordentlichen Gerichten abhoben – nämlich ihre kostengünstigen, leicht zugänglichen, in-
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mittee had no descernible impact except, perhaps, to encourage maintenance of the status quo.«; siehe auch Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 321. Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 321. Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 42 m.w.N. in Fn. 82. Obgleich der Anlass für den Einsatz dieser Gruppe – die sog. »Crichel Down Affair« – mit tribunals und inquiries im Grunde nur wenig zu tun hatte: Es ging dabei um ein Grundstück in Crichel Down, welches 1937 als militärisches Übungsgelände enteignet wurde. Dem ursprünglichen Eigentümer des Grundstücks wurde die Rückübereignung versprochen, allerdings ohne, dass dadurch ein wirklicher Rechtsanspruch begründet worden wäre. Als dann nach Kriegsende die Witwe des Eigentümers die Rückübereignung verlangte, verweigerte der zuständige Minister die Freigabe des Übungsgeländes und erst nachdem die Sache ein breites Medienecho hervorgerufen hatte und im Parlament diskutiert wurde, erfolgte die Rückübertragung. Der Aufschrei, den dieser Vorgang provoziert hatte, löste eine Diskussion über die Rechte des Einzelnen gegenüber der Verwaltung aus und veranlasste die Regierung 1955 zum Einsatz der Expertengruppe; siehe hierzu statt vieler Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 325 f. Diese Gruppe hatte den ausdrücklichen Auftrag »to consider and make recommendations on: (a) the constitution and working of tribunals other than the ordinary courts of law, constituted under any Act of Parliament by a Minister of the Crown or for the purposes of a Minister’s functions. (b) The working of such administrative procedures as include the holding of an enquiry or hearing by or on behalf of a Minister on an appeal or as the result of objections or representations, and in particular the procedure of the compulsory purchase of land.« Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, S. iii. Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.6. Namensgebend war auch hier wieder der Vorsitzende, Sir Oliver Franks. Siehe zum Ablauf des Untersuchungsverfahrens des Franks Committee ausführlich bei Wiesner, Administrative Tribunals in Großbritannien, 1974, S. 51 ff. Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, para. 40. Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.6.
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
formellen und schnellen Verfahren sowie das besondere Expertenwissen, das sie im Bereich ihrer jeweiligen sachlichen Zuständigkeit besäßen.939 Vor allem aber erkannte der Bericht an, dass bei der Schaffung dieser »machinery« zumindest vom Gesetzgeber intendiert war, dass sie unabhängig von den für die jeweilige Sachmaterien zuständigen Regierungsministerien sein sollten.940 Zugleich ging der Franks Report auch davon aus, dass es die allgemeine Regel sein müsse, dass ordentliche Gerichte Streitigkeiten entscheiden und tribunals nur dann eingesetzt würden, wenn hierfür gewichtige Gründe bestünden.941 Als zentrale Charakteristika, die ein tribunal stets aufweisen müsse, identifizierte er die Prinzipien der Offenheit (openness), der (Verfahrens-) Gerechtigkeit (fairness) und der Unparteilichkeit (impartiality), wobei insb. letzteres hervorgehoben wurde,942 und sprach darauf basierend seine Empfehlungen aus.943 Vor allen Dingen riet der Franks Report dazu, die Unabhängigkeit der tribunals dadurch sicherzustellen, dass – was bis zu diesem Zeitpunkt regelmäßig nicht der Fall war – die Verantwortung für Ernennung, Entlassung und Einsatz von Mitgliedern der tribunals nicht beim Sachminister des jeweiligen sponsoring departments geschehen sollte, sondern durch den Lord Chancellor, der auch für die ordentliche Richterschaft zuständig war.944 Ferner seien hierfür alle bishe-
939 Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, para. 38: »[T]ribunals have certain characteristics which often give them advantages over the courts. These are cheapness, accessibility, freedom of technicality, expedition and expert knowlegde of their particular subject.« 940 Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, para. 40: »The essential point is that in all these cases Parliament has deliberately provided for a decision outside and independent of the Department concerned, either at first instance […] or on appeal from a decision of a Minister or of an official in a special statutory position.« 941 Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, para. 38. 942 Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, para. 41: »We have already expressed our belief, in Part I, that Parliament in deciding that certain decisions should be reached only after a special procedure must have intended that they should manifest three basic characteristics: openness, fairness and impartiality. The choice of a tribunal rather than a minister as the deciding authority is itself a considerable step towards the realisation of these objectives, particularly the third.« Gerade die Schlussfolgerung jedoch, der Gesetzgeber habe bei der Schaffung vor allem die Unabhängigkeit von tribunals vor Augen gehabt, wurde in der rechtswissenschaftlichen Literatur teilweise vehement bestritten; siehe Griffith, MLR 1959, 22(2), 125 (129), der dem Franks Committee vor allem den Vorwurf machte zu verkennen, dass der »Wille des Parlaments« im Bezug auf tribunals vor allem der Wille der Regierung sei, die tribunals gerade wegen ihrer Unabhängigkeit von Regierungsministerien in erster Linie als Mechanismus nutzen wolle, um die Minister ihrer Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament zu entheben. 943 Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, para. 23 ff. sowie para 98; siehe ferner Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.6; Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 43; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 327. 944 Siehe Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, para. 48 – 49 sowie 53 – 54.
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rigen tribunals der Aufsicht eines945 neu zu schaffenden Council on Tribunals zu unterstellen, einem Gremium, das die tribunals überwachen, für Einheitlichkeit zwischen ihnen sorgen946 und an der Entwicklung allgemeiner Verfahrensregeln947 und ihrer personellen Besetzung mitwirken948 sollte. Außerdem sprach der Franks Report die dringende Empfehlung aus, dass tribunals generell zur Begründung ihrer Entscheidungen verpflichtet werden müssten,949 dass gegen die Entscheidung eines erstinstanzlichen tribunal ein Recht zur Anrufung einer zweiten tribunal-Instanz bzw. – wo entsprechend dem jeweiligen Sachgebiet nur Rechtsfragen zu überprüfen seien – zu den ordentlichen Gerichten950 bestehen sollte.951 Die Empfehlungen des Franks Report verdeutlichten insb. gegenüber dem Bericht des Donoughmore Committee bereits einen grundlegenden Wandel bei der Einschätzung von tribunals, denn sie wurden nun gewissermaßen als court substitutes angesehen und nicht mehr als reine Anhängsel des Verwaltungsapparats.952 Im Gegensatz zum Donoughmore Report zog der Franks Report eine 945 Genau genommen sollten zwei dieser councils geschaffen werden, nämlich einer für England und einer für Schottland, deren Vorsitzende jeweils vom Lord Chancellor für England und Wales bzw. vom zuständigen Minister für schottische Angelegenheiten eingesetzt wurden, an den sie auch berichten sollten; siehe Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, Empfehlung 1 sowie para 43. 946 »[T]o keep the constitution and working of tribunals under continuous review.« Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, Empfehlung 1 sowie para 43. 947 Die Verfahrensregeln sollten dabei vom Council on Tribunals so formuliert werden, dass sie den speziellen Anforderungen entsprächen, die sich für jedes tribunal in seinem konkreten Sachbereich stellen, und die Anforderungen eines geordneten Verfahrens mit einer informellen Atmosphäre vereinen; siehe Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, Empfehlung 8 sowie para. 63 – 64. 948 Dem Council on Tribunals sollte die Ernennung aller Tribunalsmitglieder obliegen, die juristische Laien waren, und der Lord Chancellor (oder ein entsprechend ranghoher Beamter für Schottland) sollte alle anderen ernennen; siehe Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, Empfehlung 2 sowie para. 53 – 54. 949 Siehe Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, Empfehlung 22 sowie para. 98. 950 Allerdings galt dies nicht uneingeschränkt, da bestimmte tribunals stattdessen weiterhin nur einer Überprüfung im Wege des JR unterstellt werden sollten; siehe Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, Empfehlung 27 sowie paras 107 – 112. 951 Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, Empfehlung 25 sowie paras 105 – 106. 952 Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 44, der sich ausführlich mit den Gründen für diesen Deutungswandel der Rolle der tribunals auseinandersetzt. Als wichtige Gründe dafür nennt er das politische Klima, das sich seit dem Bericht des Donoughmore Committee grundlegend verändert hatte, und die geänderte Betrachtung der politischen Einstellung der ordentlichen Gerichte, welche die Unterschiede zwischen diesen und den tribunals ein Stück weit nivelliert und so deren Vergleichbarkeit nahegelegt hatte. Außerdem hatte das Franks Committee die Aufgabe, sowohl tribunals als auch inquiries zu betrachten. Im Kontrast zu diesen, letztlich als reine Vorstufe eines Verwaltungsverfahrens einzuordnende Mechanismen, konnten die tribunals schon als weitgehend von der Exekutive unabhängig und damit als »gerichtsähnlich« angesehen werden: »It was the extra-departmental tribunal
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
schnelle und umfassende gesetzgeberische Reaktion nach sich, die im Erlass des Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz II.) c.66 mündete. c)
Der Tribunals and Inquiries Act 1958
Der Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II) c.66 stellte die erste gesetzgeberische Maßnahme dar, die sich auf eine Vielzahl von tribunals als solche bezog. Obgleich das Gesetz keine Definition bot, war doch damit der Begriff tribunal für einen bestimmten Typus von Spruchkörper endgültig etabliert. Inhaltlich setzte das Gesetz für einen (abschließend aufgezählten) Teil der tribunals viele der Forderungen des Franks Committee um und schuf allen voran den geforderten Council on Tribunals, wenngleich auch nicht in der Form, wie das Franks Committee dies intendiert hatte.953 Der Effekt der Tätigkeit dieses Gremiums war jedoch sehr unterschiedlich und die Gesamtbilanz seiner Existenz fällt tendenziell wohl eher negativ aus,954 was vor allem daran liegt, dass es dem Council on Tribunals nicht gelang, die Bildung eines Systems von tribunals zu etablieren.955 Weitere wichtige Neuerungen durch den Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz II.) c.66 waren, dass die Mitglieder der meisten tribunals nun unter Beteiligung des Lord Chancellor ernannt wurden, wenn auch noch in vielen Fällen im Zusammenwirken mit dem zuständigen Minister, um den Einfluss der Fachministerien abzuschwächen und den Eindruck der Unabhängigkeit der that the Committee classified as part of the judicial system, not the public inquiry, which it apparently treated as an administrative, not a judicial institution.« Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 44. 953 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 329 mit detaillierter Darstellung der Ausgestaltung des Council on Tribunals (in seiner Gestalt nach dem Tribunals and Inquiries Act 1971 c.62) ab S. 331 ff. Den meisten Einfluss übte der Council on Tribunals auf die Verfahrensregeln der tribunals aus, die er im Sinne der Franks’schen Kriterien der »openness«, »fairness« und »impartiality« beeinflusste; siehe Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 45. Dies mag vor allem daran gelegen haben, dass der Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II.) c.66 eine Pflicht für die Fachministerien statuierte, Verfahrensordnungen für tribunals vor ihrem Erlass dem Council on Tribunals zur Vorabkontrolle vorzulegen. Demgegenüber setzte sich der Gesetzgeber etwa über die Forderung des Franks Committee und auch des Council on Tribunals hinweg, eine solche Konsultationspflicht für die Regierung auch vor der Neuschaffung von tribunals festzuschreiben – insoweit bestand allenfalls eine informelle (Selbst-)Verpflichtung des Lord Chancellor, die allerdings nicht sonderlich effektiv war ; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 341. 954 Schon Wade, Administrative Law, 4th ed. 1979, S. 758 beschrieb den Council on Tribunals als Wachhund, der bellen, aber nicht beißen könne. Garner, Administrative Law, 5th ed. 1979, S. 229, kam hingegen zu einem anderen Ergebnis und stellte fest, »…that it would be difficult for any government to ignore indefinitely any firm recommendations for reform made by the Council.«; siehe zum Ganzen Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 344 f. 955 Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 45.
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Tribunalsmitglieder zu stärken.956 Zudem wurde vorgeschrieben, dass tribunals ihre Entscheidungen zu begründen hätten – wenn auch nur auf Antrag.957 Am wenigsten entsprach der Gesetzgeber aber den Vorstellungen des Franks Committee von der Schaffung von appeal-Rechten – hier wurde nur für einige der tribunals, für die der Council on Tribunals zuständig war, ein allgemeines appeal-Recht zum High Court festgeschrieben, das zudem auf Rechtsfragen beschränkt war.958 Da der Aufsicht des Council on Tribunals aber längst nicht alle tribunals unterstanden,959 blieb die Einführung von appeal-Rechten wirr und uneinheitlich.960 Einen wichtigen Schritt zur Verbesserung gerichtlicher Kontrolle über die tribunals ging der Gesetzgeber allenfalls insoweit, als dass er nahezu alle bis dahin erlassenen ouster clauses für die Anwendung der prerogative writs auf tribunals aufhob.961 Obwohl der Gesetzgeber mit dem Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II.) c.66 einige entscheidende Schritte in Richtung einer Angleichung der Unterschiede zwischen den einzelnen tribunals getan hatte, kann doch von einer umfassenden Vereinheitlichung oder gar Systematisierung nicht die Rede sein.962 Allerdings verdeutlicht der Tribunals and Inquiries Act 1958 c.66, dass – obgleich eine Definition noch immer nicht möglich war963 – tribunals ab diesem Zeitpunkt endgültig als eigene Gattung angesehen wurden. Auch wenn also mit diesem Gesetz der »große Wurf« einer Systematisierung noch gar nicht versucht wurde, war es zumindest ein wichtiger erster Schritt.964 Der Tribunals and In956 Siehe ss.3 und 5 Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II) c.66. Das Franks Committee hatte demgegenüber gefordert, dass Ernennungen nur noch dem Lord Chancellor allein obliegen sollten; siehe oben, Fn. 944; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 329. 957 Siehe s.12 Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II) c.66. 958 Siehe s.9 Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II) c.66. Gefordert hatte das Franks Committee demgegenüber für viele Bereiche die Schaffung von appeal-Rechten zu einer jeweils höheren Tribunalsinstanz zur Überprüfung von Sach- und Rechtsfragen und ein allgemeines Recht zum appeal auf Rechtsfragen zu den ordentlichen Gerichten als Grundsatz mit wenigen Ausnahmen; siehe oben, Fn. 950. 959 Einige wichtige tribunals waren davon ausgenommen; siehe die Liste im Anhang zum Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II) c.66. 960 Noch 1988 war von einem »hotchpotch« die Rede; siehe Woolf, CJQ 1988, 7, 44 (44 ff.); Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 42. 961 S.11 Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II.) c.66; dazu siehe schon oben, Fn. 565 und 564; siehe auch Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 330. 962 Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 331. 963 Der Gesetzgeber hatte es ja gerade unterlassen, etwa dem Council on Tribunals eine Definition zur Bestimmung des Umfangs seines Tätigkeitsbereiches in die Hand zu geben und zählte stattdessen die Spruchkörper einzeln auf; siehe sch.2 Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II.) c.66. 964 Im Übrigen wurden zwar nicht alle Vorschläge des Franks Committee durch den Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II.) c.66 umgesetzt, in einigen Bereichen schlugen sie sich jedoch später in der alltäglichen Praxis der tribunals nieder; Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 006.
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
quiries Act 1958 (6& 7 Eliz. II) c.58 wurde erweitert965 bzw. mehrfach neu erlassen, allerdings ohne dass sich darin Grundlegendes änderte.966 Seine letzte Fassung hatte er im Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53, der die vorangegangenen Gesetze konsolidierte, ohne wesentlich etwas an der Vielgestaltigkeit der tribunals zu ändern.967 d)
Die schrittweise Vereinheitlichung der sozialrechtlichen tribunals
Der Wille zur Systematisierung der Gesamtheit der tribunals fehlte dem Gesetzgeber somit bis zum TCEA 2007 c.15, was aber nicht heißt, dass es nicht immer wieder vereinzelte Konsolidierungsbemühungen gegeben hat: So fanden im späten 20. Jhd. bereits schrittweise Rationalisierungen und Zusammenlegungen von Einzeltribunals vor allem auf den praktisch enorm wichtigen Gebieten des Rechts statt, die die Sozialgesetzgebung des frühen 20. Jhds. hervorgebracht hatte.968 Die Arbeitsbelastung der tribunals in diesem Bereich war stets gewaltig,969 was Rationalisierungen zur Ressourceneinsparung einerseits besonders attraktiv, andererseits aber auch nicht einfach machte: Wie oben dargestellt, wurden mit ständigem Ausbau der sozialen Leistungen durch den Staat auch immer mehr spezielle, abermals auf einzelne Sachbereiche zugeschnittene Mechanismen zur Streitentscheidung und dafür zuständige Spruchkörper geschaffen,970 die dann später wieder mit anderen zusammengeführt wurden. Für Streitigkeiten bezüglich eines großen Teils der sozialrechtlichen Ansprüche (nämlich überwiegend sog. non-means tested benefits)971 965 Durch den Tribunals and Inquiries Act 1966 c.43 – hierdurch wurde allerdings im Wesentlichen nur die Aufsicht des Coucil on Tribunals auf bestimmte inquiries erweitert; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 330. 966 Zunächst wurden Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II.) c.66 und Tribunals and Inquiries Act 1966 c.43 durch den Tribunals and Inquiries Act 1971 c.62 ersetzt, durch den im Zusammenhang mit den tribunals jedoch nichts Wesentliches geändert wurde. 967 Siehe auch Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 122, die meinen, dass auch nach der Vereinheitlichung durch den Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53 eine »formale Klassifizierung [von tribunals] nahezu unmöglich« ist. 968 Siehe hierzu Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 177ff; zu der Entwicklung ab dem Ende des 20. Jhds. siehe Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 45 f. 969 Die Anzahl der zuletzt vom Appeals Service (zu diesem siehe sogleich) entschiedenen Fälle machte ein Drittel der Fälle aller tribunals zusammen aus. Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 45; Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Part II, para. 1. 970 Siehe oben, bei Fn. 873ff. 971 Dies umfasste Arbeitslosenunterstützung (»unemployment benefit«), Krankenhilfe (»sickness benefit«), Mutterschaftshilfe (»maternity benefit«), Pflegschaftsunterstützung (»guardians’ allowance«), Sterbegeld (»death grant«), bestimmte Kindergeldansprüche (»child’s special allowance«), Verletztenrente (»invalidity pension«) und Altersrente (»retirement pension«); siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 163 Fn. 4. All diese
Die Fundamente der modernen tribunals im 20. Jhd.
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wurden in Folge des National Insurance Act 1946 (9& 10 Geo.VI) c.67 National Insurance Local Tribunals972 (im Folgenden: NILTs) eingerichtet, die auf den vorherigen Strukturen der courts of referees aufbauten;973 sie waren lokal angesiedelt und gegen ihre Entscheidungen war noch immer die Anrufung eines nun als National Insurance Commissioner bezeichneten Juristen und seiner Stellvertreter möglich.974 Parallel hierzu bestanden zuvor für den Bereich der Arbeitsunfälle sog. National Insurance (Industrial Injuries) Tribunals,975 die allerdings mehr oder weniger identisch waren mit den NILTs,976 zu deren Unterstützung aber obendrein noch sog. Medical Boards und Medical Appeal Tribunals977 bestanden, welche gewissermaßen als »Zubringer« nur über rein medizinische Aspekte dieser Sachverhalte entschieden.978 1966 wurden dann diese beiden, ohnehin bereits fast identischen Zweige (also NILTs und ihre nur mit Arbeitsunfällen befassten Ableger) durch den National Insurance Act 1966 c.6 zusammengefasst.979
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975 976
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Sozialleistungen haben gemein, dass ihre Höhe unabhängig ist vom Grad der Bedürftigkeit des Antragsstellers, weshalb sie als »non-means tested benefits« bezeichnet werden; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/4; zur davon abzugrenzenden Gruppe der »means tested benefits« siehe unten, bei Fn. 982. Teilweise auch nur als »National Insurance Tribunals« bezeichnet; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 163 f. Sowohl hinsichtlich ihrer Besetzung als auch hinsichtlich der Mechanismen zum appeal; siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 179; Brown, Cambr. LR 1986, 17, 40 (43); zu den »courts of referees« siehe auch unten, bei Fn. 1617. Der Gesetzgeber gestaltete das Verfahren der Streitentscheidung im Anwendungsbereich des National Insurance Act 1946 (9& 10 Geo.VI) c.67 wie folgt aus: die Ausgangsentscheidung traf ein Insurance Officer, gegen dessen Entscheidung das NILT angerufen werden konnte. Dessen Entscheidungen wiederum waren durch den National Insurance Commissioner und seine Stellvertreter überprüfbar ; siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 179; Brown, Cambr. LR 1986, 17, 40 (43). Siehe National Insurance (Industrial Injuries) Act 1946 (9& 10 Geo.VI) c.62. Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 163 f.; Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 179. Auch gegen die Entscheidungen dieser arbeitsunfallrechtlichen tribunals war die Anrufung des National Insurance Commissioners möglich, der allerdings in diesen Fällen als Industrial Injuries Commissioner bezeichnet wurde; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/4. Mitglieder von Medical Boards waren ausschließlich Ärzte, wohingegen im Medical Appeal Tribunal der Vorsitzende Jurist war; 1959 wurde gegen deren Entscheidungen ein allgemeines Recht zum appeal zum Industrial Injuries (bzw. National Insurance) Commissioner geschaffen; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/4 f. Da diese Medical Tribunals keine Entscheidung über die rechtlichen Aspekte eines Anspruchs aus der Arbeitsunfallversicherung trafen, die Rechtsfragen aber den National Insurance (Industrial Accident) Tribunals vorbehalten waren, hatten sie eine reine »Zubringerfunktion«; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 164. Siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/5; Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 179. Durch den National Insurance Act 1966 c.6 fiel auch die Bezeichnung als »Stellvertreter« des National Insurance Commissioner weg, da sich zuvor die Bürger stets darüber beschwert hatten, dass ihre Fälle nur von einem »Stellvertreter«
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
Für eine andere Gruppe von sozialrechtlichen Ansprüchen bestand daneben noch ein weiteres, wieder ganz anderes System von tribunals: Diese waren zuständig für den Bereich der Arbeitslosenversicherung und anderer Fürsorgeleistungen, die seit 1934 das alte Armenrecht endgültig abgelöst hatten.980 Zu deren Vereinheitlichung entstanden für Streitentscheidungen ab 1948 zunächst sog. National Assistance Tribunals (im Folgenden: NATs).981 Diese waren nur für Auseinandersetzungen über die Gewährung von Ansprüchen zuständig, die vor allem vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen in der Person des Anspruchsstellers abhängig waren (sog. means tested benefits),982 weshalb sie sich fast ausschließlich mit Tatsachen- und nicht mit Rechtsfragen befassten.983 Das System der National Assistance wurde dann durch den National Insurance Act 1966 c.6 abgeschafft und die für diesen Bereich zuständigen NATs umbenannt in
980
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983
gehört wurden. Stattdessen wurde der vormalige National Insurance Commissioner sodann zum »Chief National Insurance Commissioner«; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/3. Während der Massenarbeitslosigkeit von 1934 wurden durch den Unemployment Assistant Act 1934 sog. »Unemployment Assistant Boards« für jeden Bezirk eingeführt, die über Ansprüche zur Gewährung von Hilfsleistungen entschieden; gegen deren Entscheidung war die Anrufung eines tribunal möglich, das jedoch nicht wirklich unabhängig war, da oft der Vorsitzende des entsprechenden »Unemployment Board« auch Mitglied dieses Spruchkörpers war. 1940 wurde die Zuständigkeit der »Unemployment Assistant Boards« auch auf weitere Sozialansprüche (Ansprüche für Alte und Witwen) erweitert, weshalb es danach nur noch als »Assistant Board« bekannt war. Die National Assistance Tribunals wurden durch den National Assistance Act 1948 (11& 12 Geo.VI.) c.29 geschaffen, der die Arrangements des alten Armenrechts endgültig ablöste, die Ausgangsentscheidungen einem National Assistance Board übertrug, das über einen weiten Ermessensspielraum verfügte und dessen Entscheidungen vom National Assistance Tribunal überprüft werden konnten; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/4. Diese bauten auf den tribunals auf, die seit 1934 die Entscheidungen der Unemployment Assistant Boards überprüft hatten (zu diesen siehe oben, Fn. 980); zum Ganzen auch Fullbrook, Administrative Justice and the Unemployed, 1978, Kapitel 8 – 10; Adler/ Bradley, Justice, Discretion and Poverty, 1975, Kapitel II und III; Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 179 Fn. 23. Für die Gewährung dieser Sozialansprüche bedarf es umfangreicher Feststellungen zum Vorliegen von Vermögenswerten beim Anspruchsteller. Beispiele für solche means tested benefits sind heute etwa »tax credits«; dazu siehe unten, bei Fn. 1152; zum Gegenteil der non-means tested benefits siehe schon oben, bei Fn. 971. Da es in diesen Verfahren ohnehin fast nur um Tatsachenfragen ging, war das tribunal ausschließlich mit Nichtjuristen besetzt und es gab kein Recht zur Anrufung einer höheren Instanz, sondern nur die Möglichkeit des JR; siehe zu diesen tribunals insgesamt Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 179 f. sowie Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 170 f. Entsprechend wurde dieses tribunal vom Franks Report auch als reines »assessment or case committee, taking a further look at the facts and in some cases arriving at a fresh decision on the extent of need« betrachtet; siehe Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, para. 182.
Die Fundamente der modernen tribunals im 20. Jhd.
217
Supplementary Benefit Appeal Tribunals (im Folgenden: SBATs), allerdings ohne dass dadurch ihre Strukturen verändert wurden.984 Die Leistungen der NATs bzw. SBATs wurden allerdings stets als unzureichend angesehen,985 weshalb dieser Zweig der sozialrechtlichen tribunals mehrfach reformiert wurde;986 so wurden die SBATs 1979 einem Senior Chairman unterstellt, der die Arbeit der tribunals beaufsichtigen und vor allem bei der Wahl ihrer Vorsitzenden helfen sollte.987 1980 wurde auch in diesem Zweig sozialrechtlicher tribunals ein appeal-Recht zu den National Insurance Commissioners geschaffen, die gleichzeitig in Social Security Commissioners umbenannt wurden.988 Damit liefen nun beide Stränge sozialrechtlicher tribunals zumindest in zweiter Instanz zusammen.989 Nach diesen Fortschritten hin zu einer Systematisierung des Sozialrechts folgte 1984 dann der nächste, konsequente Schritt, nämlich die vollständige Vereinigung der beiden Stränge von tribunals (NILTs und SBATs) zu den Social Security Appeal Tribunals (im Folgenden: SSATs) und deren Unterstellung unter das gemeinsame Dach eines Office of the President of Social Security Appeal Tribunals,990 dem später ein Independent Tribunal Service991 unterstellt wurde;992 innerhalb dessen wurde eine regionale Aufteilung der tribunals für das ganze UK
984 Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 170. Außer der Änderung ihres Namens blieben diese tribunals selbst weitgehend unangetastet; siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 180. 985 Die Zusammensetzung dieser tribunals ausschließlich aus Laien hatte zur Folge, dass sie für die Beantwortung der wenigen gestellten Rechtsfragen auf den Rat eines Sekretärs (»clerk«) angewiesen waren – der allerdings dem Ministerium angehörte, dessen Entscheidungen die SBATs zu überprüfen hatten. 986 Trotz der Schwächen, die sich bei den SBATs fanden, wurde 1970 vor der Durchführung irgendwelcher institutioneller Änderungen zunächst ihre Zuständigkeit auf weitere Ansprüche ausgedehnt; siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 180. 987 Die Schaffung dieses Postens und dessen Einfluss auf die Wahl der Vorsitzenden der tribunals zeigt Parallelen zur derzeitigen Funktion des Senior President of Tribunals und den einzelnen Chamber Presidents; zu diesen siehe unten, bei Fn. 1106. 988 Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 180. 989 Die Umbenennung der »National Insurance Commissioners« in »Social Security Commissioners« reflektierte deren erweiterte Rolle; siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 180; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/6. 990 Diese Änderungen geschahen durch den Health and Social Services and Social Security Adjudications Act 1983 c.41; siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S 180; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/6 f. 991 Siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 180 und 191. 992 Allerdings bedeutete das nicht, dass tatsächlich alle Streitfälle, die sich aus den unterschiedlichen Ansprüchen ergaben, auch tatsächlich ausschließlich innerhalb dieses neuen Rahmens entschieden wurden – es bestanden daneben stets noch Rechte des zuständigen Ministers, Streitfragen zu entscheiden, gegen die auch keine appeal-Rechte gewährt wurden; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 44(2), 4th ed. 1997, para. 357 ff.
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
entwickelt und jeder regionalen Einheit ein eigener Präsident vorangestellt.993 Zumindest was die Verwaltung der einzelnen tribunals anging, war damit ein einheitlicher Rahmen geschaffen. In diesen994 wurden sodann noch weitere tribunals integriert, wobei deren Schaffung nach wie vor mit der Regelung bestimmter neuer Materien einherging, wie es etwa 1992 mit den sog. Disability Appeal Tribunals geschah,995 oder 1991 mit dem Child Support Appeal Tribunal, in dem regelmäßig auch tripolare Rechtsverhältnisse entschieden werden mussten.996 Ab 1998 wurde dann der Independent Tribunals Service abgeschafft; seine Funktionen wurden aufgespalten in einen Appeals Service, in dem die Zuständigkeiten der einzelnen tribunals und ihre Mitglieder aufgingen997, die erneut einem einheitlichen Präsidenten unterstellt waren,998 sowie eine diesem zugewiesene rein administrative Serviceeinheit,999 die dem zuständigen Sozialministerium zugeordnet war.1000 Dieser Appeals Service war dabei erstmals mehr als nur ein administratives Dach für mehrere Einzeltribunals; er war eine eigene Art »super-tribunal«, das all die anderen Einzeltribunals mitsamt ihren Zuständigkeiten und ihrer Ausstattung »absorbiert« hatte1001 und in verschiedenen Zusammensetzungen – abhängig von der jeweiligen Sachmaterie – aus einem, zwei oder drei Mitgliedern aus dem Pool vorhandener Spezialisten der tribunals, die es abgelöst hatte,
993 Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Part. II, Appeals Service, para. 33. 994 Allerdings gab es auch hier teilweise Rückschläge – so wurde 1970 ein neuer sozialrechtlicher Anspruch (»attendance allowance for the disabled«) eingeführt, für den mit dem »Attendance Allowance Board« abermals ein eigener Mechanismus zur Entscheidung von Streitigkeiten etabliert wurde; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/6. 995 Siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 181; zur disability living allowance insgesamt siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 44(2), 4th ed. 1997, para. 102 sowie zum Disability Appeal Tribunal para. 378. Weitere tribunals, die dem Independent Tribunals Service sukzessive unterstellt wurden, waren etwa auch das Vaccine Damage Tribunal (das sich ausschließlich mit Fragen betreffend Impfschäden befasst; siehe dazu auch unten, bei Fn. 1219); siehe zum Ganzen Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 181; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Part. II, Appeals Service, para. 33. 996 Die Unterstellung dieses tribunal unter das Dach des Independent Tribunals Service geschah 1991 durch den Child Support Act 1991 c.48; siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 191; zum Bereich child support siehe auch unten, V.B.1.c), S. 249. 997 Alle Mitglieder wurden vom Lord Chancellor ernannt; siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 193. 998 Hierbei handelte es sich einer Konvention folgend um einen county court-Richter, der vom Lord Chancellor ernannt wurde; siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 192. 999 Entsprechend war das Sozialministerium das sponsoring department, was diesem in der Praxis offenbar einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Tätigkeit des Appeals Service gewährte; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Part II, Appeals Service, para. 9. 1000 Siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 181. 1001 Siehe s.4 Social Security Act 1998; Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 194.
Zusammenfassung und Zwischenfazit
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Spruchkörper bildete und erstinstanzlich entschied.1002 Gegen die Entscheidungen dieser Spruchkörper war nach wie vor der appeal zu den Social Security Commissioners möglich.1003 Die Zuständigkeit des so ausgestalteten Appeals Service wurde in der Zeit danach noch erweitert – seit 2001 ist der Appeals Service etwa auch für Streitigkeiten im Zusammenhang mit housing benefits1004 und council tax benefits1005 zuständig.1006 Diese letzten Schritte der Systematisierungsbemühungen des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Sozialrechts mit der Schaffung des Appeals Service von 1998 nimmt bereits einige Ideen vorweg, die später, in erheblich umfassenderem Maße im Rahmen der Reformen durch den TCEA 2007 c.15 Umsetzung finden sollten. Auch wenn der Appeals Service in der Praxis seines vergleichsweise kurzen Bestehens wohl eher auf administrativer Ebene Auswirkungen zeitigen konnte,1007 kann doch in der »Absorbtion« einer Vielzahl verstreuter Einzeltribunals, durch die er entstanden ist, bereits eine Vorwegnahme dessen erblickt werden, was nun durch den TCEA 2007 c.15 geschehen ist und geschieht.
D.
Zusammenfassung und Zwischenfazit – tribunals vor den Reformen des TCEA 2007 c.15
Trotz vereinzelter Systematisierungsbemühungen des Gesetzgebers sah sich ein Betrachter des englischen Verwaltungsrechtsschutzes Anfang des 21. Jhds. jener blühenden Landschaft von tribunals gegenüber, die bereits zu Beginn der Arbeit beschrieben wurde und auf deren einzelne Bestandteile sogleich noch im Zusammenhang mit den Reformen näher eingegangen wird. Die Gründe, die zur Schaffung immer neuer Gremien und damit zur Entstehung der unübersehbaren und völlig unsystematischen Vielzahl von tribunals über die Jahrhunderte geführt haben, haben sich dabei im Großen und Ganzen über die Zeit kaum verändert: Stets ging es darum, als Reaktion auf drängende Probleme der Zeit 1002 Siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 181 sowie insb. 193 f. zur Zusammensetzung der tribunals des Appeals Service. 1003 Siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 181. 1004 Dabei handelt es sich um Mietzuschüsse für Geringverdiener ; siehe Osborne, Welfare Benefits and Tax Credits, 11th ed. 2009, S. 11 und Kapitel 10. 1005 Dabei handelt es sich um Zuschüsse zur lokal erhobenen council tax; siehe Osborne, Welfare Benefits and Tax Credits, 11th ed. 2009, S. 10 und Kapitel 5; zur council tax siehe auch oben, Fn. 766 sowie unten, bei Fn. 1489. 1006 Die Übertragung dieser Zuständigkeit auf die tribunals war nötig, da die vom Gesetzgeber ursprünglich vorgesehenen Mechanismen zur Streitentscheidung offenbar nicht den Anforderungen der EMRK genügten; siehe hierzu Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 189 f. 1007 Siehe Wikeley, JSSL 1999, 6, 155 (155 ff.).
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
schnell durch die Schaffung umfassender Gesetzeswerke zu reagieren, zu deren Umsetzung effektive Verwaltungs- und zugleich Streitentscheidungsmechanismen notwendig waren. Effektivität und Praktikabilität dieser Mechanismen standen dabei stets im Vordergrund, sei es nun bei der Einziehung von Steuern, der Schaffung eines funktionierenden Eisenbahnnetzes oder bei der Bekämpfung der Armut – Überlegungen von gesicherter, institutioneller Unabhängigkeit dieser Mechanismen oder gar Gewaltenteilung spielten demgegenüber lange überhaupt keine Rolle. Keines der bereits vorhandenen staatlichen Organe wies dabei die zur Erreichung der jeweiligen gesetzgeberischen Ziele notwendigen Attribute auf, am aller wenigsten die ordentlichen Gerichte. Gerade die »non departmental public bodies« des 19. Jhds. machen dies deutlich: Diese Zeit mit ihrem rasanten Wachstum des englischen Verwaltungsstaates legte die Grundlage dafür, dass Anfang des 20. Jhds. bereits eine Fülle von Spruchkörpern bestand, die justizielle Aufgaben wahrnahmen, zugleich aber vom Idealbild eines Gerichts, das vor allem von den Höchstgerichten des common law geprägt war, nicht weiter entfernt hätten sein können. Als sich dann Anfang bis Mitte des 20. Jhds. aus der Notwendigkeit ihrer Spezialisierung und Professionalisierung heraus, die administrativen Funktionen des Staates immer stärker in eigenständigen Verwaltungsbehörden institutionalisierten, blieb die einst nur als Annex hierzu geschaffene, justizielle Funktion vieler Gremien ihrerseits isoliert bestehen und ließ so Spruchkörper entstehen, die noch nicht annähernd Gerichte, aber zugleich auch keine Verwaltungsbehörden mehr waren: Um deren damit entstandener Position zwischen allen Stühlen einen Namen zu geben, bürgerte sich dafür der Begriff »tribunal« ein. Das 20. Jhd. sah dann zunächst ein ungehemmtes Experimentieren mit verschiedensten Varianten solcher reinen Streitentscheidungsmechanismen, von denen sich eine – nämlich die der courts of referees – als besonders erfolgreich erwies und deshalb wohl das Idealbild vieler folgenden tribunals prägte: Es war das Bild paritätisch besetzter Spruchkörper, die über informelle, schnelle und kostengünstige Verfahren verfügten und über eine große Zahl ähnlicher Fälle, die in der Regel nur wenige oder zumindest meist sehr einfache Rechtsfragen aufwarfen, in kurzer Zeit entschieden. Dennoch zog das ungehemmte Wachstum solcher tribunals bald Kritik auf sich, weil ihre justizielle Funktion und ihre gleichzeitige institutionelle Anbindung an die Administrative als unvereinbar mit der rule of law angesehen wurden. Sah das als Reaktion auf diese Bedenken einberufene Donoughmore Committee noch keinen umfassenden Handlungsbedarf, forderte der 26 Jahre später veröffentlichte Franks Report schon in deutlichen Worten das weitere Wuchern von tribunals, das in der Zwischenzeit ständig vorangeschritten war, einzu-
Zusammenfassung und Zwischenfazit
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dämmen und den bereits vorhandenen Bestand allgemeinen Grundsätzen zu unterwerfen. Der Franks Report beschrieb die tribunals dabei treffend als »machinery provided by parliament«, was anerkannte, dass tribunals nicht Teil der Exekutive waren – die drängendste Forderung des Report war konsequenterweise auch, die Unabhängigkeit der tribunals von der Exekutive deutlicher hervorzuheben. Dem entsprach der Gesetzgeber grundsätzlich mit dem Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II.) c.66, blieb aber dennoch in vielerlei Hinsicht hinter den Forderungen des Franks Report zurück und verpasste damit eine Chance, den tribunals einen wirklich klaren Status zu geben und so etwas wie ein System von tribunals zu schaffen. Auch in der Folgezeit blieben Rationalisierungsbemühungen der gewachsenen Strukturen von tribunals im Wesentlichen auf das praktisch wichtigste Gebiet des Sozialrechts beschränkt und betrafen vielfach nur die administrativen Arrangements, hatten aber keine grundlegenden Auswirkungen auf Stellung oder Verfahren der tribunals. Angesichts der daraus resultierenden fast vollständigen Systemlosigkeit und Isoliertheit der tribunals sowie den Unsicherheiten über ihre verfassungsrechtliche Einordnung und vor allem ihrer Verquickungen mit der Exekutive nimmt es nicht wunder, dass insbesondere rechtsvergleichende Betrachtungen bisher eher eine negative Bilanz des Rechtsschutzes durch tribunals zogen, und jegliche Vergleichbarkeit mit einer Verwaltungsgerichtsbarkeit deutscher Prägung verneinten1008 oder zumindest eine weitgehende Unvergleichbarkeit prophezeiten – so stellt etwa 1983 (26 Jahre nach dem Franks Report und 17 Jahre vor Beginn des Leggatt Review) von Loeper zu den tribunals fest: »Wer die englischen Administrative Tribunals mit den deutschen Verwaltungsgerichten vergleicht, wird zu dem Ergebnis kommen, dass die Möglichkeit der Einflussnahme der Verwaltung auf die Verwaltungsrechtsprechung dort um einiges größer ist als hier […]. Die Unabhängigkeit und Neutralität der Administrative Tribunals steht, durch verschiedene Umstände bedingt, auf schwankendem Boden.«1009
Ferner konstatiert er, »daß viele Administrative Tribunals ziemlich abgekapselt vor sich hin »wursteln«, das heißt: ohne Sicherheit ausgearbeiteter Verfah1008 So Wiesner, Administrative Tribunals in Großbritannien, 1974, S. 144 f., der es für »außerordentlich zweifelhaft, ja unmöglich« hielt, dass tribunals den Weg für eine Verwaltungsgerichtsbarkeit ebnen könnten und daher prognostizierte: »Die Verwaltung sieht Tribunals zu sehr als ihre nützlichen Werkzeuge an, als daß sie sie aus ihrer Abhängigkeit entlassen und sie als echte Verwaltungsgerichte anerkennen würde.« Ähnlich negativ fiel auch das Fazit von Riedel, Kontrolle der Verwaltung, 1976, S. 134 aus, der die Rolle von tribunals darin sah, »allenfalls störende Unregelmäßigkeiten, die sich als unzweckmäßig erweisen, oder Einzelfälle, auf die es bei der allgemeinen Politik des Ministeriums nicht entscheidend ankommt, zu beseitigen« – wenngleich auch mit der Einschränkung, eine abschließende Aussage über den Rechtscharakter aller tribunals wegen ihrer »verwirrenden Vielfalt« nicht treffen zu können. 1009 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 617.
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Tribunals – Entstehung der tribunal landscape
rensordnungen, ohne ausreichende Führung durch höhere, gerichtliche Instanzen mit einer quantitativ und qualitativ ausreichenden Produktion von Präjudizien, ohne die Einweisung durch eine angemessene juristische Vorbildung und ohne Wegweisung durch wissenschaftliche Kommentierung und Diskussion.«1010 Es wird im Folgenden zu überprüfen sein, inwieweit diese, für ihre Zeit sicher vollkommen treffende Beschreibung der tribunals heute – nach den Reformen durch den TCEA 2007 c.15 – noch zutrifft.
1010 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 617.
IV. Die Reformen der tribunals durch den TCEA 2007
Die Reform der tribunals durch den TCEA 2007 c.15 sind Höhepunkt einer Entwicklung, die – wie zuvor im Falle des Tribunals and Inquiries Act 1957 (6& 7 Eliz.II.) c.66 – mit der Vorstellung der Ergebnisse der Untersuchung einer Expertengruppe unter dem Vorsitz eines Richters des CoA, Sir Andrew Leggatt (im Folgenden: Leggatt Review)1011 im Jahr 2001 begann.1012 Vorausgegangen war diesem Bericht eine umfassende Rationalisierung und Reform der Verfahren der ordentlichen Gerichte, in deren Nachgang der Wunsch aufkam, eine entsprechende, umfassende Begutachtung auch für tribunals durchzuführen.1013 1011 Sir Andrew Leggatt – »Tribunals for Users – One system One Service«. Heute ist der Leggatt Review abrufbar unter : http://webarchive.nationalarchives.gov.uk/+/http:/ www.tribu nals-review.org.uk/leggatthtm/leg-00.htm, besucht am: 28. 08. 2011. 1012 Siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 3 und 8 ff., Carnwath, PL 2009, 48 (48); Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.8.; Current Law – Statutes Annotated, Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007, 2008, s.15; zum Leggatt Review siehe auch Kelly/Slapper, English Legal System, 10th 2009 – 2010, para. 10.3.7; zur Umsetzung in das Gesetzesrecht siehe auch Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 123. 1013 Gillespie, English Legal System, 2nd ed. 2009, S. 493. Im Rahmen dieser umfassenden Reformen des Zivilverfahrens wurden die RSC durch die CPR ersetzt (siehe schon oben, Fn. 298). Auch den Reformen der gerichtlichen Verfahren gingen mehrere umfassende Berichte von Expertengruppen voraus, die wichtigsten davon entstanden unter Vorsitz von Lord Woolf (der zentrale Bericht ist Woolf, Access to Justice (Woolf Report), 1996, im Folgenden bezeichnet als »Woolf Report«), die gemeinsam unter dem Namen »Woolf Reforms« bekannt geworden sind; siehe Jacob, MLR 1998, 61(3), 390 (390). Die Zielsetzung insb. des Woolf Report umfasste, die als kostenintensiv, langwierig und kompliziert empfundenen gerichtlichen Verfahren schneller und effektiver zu machen, wofür insb. die Vereinfachung der Verfahrensregeln für notwendig gehalten wurde. Die von der Expertengruppe gemachten Empfehlungen wurden schrittweise umgesetzt: Durch den Civil Procedure Act 1997 c.17 wurde der Lord Chancellor ermächtigt, durch Rechtsverordnung die CPR zu schaffen, was er mit den Civil Procedure Rules 1998, SI1998/3132 getan hat. Einen weiteren, wichtigen Bestandteil der »Woolf Reforms« steuerte die Expertengruppe unter Geoffrey Bowman bei (Bowman, Review of the Court of Appeal, 1997), die damit beauftragt war, insb. die Verfahren der Zivilkammer des CoA auf Verbesserungspotential hin zu untersuchen. Deren Hauptempfehlung war insb. eine Anhebung der Hürden für die
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A.
Die Reformen der tribunals durch den TCEA 2007
Impulse durch den Leggatt Review und deren Rezeption im White Paper
Die Expertengruppe um Sir Andrew Leggatt hatte im Auftrag des Lord Chancellor eine umfassenden Begutachtung der Aufgaben, Kompetenzen und tatsächlichen Tätigkeiten von tribunals zu erarbeiten.1014 Diese Prüfung legte erstmals auch besonderes Augenmerk auf Fragen von Kosten- und Zeiteffizienz sowie Effektivität1015 und bezog sich auf nahezu alle Aspekte der Organisation und Tätigkeit von tribunals, insb. auf: – die Verfahren der tribunals und deren Fähigkeit, einheitliche Rechtsprechung und Rechtsfortbildung in einem bestimmten Rechtsgebiet in Zusammenarbeit mit den Höchstgerichten herbeizuführen;1016 – die Organisation und Administration der tribunals und deren Vereinbarkeit mit den Anforderungen der EMRK an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit1017 unter Berücksichtigung ihrer Effektivität und Effizienz einerseits sowie des sensiblen Spannungsverhältnisses von richterlicher Unabhängigkeit und der Bereitstellung von Ressourcen durch Fachministerien (sponsoring departments) andererseits;1018 – ihre öffentliche Wahrnehmung, also ihre Informationspolitik und Öffentlichkeitsarbeit und deren Wirkung beim Bürger sowie den Möglichkeiten der Herstellung einheitlicher Leistungsstandards für tribunals und deren Überwachung.1019
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Einlegung von Rechtsmitteln zum CoA, die im Wesentlichen in Part IV Access to Justice Act 1999 c.54 umgesetzt wurde; siehe hierzu auch unten, bei Fn. 2312. Die Prüfung bezog sich dabei auf alle tribunals (also auch auf nicht spezifisch verwaltungsrechtliche), die durch einen Minister aufgrund eines Gesetzes oder zur Wahrnehmung ministerieller Aufgaben geschaffen wurden, aber keine ordentlichen Gerichte darstellten; Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Vorwort, para.2; zu den Auswirkungen dieser wenig präzisen Definition siehe auch unten, Fn. 1022. Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.8. »[…] that there are fair, timely, proportionate and effective arrangements for handling those disputes, within an effective framework for decision-making which encourages the systematic development of the area of law concerned, and which forms a coherent structure, together with the superior courts, for the delivery of administrative justice[.]« Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Vorwort, para. 2. »The administrative and practical arrangements for supporting those decision-making procedures meet the requirements of the European Convention on Human Rights for independence and impartiality[.]« Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Vorwort, para. 2. »The arrangements for the funding and management of tribunals and other bodies by Government departments are efficient, effective and economical; and pay due regard both to judicial independence, and to ministerial responsibility for the administration of public funds[.]« Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Vorwort, para. 2. »There are adequate arrangements for improving people’s knowledge and understanding of their rights and responsibilities in relation to such disputes, and that tribunals and other
Impulse durch den Leggatt Review und deren Rezeption im White Paper
225
Nach Auswertung eines umfassenden Konsultationsverfahrens1020 sowie Analyse der Verfahren von tribunals in England und anderen Ländern1021 zeichnete die Expertengruppe von den untersuchten tribunals das Bild einer inkohärenten und ineffizienten Ansammlung von Einzelspruchkörpern1022 und identifizierte als Konsequenz der uneinheitlichen Entwicklung der tribunals in den 44 Jahren seit der letzten Untersuchung des Franks Report insb. folgende Probleme: – Die Methoden und Verfahren einzelner tribunals seien nicht mehr zeitgemäß, und für Aus- und Fortbildung sowie den Einsatz moderner Informationstechnologie würden keine hinreichenden Ressourcen bereitgestellt;1023 – aufgrund ihrer Vielzahl und der jeweils völlig unterschiedlichen für sie bestehenden organisatorischen Arrangements wäre die Realisierung von Synergieeffekten bei der Verwaltung ihrer Tätigkeit nicht möglich;1024 – am wichtigsten sei jedoch, dass die tribunals nicht vollständig unabhängig seien von den sponsoring departments, den Fachministerien, mit deren Entscheidungen sie sich inhaltlich auseinandersetzen, da sie aus den Mitteln dieser Ministerien finanziert würden.1025 Ausgehend von dieser Feststellung gab die Expertengruppe vor allem zwei Empfehlungen: Die Kappung aller Verbindungen der bisherigen tribunals zu
1020 1021 1022 1023 1024 1025
bodies function in a way which makes those rights and responsibilities a reality[.]« Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Vorwort, para. 2. Die Gruppe wertete fast 300 Beiträge von befragten Personen, Interessengruppen, Ministerien und tribunals aus; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 5 und Annex A. Neben der Besichtigung verschiedener Tribunalsverfahren in England besuchten Teile der Expertengruppe unter anderem das Australian Administrative Review Tribunal; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Vorwort, para. 5 und para. 9. Als »tribunals« i. S. d. ihres Untersuchungsauftrages analysierte die Expertengruppe letztlich nur 70 verschiedene Spruchkörper genauer; siehe schon oben, Fn. 56. Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 1. »Because they are many and disparate, there is a considerable waste of resources in managing them, and they achieve no economies of scale.« Leggatt, Tribunals for Users, 2001, An Overview, para. 1. Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 1. Und weiter heißt es : »There is no question of the Government improperly attempting to influence individual decisions. In that sense, tribunal decisions seem to us clearly impartial. But it cannot be said with confidence that they are demonstrably independent. Indeed the evidence is to the contrary. For most tribunals, departments provide administrative support, pay the salaries of members, pay their expenses, provide accommodation, provide IT support (which is often in the form of access to departmental systems), are responsible for some appointments, and promote the legislation which prescribes procedures to be followed. At best, such arrangements result in tribunals and their departments being, or appearing to be, common enterprises. At worst, they make the members of a tribunal feel that they have become identified with its sponsoring department, and they foster a culture in which the members feel that their prospects of more interesting work, of progression in the tribunal, and of appointments elsewhere depend on the departments against which the cases that they hear are brought.« Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 2.20.
226
Die Reformen der tribunals durch den TCEA 2007
den sponsoring departments1026 und stattdessen die Schaffung einer einheitlichen und unabhängigen Dachorganisation für die Verwaltung von tribunals – eines Tribunals Service1027 – im Verantwortungsbereich des Lord Chancellor,1028 dem seinerseits die Letztverantwortung für die Ernennung sämtlicher Tribunalsmitglieder und die Bereitstellung aller notwendigen Ressourcen übertragen wird;1029 und zum anderen die Schaffung einer zusammengefassten tribunalStruktur mit zwei Ebenen,1030 jeweils weiter untergliedert in unterschiedliche Sachbereiche1031 und verbunden als einheitlicher Instanzenzug mit einheitlichen Möglichkeiten zur Überprüfung von Rechtsfragen,1032 repräsentiert durch ein ranghohes Mitglied der Richterschaft als Senior President.1033 Die Regierung griff die in dem Leggatt Review geäußerte Kritik und die Vorschläge auf und stellte im Juli 2004 ein White Paper1034 vor. Darin ging sie vornehmlich, aber nicht ausschließlich auf den Leggatt Review und die darin behandelten Probleme im Zusammenhang mit den tribunals ein;1035 sie stellte diese in den Kontext eines umfassenden Konzepts zur Reform von administrative justice, welches neben tribunals auch die Verbesserung aller anderen möglichen Mechanismen umfassten sollte, mittels derer der Bürger Streitigkeiten mit dem Staat1036 lösen könne. Dieses Konzept umfasste damit etwa auch behördeninterne und -externe Beschwerde- und Prüfungsverfahren und Ombudsleute,1037 alternative Streitbeilegungsmechanismen1038 und klassische Ge1026 1027 1028 1029 1030 1031 1032 1033 1034 1035 1036 1037
1038
Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Part III, para. 1 und para. 2.23. Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Part III, para. 62 und para. 5.3. Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Part III, para. 3 und para. 2.31. Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Part III, para. 4 und para. 2.32. Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Part III, para. 95 und para. 6.10. Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Part III, para. 89 und para. 6.3. Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Part III, para. 98 und para. 6.12. Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Part III, para. 108 und para. 6.37; siehe zum Ganzen auch Carnwath, PL 2009, 48 (49); Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.8.; Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 9. Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, S. 1 ff. Siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004 siehe Vorwort, S. 1 und para. 1.12 sowie 5.1 ff. (S. 20 ff.). Das White Paper setzte sich darüber hinaus auch mit arbeitsrechtlichen Streitigkeiten auseinander ; siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 1.9. und para. 8.1 ff. Hier war vor allem der »Parliamentary Ombudsman« gemeint, dessen Zuständigkeit auf »maladministration« beschränkt ist und der umfassende Untersuchungsrechte besitzt; siehe hierzu Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 3.19 und 4.1ff (S. 16) sowie insgesamt Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007 S. 168 ff. und Koffler, Vereinigtes Königreich, in: Kucsko-Stadlmayer (Hrsg.), Europäische Ombudsman-Institutionen 2008, S. 449 (449 ff.). Als solche – ohne nähere Abgrenzung von anderen Mechanismen – nennt das White Paper
Impulse durch den Leggatt Review und deren Rezeption im White Paper
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richtsverfahren.1039 Nach Vorstellung der Regierung sollten sich all diese verschiedenen Mechanismen im Rahmen einer Strategie1040 in ein Gesamtbild von administrative justice einfügen, in welchem das Konzept der proportionate dispute resolution verwirklicht wird: Entsprechend diesem Konzept sollte jeder Mechanismus zur Auflösung eines Streits und der mit diesem einhergehende Kosten- und Zeitaufwand sowie die daraus folgende Abhilfe stets dem Streit selbst angemessen sein – manchmal erledige sich ein Problem bereits durch eine Entschuldigung, in anderen Fällen hingegen sei ein durch mehrere Instanzen gehender Rechtsstreit zur Lösung einer Streitigkeit notwendig.1041 Darüber hinaus sollten in dieses Gesamtkonzept neben Mechanismen zur Beseitigung bereits entstandener Streitigkeiten zwischen Staat und Bürger auch die Verbesserung der Ausgangsentscheidungen, die überhaupt erst eine Beschwer für den Bürger mit sich bringen, einbezogen sein.1042 Somit sollte bereits das Ergehen rechtlicher oder sachlich falscher Entscheidungen verhindert werden (»right first time«);1043 notwendig dafür seien Mechanismen, die ein Feedback der Überprüfungsinstanzen zurück zu den Ausgangsinstanzen ermöglichen und so für die Zukunft helfen könnten, deren Entscheidungspraxis zu verbessern. Gerade in dem zu schaffenden System von tribunals wurde hierfür ein potentiell besonders geeignetes Vehikel gesehen,1044 schließlich verfügten bereits einige
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1042 1043 1044
»adjudication« (Streitentscheidung durch parteibestimmten Dritten durch ein nicht rechtsgebundenes Verfahren), »arbitration« (wie »adjudication«, bloß nach rechtsgebundenen Verfahren und Möglichkeit einer gerichtlichen Prüfung hinsichtlich Rechtsfragen), »conciliation« (eine Art streitschlichtende Beratung), »early neutral evaluation« (dazu siehe unten, bei Fn. 2031), »mediation« (Mediation im technischen Sinne), »negotiation« (Vergleichsschluss zwischen den Parteien ohne Einschaltung eines Dritten); siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 2.11. Siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 3.20 ff. Die Regierung setzte sich für die Verwirklichung ihrer Ziele einen zeitlichen Rahmen von 5 Jahren; siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 1.13. Siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 2.1 ff.: »Proportionate dispute resolution« umfasst nach dem Konzept der Regierung »tailored solutions to resolve [a] dispute as quicky and costeffectively as possible.«; siehe zum Konzept der »proportionate dispute resolution« insgesamt auch Adler, MLR 2006, 69(6), 958 (958 ff.). Siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 1.4 und 3.9. Siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 3.9. »We see the new organisation [of tribunals] as having a key role in stimulating improvements in decision-making. The gains from such improvements are obvious. »Right First Time« means a better result for the individual, less work for appeal mechanisms and lower cost for departments.« Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 6.32.
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Die Reformen der tribunals durch den TCEA 2007
tribunals über derartige Feedback-Mechanismen, die als Vorbild dienen und ausgebaut werden könnten.1045 Der ganzheitliche Ansatz der Regierung hinsichtlich der administrative justice, der zudem auch eine seit den 1990er Jahren begonnene Hinwendung zum Bürger und die Dienstleistungsmentalität1046 des englischen Verwaltungsrechts deutlich machte,1047 fand auch Ausdruck darin, dass schon im Rahmen des White Paper die Ablösung des alten Council on Tribunals durch ein neues Organ vorgeschlagen wurde, welches gegenüber seinem Vorgänger als Administrative Justice Council über einen erheblich erweiterten Aufgabenbereich verfügen 1045 So bestand etwa für den Präsidenten des damaligen Appeals Service – der alten sozialrechtlichen tribunals – eine Pflicht zur Veröffentlichung von Berichten, die auch Fallbeispiele entschiedener Sachverhalte dieser tribunals enthalten sollten und deren Analyse der Ausgangsbehörde – dem Department for Work and Pensions – die Verbesserung ihrer eigenen Entscheidungspraxis- und abläufe ermöglichen sollte; siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 6.32. 1046 Unter der Regierung John Major war 1991 die »Citizen’s Charter« eingeführt worden, ein auf 10 Jahre angelegtes Programm, um öffentliche Dienstleistungen mehr auf die Bedürfnisse der Bürger bzw. der »user« zuzuschneiden. Dies geschah nicht durch einen Rechtsakt, sondern durch ein White Paper der Regierung (The Stationary Office, The Citizen’s Charter (Cm.1599), 1991). Darin erfasst waren alle Arten staatlicher Organisationen, d. h. Kommunalbehörden, zentralstaatliche Ministerien, Behörden, Agenturen und Einrichtungen und die Justiz. Sie regelte bestimmte Grundanforderungen guter Verwaltung, wie etwa, dass die Verwaltungseinheiten selbst Standards setzen und deren Einhaltung überwachen, dass sie stets gehaltvolle und aktuelle Informationen über ihre Tätigkeit für den Bürger bieten können, dass Interessengruppen bei Entscheidungen so weit wie möglich konsultiert werden, dass sich die Mitarbeiter gegenüber dem Bürger höflich verhalten und sie stets individuell identifizierbar sind, dass bei Fehlentscheidungen oder Fehlverhalten möglichst schnelle und unkomplizierte Abhilfe möglich ist und dass die Verwaltungstätigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten effizient ist. Diese in der Charter niedergelegten Zielvorgaben hatten jedoch keine Gesetzeskraft oder sonst irgendeine autoritative Wirkung; siehe zum Ganzen Page, The Citizens Charter and Administrative Justice, in: Harris/Partington (Hrsg.), Administrative Justice in the 21st century 1999, S. 85 (86 ff.). Ungeachtet der fehlenden Bindungswirkung der Citizen’s Charter hat sie die Verwaltungsrechtskultur Englands dadurch geprägt, dass der Bürger nunmehr in vielen Bereichen als »Kunde« begriffen wird; siehe zum Ganzen auch Kleve/ Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 105 sowie 173. 1047 Siehe nur Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, paras 1.12 und 5.1 ff. sowie inbs. 10.1 ff. Dabei wird deutlich, dass die Ansprüche, die der Einzelne an den »Service« des Staates und seiner Institutionen stellen kann, nicht aufgrund subjektiven Rechts bestehen, es handelt sich vielmehr um »legitimate requirements, on the part of an individual. However, they are not absolute rights.« Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 10.3. Der umfassende Betrachtungswinkel von administrative justice, der dem White Paper zugrunde liegt, ergibt sich gerade aus der Perspektive des Bürgers, der insoweit stets als »user« begriffen wird und dem der Staat gewissermaßen als Dienstleister gegenübertritt; siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 1.6 f.
Umsetzung durch den TCEA 2007 c.15
229
sollte.1048 Entsprechend dem Gesamtkonzept von administrative justice sollte dieses Organ nicht nur die tatsächliche Funktion von tribunals überwachen, sondern alle Mechanismen, die administrative justice ausmachten.1049 Das Gremium sollte dabei Vorschläge zur praktischen Umsetzung und Verbesserung des Gesamtkonzepts von administrative justice erarbeiten, Probleme aufzeigen und bei der Planung etwa von gesetzgeberischen Maßnahmen mit Einfluss auf den Bereich administrative justice eingebunden werden.1050 All diese Vorschläge wurden dabei im Wesentlichen Bestandteil des TCEA 2007 c.15.
B.
Umsetzung durch den TCEA 2007 c.15
Bevor mit der Umgestaltung der tribunals selbst begonnen werden konnte, ging als vorbereitender Schritt die Schaffung des Tribunals Service1051 als executive agency im politischen Verantwortungsbereich des Lord Chancellor, angegliedert an das Department for Constitutional Affairs – mittlerweile umbenannt in Ministry of Justice – voraus, dem sodann die Verwaltung einiger tribunals von deren bisherigen sponsoring departments übertragen wurde.1052 Diese Maßnahmen konnten schon vor Erlass des TCEA 2007 c.15 umgesetzt werden, da für 1048 Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 11.1 ff. Einige dieser Ideen klingen bereits im Leggatt Review an, der vorgeschlagen hatte, die Aufsichts- und Einflussmöglichkeiten des Council on Tribunals insgesamt auszubauen; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 21, 168 und 7.49. 1049 Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 11.11 f. 1050 Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 11.12 beschreibt das zu schaffende Organ als »advisory body for the whole administrative justice sector«, der sicherzustellen hat, dass »the relationships between the courts, tribunals, ombusmen and other ADR routes satisfactorily reflect the needs of users.«; para. 11.13 nennt sodann die möglichen Aufgaben des zu schaffenden Council. 1051 Am 03. 04. 2006 wurde der Tribunals Service geschaffen, vgl. Gillespie, English Legal System, 2nd ed. 2009, S. 494 bzw. noch ausführlicher hierzu die Vorauflage, Gillespie, English Legal System, 1st 2007, S. 451. Das Department for Constitutional Affairs, das selbst erst kurz zuvor aus dem Lord Chancellor’s Department hervorgegangen war, wurde kurz darauf in »Ministry of Justice« umbenannt. 1052 Unter dem Dach des Tribunals Service wurden damit zunächst folgende tribunals vereinigt: Employment Tribunal Service, Appeals Service (Social Security and Child Support Appeals), Criminal Injuries Compensation Appeals Panel, Mental Health Review Tribunal for England und Special Educational Needs and Disability Tribunal; siehe Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07), 2007, para. 69. Dieser Transfer geschah dabei teilweise durch Vereinbarungen mit dem jeweiligen sponsoring department, dem das tribunal zuvor zugeordnet war ; siehe Carnwath, PL 2009, 48 (50). Eine Veränderung der Verfahren oder der Besetzung dieser tribunals ging mit diesem Transfer nicht einher.
230
Die Reformen der tribunals durch den TCEA 2007
diese bloße Umstrukturierung kein Parlamentsgesetz nötig war.1053 Außerdem wurde bereits ein vorläufiger Senior President of Tribunals bestimmt.1054 Am 19. Juli 2007 wurde dann das Gesetzgebungsverfahren für den TCEA 2007 c.15 abgeschlossen.1055 Im ersten Teil des TCEA 2007 c.15 finden sich die Regelungen zur Vereinheitlichung der tribunals und zum Posten des Senior President; außerdem wird hier die Schaffung des Administrative Justice and Tribunals Council (im Folgenden: AJTC) vorgeschrieben sowie die Abschaffung von dessen Vorgänger, des Council on Tribunals.1056 Der Gesetzgeber setzte mit dem AJTC die Vorstellungen des Regierung von einem Administrative Justice Council aus dem White Paper um und gestaltete dieses Gremium als Organ mit entsprechend erweitertem Auftrag aus:1057 Dem AJTC obliegt mithin die Aufgabe, das gesamte administrative justice system zu überwachen, wobei der Begriff des administrative justice system hierfür legal definiert wird.1058 Insb. übernimmt der AJTC die Aufgabe des alten Council on Tribunals hinsichtlich der Beaufsichtigung von tribunals – allerdings wieder nur solcher, die abschließend in einer Verordnung aufgezählt sind.1059 Im Teil 2 trifft der TCEA 2007c.15 allgemeine (d. h. insb. nicht nur auf tribunals bezogene) Regelungen zur Ernennung von Richtern und regelt eine ge1053 Obwohl bereits in der Sitzungsperiode 2004/2005 ein Gesetzentwurf (»Courts and Tribunals Bill«) geschaffen wurde, der sich sehr nah an die Empfehlungen des Leggatt Review hielt, ließ der Zeitplan des Parlaments dessen Beratung und Beschluss nicht zu; siehe Gillespie, English Legal System, 1st 2007, S. 451; Carnwath, PL 2009, 48 (50). 1054 Dessen Aufgabe waren Repräsentation sowie »providing strategic leadership to the tribunals judiciary, and to co-ordinate and direct judicial contributions to the development of the Tribunals Service«; siehe Gillespie, English Legal System, 1st 2007, S. 452. Als solcher wurde der auch jetzt noch als Senior President amtierende Carnwath LJ ernannt; siehe Carnwath, PL 2009, 48 (49). 1055 Der TCEA 2007 c.15 wurde an diesem Datum durch die Queen unterzeichnet, erhielt also den »royal assent«. 1056 Siehe s.44 und 45 TCEA 2007 c.15. 1057 Siehe s.44(2) i. V. m. sch.7 TCEA 2007 c.15. Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 27. 1058 Sch.7 para.13(4) TCEA 2007 c.15: »administrative justice system« in diesem Zusammenhang meint »the overall system by which decisions of an administrative or executive nature are made in relation to particular persons, including (a) the procedures for making such decisions (Ausgangsentscheidungen) (b) the law under which such decisions are made, and (c) the system for resolving disputes and airing grievances in relation to such decisions.«. 1059 Dies ist die Administrative Justice and Tribunals Council (Listed Tribunals) Order 2007, SI2007/2951 für England, die – gestützt auf sch.7 para.25(2) TCEA 2007 c.15 – vom Lord Chancellor für die in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden tribunals (also zentralstaatliche, englische und nordirische tribunals) erlassen wurde. Entsprechende Rechtsverordnungen bestehen außerdem für Schottland und Wales. Dabei werden aber wieder bestimmte tribunals dort nicht genannt, insb. die unten, unter ,V.D.1. S. 311 dargestellten tribunals, deren Tätigkeit Fragen der nationalen Sicherheit betrifft.
Das Grundgerüst des TCEA 2007 c.15 im Überblick
231
nerelle judicial-appointment eligibility condition.1060 Insoweit knüpft der TCEA 2007 c.15 an die Vervollständigung früherer Reformen durch den Constitutional Reform Act 2005 c.4 an.1061 Die Teile 3 bis 8 reformieren weite Teile des (zivilrechtlichen) Zwangsvollstreckungsrechts und sind hier nicht weiter von Interesse.1062 Gestützt auf das nun neu erlassene Gesetz bestätigte die Regierung schon im November 2007 auch offiziell den bis dahin nur vorläufig ernannten Senior President of Tribunals in diesem Amt.1063 Gleichzeitig wurde der AJTC praktisch als Nachfolger des Council on Tribunals etabliert,1064 so dass dieser gleich an den weiteren Phasen der Implementierung des TCEA 2007 c.15 beteiligt werden konnte. Außerdem veröffentlichte die Regierung erste Vorschläge zur Implementierung des TCEA 2007 c.15,1065 und nach umfangreicher Konsultation wurde im Mai 2008 mit leichten Detailveränderungen mit der tatsächlichen Umgestaltung der tribunals begonnen.1066 Am 03. 11. 2008 (»T-Day«) wurde das neue Gebilde von tribunals, das vom TCEA 2007 c.15 vorgesehen war, erstmals mit Leben gefüllt.
C.
Das Grundgerüst des TCEA 2007 c.15 im Überblick
Durch die Umsetzung des TCEA 2007 c.15 ist nun erstmals ein einheitliches institutionelles Dach für verschiedenste tribunals geschaffen worden, die vertikal in einen Instanzenzug aus dem First-tier Tribunal (im Folgenden: FtT) und dem Upper Tribunal (im Folgenden: UT)1067 eingegliedert und so zugleich in den einheitlichen administrativen Rahmen des Tribunals Service integriert wurden. Seit April 2011 wurde das administrative Dach der tribunals, der Tribunals Service, mit dem administrativen Überbau der ordentlichen Gerichte, nämlich
1060 Siehe zu dieser allgemeinen Befähigung zum Richteramt im Einzelnen unten, VI.A.1.a)(1), S. 325. 1061 Siehe Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07), 2007, para. 62 f. 1062 Diese Vorschriften hätten genausogut in ein eigenständiges Gesetz einfließen können; siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 124 Fn. 478. 1063 Siehe Carnwath, PL 2009, 48 (50). 1064 Dies geschah am 20. 10. 2007; siehe Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07), 2007, para. 120 f. siehe insgesamt zum AJTC siehe auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 782. 1065 Siehe Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07), 2007, para. 62 f. 1066 Siehe Carnwath, PL 2009, 48 (50). 1067 Siehe s.3(1) und (2) TCEA 2007 c.15.
232
Die Reformen der tribunals durch den TCEA 2007
Her Majesty’s Courts Service (HMCS), verschmolzen zum neuen Her Majesty’s Courts and Tribunals Service (HMCTS).1068 Die Vorschriften für den Ablauf der Integration der bis dahin eigenständigen tribunals unter dieses so aufgebaute gemeinsame Dach finden sich in ss.30ff TCEA 2007 c.15 und stellen ein kompliziertes Regelwerk dar.1069 Sie treffen Regelungen bzw. beinhalten Ermächtigungsgrundlagen zur Regelung des Übergangs von Aufgaben, Personal, Verfahrensregeln sowie allem, was damit konsequenterweise zusammenhängt.1070 Mit der Schaffung von FtT und des UT in vertikaler Sicht erfüllte der Gesetzgeber eine Kernforderung des Leggatt Review, einen einheitlichen Instanzenzug für tribunals zu schaffen.1071 Das UT ist gerade gedacht als Revisioninstanz, zuständig vor allem für die Überprüfung von Entscheidungen des FtT – wenn auch nicht ausschließlich.1072 In der Horizontalen können sowohl das FtT als auch das UT durch den Lord Chancellor in Übereinstimmung mit dem Senior President durch Verordnung in verschiedene Kammern eingeteilt1073 und die Aufgaben von FtT und UT jeweils auf diese Kammern verteilt werden.1074 Der Zuschnitt dieser Kammern ist vom Gesetz nicht vorgegeben, so dass dieser flexibel den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden kann.1075 Angestrebter Zweck der Einteilung in Kammern ist,
1068 Alle Bezugnahmen in dieser Arbeit auf den »Tribunals Service« gelten dabei – sofern nicht ausdrücklich anders vermerkt – unverändert auch für den HMCTS. 1069 Dies verdeutlicht die Komplexität und den Variantenreichtum der bisherigen »tribunal landscape« des Vereinigten Königreichs sowie die Auswirkungen der devolution auf diese; siehe etwa die »devolutionsbedingten« Sonderregelungen in ss.30(5),(7) und (8), 32, 33, 34, 35(4), 36(2) und 37(2)(c) i. V. m. (3) TCEA 2007 c.15. 1070 Wie etwa die Abschaffung der dann integrierten tribunals (s.31(1) TCEA 2007 c.15), die – womöglich modifizierte – Weitergeltung bisheriger Verfahrensregelungen (s.31(7) und (8) TCEA 2007 c.15) sowie alle anderen sich ergebenden Fragen (siehe die weite Formulierung von s.31(9) TCEA 2007 c.15) wie etwa Übergangsregelungen für alle bis zur Transformation anhängigen Verfahren o. ä.; siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 170 ff. 1071 Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 11. 1072 Siehe zu den erstinstanzlichen Zuständigkeiten des UT unten, V.C.1.a), S. 287. 1073 S.7(1) TCEA 2007 c.15. 1074 S.7(9) TCEA 2007 c.15. 1075 Durch das Gesetz festgelegt ist lediglich, welche der bereits bestehenden tribunals in diese neue Struktur integriert werden können (siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 12), wobei diese Liste (siehe ss.30 ff. i. V. m. sch.6 TCEA 2007 c.15) allerdings durch Verordnung des Lord Chancellor verändert werden kann (siehe s.37 TCEA 2007 c.15). Diese Kompetenz des Lord Chancellor ist wohl nur bezogen auf solche tribunals, die der Gesetzgeber selbst im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses nicht gesehen hat, die also bereits bei Erlass des Gesetzes bestanden. Ausdrücklich nicht erfasst sind hingegen solche tribunals, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erst durch andere Parlamente geschaffen werden; siehe s.37(2)(b) TCEA 2007 c.15. Damit bleibt der Grundsatz »parliament cannot bind its successors« (dazu schon oben, bei Fn. 487) gewahrt, da später außerhalb der
Das Idealbild der tribunals nach dem TCEA 2007 c.15
233
das jeweils in den bisherigen Einzeltribunals vorhandene Expertenwissen auch im vereinheitlichten FtT bzw. UT beizubehalten – die Kammerstruktur dient damit gewissermaßen als horizontale Begrenzung zwischen einzelnen Sachbereichen, die grds. verhindern soll, dass durch die Zusammenführung der Einzeltribunals deren jeweilige Vorzüge hinsichtlich des besonderen Wissens ihrer Spruchkörper und ihrer besonderen Verfahren verwässert werden.1076 Entsprechend hängt die Zuweisung von Rechtsprechungszuständigkeiten an diese Kammern vor allem von der inhaltlichen Ähnlichkeit des materiellen Rechts ab, mit denen sich die zu integrierenden Einzeltribunals bisher befassten, was die Gestaltungsmöglichkeiten des Lord Chancellors einengt.1077 Andererseits sind die Begrenzungen durch die Kammern weder undurchlässig1078 noch starr, sondern sollen möglichst flexibel den tatsächlichen Notwendigkeiten angepasst werden können, etwa als Reaktion auf sich verändernde Arbeitsbelastungen in verschiedenen Sachbereichen.1079
D.
Das Idealbild der tribunals nach dem TCEA 2007 c.15 und die Rolle des Senior President
Die Vereinheitlichung der tribunals durch den TCEA 2007 c.15 wird durch die Schaffung des Postens des Senior President of Tribunals nach außen verkörpert.1080 Dieser soll gewissermaßen der institutionalisierte Garant dafür sein, dass die FtT und UT über jene Charakteristika verfügen, die dem Idealbild der tribunals nach dem TCEA 2007 c.15 entsprechen.1081 Diese idealtypischen Charakteristika könnten dabei gleichsam als gesetzliche Anerkennung der Charakteristika der bisherigen tribunals und zugleich als Abgrenzungsmerk-
1076 1077
1078 1079 1080 1081
Struktur des TCEA 2007 c.15 geschaffene tribunals allenfalls durch das Parlament selbst in die neue Struktur integriert werden können. Siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 75 ff. Zumal dem an diesem vertikalen Zuweisungsprozess auf die Kammern zu beteiligenden Senior President die ausdrückliche Pflicht obliegt sicherzustellen, dass die Mitglieder der tribunal-Spruchkörper Experten für die jeweils von ihnen zu entscheidende Sachbereiche sind; siehe s.2(3)(c) TCEA 2007 c.15; siehe zur Zusammensetzung der Tribunalsspruchkörper auch unten, VI.C.2., S. 352. Siehe zu den Möglichkeiten des »Diffundierens« von Personal durch die einzelnen Kammergrenzen hindurch unten, VI.C.1., S. 351. Siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 76: »The chambers system is intended to be flexible so that changes can be made easily to those boundaries as the workload of the tribunals changes.« Siehe s.2 TCEA 2007 c.15. Dabei ist zu bemerken, dass der Senior President durch den TCEA nicht nur als Führungsperson für FtT und UT fungiert, sondern auch für die arbeitsrechtlichen tribunals sowie – bis zu deren Integration in FtTund UT – für die asylrechtlichen tribunals; siehe s.2 (4) TCEA 2007 c.15.
234
Die Reformen der tribunals durch den TCEA 2007
male gerade zu den ordentlichen Gerichten angesehen werden: Denn selbst wenn diese Merkmale auch in Zukunft wohl nicht zu einer Beschreibung taugen, die eine wirklich trennscharfe Definition von tribunals ermöglichen würde – und auch gar nicht als solche gedacht sind – heben sie doch nach Vorstellung des Gesetzgebers die Unterschiede zwischen tribunals und ordentlichen Gerichten klar hervor.1082 Zugleich verdeutlichen sie auch die gesetzliche Umsetzung einer Hinwendung zum user1083 der tribunals und sind damit ein Ausdruck jener Servicementalität, die bereits im White Paper zum Ausdruck kam.1084 Aufgabe des Senior President ist es, durch seine Tätigkeit diese Idealvorstellungen zu verwirklichen bzw. im Falle ihres Konfligierens zu einem Ausgleich zu bringen;1085 entsprechend hat er dafür zu sorgen, – dass tribunals zugänglich sind (accessible), im Sinne niedriger Hürden für die Einleitung von Tribunalsverfahren.1086 Dass Tribunalsverfahren gerade ohne größeren Kosten- und Zeitaufwand betrieben werden können ist schließlich seit langem anerkannt.1087 Dies bedeutet praktisch vor allem, dass das Tribunalsverfahren dem klagenden Bürger ermöglichen soll, auch ohne Rückgriff auf anwaltliche Hilfe sein Begehren zu verfolgen,1088 was sich wiederum in entsprechend verständlichen und flexiblen Verfahrensregeln niederschlagen soll;1089
1082 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.21 f. 1083 Den Begriff »users« verwendet zwar nicht das Gesetz selbst, aber er taucht mehrfach in den Explanatory Notes auf; siehe etwa Explanatory Notes 2007 c.15, para. 82, 88, 151, 151, 202. 1084 Siehe oben, bei Fn. 1046. 1085 Siehe s.2(3) TCEA 2007 c.15. Die dort genannten Kriterien basieren auf denen, die schon das Franks Committee als Kernelemente der tribunals identifiziert hatte; siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 39; zum Franks Committee siehe oben, III.C.4.b), S. 209. 1086 »Ease and convenience of use«; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.25. 1087 Siehe R. v. Bloomsbury Income Tax Commissioners [1915] 3 KB 768 per Reading LJ; HelyHutchinson, Report – Committee on Ministers’ Powers (Cmd.4060), 1932, Section III, para. 10; Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957,para. 38; Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 6. Auch der Council on Tribunals hatte zuvor »accessibility« als ein zentrales Merkmal von tribunals angesehen; siehe Council on Tribunals, Framework of Standards, 2006, Standard, S. 5; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.25 ff. 1088 Zur anwaltlichen Repräsentation vor tribunals siehe unten, VII.H., S. 467. 1089 »Acessibility« findet damit einen konkreteren Ausdruck in den Vorgaben TCEA 2007 c.15 für die Schaffung von Verfahrensregeln in s.22(4)(b) und (d) TCEA 2007c.15. Aber auch bei der Gestaltung von Gebühren ist die Zielvorgabe der Zugänglichkeit zu beachten; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.31.
Das Idealbild der tribunals nach dem TCEA 2007 c.15
235
– dass die Verfahren fair sind und zugleich1090 schnell und effizient bearbeitet werden.1091 Als allgemeine Zielvorgabe für den Senior President soll sich dies auf die Arrangements der täglichen Arbeit der tribunals niederschlagen,1092 aber nur indirekt auf konkrete Verfahren.1093 Damit wird dem Senior President auch das Eintreten für die Bereitstellung hinreichender Ressourcen für die Arbeit der tribunals gegenüber Parlament und Regierung aufgetragen;1094 – dass die Mitglieder der Tribunalsspruchkörper Experten des jeweiligen Rechts- bzw. Fachgebiets sind, in dem sie tätig sind.1095 Dies bedeutet für den Senior President vor allem die Pflicht, Mechanismen zu schaffen, die das Ziel eines flexiblen Personaleinsatzes innerhalb des Grundgerüsts des TCEA 2007 c.15 aus FtT und UT und deren einzelnen Kammern zu einem Ausgleich bringen mit den jeweils im konkreten Fall an die Qualifikation des Entscheidungsträgers zu stellenden Anforderungen.1096 – dass tribunals innovative Methoden – d. h. anderer als autoritative Entscheidung – der Streitbelegung in ihren Verfahren nutzen bzw. solche (weiter-) entwickeln sollen.1097
1090 Verfahrensfairness und (Zeit-)Effizienz stehen sich zwar nicht diametral entgegen, aber – zumindest vordergründig – in einem potentiellen Spannungsverhältnis: Wird die Zeit, in der Verfahren durchgeführt werden, auf Kosten der fairness verkürzt, fällt die so getroffene Entscheidung einem hohen Risiko anheim, in nächster Instanz aufgehoben zu werden – was letztlich eine Verlängerung des Verfahrens bedeuten würde; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.34. 1091 Eine schnelle Bearbeitung von Verfahren ist dabei auch ein Aspekt der »accessibility«, da kurze Verfahren geringere Kosten verursachen und die Aussicht, eine schnelle Entscheidung zu erhalten die das Hemmnis, die Tribunalsverfahren in Anspruch zu nehmen, senkt; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.33. 1092 Etwa die Schaffung effektiver Mechanismen zur Zuweisung von Fällen zu einzelnen Tribunalsmitgliedern, unkomplizierte Kommunikation, flexible Terminierung aber auch Schaffung von Verfahrensregeln, die auf zeitraubende Verfahrenselemente und Formvorschriften verzichten; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.37. 1093 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.35. Entsprechend kann der Senior President nicht etwa zu dessen Beschleunigung in ein laufendes Verfahren eingreifen. 1094 Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.35. 1095 Zur personellen Zusammensetzung der neuen tribunals insb. im Hinblick auf die Einbindung von Expertenwissen; siehe unten, VI.C.2., S. 352. 1096 Auch dieses Ziel steht in Wechselwirkungen mit allen anderen Zielen – einen Experten zur Entscheidung eines bestimmten Falles einsetzen zu müssen bedeutet einerseits, keine externen Experten hinzuziehen zu müssen, was hilft, Verfahrenskosten zu senken, aber auch, sich nach dessen Zeitplanung richten zu müssen, was zu Zeitverlusten führen kann; siehe zum Ganzen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.68 ff. 1097 Dies setzt – zumindest im Kontext der tribunals – die Vorstellungen des White Paper zur PDR um; siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 2.8 ff.; siehe zum Einsatz von Methoden der alternativen Streitbeilegung in den heutigen tribunals im Einzelnen unten, VII.B.12, S. 385.
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Die Reformen der tribunals durch den TCEA 2007
Wohl wichtigste, originäre Aufgabe des Senior President ist die Repräsentation aller Angehörigen von Tribunalsspruchkörpern gegenüber dem Parlament und dem Lord Chancellor sowie die Vertretung jeglicher Anliegen und Äußerungen zu allen Angelegenheiten, die für tribunals von Relevanz sind.1098 Insoweit ist seine Aufgabe ähnlich der des Lord Chief Justice – gewissermaßen als oberster Repräsentant der tribunal-Richterschaft.1099 Des Weiteren statuiert das Gesetz verschiedene Mitwirkungsrechte und -pflichten im Zusammenhang mit der Integration von tribunals in die neue Struktur,1100 was personelle Ausstattung1101 und Verfahren der tribunals betrifft,1102 sowie die Möglichkeit zum Erlass von practice directions1103 – eine Kompetenz, die bisher ebenfalls nur den Präsidenten der Höchstgerichte1104 bzw. dem Lord Chief Justice zustand.1105 Aber auch auf der Ebene unterhalb des Senior President werden die Strukturen der ordentlichen Gerichte übernommen: Jeder Kammer steht nämlich nun ein eigener Chamber President vor,1106 dem ein Stellvertreter zugeordnet werden kann.1107 Die Chamber Presidents gehören als Richter stets dem UT an1108 und 1098 Sch.1 para.14 TCEA 2007 c.15. Der Posten des Senior President ist dabei vollständig unabhängig – etwa vom Justizminister – und vertritt die Interessen aller tribunals und Tribunalsmitglieder im ganzen Königreich (anders als etwa der Lord Chief Justice, dessen Repräsentationsfunktion nur in England und Wales Bedeutung hat; siehe zu dessen Posten schon oben, bei Fn. 254); siehe Senior President of Tribunals, First Implementation Review, 2008, para. 8. 1099 Siehe hierzu bereits oben, bei Fn. 254ff. 1100 Siehe etwa die Notwendigkeit seiner Zustimmung bei der Bestimmung der Kammerstruktur ss.7(1) und 7(9) TCEA 2007 c.15. 1101 Siehe etwa seine Befugnisse nach sch.2 para.2(2) und 6(2); sch.3 para. 2(2) und 6(2); sch.4 2(1) und 9 TCEA 2007 c.15. 1102 Siehe zur ex officio-Mitgliedschaft des Senior President in den Gremien, die über die Verfahrensregeln bestimmen, sch.5 para.20 und 24 sowie zur Notwendigkeit seiner Zustimmung zum Erlass von Gebührenordnungen s.42(5) TCEA 2007 c.15 und unten, VII.A., S. 364. 1103 Siehe s.23 TCEA 2007 c.15. Ein Überblick über die Rechte und Pflichten des Senior President finden sich in Senior President of Tribunals, Second Implementation Review, 2008, Annex 5. Dem Senior President of Tribunals steht zur Ausübung seiner Funktionen ein Kollegialorgan zur Seite, das Tribunals Judicial Executive Board, welches sich seinerseits in weitere Untergruppen aufspaltet. Es ist das »discussion- and decision-making forum« des Senior President und hat somit eine beratende Funktion, wobei aber alle ihm gesetzlich übertragenen Entscheidungen von ihm allein getroffen werden müssen; siehe hierzu weiter Ministry of Justice, The Senior President of Tribunals’ Annual Report 2010, 2010, Appendix 1, S. 61 – 63. 1104 Diese practice directions haben keine Gesetzeswirkung, werden aber normalerweise in den Entscheidungssammlungen veröffentlicht; siehe Law/Martin, in: Law/Martin (ed.), A Dictionary of Law, 2009, Stichwort: »Practice Directions«. 1105 Siehe zu den »practice directions« des Senior President insgesamt auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 1(1), 4th ed. 2001, (Cum. Supp. 2010), para. 11. 1106 S.7(2) und (4) TCEA 2007 c.15. 1107 Sch.4 para.5(1) TCEA 2007 c.15.
Das Idealbild der tribunals nach dem TCEA 2007 c.15
237
werden vom Lord Chancellor ernannt.1109 Ihre Aufgabe wird als judicial leadership verstanden,1110 was etwa bedeutet, dass auch sie practice directions zu bestimmten Fragen des Alltagsbetriebs der tribunals erlassen können.1111 Sie können wohl als funktionale Entsprechungen der jeweiligen Präsidenten der Abteilungen der Höchstgerichte angesehen werden.1112
1108 Sch.4 para.1 TCEA 2007 c.15 – entsprechend ist jeder Chamber President des FtT zugleich Mitglied des UT. 1109 S.7(7) TCEA 2007 c.15 Durch diese Regelung wird der Chamber President in aller Regel – aber nicht notwendigerweise – ein Richter eines der Höchstgerichte sein; siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 85. In diesem Fall hat der Lord Chancellor vor Ernennung zunächst sowohl den Senior President (sch.4 para.2(1) TCEA 2007 c.15) als auch den Lord Chief Justice (sch.4 para.2(2) TCEA 2007 c.15) um Einverständnis zu bitten. Findet sich in diesem Verfahren kein Kandidat, erfolgt eine Ernennung durch die Judicial Appointments Commisison (zu dieser siehe unten, IV.B., S. 344). 1110 Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 85. 1111 Siehe s.23(2) TCEA 2007 c.15. Regelungen zum Erlass solcher »practice directions« finden sich hier : Senior President of Tribunals, Second Implementation Review, 2008 Annex 5. 1112 Zu diesen schon oben, Fn. 246, 249 und 251.
V. Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
Wie wurden nun die Aufgaben der bisherigen Einzeltribunals durch die Umgestaltungen des TCEA 2007 c.15 geordnet bzw. wie wurden sie innerhalb der neu geschaffenen Struktur integriert? Der Herausforderung, bei allem Willen zur Vereinheitlichung dennoch den besonderen Anforderungen der bisherigen Einzeltribunals Rechnung tragen zu können, ist der Gesetzgeber mit der Schaffung der Kammerstruktur begegnet: Die Zuweisung einer Streitigkeit zu einer bestimmten Kammer des FtT oder des UT hat Auswirkungen auf die anzuwendenden Verfahrensregeln1113 und ist maßgeblich für die personelle Zusammensetzung des entscheidenden Spruchkörpers.1114 Im Folgenden soll daher die Kammerstruktur von FtT und UT im Überblick dargestellt werden. Wie bereits angedeutet, ist die Grenzziehung zwischen den einzelnen Kammern vor allem abhängig vom materiellen Recht und dessen Gemeinsamkeiten und Unterschieden in bestimmten Gesetzesmaterien, weshalb mitunter recht tief in das materielle Recht eingetaucht werden muss, um die genaue Zuordnung nachvollziehbar darstellen zu können.1115 Des Weiteren sei daran erinnert, dass der Reformprozess noch im Fluss ist und daher die folgende Darstellung notwendigerweise nur eine Momentaufnahme sein kann. Dies gilt auch für das von den tribunals anzuwendende materielle Recht1116 – beides konnte hier bis Oktober 2011 berücksichtigt werden.1117 Am Schluss soll noch kurz auf all jene tribunals
1113 Siehe zu den Verfahrensregeln im Einzelnen unten, VII., S. 361. 1114 Zur personellen Zusammensetzung der neuen tribunals siehe unten, VI., S. 321. Dass für unterschiedliche Kammern unterschiedliche Verfahrensregeln erlassen werden können, ergibt sich aus s.22 i. V. m. sch.5 para. 19 TCEA 2007 c.15. 1115 »In order to gain a deeper understanding of the function of tribunals in the UK system it is necessary to look at the legislation relevant to particular jurisdictions transferred to the new tribunals.« Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 194. 1116 Viele der von den tribunals anzuwendenden materiellen Rechtsvorschriften sind gerade durch eine gewisse Hyperaktivität der Normgeber – Parlament wie Exekutive – gekennzeichnet und gerade auch deshalb enorm kompliziert. 1117 Die Kammerstruktur und die einzelnen sachlichen und örtlichen Zuständigkeiten mit
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
eingegangen werden, die (noch) gar nicht oder nur bedingt durch den TCEA 2007 c.15 betroffen sind.
A.
Zuständigkeitsverteilungen im neuen System durch die Chambers Order
Die Möglichkeit zur Anrufung eines tribunal ergibt sich nach wie vor meist direkt aus dem parent act oder aus darauf gestützten, untergesetzlichen Rechtsakten: Daran hat auch der TCEA 2007 c.15 nichts geändert. Es gibt mithin nach wie vor keine Vorschrift, die – vergleichbar dem deutschen § 40 VwGO – eine allgemeine Zuständigkeit von FtT und UT für eine bestimmte, abstrakt zu beschreibende Art von Streitigkeiten statuiert;1118 die Zuständigkeitszuweisungen von FtT und UT sind damit rein enumerativ. Entsprechend kann man auch nach wie vor keinerlei generelle Aussage darüber treffen, wer, wann und unter welchen Bedingungen die Möglichkeit hat, gegen welche behördliche Maßnahme oder Ausgangsentscheidung ein Verfahren vor dem FtT oder UT einzuleiten, und ob dabei etwa ein bestimmtes Vorverfahren zu durchlaufen ist, bestimmte Fristen eingehalten werden müssen, wer im Rahmen des Verfahrens als jeweiliges Gegenüber auftreten wird und was genau eigentlich von dem tribunal überprüft werden kann – all dies regelt im Grundsatz allein das materielle Recht, das schon wegen seiner Fülle hier nicht abschließend dargestellt werden kann.1119 Die materiell-rechtlichen Bestimmungen, aus welchen sich das appealRecht, also die Möglichkeit zur Überprüfung einer Entscheidung durch FtToder UT eröffnet, werden im Folgenden der Einfachheit halber als appeal-Klauseln bezeichnet, das aufgrund dessen durchgeführte, erstinstanzliche Prüfungsverfahren vor dem tribunal als initial appeal.1120 Der Grundfall, von dem dabei stets ausgegangen wird, ist, dass eine – wie auch immer geartete – Ausgangsentscheidung oder Maßnahme einer staatlichen Institution durch einen Bürger dem tribunal zur Überprüfung vorgelegt werden kann. Es muss dabei zugleich nochmal daran erinnert werden, dass damit nicht ausschließlich die Situation klassischen Verwaltungsrechtsschutzes nach deutschem Verständnis gemeint ist, dass der Bürger sich also gegen die Maßnahme Stand Juli 2010 ergeben sich aus der Übersicht im Anhang. An dieser Zuständigkeitsverteilung hat sich im Wesentlichen bis Oktober 2011 nichts geändert. 1118 Siehe Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 193. 1119 Eine überblicksartige Darstellung etwa der unterschiedlichen Prüfungsdichte, zumindest der bisherigen Einzeltribunals auf dem Gebiet des Sozial- wie auch Asyl- und Immigrationsrechts findet sich bei Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 193 ff. Wie jedoch sogleich gezeigt wird, haben FtT und UT ein noch weit größeres Betätigungsfeld. 1120 Siehe zu den davon abzugrenzenden Möglichkeiten des »first appeal« und »second-tier appeal« unten, bei Fn. 2166.
Zuständigkeitsverteilungen im neuen System durch die Chambers Order
241
einer staatlichen Institution wendet: In einigen Sachbereichen richtet sich der Bürger in erster Linie gegen einen anderen Bürger, was teilweise als citizen v citizen-case oder ähnlich bezeichnet wird,1121 und sowohl Situationen umfassen kann, in denen der Staat als neutraler Dritter erscheint, als auch direkte Streitigkeiten zwischen Privaten ohne jede Beteiligung des Staates. In einigen wenigen Fällen eröffnet das Gesetz zudem einer staatlichen Institution die Möglichkeit zur Anrufung des tribunal.1122 Die appeal-Klauseln des materiellen Rechts können dabei die unterschiedlichsten Formen annehmen und das appeal-Recht etwa auf die Überprüfung von Sach- oder Rechtsfragen beschränken oder auch die Überprüfung der Angemessenheit und Zweckmäßigkeit einer Entscheidung ermöglichen.1123 Sie bilden damit zugleich das »Sprungbrett« hinein in ein womöglich mehrinstanzliches Überprüfungsverfahren. Aus den appeal-Klauseln des materiellen Rechts allein wird dabei nur ersichtlich, welches tribunal – also das FtT oder das UT – für die Entscheidung über eine Frage zuständig ist. Daraus allein ist allerdings noch nicht absehbar, welche Verfahrensregeln auf das dann folgende Verfahren anzuwenden sind und welche Tribunalsmitglieder das Verfahren entscheiden werden, da dies abhängig ist von der jeweils konkret zuständigen Kammer – diese ergibt sich aus einer Verordnung, die der Lord Chancellor in seiner heutigen Eigenschaft als Justizminister1124 mit Zustimmung des Senior President erlässt,1125 nämlich aus der The First-tier Tribunal and Upper Tribunal (Chambers) Order (im Folgenden: Chambers Order).1126 Aufgrund ihrer entscheidenden Wirkung für den weiteren Verlauf eines Verfahrens stellt sie gewissermaßen den »Schlüssel« zum Verständnis der Organisation und der Funktionsweise des Tribunalsystems seit der Reform dar.1127 Die Bestimmungen dieser Verordnung sind sehr unterschiedlich 1121 Siehe etwa Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07 – Response), 2008. S. 10. Der Leggatt Review spach insoweit noch von »party and party tribunals«; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Overview, para. 10 und para. 3.17. 1122 Gerade der Begriff »appeal-Recht« birgt aus deutscher Sicht die Gefahr, damit das Bestehen subjektiver Rechte des Bürgers gegen den Staat zu assoziieren und daher die anderen Konstellationen vergessen zu machen – dennoch soll er der sprachlichen Einfachheit halber hier verwendet werden. 1123 Siehe Kleve/Schirmer, England und Wales, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa Bd. 1/2, 2007, S. 128 f. m. w. N. 1124 Siehe zur heutigen Rolle des Lord Chancellor und deren grundlegenden Wandel seit 2005 noch ausführlich unten, bei Fn. 1771. 1125 Siehe s.7(1) TCEA 2007 c.15. 1126 Aufgrund des ständigen Fortschreitens des Reformprozesses ist die ursprüngliche Verordnung – The First-tier Tribunal and Upper Tribunal (Chambers) Order 2008 SI2684/ 2008 – mehrfach abgeändert und mittlerweile durch eine konsolidierte Fassung abgelöst worden. Die zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Sept. 2011) geltende Fassung ist The First-tier Tribunal and Upper Tribunal (Chambers) Order 2010, Chambers Order, SI2010/2655. 1127 Als solche können auch nicht die Vorschriften in untergesetzlichen Regelungen, wie etwa in der sogleich zu behandelnden Tribunal Chambers Order, angesehen werden, wenn sich
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
ausgestaltet – teilweise sind sie sehr eng formuliert und knüpfen die Zuständigkeit der jeweiligen Kammer, etwa die Vorschrift des materiellen Rechts, nach der die Ausgangsentscheidung erlassen wurde,1128 an die konkrete appealKlausel1129 oder zumindest an das konkrete Gesetz an, welches die betreffende Sachmaterie regelt;1130 teilweise sind sie aber auch recht weit und allgemein gefasst und wirken wie Generalklauseln, ergänzt mit ab- bzw. aufdrängenden Sonderzuweisungen.1131 Darüber hinaus findet sich in ihr auch eine Bestimmung, die den Senior President dazu ermächtigt, Zweifel über die Zuordnung einer zu entscheidenden Streitigkeit zu einer Kammer abschließend zu entscheiden;1132 dies deutet bereits an, dass die Zuständigkeitszuweisungen der Chambers Order nicht immer alle appeal-Rechte genau erfassen können, auch wenn – soweit ersichtlich – von dieser Vorschrift noch kein Gebrauch gemacht wurde.
B.
Die Kammern des First-tier Tribunal (FtT)
Auf der Ebene des FtT bestehen gegenwärtig sechs verschiedene Kammern. Dies sind: – Die Social Entitlement Chamber (im Folgenden: SEC) – Die Health, Education and Social Care Chamber (im Folgenden: HESCC) – Die War Pensions and Armed Forces Compensation Chamber (WPAFCC) – Die General Regulatory Chamber (im Folgenden: GRC) – Die Tax Chamber (im Folgenden: TC) – Die Immigration and Asylum Chamber (im Folgenden: IAC) Aus den Mitgliedern dieser Kammern werden für jedes Verfahren die zur Entscheidung notwendigen Personenkonstellationen gebildet, die sodann nach den Verfahrensregeln der jeweiligen Kammer zu entscheiden haben. Dabei gibt es grds. keine fixen Sitzungsorte,1133 in denen Verhandlungen abgehalten werden, vielmehr können sich die konkret gebildeten tribunals einer jeden Kammer an
1128 1129 1130 1131 1132 1133
nicht ausdrücklich eine gesetzliche Ermächtigung zur Schaffung von appeal-Rechten findet; eine Kompetenz zur Schaffung von Verfahrensregeln oder zur Schaffung von Zuständigkeiten reicht als Ermächtigungsgrundlage nicht aus; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.9. Siehe r.7(c) Chambers Order, SI2010/2655. Siehe r.10(a)(ii) Chambers Order, SI2010/2655. Siehe r.8 Chambers Order, SI2010/2655. Siehe r.3 oder r.5 Chambers Order, SI2010/2655. Siehe r.14 Chambers Order, SI2010/2655. Es existieren verschiedene zentrale »hearing centres«, in denen regelmäßig Verhandlungen durchgeführt werden; siehe Tribunals Service, Annual Report 2009 – 2010, 2010, S. 19.
Die Kammern des First-tier Tribunal (FtT)
243
jedem Ort im Vereinigten Königreich konstituieren und zwar auch dann, wenn die Zuständigkeit des FtT in örtlicher Hinsicht nur auf eine der Regionen beschränkt ist:1134 Praktisch werden die Sitzungen des FtT daher teilweise auch in eigens angemieteten Hotels, Gerichtssälen oder anderen Lokalitäten1135 durchgeführt.1136 Diese einzelnen Kammern werden im Folgenden in der Reihenfolge ihrer Integration in das FtT dargestellt:
1.
Die Social Entitlement Chamber (SEC)
Die SEC war eine der Kammern, die bereits am ersten »T-Day«, dem Tag, an dem das neue System von tribunals seine Arbeit aufnahm, geschaffen wurde.1137 In ihr sind vor allem die Zuständigkeiten des bisherigen Appeals Service aufgegangen1138 weshalb sie – ihrem Namen entsprechend – überwiegend für Streitigkeiten im Hinblick auf sozialrechtliche Ansprüche (social entitlements) zuständig ist. Die Zuständigkeitszuweisung für diese Kammer1139 umfasst alle Streitigkeiten betreffend die Gewährung, Zahlung, Rücknahme (bzw. Rückzahlungspflicht) von social security benefits.1140
1134 Siehe s.26 TCEA 2007 c.15. Theoretisch ist es damit denkbar, dass ein schottischer Fall in London verhandelt wird. Allerdings ist zu bedenken, dass dem Senior President die Pflicht obliegt, dafür zu sorgen, dass tribunals »accessible« sind – damit wäre es wohl kaum zu vereinbaren, wenn etwa ein sozialrechtlicher Fall aus Schottland in London gehört würde. 1135 So werden Verhandlungen der HESCC im Bereich »mental health« (zu diesem im Einzelnen sogleich, V.B.3.d), S. 261) etwa auch in den Räumlichkeiten jener Einrichtung durchgeführt, in denen sich ein freizulassender Patient befindet, also in Krankenhäusern, Sanatorien oder sonstigen Anstalten zur Unterbringung geistig verwirrter Personen; siehe zu den Anforderungen, die an derartige Räumlichkeiten gestellt werden, die Verlautbarungen des Tribunals Service, Mental Health Room Specification Recommendations, 2010. 1136 Eigene Gebäude für die Durchführung von Anhörungen unterhält der HMCTS im ganzen Vereinigten Königreich. Gegenwärtig stehen allein für die Verhandlungen der SEC 157 verschiedene Sitzungsorte zur Verfügung. Das gesamte Vereinigte Königreich ist insoweit in Verwaltungsbezirke eingeteilt, innerhalb derer die jeweiligen Sitzungsorte zugewiesen werden; siehe auf der Internetpräsenz des HMCTS unter : http://www.appeals-service.gov. uk/Venues/venues.htm, besucht am 08. 09. 2011. 1137 Sie war damit eine der ersten errichteten Kammern und nahm am 03. 11. 2008 ihre Arbeit auf; siehe Senior President of Tribunals, First Implementation Review, 2008, para. 1. 1138 Siehe zum Appeals Service oben, bei Fn. 997. 1139 R.6 Chambers Order, SI2010/2655. 1140 Siehe r.6(c) Chambers Order, SI2010/2655. Die entsprechenden appeal-Rechte des Bürgers gegen Entscheidungen bezüglich dieser sozialrechtlichen Ansprüche ergeben sich vor allem aus s.12 i. V. m. ss.8 und 10 des Social Security Act 1998 c.14, da diese Bestimmungen die meisten sozialrechtlichen Ansprüche abdecken.
244 a)
Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
Sozialrechtliche Versorgungsansprüche und tax credits/Abgrenzung zur Tax Chamber
Die namensgebenden sozialrechtlichen Ansprüche sind extrem vielfältig, das britische Sozialsystem bietet die unterschiedlichsten Leistungen und Vergünstigungen, die an verschiedenste Tatbestände anknüpfen und von unterschiedlichen Behörden verwaltet werden.1141 Die enorme Komplexität des Sozialrechts – nicht nur hinsichtlich der Regeln, nach denen die Hilfsleistungen gewährt werden, sondern nach wie vor auch hinsichtlich der administrativen Organisation – zeigt sich nicht nur im fehlendem Verständnis des Bürgers für die ihm zustehenden Ansprüche, sondern wirkt sich auch auf die Qualität der Ausgangsentscheidungen aus, die oft rechtsfehlerhaft sind1142 – weshalb die SEC von allen Kammern auch mit großem Abstand den höchsten Arbeitsanfall aufweist.1143 Für die übergreifende Verwaltung und Organisation der allermeisten Leistungen der sozialen Sicherungssysteme ist heute das Department for Work and Pensions (DWP) zuständig.1144 Dieses hat für einzelne zu zahlende Leistungen executive agencies1145 gegründet; die größte ist dabei Jobcentre Plus, eine den deutschen Bundesagenturen für Arbeit vergleichbare Behörde, welche die allermeisten Leistungen für Arbeitnehmer bzw. Personen in »arbeitsfähigem Alter«1146 verwaltet. Eine weitere Behörde ist der Pensions, Disability and Carers
1141 Es kann hier nicht im Einzelnen auf alle im Zuständigkeitsbereich der SEC liegenden, sozialrechtlichen Ansprüche eingegangen werden, sondern nur auf ausgewählte Ansprüche. Einen guten und aktuellen Überblick mit kurzen und einfachen Erklärungen zu den einzelnen Ansprüchen bietet Osborne, Welfare Benefits and Tax Credits, 11th ed. 2009, (bzw. die jeweils geltende, jährlich erscheinende Auflage). 1142 Viele der Regelungen sind dabei so komplex, dass selbst die Entscheidungsträger der Ausgangsentscheidungen diese oft nicht verstehen: »The undue complexity of the benefits system has an obvious impact, not only on the quality of decision making but also on customers’ understanding of their legal rights and entitlements.[…] The complexity derives not only from the rules for particular benefits but also as a result of the interaction between the conditions of entitlement for linked benefits and the complicated arrangements for review, revision and reconsideration of decisions, which are not fully understood even by decision makers themselves.« House of Commons (Works and Pensions Committee), Decision Making and Appeals in the Benefits System, 2010 (List of Written evidence), para. 18 [S.«Ev 149«]. 1143 Nach der jährlichen Statistik für 2010 – 2011 wurden in der SEC ca. 422.600 Verfahren (Sozialansprüche und child support ca. 418.500 Fälle, asylum support ca. 4.100 Fälle) anhängig gemacht, was ca. 70 % des Gesamtaufkommens ausmacht; siehe zu den Zahlen Ministry of Justice, Annual Tribunals Statistics 2010 – 2011, 2011 Anhang, Tab. 1.1. sowie unten, Fn. 1429. 1144 Osborne, Welfare Benefits and Tax Credits, 11th ed. 2009, S. 3. 1145 Siehe dazu schon oben, Fn. 497. 1146 Bezeichnet als »people of working age«.
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Service (PDCS), der sich mit Rentenzahlungen und pensions credits1147 sowie der disability living allowance1148 und der carer’s allowance1149 befasst. Neben den vom DWP verwalteten Hilfsleistungen werden einige, praktisch wichtige Sozialleistungen auch von Her Majesty’s Revenue and Customs (HMRC),1150 also den Finanzbehörden verwaltet.1151 Die meisten Streitigkeiten, auch über die von HMRC ausgeschütteten Sozialleistungen, werden vor der SEC verhandelt; so ist die SEC etwa für Auseinandersetzungen über die von HMRC verwalteten tax credits zuständig,1152 was sich mit der Ähnlichkeit der inhaltlichen Sachfragen erklären lässt, die sich in Streitigkeiten über tax credits mit denen über andere Vergünstigungen stellen.1153 Zudem können sich tax credits und andere Sozialleistungen im Falle ihres gleichzeitigen Bezugs gegenseitig beeinflussen,1154 was das insoweit anzuwendende Recht ungeheuer komplex und eine gemeinsame Beurteilung durch eine Instanz notwendig macht. 1147 Dies umfasst sowohl die Zahlung einer Mindestrente als auch eine der deutschen »RiesterRente« vergleichbare Bezuschussung von Renten, wenn der Rentenempfänger eigene finanzielle Vorsorge für seine Rente getroffen hat; siehe Osborne, Welfare Benefits and Tax Credits, 11th ed. 2009, S. 13.bzw. 451 ff. 1148 D.h. finanzieller Unterstützung für körperlich behinderte Menschen, die auf besondere Hilfen oder Mobilitätsmittel angewiesen sind; siehe Osborne, Welfare Benefits and Tax Credits, 11th ed. 2009, S. 10 bzw. 102 ff. 1149 D.h. eine finanzielle Unterstützung für Personen, die sich um eine körperbehinderte Person kümmern; siehe Osborne, Welfare Benefits and Tax Credits, 11th ed. 2009, S. 8 bzw. 45. 1150 HMRC wurde gebildet aus der Zusammenfügung der Steuerbehörden bzw. Finanzämter (»Inland Revenue«) und den Zollbehörden (»Her Majesty’s Customs and Excise«); siehe Commissioners for Revenue and Customs Act 2005 c.11, Explanatory Notes, para. 3. 1151 Dies umfasst etwa tax credits, »child benefit«, »guardian’s allowance« sowie »health in pregnancy grants«; siehe Osborne, Welfare Benefits and Tax Credits, 11th ed. 2009, S. 3. 1152 Tax credits können als »working tax credits« (eine Unterstützungsleistung für Personen mit besonders geringem Einkommen) und als »child tax credits« (effektiv vergleichbar dem deutschen Kindergeld) gezahlt werden, wobei insb. letztere eine praktisch sehr wichtige Leistung für Sozialhilfeempfänger mit Kindern darstellen (siehe auch sogleich, Fn. 1154); siehe Child Poverty Action Group, Transforming Tribunals (Response to Consultation Paper), 2008, S. 5. Trotz ihres Namens, der etwas anderes vermuten lässt, sind tax credits Leistungen, die von den Steuerbehörden an einen Antragsteller bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gezahlt werden (also nicht etwa Reduzierungen der Steuerschuld). Es sind means tested benefits (siehe schon oben, bei Fn. 982). Die Zuständigkeit der sozialrechtlichen tribunals bestand schon vor den Reformen. Dennoch überlegt der Gesetzgeber bereits seit 2002 diese Zuständigkeit einem steuerrechtlichen tribunal (also heute der Tax Chamber) zuzuweisen; siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 189, was zum Teil heftig kritisiert wird; siehe Child Poverty Action Group, Transforming Tribunals (Response to Consultation Paper), 2008, S. 5. 1153 So kann die Höhe der zu zahlenden tax credits für ein Kind etwa davon abhängen, ob bzw. zu welchem Grad es behindert ist. 1154 Child tax credits etwa stellen v. a. deshalb eine so wichtige finanzielle Stütze für Sozialhilfeempfänger mit Kindern dar, weil ihr Bezug für den anderer Beihilfen (sog. »passported benefits«) maßgebliches Entscheidungskriterium sein kann (siehe Osborne,
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Für einige Leistungen, die von HMRC verwaltet werden, ist hingegen die TC zuständig,1155 speziell solche, die im engen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis eines Steuerzahlers stehen und die vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer gezahlt werden;1156 bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann von beiden Seiten HMRC angerufen werden, die sodann eine formelle Entscheidung über die Zahlungspflichten des Arbeitgebers trifft, gegen die wiederum die TC angerufen werden kann. Der fehlende Bezug der SEC zu den Arbeitsverhältnissen zeigt sich des Weiteren auch darin, dass sich die Social Entitlement Chamber grds. nicht mit der Einnahmenseite des Sozialversicherungssystems auseinandersetzt – Streitigkeiten betreffend National Insurance contributions, also den Sozialversicherungsbeiträgen, aus denen die verschiedenen Sozialleistungen größtenteils finanziert werden, werden ebenfalls überwiegend von der TC entschieden.1157 Auf den ersten Blick verwirrend ist daher auch die Verteilung der Zuständigkeiten hinsichtlich penalties, also Ordnungsmaßnahmen, welche etwa im Zusammenhang mit der Angabe falscher oder unzureichender Informationen bei der Beantragung von Sozialleistungen erlassen werden können:1158 Obwohl grds. eine allgemeine Zuständigkeit der SEC für tax credits besteht, sind Klagen gegen einen Ordnungsbescheid, der in diesem Zusammenhang gegen einen Arbeitgeber1159 ergeht, der TC zugewiesen;1160 ergeht aber im Zusammenhang mit tax credits ein Ordnungsbescheid gegen einen Arbeitnehmer1161 ist für den
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Welfare Benefits and Tax Credits, 11th ed. 2009, S. 4) und sie damit oft gleichzeitig mit anderen means tested benefits bezogen werden; siehe auch Child Poverty Action Group, Transforming Tribunals (Response to Consultation Paper), 2008 S. 5. Siehe r.6(c)(i) Chambers Order, SI2010/2655. Die dort gemeinten »appeals against decisions of Her Majesty’s Revenue and Customs« umfassen auch die Entscheidungen der HMRC über bestimmte Vergünstigungen. Von der Zuständigkeit der TC sind damit nur Entscheidungen betreffend »statutory paternity pay« (eine gesetzliche Leistung, zu deren Zahlung ein Arbeitgeber an seinen Arbeitnehmer verpflichtet ist, wenn der Partner des Arbeitsnehmers ein Kind zur Welt gebracht hat oder ein Kind adoptiert wurde), »statutory maternity pay« (eine Zahlung, die einer Arbeitnehmerin für 39 Wochen von einem Arbeitsgeber gezahlt werden kann, die gerade ein Kind geboren hat) sowie »adoption pay« (eine Leistung, die vom Arbeitgeber an einen Arbeitnehmer gezahlt werden kann, der aufgrund Adoption demnächst ein Kind zu betreuen hat) umfasst; siehe hierzu jeweils Osborne, Welfare Benefits and Tax Credits, 11th ed. 2009, Kapitel 23. National Insurance contributions sind einkommensabhängig, mithin unterscheiden sich Streitigkeiten aus diesem Bereich nicht wesentlich von Streitigkeiten im Bereich der Einkommenssteuer; siehe zu National Insurance contributions Law/Smullen, in: Law/ Smullen (ed.), Dictionary of Finance and Banking, 2008, Stichwort: »National Insurance contributions«. Siehe hierzu Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 190. Etwa nach s.33 Tax Credit Act 2002 c.21. Weil die Zuständigkeit der SEC sich ausweislich von r.6(c)(ii) Chambers Order, SI2010/ 2655 nicht hierauf erstreckt. Etwa nach s.31 Tax Credit Act 2002 c.21.
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appeal hiergegen die SEC zuständig.1162 Einige Sozialleistungen werden außerdem von lokalen Behörden verwaltet. Dies sind zum einen sog. housing benefits;1163 zum anderen aber auch council tax benefits1164 weshalb insoweit im Tätigkeitsfeld der SEC Berührungspunkte zu dem unten noch dargestellten Valuation Tribunal for England bestehen.1165 Jedoch geht es auch hierbei inhaltlich um ähnliche Fragen wie bei anderen sozialrechtlichen Ansprüchen.1166 b)
Verbrechensopferentschädigungen (criminal injuries compensation)
In der Zuständigkeit der SEC liegen ferner alle Entscheidungen betreffend staatlicher Entschädigungen für Verbrechensopfer (sog. criminal injuries compensation).1167 Nach den materiellen Regelungen der Verbrechensopferentschädigung kann eine Kompensation für die verschiedensten Einbußen gewährt werden, vor allem aber für körperliche und seelische Verletzungen, weshalb das FtT zur Entscheidung dieser Streitigkeiten insb. über medizinisches Fachwissen verfügen muss.1168 Verwaltet werden diese Kompensationen von der Criminal 1162 Siehe Wikeley, Law of Social Security, 5th ed. 2002, S. 190. Dessen Ausführungen beziehen sich noch auf die Rechtslage vor dem TCEA 2007 c.15, die von ihm beschriebene Zuständigkeitsverteilung hat sich allerdings noch nicht geändert. 1163 Dies sind Mietbeihilfen für Personen mit begrenzten finanziellen Mitteln. 1164 Council tax benefits stellen eine prozentuale Reduzierung der auf Gemeindeebene erhobenen council tax; siehe zu dieser unten, Fn. 1498 sowie schon oben, Fn. 766. 1165 Beide Leistungen sind means tested (siehe schon oben, Fn. 982); zum Valuation Tribunal for England; siehe unten, V.C.2.c)(1), S. 296. 1166 Es handelt sich um means tested benefits, daher stehen etwa die Frage der Anrechenbarkeit bestimmter Einkommens- und Vermögensquellen sowie die Zusammenhänge mit bzw. Auswirkungen von anderen Sozialleistungen im Mittelpunkt; zu council tax benefits und housing benefits insgesamt siehe auch Osborne, Welfare Benefits and Tax Credits, 11th ed. 2009, Kapitel 5 (zu council tax benefits) sowie Kapitel 10 (zu housing benefits). 1167 Die relevanten Regelungen hierzu finden sich im Criminal Injuries Compensation Act 1995 c.8, welcher den zuständigen Minister verpflichtet, ein »Criminal Injuries Compensation Scheme« zu schaffen, welches die eigentlichen Vorschriften über die Begründung, Höhe, Geltendmachung und Verwaltung von Kompensationsansprüchen enthält; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 11(4), 4th ed. 2006, para. 2033 ff. Der gegenwärtig aktuelle Umsetzungsrechtsakt hierzu, The Criminal Injuries Compensation Scheme 2008, ist abrufbar unter : http://www.cica.gov.uk/Documents/Publications/Criminal%20I njuries%20Compensation%20Scheme%202008.pdf, besucht am 15. 12. 2010. Mittlerweile sind weitere Regelungen zur Entschädigung von Opfern terroristischer Anschläge im Ausland im Crime and Security Act 2010 c.17 ergangen, der die Errichtung eines eigenen »scheme« vorschreibt. Im Ergebnis sollte diese weitgehend dem hier beschriebenen vergleichbar sein, insb., weil auch hierfür faktisch die CICA zuständig ist; siehe Explanatory Notes Crime and Security Act 2010 c.17, para. 232. Aus s.52 Crime and Security Act 2010 c.17 ergibt sich ein appeal-Recht gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz. 1168 Da etwa die Höhe einer Kompensation vom Grad einer Verletzung abhängt, kommt es in den Verfahren dieses Sachbereichs oft auf medizinische Details an; siehe zur Berechnung der Kompensationshöhe die Tabellen im Anhang an The Criminal Injuries Compensation
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Injuries Compensation Authority (CICA), einer dem Justizministerium zugeordneten Behörde, gegen deren Entscheidungen ein appeal zum FtT möglich ist.1169 Dabei ist allerdings vor einem solchen appeal stets eine interne Prüfung (review) durch die CICA selbst vorgesehen.1170 Vor der jetzigen Regelung dieses Sachbereichs durch den Criminal Injuries Compensation Act 1995 c.8 war der Bereich der Verbrechensopferentschädigung ausschließlich auf die königliche Prärogative gestützt: Zuständig für die Zuerkennung von Entschädigungen war das Criminal Injuries Compensation Board (CICB). Wurde eine Entschädigung nicht zuerkannt, konnte der Bürger Beschwerde gegen die Entscheidung zum CICB einlegen; diese Beschwerde wurde dabei im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor drei Mitgliedern der CICB verhandelt,1171 die als Criminal Injuries Compensation Appeal Panel (CICAP)1172 ein eigenständiges Gremium bildeten, das seinerseits als tribunal angesehen wurde1173– dem wohl einzigen tribunal, dessen Existenz nicht auf eine gesetzliche Grundlage gestützt war.1174 Anzumerken ist an dieser Stelle noch, dass auch das frühere Regelwerk für die Gewährung der Entschädigungsansprüche bereits verschiedene interne Mechanismen zur Überprüfung der Entscheidungen der CICB vorsah,1175 dafür aber gegen Entscheidungen der früheren CICAP kein weiteres, besonderes Überprüfungsverfahren möglich war. Wie noch gezeigt wird, wirkt sich dies
1169 1170
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Scheme 2008, abrufbar unter : http://www.cica.gov.uk/Documents/Publications/Crimi nal%20Injuries%20Compensation%20Scheme%202008.pdf, besucht am 15. 12. 2010. Siehe s.5 Criminal Injuries Compensation Act 1995 c.8. Siehe s.4 Criminal Injuries Compensation Act 1995 c.8 i. V. m. The Criminal Injuries Compensation Scheme 2008, abrufbar unter http://www.cica.gov.uk/Documents/Publica tions/Criminal%20Injuries%20Compensation%20Scheme%202008.pdf, besucht am 15. 12. 2010, para. 58. Dabei erfolgt der Review zwar durch die gleiche Behörde, aber zwingend durch eine andere Person; siehe s.4(2) Criminal Injuries Compensation Act 1995 c.8. Es handelte sich dabei um andere als diejenigen, die die Ausgangsentscheidung getroffen hatten; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 4/2 f. Siehe zum »Criminal Injuries Compensation Appeals Panel« Halsbury’s Laws of England, Bd. 11(4), 4th ed. 2006, para. 2048 ff. Die Zuständigkeit dieses tribunal hat das FtT nun übernommen. Siehe Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 60; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 266; Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 4/2 f. Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 266 Fn. 2. Der Grund für die Schaffung dieses tribunal durch rein administrative Mittel war, dass das Entschädigungsregime als solches zunächst als Experiment gedacht war ; siehe Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 60 m.w.N. Kurioserweise bestand bereits zum damaligen Zeitpunkt eine gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit der CICB in Nordirland; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 4/2. Siehe The Criminal Injuries Compensation Scheme 2008, abrufbar unter : http://www.cica. gov.uk/Documents/Publications/Criminal%20Injuries%20Compensation%20S cheme%202008.pdf, besucht am 15. 12. 2010, para. 53.
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heute auf die Überprüfbarkeit der Entscheidungen des FtT in diesem Sachbereich aus.1176 c)
Kindesunterhalt (child support)
Die SEC ist auch zuständig für Streitigkeiten betreffend child support.1177 Auseinandersetzungen auf diesem Gebiet sind insofern hervorzuheben, als dass sie zum einen tripolar sind1178 und sie zum anderen auch keine »Sozialleistung« nach deutschem Verständnis betreffen: Mit child support sind nämlich die äußerst komplexen Regelungen1179 von Unterhaltszahlungen getrennt lebender Eltern für ihre Kinder und deren Festsetzung durch eine zentralstaatliche Behörde gemeint:1180 Mit dem Child Support Act 1991 c.48 führte die Regierung ein gesetzliches Regime ein, in welchem die Festsetzung, Beitreibung und Weiterleitung von Kindesunterhalt einer neu geschaffenen Behörde, der Child Support Agency (CSA), übertragen wurde.1181 Herzstück dieses Regimes war das sog. mainte1176 Hierzu siehe unten, bei Fn. 2408 sowie bei Fn. 2459. 1177 Siehe r.6(c) Chambers Order, SI2010/2655. 1178 Man könnte diese auch als »citizen v. citizen«-tribunals bezeichnen, weil die eigentliche »Schlacht« in diesen Verfahren oftmals nicht zwischen dem jeweils beschwerten Bürger und der Behörde, sondern zwischen den Kindseltern geschlagen wird, und die Behörde auch in dem Tribunalsverfahren (wenn sie denn vertreten wird; siehe unten, bei Fn. 2517) eher die Rolle eines neutralen Dritten bzw. »amicus curiae« einnimmt; siehe Wikeley/ Davis/Young, Child Support Appeal Tribunals, in: Harris/Partington (Hrsg.), Administrative Justice in the 21st century 1999, S. 281 (286). 1179 »It is notorious that legislation and in particular regulations made under or in relation to the Child Support Act 1991 sometimes give rise to difficult, even sometimes impenetrable questions of construction«; siehe Secretary of State for Work and Pensions v. Boyle [2008] EWCA Civ 210, para. 1 per May LJ; siehe auch Burrows, NLJ 2009, Oct., 1382 (1382 f.). Die »horrendous complexity of the legislation« des Rechts wirkt sich auch auf die Qualität der Ausgangsentscheidungen aus; siehe House of Commons (Works and Pensions Committee), Decision Making and Appeals in the Benefits System, 2010, para. 6. 1180 Das Recht des Kindesunterhalts ist vor allem gesetzlich geregelt; das common law hingegen kennt eine Pflicht zur Zahlung von Unterhalt grds. nicht, Eltern können im common law nur insoweit zum Kindesunterhalt gezwungen werden, wie ansonsten strafrechtliches Verhalten vorliegen würde; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 5(3), 4th ed. 2008, para. 528. 1181 Durch den Child Support Act 1991 c.48 wurde die CSA nicht gegründet, nach dem Gesetz selbst ist vielmehr der Secretary of State zuständig, in diesem Fall das Department for Work and Pensions. Dieses schuf die CSA als NDBP und übertrug ihr die Ausübung seiner umfassenden Zuständigkeiten hinsichtlich aller Fragen des Kindesunterhalts, womit gleichzeitig auch verbliebene Kompetenzen der ordentlichen Gerichte in diesem Bereich beschnitten wurden; siehe s.8 Child Support Act 1991 c.48 sowie Halsbury’s Laws of England, Bd. 5(3), 4th ed. 2008, para. 553 und 560. Außer in einigen besonderen Bereichen (etwa betreffend Kinder mit Behinderungen) haben die Gerichte hier so gut wie keine Kompetenzen mehr ; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 5(3), 4th ed. 2008, para. 556.
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nance assessment, eine Taxierung des zu zahlenden Unterhaltsbetrages, basierend auf dem finanziellen Bedarf eines Kindes, welcher sodann der sog. absent bzw. non-resident parent1182 an die person with care1183 zu zahlen hatte.1184 Diese von der CSAvorgenommene Ermittlung des Unterhaltsbedarfs erfolgte grds. nur auf Antrag eines der beiden Elternteile und ihr lag eine schwierig anzuwendende Formel zu Grunde; die Ermittlung konnte aber auch kraft Gesetzes automatisch durchgeführt werden, wenn die person with care Sozialleistungen bezog,1185 welche die Errechnung des Unterhaltsanspruchs beeinflussten. Ursprünglich konnten Entscheidungen der CSA nach dem Child Support Act 1998 c.48 in erster Instanz vor eigenen Child Support Appeal Tribunals gehört werden,1186 gegen deren Entscheidungen die Anrufung der Child Support Commissioners1187 möglich war. Diese erstinstanzlichen tribunals wurden durch s.4 Social Security Act 1998 c.14 a. F.1188 zu den Appeal Tribunals zusammengelegt; die in zweiter Instanz zuständigen Child Support Commissioners allerdings waren von dieser Zusammenlegung nicht betroffen,1189 so dass bis zu den gegenwärtigen Reformen auch die Unterhaltssachen der Appeal Tribunals von diesen gehört werden konnten.1190 Dieses so beschriebene gesetzliche System der Fest- und Durchsetzung elterlicher Unterhaltspflichten erwies sich allerdings trotz riesigen Personal- und Kostenaufwands und umfassender Befugnisse der CSA als vollkommen inef1182 Gem. s.54 i. V. m. s.3(2) Child Support Act 1991 c.48 a. F. bzw. aktueller Fassung, jenem Elternteil also, der das Kind nicht betreute. Die Terminologie wurde durch den Child Support, Pensions and Social Security Act 2000 c.19 in »non-resident parent« abgeändert; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 5(3), 4th ed. 2008, para. 554. 1183 Also jene Person bzw. jener Elternteil, bei dem das Kind normalerweise lebt; siehe s.54 i. V. m. s.3(3) Child Support Act 1991 c.48. 1184 Die ursprüngliche Formel des Child Support Act 1991 c.48 bezog dabei nicht nur den Bedarf des Kindes, sondern auch das Vermögen und Einkommen beider Elternteile mit ein; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 5(3), 4th ed. 2008, para. 558. Diese konnten zuvor von der CSA eigenständig ermittelt werden. Für diese Ermittlungen standen ihr umfangreiche Ermittlungsbefugnisse zu; siehe ss.14 und 15 Child Support Act 1991 c.48. Die Berechnungsformel wurde durch den Child Support, Pensions and Social Security Act 2000 c.19 dahingehend vereinfacht, dass das Einkommen der »person with care« nicht mehr berücksichtigt werden musste. 1185 Siehe ss.6 und 43 Child Support Act 1991 c.48 a. F. sowie Halsbury’s Laws of England, Bd. 5 (3), 4th ed. 2008, para. 553, 557 und 559. Durch diese, in der Praxis sehr wichtige Vorschrift wird deutlich, dass child support zwar selbst keine Sozialleistung darstellt, Streitigkeiten in diesem Bereich aber sehr schnell mit Fragen des Sozialrechts zusammenhängen können. 1186 Siehe s.21 i. V. m. sch.3 Child Support Act 1991 c.48 a. F. 1187 Siehe s.22 i. V. m. sch.4 Child Support Act 1991 c.48 a. F. 1188 Der Social Security Act 1998 c.14 ist zwischenzeitlich aufgehoben worden. 1189 Sie wurden also erst aufgrund von sch.6 Part 1 TCEA 2007 c.15 durch das UT abgelöst. 1190 Siehe zur alten Rechtslage vor den Reformen durch den TCEA 2007 c.15 Halsbury’s Laws of England, Bd. 5(3), 4th ed. 2008, para. 566.
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fektiv, weshalb der Gesetzgeber in diesem Bereich bisher mehrmals reformierend tätig wurde1191 und 2006 Vorschläge zur völligen Überarbeitung dieses Rechtsbereichs vorgelegt wurden,1192 die nun sukzessive bis Ende 2011 umgesetzt werden. Die alten Regelungen gelten dabei allerdings parallel weiter, was das anzuwendende Recht nochmals komplexer macht.1193 Die Entscheidungen, mit denen sich die SEC heute nach beiden Regelungsregimen auseinandersetzt, betreffen lediglich die Höhe des zu zahlenden Unterhalts;1194 über die Anordnung von Beitreibungsmaßnahmen durch die CSA bzw. ihre Nachfolgebehörde1195 entscheiden die Magistrates’ Courts.1196 Da sich damit die Zuständigkeit der SEC im Grunde auf die Entscheidung über den Lebensbedarfs eines unterhaltspflichtigen Kindes beschränkt, sind in diesem Sachbereich vergleichbare Fragen zu beantworten wie bei der Gewährung bedarfsabhängiger Sozialleistungen; auch insofern fügt sich die Zuständigkeit der SEC in die sonstigen Aufgaben ein. Dass den vom tribunal zu entscheidenden 1191 Nach Erlass des Child Support Act 1991 c.48 erfolgten Änderungen des Rechts bereits durch den Child Support Act 1995 c.34, den Social Security Act 1998 und den Child Support, Pensions and Social Security Act 2000 c.19. 2006 fand eine erneute Untersuchung dieses Rechtsbereichs durch eine Expertenkommission statt, um Reformvorschläge zu unterbreiten. 1192 Die Reformvorschläge führten zu einem Weißbuch; siehe Secretary of State for Work and Pensions, A new system of child maintenance (Cm.6979), 2006. 1193 Mittlerweile wurden der Child Maintenance and other Payments Act 2008 c.6 erlassen, durch den die Voraussetzungen für die Änderungen geschaffen wurden. Unter anderem soll die noch bestehende CSA und das von ihr verwaltete System des child support demnächst in eine neu gegründete Behörde namens »Child Maintenance and Enforcement Commission« (CMEC) integriert und sodann nach langsamem Auslaufen des alten Systems von letzterer abgelöst werden. Siehe zum »Fahrplan« des weiteren, umfassenden Reformprogramms dieses gesamten Rechtsbereichs Child Maintenance and Enforcement Commission, Corporate Plan 2009/10 – 2011/12, 2009, S. 6 ff. Des Weiteren werden aber auch umfassende Mittel zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen geschaffen werden, die auch eine (noch weitergehend als jetzt) mögliche Beitreibung der Unterhaltsschulden mittels privater Dienstanbieter, die Beantragung der Einziehung von Reisepässen säumiger Unterhaltsschuldner bei Gericht sowie die Möglichkeit eines direkten Zugriffs auf deren Bankkonten vorsieht; siehe Explanatory Notes Child Maintenance and Other Payments Act 2008 c.6, para. 43 sowie Halsbury’s Laws of England, Bd. 5(3), 4th ed. 2008, para. 563. Aufgrund dieser organisatorischen Umwälzungen mit einer damit nowendigerweise einhergehenden Differenzierung zwischen Alt- und Neufällen wird dieses Rechtsgebiet noch komplexer als es ohnehin ist. 1194 Also gegen das ursprüngliche »maintenance assessment« oder gegen eine nachträgliche Änderung dessen, genannt »departure« (nach dem Child Support Act 1991 c.48 in seiner gegenwärtigen Fassung) bzw. »variation« (nach der neuen Fassung des Child Support Act nach Inkrafttreten des Child Maintenance and Other Payments Act 2008 c.6). 1195 Die CSA besitzt ein umfangreiches Instrumentarium, um die Unterhaltsansprüche beizutreiben; siehe s.29 ff. Child Support Act 1991 c.48, sowohl in der alten als auch der aktuellen Fassung. 1196 Siehe s.29 ff. Child Support Act 1991 c.48 i. V. m. The Child Support (Collection and Enforcement) Regulations 1992, SI1992/1989.
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Fragen dabei ein tripolares Rechtsverhältnis zu Grunde liegt, äußert sich in den Verfahren darin, dass sich beide Elternteile gegen die Entscheidung über die Unterhaltshöhe wehren können1197 und dass in den mündlichen Verhandlungen neben dem Behördenvertreter1198 auch die beiden Elternteile zugegen sein können, um das Verfahren in ihrem jeweiligen Interesse zu beeinflussen.1199 d)
Sonstige sozialrechtliche Zuständigkeiten
Neben den oben näher ausgeführten Zuständigkeiten ist die SEC noch zuständig für :1200 – Streitigkeiten über Unterstützungsleistungen für Asylbewerber und deren Angehörigen.1201 Diese haben u. U. Anspruch auf Bereitstellung einer Unterkunft und finanzieller Hilfen für Lebensmittel u.s.w.1202 Das appeal-Recht gegen die Entscheidung, Unterstützungsleistungen nach diesen Vorschriften nicht zu gewähren, ergibt sich aus s.103 Immigration and Asylum Act 1999 c.33.1203 Da es hier inhaltlich um eine direkte Grundversorgung von Personen
1197 Siehe s.20(1)(a) Child Support Act 1991 c.48. 1198 Zu den »presenting officers« siehe auch noch unten, bei Fn. 2516f. 1199 Sofern beide Elternteile tatsächlich zu einer Anhörung erscheinen, führt dies offenbar dazu, dass das tribunal den Fortgang des Verfahrens in größerem Umfang den Parteien überlässt, also weit weniger eine amtsermittelnde Rolle einnimmt, als dies in anderen Tribunalsverfahren üblich ist; siehe Wikeley/Davis/Young, Child Support Appeal Tribunals, in: Harris/Partington (Hrsg.), Administrative Justice in the 21st century 1999, S. 287 (287 ff.); siehe zu den amtsermittelnden bzw. kontradiktorischen Verfahrensweisen der tribunals auch unten, VII.E. S. 394. 1200 siehe r.6(f)-(i) Chambers Order, SI2010/2655. 1201 »[…] cases regarding support for asylum seekers, failed asylum seekers, persons designated under section 130 of the Criminal Justice and Immigration Act 2008(e), or the dependants of any such persons«; siehe r.6(a) Chambers Order, SI2010/2655. 1202 Diese Ansprüche ergeben sich aus s.94 ff. Immigration and Asylum Act 1999 c.33 und s.17 ff. Nationality, Immigration and Asylum Act 2002 c.41. Diese Vorschriften gelten dabei auch für kriminelle Ausländer, die sich im Vereinigten Königreich aufhalten und ihre Abschiebung erwarten, aber aufgrund der humanitären Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs aus der EMRK nicht abgeschoben werden können. Diesen Personen kann vom Innenminister kraft s.130 Criminal Justice and Immigration Act 2008 c.4 ein besonderer Aufenthaltsstatus verliehen werden, der sie zu den gleichen Leistungen berechtigt (dies ergibt sich aus s.132(2)(b), nach dem eine solche Person wie ein Asylbewerber zu behandeln ist). Diese Unterstützungsleistungen werden von einer Behörde namens »National Asylum Support Service« (NASS), einer Unterabteilung der nationalen Ausländer- und Grenzsschutzbehörde namens »United Kingdom Border Agency« (UKBA) und damit effektiv vom Innenministerium verwaltet; siehe zum Ganzen Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 2.6. 1203 Dabei findet sich hier eine ouster clause, da ein appeal gegen die Entscheidung des FtT ausgeschlossen ist; siehe s.103(5) Immigration and Asylum Act 1999 c.33.
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geht, ist in den Verfahren zumeist höchste Eile geboten, was sich in bestimmten Verfahrensregeln der SEC widerspiegelt.1204 – Entschädigungszahlungen wegen einer Lungenerkrankung (insb. Lungenkrebs) aufgrund Kontakts mit Asbest:1205 Personen, die an einer durch Kontakt mit Asbest verursachten Krankheit leiden und denen wegen dieser Erkrankung keine anderweitigen, zivilrechtlichen Ansprüche1206 zustehen, kann eine staatliche Einmalzahlung als Entschädigung gewährt werden.1207 – Entscheidungen »regarding a certificate or waiver decision in relation to NHS charges«. Von dieser pauschalen Formulierung sind z. T. völlig verschiedene Sachverhalte erfasst: Zum einen geht es hier um den Erlass von Gebühren für Gesundheitsbehandlungen; in Großbritannien sind zwar grds. alle Gesundheitsbehandlungen durch den National Health Service (NHS) kostenfrei, bestimmte Maßnahmen sind jedoch zuzahlungspflichtig1208- für diese werden also Entgelte (NHS charges) fällig. Diese können bestimmten Personen erlassen werden, denen dann ein certificate hierüber ausgestellt wird.1209 Des 1204 Siehe etwa die Vorschriften in r.22 SEC-Rules, SI2008/2685, wonach der Antrag, gegen die Ausgangsentscheidung vorzugehen, direkt an das tribunal geschickt werden muss und nicht an die Ausgangsbehörde, sowie r.24 SEC-Rules, SI2008/2685, wonach die Ausgangsbehörde innerhalb von 3 Tagen nach Zustellung der Klageschrift durch das tribunal eine »notice of appeal« (quasi eine Verteidigungsanzeige) an das tribunal schicken muss. Insgesamt stellen diese Regeln allerdings wohl eher eine Hürde für den potentiellen Kläger dar, der – meist der englischen Sprache nicht mächtig – die Klage ebenfalls innerhalb von 3 Tagen nach Erhalt der Ausgangsentscheidung an das tribunal in englischer Sprache eingeleitet haben muss; siehe zu den erheblichen Nachteilen, die der Kläger in diesem Verfahren hat, die Verlautbarungen des Citizen Advice Bureau, Citizens Advice Bureau, Supporting Justice, 2009. 1205 Ansprüche auf solche Leistungen ergeben sich aus s.1ff Pneumoconiosis etc. (Workers’ Compensation) Act 1979 c.41 betreffend Einmalzahlungen für Arbeitnehmer, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit Asbest in Kontakt gekommen sind, siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 44(2), 4th ed. 1997, para. 168. Nach den neuen Bestimmungen von s.46 ff. Child Maintenance and other Payments Act 2008 c.6 ergeben sich ferner Ansprüche für Zahlungen an alle sonstigen Personen, die nicht bereits als Arbeitnehmer von den Bestimmungen von Pneumoconiosis etc. (Workers’ Compensation) Act 1979 c.41 erfasst sind, also etwa selbstständig Tätige. 1206 Etwa gegen einen (ehemaligen) Arbeitgeber, in dessen Verantwortungsbereich die Ursache für die Erkrankung lag; siehe zum ganzen Halsbury’s Laws of England, Bd. 44(2), 4th ed. 1997, para. 168 ff. sowie Wikeley, JSSL 2009, 16(1), 30 (30 ff.). 1207 Zuständig für deren Zahlung ist das DWP; siehe zum ganzen Halsbury’s Laws of England, Bd. 5(3), 4th ed. 2008, para. 168 ff. sowie Wikeley, JSSL 2009, 16(1), 30 (30). 1208 Etwa Medikamente, Sehhilfen und andere therapeutische Hilfsmittel sowie zahnärztliche Behandlungen. Geregelt sind diese Zuzahlungspflichten im National Health Service Act 2006 c.41 s.172 ff. (Part 9) i. V. m. verschiedenen Verordnungen; siehe etwa die The National Health Service (Charges for Drugs and Appliances) Regulations 2000, SI2000/620. 1209 Dabei ist ein solcher Erlass etwa zu Gunsten von Personen möglich, die ein niedriges Einkommen haben oder bereits andere Sozialleistungen beziehen und denen deshalb etwa ein NHS tax credit exemption certificate ausgestellt wurde sowie für Personen, die voraussichtlich gegen vorherige Zahlung einer pauschalen Summe ein sog. »pre-payment
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Weiteren fallen hierunter aber auch alle Fragen betreffend den Rückgriff des Staates auf einen Unfallverursacher hinsichtlich unfallbedingter Heilbehandlungskosten.1210 Der Schadensverursacher1211 kann, bevor er irgendwelche Zahlungen an die verletzte Person leistet, ein certificate beantragen, in welchem die Höhe der von ihm an den Staat zu entrichtenden NHS charges festgesetzt wird.1212 – Entscheidungen1213 betreffend die Anrechnung von Beitragszeiten (contributions) bzw. von Arbeitsentgelten oder Gewinnen (earnings)1214 als Beitrag zur Sozialversicherung.1215 Solche Anrechnungen erfolgen dabei etwa für Zeiten, in denen ein selbstständiger oder abhängig Beschäftigter bereits bestimmte Sozialleistungen bezieht,1216 sich noch in Ausbildung befindet1217 oder anderen Gründen.1218
1210 1211 1212
1213 1214 1215
1216 1217
certificate« (siehe s.174 National Health Service Act 2006 c.8) beziehen können, mit dem sie regelmäßig wiederkehrende Zahlungen im Voraus begleichen können. Gemeint sind hier die Kosten für Krankentransport durch eine Ambulanz, ärztliche Notversorgung und Unfallnachsorge. Aus Sicht des zunächst an den Verletzten leistenden Staates »compensator« genannt. Die charges werden also dem eigentlichen Schadensverursacher in Rechnung gestellt. Verwaltet wird das Ganze von einer besonderen Abteilung des DWP, der sog. »Compensation Recovery Unit« (CRU); siehe r.1 Road Traffic (NHS Charges) (Reviews and Appeals) (Amendment) Regulations 2006, SI2006/3398. Inhaltlich geht es dabei auch um die Frage nach dem Verschuldensbeitrag zur Verletzung eines anderen, da etwa ein Mitverschulden des Verletzten sich auf die Leistung des compensator an den Staat mindernd auswirkt. Geregelt ist dies im Part 3 s.150 ff. des Health and Social Care (Community Health and Standards) Act 2003 c.43 und weiteren, untergesetzlichen Regelungen; siehe zum Ganzen auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 54, 5th ed. 2008, para. 486 ff. Mit »waiver decision« ist in r.6(g) Chambers Order, SI2010/2655 gemeint, dass dem Unfallverursacher die sofortige Bezahlung der in dem certificate genannten, an den Staat zu zahlenden Summe zunächst erlassen wird. Der Schädiger kann einen Antrag auf Erlass einer solchen waiver decision stellen, die zu gewähren ist, wenn die sofortige Zahlungspflicht eine besondere Härte bedeutete. Wird dieser Antrag abgelehnt, kann er gegen diese Ablehnungsentscheidung das tribunal anrufen; siehe s.157 Health and Social Care (Community Health and Standards) Act 2003 c.43. R.6(h) Chambers Order, SI2010/2655 (» […] regarding entitlement to be credited with earnings and contributions«). In der Praxis wird meist einfach nur von »credits« gesprochen; siehe Her Majesty’s Revenue and Customs, National Insurance Manual 41205, 2006 Non-benefit credits: post1975 credited earnings (credits): overview. Zumindest in diesem Zusammenhang setzt sich die SEC also auch mit der »Einnahmenseite« des Sozialversicherungssystems auseinander – es geht letztlich um die Hinzurechnung fiktiver Sozialversicherungsbeiträge zu den tatsächlich für den Sozialversicherungspflichten gezahlten Beiträgen. Das durch diese (wahren und fiktiven) Beträge aufgebaute Guthaben dient der Ermittlung, welche Sozialversicherungsleistungen der Bürger in Anspruch nehmen kann. Etwa working tax credits; siehe r.7B und 7C Social Security (Credits) Regulations 1975, SI1975/556. Siehe r.7 Social Security (Credits) Regulations SI1975/556.
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– Entscheidungen betreffend Entschädigungszahlungen für Impfschäden (Vaccine Damage Payments):1219 U.U.1220 besteht wegen eines Impfschadens Anspruch auf eine Einmalzahlung als Entschädigung.1221 Gegen die Entscheidung, einen solchen Anspruch nicht zu gewähren, kann der Antragsteller das FtT anrufen; dabei ergibt sich die Besonderheit, dass der zuständige Minister auf Antrag oder auf eigene Initiative sowohl seine eigene Entscheidung als auch die Entscheidung eines tribunal in einem bestimmten Zeitraum1222 aufheben kann1223 – eine solche Rücknahmeentscheidung kann allerdings ihrerseits wieder zum Gegenstand einer Überprüfung durch das tribunal gemacht werden.1224 – Entscheidungen über die Frage, ob ein bestimmtes Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen ist:1225 Werden Sozialversicherungsansprüche aufgrund eines Arbeitsunfalls geltend gemacht, kann die Frage, ob ein solcher vorlag oder nicht, unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eines Anspruchs durch die Behörde vorab entschieden werden. Gegen diese Feststellung kann der Kläger das FtT anrufen, welches die Richtigkeit dieser Feststellung überprüft.1226 Dies ist jedoch – sowohl für die Ausgangsbehörde als auch für das tribunal – nur zulässig, wenn sichergestellt ist, dass die begehrte 1218 Wie etwa, dass die Person eine Pflicht als Mitglied einer jury erfüllt; siehe r.9B Social Security (Credits) Regulations SI1975/556. 1219 Siehe r.6(c) Chambers Order, SI2010/2655 i. V. m. s.4 Vaccine Damage Payment Act 1979 c.17. 1220 Die Bedingungen regeln der Vaccine Damage Payment Act 1979 c.17 sowie The Vaccine Damage Payments Regulations 1979, SI1979/432. 1221 Siehe r.2 The Vaccine Damage Payments Act 1979 Statutory Sum Order 2007, SI2007/1931; verwaltet wird das Ganze von der Vaccine Damage Payments Unit des DWP. 1222 Innerhalb von 6 Jahren seit Ergehen der Ausgangsentscheidung bzw. 2 Jahren seit Kenntnis der Entscheidung des tribunal; siehe r.11 The Vaccine Damage Payments Regulations 1979 SI1979/432. 1223 Dies ergibt sich aus s.3 AVaccine Damage Payments Act 1979 c.17 i. V. m. r.11 The Vaccine Damage Payments Regulations 1979 SI1979/432. 1224 Siehe s.4(1) Vaccine Damage Payments Act 1979 c.17. Ob allerdings diese Entscheidung des tribunal über die Rücknahmeentscheidung des Ministers nach s.3 A Vaccine Damage Payments Act 1979 c.17 wiederum vom Minister aufgehoben werden kann oder nicht, ist nicht geregelt. Allerdings verliert dieses Recht zur Rücknahme einer Entscheidung durch den Minister ohnehin dadurch an Brisanz, als dass Rückförderungsansprüche über eine bereits ausgezahlte Summe aufgrund einer solchen Rücknahmeentscheidung nicht entstehen können; dies ergibt sich aus s.3 A(5) Vaccine Damage Payments Act 1979 c.17. 1225 »[A]gainst a decision as to whether an accident was an industrial accident«; siehe r.6(i) Chambers Order, SI2010/2655. Die materiellrechtlichen Vorschriften hierzu finden sich in ss.29 ff. Social Security Act 1998 c.14. Erfasst werden dabei grds. alle Unfälle im Rahmen der beruflichen Tätigkeit eines abhängig beschäftigten Arbeitnehmers; siehe s.29(6) Social Security Act 1998 c.14. 1226 Siehe s.29 Social Security Act 1998 c.14. Das Verfahren vor dem tribunal ist damit von der Ausgangssituation vergleichbar der selbstständigen (§ 256 I ZPO) oder unselbstständigen Feststellungsklage (§ 256 II ZPO).
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Feststellung für die Gewährung eines Anspruchs überhaupt von Relevanz ist.1227 Die Integration all dieser Zuständigkeiten von bisher isoliert voneinander bestehenden tribunals in die SEC – allenfalls mit Ausnahme der besonderen Zuständigkeit für den Bereich des child support – macht die SEC funktional zum Äquivalent der deutschen Sozialgerichtsbarkeit, wie der Blick auf die in § 51 SGG abschließend aufgezählten Zuständigkeiten deutscher Sozialgerichte zeigt.
2.
Die War Pensions and Armed Forces Compensation Chamber (WPAFCC)
Auch wenn die Einrichtung dieser Kammer zunächst nicht geplant war, war sie doch eine der ersten, die errichtet wurde.1228 Sie hat die Arbeit der bisherigen Pensions Appeal Tribunals übernommen,1229 die zuständig waren für Streitigkeiten über die Gewährung oder Versagung von Kriegspensionen, d. h. Renten bzw. Entschädigungsleistungen aufgrund von Verletzungen von Soldaten, Angehörigen der Zivilverteidigung, Mitgliedern der Handelsmarine oder weiteren Dienstverpflichteten, die im Krieg oder im Rahmen ihrer sonstigen dienstlichen Tätigkeit einen Schaden erlitten haben.1230 Für die Vergabe dieser Pensionen ist mittlerweile das Verteidigungsministerium zuständig,1231 gegen dessen Entscheidungen die appeal-Rechte bestehen.1232 Das Entstehen entsprechender Ansprüche ist vor allem davon abhängig, ob eine Körperverletzung durch kriegerische Handlungen entstanden ist1233 – was sich in ihrer paritätischen 1227 Siehe s.29(3) Social Security Act 1998 c.14. 1228 In den ersten Vorschlägen der Regierung zur Ausgestaltung der Kammerstruktur findet sich die WPAFCC noch nicht als eigenständige Kammer, vielmehr sollte ihre Zuständigkeit Bestandteil der SEC sein; siehe hier Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07 – Response), 2008, S. 10. Allerdings findet sie sich bereits in der ersten Chambers Order; siehe r.4 Chambers Order, SI2684/2008. 1229 Sch.6 Part 1 TCEA 2007 c.15. 1230 Siehe auch Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 264. Andere Dienstverpflichtete, für die sich derartige Ansprüche ergeben können, sind etwa Mitglieder der Küstenwache oder Helfer in der Zivilverteidigung. 1231 Das ursprünglich selbstständige Ministerium für diese Kriegspensionen (siehe oben, Fn. 886) fiel zwischenzeitlich in das Ressort der für Sozialpolitik zuständigen Ministerien; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 49(1), 4th ed. 2005, para. 625. 1232 Halsbury’s Laws of England, Bd. 49(1), 4th ed. 2005, para. 624 mit Verweisen auf die jeweiligen Rechtsgrundlagen. 1233 Voraussetzung ist also das Vorliegen von »war injuries« oder »war damage«; siehe zu den Einzelheiten der Bedeutung dieser Begriffe die Vorschriften des Pensions (Navy, Army, Air Force and Mercantile Marine) Act 1939 (2& 3 Geo.VI) c.83; zu den Einzelheiten der Anspruchsgewährung insgesamt siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 49(1), 4th ed. 2005, para. 595.
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Zusammensetzung der Spruchkörper in dieser Kammer spiegelt: Ihr gehört stets ein Rechtskundiger, ein Mediziner sowie ein Mitglied an, welches in den Streitkräften gedient hat, wobei dieses Mitglied stets das gleiche Geschlecht haben muss wie der Kläger.1234 Diese Besonderheit in der Zuständigkeit war letztlich auch der Grund für die Entscheidung, für diesen Sachbereich eine eigene Kammer vorzusehen, denn es sollte sichergestellt sein, dass die Ansprüche derer, die im Dienst für ihr Land verletzt wurden, nur von Personen beurteilt werden, die selbst Militärdienst oder Krieg erlebt haben.1235 Hinsichtlich des in dieser Kammer angewandten Verfahrens sind Unterschiede zu den Verfahrensregeln der SEC zwar vorhanden, aber marginal.1236
3.
Die Health, Education and Social Care Chamber (HESCC)
Auch diese Kammer war eine der ersten, die gegründet wurde.1237 In ihre Zuständigkeit fallen völlig verschiedene Sachgebiete, deren verbindendes Element sich nur sehr schwer, wenn überhaupt, identifizieren lässt. In den Zuständigkeitsbereich dieser Kammer fallen Streitigkeiten aus folgenden Sachbereichen: a)
Schüler mit (Lern-)Behinderungen (Special Educational Needs, Disability Discrimination)
Die HESCC ist zuständig, wenn Entscheidungen von Schulbehörden über children with special educational needs strittig sind,1238 etwa bei Nichtgewährung von Unterstützungsmaßnahmen durch eine Schulbehörde für ein Kind mit special educational needs (SEN), d. h. Lern- bzw. geistigen oder körperlichen Behinderungen.1239 Die Hauptregelungen zu dieser Materie finden sich in Teil IV
1234 Siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 15/30. 1235 Diese Entscheidung wurde dabei offenbar erst sehr kurz vor der tatsächlichen Etablierung der Kammerstruktur getroffen; siehe Senior President of Tribunals, Second Implementation Review, 2008, Joint Statement from the Lord Chancellor and the Senior President of Tribunals on the Pensions Appeal Tribunal, Annex II. 1236 Leicht unterschiedliche Regelungen zwischen SEC und WPAFCC finden sich eigentlich nur hinsichtlich der Klärung medizinischer Fragen (siehe r.24(1)WPAFCC-Rules SI2008/ 2686 und r.25(1) SEC-Rules, SI2008/2685) – in der WPAFCC darf der Kläger nur dann durch ein Mitglied des tribunal medizinisch untersucht werden, wenn der Kläger dem zustimmt. 1237 Auch sie nahm am 03. 11. 2008 ihre Arbeit auf; siehe Senior President of Tribunals, First Implementation Review, 2008, para. 1. 1238 Siehe r.4(a) Chambers Order, SI2010/2655. 1239 Es geht hier also um die Bedürfnisse von Sonderschülern und Schülern mit den unterschiedlichsten körperlichen oder geistigen Defiziten. Die HESCC hat insoweit die
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Education Act 1996 c.56, der für Detailfragen durch einen code of practice, ein untergesetzliches Regelwerk ohne Verordnungscharakter, ergänzt wird.1240 Verpflichtet, für die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit SEN zu sorgen, sind die Kommunalbehörden, in deren Verwaltungsbezirk sich das betreffende Kind regelmäßig aufhält, sofern es eine öffentliche Schule besucht.1241 Da solche Kinder im Regelfall nicht auf Sonderschulen nach deutschem Verständnis geschickt werden sollen, muss die Behörde dafür Sorge tragen, dass den besonderen Bedürfnissen eines Schülers mit SEN im Rahmen der normalen Schulausbildung an einer mainstream school1242 Rechnung getragen wird, wobei grds. die Eltern bestimmen können, welche Schule das Kind besuchen soll1243 und die Schule verpflichtet wird, den besonderen Anforderungen des Kindes – etwa durch individuelle Anpassung des Lehrplans – zu entsprechen.1244 Um festzustellen, ob ein Kind die Voraussetzungen für die Durchführung von SEN-Maßnahmen erfüllt, können sowohl die Behörde als auch die Eltern des Kindes dessen medizinische Untersuchung anordnen bzw. verlangen.1245 Gegen Entscheidungen, die im Zusammenhang mit dieser Untersuchung des Kindes getroffen werden, besteht das Recht zur Anrufung des FtT.1246 Inhaltlich geht es daher vor allem darum, ob bzw. welche Bedürfnisse ein Kind hat und zwar sowohl im Hinblick auf seine körperlichen Eigenschaften als auch hinsichtlich der Eignung der Einrichtung, die es besuchen soll. In diesem Zusammenhang geht es also oftmals um medizinische Fachfragen.1247 Bemerkt sei an dieser Stelle noch, dass diese Zuständigkeit der HESCC sich ausschließlich auf England, aber nicht auf Wales erstreckt, da dort zwar die gleichen materiellrechtlichen Regeln gelten, aber ein eigenes Special Educational Needs Tribunal besteht.1248 Eng mit der oben beschriebenen Zuständigkeit für SEN hängt der Bereich der disability discrimination an Schulen zusammen, geht es doch dabei um Klagen von Eltern aufgrund von Diskriminierungen ihres Kindes durch eine Schule bzw. Schulbehörde. Die Regelungen hierzu finden sich jetzt im Equality Act 2010 c.15.1249 Nach dessen Vorschriften können etwa die Eltern eines behinderten
1240 1241 1242 1243 1244 1245 1246 1247 1248 1249
Rechtssprechungskompetenzen des Care Standards Tribunal übernommen. Dieses wurde durch den Protection of the Children Act 1999 c.14 gegründet. Siehe s.313 Education Act 1996 c.56. Halsbury’s Laws of England, Bd. 15(2), 4th ed. 2006, para. 985. S.316 Education Act 1996 c.56. Siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 15(2), 4th ed. 2006, para. 1006. Siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 15(2), 4th ed. 2006, para. 1008. Siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 15(2), 4th ed. 2006, para. 988 und para. 993. Siehe ss.325 ff. Education Act 1996 c.56. Dies äußert sich etwa in den besonderen Verfahrensregeln für die Erhebung von Beweismaterial in SEN-Fällen in r.15(4) HESCC-Rules, SI2008/2966. Siehe s.333 ff. Education Act 1996 c.56. Dieses Gesetz übernimmt dabei im Grunde ältere Regelungen aus dem Disability Dis-
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Kindes eine Schule zwingen Maßnahmen zu ergreifen, die aufgrund der Behinderung ihres Kindes notwendig sind, um etwa den sozialen Kontakt zu den Mitschülern zu verbessern; außerdem kann das tribunal sich in bestimmten Fällen mit Fragen der Zulassung eines Schülers auf eine Schule auseinandersetzen, wenn diese nur aufgrund der Behinderung eines Schülers nicht erfolgt ist.1250 Auch hier bezieht sich die Zuständigkeit in regionaler Hinsicht wieder nur auf England.1251 b)
Berufsverbote zum Schutz gefährdeter Personen (vulnerable persons)
Die HESCC ist auch zuständig für die Überprüfung von Entscheidungen, die einer Person eine berufliche Tätigkeit zu untersagen, im Rahmen derer dieser Person der Kontakt mit »gefährdeten Personen«, also Kindern, Jugendlichen sowie »gefährdeten Erwachsenen«, d. h. vor allem körperlich oder geistig behinderten oder sonstwie betreuungsbedürftigen Erwachsenen möglich ist.1252 Personen, deren Verhalten Anlass zu der Befürchtung gibt, dass sie für die Arbeit mit solchen besonders schutzbedürftigen Menschen ungeeignet sind, können in eine oder mehrere Listen aufgenommen werden; geschieht dies, sind ihnen bestimmte berufliche Tätigkeiten bei Strafe verboten.1253 Dabei betrifft die Zuständigkeit des FtTaber nur bestimmte Altfälle, die jedoch noch einige Relevanz haben: Die Regelungen, nach denen diese Zuständigkeit des FtT begründet wurde,1254 sollten nämlich eigentlich durch ein neues Gesetz konsolidiert werden, dessen Wirkung allerdings vorerst weitgehend ausgesetzt ist; darauf wird im Einzelnen noch in der Darstellung der Zuständigkeiten des UT näher eingegangen.1255
1250 1251 1252 1253
1254 1255
crimination Act 1995 c.50; siehe Explanatory Notes Equality Act 2010 c.15, para. 917. Die Regelungen finden sich in S. 116 i. V. m. sch.17 Equality Act 2010 c.15. Siehe Explanatory Notes Equality Act 2010 c.15, para. 917 mit einer ausführlichen Beschreibung von Beispielen. Siehe sch.17 para. 1 Equality Act 2010 c.15. Siehe die Definition von s.59 Safeguarding Vulnerable Groups Act 2006 c.47. Es existier(t)en bisher 3 Listen, auf denen Personen geführt werden, für die die Arbeit mit gefährdeten Personen ausgeschlossen ist: »List 99«, geführt nach s.142(1) Education Act 2002 c.32, ist eine Liste ungeeigneter Lehrer; in die Listen mit den Kurzbezeichnungen »PoCA«, geführt nach s.1 Protection of Children Act 1999 c.14 und »PoVA« (»Protection of Vulnerable Adults«), geführt nach s.81(1) Care Standards Act 2000 c.14, sollen all die Personen aufgenommen werden, die als ungeeignet angesehen werden, mit gefährdeten (d. h. v. a. behinderten, jungen) Erwachsenen zu arbeiten; siehe zu diesem alten Regelungsregime Halsbury’s Laws of England, Bd. 5(3), 4th ed. 2008, para. 648 ff. Es sind bzw. waren dies der Education Act 2002 c.32, der Protection of the Children Act 1999 c.14 und der Care Standards Act 2000 c.14. Siehe unten, V.C.1.a), S. 287.
260 c)
Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
Gesundheitsdienstleister, Kinderbetreuung und Schulen, Sozialarbeiter (social care)
Mehrere einzeln aufgelistete Zuständigkeiten der HESCC beziehen sich auf bestimmte Regulierungsentscheidungen im Zusammenhang mit der Anbietung von Gesundheitsfürsorge, Betreuungs- und Beschulungsleistungen für Kinder sowie Sozialarbeit.1256 Für die Anbieter all dieser verschiedenen Dienstleistungen besteht das Erfordernis einer Registrierung, also etwa für die Anbieter von Gesundheitsleistungen (health and social care),1257 alle Sozialarbeiter1258, alle Anbieter von Kinderbetreuung (child care)1259 sowie alle Betreiber einer Privatschule (independent school)1260 oder privaten Bildungseinrichtung (independent educational institution).1261 Die Gewährung oder Versagung dieser Registrierungen hängt stets von Faktoren wie der allgemeinen Zuverlässigkeit der Antragsteller und dem Entsprechen der von ihnen erbrachten Leistungen mit den gesetzlichen Mindestanforderungen ab. Insoweit weisen diese Streitigkeiten viele Parallelen zu denen auf, für deren Entscheidung die sogleich dargestellte GRC zuständig ist. Thematisch hängen die in diesen Streitigkeiten aufgeworfenen Sachfragen aber im weitesten Sinne mit denen zusammen, die auch in anderen Zuständigkeitsbereichen der HESCC relevant sind.
1256 Siehe r.4(d)-(h) Chambers Order, SI2010/2655. 1257 I.S.v. r.4(d) und (e) Chambers Order, SI2010/2655: Diese ergeben sich für alle Anbieter von »health and social care« aus Part I ss.8ff Health and Social Care Act 2008 c.14. Als solche gelten Hausärzte (»general practitioners«) und Apotheker, Zahnärzte und Kieferorthopäden. Wollen diese auch NHS-Patienten behandeln, müssen sie mit dem jeweils lokal zuständigen NHS-Trust Verträge schließen; für die Beaufsichtigung dieser Anbieter ist sodann eine eigene Behörde verantwortlich, die Care Quality Commission, gegen deren Entscheidungen sich aus s.32 Health and Social Care Act 2008 c.14 ein appeal-Recht ergibt. Vormals gehörten diese Aufgaben im Zusammenhang mit Anbietern von Dienstleistungen des NHS zu den Aufgaben der Health Services Appeals Authority und davor zu denen der Family Practitioners Committees; zu deren Verfahrenspraxis siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 5/2. 1258 I.S.v. r.4(f) Chambers Order, SI2010/2655: Diese ergeben sich aus s.56 Care Standards Act 2000 c.14; für die Beaufsichtigung dieser Anbieter ist ein eigener »care council« jeweils für England und Wales zuständig; gegen dessen Entscheidungen – etwa die Ablehnung oder Aufhebung einer Registrierung als »social care worker« – ergibt sich ein appeal-Recht aus s.68 Care Standards Act 2000 c.14. 1259 I.S.v. r.4(f) Chambers Order, SI2010/2655: Dies ergibt sich aus ss.63 ff. des Children Act 1989 c.41 für staatliche Kinderheime (»registered children’s homes«); sowie aus dem Childcare Act 2006 für alle möglichen Arten von Kinderbetreuung aller Altersstufen (»early/later years childminder«; siehe ss.33 und 52 Childcare Act 2006 c. 21). 1260 I.S.v. r.4(h) Chambers Order, SI2010/2655: Die Regelungen hierzu finden sich in s.157 ff. Education Act 2002 c.32, die appeal-Rechte ergeben sich aus s.166 Education Act 2002 c.32. 1261 I.S.v. r.4(h) Chambers Order, SI2010/2655: Die Regelungen hierzu finden sich in Part 4 (s.92 ff.) Education and Skills Act 2008 c.25, die appeal-Klauseln in ss.124 ff. Education and Skills Act 2008 c.25.
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d)
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Unterbringungsrecht (mental health)
Mit diesem Sachbereich übernimmt die HESCC die Rolle der alten Mental Health Review Tribunals (MHRTs),1262 die bisher für einzelne Fragen im Zusammenhang mit der zwangsweisen Unterbringung geistig verwirrter Personen in offenen oder geschlossenen Einrichtungen zuständig waren, also für Maßnahmen, die mit gravierenden Eingriffen in die Freiheit des Einzelnen einhergehen.1263 Die MHRTs wurden Ende der 50er Jahre geschaffen,1264 um darüber zu befinden, ob Personen, die aufgrund ihres psychischen Zustandes unter besondere vormundschaftliche Betreuung gestellt oder in eine Heilanstalt eingewiesen wurden, wieder in ein normales Leben entlassen werden können.1265 Gegenstand der Überprüfung des tribunal im Bereich mental health ist dabei nicht die Rechtmäßigkeit der Entscheidung, einen psychisch Kranken in eine Einrichtung einzuliefern oder einer anderen Maßnahme zu unterziehen;1266 Hauptaufgabe der tribunals ist es vielmehr, die Rechtmäßigkeit der Aufrechterhaltung der Maßnahmen zu prüfen, denen ein psychisch Kranker bereits
1262 Sch.6 TCEA 2007 c.15 – dies gilt allerdings nur für die MHRTs, die bisher für England zuständig waren. Daneben besteht unverändert ein eigenständiges Mental Health Review Tribunal für Wales; siehe s.65 Mental Health Act 1983 c.20. 1263 Die Sensibilität solcher Entscheidungen für die Rechte des Einzelnen äußert sich etwa darin, dass Entscheidungen von MHRTs in der Vergangenheit besonders häufig (am häufigsten nach den Entscheidungen in Asylverfahren) im Wege des JR vor den ordentlichen Gerichten angegriffen wurden; siehe Secretary of State for Justice, Tribunals, Courts and Enforcement Bill: Regulatory Impact Assessment, 2006 S. 10: Zwischen September 2003 und September 2005 kam es zu 80 JR-Verfahren. 1264 Durch den Mental Health Act 1959 c.72; siehe auch McHale/Fox/Gunn, Health Care Law, 2nd ed. 2007, S. 549. 1265 Der Einführung dieser tribunals ging in den 50er Jahren eine lange Diskussion über die Neugestaltung des Unterbringungsrechts geistesgestörter Personen voraus, an deren Ende man sich bewusst dagegen entschied, Entscheidungskompetenzen in diesem Zuammenhang den ordentlichen Gerichten zuzuweisen; vielmehr hoffte man durch die Errichtung der tribunals ein flexibles Instrument zu schaffen, mittels dessen die (Sicherheits-)Interessen der Allgemeinheit und des psychisch Kranken in Einklang zu bringen waren. Die strikt formellen Verfahren der Gerichte schienen für diesen Zweck ungeeignet; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 245 ff. sowie zum Ganzen Jackson/Spencer, Machinery of Justice, 8th ed. 1989, S. 124. 1266 Anders als deutsche Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach den §§ 312ff FamFG, die grds. angerufen werden müssen, bevor eine Einweisung erfolgt, agieren die tribunals insoweit als ein »ex post facto-watchdog«; siehe Bartlett/Sandland, Mental Health Law, 3rd ed. 2007, S. 373. Allerdings ist die Entscheidung, einen psychisch Kranken einer Maßnahme zu unterziehen, meist der Anlass für ein Verfahren vor den tribunals. So entsteht etwa gem. s.66(1) Mental Health Act 1983 c.20 das Recht, einen Antrag an das tribunal zu richten, vielfach zeitlich direkt nach einer behördlichen Maßnahme (z. B. gem. s.66(1)(a) und (b) nach Einlieferung einer Person in ein Krankenhaus oder nach s.66(1)(f) Mental Health Act 1983 c.20, wenn die Behörde eine für den Bürger günstige Ermessenentscheidung unterlässt).
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
unterzogen wird.1267 S.72 Mental Health Act 1983 c.20 schreibt deshalb vor, dass das tribunal lediglich zu betrachten habe, ob ein Patient tatsächlich eine Geistesstörung hat und ob deren Schwere ausreicht, um eine angeordnete Behandlung weiterhin angemessen erscheinen zu lassen.1268 Eine retrospektive Betrachtung der Rechtmäßigkeit des Verfahrens, durch welches der Patient der Maßnahme erst unterworfen wurde,1269 findet nicht statt. Ferner ist der Prüfungsumfang auch insoweit beschränkt, als dass etwa Fragen, die für den arrestierten Patienten eines Krankenhauses von besonderer Bedeutung sind (wie etwa die Bedingungen der Behandlung des Patienten oder die sonstigen Lebensbedingungen in der konkreten Einrichtung) nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht Gegenstand des Tribunalsverfahrens sind;1270 es
1267 Die rechtlichen Mechanismen, aufgrund derer eine Person in eine Einrichtung zwangseingewiesen werden kann, sind dabei höchst unterschiedlich und haben für das Tribunalsverfahren unterschiedliche Auswirkungen. Die meisten Insassen psychiatrischer Einrichtungen können bzw. müssen allerdings in der Praxis kein Verfahren vor einem tribunal durchführen, da sie ohnehin nicht gegen deren Willen dort festgehalten werden – sie sind im Wege einer sog. »informal admission« zur Behandlung eingewiesen worden; siehe dazu im Einzelnen Bartlett/Sandland, Mental Health Law, 3rd ed. 2007, S. 111 bzw. S. 362. Mangels Notwendigkeit haben diese auch kein Recht zur Anrufung eines tribunal; siehe Bartlett/Sandland, Mental Health Law, 3rd ed. 2007, S. 373. 1268 Bis 1983 war die Rolle der HMRTs dabei sogar noch beschränkter, ihre Entscheidung war nämlich nicht aus sich selbst heraus bindend, sondern stellte – gleich der eines »inquiry« – lediglich eine Empfehlung an den zuständigen Minister dar, der sodann die letztliche Entscheidung zu fällen hatte. Aufgrund einer Verurteilung des Vereinigten Königreichs durch den EGMR in der Entscheidung X v. United Kingdom (1981) 4 EHRR 181 wurde diese Gesetzeslage geändert; eine Beteiligung des Ministers an der eigentlichen Entscheidung findet heute nicht mehr statt; siehe zum Ganzen die Darstellung in der Entscheidung SSJ v. RB [2010] UKUT 454 (AAC), para. 15 f. 1269 In groben Zügen läuft eine zwingende Einweisung in eine Einrichtung oder die Unterstellung unter Vormundschaft im Normalfall so ab (siehe ss.2 – 15 Mental Health Act 1984 c.20), dass eine Person – ein Sozialarbeiter oder ein Angehöriger, siehe s.11(1) Mental Health Act 1984 c.20 – nach Anhörung mehrerer Experten einen Antrag an die Einrichtung, in der die betreffende Person untergebracht werden soll, stellt. Wird dem Antrag stattgegeben, hat der Antragsteller das Recht erworben, den psychisch Kranken – auch gegen dessen Willen – dort hin zu überführen, notfalls unter Hinzuziehung weiterer Personen (wie etwa besonderer Pfleger oder der Polizei), und dort für maximal 14 Tage festzuhalten; siehe s.6 Mental Health Act 1984 c.20 sowie Jones, Mental Health Act Manual, 10th 2006, para. 1 – 076; Bartlett/Sandland, Mental Health Law, 3rd ed. 2007, S. 179, para. 5.4.1.3. In eiligen Fällen kann auch ein Friedensrichter (s.135 Mental Health Act 1983 c.20) oder die Polizei (s.136 Mental Health Act 1983 c.20) zum Schutz einer geistig verwirrten Person eine Verbringung an einen »place of safety« erlassen, wo die Person 72 Stunden festgehalten werden kann. 1270 Wobei derartige Fragen allerdings innerhalb des Ermessens des tribunal bei der Frage nach der Freilassung eines Patienten eine Rolle spielen können; siehe Bartlett/Sandland, Mental Health Law, 3rd ed. 2007, S. 580.
Die Kammern des First-tier Tribunal (FtT)
263
stehen damit weniger die Rechte des Patienten im Vordergrund1271 als vielmehr vor allem dessen gegenwärtiger Gesundheitszustand. Das Prüfungsprogramm des tribunal ist mithin überwiegend auf medizinische und nur wenige rechtliche Fragen begrenzt.1272 Allerdings ergeben sich auch innerhalb solcher Verfahren gelegentlich auch reine Rechtsfragen, wie etwa die Frage, ob bzw. in welchem Umfang die Behörde dem betroffenen Patienten Akteneinsichtsrechte gewähren muss.1273 Die Kontrolle durch das tribunal ist dabei nicht einmalig, sondern kann nach den Regelungen des Mental Health Act 1983 c.20 immer wieder auf Antrag sowohl des Patienten als auch auf Antrag der zuständigen Behörde stattfinden: Es besteht etwa eine Pflicht für die Manager eines Krankenhauses oder einer ähnlichen Einrichtung, in der Patienten untergebracht sind, die Fälle der dort untergebrachten Patienten regelmäßig dem tribunal vorzulegen. So wird sichergestellt, dass auch in Fällen, in denen der Patient selbst gerade aufgrund seiner Erkrankung keinen Antrag an das tribunal stellen würde, regelmäßig eine Überprüfung der Maßnahmen stattfindet, der er unterworfen ist.1274 Aufgrund der Grundrechtssensibilität der Verfahren in diesem Bereich weisen die Verfahrensregeln der HESCC einen eigenen Teil mit besonderen Regeln für mental health-Fälle auf.1275
4.
Die Tax Chamber (TC)
Die TC wurde in der zweiten Phase der Implementation des TCEA eingeführt.1276 Wie ihr Name besagt, setzt sie sich vor allem mit Steuerfragen auseinander ; die Bestimmung, die ihre Zuständigkeit eröffnet, knüpft dabei grds. an eine vorausgegangene Entscheidung der Finanz- und Zollbehörden, also HMRC an, sofern diese nicht eine Materie betrifft, die bereits der SEC zugewiesen ist oder 1271 »The Tribunals System’s governing legislation is not geared to require a patient’s rights approach.« Bartlett/Sandland, Mental Health Law, 3rd ed. 2007, S. 580. 1272 Bartlett/Sandland, Mental Health Law, 3rd ed. 2007, S. 386. 1273 Genau diese Frage war etwa Gegenstand des Verfahrens Dorset Healthcare NHS Foundation v. MH [2009] UKUT 4 (AAC). 1274 Diese Aufgabenstellung der tribunals wird auch durch die Bezeichnung »application to the tribunal« deutlich, denn der Bürger richtet den Antrag an das tribunal, seine Freilassung zu prüfen. Daneben nennt s.67 auch noch den Begriff »reference (to the tribunal)«, welches das Antragsrecht von Behörden an das tribunal meint. Informationen zu den einzelnen Konstellationen, in denen das FtT und das UT mit derartigen Verfahren befasst werden können, finden sich im Health, Reference Guide Mental Health Act 1983, 2008 Ch. 22 zu den »Applications« und Ch. 23 zu den »References«. 1275 Siehe Part 4 HESCC-Rules, SI2008/2966. 1276 Die Tax Chamber wurde am 01. 04. 2009 eingeführt, siehe Senior President of Tribunals, Second Implementation Review, 2008, para. 30.
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
die in erster Instanz bereits dem UT zufallen.1277 Wie bereits gezeigt, ist damit die TC auch für einige Fragen aus dem Bereich des Sozialrechts zuständig.1278 a)
Kontrolle von Finanz- und Finanzermittlungsbehörden
Hinsichtlich des Steuerrechts übernimmt die TC somit die Zuständigkeit der General Commissioners sowie der Special Commissioners;1279 insoweit knüpft das FtT direkt an die Geschichte dieser oben beschriebenen tribunals an. Ihre Tätigkeit umfasst Zoll- und Steuerstreitigkeiten aller Art, teils mit sehr geringen, teils aber auch mit enorm hohen Streitwerten.1280 Auch fallen alle möglichen Steuerarten in ihren Tätigkeitsbereich, da sie auch die bisherigen Zuständigkeiten der Special Commissioners etwa für die Mineralöl- oder Tabaksteuer in sich aufgenommen hat.1281 Somit ist das FtT nun zuständig für die Überprüfung aller möglichen Entscheidungen der Steuerbehörden, sei es hinsichtlich der Festsetzung der Steuerhöhe oder hinsichtlich der Ausübung von Kompetenzen zur Steuerermittlung und -beitreibung.1282 Außerdem sind in die TC noch die VAT and Duties Tribunals integriert worden, die sich mit Fragen der Mehrwertsteuer befassen,1283 sowie das sog. section 7061284 bzw. section 703 tribunal.1285 Bei letzterem handelte es sich um ein
1277 1278 1279 1280 1281 1282
1283
1284 1285
Siehe r.7(a) Chambers Order, SI2010/2655. Dazu siehe bereits oben, bei Fn. 1155. Siehe zu den General Commissioners of Income Tax schon oben, III.B.1.a), S. 172. Siehe Bishopp, Tribunals, 2011, Summer, 9 (9); siehe zur bisherigen Arbeitsteilung zwischen General und Special Commissioners im Einzelnen Halsbury’s Laws of England, Bd. 23(2), 4th ed. 2002, para. 1759 ff. Entsprechend ergeben sich appeal-Rechte zurm FtT in Steuerfragen heute auch aus Gesetzen wie dem Oil Taxation Act 1975 c.22, dem Inheritance Act 1984 c. 51 oder dem Finance Act 1994 c.9. Siehe zu den appeal-Rechten gegen Entscheidungen im Bereich der Einkommenssteuer Halsbury’s Laws of England, Bd. 23(2), 4th ed. 2002, para. 1751 ff. mit Verweis auf die jeweiligen appeal-Klauseln. Ermittlungs- und Vollstreckungskompetenzen insb. in Zollangelegenheiten ergeben sich etwa aus dem Finance Act 1994 c.9. Bishopp, Tribunals, 2011, Summer, 9 (9); die VAT-Tribunals wurden durch sch.6 Finance Act 1972 c.41 geschaffen und ihre Tätigkeit wurde zuletzt durch den Value Added Tax Act 1994 c.23 geregelt (wobei sie seit dem Finance Act 1994 c.9 den Namen »VAT and Duties Tribunals« tragen); siehe zu den VAT and Duties Tribunals insgesamt Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 17/6 ff.; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 226 ff. Dieses tribunal hat keinen eigenen Namen, sondern wird entweder als »section 706 tribunal« bezeichnet (siehe Senior President of Tribunals, Third Implementation Review, 2009, S. 3) oder als »section 703 tribunal«; siehe auch nächste Fn. 1285. Auch die Bezeichnung »section 703 Tribunal« wurde für diesen Spruchkörper verwendet; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Tax Tribunals: The Special Commissioners the VAT and Duties Tribunal the Section 703 Tribunal, para. 4. Beides meint jedoch dasselbe: Während s.706 Income and Corporation Taxes Act 1988 c.1 die Zusammensetzung des
Die Kammern des First-tier Tribunal (FtT)
265
tribunal, welches sich mit Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung einer besonderen Steuerprüfung zur Verhinderung von Steuervermeidung1286 auf dem Gebiet des Körperschaftssteuerrechts (und zunächst auch noch des Einkommenssteuerrechts)1287 durch die Finanzbehörden auseinandersetzte und diese zunächst genehmigen1288 und – im Falle von Streitigkeiten nach Durchführung der Prüfung1289 – über deren Korrektheit zu befinden hatte. Dieses tribunal1290 hatte in der Praxis nur eine geringe Relevanz.1291 Das gleiche gilt wohl auch für das 2007 noch zusätzlich, gewissermaßen als rein einkommenssteuerrechtliche Abspaltung vom section 706 tribunal geschaffene section 704 tribunal,1292 welches durch den Income Tax Act 2007 c.31293 geschaffen wurde und
1286 1287
1288
1289
1290
1291 1292
tribunal regelt, regelt s.703 Income and Corporation Taxes Act 1988 c.1 die Aufgabe des nach s.706 des Gesetzes zusammengesetzten tribunal. »Tax avoidance« bedeutet dabei eine eigentlich legale Methode der Steuervermeidung und ist abzugrenzen von »tax evasion«, also illegaler Steuerhinterziehung; Law/Martin, in: Law/Martin (ed.), A Dictionary of Law, 2009, Stichwort: »tax avoidance«. Zunächst bestand mit dem »section 706 tribunal« ein einziger Spruchkörper für besondere Steuerprüfungen im Zusammenhang mit Einkommens- und Körperschaftssteuer – durch das spätere »section 704 tribunal« wurde die einkommenssteuerrechtliche Zuständigkeit in ein neues, eigenes tribunal überführt; siehe sogleich, bei Fn. 1292. Das tribunal hatte zunächst darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen für die Durchführung einer besonderen Steuerprüfung vorlagen; siehe s.703(10)(a) Income and Corporation Taxes Act 1988 c.1. Das war der Fall, wenn ein bestimmtes steuerrechtliches Arrangement sich offensichtlich als Konstrukt zur Steuervermeidung darstellte. In diesem Fall konnte die Finanzbehörde zunächst dem entsprechenden Steuerzahler mitteilen, dass nach ihrer Ansicht eine gesonderte Steuerprüfung notwendig sei – widersprach dieser der Auffassung der Behörde, konnte diese die Genehmigung der Prüfung beim section 706 tribunal beantragen; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Tax Tribunals: The Special Commissioners the VAT and Duties Tribunal the Section 703 Tribunal, para. 4. Siehe s.705(2) Income and Corporation Taxes Act 1988 c.1 a. F. Nach dieser Vorschrift agierte das section 706 tribunal gewissermaßen als Revisionsinstanz – gegen eine Entscheidung der Finanzbehörde zur bzw. nach Durchführung der besonderen Steuerprüfung gem. s.703 Income and Corporation Taxes Act 1988 c.1 a. F. waren zunächst die Special Commissioners anzurufen. Gegen deren Entscheidung wiederum konnte sowohl die Finanzbehörde als auch der betroffene Steuerzahler das section 706 tribunal anrufen. Dieses tribunal war grds. nicht mit den General oder Special Commissioners identisch, die Mitglieder dieses tribunal und der Vorsitzende wurden vom Lord Chancellor ernannt. Jedoch bestand in der Praxis teilweise Personenidentität mit den anderen, steuerrechtlichen tribunals (der Vorsitzende war etwa zugleich Vorsitzender der Special Commissioners und President der VATand Duties Tribunals); siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Tax Tribunals: The Special Commissioners the VAT and Duties Tribunal the Section 703 Tribunal, para. 4. Zwischen 1999 und 2000 etwa gab es gerade einmal 21 Verfahren vor diesem tribunal; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Tax Tribunals: The Special Commissioners the VAT and duties Tribunal the Section 703 Tribunal, para. 4. Diese übernahm die Aufgaben des section 706 Tribunal im Hinblick auf rein einkommenssteuerrechtliche Fragen, während das section 706 Tribunal seine Zuständigkeit für reine Körperschaftssteuerfragen behielt. Beide tribunals wurden dann in die TC transferiert; siehe Art. 2 The Transfer of Tribunal Functions and Revenue and Customs Appeals Order 2009, SI2009/56, der beide tribunals nennt.
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
wohl nicht einmal in Aktion trat;1294 auch dessen Zuständigkeit ist in der TC aufgegangen. Des Weiteren ist die TC heute auch zuständig für Streitigkeiten betreffend Entscheidungen der Serious Organised Crime Agency (SOCA), einer zentralstaatlichen Kriminalbehörde, die allen Fällen organisierten Verbrechens nachgeht:1295 Beim Vorliegen des Verdachts, dass bestimmte Vermögenswerte aus einer Straftat erlangt wurden, hat diese Behörde die Möglichkeit, die Kompetenzen der allgemeinen Steuerbehörden an sich zu ziehen und auszuüben;1296 die inhaltlichen Fragen, die sich dem FtT in einem solchen Verfahren stellen, sind damit die gleichen wie in dem Fall, dass die Steuerbehörden selbst ihre Kompetenzen ausüben. Das gleiche gilt auch für die Überprüfung von Entscheidungen der Grenzschutzbehörde UKBA,1297 die zugleich als Zollbehörden tätig werden und Kompetenzen ausüben können, die sonst HMRC zustehen.1298 1293 Dieses Gesetz trennte den Income and Corporation Taxes Act 1988 c.1 gewissermaßen in seine, jeweils die Einkommenssteuer- und die Körperschaftssteuer betreffenden Bestimmungen auf, so dass der Income and Corporation Taxes Act 1988 c.1 nachher nur noch Regelungen zur Körperschaftssteuer enthielt, während alle Regelungen zur Einkommenssteuer von Privatpersonen im Income Tax Act 2007 c.3 zusammengefasst wurden. Heute regeln sich appeals gegen besondere Steuerprüfungen im Bereich Einkommenssteuer nach den Vorschriften des Income Tax Act 2007 c.3, wohingegen die entsprechenden Regelungen im Bereich der Körperschaftssteuer in einem weiteren, neuen Gesetz, dem Corporation Tax Act 2010 c.4 geregelt sind, aus dem sich damit nun die appeal-Rechte zum FtT für Fragen der Körperschaftssteuer ergeben. 1294 Siehe s.704 Income Tax Act 2007 c.3. Dieses tribunal wurde dabei offenbar so kurz vor Erlass des TCEA 2007 c.15 etabliert, dass dieser für den Transfer dieses tribunal in die neue Struktur bereits geändert werden musste; siehe r.2 The Transfer of Tribunal Functions Order 2008, SI2008/2833. 1295 Halsbury’s Laws of England, Bd. 36(1), 4th ed. 2007, para. 430. Diese Behörde wurde durch den Serious Organised Crime and Police Act 2005 c.15 geschaffen und hat die Funktion, als Ermittlungsbehörde eigenständig oder in Kooperation mit anderen nationalen und internationalen Ermittlungsbehörden das organisierte Verbrechen zu bekämpfen; hierzu siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 36(1), 4th ed. 2007, para. 439 ff. und 494. 1296 Siehe s.317 ff. Proceeds of Crime Act 2002 c.29; siehe hierzu auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 11(4), 4th ed. 2006, para. 1743. 1297 Gemeint ist die UKBA; zu dieser siehe bereits oben, Fn. 1202. 1298 Siehe r.7(c) Chambers Order, SI2010/2655, der auf die Zuständigkeiten des »Director of Border Revenue« gem. s.7 Borders, Citizen and Immigration Act 2009 c.11 verweist (dass in der amtlichen Fassung der Chambers Order, SI2010/2655 selbst von »Borders, Citizen and Revenue Act 2009« die Rede ist, ist wohl ein Versehen; ein entsprechendes Gesetz existiert nicht). Nach dem Borders, Citizenship and Immigration Act 2009 c.11 wurde die Aufgabe der britischen Grenzschutzbehörde UKBA auch auf zollrechtliche Angelegenheiten ausgeweitet; insoweit nehmen sie nun eine konkurrierende Zuständigkeit mit dem Finanzamt wahr, das letztlich die gleichen Funktionen inne hat, diese jedoch in allen Sachverhalten ausüben soll, die sich im Landesinneren ereignen. Angehörige der UKBA sollen diese Aufgaben im Namen des Director of Border Revenue an der Grenze wahrnehmen; siehe Explanatory Notes, Borders, Citizenship and Immigration Act 2009 c.11, para. 4 ff.
Die Kammern des First-tier Tribunal (FtT)
b)
267
Ausgaben von Parlamentariern
Aufgrund des geballten finanz- und steuerrechtlichen Sachverstands wurde dieser Kammer zuletzt auch die Zuständigkeit für Klagen im Zusammenhang mit der Überprüfung der Ausgaben von Abgeordneten des britischen Unterhauses übertragen.1299 Diese relativ neue Zuständigkeit, die auf einen politischen Skandal von 2009 zurückgeht,1300 ist allerdings in der Praxis bisher nicht relevant geworden.1301 Insoweit ist die TC zuständig für die Überprüfung von Entscheidungen des compliance officer,1302 der quasi eine Widerspruchsbehörde gegen Entscheidungen der Independent Parliamentary Standards Authority (IPSA) darstellt, welcher nach dem Parliamentary Standards Act 2009 c.13 als unabhängiger Behörde innerhalb des Parlaments die Überwachung und Genehmigung der Ausgaben einzelner Abgeordneter des Unterhauses obliegt.1303
5.
Die General Regulatory Chamber (GRC)
Diese Kammer hat seit September 2009 schrittweise die Zuständigkeiten mehrerer Einzeltribunals übernommen, die durch einzelne Rechtsverordnungen1304 in das FtT integriert wurden; die Zuweisung dieser Zuständigkeiten in die GRC erfolgt dabei grds. durch eine recht weite, generalklauselartige Formulierung in 1299 R.7(d) Chambers Order, SI2010/2655; Bishopp, Tribunals, 2011, Summer, 9 (9). 1300 2009 hatte eine Anfrage nach dem Freedom of Information Act 2000 c.36 aufgedeckt, dass viele, auch hochrangige Mitglieder des Parlaments aller Parteien sich mit falschen Angaben über die Ausgaben für ihre parlamentarische Tätigkeit teilweise massiv bereichert hatten. Dies hatte in der Folge nicht nur umfassende politische Konsequenzen, sondern führte auch zur Einführung des Parliamentary Standards Act 2009 c.13; siehe zum Ganzen Parpworth, MLR 2010, 73(2), 262 (262 ff.). 1301 Siehe Bishopp, Tribunals, 2011, Summer, 9 (9). 1302 Der »compliance officer«, der von der IPSA bestimmt wird, kann von den Mitgliedern des Parlaments angerufen werden, um nachteilige Entscheidungen der IPSA auf Antrag des betroffenen Parlamentariers zu prüfen. Erhält er diese aufrecht, ist hiergegen die Anrufung des FtT zulässig; siehe etwa s.6 A(6) Parliamentary Standards Act 2009 c.13 nach Nichtgenehmigung von Ausgaben durch die IPSA, s.3(1) Parliamentary Standards Act 2009 c.13 nach einer Anordnung der IPSA, bereits geleistete Kompensationen zurückzuzahlen bzw. s.6(1) Parliamentary Standards Act 2009 c.13 gegen die Verhängung von Ordnungsgeldern durch den »compliance officer« wegen Nichtbefolgung einer Rückzahlungsanordnung. 1303 Für das Oberhaus gilt das gesetzliche Überwachungsregime nicht; siehe s.2 Parlimanentary Standards Act 2009 c.13; zur IPSA insgesamt Parpworth, MLR 2010, 73(2), 262 (262 ff.). 1304 Es sind dies The Transfer of Functions of the Charity Tribunal Order 2009, SI2009/1834; The Transfer of Functions of the Consumer Credit Appeals Tribunal Order 2009 SI2009/ 1835; The Transfer of Functions (Estate Agents Appeals and Additional Scheduled Tribunal) Order 2009, SI 2009/1836; The Transfer of Functions (Transport Tribunal and Appeal Panel) Order 2009 SI 2009/1885.
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
der Chambers Order, die der GRC eine umfassende Aufsicht über etliche Gremien verleiht, deren Aufgabe die Beaufsichtigung und Regulierung von Akteuren in völlig unterschiedlichen Bereichen ist.1305 Kennzeichen der mit dem Sammelbegriff regulation1306 bezeichneten staatlichen Tätigkeit ist oftmals, dass nicht der Staat selbst – also ein Ministerium oder eine diesem direkt unterstehende Behörde – sondern meist eine weitgehend unabhängige Regulierungsinstanz tätig wird,1307 die bestimmte Aktivitäten durch die Vergabe von Lizenzen oder Eintragung in Register legalisiert, die ansonsten illegal wären, die die Ausübung dieser Tätigkeiten überwacht und im Falle bestimmter Gesetzesverstöße verschiedene Sanktionen (etwa Widerruf der Erlaubnis oder Löschung aus dem Register) verhängen kann, die dann vom jeweils Betroffenen vor dem FtT angegangen werden können.1308 Allerdings passt dieses Bild nicht auf alle Zuständigkeiten der GRC; ihre Tätigkeitsfelder sind vielmehr folgende:
1305 Siehe r.3(a) Chambers Order, SI2010/2655. 1306 Der Begriff »regulation« ist sehr vielgestaltig und schillernd: »Regulation is of the essence of administrative law, constituting much of the interface between the state and the individual or »legal persons«. To a greater or lesser extent, and in a myriad of different ways, citizens, small business, large corporate and even multinational enterprise fall into its domain.« Harlow/Rawlings, Law and Administration, 3rd ed. 2009, S. 234. Klarer ist demgegenüber die folgende Beschreibung: »Regulation refers to legal rules which seek to steer the behaviour of mainly private citizens and companies but also of central and local government as well as public agencies. […] It is a newer area of legal practice and analysis having developed in connection with late nineteenth- and twentieth-century welfare states’ attempts to shape the behaviour of private and public actors. Regulation in a narrow sense (the ›regulatory state thesis‹) denotes new forms of legal regulation arising from the reform and streamlining of contemporary welfare states. It involves departure from ›old regulation‹, such as public ownership, planning, and central administration. Classic definitions of regulation focus on state regulation of private activity. […] Public powers can be regulated through ›new public management‹ which involves the transfer of private sector management ethos and techniques to the central government civil service and local government.« Cane/Conaghan/Daintith, in: Cane (ed.), Oxford Companion to Law, 2009, Stichwort: »regulation«. 1307 Oftmals handelt hier nicht eine Behörde im klassischen Sinne, sondern eine executive agency oder ein NDPB (dazu siehe schon oben, bei Fn. 498). So handelt es sich etwa bei der gleich zu beschreibenden »Charity Commission« (siehe hierzu unten, bei Fn. 1355) der »Immigration Services Commissioner« (siehe hierzu unten, bei Fn. 1367), das sog. »Office of Fair Trading« (OFT – siehe noch unten, Fn. 1382) oder die »Gambling Commission« (siehe unten, bei Fn. 1386) um »non-departmental public bodies«. Andere Regulierungsentscheidungen werden hingegen direkt von klassischen Verwaltungsbehörden und Ministerien getroffen – so ist etwa das Justizministerium direkt zuständig für Regulierungsentscheidungen im Bereich des »claims management« (siehe hierzu unten, bei Fn. 1378). 1308 Siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 129, der das Beispiel der »Financial Services Authority« (zu dieser siehe noch unten, bei Fn. 1552) beschreibt.
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a)
269
Datenschutz und Informationsfreiheit
Die GRC behandelt Klagen gegen Entscheidungen des Information Commissioner,1309 der sich vergleichbar dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sowohl mit Datenschutz und Datensicherheit,1310 sowie mit Informationsfreiheit1311 gegenüber Behörden und staatlichen Stellen befasst.1312 Nach dem Data Protection Act 1998 c.29 obliegt dem Information Commissioner die Setzung und Überwachung der Einhaltung von Standards bei Unternehmen und anderen Einrichtungen, die Daten verarbeiten.1313 Stellt er Regelverstöße fest, kann er bestimmte Anordnungen gegen diese datenverarbeitenden Stellen erlassen,1314 die strafbewehrt sind.1315 Gegen den Erlass dieser Anordnungen steht den Betroffenen ein appeal-Recht zum FtT zu.1316 Für den Bereich der Informationsfreiheit obliegt dem Information Commissioner die Pflicht, die Zugänglichmachung von Akten und Informationen zu überwachen und die Einhaltung der Regelungen des Freedom of Information Act 2000 c.36 durch öffentliche Stellen sicherzustellen.1317 Vor allem aber hat der 1309 Insoweit hat die GRC die Zuständigkeit des alten Information Tribunal übernommen; siehe zu diesem Halsbury’s Laws of England, Bd. 8(1), 4th ed. 2003, para. 521. 1310 Der Rechtsbereich des Datenschutzes wird überwiegend geregelt im Data Protection Act 1998 c.29 sowie den Privacy and Electronic Communications Regulations 2003, SI2003/ 2426. 1311 Der Zugang zu Informationen regelt sich vornehmlich nach dem Freedom of Information Act 2000 c.36; für den Bereich des Umweltrechts bestehen Sonderregelungen in den Environmental Information Regulations 2004, SI2004/3391. 1312 Das Amt des Information Commissioner wird durch s.6 Data Protection Act 1998 c.29 geschaffen (ursprünglich als Data Protection Commissioner). S.18(4) i. V. m. sch.2 Freedom of Information Act 2000 c.36 überträgt diesem allgemein weitere Pflichten und macht ihn zum Information Commissioner. Allgemein zu dessen Pflichten siehe ss.58 ff. Data Protection Act 1998 c.29 sowie bei Halsbury’s Laws of England, Bd. 8(1), 4th ed. 2003, para. 518 ff. 1313 Dabei handelt es sich um »data controller«, wenn sie die Art und den Zweck der Verarbeitung persönlicher Daten bestimmen können; die Personen, die etwa im Auftrag eines data controller tatsächlich mit Daten in Berührung kommen, heißen demgegenüber »data processors«, siehe s.1(1) Data Protection Act 1998 c.29. Für data controller besteht, wie im deutschen Datenschutzrecht auch, eine Pflicht, sich unter bestimmten Voraussetzungen als solche registrieren zu lassen und sodann bestimmte Datenschutzprinzipien einzuhalten. 1314 Die Kompetenzen des Information Commissioner im Zusammenhang mit dem Datenschutz ergeben sich aus s.40 ff. Data Protection Act 1998 c.29 sowie aus r.31 f. Privacy and Electronic Communications Regulations 2003, SI2003/2426. 1315 Siehe s.47 Data Protection Act 1998 c.29. 1316 Siehe s.48 Data Protection Act 1998 c.29. 1317 Siehe s.47 Freedom of Information Act 2000 c.36. Behörden und andere öffentliche Stellen müssen sich an einen »code of practice« halten, nach dem eigene Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Die Überwachung der Einhaltung dieses code of practice obliegt dem Information Commissioner. Er kann hierzu an eine Behörde, die sich nicht an die Grundsätze der Informationsfreiheit hält, eine »practice recom-
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
Information Commissioner gewissermaßen selbst die Rolle eines tribunal inne, da er von einzelnen Bürgern angerufen werden kann, denen nach Stellung eines ordnungsgemäßen Antrages und einem behördeninternen Überprüfungsverfahren1318 der Zugang zu bestimmten Informationen von einer Behörde versagt wurde. Dem Information Commissioner obliegt es dann zu prüfen, ob die Behörde sich an die Grundsätze und Verfahrensanforderungen gehalten hat, die das Gesetz für die Zugänglichmachung von Informationen aufstellt.1319 Stellt er ein Fehlverhalten der Behörde fest, kann er Anordnungen treffen, um das Akteneinsichtsrecht des Antragsstellers durchzusetzen.1320 Sowohl dem Bürger als auch der Behörde steht gegen eine jeweils nachteilige Entscheidung des Information Commissioner ein Recht zum appeal zum FtT zu.1321 Außerdem ergeben sich auch appeal-Rechte des Bürgers1322 sowie des Information Commissioner gegen ein sog. national security certificate – ein solches kann ein Minister erlassen, um Informationen bestimmter Behörden, insb. der Geheimdienste zu schützen,1323 bzw. um die Offenlegung aller Informationen zu verhindern, die von besonderer Relevanz für die nationale Sicherheit sind.1324
1318
1319 1320
1321 1322 1323
1324
mendation« erlassen, um die Einhaltung allgemeiner Standards sicherzustellen. Außerdem obliegt ihm eine Berichtspflicht zum Parlament; siehe s.47 ff. Freedom of Information Act 2000 c.36. Der code of practice (siehe oben, Fn. 1317) hat ein solches behördeninternes Überprüfungsverfahren mit vorzuschreiben und auszugestalten; siehe s.45(2)(e) Freedom of Information Act 2000 c.36 sowie Explanatory Notes Freedom of Information Act 2000 c.36, para. 156. Die Durchführung ist obligatorisch – wurde das Verfahren nicht durchgeführt, hat der Commissioner die Möglichkeit, den Antrag auf Entscheidung gleich abzuweisen; siehe s.50(2)(a) Freedom of Information Act 2000 c.36. Siehe s.50 Freedom of Information Act 2000 c.36. Der Commissioner kann zunächst weitere Informationen von der Behörde fordern (durch sog. »information notice«; siehe s.51 oder durch eigene Ermittlungen vor Ort, wofür ihm unter bestimmten Umständen eine gerichtliche Betretungs- und Nachforschungserlaubnis erteilt werden kann; siehe s.55 i. V. m. sch.3 Freedom of Information Act 2000 c.36) sowie genaue Anordnungen an die Behörde erlassen, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften wieder herstellen sollen (»enforcement notice«, s.52 Freedom of Information Act 2000 c.36). Dabei wird diesen Anordnungen durch s.54 Freedom of Information Act 2000 c.36 eine erhöhte Schlagkraft verliehen, da bei Nichtbeachtung der Anordnungen diese dem High Court oder Court of Session vorgelegt werden können, was die Anwendung der Regelung über einen »contempt of court« ermöglicht (zum »contempt of court« siehe unten, VIII.A.1., S. 478). Siehe s.57 Freedom of Information Act 2000 c.36. Ein appeal-Recht nur des Bürgers folgt aus s.28(4) Data Protection Act 1998 c.29, sofern dieser von einem »National Security Certificate« betroffen ist; siehe nächste Fn. 1323. Siehe s.23(2) Freedom of Information Act 2000 c.36: Stammt eine Information von einem der in s.23(3) genannten Stellen oder hängt mit einer solchen zusammen, kann der Minister dies durch das National Security Certificate feststellen, was als »conclusive evidence« für die Notwendigkeit ihrer Geheimhaltung gilt und damit eine weitere Überprüfung aller damit zusammenhängenden Fragen ausschließt. Siehe s.24(3) Freedom of Information Act 2000 c.36 bzw. s.28(2) Data Protection Act 1998 c.29.
Die Kammern des First-tier Tribunal (FtT)
271
Für solche Streitigkeiten findet sich allerdings in den Verfahrensregeln der GRC eine besondere Bestimmung, welche den Transfer dieser Verfahren an das UT vorschreibt, so dass diese praktisch nur dort verhandelt werden.1325
b)
Sanktionen im Umweltrecht
Des Weiteren ist die GRC für die Überprüfung bestimmter verwaltungsrechtlicher Sanktionsentscheidungen im Umweltrecht zuständig. Für den Umweltschutz und die Überwachung der Einhaltung von Umweltstandards sind verschiedene Institutionen zuständig, denen weitreichende Kompetenzen und Ermessensspielräume zuerkannt sind:1326 2008 wurden dabei die Regulierungsinstrumente bzw. Sanktionsmechanismen im Bereich des Umweltrechts umfassend reformiert1327 und ein neues Regime von civil sanctions eingeführt, welches den Behörden eine größere Flexibilität bei der Ahndung von Umweltsünden ermöglichen soll.1328 Diese neuen Mechanismen stehen darüber hinaus aber nicht nur Umweltbehörden zu, sondern einer ganzen Bandbreite von verschiedensten Regulierungsinstitutionen,1329 und umfassen einfache, vorher festgelegte Geldstrafen,1330 discretionary requirements,1331 wie Geldstrafen variabler 1325 Siehe r.19(1 A) GRC-Rules, SI 2009/1976; siehe zu diesen besonderen Entscheidungen außerdem auch unten, bei Fn. 2372. 1326 Für die Zwecke der folgenden Ausführungen sind dies die »Environment Agency« und eine Einrichtung namens »Natural England«; siehe r.2 The Environmental Civil Sanctions (England) Order 2010, SI2010/1157; siehe zum Folgenden insgesamt auch Stallworthy, Understanding Environmental Law, 2008, S. 76. 1327 Dies geschah durch den Regulatory Enforcement and Sanctions Act 2008 c.13. Dieses Gesetz stellt die Umsetzung von Vorschlägen zweier Untersuchungen (siehe Her Majesy’s Treasury, Reducing Administrative Burdens, 2005 und Her Majesty’s Treasury, Regulatory Justice, 2006) dar und soll ein generell effizienteres System der Regulierung und v. a. neue Instrumente zur Durchsetzung von Regulierungsentscheidungen einführen. Diese kamen im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass das damalige Regulierungssystem zu sehr auf strafrechtlichen Sanktionen aufbaute und damit zu unflexibel war. 1328 Siehe Dep. for Business Enterprise & Regulatory Reform, Regulatory Enforcement and Sanctions Act – Guidance, 2008 S. 7 und 27 ff. Die einzelnen Maßnahmen sind konkret ausgestaltet in The Environmental Civil Sanctions (England) Order 2010, SI2010/1157. 1329 Siehe sch.5 Regulatory Enforcement and Sanctions Act 2008 c.13, wo die Behörden benannt werden, denen die neuen Sanktionsmöglichkeiten durch Anordnung des zuständigen Ministers zuerkannt werden können; darunter sind neben den Regulierungseinrichtungen im Bereich Umweltrecht auch andere Einrichtungen aus allen möglichen Bereichen (etwa die Gambling Commission – siehe zu dieser Fn. 1386 – oder der Information Commissioner ; siehe oben, bei Fn. 1312). 1330 »Fixed monetary penalty notice«; siehe s.39 Regulatory Enforcement and Sanctions Act 2008 c.13. 1331 Dabei handelt es sich letztlich um ein Bündel nicht weiter determinierter Maßnahmen, welche das Fortbestehen eines Fehlverhaltens oder dessen Folgen beseitigen sollen, und deren Auswahl im Ermessen der Behörde steht.
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Höhe,1332 eine Anordnung zur Vornahme bestimmter, durch die Regulierungsbehörde zu wählender Maßnahmen, die innerhalb einer durch sie zu setzenden Frist vorzunehmen sind,1333 sowie Maßnahmen, die die Wiederherstellung eines durch eine Verletzungshandlung eingetretenen Zustandes bewirken sollen.1334 Zudem kann an den »Umweltsünder« eine stop notice ergehen als Aufforderung, eine fortdauernde Verletzungshandlung einzustellen.1335 Daneben finden sich im Gesetz auch innovative Sanktions- bzw. Wiedergutmachungsmechanismen, wie etwa Mittel des sog. enforcement undertaking,1336 einer Vereinbarung zwischen einer Regulierungsbehörde und dem »Umweltsünder«, dem die Möglichkeit gegeben wird, der Behörde selbst und von sich aus Maßnahmen vorzuschlagen, die den rechtmäßigen Zustand wieder herstellen.1337 Gegen die Anordnung solcher Maßnahmen bzw. im Falle von Streitigkeiten, die sich aus diesen ergeben, ist die Anrufung des FtT möglich.1338 c)
Disziplinaraufsichtsverfahren gegen Mitglieder der Gemeindeverwaltung (standards for England)
Die GRC hat ferner die Zuständigkeit der tribunals übernommen, die sich bisher aus den Mitgliedern des Adjudication Panel for England zusammensetzten;1339 1332 »Variable monetary penalty«, s.42(3)(a) Regulatory Enforcement and Sanctions Act 2008 c.13. 1333 Siehe s.42(3)(b) Regulatory Enforcement and Sanctions Act 2008 c.13, als »compliance requirement« bezeichnet; siehe Dep. for Business Enterprise & Regulatory Reform, Regulatory Enforcement and Sanctions Act – Guidance, 2008, S. 35. 1334 Siehe s.42(3)(c) Regulatory Enforcement and Sanctions Act 2008 c.13, als »restoration requirement« bezeichnet Dep. for Business Enterprise & Regulatory Reform, Regulatory Enforcement and Sanctions Act – Guidance, 2008, S. 35. 1335 Siehe s.46 Regulatory Enforcement and Sanctions Act 2008 c.23. 1336 Siehe s.50 Regulatory Enforcement and Sanctions Act 2008 c.23. 1337 Akzeptiert die Regulierungsbehörde den Vorschlag, so sind bei vereinbarungsgemäßem Verhalten des Störers die Möglichkeiten der Behörde zu einer einseitigen Sanktionierung ausgesetzt; siehe s.50(4) Regulatory Enforcement and Sanctions Act 2008 c.23 sowie zu der Ausgestaltung dieses neuen Regulierungsinstruments Dep. for Business Enterprise & Regulatory Reform, Regulatory Enforcement and Sanctions Act – Guidance, 2008, S. 43. 1338 Die einzelnen appeal-Rechte sind konkret ausgestaltet in The Environmental Civil Sanctions (England) Order 2010, SI2010/1157. Appeals gegen ein »enforcement undertaking« als solches sind dabei aufgrund der Tatsache, dass die Maßnahmen durch den Verletzer selbst der Behörde vorgeschlagen wurden, im Grunde ausgeschlossen; denkbar wäre aber die Anrufung des FtT etwa dann, wenn die zwischen Behörde und Störer getroffene Vereinbarung vorsieht, dass die Behörde dem Störer die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten aus der Vereinbarung bescheinigt, sie sich jedoch weigert, dies zu tun; siehe Dep. for Business Enterprise & Regulatory Reform, Regulatory Enforcement and Sanctions Act – Guidance, 2008, S. 44. 1339 R.2(1)(a) The Transfer of Tribunal Functions Order 2010, SI2010/22; r.3(a) Chambers Order 2010/2655 verweist die daraus resultierende Zuständigkeit des FtT in die GRC. Die
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die Einordnung dieser Zuständigkeit – die sich nur auf England und nicht auf Wales bezieht1340 – in die GRC erschließt sich nicht auf den ersten Blick, geht es doch dabei inhaltlich um die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gegen Amtsträger von Kommunalorganen- und behörden,1341 insb. Gemeinderatsmitgliedern: Nach den Regelungen des Local Government Act 2000 c.221342 muss jede Kommunalverwaltungseinheit in England für ihre Amtsträger einen Verhaltenskodex schaffen1343 sowie ein Kontrollorgan, welches die Einhaltung des Kodex überwacht und – etwa aufgrund von Beschwerden aus der Bevölkerung gegen einen Amtsinhaber – konkreten Verletzungen nachgehen.1344 Wird eine solche Verletzung durch das gemeindeeigene Kontrollorgan festgestellt, kann dieses das Verhalten unter anderem1345 einem zentralen Organ für ganz England,
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»tribunals drawn from the Adjudication Panel for England« sind die »Case Tribunals« gem. s.76(1) Local Government Act 2000 c.22 a. F. und die »Interim Case Tribunals« gem. s.76(2) Local Government Act 2000 c.22 a. F. Die Case Tribunals bzw. Interim Case Tribunals für Wales bleiben bestehen – in die Zuständigkeit des FtT wurden daher nur die entsprechenden tribunals für England transferiert. Die hiermit bezeichneten Bestimmungen des Local Government Act 2000 c.22 sind also nicht vollständig aufgehoben. Pflichten nach dem Local Government Act 2000 c.22 bestehen nicht nur für Kommunalverwaltungen, sondern auch für andere Behörden auf lokaler Ebene, etwa Polizei-, Rettungs-, Feuerwehr- oder Nationalparkbehörden; siehe s.49(6) Local Government Act 2000 c.22. Die Regelungen des Local Government Act 2000 c.22 wurden dabei durch den Local Government and Public Involvement in Health Act 2007 c.28 nochmals umfassend geändert. Es ist außerdem bereits angekündigt, dass das im Folgenden beschriebene System demnächst nochmals grundlegend reformiert wird durch den Localism Bill 2011; siehe dazu die Informationen hier: http://www.communities.gov.uk/localgovernment/decen tralisation/localismbill/, besucht am: 04. 08. 2011. Dieser jeweilige Kodex hat sich am »model code« zu orientieren, der vom zuständigen Secretary of State for Communities and Local Government erlassen wird; siehe ss.49 ff. Local Government Act 2000 c.22 sowie Halsbury’s Laws of England, Bd. 69, 5th ed. 2009, para. 96. Der model code, der durch Rechtsverordnung (aktuell: »The Local Authorities (Model Code of Conduct) Order 2007, SI2007/1159) erlassen wird, muss von den Lokalbehörden adaptiert werden, soweit diese sich nicht einen eigenen code of conduct geben; siehe s.50 Local Government Act 2000 c.22. Der model code enthält Regelungen zu den unterschiedlichsten Dingen, von allgemeinen Pflichten zu höflichem und respektvollem Verhalten anderen gegenüber bis zu detaillierten Vorschriften zu den Fragen, wann ein persönliches Interesse an einer Entscheidung vorliegt und wie in diesem Fall zu verfahren ist. Diese lokalen Überwachungsorgane werden »Standard Committees« genannt; siehe s.53 Local Government Act 2000 c.22 sowie Halsbury’s Laws of England, Bd. 69, 5th ed. 2009, para. 238. Das Recht, zu diesen schriftliche Beschwerden über Angehörige einer Lokalbehörde einzureichen ergibt sich aus s.57 A Local Government Act 2000 c.22. Daneben hat das Standard Committee der Gemeinde auch die Möglichkeit, der Beschwerde selbst oder überhaupt nicht nachzugehen; siehe s.57 A(2)(a) und (c) Local Government Act 2000 c.22. Geht es der Beschwerde selbst nach – dies geschieht durch eine Ermittlung durch den lokalen »monitoring officer«, den jede Lokalbehörde seit dem Local Government and Housing Act 1989 c.22 haben muss – hat das Standard Committee die
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dem Standards Board for England vorlegen,1346 welches seinerseits die Möglichkeit hat, einen eigenen Ermittler damit zu beauftragen, zu untersuchen, ob der behauptete Regelverstoß vorliegt.1347 Kommt der Ermittler zu dem Ergebnis, dass ein Fehlverhalten vorlag, hat er seine Ergebnisse in einem Bericht zusammenzufassen1348 und diesen dem FtTvorzulegen, welches – je nach dem, wie weit die Ermittlungen bis zur Erstellung des Berichts gediehen sind – darüber zu entscheiden hat, ob das fragliche Fehlverhalten tatsächlich vorlag1349 bzw. welche Sanktion hierfür zu verhängen ist.1350 Dabei werden die Sanktionen – im Höchstfalle immerhin die Suspendierung der betreffenden Person von ihrem Amt für 5 Jahre1351 – sowie das in diesen Fällen anzuwendende Verfahren von einer Verordnung ergänzend zur Verfahrensordnung der GRC geregelt.1352 Das FtT übt in diesen Verfahren damit gewissermaßen die Aufgabe eines Disziplinargerichts aus und weniger die eines Aufsichtsorgans über eine Regulierungsbehörde.1353 Wie sogleich gezeigt wird, hat das FtT eine solche Funktion aber auch in anderen Zusammenhängen.
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Möglichkeit, ein Fehlverhalten dem FtT zur Verhängung einer Sanktion vorzulegen; siehe s.66 A Local Government Act 2000 c.22. Siehe s.57 A(2)(b) Local Government Act 2000 c.22. Siehe s.58(1)(a) Local Government Act 2000 c.22. Der Ermittler wird als »ethical standards officer« bezeichnet, dessen Ermittlungsbefugnisse durch s.59 ff. Local Government Act 2000 c.22 geregelt werden. Siehe s.64(3) Local Government Act 2000 c.22 für abschließende Berichte (in diesem Fall ist der ethical standards officer vom Vorliegen eines Fehlverhaltens überzeugt, das tribunal hat also nur noch über die Sanktion zu entscheiden) bzw. s.65(3) Local Government Act 2000 c.22 für vorläufige Berichte (in diesem Fall ist der ethical standards officer nach seinen eigenen Ermittlungen zu dem Ergebnis gekommen, dass ein schwerwiegendes Fehlverhalten gegeben sein könnte, das eine sofortige Suspendierung durch das tribunal erforderlich macht, weshalb bereits der vorläufige Bericht an das tribunal weitergeleitet wird). Ob das vorgeworfene Verhalten wirklich vorlag, hat das FtT bei Vorlage eines vorläufigen Berichts (siehe oben, Fn. 1348) zu ermitteln – diese Aufgabe des FtT entspricht dann der des vormaligen »interim case tribunal« nach s.76(2) Local Government Act 2000 c.22. Dies gilt im Falle des Vorliegens eines vollständigen Berichts, der zu dem Ergebnis kommt, dass ein Fehlverhalten vorlag und entspricht der Rolle der alten »case tribunals« nach s.76 (1) Local Government Act 2000 c.22. Siehe r.3(1)(k) The Case Tribunals (England) Regulations 2008, SI2008/2938 – hat die betreffende Person ein Amt inne, in welches sie gewählt wurde, entfällt mit der Suspendierung auch die Möglichkeit einer Wiederwahl in dieses Amt. Siehe The Case Tribunals (England) Regulations 2008, SI2008/2938. Als »Regulierungsbehörde« in diesem Sinne lässt sich allenfalls die Tätigkeit des »Standards Board for England« begreifen, welches seit den Veränderungen dieses Rechtsbereich durch den Local Government and Public Involvement in Health Act 2007 c.28 die Rolle einer Aufsichtsbehörde über die Tätigkeiten der lokalen standard committees hat und diese in ihrer Tätigkeit unterstützen und die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben sicherstellen soll. Dies äußert sich etwa darin, dass das Standards Board for England die Möglichkeit hat, auch ein ganzes lokales Standard Board von seinen Aufgaben zu entheben; siehe s.57D Local Government Act 2000 c.22.
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d)
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Allgemeine Regulierungszuständigkeiten
Namensgebend für diese Kammer sind letztlich vor allem die Zuständigkeiten der GRC für die Überprüfung von Entscheidungen unterschiedlichster Regulierungs- und Aufsichtsgremien über verschiedenste Tätigkeiten: (1) Karitative Einrichtungen (charities) So ist die GRC etwa zuständig für Entscheidungen, die die Regulierung von charities betreffen, also karitativen und sonstigen, nicht gewinnorientierten Einrichtungen,1354 deren Aktivitäten von der Charity Commission überwacht werden.1355 Insoweit hat die GRC die Zuständigkeit des alten Charity Tribunal1356 übernommen. Der ehemalige Vorsitzende des Charity Tribunal ist dabei allerdings nicht in das FtT (und damit die GRC), sondern in das UT transferiert worden;1357 das Charity Tribunal wurde damit gewissermaßen auf FtT und UT aufgeteilt, genauso wie dessen Zuständigkeiten: Auf der Ebene des UT ist für die charities cases die TCC zuständig,1358 an diese können besonders komplexe Fälle von der GRC weitergeleitet werden.1359 Die Regelungen betreffend charities sind noch relativ neu und bisher gab es in diesem Rechtsbereich nur wenige Möglichkeiten zur Klärung grundlegender, offener Fragen durch die Rechtsprechung – diese Aufgabe wird nun FtT und UT zufallen.1360 Dies wird dadurch erleichtert, dass bestimmte Rechtsfragen im Wege eines abstrakten Vorlageverfahrens (re1354 Der Bereich der charities regelt sich nach dem Charites Act 1993 c.10; siehe zu diesem Rechtsbereich insgesamt auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 8, 5th ed. 2010, para. 1 ff. 1355 Die Charity Commission wird durch s.1 Charities Act 1993 c.10 geschaffen und hat die Aufgabe der Überwachung und Registrierung karitativer Einrichtungen, zu deren Ausübung ihr umfassende Ermittlungsbefugnisse gewährt wurden und zu deren Durchsetzung ihr scharfe Instrumente zustehen, wie z. B. die Suspendierung eines Angehörigen einer karitativen Einrichtung von dessen Amt, dessen Ersetzung oder eine allgemeine Anordnung, keine Zahlungen mehr an eine bestimmte Einrichtung zu zahlen. Gegen all diese Entscheidungen ergeben sich aus unterschiedlichen Vorschriften des Gesetzes appeal-Rechte; siehe zum Ganzen auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 8, 5th ed. 2010, para. 538 ff., insb. para. 573 mit einer Übersicht über die appeal-Rechte. 1356 Das Charity Tribunal selbst war erst relativ kurz vorher – 2008 – eingeführt worden, zuvor war gegen Entscheidungen der Charity Commission lediglich die Einlegung eines appeal zum High Court möglich; siehe Morris, CJQ 2010, 29(4), 491 (491). 1357 Siehe r.3 The Transfer of Functions of the Charity Tribunal Order 2009, SI2009/1834; Halsbury’s Laws of England, Bd. 8, 5th ed. 2010, para. 573. 1358 Dazu siehe unten, V.C.3., S. 306; siehe auch Morris, CJQ 2010, 29(4), 491 (491). 1359 R.19 GRC-Rules, 2009/1976. 1360 Das bisherige appeal-Recht zum High Court stellte ein teures und komplexes Verfahren dar, welches viele karitative Organisationen von einem Vorgehen gegen Entscheidungen der Charity Commission abschreckte, weshalb es in diesem Bereich bisher nur wenig Rechtsprechung gab. Durch die Einführung des Charity Tribunal sollte ein einfacheres Verfahren geschaffen werden, welches gerade auch zur Entwicklung dieses Rechtsgebiet beiträgt; siehe zum Ganzen Morris, CJQ 2010, 29(4), 491 (492 f.).
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ference) dem FtT zugeführt werden können, ohne dass diese in einem konkreten Verfahren streitig sein müssen.1361 Als weitere Besonderheit dieses Rechtsbereichs ist zu nennen, dass gegen einige Entscheidungen der Charity Commission ein Recht zum review durch das FtT möglich ist – dabei handelt es sich um einen Fall des »gesetzlichen JR«, also ein Verfahren zur Überprüfung einer Entscheidung, welches vom Gesetz hinsichtlich seiner materiellen Prüfungsdichte ausgestaltet ist wie der JR der ordentlichen Gerichte.1362 (2) Beratungsdienstleister für Einwanderer (immigration services) Auch ist die GRC zuständig für Regulierungsentscheidungen im Zusammenhang mit sog. immigration service providers (ISPs). Diese Zuständigkeit betrifft einen Annex zum Asyl- und Immigrationsrecht:1363 1999 wurde ein umfassendes System zur Regulierung von immigration services geschaffen.1364 Erfasst davon ist im Grunde jegliche Handlung oder Erklärung namens eines Asylbewerbers oder Immigrationswilligen gegenüber hoheitlichen Stellen – also gegenüber einem Gericht, einem tribunal oder einer Behörde – sofern es sich dabei um eine systematisch und dauerhaft ausgeübte Tätigkeit handelt.1365 Als für solche Tä-
1361 Siehe sch.1D para. 1 i. V. m. s.2 A(4) Charities Act 1993 c.10. Eine solche Vorlage ist mit Zustimmung des Attorney General möglich, der vor Einführung der Charity Commission deren heutige Aufgaben weitgehend wahrnahm. Die Zuständigkeit der GRC als erster Instanz ergibt sich hierfür aus r.3(b) Chambers Order, SI 2010/2655. 1362 Das Gesetz ordnet an, dass gegen bestimmte Entscheidungen der Charity Commission die Beantragung dieses »review« durch das tribunal möglich ist, bei dem es »[…] the principles which would be applied by the High Court on an application for judicial review« anwenden soll; siehe sch.1C para. 4(4) i. V. m. s.2 A(4) Charities Act 1993 c.10; siehe hierzu auch Morris, CJQ 2010, 29(4), 491 (495 f.); Halsbury’s Laws of England, Bd. 8, 5th ed. 2010, para. 574. 1363 Die enorme Komplexität und die geringe Kontinuität des Rechts auf dem Gebiet des Asylund Immigrationsrechts machte ein solches Regulierungssystem dringend erforderlich: Die schwierige Rechtsmaterie und die mitunter nicht minder schwierige Durchsetzung der Rechte, die häufig nur im Wege des JR möglich war, war einem Asylbewerber oder Immigrationsanwärter angesichts der oftmals fehlenden Sprach- und Rechtskenntnisse schlicht unmöglich. Somit bestand in diesem Feld eine enorme Nachfrage nach Beratungstätigkeiten aller Art, was zu einer Vielzahl von Beratungsangeboten von äußerst zweifelhaftem Wert führte. Dies wurde noch dadurch verschärft, dass bis Anfang 2000 in asyl- und immigrationsrechtlichen Verfahren keinerlei Gerichtskostenhilfe verfügbar war – zusammen mit dem Fehlen qualifizierter Beratungsmöglichkeiten entstand so ein Umfeld, in dem den meist mittel- und ahnungslosen Asylbewerbern Dienste von zweifelhafter Qualität gegen enorme Entgelte angeboten wurden; siehe zum Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 8.7. 1364 Die Definition für »immigration services« findet sich in s.82(1) Immigration and Asylum Act 1999 c.33 und ist sehr weit. 1365 Gleichgültig ist, ob sie der Gewinnerzielung dient; siehe s.82(2) Immigration and Asylum Act 1999 c.33. Damit unterfällt etwa jede anwaltliche Repräsentationstätigkeit gegenüber einem Gericht oder tribunal mit Zuständigkeit in diesem Rechtsbereich unter dieses Re-
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tigkeiten qualifiziert – und damit als ISPs zugelassen – gelten nur solche Personen, deren Tätigkeit der Aufsicht durch eines der im Gesetz genannten Gremien untersteht;1366 damit gemeint ist vor allem der eigens durch den Immigration and Asylum Act 1999 c.33 eingeführte Immigration Service Commissioner (ISC).1367 Das so entstandene Regulierungsregime ist äußerst umfassend und sehr komplex.1368 Die GRC fungiert auch in diesem Bereich vor allem als disziplinarrechtlicher Spruchkörper und befasst sich mit Disziplinarmaßnahmen des ISC gegen ISPs, die seiner Regulierung unterstehen.1369 In einem solchen Verfahren kann die GRC gegen den Betroffenen ISP etwa Bußgelder verhängen, den Eintrag eines Verhaltensverstoßes in ein vom ISC geführtes Register oder die Rückzahlung eines Honorars an einen Klienten anordnen,1370 wenn der ISP im Rahmen seiner Tätigkeit gegen die gesetzlichen Standards für seine Tätigkeit verstoßen hat. Demgegenüber ist es nicht zuständig für die Untersagung der weiteren Ausübung einer, vom ISC für illegal gehaltenen Beratungstätigkeit – um eine solche zu unterbinden, muss der ISC vielmehr einen Antrag auf Erlass eines Unterlassungsurteils (injunction) beim county court stellen.1371 (3) Weitere Zuständigkeiten Zuletzt sind der GRC noch bestimmte Einzelzuständigkeiten im Bereich der Regulierung zugeordnet. Die Zuständigkeiten folgender Einzeltribunals wurden bisher vollständig in die GRC integriert:
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gulierungsregime; siehe zur Vertretung des Bürgers vor einem tribunal insgesamt unten, VII.H., S. 467. Davon umfasst sind etwa die Standesvertretungen der juristischen Berufsstände: Gem. s.86(1) sind dies etwa die jeweiligen Law Societies der Regionen des Vereinigten Königreiches, das sog. »Institute of Legal Executives« (siehe hierzu auch unten, bei Fn. 1655), der »General Council of the Bar« (siehe zu diesem auch noch unten, Fn. 1649) sowie deren schottisches Äquivalent namens »Faculty of Advocates«. Diese sind dazu verpflichtet, die Qualität der Tätigkeit ihrer Mitglieder auf dem Gebiet des Asyl- und Immigrationsrechts sicherzustellen. Dessen Ernennung und die allgemeinen Pflichten regelt s.83 Immigration and Asylum Act 1999 c.33. Außerdem können durch Anordnung des ISC bestimmte Organisationen und Personen von dem Erfordernis der Registrierung befreit werden, sog. »exempt persons«; siehe s.84(4)(a) Immigration and Asylum Act 1999 c.33. Dies trifft dabei vor allem auf Organisationen zu, die sich aus öffentlichen Geldern finanzieren und allgemeine Rechtsberatung und Prozessunterstützung anbieten, wie etwa die Citizen Advice Bureaux; siehe Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 8.7.1. Siehe Everett/Arnold, LA 2004, 10 (10); Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 8.7.1. Appeals zum FtT können dabei etwa gegen die in s.87(3) Immigration and Asylum Act 1999 c.33 genannten Entscheidungen des ISC eingelegt werden. Siehe s.87(4) i. V. m. sch.5 para 9(1)(e) Immigration and Asylum Act 1999 c.33. Siehe s.89 Immigration and Asylum Act 1999 c.33. Siehe s.92 Immigration and Asylum Act 1999 c.33.
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
– Transport: Die GRC hat einige der Zuständigkeiten des ehemaligen Transport Tribunal – dem Nachfolger der Railway and Canal Commissioners1372 – übernommen, unter anderem für die Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Lizensierung von Fahrlehrern,1373 über die Zulassung von privaten Busunternehmen, die im Großraum London ihre Dienste anbieten wollen1374 oder über Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Beförderung von Post mit einem Schiff oder Flugzeug.1375 Andere Teile der Zuständigkeiten des Transport Tribunal sind hingegen in das UT transferiert worden.1376 1372 Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 220. Die Railway and Canal Commissioners von 1843 und 1888 wurden durch den Railways Act 1921 (11& 12 Geo.V) c.55 in das Railway Rates Tribunal umgewandelt, das wiederum 1947 zum Transport Tribunal umgewandelt wurde. Zunehmend wurde dieses tribunal allerdings mit der Zuständigkeit für Entscheidungen im Zusammenhang mit der Regulierung des Last- und Güterverkehrs auf der Straße betraut; seine Zuständigkeit im Zusammenhang mit der Regulierung der Eisenbahn verlor demgegenüber an Bedeutung und wurde letztlich 1962 in ein eigenes Gremium (British Railway Board) transferiert. Das Transport Tribunal behielt demgegenüber seine Zuständigkeit für Fragen des Lastkraftverkehrs auf der Straße, die immer wichtiger wurde. Schon dessen Vorgängertribunal hatte dabei stets ein hohes Ansehen und war bereits nah an die Gerichte herangerückt; siehe Robson, Justice and Administrative Law, 1928, S. 91 ff.; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 222. 1373 Siehe r.2(a) The Transfer of Functions (Transport Tribunal and Appeal Panel) Order 2009, SI2009/1885: Das appeal-Recht ergibt sich aus s.131 Road Traffic Act 1988 c.52; die Notwendigkeit der Lizensierung und Registrierung einer Fahrlehrertätigkeit ergibt sich aus s.123 Road Traffic Act 1988 c.52. Daneben finden sich appeal-Rechte in diesem Zusammenhang in r.6 A The Vehicle Drivers (Certificates of Professional Competence) Regulations 2007, SI2007/605 und r.36 i. V. m. sch.5 The European Communities (Recognition of Professional Qualifications) Regulations 2007, SI2007/2781 (für die Anerkennung von Fahrlehrerausbildungen aus dem europäischen Ausland). 1374 Siehe s.189 Greater London Authority Act 1999 c.29. Die Lizenzen für den Betrieb eines Busunternehmens im Großraum London werden von »Transport for London« vergeben, einer zentralen Einrichtung, die nicht nur als kommunaler Eigenbetrieb für den Unterhalt von Bussen, U-Bahnen und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln fungiert, sondern nach s.154 ff. Greater London Authority Act 1999 c.29 bestimmte regulierungsbehördliche Befugnisse, etwa auch im Hinblick auf die Kontrolle von Taxen in London wahrnimmt; siehe s.253 ff. Greater London Authority Act 1999 c.29. 1375 Siehe r.3(c) Chambers Order, SI2010/2655. Diese Zuständigkeit ergibt sich aus s.94(3) Postal Services Act 2000 c.26. Gemeint sind Fälle, in denen die Royal Mail in ihrer Eigenschaft als »universal service provider« für Postdienstleistungen ein Schiff oder Flugzeug für den Transport von Post an abgelegene, nicht auf dem Landweg erreichbare Orte (etwa die abgelegenen schottischen Inseln) durch einseitige Anordnung in Anspruch nimmt; über die für diese Inanspruchnahme zu zahlenden Entschädigungen entscheidet im Streitfalle das FtT. 1376 Die Zuständigkeiten des Transport Tribunal wurden – genau wie die des bisherigen Charities Tribunal – zwischen FtT und UT aufgeteilt; zu den Zuständigkeiten, welche die AAC des UT vom Transport Tribunal übernommen hat, siehe unten, bei Fn. 1448. Allerdings ist das Transport Tribunal nicht abgeschafft, sondern besteht noch für wenige Aufgaben nach schottischem Recht fort, siehe Explanatory Memorandum to the Transfer of Functions (Transport Tribunal and Appeal Panel) Order 2009, SI2009/1885, para. 7.7.
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– Professionen mit besonderer wirtschaftlicher Verantwortung: Insoweit ist etwa das Claims Management Services Tribunal,1377 welches sich mit Regulierungsentscheidungen betreffend Anbietern von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadenersatz- und sonstigen Kompensationsforderungen1378 befasste, in die GRC integriert worden. Ebenfalls hierher gehört die Zuständigkeit des ehemaligen Consumer Credit Appeals Tribunal,1379 das sich mit Streitigkeiten über Regulierungsentscheidungen im Zusammenhang mit der Aufsicht über kleine Kreditunternehmen befasste,1380 sowie das Estate Agents Appeal Tribunal,1381 das für Regulierungsentscheidungen im Zusammenhang mit Immobilienmaklern zuständig war.1382 Zuletzt hört die GRC Klagen gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Zulassung gesellschaftsrechtlicher Organisationsformen1383 sog. licensed conveyancers, d. h. Personen, die berechtigt sind, Eigentumsübertragungen an Grundstücken durchzuführen.1384
1377 Siehe r.2(1)(b) The Transfer of Functions Order 2010, SI2010/22. Das Tribunal wurde durch s.12 Compensation Act 2006 c.29 geschaffen. 1378 Der Begriff »claims management« umfasst mehr als etwa factoring, aber weniger als Rechtsberatung – es handelt sich um eine seit Mitte der 90er Jahre in England verbreitete Praxis, Schadenersatzansprüche einer Person gegen Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Provision gerichtlich durchzusetzen oder anderweitig »zu Geld zu machen«. Entsprechend weit ist der Kreis der vom Gesetz als »claims management« erfassten Tätigkeiten; siehe s.4 Compensation Act 2006 c.29. Entscheidungen der Regulierungsbehörde (das Justizministerium) etwa hinsichtlich der Aufhebung einer Registrierung als Anbieter von claims management services können gem. s.13 Compensation Act 2006 c.29 vor dem FtT angegriffen werden. 1379 Dessen Funktionen übernimmt das FtT gem. r.2(1) The Transfer of Function of the Consumer Credit Appeals Tribunal Order 2009, SI2009/1835. 1380 Die Regulierung solcher Kleinkreditunternehmen erfolgt nach ss.21 ff. Consumer Credit Act 1974 c.39. Die Zuständigkeit des FtT ergibt sich aus s.41 Consumer Credict Act 1974 c.39. 1381 Siehe r.2 The Transfer of Functions (Estate Agents Appeal and Additional Scheduled Tribunal) Order 2009, SI2009/1836. 1382 Das entsprechende appeal-Recht ergibt sich aus s.7 Estate Agents Act 1979 c.38 – für die Regulierung der Tätigkeiten von estate agents ist das OFT zuständig; siehe s.3 Estate Agents Act 1979 c.38. 1383 »Alternative business structures« – Diese Zuständigkeit ist neu eingeführt worden durch r.4 The Legal Services Act 2007 (Appeals from Licensing Authority Decisions) Order 2011, SI2011/1712; die materiellen Regelungen hierzu finden sich im Legal Services Act 2007 c.29. 1384 Dies meint alle Personen, die – vergleichbar der Rolle des Notars im deutschen Recht – zur Vornahme der notwendigen Handlungen im Zusammenhang mit der Übertragung von Grundeigentum befasst sind, ohne solicitor zu sein; siehe hierzu auch Law/Martin, in: Law/Martin (ed.), A Dictionary of Law, 2009, Stichwort: »licensed conveyancer«.
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
– Glücksspiel: Der GRC obliegen nun auch die Aufgaben des ehemaligen Gambling Appeals Tribunal,1385 welches für die Überprüfung von Entscheidungen der Glücksspielkommission zuständig war.1386 Durch die generalklauselartige Formulierung ihrer Zuständigkeit in der Chambers Order können der GRC zudem auch solche Streitigkeiten übertragen werden, für die gegenwärtig noch tribunals zuständig sind, die zwar noch nicht in die neue Struktur integriert sind, die aber auch nur höchst selten – bzw. bisher nie1387 – angerufen werden und die sich ebenfalls im weitesten Sinne mit regulation befassen.1388 Diese tribunals sind bereits vom TCEA 2007 c.15 erfasst, so dass im Falle ihrer Anrufung durch einfache Rechtsverordnung des Lord Chancellor ein Transfer des bisherigen Einzeltribunals für den konkret zu entscheidenden Fall an die GRC denkbar ist.1389 Dies träfe wohl zu1390 für das Antartica Act Tribunal,1391 das Sea Fish License Tribunal,1392 das Aircraft and Shipbuilding Industries Tribunal,1393 das NHS Medicines Appeal Tribunal,1394 das 1385 Siehe r.2(1)(c) The Transfer of Tribunals Function Order 2010, SI2010/22. Das Gambling Appeals Tribunal wurde durch den Gambling Act 2005 c.19 geschaffen. 1386 Die »Gambling Commission« wurde durch s.20 Gambling Act 2005 c.19 errichtet und mit umfassenden Kompetenzen zur Aufsicht und Regulierung von Glücksspielaktivitäten versehen, einschließlich Ermittlungs- und Sanktionsbefugnissen; siehe zum Ganzen auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 67, 5th ed. 2008, para. 4 ff. Die entsprechenden appealRechte ergeben sich aus ss.141 und 337 Gambling Act 2005 c.19. 1387 Im Haushaltsjahr 2007/2008 etwa wurde keines der im Folgenden genannten tribunals auch nur einmal angerufen; siehe AJTC, Annual Report 2007/2008, 2008 Appendix G, S. 56 ff. 1388 Ministry of Justice, The Senior President of Tribunals’ Annual Report 2010, 2010, para. 182, S. 52. 1389 Alle folgenden tribunals sind in sch.6 Teil 4 TCEA 2007 c.15 genannt, entsprechend kann der Lord Chancellor den Transfer dieser tribunals samt evtl. Personal und Verfahrensregeln in die Struktur des TCEA 2007 c.15 durch Rechtsverordnung vornehmen. 1390 Ministry of Justice, The Senior President of Tribunals’ Annual Report 2010, 2010, para. 182, S. 52 1391 Zu diesem siehe schon oben, Fn. 72. 1392 Dieses tribunal kann nach s.4AA Sea Fish (Conservation) Act 1967 c.84 geschaffen werden und entscheidet über Fischfanggenehmigungen, die unter der Bedingung gewährt werden, dass der Inhaber nur eine bestimmte Zeit auf See verbringen darf. Gegen die Einschränkungen durch die Bedingungen kann sich der Bürger an das tribunal wenden; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 1(2), 4th ed. 2007, para. 985. 1393 Geschaffen durch s.42 Aircraft and Shipbuilding Industries Act 1977 c.3 entschied dieses tribunal über Kompensationsleistungen im Zusammenhang mit der Verstaatlichung der Flugzeug- und Schiffbauindustrie in den 70er Jahren. Dieses tribunal ist weitgehend funktionslos; zu Zusammensetzung und Verfahren siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 47, 4th ed. 2009, para. 647. 1394 Dieses tribunal, das offiziell keine Bezeichnung hat, wird durch die Health Service Medicines (Price Control Appeals) Regulations 2000, SI2000/124 geschaffen und seine Zusammensetzung und Befugnisse werden dort geregelt. Es ist zuständig für die Überprüfung von Entscheidungen des Gesundheitsministeriums im Zusammenhang mit der
Die Kammern des First-tier Tribunal (FtT)
281
Plant Varieties and Seeds Tribunal,1395 das Insolvency Practitioners Tribunal,1396 die Foreign Compensation Commission,1397 das Chemical Weapons Licensing Appeal Tribunal1398 und das Mines and Quarries Tribunal1399.
6.
Die Immigration and Asylum Chamber (IAC)
Die IAC war die letzte Kammer, die im FtT etabliert wurde.1400 Sie ist zuständig für alle Fragen des Asylrechts, die nicht bereits der SEC oder der GRC zugewiesen sind,1401 sowie für Fragen des Immigrationsrechts.1402 Sie nimmt insoweit die
1395
1396
1397 1398
1399
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Kontrolle von Preisen für Medikamente und Heilmitteln. Das gesetzliche Regime für die Kontrolle von Arzneimittelpreisen regelt s.260 ff. National Health Service Act 2006 c.41. Das Plant Varieties and Seeds Tribunal wurde durch s.42 Plant Varieties and Seeds Act 1997 c.66 geschaffen, um über Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Zulassung neu gezüchteter Pflanzen zu entscheiden. Es überprüft Entscheidungen des Controller of Plant Variety Rights bzw. des Plant Variety Rights Office, die ihrerseits in mancher Hinsicht die Aufgabe eines tribunal haben können; siehe hierzu Halsbury’s Laws of England, Bd. 1, 5th ed. 2008, para. 1217 ff. Gesetzliche Grundlage für dieses tribunal ist s.396 Insolvency Act 1986 c.45. Es entscheidet über Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Zulassung bzw. Überwachung von Insolvenzverwaltern. Als solche können Personen von verschiedenen Standesorganisationen oder dem zuständigen Ministerium anerkannt werden. Wird die Anerkennung nicht gewährt oder wieder aufgehoben, besteht hiergegen das Recht zur Anrufung des tribunal; siehe die Regelungen in ss.390 ff. Insolvency Act 1986 c.45. Zu diesem tribunal siehe bereits oben, bei Fn. 570. Dieses tribunal kann nach r.2 der The Deregulation (Model Appeal Provisions) Order 1996, SI1996/1678 i. V. m. sch.1 The Chemical Weapons (Licence Appeal Provisions) Order 1996, SI1996/3030 von demjenigen angerufen werden, dem vom zuständigen Minister der Zugang zu Chemikalien versagt wird, die zur Herstellung chemischer Waffen genutzt werden können. Dieses Regulierungsregime ergibt sich aus s.19 f. Chemical Weapons Act 1996 c.6. Nach der – mittlerweile aufgehobenen – s.4 Mines and Quarries Act 1954 c.70 musste dem Betreiber einer Mine oder eines Stollens zur Förderung von Bodenschätzen ein Zertifikat ausgestellt werden, dass er die gesetzlichen Anforderungen an den Betreiber einer solchen Mine erfüllt. Würde ein solches Zertifikat nun aufgehoben, wäre hiergegen der appeal zum tribunal möglich, das nach s.150 Mines and Quarries Act 1954 c.70 geschaffen wurde. Das tribunal wäre also nur noch für diese Altfälle zuständig; siehe zum Ganzen Halsbury’s Laws of England, Bd. 31, 4th ed. 2003, para. 521. Die Kammer nahm am 15. 02. 2010 ihre Tätigkeit auf; siehe r.1 The Transfer of Functions of the Asylum and Immigration Tribunal Order 2010, SI2010/21. R.5 The Transfer of Functions of the Asylum and Immigration Tribunal Order, SI2010/ 2655. Es geht hierbei aber allenfalls um die Frage, ob eine Person sich dauerhaft im Vereinigten Königreich niederlassen darf (»right to abode« – für dieses dauerhafte Bleiberecht kann der zuständige Innenminister ein Zertifikat ausstellen; siehe s.10 Nationality, Immigration and Asylum Act 2002 c.41), nicht aber darum, ob einer Person die britische Staatsbürgerschaft zuerkannt wird. Aufgrund der Kolonialgeschichte des Vereinigten Königreichs ist das Recht der Staatsangehörigkeit sehr zerfasert, was dazu führt, dass es verschiedene Aufenthaltsstatus gibt, die einer vollwertigen Staatsbürgerschaft effektiv gleichkommen.
282
Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
Zuständigkeiten der bisherigen asylrechtlichen tribunals in sich auf.1403 Für diesen Zuständigkeitstransfer musste zunächst der TCEA 2007 c.15 in seiner ursprünglichen Fassung geändert werden,1404 da das für Asylrecht zuständige tribunal,1405 das Asylum Immigration Tribunal (AIT), ursprünglich zwar der Verwaltung des Tribunals Service unterstellt wurde, seine Integration in die Struktur aus FtT und UT jedoch zunächst abgelehnt worden war,1406 weil es in seiner letzten Form lediglich aus einer Ebene bestand und eine Übertragung in die zweigliedrige Struktur des TCEA 2007 c.15 nicht angebracht erschien.1407 Die Schaffung des einstufigen AIT war dabei erst kurz vor Beginn der Reformen durch den TCEA 2007 c.15 abgeschlossen worden; davor gab es auch für den Bereich des Asylrechts einen zweigliedrigen Instanzenzug mit einem Immigration Appeal Tribunal (IAT).1408
1403 1404
1405
1406 1407
1408
Gegen die Entscheidung, einer Person die volle britische Staatsbürgerschaft zu versagen oder sie wieder zu entziehen, besteht kein Recht zum appeal, sondern allenfalls die Möglichkeit zum JR; siehe Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 3.6. Angreifbar vor dem FtT ist aber die Weigerung des Innenministers, das right to abode durch die Ausstellung eines Zertifikats zu bestätigen; siehe s.82(2)(c) Nationality, Immigration and Asylum Act 2002 c.41. Dies war bisher das Asylum and Immigration Tribunal; siehe r.2(1) The Transfer of Functions of the Asylum and Immigration Tribunal Order SI2010/21. Siehe r.1 The Amendment to Schedule 6 to the Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007 Order 2010, SI2010/20, die den ersten Anwendungsfall der Möglichkeiten des Lord Chancellor nach s.37 TCEA 2007 c.15 darstellt sowie r.5(1) i. V. m. sch.1 The Transfer of Functions of the Asylum and Immigration Tribunal Order SI2010/21. Seit dem Immigration Appeals Act 1969 c.21 bestanden tribunals für den Bereich der Einwanderung. Die Schaffung besonderer Rechtsschutzinstanzen für den Bereich des Asylrechts wurde für notwendig erachtet, weil die den ordentlichen Gerichten zur Verfügung stehenden Rechtsmittel als nicht angemessen angesehen wurden, um für ein geordnetes Verfahren gegenüber Einwanderern oder einen, zumindest der Form nach fairen Umgang mit ihnen zu sorgen – ansonsten unterstanden die Entscheidungen der mit Einwanderung befassten Behörden bis dahin überhaupt keiner weiteren institutionalisierten Kontrolle; siehe Hepple, MLR 1969, 32(6), 668 (688 ff.); Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 252. Siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 21. Der Leggatt Review hatte die Integration der mit Asylrecht befassten tribunals noch gefordert; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Part III, para. 298. Durch den Asylum and Immigration (Treatment of Claimants, etc.) Act 2004 c.19 wurde der vormalige zweistufige Instanzenzug abgeschafft und stattdessen ein neues (einstufiges) Tribunal, das AIT, eingeführt. Das Personal der beiden bisherigen Tribunalsebenen wurde geschlossen in das neue Tribunal übernommen; siehe Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 8.1. Zunächst bestand ein zweistufiges Tribunalsverfahren: In der ersten Stufe war ein sog. »adjudicator« zuständig, der die Entscheidungen der beklagten Verwaltung (der »Immigration Officer«) oder des zuständigen Innenministers überprüfte. Diese adjudicators wurden vom Innenminister ernannt und mussten keinerlei besondere juristische Qualifikation aufweisen; siehe zum Ganzen Jackson/Spencer, Machinery of Justice, 8th ed. 1989, S. 131 ff. sowie Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 252 mit Verweis auf s.12(a) Immigration Act 1971 c.77, der Nachfolgeregelung des ursprünglichen Immigration Appeals
Die Kammern des First-tier Tribunal (FtT)
283
Wegen der hohen rechtlichen und politischen Brisanz des Asylrechts1409 und weil aus Sicht des Asylbewerbers in der Regel grundlegende Menschenrechte auf dem Spiel stehen,1410 waren in der Vergangenheit gerade asylrechtliche Verfahren der tribunals besonders häufig Auslöser für Anträge auf gerichtliche Überprüfung im Wege des JR.1411 Die Regierung witterte in den meisten dieser Verfahren aber lediglich Verzögerungstaktiken der Kläger, um Abschiebungen so weit wie möglich hinauszuschieben, weshalb sie mehrfach versuchte, gerade den Bereich des Rechtsschutzes gegen Asylentscheidungen zu reformieren mit dem Ziel, den Anwendungsbereich des JR auszuschließen, was jedoch äußerst kritische Reaktionen der Gerichte nach sich zog.1412 Das Verhältnis der Gerichte zu den asylrechtlichen tribunals war dabei im Laufe der Zeit sehr unterschiedlich – wegen der meist gravierenden Auswirkungen asylrechtlicher Entscheidungen auf die fundamentalen Rechte des Einzelnen übten die Gerichte in diesem Bereich einerseits oftmals eine tiefergehende Kontrolle dieser Entscheidungen im Rahmen des JR aus als in anderen Bereichen.1413 Andererseits brachten sie dem besonderen Sach- und Rechts-
1409
1410
1411 1412 1413
Act 1969 c.21. Darüber war als Rechtsmittelinstanz das IAT angesiedelt, das aus einem Präsidenten und mehreren Beisitzern bestand, die vom Lord Chancellor benannt wurden, wobei ein Teil der Mitglieder eine juristische Qualifikation und mehrjährige Berufserfahrung nachweisen mussten; siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 253 m.w.N. Ein weiterer appeal gegen dessen Entscheidungen war nicht möglich. Gegen die Entscheidungen des IATwurden deshalb nur die Rechtsbehelfe im Rahmen des JR-Verfahrens von den Gerichten zugelassen, was zum einen zu einer unübersehbaren Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen auf dem Gebiet des Asyl- und Immigrationsrechts führte und zum anderen Grund für permanente Kritik durch den damaligen Council on Tribunals war ; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 254, der einzelne Entscheidungen nennt. Indiz dafür sind bereits die ständigen gesetzgeberischen Reformen auf diesem Gebiet: »The landscape of immigration law is undergoing a fundamental change. The sheer frequency of legislation is no longer new, it has become a feature of the landscape that rules, both statutory and non-statutory, change frequently and their mass and complexity are multiplying.« Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 3rd ed. 2008, S. xi [Vorwort]; genauso in der Folgeauflage (»continually accelerating pace of change«), Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, S. xiii. »In asylum cases […] fundamental human rights are in play, often including the right to life and the rights not to be subjected to torture.« R. (on the application of Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475, para. 52, per Phillips MR; siehe zu dieser Entscheidung schon oben, bei Fn. 590 und 596. Siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 1 – 045. Siehe zur Debatte um ouster clauses bereits oben, insb. Fn. 566. Die Parallelproblematik des deutschen Rechts, die Erreichbarkeit von Rechtsmitteln im Asylverfahren zu beschränken, hat der deutsche Gesetzgeber durch § 78 AsylVfG zu lösen versucht. Der »Sub-Wednesbury«-Test bzw. die »most anxious scrutiny« (siehe hierzu bereits oben, Fn. 626) fand häufig in asylrechtlichen Verfahren Anwendung.
284
Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
wissen dieser tribunals in anderen Entscheidungen großes Vertrauen entgegen.1414
7.
Zusammenfassung zu den Zuständigkeiten des First-tier Tribunal
Einige der Kammern lassen sich von ihren Aufgaben her ohne weiteres als Äquivalente deutscher Gerichtsbarkeiten identifizieren – schon ihrem Namen nach liegen etwa bei der TC und der SEC die Parallelen mit der deutschen Steuerund Sozialgerichtsbarkeit auf der Hand. Dass Fragen der Kriegsopferfürsorge mit der Schaffung der WPAFCC eine besondere Regelung erfahren haben und nicht stattdessen in die SEC integriert wurden, geht wohl vor allem auf das Betreiben von Interessenverbänden von Angehörigen der Streitkräfte zurück, die diejenigen, die ihrem Land gedient haben, nicht mit Sozialhilfeempfängern auf eine Stufe gestellt wissen wollten.1415 Auch der Zuständigkeitsbereich der IAC erschließt sich bereits aus ihrem Namen. Schwierig ist hingegen eine zusammenfassende Beschreibung des Zuständigkeitszuschnitts der GRC: Die darin zusammengeführten Aufgaben verbinden jedenfalls nicht die inhaltlichen Schnittmengen der jeweiligen Sachmaterien (was etwa sollte Umweltrecht mit Glücksspiel zu tun haben?); verbindendes Element vieler Verfahren im Zuständigkeitsbereich der GRC ist allenfalls, dass es um die Beurteilung menschlichen Verhaltens und dessen Sanktionierung geht (sei es nun die Sanktionierung einer »Umweltsünde« oder die Versagung einer Registrierung aufgrund von Verhalten, welches den Verdacht der Unzuverlässigkeit eines Glücksspielanbieters begründet). Zudem kann sie – aufgrund ihrer generalklauselartigen Zuständigkeitszuweisungen – jederzeit weitere tribunals aufnehmen.1416 Ähnlich schwer fällt eine zusammenfassende Beschreibung des Zuständigkeitsbereichs der HESCC: Hier hinein fallen sowohl Zuständigkeiten, die im 1414 Siehe dazu sogleich, VII.G.2.c)(3), S. 446. 1415 Buck, NLJ 2008, 1599 (1600). Vor allem die British Legion, der Veteranenverband, wandte gegen den Vorschlag der Eingliederung der Zuständigkeit der WPAFCC in die SEC ein, dass dadurch der Eindruck erweckt werden könnte, Soldaten, die ihrem Land gedient haben, wären im Falle einer Verwundung auf »social entitlements« des Sozialstaats angewiesen; siehe die Antwort der British Legion auf das Consultation Paper der Regierung zum Zuschnitt der Kammern, The Royal British Legion, The Royal British Legion’s response to Transforming Tribunals, 2008. Auch in Deutschland werden Fragen der Kriegsopferfürsorge nicht ausschließlich von den Sozialgerichten behandelt; siehe § 51 I Nr. 6 SGG. Nur für einen Teilbereich der Ansprüche nach dem deutschen Bundesversorgungsgesetz sind die Sozialgerichte zuständig; Entschädigungsansprüche nach diesem Gesetz werden hingegen von den Verwaltungsgerichten entschieden. 1416 Siehe oben, V.B.5.d)(3), S. 277 bei Fn. 1388.
Die Kammern des First-tier Tribunal (FtT)
285
weitesten Sinne durch die Notwendigkeit retrospektiver (vulnerable persons,1417 Regulierungszuständigkeiten für Sozialarbeiter, Lehrer, Gesundheitsdienstleister u.s.w.1418) als auch prospektiver (mental health1419) Beurteilungen menschlichen Verhaltens gekennzeichnet sind und die zugleich oftmals medizinische Fragen aufwerfen können (SEN, mental health). Eine rechtliche Systematisierung der Tätigkeit des FtT insgesamt ist angesichts dieses bunten Potpourris verschiedenster Zuständigkeiten so gut wie unmöglich: Wie gezeigt entscheidet das FtT über Verpflichtungssituationen, wie die Gewährung von Sozial- bzw. Renten-1420 oder tatsächlichen Leistungen,1421 behördlichen Gestattungen1422 oder sonstigen staatlichen Handlungen1423 ; genauso entscheidet es aber auch über Anfechtungssituationen, die aus Sanktions1424 oder Disziplinarentscheidungen,1425 Abgabenforderungen1426 oder sonstigen, drohenden Rechtseingriffen1427 entstehen können. Auch weitgehend abstrakte Feststellungen kann das FtT treffen.1428 Rein empirisch lässt sich allerdings konstatieren, dass Verpflichtungssituationen insgesamt häufiger sind als Anfechtungssituationen: Von den bloßen Fallzahlen her hat die SEC nämlich die mit Abstand größte Relevanz – ihr Fallaufkommen macht weit über die Hälfte der Gesamtzahl aller Verfahren von allen Kammern des FtT und UT zusammen aus; am zweithäufigsten sind asylrechtliche Streitigkeiten.1429 1417 1418 1419 1420 1421 1422 1423 1424
1425 1426 1427 1428 1429
Siehe oben, V.B.3.b), S. 259. Siehe oben, V.B.3.c), S. 260. Siehe oben, V.B.3.d), S. 261. Dies wird auf die allermeisten Streitigkeiten vor der SEC und der WPAFCC zutreffen. So etwa die Verfahren im Bereich SEN, die ja letztlich auf die Schaffung individuell angepasster Unterrichtsbedingungen für Kinder mit Lernbeeinträchtigungen gerichtet sind; siehe dazu schon oben, V.B.3.a), S. 257 bei Fn. 1238. Um diese geht es in den meisten Verfahren der GRC sowie im Rahmen der Regulierungszuständigkeiten der HESCC im Zusammenhang mit der Zulassung von Lehrern, Sozialarbeitern, Pflegepersonal usw.; siehe zu letzterem oben, V.B.3.b), S. 259, bei Fn. 1256. Etwa die Freilassung eines Patienten, der in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht ist; siehe oben, V.B.3.d), S. 261. Etwa die Entscheidung einer Regulierungsbehörde im Zuständigkeitsbereich der GRC, einer Person eine einmal erteilte Erlaubnis wieder zu entziehen oder die Entscheidung, eine auf die Liste von Personen zu setzen, die nicht in Kontakt mit Kindern kommen dürfen (siehe oben, V.B.3.b, S. 259). Genauso die Entscheidung, eine »Umweltsünde« zu sanktionieren (siehe oben, V.B.5.b), S. 271). Insb. im Rahmen der Zuständigkeiten für Disziplinaraufsichtsverfahren für die Angehörigen von Lokalverwaltungen; siehe V.B.5.c), S. 272. Dies betrifft vor allem die steuerrechtliche Zuständigkeit der TC; siehe V.B.4., S. 263. Etwa der Entscheidung, einen Asylbewerber in sein Heimatland abzuschieben, wie sie die IAC tagtäglich zu prüfen hat; siehe V.B.6., S. 281. Etwa im Falle der Frage, ob ein Ereignis ein Arbeitsunfall war; siehe oben, bei Fn. 1225. Siehe schon oben, Fn. 1143 sowie die letzte jährliche Statistik der Fallzahlen für 2010 – 2011in Ministry of Justice, Annual Tribunals Statistics 2010 – 2011, 2011 Anhang, Tab. 1.1.
286
C.
Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
Die Kammern des Upper Tribunal (UT)
Das UT ist in erster Linie als Revisionsinstanz für das FtTausgestaltet, es hat aber auch erstinstanzliche Zuständigkeiten. Seine Kammerstruktur als horizontale Unterteilung verläuft teilweise parallel zu der des FtT; einige der Zuständigkeiten des FtT laufen auf Ebene des UT aber auch in einer Kammer zusammen. Folgende Kammern bestehen gegenwärtig innerhalb des UT: – die Administrative Appeals Chamber (im Folgenden: AAC) – die Lands Chamber (im Folgenden: UTLC) – die Tax and Chancery Chamber (im Folgenden: TCC) – die Immigration and Asylum Chamber des UT (im Folgenden IAC-UT) Das UT sitzt hauptsächlich in London,1430 auch wenn es Fälle aus anderen Regionen hört;1431 es kann aber, wie das FtT auch, überall Sitzungen abhalten.
1.
Die Administrative Appeals Chamber (AAC)
Die AAC ist – wie der Name schon sagt – vor allem eine Überprüfungsinstanz, in der die Zuständigkeiten aus mehreren Kammern des FtT zusammenlaufen. Sie ist grds. zuständig für alle weiteren Rechtsmittel gegen Entscheidungen des FtT mit Ausnahme derer (gewissermaßen als abdrängender Sonderzuweisung), für welche die TCC oder die IAC-UT zuständig sind.1432 Damit tritt die AAC faktisch vor allem in die Fußstapfen der Child Support- und der Social Security Commissioners, die als zweitinstanzliches tribunal bisher gegen Entscheidungen der verschiedenen sozialrechtlichen tribunals angerufen werden konnten.1433 Für die Bereiche, für die bisher das ausdrückliche Recht zum appeal zum High Court im Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53 vorgesehen war, übernimmt die AAC nun
1430 1431 1432 1433
Basierend auf dem dort wiedergegebenen, gerundeten Zahlenmaterial zum Verfahrenseingang in den einzelnen Zuständigkeitsbereichen verschiedener tribunals lässt sich allein für die Kammern des FtT für das Geschäftsjahr 2010 – 2011 errechnen, dass ca. 605.050 Verfahren anhängig gemacht wurden. Hiervon hat die SEC den weitaus größten Anteil mit insgesamt ca. 422.600 Verfahren (sozialrechtliche Ansprüchen und »child support« ca. 418.500 Fälle, asylum support ca. 4.100 Fälle), was ca. 70 % des Gesamtaufkommens ausmacht. Das IAC als zweitwichtigste Kammer hatte einen Eingang von ca. 136.800 Fällen zu verzeichnen (ca. 23 %). Carnwath, PL 2009, 48 (56). Siehe s.26 TCEA 2007 c.15. Siehe r.10(a) Chambers Order, SI2010/2655. Sch.1 Table 2 The Transfer of Tribunal Functions Order 2008, SI2008/2833; siehe zu den Child Support Commissioners und den Social Security Commissioners bereits oben, III.C.4.d), S. 214, bei Fn. 1187ff.
Die Kammern des Upper Tribunal (UT)
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zudem die Rolle des High Court als Überprüfungsinstanz.1434 Darüber hinaus hat sie noch einige erstinstanzliche Zuständigkeiten sowie Zuständigkeiten für appeals gegen Entscheidungen von tribunals, die (noch) nicht in das neue System integriert sind:
a)
Erstinstanzliche Zuständigkeiten (vulnerable persons, transport, forfeiture)
Eine gegenwärtig nur selten relevante erstinstanzliche Zuständigkeit des UT betrifft die hochkontroverse1435 Rechtsmaterie des sog. vetting and barring scheme, welche den oben dargestellten Rechtsbereich der Berufsverbote zum Schutz von vulnerable persons im Zuständigkeitsbereich der HESCC1436 reformieren sollte, aber bereits in kürzester Zeit nach ihrer vollständigen Einführung hinsichtlich zentraler Aspekte wieder außer Kraft gesetzt wurde und deren Fortbestand gegenwärtig fraglich ist:1437 Um das Ziel eines umfassenden Schutzes von vulnerable persons zu erreichen, sollte ursprünglich eine Registrierungspflicht eingeführt werden für alle, die im weitesten Sinne in Kontakt mit diesen schutzwürdigen Personen kommen. Diese Pflicht sollte sich dabei nicht nur auf alle möglichen Arten von professionellen Tätigkeiten1438 erstrecken, sondern auch auf alle, die etwa im Rahmen einer ehrenamtlichen Aktivität Kontakt zu vulnerable persons haben könnten.1439 Diese registrierten Personen 1434 Für die meisten der in das FtT überführten tribunals ergab sich die Möglichkeit eines appeal zum High Court ja direkt aus s.11 Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53 – so etwa für die alten tribunals im Bereich SEN, im Bereich asylum support und die bisherigen Einzeltribunals, die im Bereich vulnerable persons tätig waren. Die Rolle des High Court hat das UT, insb. aber die AAC, auch in all jenen Bereichen übernommen, in denen bisher in Ermangelung eines ausdrücklichen appeal-Rechts nur der JR zum High Court möglich war; dazu siehe unten, VII.G.3., S. 452. 1435 Die Schaffung dieser Gesetzeswerke hat selbst bis nach Deutschland Wellen geschlagen; siehe Evers, DER SPIEGEL, 39/2009 S. 116, der den Umfang der ursprünglich geplanten Regelungen anschaulich darstellt. 1436 Dazu siehe oben, V.B.3.b), S. 259. 1437 Die ursprünglichen Regelungen hierzu finden sich im Safeguarding Vulnerable Groups Act 2006 c.47. Alle gesetzlichen Grundlagen für diese Regelungsmaterie wurden noch unter der alten Labour-Regierung geschaffen und auch bereits mit ihrer Umsetzung begonnen; die neue Koalitionsregierung allerdings setzte umgehend weite Teile der geschaffenen Regelungen außer Kraft und unterzog sie einer umfassenden Prüfung mit dem Ziel, das neu geschaffene System zu reformieren; siehe Home Office, Vetting & Barring Scheme Remodelling Review, 2011, S. 2 ff. 1438 Erfasst worden wären etwa nicht nur Lehrer/innen, Kindergärtner/innen und andere Erzieher/innen, sondern alle Personen, die im Umfeld einer Erziehungseinrichtung arbeiten, wie etwa Hausmeister und Schulbusfahrer usw. Insgesamt hätten sich damit geschätzt etwa 9,3 Millionen Menschen registrieren müssen; siehe Home Office, Vetting & Barring Scheme Remodelling Review, 2011 S. 10. 1439 Siehe zur Darstellung des ursprünglich geplanten Systems und der Kritik daran in Home Office, Vetting & Barring Scheme Remodelling Review, 2011 S. 2 ff.
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
sollten – vereinfacht – unter ständiger Kontrolle einer eigens für diesen Zweck geschaffenen Behörde, der Independent Safeguarding Authority (ISA) stehen, welche vor allem das Strafregister solcher Personen überwachen und sie beim Vorliegen einschlägiger Straftaten von der Arbeit mit vulnerable persons ausschließen sollte.1440 Die ISA wurde zwar geschaffen – die allgemeine Registrierungspflicht aber ausgesetzt. Andere Teile des neuen Regelungsregimes, aus denen sich auch jetzt schon appeal-Rechte zum UT ergeben, sind dagegen in Kraft:1441 So nimmt die ISA die Aufgabe wahr, Personen auf eine Liste von barred persons1442 zu setzen, bei denen die ISA aufgrund bestimmter Erkenntnisse1443 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die betreffende Person ein potentielles Risiko für vulnerable persons darstellt1444 – mit der Folge, dass für diese Personen bestimmte Aktivitäten bei Strafe verboten sind.1445 Gegen diese Entscheidungen, die faktisch einem Berufsverbot gleichkommen, besteht schon jetzt das appealRecht zum UT.1446 Außerdem erstinstanzlich zuständig ist die AAC für die Überprüfung der Entscheidungen der Traffic Commissioners,1447 für deren Überprüfung nicht 1440 Siehe zum Ganzen Explanatory Notes, Safeguarding Vulnerable Groups Act 2007 c.47, para. 8 ff. sowie Home Office, Vetting & Barring Scheme Remodelling Review, 2011, S. 9 ff. 1441 Die appeal-Rechte ergeben sich aus s.4 Safeguarding Vulnerable Groups Act 2006 c.47 und beziehen sich jeweils auf konkrete Entscheidungen nach diesem Gesetz. 1442 Der Begriff »barred person« wird von s.3 Safeguarding Vulnerable Groups Act 2007 c.47 definiert und umfasst Personen, deren Namen auf einer der beiden Listen eingetragen ist, die von der ISA geführt werden. Eine Liste nennt die Personen, die für die Arbeit mit Kindern ungeeignet sind (»children’s barred list«; siehe s.2(1)(a) und sch.3 para. 1) und eine, die für die Arbeit mit schutzwürdigen Erwachsenen (»adults barred list«; siehe s.2 (1)(a) und sch.3 para. 7 Safeguarding Vulnerable Groups Act 2007 c.47) ungeeignet sind. 1443 Die Aufnahme eines Namens etwa in die oben, Fn. 1442 genannte children’s barred list ist der ISA möglich, wenn diese davon ausgeht, dass eine Person ein »relevant conduct« – das umfasst konkrete Dinge wie den Besitz kinderpornographischen Materials oder sehr weit formulierte Tatbestände wie die »Gefährdung« eines Kindes (»endanger a child«) – gezeigt hat. Es kommt dabei nicht auf das Vorliegen einer strafrechtlichen Verurteilung hinsichtlich des fraglichen Verhaltens an; siehe sch.3 para. 3 und 4 Safeguarding Vulnerable Groups Act 2007 c.47. 1444 Diese Erkenntnisse können dabei etwa auf Anzeigen durch den Arbeitgeber einer Person beruhen; siehe s.35 Safeguarding Vulnerable Groups Act 2006 c.47 sowie Home Office, Vetting & Barring Scheme Remodelling Review, 2011, S. 11. 1445 Siehe s.7 Safeguarding Vulnerable Groups Act 2007 c.47 – ausgeschlossen ist für diese Personen die Aufnahme einer »regulated activity« i. S.v s.5 Safeguarding Vulnerable Groups Act 2007 c.47, d. h. einer beruflichen Aktivität in bestimmten, aufgezählten Bereichen wie Kinderpflege (sch.4 para. 1(3)) sowie Lehr-, Therapie-, oder Aufsichtstätigkeiten aber auch das Fahren etwa eines Schulbusses (sch.4 para. 1(1) i. V. m. 2(2)ff. Safeguarding Vulnerable Groups Act 2007 c.47). 1446 Siehe s.4 Safeguarding Vulnerable Groups Act 2007 c.47. Weil die Vorschriften zu einer allgemeinen Registrierungspflicht gegenwärtig nicht gelten, kann man sagen, dass das UT hier letztlich über Berufsverbote entscheidet. 1447 Die Traffic Commissioners genossen in der Vergangenheit ein sehr hohes Ansehen, da sie
Die Kammern des Upper Tribunal (UT)
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bereits die GRC zuständig ist.1448 Insoweit hat die AAC jene Funktionen des alten Transport Tribunal übernommen, die nicht bereits in den Aufgabenbereich der GRC fallen.1449 Damit ist die AAC vor allem zuständig für Entscheidungen betreffend die Zulassung von Güterkraftverkehr1450 und über die Regulierung von Dienstleistungen des öffentlichen Nahverkehrs.1451 Als weitere erstinstanzliche Zuständigkeit entscheidet die AAC auch über Fragen des strafrechtlichen Verfalls im Zusammenhang mit Sozialleistungen.1452 b)
Zuständigkeiten außerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15
Im Zuständigkeitszuschnitt der AAC äußert sich im Übrigen die devolutionsbedingt komplizierte, regionale Struktur des Vereinigten Königreichs – denn das UT kann auch Entscheidungen von tribunals überprüfen, die für die Regionen des Vereinigten Königreichs eigenständig, d. h. zugleich vollständig außerhalb
1448
1449 1450 1451
1452
mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet waren; zudem wurden sie teilweise selbst als tribunal eingeordnet, weil die von ihnen zu treffenden Entscheidungen oftmals auch tripolare Rechtsverhältnisse betrafen – etwa wenn bei der Entscheidung über die Zulassung eines neuen Nahverkehrsanbieters für einen bestimmten Bereich sich auch ein Konkurrent am Verfahren beteiligen konnte. In diesen Fällen nahm das Verfahren meist die Form einer »lis inter partes«, also eine gerichtsähnliche Form an. Auch stand den Commissioners teilweise ein weites Ermessen zu; siehe zum Ganzen Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 211 ff. Siehe r.10(a)(viii) Chambers Order, SI2010/2655; aus r.2(3) The Transfer of Functions (Transport Tribunals and Appeal Panel) Order 2009, SI2009/1885 ergibt sich, welche Entscheidungen der Traffic Commissioners vor dem UT angegriffen werden können. Insoweit hat das UT die Zuständigkeit des alten Transport Tribunal nach dem Road Traffic Act 1988 c.52 übernommen (zu den im Folgenden beschriebenen Zuständigkeiten des alten Transport Tribunal siehe auch Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 211); zu den Zuständigkeiten der GRC in diesem Bereich; siehe bereits oben, bei Fn. 1376. Siehe zur Zuständigkeit der GRC im Bereich Transport bereits oben, bei Fn. 1372. Das appeal-Recht gewährt s.37 Goods Vehicles (Licensing of Operators) Act 1995 c.23. Hier geht es um die Kompetenzen der Traffic Commissioners nach dem Public Passenger Vehicles Act 1981 c. 14. Für die Zwecke dieses Gesetzes ist das ganze Vereinigte Königreich in 11 »traffic areas« eingeteilt, für die jeweils ein Traffic Commissioner bestellt ist. Diese regeln für ihren jeweiligen Bereich die Zulassung von Dienstleistungen des öffentlichen Nahverkehrs – gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit dieser Zulassung ergibt sich ein appeal-Recht aus s.50 Public Passenger Vehicles Act 1981 c.14; gegen bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen (Beschlagnahme eines nicht zugelassenen, als öffentliches Verkehrsmittel eingesetzen Transportmittels) in diesem Zusammenhang ergeben sich auch appeal-Rechte aus r.15 The Public Service Vehicles (Enforcement Powers) Regulations 2009, SI2009/1964. Weitere Regelungen hierzu finden sich außerdem im Transport Act 1985 c.67 mit einem appeal-Recht in s.6 A(9) sowie einem appeal-Recht gegen bestimmte Sanktionen des zuständigen Traffic Commissioner aus s.155(6) Transport Act 2000 c.38. Siehe s.4 Forfeiture Act 1982 c.34. Es geht dabei im weitesten Sinne darum, ob bestimmte Sozialleistungen verfallen, wenn eine Person aufgrund der Tötung des eigentlichen Anspruchsinhabers einen Anspruch auf diese erwirbt. Die hierher gehörenden Fälle werden durch den zuständigen Minister dem UT vorgelegt (sog. »referral«).
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der Struktur des TCEA 2007 c.15 und parallel zum FtT erhalten geblieben sind, obgleich sie die gleichen Aufgaben erfüllen: So prüft die AAC etwa die Entscheidungen des Mental Health Review Tribunal1453 und des Special Educational Needs Tribunal für Wales1454 sowie das Pension Appeal Tribunal in Nordirland1455 und Schottland.1456 Diese tribunals wenden im Wesentlichen das gleiche, materielle Recht an, wie die entsprechenden Kammern des FtT in England, sind organisatorisch aber den jeweiligen Selbstverwaltungskörperschaften der Regionen zugeordnet. Auf sie wird hier nicht weiter eingegangen.
2.
Die Lands Chamber (UTLC)
Diese Kammer des UT, die in der zweiten Umsetzungswelle des TCEA 2007 c.15 geschaffen wurde,1457 ist die einzige Kammer, die – noch – nicht für die Überprüfung von Entscheidungen des FtT zuständig ist; vielmehr wurden die Zuständigkeiten des vormaligen Lands Tribunal in die UTLC integriert.1458 Das Lands Tribunal genoss Zeit seines Bestehens ein hohes Ansehen unter britischen Juristen,1459 wurde ihm doch ein dem High Court ebenbürtiges Vertrauen entgegengebracht.1460 Dabei war das Lands Tribunal hinsichtlich seiner Organisation und seiner Verfahren durchaus den ordentlichen Gerichten vergleichbar.1461 Die sich heute aus dessen Erbe ergebende Zuständigkeit des UT ist insofern bemerkenswert, als dass sie verschiedene Streitigkeiten umfasst, die aus gleichgeordneten Rechtsverhältnissen zwischen Privaten entstehen können; zugleich ist die UTLC aber auch für einige Streitfälle zuständig, die man als klassisch öffentlich-rechtlich ansehen muss. 1453 1454 1455 1456 1457 1458
R.10(1)(a)(iv) Chambers Order, SI2010/2655. R.10(1)(a)(v) Chambers Order, SI2010/2655. R.10(1)(a)(ii) Chambers Order, SI2010/2655. R.10(1)(a)(iii) Chambers Order, SI2010/2655. Siehe Senior President of Tribunals, First Implementation Review, 2008, para. 1b. Der Transfer geschah durch r.2 The Transfer of Tribunal Function (Lands Tribunal and Miscellaneous Amendments) Order 2009, SI2009/1307. 1459 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 242. 1460 Siehe Garner, Administrative Law, 5th ed. 1979, S. 261; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 242. Auch der Franks Report fand keinerlei Kritikpunkte an der Tätigkeit des Lands Tribunal und hob hervor, dass seine Verfahren eine »combination of a formal procedure with an informal atmosphere« darstellten; siehe Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, para. 64. Kritisiert wurde allerdings vereinzelt die z. T. sehr lange Verfahrensdauer; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 10/4 m.w.N. An dieser Stelle zeigte sich also offenbar eine wohlbekannte Schattenseite der Gerichtsähnlichkeit. 1461 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 242, der besonders die den ordentlichen Gerichten vergleichbare Offizialität und Strenge der Verfahren des Lands Tribunal hervorhebt.
Die Kammern des Upper Tribunal (UT)
a)
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Zuständigkeit für Enteignungsentschädigungen
In öffentlich-rechtlicher Hinsicht relevant sind zunächst die Zuständigkeiten des vormaligen Lands Tribunal nach dem Land Compensation Act 1961 (9& 10 Eliz.II) c.33, nach dem dieses vor allem zuständig war für Auseinandersetzungen betreffend die Entschädigung für compulsory purchase-Maßnahmen (d. h. Enteignungen)1462 von Grundstücken.1463 In diesem Sachbereich ist jedoch zu bemerken, dass das UT nur über die Höhe der Entschädigung entscheidet, nicht etwa über die Frage, ob eine Enteignungsmaßnahme selbst rechtmäßig ist oder nicht.1464 Dies gilt auch für Streitigkeiten über Entschädigung, die aufgrund anderweitiger Wertminderungen eines Grundstücks geleistet werden sollen, die auf eine tatsächliche staatliche Tätigkeit zurückzuführen sind – nach deutschem Verständnis also enteignungsgleiche Eingriffe.1465 Die Vorschriften, aus denen sich heute die Befugnisse zur Enteignung ergeben, sowie die auf diese bezogenen, konkreten appeal-Rechte, finden sich dabei in einer Unzahl von Vorschriften aus den verschiedensten Gesetzen;1466 die Zuständigkeit des UT für diese appeal-Rechte aus anderen Gesetzen wird gebündelt durch eine Generalklausel im Lands Tribunal Act 1949 c.42 (12& 13 Geo. 6) eröffnet.1467 1462 »Compulsory purchase« oder »compulsory acquisition« meint dabei den Übergang einer Rechtsposition – also des Eigentums oder eines sonstigen Rechts (»interest«) an einem Grundstück – der immer mit einer Kompensation verbunden ist. Eine reine Besitzergreifung an einem Grundstück ohne entsprechenden Rechtsübergang wird hingegen als »requisition« bezeichnet; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 18, 5th ed. 2009, para. 501 bzw. 502. »Compulsory purchase« hat allerdings – trotz verschiedener, verfahrensmäßiger Gleichläufe – inhaltlich nichts zu tun mit der sog. »purchase notice«; zu dieser siehe unten, Fn. 1469. 1463 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 241. 1464 Zu den entsprechenden Zuständigkeiten des bisherigen Lands Tribunal siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 241. Das Lands Tribunal hatte also keine Zuständigkeit um »questions of title« zu entscheiden – es schätzte vielmehr den als Entschädigung zu zahlenden Betrag »irrespective of the title«; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 18, 5th ed. 2009, para. 719 m.w.N.). 1465 Es geht hier etwa um die Steigerung von Lärmbelästigungen durch den Betrieb eines Flughafens oder den Bau einer Straße auf einem nahegelegenen Grundstück; siehe s.1 (3)(b) Lands Tribunal Act 1949 (12& 13 Geo.VI.) c.42 (»injurious affection of any land«) sowie allgemein Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 10/6 (dort allerdings noch im Bezug auf das Lands Tribunal). Ein Recht auf Kompensation derartiger Wertminderungen ergibt sich aus dem Land Compensation Act 1973 c.26. 1466 Darunter auch private acts; siehe zu diesen bereits oben, Fn. 750. 1467 Siehe s.1(3)(a) und s.1(4)(b) Lands Tribunal Act 1949 c.42 sowie Halsbury’s Laws of England, Bd. 18, 5th ed. 2009, para. 721. Die Formulierungen dieser Vorschriften sind dabei nicht mehr zeitgemäß, beziehen sie sich doch jeweils noch auf Streitigkeiten, die official arbitrators und einem panel of referees, zugewiesen waren. Beide Spruchkörper wurden jedoch vollständig durch das Lands Tribunal ersetzt, so dass sich in anderen Gesetzen keine Bezugnahmen mehr auf diese Spruchkörper, sondern nur noch auf das Lands Tribunal direkt finden – die sich nun auf das UT beziehen. Die Vorschriften, die
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Des Weiteren bestehen Zuständigkeiten für Streitigkeiten bei allen möglichen weiteren Beeinträchtigungen des Wertes eines Grundstücks: etwa im Zusammenhang mit künftigen Planungsentscheidungen,1468 bei denen für den Bürger die Möglichkeit besteht, die Planungsbehörde zum Kauf des fraglichen Grundstücks zu zwingen mittels der komplizierten Verfahren der purchase notice1469 oder der blight notice,1470 die den Entschädigungsinstrumenten des tatsächlich einmal Streitigkeiten von den official arbitrators und dem panel of referees übertrugen, sind aufgehoben und bezogen sich auf bestimmte Abgaben, die heute abgeschafft sind; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 18, 5th ed. 2009, para. 721. 1468 Die Zuständigkeit für diese Fragen regelt s.118 Town and Country Planning Act 1990 c.8. 1469 Wird ein Baugenehmigungsantrag abgelehnt, widerrufen oder modifiziert oder wird die Nutzung eines Grundstücks in einer bestimmten Art und Weise untersagt und hat diese Entscheidung zur Folge, dass der Wert eines Grundstücks massiv beeinträchtigt wird, hat der Bürger unter engen Voraussetzungen die Chance, die Behörde mit der purchase notice zu zwingen, ihm sein Grundstück abzukaufen. Diese Möglichkeit steht dabei neben anderen Kompensationsmöglichkeiten für Schäden, die dem Bürger durch sein Vertrauen auf den Bestand der Baugenehmigung entstanden sind. Voraussetzung ist, dass ein Grundstück ohne Gewährung einer bestimmten Baugenehmigung keiner vorteilhaften Nutzung zugeführt werden kann. Der Bürger kann in diesem Fall der Planungsbehörde eine purchase notice zukommen lassen. Die Behörde muss diese sodann mitsamt einer Stellungnahme über die von ihr ins Auge gefasste Entscheidung hierüber an den zuständigen Minister weiterleiten, der hierüber entscheidet. Wird zu Gunsten des Bürgers entschieden, gilt eine »notice to treat« durch die Behörde als erlassen und die Behörde wird so behandelt, als hätte sie die Möglichkeiten, die sie auch im Rahmen einer »compulsory purchase« hätte, wodurch zugleich der Bürger berechtigt wird, die Zahlung einer Kompensation zu verlangen. Kann er sich mit der Behörde über deren Höhe allerdings nicht einigen, obliegt die Festlegung der Höhe kraft Gesetzes dem tribunal. Auch befasst sich das tribunal allerdings nicht mit der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Behörde oder des Ministers, die compulsory purchase nicht zu gewähren – eine solche Überprüfung kann vielmehr ausdrücklich nur vor dem High Court verlangt werden. Das tribunal spielt hier also wieder nur die Rolle eines Expertengremiums für die (rein sachlichen) Fragen nach dem Grundstückswert; siehe s.137 Town and Country Planning Act 1990 c.8; siehe ferner Halsbury’s Laws of England, Bd. 46(2), 4th ed. 2005, para. 966 ff. 1470 Im Rahmen der sog. »blight notice references« ist die Prüfungsdichte des tribunal schon wesentlich umfangreicher: Eine »blight notice« gibt dem Bürger die Möglichkeit, einem Wertverlust seines Grundstücks durch eine bevorstehende öffentliche Baumaßnahme bzw. bereits durch die Planung einer solchen, zuvorzukommen und die für die Baumaßnahme verantwortliche Institution zum Kauf seines Grundstücks zu zwingen. Grundstücke, die von einem »development plan« für ein bestimmtes Gebiet erfasst sind, aus welchem für dieses Grundstück hervorgeht, dass es einer »relevant public function« dienen soll, sind »blighted land«. Personen, die ein »qualifying interest« an einem solchen Grundstück haben, können der zuständigen Institution eine blight notice zukommen zu lassen, der diese wiederum eine »counter notice« entgegen setzen kann; diese kann dann auf Verlangen des Bürgers dem tribunal vorgelegt werden. Dieses prüft die counter notice sodann vollumfänglich auf ihre Rechtmäßigkeit hin. Der Bürger muss dabei vortragen, dass die Einwände, welche die Behörde in der counter notice gegen die blight notice vorbringt, unberechtigt sind. Hebt das tribunal die counter notice auf, gilt die blight notice und die Institution muss das Grundstück kaufen; siehe s.154 Town and Country Planning Act 1990 c.8. In diesem Bereich nimmt das tribunal also auch eine umfassende, rechtliche
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BauGB ähneln.1471 Aber auch über Entschädigungen im Zusammenhang mit einigen bauordnungsrechtlichen Verfügungen, wie im Falle einer Baueinstellungsverfügung (stop notices), entscheidet das UT.1472 In all diesen Fällen befindet das tribunal allerdings nicht über die rechtlichen Aspekte der Maßnahmen, sondern nur über die Frage nach dem zu entschädigenden Wertverlust. b)
Zivilrechtliche Zuständigkeiten
Vom Lands Tribunal hat die UTLC des Weiteren einige Zuständigkeiten für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Privaten übernommen: So entschied das Lands Tribunal etwa über die Aufhebung bestimmter Immobiliarsachenrechte, sog. restrictive covenants.1473 Covenants als grundstücksbezogenene Rechte entwickelten sich aus der Rechtsmasse der equity und stellen in England ein wichtiges Instrument des privaten Baurechts dar, mit denen dauerhaft und unabhängig von Eigentumswechseln an den beteiligten Grundstücken etwa die Errichtung von Gebäuden auf einem Grundstück oder die Nutzung eines Grundstücks in einer bestimmten Art und Weise verboten werden kann.1474 Wurde ein solches restrictive covenant bereits in weit zurückliegender Vergangenheit erlassen und ist deshalb nicht mehr mit den heutigen Verhältnissen vereinbar bzw. beeinträchtigt die Nutzung und Entwicklung eines Grundstücks unverhältnismäßig, kann das UT mit der Frage befasst werden, ob das covenant zu Gunsten des Eigentümers des belasteten Grundstücks aufgehoben oder verändert werden kann.1475 Dabei hat das UT nach seinem Ermessen zu ent-
1471 1472
1473
1474 1475
Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse vor; siehe zum Ganzen Halsbury’s Laws of England, Bd. 46(2), 4th ed. 2005, para. 992 ff. Gemeint sind die Instrumente gem. §§ 39 ff. BauGB. »Stop notices« sind geregelt in s.183 Town and Country Planning Act 1990 c.8. Diese kann eine lokale Baubehörde erlassen, wenn sie eine »enforcement notice« sichern will, mit der sie gegen (vermeintliche) Verstöße gegen das Baurecht (etwa Bauen ohne Genehmigung) vorgehen kann; siehe s.172 Town and Country Planning Act 1990 c.8. Siehe s.1(4) des Lands Tribunal Act 1949 (12& 13 Geo.VI.) c.42. »Restrictive covenant« ist dabei praktisch ein Grundstücksrecht, das – vergleichbar der deutschen Grunddienstbarkeit – bestimmte Beschränkungen für die Nutzung eines Grundstücks zu Gunsten eines anderen Grundstückseigentümers auferlegt; siehe Dixon, Modern Land Law, 6th ed. 2009, S. 371 ff. Die Gerichte ordnen covenants allerdings klassischerweise nicht als grundstücksbezogene Rechte ein, sondern als »[…]peculiar species of personal contract [when] in reality they are genuine proprietary interests«; McFarlane/Hopkins/Nield, Land Law, 2009, S. 962. Siehe Dixon, Modern Land Law, 6th ed. 2009, S. 372. Es kann etwa ein Gewerbebetrieb auf dem belasteten Grundstück durch das covenant auch gegenüber allen Erwerbern des Grundstücks untersagt werden. Siehe Dixon, Modern Land Law, 6th ed. 2009, S. 401. Die Zuständigkeit und die Gründe, nach denen eine solche Aufhebung bzw. Veränderung eines restrictive covenant geschehen kann, finden sich in s.84 des Law of Property Act 1925 (15& 16 Geo.V) c.20.
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scheiden, ob es für die Veränderung oder Aufhebung des covenant dem Eigentümer des begünstigten Grundstücks eine Entschädigung zuspricht.1476 Bei der Beurteilung der Frage nach der Aufhebung oder Modifikation des covenant spielen sowohl Fragen des öffentlichen Interesses1477 als vor allem auch des Werts des covenant und dessen Auswirkungen auf den Wert der betroffenen Grundstücke eine Rolle1478 – insofern fügen sich diese Streitigkeiten in die sonstige, oben geschilderte Zuständigkeit der UTLC ein. Schwerer einzuordnen ist hingegen die Zuständigkeit der UTLC für sog. right of light applications: Inhaltlich geht es dabei um eine eher bauordnungs- bzw. nachbarrechtliche Materie, nämlich darum, dass benachbarte Grundstücke sich nicht gegenseitig das Tageslicht nehmen. Das right of light ist ein sog. easement,1479 ein der deutschen Grunddienstbarkeit vergleichbares Immobiliarrecht, wonach der Besitzer eines Grundstücks vom Besitzer eines anderen Grundstücks den Zugang zu Tageslicht verlangen kann.1480 Nach dem Prescription Act 1832 (2& 3 Will.IV.) c.71 entsteht das »Recht auf Licht« des Nachbarn automatisch nach 20 Jahren. Wenn nun ein Nachbar auf seinem Grundstück ein Gebäude errichten möchte, welches einem Nachbargebäude Licht nehmen könnte, kann er die »Ersitzung« des right of light durch Ablauf der 20-Jahresfrist verhindern durch die Beantragung einer light obstruction notice.1481 Ist eine solche ergangen, kann die tatsächlich auf das Nachbargrundstück scheinende Menge Licht auch nach 20 Jahren nicht mehr zur Entstehung eines right of light führen: Besteht eine light obstruction notice für ein Jahr, ist der automatische Ersitzungsmechanismus des Prescription Act 1832 (2& 3 Will.IV) c.71 durchbrochen.1482 Um allerdings eine solche notice von der lokal zuständigen Behörde zu
1476 Siehe s.84(1)(c)(i) und (ii) Law of Property Act 1925 (15& 16 Geo.V) c.20. 1477 Siehe s.84(1 A)(b) Law of Property Act 1925 (15& 16 Geo.V) c.20. Bei Beurteilung der Frage, ob die Beseitigung eines covenant im öffentlichen Interesse liegt oder nicht, muss das tribunal auch Bebauungspläne für die Umgebung des fraglichen Grundstücks berücksichtigen; siehe s.84(1B) Law of Property Act 1925 (15& 16 Geo.V) c.20. 1478 Siehe s.84(1 A)(a) Law of Property Act 1925 (15& 16 Geo.V) c.20. Inhaltlich geht es also um die Frage, wie sich die Beseitigung des covenant auf den Grundstückswert auswirkt; siehe McFarlane/Hopkins/Nield, Land Law, 2009, S. 960. 1479 Siehe zum »easement« die Erläuterungen in Halsbury’s Laws of England, Bd. 16(2), 4th ed. 2003, para. 222 ff. 1480 Dieses Recht kann dabei auch entstehen, wenn ein Grundstück 20 Jahre ohne Unterbrechung Licht durch »defined apertures« (also »definierte Öffnungen«) genossen hat. Diese rechtliche Figur nennt sich »ancient light«. 1481 Damit kann er erreichen, dass die Behörde quasi einen Verlust an Licht, welches das Nachbargrundstück erreicht, fingiert. Eine solche »light obstruction notice« hat also den gleichen Effekt, wie wenn das geplante Gebäude bereits stünde, um den Nachbarn das Licht tatsächlich zu nehmen; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 16(2), 4th ed. 2003, para. 244. 1482 Der Nachbar, dessen Zugang zum Licht durch die light obstruction notice virtuell verbaut
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erlangen, ist zuvor das UT einzuschalten, welches durch ein Zertifikat bestätigt, dass im Rahmen des Verfahrens alle Personen, die evtl. von der light obstruction betroffen sein könnten, ordnungsgemäß von der bevorstehenden Eintragung der notice informiert wurden.1483 Allerdings hat die UTLC die Möglichkeit, in besonderen Eilfällen von den strengen Erfordernissen einer umfassenden Informierung möglicher betroffener Nachbarn abzusehen und den Erlass einer vorübergehenden notice anzuordnen.1484 Die UTLC nimmt in diesem Zusammenhang also eine Art registergerichtliche Aufgabe für privatrechtliche Grundstücksrechte wahr. c)
Zweitinstanzliche Zuständigkeit für andere tribunals
Die UTLC hat zwar (noch) keine Zuständigkeit zur Überprüfung von Entscheidungen des FtT, dafür ist sie aber zur Überprüfung von Entscheidungen bestimmter anderer tribunals berufen, die sich mit Fragen im Zusammenhang mit Immobilien und Grundstücken befassen und bisher außerhalb der Struktur des TCEA 2007 c.15 stehen.1485 Darunter fallen vor allem zwei der drei tribunals, die bisher im Residential Property Tribunals Service (RPTS), einer zum Tribunals Service parallelen Dachbzw. Verwaltungsorganisation für bestimmte tribunals, vereinigt waren, sowie das ebenfalls selbstständig verwaltete Valuation Tribunal for England. Die erstgenannten sind seit Mitte 2011 zusammen mit dem gesamten RPTS in den HMCTS integriert worden und für Mitte 2012 ist geplant, sowohl das Valuation Tribunal for England als auch alle tribunals, die bisher Teil des RPTS waren, sowie noch weitere tribunals in einer neu zu schaffenden Kammer innerhalb des FtT zusammenzufassen.1486
1483 1484 1485 1486
wird, kann allerdings gegen die notice klagen. Hat er Erfolg, ist die lokale Behörde verpflichtet, den Registereintrag über die angegriffene light obstruction notice aufzuheben. Siehe Right of Light Act 1959 (7& 8 Eliz.II) c.65 sowie Halsbury’s Laws of England, Bd. 16 (2), 4th ed. 2003, para. 244. Siehe s.2(3)(b) Right of Light Act 1959 c.56 (7& 8 Eliz.II) i. V. m. r.41(1)(g) UTLC-Rules, SI2010/2600. R.12(a)(ii) Chambers Order, SI2010/2655. Siehe die Verlautbarungen des Justizministeriums im Internet vom 01. 07. 2011 abrufbar unter http://www.justice.gov.uk/news/press-releases/hmcts/hmctsnewsrelease010711a. htm, besucht am 27. 08. 2011. Zusammen mit den sogleich beschriebenen tribunals ist offenbar bereits geplant, auch das Agricultural Lands Tribunal (hierzu siehe oben, bei Fn. 109) in eine neue Kammer des FtT zu integrieren, die dann ebenfalls »Lands Chamber« heißen soll.
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
(1) Das Valuation Tribunal for England Das Valuation Tribunal for England»1487 oder besser die aus diesem heraus gebildeten, jeweils lokal eingesetzen Spruchkörper,1488 befassen sich vor allem mit Entscheidungen über die Festsetzung von Einheitswerten zum Zwecke der Berechnung der auf Gemeindeebene erhobenen council tax.1489 Die Geschichte des Valuation Tribunal for England kann bis zu den Union Assessment Committees von 1862 zurückverfolgt werden.1490 Das von diesem tribunal heute anzuwendende Recht der Kommunalbesteuerung und die entsprechenden appeal-Rechte sind über verschiedene gesetzliche Grundlagen verteilt.1491 Daneben ist das tri-
1487 Das »Valuation Tribunal for England« wurde durch den Local Government and Public Involvement in Health Act 2007 c.28 als Zusammenlegung von bis dahin getrennt voneinander auf lokaler Ebene bestehenden Einzeltribunals geschaffen. Vor der Zusammenlegung bestanden 56 einzelne tribunals, die voneinander unabhängig und organisatorisch dem zuständigen Fachministerium zugeordnet waren (siehe zu den Einzeltribunals Lord Chancellor’s Department, Review of Tribuals – The Tribunal System and its Costs, 2001 Tab.: Valuation Tribunals K5). Diese Einzeltribunals hatten eine jeweils eigene administrative Infrastruktur mit eigenen Gebäuden und einen jeweils eigenen Präsidenten, eigene Vorsitzende für die zu bildenden Spruchkörper und eigene Tribunalsmitglieder. In der Verwaltung ihrer Angelegenheiten wurden die Einzeltribunals dabei administrativ unterstützt vom Valuation Tribunals Service. Ansonsten allerdings waren die einzelnen tribunals ohne eine weitere, sie zusammenfassende Organisation, weshalb die Rechtsanwendung zwischen den einzelnen Spruchkörpern stark variierte, was letztlich einer der Gründe für die Zusammenlegung in das neue Valuation Tribunal for England war. Heute untersteht das Valuation Tribunal for England einem einzigen Präsidenten und mehreren Vizepräsidenten; siehe zum Ganzen Department for Communities and Local Government, Valuation Tribunals (Consultation Paper), 2006, para. 25. Neben dem Valuation Tribunal for England gibt es außerdem noch ein entsprechendes tribunal für Wales, dessen Entscheidungen ebenfalls durch das UT überprüft werden. 1488 Aus den Mitgliedern des Valuation Tribunal for England werden jeweils ad hoc Spruchkörper (»panels«) zusammengesetzt, die an dem Ort tagen, an dem sich ein zu schätzendes Gebäude befindet. 1489 Council tax wurde durch den Local Government Finance Act 1992 c.14 eingeführt. Zu zahlen ist diese Steuer dabei von demjenigen, der in einer Gemeinde als »resident« lebt, der also ein in einer Gemeinde gelegenes Gebäude als sein ausschließliches oder hauptsächliches Heim bewohnt, wobei jedes Gebäude nur einen Steuerpflichtigen hat; siehe Homer/Burrows/Goodall, Tolley’s Tax Guide, 2009, S. 145. 1490 Siehe dazu schon oben, bei Fn. 766. 1491 Für nicht zu Wohnzwecken genutzte Gebäude findet die Wertermittlung und darauf basierende Besteuerung (umgangssprachlich ist von »business rates« die Rede) nach den Vorschriften von ss.41 ff. Local Government Finance Act 1988 c.41 und den darunter erlassenen Rechtsverordnungen statt, aus denen sich auch die entsprechenden appealRechte ergeben. Für zu Wohnzwecken genutzte Gebäude finden sich die rechtlichen Grundlagen der Besteuerung im Local Government Finance Act 1992 c.14 und den unter diesen ergangenen Rechtsverordnungen mit entsprechenden appeal-Rechten. Die appealRechte beschränken sich dabei nicht nur auf Möglichkeiten zur Überprüfung der Richtigkeit der Wertschätzungen bzw. Steuererhebungen, sondern umfassen auch die Möglichkeit zur Überprüfung von Ordnungsgeldern (»penalties«) im Zusammenhang mit der
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bunal auch für Streitigkeiten im Zusammenhang mit drainage rates zuständig, also Gebühren, die für die Finanzierung von Flutschutzmaßnahmen notwendig sind.1492 Organisation und Zusammensetzung – die einzelnen Spruchkörper bestehen aus jeweils lokal ansässigen Laien, die durch einen juristisch ausgebildeten clerk unterstützt werden1493 – sowie Verfahren des tribunal werden durch Rechtsverordnungen geregelt,1494 wobei dieses tribunal noch dem für das Kommunalrecht zuständigen Ministerium als sponsoring department zugeordnet ist.1495 (2) Tribunals innerhalb des Residential Property Tribunals Service (RPTS) Der RPTS war bis zu seiner Integration in den HMCTS gewissermaßen ein sachbereichsspezifisches Äquivalent zum Tribunals Service, also ein administrativer Rahmen, in dem vier verschiedene tribunals zusammengefasst waren:
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Steuererhebung (siehe etwa sch.3 para.3 Local Government Finance Act 1992 c.14 sowie s.72(5C) Local Government Act 2003 c.26). Das appeal-Recht zum Valuation Tribunal ergibt sich dabei aus s.45 des Land Drainage Act 1991 c.59. »Drainage rates« werden erhoben, um Maßnahmen zur Ab- bzw. Regenwasserbeseitigung und zur Vorbeugung von Überflutungen durchzuführen. Diese Gebühren werden von »drainage boards« erhoben, die jeweils für einen »internal drainage district« zuständig sind (s.1 Land Drainage Act 1991 c.59). Im Zusammenhang mit diesen Gebühren hat das »Drainage Board« die Aufgabe, den Wert eines Grundstücks zu schätzen, auf Grundlage dieses Wertes die Gebühr zu errechnen; siehe Valuation Tribunals Service, A guide to our notice for drainage rate appeals, 2009, S. 2; siehe zum Ganzen auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 101, 5th ed. 2009, para. 569 ff. The Valuation Tribunal for England (Membership and Transitional Provisions) Regulations 2009, SI2009/2267 regeln die Zusammensetzung. Ergänzend hierzu wurde eine Beschreibung der organisatorischen Arrangements des tribunal veröffentlicht; vgl. President of the Valuation Tribunal for England, Tribunal Business Arrangements, 2010. Die grundlegenden Verfahrensregeln finden sich in The Valuation Tribunal for England (Council Tax and Rating Appeals) (Procedure) Regulations 2009, SI2009/2269. Weitere, jeweils sachbereichsspezifische Verfahrensregeln finden sich in Council Tax (Alteration of Lists and Appeals) (England) Regulations, SI2009/2270; Non-Domestic Rating (Alteration of Lists and Appeals) (England) Regulations, SI 2009/2268; Valuation Tribunals (Consequential Modifications and Saving and Transitional Provisions) (England) Regulations, SI 2009/2271. Der Name sowie der Zuschnitt des für regionale Angelegenheiten zuständigen Ministeriums wurde in der Vergangenheit mehrfach geändert – im Leggatt Review etwa wird das für die Valuation Tribunals zuständige Ministerium noch als »Department for Environment, Transport and the Regions« bezeichnet; schon 2001 wurde das Ministerium umbenannt in »Department for Transport, Local Government and the Regions«, wobei die vorherige Zuständigkeit für Umweltangelegenheiten dem Department for Environment, Food and Rural Affairs zugeordnet wurde. 2002 wurde es dann aufgelöst, wobei der Sachbereich Verkehr dem Department for Transport und der Bereich Kommunalrecht zunächst dem Büro des stellvertretenden Premierminister (Deputy Prime Minister) zugeordnet wurde. Zuletzt wurde der Bereich Kommunalrecht in »Communities and Local Government« zusammengefasst; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 8(2), 4th ed. 1996, para. 509 – 511. Das für das Valuation Tribunal zuständige Ministerium ist daher nun das Department for Communities and Local Government.
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
die Rent Assessment Committees (RACs) bzw. die Rent Tribunals (RTs), die Leasehold Valuation Tribunals (LVTs) und die Residential Property Appeal Tribunals (RPTs).1496
Alle vier tribunals werden mittlerweile vom HMCTS verwaltet1497 und es steht zu erwarten, dass sie alle demnächst in einer eigenen Lands Chamber des FtT zusammengefasst werden.1498 Zwar können gegenwärtig nur die Entscheidungen von zwei dieser tribunals von der UTLC überprüft werden, weil aber alle vier sehr eng miteinander zusammenhängen – es geht in allen inhaltlich um Fragen betreffend Wohnungen und Wohnhäuser1499 – und die vollständige Unterstellung aller vier tribunals unter die Aufsicht des UTLC demnächst erfolgen soll, werden auch alle im Folgenden dargestellt: (a) Leasehold Valuation Tribunals (LVTs) LVTs entscheiden über bestimmte Streitigkeiten, die zwischen den Parteien eines leasehold1500, einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis, entstehen können. Leasehold ist dabei ein dem deutschen Erbbaurecht vergleichbares, zeitlich begrenztes Nutzungsrecht an einem Grundstück,1501 für das der Nutzungsberechtigte einen regelmäßigen Zins und eine einmalige Geldsumme zu entrichten 1496 Siehe McGrath, L& T Review 2009, 13(2), 63 (63) sowie McGrath, L& T Review 2002, 6(4), 69 (69 ff.). 1497 Siehe schon oben, in Fn. 1486. 1498 Siehe schon oben, bei Fn. 1486 sowie Bartlett, JPL 11, 1380 (1385 f.). 1499 Wie der Name schon sagt, geht es nur um »Residential Property Tribunals«, die sich mit Fragen im Zusammenhang mit zu Wohnzwecken genutzten Immobilien befassen. In organisatorischer Hinsicht sind sie eigentlich sogar identisch; siehe sogleich, bei Fn. 1538. 1500 Das gleiche Rechtsverhältnis wird auch als »lease«, »leasehold estate« oder »tenancy«, in früheren Zeiten aber auch »term of years absolute« bezeichnet und ist ein dingliches Recht, als das es dem tenant gewisse Rechte gegenüber jedem Dritten gewährt – zugleich hat es aber auch eine schuldrechtliche Komponente; siehe Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 11 f. 1501 Auch der »leasehold« ist dabei eines jener eigentümlichen Grundstücksrechte, die sich nur schwer in deutschen Kategorien einordnen lassen – insofern gilt auch hier wieder das oben, Fn. 733 Gesagte. Erschwert wird die Einordnung des leasehold in deutsche Kategorien noch dadurch, dass er, je nach dessen Ausgestaltung, eher als schuldrechtliches Mietverhältnis oder als sachenrechtliches Rechtsinstitut anzusehen ist und diese – wegen des fehlenden Numerus Klausus der Sachenrechte – sehr unterschiedlich sein kann (siehe zu dieser terminologischen Problematik Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 19 f., der Beispiele für die unterschiedlichen Gestaltungen von leaseholds nennt). Die »leaseholds« entfalteten eine besondere Wichtigkeit während der Erweiterung verschiedener Städte (London, Cardiff) ab dem 18. Jhd. und wurden meist zeitlich begrenzt für 99 Jahre, manchmal aber auch für 999 Jahre abgeschlossen; siehe zur historischen Entwicklung des »leasehold« in England insgesamt Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 12 ff.
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hat.1502 Wenn, wie häufig, die Grundstücksnutzung zu Wohnzwecken gewährt wird, ist es einem langfristigen Dauerwohnrecht nach deutschem Recht1503 vergleichbar.1504 Gerade für dieses Wohnrecht, das der Inhaber des leasehold – der leaseholder bzw. tenant1505 – vom freeholder bzw. landlord – des betreffenden Grundstücks ableitet,1506 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit des enfranchisement geschaffen, also eines Systems,1507 welches dem tenant ermöglicht, sich seines landlord zu entledigen und die von ihm bewohnte Wohnung oder das von ihm bewohnte Haus gegen Zahlung einer Entschädigung zwangsweise in einen freehold umzuwandeln1508 oder zumindest gegen den Willen des landlord das bestehende Rechtsverhältnis zu verlängern.1509 Entstehen Streitigkeiten über die Höhe der dabei zu zahlenden Entschädigung, entscheidet hierüber das LVT.1510 1502 Der regelmäßige Zins ist die »rent«, die Einmalzahlung ist ein »premium«; siehe Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 19. 1503 Gemeint ist ein Dauerwohnrecht gem. §§31 ff. Wohnungseigentumsgesetz. Leaseholds bestehen heute häufig an Wohnungen innerhalb eines Wohnblocks, was auf den Wohnungsbau des 20. Jhds. zurückgeht: Der gesamte Wohnblock gehört dem landlord, der an den einzelnen Wohnungen einen leasehold bestellt; siehe Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 18. 1504 Siehe Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 1 f. 1505 Siehe zum Begriff des »tenant« Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 1 sowie schon oben, bei Fn. 738 und unten, Fn. 1528. 1506 Der »freehold« entspricht als unbeschränktes Recht an einem Grundstück dem deutschen Grundeigentum; siehe zur Entstehung der Rechtsposition des freehold schon oben, Fn. 738. 1507 Dies ist der Leasehold Reform Act 1967 c.88, geändert durch den Leasehold Reform, Housing and Urban Development Act 1993 c. 28, zuletzt geändert durch den Commonhold and Leasehold Reform Act 2002 c. 15. 1508 Siehe zum Ganzen Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 2 ff. Die Gründe für die Schaffung des enfranchisement sind letztlich ähnlich wie die, die den Gesetzgeber bereits während der Industrialisierung zur Abschaffung von copyholds bewegten, nämlich die fehlerhafte Interessenverteilung zur Instandhaltung der Gebäude: Die Instandhaltungspflicht für ein Wohngebäude liegt grds. beim landlord, nicht beim tenant, der dieses bewohnt; gegen Ende eines langfristigen leasehold hat auch der tenant kein Interesse mehr an der Erhaltung eines von ihm errichteten Gebäudes, weil dieses bei Ende des lease in der Regel entschädigungslos an den landlord fällt. Aufgrund der dadurch entstehenden Interessenlage zwischen den Parteien wird das leasehold-System als archaisch und der heutigen Zeit unangemessen angesehen; siehe zum Ganzen Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 23 ff., insb. 28. 1509 Insoweit ist von »lease extension« die Rede. Zwar sind leases in der Regel auf sehr lange Laufzeiten angelegt (siehe schon oben, Fn. 1501), jedoch ist gerade gegen Ende der Laufzeit eine Interessenlage gegeben, die eine Erhaltung der geschaffenen Werte nicht begünstigt, weshalb es für leaseholders, die kein Interesse am Erwerb des freehold haben, aber den status quo erhalten wollen, sinnvoll sein kann, nur die Verlängerung des leasehold anzustreben. Dies ist im Wege der lease extension auch gegen den Willen des freeholders möglich; siehe Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 37. 1510 Siehe zum Ganzen – wenn auch noch nicht unter Berücksichtigung der Rechtslage nach
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Daneben befinden die LVTs auch über einige andere Aspekte der Rechtsbeziehung zwischen landlord und tenant, etwa über die Erfüllung der Pflichten des landlord zur Instandhaltung des Objekts oder deren zwangsweise Übertragung auf einen Manager,1511 oder über die Höhe der hierfür vom landlord dem tenant in Rechnung gestellten Kosten (service charges);1512 auch können in bestimmten Fällen Vorkaufsrechte des tenant entstehen1513 oder andere Detailfragen im Zusammenhang mit der Verwaltung eines Wohnobjekts aufkommen, über die das LVT im Streitfalle zu entscheiden hat.1514 Die Möglichkeit zum appeal gegen Entscheidungen der LVTs zum UT ist dabei nicht auf Rechtsfragen beschränkt, das UT prüft die Entscheidung also »de novo« im Wege einer vollständigen, eigenen Prüfung.1515 Das LVT selbst hat dabei allerdings keine eingenständige Organisationsform, sondern ist letztlich ein »alter ego«, eine funktionelle Zuständigkeit des sogleich noch zu erläuternden RAC.1516 Es existieren daher auch keine gesonderten Re-
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dem Commonhold and Leasehold Reform Act 2002 c.15 – Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 63. Siehe s.24(1) Landlord and Tenant Act 1987 c.31: Danach kann das LVT für die Verwaltung der Gebäude auf Antrag des tenant einen Manager ernennen, wenn der landlord seine Pflichten zum Unterhalt der Gebäude verletzt (»fault-based power«); siehe hierzu Dymond/Cafferkey/Gallagher, Leasehold Valuation Tribunals, 2004, para. 12.01 ff. Siehe Dymond/Cafferkey/Gallagher, Leasehold Valuation Tribunals, 2004, para. 9.01 ff. Zwar obliegt die Pflicht zur Instandhaltung dem »landlord«, dieser kann die dafür anfallenden Kosten (diese werden auch »maintenance charges« genannt) jedoch regelmäßig auf den tenant abwälzen. Aufgrund der häufigen Verwendung des leasehold als Rechtsinstitut zur Regelung der Rechtsverhältnisse in Wohnblocks ist sowohl die Höhe der service charges als auch die Frage nach den Verwaltungstätigkeiten des freeholder in der Praxis ein häufiges Feld von Streitigkeiten; siehe zu dieser Problematik insb. bei Wohnblocks Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 34. S.13(1) Landlord and Tenant Act 1987 c.31: Es handelt sich dabei um das sog. »right of first refusal«, das entsteht, wenn der landlord etwa ein ganzes Gebäude mit mehreren Wohnungen, an denen leaseholds bestehen, verkaufen will; siehe hierzu insgesamt Dymond/ Cafferkey/Gallagher, Leasehold Valuation Tribunals, 2004, para. 13.01 ff. sowie Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 39. Dabei kann es um Fragen wie die Wahl eines Versicherers (sch. 1 para. 8(1) Landlord and Tenant Act 1985 c.70) für das Objekt oder um die Anerkennung von Zusammenschlüssen mehrerer leaseholders gegenüber einem landlord gehen (»tenants’ association«; siehe s.29 (3) Landlord and Tenant Act 1985 c.70); siehe zum Dymond/Cafferkey/Gallagher, Leasehold Valuation Tribunals, 2004, para. 13.01 ff., insb. 14.01 ff. S.175(1) Commonhold and Leashold Reform Act 2002 c.15. Die Prüfung erfolgt dabei im Wege eines umfassenden »rehearing«; siehe Re London and Winchester Properties Ltd’s Appeal (1983) 45 P& CR 429 sowie Dymond/Cafferkey/Gallagher, Leasehold Valuation Tribunals, 2004, para. 19.01 ff. Siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 27(1), 4th ed. 2006, para. 58; Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 77.
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gelungen über die Zusammensetzung eines LVT,1517 sondern nur Verfahrensregeln.1518 (b) Residential Property Tribunals (RPTs) Auch für die Überprüfung von Entscheidungen der RPTs ist das UT zuständig.1519 Genau wie die LVTs sind auch diese letztlich nur eine Ausprägung eines RAC,1520 befassen sich jedoch inhaltlich mit dem Recht des housing, d. h. vor allem mit der Aufsicht kommunaler Behörden über die Wohnbedingungen in Wohnhäusern, was vor allem baupolizeiliche Aspekte umfasst: Nach dem Housing Act 2004 c.34 haben Kommunalbehörden die Aufgabe, die Wohngebäude (dwellings) in ihrem Wirkungsbereich darauf hin zu überwachen, ob sie sicher bewohnbar sind, d. h. ohne dass die Bewohner äußeren oder vom Gebäude selbst ausgehenden Gefahren ausgesetzt werden. Dafür sieht das Gesetz ein komplexes Bewertungssystem vor, welches potentielle Gefahren für Bewohner eines Gebäudes in Kategorien einteilt.1521 Stellt die Behörde das Vorliegen einer bestimmten Gefahrenkategorie fest, stellt ihr das Gesetz verschiedene, an die jeweilige Kategorie geknüpfte baupolizeiliche Instrumente zur Beseitigung der Gefahr zur Verfügung.1522 Gegen die Ergreifung dieser Maßnahmen 1517 Die Zusammensetzung richtet sich nach den Vorschriften für die Zusammensetzung von RACs, die sogleich geschildert werden; siehe unten, V.C.2.c)(2)(c), S. 302. 1518 Die Verfahren der LVTs regeln sich nach den Leasehold Valuation Tribunals (Procedure) (England) Regulations 2003, SI2003/2099; siehe zum Verfahren der LVTs auch Dymond/ Cafferkey/Gallagher, Leasehold Valuation Tribunals, 2004, para. 16.01 ff. 1519 Siehe r.12(a)(ii) Chambers Order, SI2010/2655. 1520 Siehe s.229 Housing Act 2004 c.34; zu diesem sogleich, V.C.2.c)(2)(c), S. 302. 1521 Es handelt sich um das »Housing Health and Safety Rating System« (HHSRS); siehe s.1 Housing Act 2004 c.34 sowie Halsbury’s Laws of England, Bd. 22, 4th ed. 2006, para. 359. Nach diesem System sind Kommunalbehörden verpflichtet, Wohngebäude ständig zu überwachen und ihren Zustand in zwei verschiedene, durch Verordnungen genau umschriebene Gefahrenstufen einzuteilen und bei Vorliegen dieser Gefahrenstufen bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefahr entgegenzuwirken. Die Gefahren, die damit gemeint sind, ergeben sich aus den Housing Health and Safety Rating System (England) Regulations 2005, SI2005/3208; hierher gehören in erster Linie Dinge, die als äußere Einwirkung die Bewohnbarkeit eines Gebäudes beeinträchtigen können, wie etwa extreme Temperaturen, Staub, Dämpfe, Strahlung, Lärm, aber auch Eigenschaften des Gebäudes selbst, wie nicht hinreichender Platz für die Unterbringung von Personen, unzureichende Sanitäreinrichtungen, unsichere Elektrizitätseinrichtungen und ähnliches. Die Bewertung dieser Gefahren im Einzelnen erfolgt dabei nicht anhand behördlichen Ermessens, sondern nach einem mathematischen Bewertungssystem, das in der Verordnung geregelt ist; siehe r.6 Housing Health and Safety Rating System (England) Regulations 2005, SI2005/3208. 1522 S.5(1) Housing Act 2004 c.34 legt der Behörde die Pflicht auf, bei Feststellung einer Gefahr der ersten Kategorie eine oder mehrere der in s.5(2) Housing Act 2004 c.34 genannten Maßnahmen vorzunehmen; diese umfassen Anordnungen zur Vornahme von Reparaturmaßnahmen (»improvement notice«, s.11 Housing Act 2004 c.34); Betretungs- bzw. Benutzungsverbote für Gebäude (»prohibition orders«, ss.20 und 22 ff. Housing Act 2004
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besteht dann jeweils ein appeal-Recht zum RPT, wobei das Gesetz selbst auch die Kompetenzen und das Verfahren der RPTs für jeden dieser appeals regelt.1523 Des Weiteren sind die RPTs zuständig für baupolizeiliche Genehmigungsentscheidungen im Zusammenhang mit der Inhaberschaft bzw. dem Betrieb sog. houses in multiple occupation (HMOs), d. h. Gebäuden, deren Bewohner sich bestimmte Einrichtungen des Gebäudes teilen müssen, womit etwa Studentenwohnheime gemeint sind.1524 Eine andere Rolle spielen die RPTs im Zusammenhang mit empty dwelling management orders (EDMOs), d. h. Anordnungen, mittels derer die Behörde dafür sorgen kann, dass ein leerstehendes Gebäude wieder genutzt wird:1525 Eine solche Anordnung durch die Behörde muss zunächst dem RPT vorgelegt werden, welches diese für ihre Wirksamkeit zu genehmigen hat.1526 (c) Rent Assessment Committees (RACs) und Rent Tribunals (RTs) Wie gesagt sind die zuvor beschriebenen LVTs und RPTs lediglich andere Erscheinungsformen von RACs: Auch diese tribunals1527 befassen sich in erster
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c.34); Warnhinweise vor der betreffenden Gefahr (»hazard awareness notice«, s.28 Housing Act 2004 c.34) sofortige Gegenmaßnahmen (»emergency remedial action«, s.40 Housing Act 2004 c.34) sowie Abrissverfügungen für einzelne Gebäude (»demolition orders« gem. 265(1) und (2) Housing Act 1985 c.68) oder größere Gebiete (»clearance area« gem. s.289(2) Housing Act 1985 c.68). Ganz ähnliche Möglichkeiten hat die Behörde auch, wenn eine Gefahr der zweiten Kategorie vorliegt; siehe s.7 Housing Act 2004 c.34, allerdings sind die einzelnen Kompetenzen bei einer Gefahr der zweiten Kategorie trotz ihrer nahezu gleichen Bezeichnungen im Einzelnen anders ausgestaltet. Für mehrere der oben, in Fn. 1522 genannten Maßnahmen gewährt der Housing Act 2004 c.34 eigene appeal-Rechte zum RPT: Für die improvement notice nach s.18 i. V. m. sch.1 Housing Act 2004 c.34 (dazu siehe auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 22, 4th ed. 2006, para. 379); für die prohibition order gem. s.27 i. V. m. sch.2 Housing Act 2004 c.34 (dazu siehe auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 22, 4th ed. 2006, para. 395); für emergency remedial actions aus s.45 Housing Act 2004 c.34 (Halsbury’s Laws of England, Bd. 22, 4th ed. 2006, para. 411); für demolition orders aus s.269(1) Housing Act 1985 c.68 (Halsbury’s Laws of England, Bd. 22, 4th ed. 2006, para. 416). HMOs sind Gebäude, in denen sich mehrere Bewohner oder Haushalte gemeinsame Einrichtungen wie insb. Küchen oder Sanitäreinrichtungen teilen müssen. Der Begriff erfasst damit v. a. Studentenwohnheime und bed and breakfast-Einrichtungen, aber auch einige private Gebäude, in denen etwa eine Wohnung untervermietet ist. Personen, die ein solches HMO unterhalten (sei es als Betreiber eines Studentenwohnheims oder als Vermieter an einen Untermieter) bedürfen hierfür einer besonderen Erlaubnis der Behörde, die nur gewährt wird, wenn das entsprechende HMO bestimmte Mindestanforderungen an Sicherheit und Hygiene erfüllt. Gegen alle Entscheidungen im Zusammenhang mit dieser Lizenzerteilung für ein HMO besteht ein appeal-Recht aus ss.71 und 94 i. V. m. sch.5 Housing Act 2004 c.34; zum Ganzen siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 22, 4th ed. 2006, para. 460 ff. und para. 486. Diese Anordnungen werden von ss.132 ff. Housing Act 2004 c.34 geregelt. Siehe s.134 Housing Act 2004 c.34; siehe zum Ganzen auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 22, 4th ed. 2006, para. 549 ff. Für die Zwecke der im Folgenden beschriebenen Rechtsmaterie bilden alle counties, alle
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Linie mit Rechtsverhältnissen zwischen Privaten, nämlich zwischen Mieter und Vermieter, die ebenfalls als landlord und tenant1528 bezeichnet werden; dennoch wird man sie wohl eher als tripolar denn als rein privatrechtlich bezeichnen müssen: Nach den Regelungen verschiedener Gesetze entscheiden RACs, die sich in einigen seltenen Fällen auch als Rent Tribunals (RTs) – einem weiteren »alter ego« der RACs – konstitutieren können,1529 im Wesentlichen über Streitigkeiten, die sich aus den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz von Mietern vor zu hohen Mieten in vielen privatrechtlichen Mietverhältnissen ergeben.1530 London Boroughs und die City of London in England (sowie ganz Wales) eine »registration area«, für die jeweils die für die im Folgenden beschriebenen Zwecke benötigten Verwaltungsstrukturen und damit auch die RACs geschaffen werden sollen; siehe s.62 Rent Act 1977 c.42. 1528 Der Begriff »landlord« wird in allen möglichen Rechtsverhältnissen jeweils für die Person verwandt, die ein Gründstück, eine Immobilie oder Teile davon aufgrund verschiedener Rechtsverhältnisse zur Nutzung an eine Person – den tenant – überlässt; entsprechend kann »landlord« je nach rechtlichem Zusammenhang Vermieter, Verpächter, oder eben Eigentümer bedeuten, der Begriff »tenant« entsprechend Mieter, Pächter oder etwa Nießbraucher ; vgl. auch Law/Martin, in: Law/Martin (ed.), A Dictionary of Law, 2009, Stichwort: »landlord«. 1529 RACs werden, wenn sie bestimmte Aufgaben im Zusammenhang mit sog. »restricted contracts« wahrnehmen, auch als »Rent Tribunals« bezeichnet; siehe s.72(3) Housing Act 1980 c.51: Diesen RTs obliegt dabei im Wesentlichen die gleiche Aufgabe, die heute den RACs in allen anderen Fällen zukommt, nämlich über die Angemessenheit einer Miete zu entscheiden. Nach den alten Vorschriften des Rent Act 1977 c.42 konnten die Parteien eines »restricted contract« – darunter fielen etwa Mietverhältnisse, bei denen Mieter und Vermieter in einem Haus zusammenwohnten – die Frage nach der angemessenen Miete direkt einem RT zur Entscheidung vorlegen. Zu diesem Zeitpunkt spielten frei von den Parteien vereinbarte Mieten für den Wohnungsmarkt so gut wie keine Rolle; siehe Dymond/Cafferkey/Gallagher, Leasehold Valuation Tribunals, 2004, para. 1.03. Das Regulierungsregime der restricted contracts wurde später aufgegeben, die entsprechenden Bestimmungen gelten aber für bereits noch bestehende restricted contracts weiter ; entsprechend wird das genannte Verfahren heute nur noch extrem selten angewandt, da restricted contracts seit dem 15. 01. 1989 nicht mehr neu begründet werden können. Das Verfahren in diesen Altfällen regelt sich nach eigenen Vorschriften, nämlich The Rent Assessment Committees (England and Wales) (Rent Tribunal) Regulations 1980, SI1980/ 1700; siehe zum Ganzen auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 27(2), 4th ed. 2006, para. 988 sowie Dymond/Cafferkey/Gallagher, Leasehold Valuation Tribunals, 2004, para. 4.01 ff. Grds. ist auch für Entscheidungen der RTs das UT noch nicht zuständig, es ist aber zu erwarten, dass es das in Zukunft sein wird – sofern sie bis dahin überhaupt noch praktisch relevant sind. Wegen der geringen Relevanz wird auf RTs hier nicht weiter eingegangen. 1530 RACs wurden durch sch.10 i. V. m. s.65 Rent Act 1977 c.42 geschaffen. Ihr Ursprung geht auf Rent Tribunals zurück, die durch den Furnished Houses (Rent Control) Act 1946 (9& 10 Geo.VI) c.34 errichtet wurden und mit der Aufgabe betraut wurden, die nach dem Krieg bestehende Wohnungsknappheit dadurch abzumildern, dass sie eigenständig angemessene Mieten für möblierte Zimmer festsetzen konnten, um zu verhindern, dass sich ärmere Schichten eine Wohnung nicht mehr leisten konnten; siehe zum Ganzen Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 171; Jackson/Spencer, Machinery of Justice, 8th ed. 1989, S. 133. Die Wurzeln gesetzlicher Kontrolle über den Markt von Mietwohnungen reichen
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Das hierfür relevante materielle Recht ist über mehrere Gesetzeswerke verteilt, aus denen sich, abhängig vom Zeitpunkt eines Mietvertragsschlusses, verschiedene Möglichkeiten staatlicher Regulierung der Vertragsbeziehungen und damit korrespondierende Möglichkeiten zur Einschaltung der RACs ergeben:1531 So ist in älteren Mietverhältnissen auf Antrag einer oder beider Vertragsparteien die Festsetzung der zu zahlenden Miete durch einen rent officer möglich, der dabei sowohl die Gegebenheiten und Ausstattung der konkreten Wohnung, als auch die Marktbedingungen für solche Wohnungen zu berücksichtigen hat;1532 gegen dessen Festsetzung können beide Mietvertragsparteien jeweils das RAC anrufen.1533 Neuere Mietverhältnisse hingegen sind weniger reguliert, hier können die Mietvertragsparteien grds. die Miethöhe frei vereinbaren, spätere Veränderungen der Miete jedoch können vom Mieter einem RAC vorgelegt werden, welches zu entscheiden hat, ob diese angemessen sind.1534 Obgleich sich damit auch die
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aber bis zum Rent and Morgage Interest (War Restrictions) Act 1915 (5& 6 Geo V.) c.97 zurück. Es sind hier dies vor allem der Rent Act 1977 c.42 und der Housing Act 1988 c.50, jeweils in den Fassungen, die sie durch eine Vielzahl späterer Gesetze erhalten haben. Dies galt für Mietverträge, die nach den Vorschriften des Housing Act 1977 c.42, also wie die restricted contracts (zu diesen siehe schon oben, Fn. 1529) vor dem 15. 01. 1989 geschlossen worden sind: Nach den hierfür noch geltenden Vorschriften des Rent Act 1977 c.42 kann auf Antrag des Mieters, des Vermieters oder beider zusammen ein rent officer (s.63 Housing Act 1977 c.42) die Höhe einer angemessenen Miete bestimmen (die Kriterien dafür ergeben sich aus s.70 Housing Act 1977 c.42) und diese in einem Register (»Register of Rents«, s.66 Housing Act 1977 c.42) festhalten. Ist dies geschehen, kann die Miete nicht mehr einseitig verändert werden (s.44 Housing Act 1977 c.42). Das Gesetz sieht dabei selbstverständlich verschiedene Möglichkeiten der Anpassung der Miete an veränderte Umstände sowie Regelungen zu Nebenkosten oder den Kosten notwendiger Reparaturmaßnahmen vor. Da Mietverträge, auf die diese Regelungen Anwendung fänden, heute nicht mehr neu geschlossen werden können, beziehen sich auch diese Regelungen nur noch auf Altfälle – entsprechend nimmt die Wichtigkeit auch dieses Zuständigkeitsbereiches der RAC ab und wird irgendwann vollständig verschwinden; siehe zum Ganzen auch Dymond/Cafferkey/Gallagher, Leasehold Valuation Tribunals, 2004, para. 1.01 ff. Das RAC ist in diesen Altfällen (siehe oben, Fn. 1529) gewissermaßen automatisch in den Prozess der Bestimmung der angemessenen Miete eingebunden: Gem. sch.11 para 5 ff. teilt der rent officer den Vertragsparteien das Ergebnis seiner Mietberechnung mit, woraufhin diese die Möglichkeit haben, die Vorlage dieses Ergebnisses an das RAC zu verlangen, welches sodann eigene Ermittlungen darüber anstellen kann, welche Miete angemessen ist. Das dafür vorgeschriebene Verfahren regelt sich nach den The Rent Assessment Committees (England and Wales) Regulations 1971, SI1971/1065. Ist eine der Mietvertragsparteien mit den Festsetzungen des rent officer (dazu siehe bereits oben, Fn. 1532) nicht einverstanden, steht ihr gem. sch.11 para. ein appeal-Recht zum RAC zu. Dies ergibt sich aus den Regelungen des Housing Act 1988 c.50: Ein Mietvertrag, der – abgesehen von einigen Ausnahmen – nach dem 15. 01. 1989 (s.141(3) Housing Act 1988 c.50) geschlossen wird, gilt als »assured tenancy« (s.1 Housing Act 1988 c.50) bzw. »assured shorthold tenancy« (s.19Aff. Housing Act 1988 c.50). Handelt es sich um eine assured tenancy, folgt daraus, dass dem Mieter nicht einfach gekündigt werden kann,
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RACs eigentlich mit zivilrechtlichen Sachverhalten befassen,1535 werden sie als administrative tribunals angesehen.1536 Ihre Entscheidungen sind gegenwärtig noch im Wege des appeal vom High Court überprüfbar.1537 Die RACs – und damit auch all ihre zuvor geschilderten »alter egos«1538 – bestehen in der Praxis meist aus einem Dreierkollegium,1539 dessen Mitglieder
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sondern nur mittels einer bei Gericht zu beantragenden »order for possession« (ss.5(1)(a) und 7 Housing Act 1988 c.50) aus im Gesetz abschließend aufgezählten Gründen (etwa Mietrückstände oder Eigenbedarf; siehe sch.2 Housing Act 1988 c.50) beendet werden kann. Derartige Mietverhältnisse werden dabei vor allem von Wohnungsanbietern im sozialen Wohnungsbau (»registered social landlords«) geschlossen; »Assured shorthold tenancies« stellen hingegen den Regelfall im privaten Mietrecht dar, hier gelten die Regelungen über die erschwerte Kündbarkeit nicht; siehe Dymond/Cafferkey/Gallagher, Leasehold Valuation Tribunals, 2004, para. 2.04. Soll in einem solchen Mietverhältnis über eine assured tenancy die Miete erhöht werden, hat der Vermieter dies dem Mieter in vorgeschriebener Form mitzuteilen (s.13 Housing Act 1988 c.50) und der Mieter hat dann die Möglichkeit, diese Mieterhöhung einem RAC vorzulegen (s.14 Housing Act 1988 c.50), welches sodann darüber zu entscheiden hat, ob die angestrebte Mieterhöhung angemessen ist. Für eine assured shorthold tenancy ergibt sich eine entsprechende Möglichkeit zur Überprüfung der Angemessenheit der Miethöhe (s.22 Housing Act 1988 c.50). Eigentlich wird auch nach englischem Recht das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter als klassisch privatrechtliches angesehen: »The notable feature of the [Rent Acts] is that they authorise the setting of administrative tribunals to deal with a type of subject matter which by tradition lies peculiarly within the province of the courts of law. There is no more typical, well-worn and familiar branch of English private law than that dealing with landlord and tenant.« Robson, Justice and Administrative Law, 3rd ed. 1951, S. 252 f. Dies hat der CoA in der Entscheidung R. v. London Rent Assessment Committee Ex p. Hanson [1978] QB 823 (832), per Denning LJ, bestätigt. Hier hatte das Gericht angenommen, dass eine Klage vor einem RAC nicht zurückgenommen werden könne, weil die Entscheidung über angemessene Mieten nicht im Parteiinteresse, sondern im öffentlichen Interesse geschehe; siehe auch Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 176. Da diese tribunals durch die Regelungen des TCEA 2007 c.15 bisher völlig unberührt blieben, ergibt sich dies noch aus s.11(1) Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53; siehe auch Bartlett, JPL 11, 1380 (1385 f.); Dymond/Cafferkey/Gallagher, Leasehold Valuation Tribunals, 2004, para. 5.26 ff. Also LVTs, RPTs und RTs. Die Zusammensetzung der RACs – und aller anderen tribunals, die aus diesem heraus gebildet werden – ist in sch.10 Housing Act 1977 c.42 geregelt; danach muss für jede registration area (siehe dazu oben, Fn. 1527) ein panel geschaffen werden, aus dem heraus sich die jeweils eingesetzen Spruchkörper der RAC zusammensetzen (sch.10 para. 1 Housing Act 1977 c.42). Für jedes panel muss dabei ein Teil der Mitglieder vom zuständigen Fachminister und ein anderer Teil vom Lord Chancellor ernannt werden. Unter den letztgenannten Personen hat der zuständige Minister sodann für jedes panel einen Präsidenten und Vizepräsidenten zu bestimmen (sch.10 para. 2 und 3 Housing Act 1977 c.42), die wiederum über die konkrete Zusammensetzung der jeweiligen RACs entscheiden (sch.10 para. 4 Housing Act 1977 c.42). Jeder Spruchkörper besteht dabei aus einem Vorsitzenden und einem oder zwei Beisitzern, wobei der Vorsitzende stets eine Person sein muss, die vom Lord Chancellor in das panel berufen wurde (sch.10 para. 5 Housing Act 1977 c.42) – sofern nicht der Präsident oder einer der Vizepräsidenten mit Zustimmung der Parteien als Einzelrichter entscheidet (sch.10 para. 6 Housing Act 1977 c.42); zur
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sowohl Juristen, als auch Grundstücksschätzer (surveyors) und Personen ohne besondere berufliche Qualifikation sein können, die über anderweitige Erfahrungen auf dem Gebiet des housing bzw. der residential property verfügen.1540
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Die Tax and Chancery Chamber (TCC)
Die TCC wurde zusammen mit der TC am 01. 04. 2009 eingeführt1541 und hat vor allem die Aufgabe, appeals gegen Entscheidungen der TC zu hören.1542 Da Entscheidungen der General und Special Commissioners bisher im Wege des appeal vor dem High Court überprüfbar waren1543 und innerhalb des High Court die Chancery Division zuständig war,1544 hat die TCC entsprechend – schon ihrem Namen nach – die Zuständigkeit dieser Kammer des High Court übernommen; demgemäß sind auch die in der TCC tätigen Tribunalsmitglieder vor allem Richter der Chancery Division des High Court.1545 Aufgrund der weitgehenden Integration dieser Richter in die TCC lag es nahe, auch andere Zuständigkeiten der Chancery Division in diese Kammer zu übertragen und zu erst- oder zweitinstanzlichen Zuständigkeiten des UT zu machen.1546 Aus diesem Grund ist
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1544 1545 1546
Zusammensetzung der RACs insgesamt siehe auch Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 14/43. Siehe McGrath, L& T Review 2002, 6(4), 69 (69). Dies allerdings noch unter anderem Namen: Zunächst wurde die Kammer unter dem Titel »Tax and Finance Chamber« eingeführt; zu den Gründen siehe unten, bei Fn. 1546. Siehe r.13(1)(a)(i) Chambers Order, SI2010/2655. Gegen die Entscheidungen der General Commissioners bestand die Möglichkeit zur Anrufung des High Court im Wege des case stated-Verfahrens (r.20 General Commissioners (Jurisdiction and Procedure) Regulations 1994, SI1994/1812 a. F.). Gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit Bußgeldern, die von General Commissioners verhängt wurden, konnte der High Court im Wege eines normalen Verfahrens angerufen werden (s.100C Taxes Management Act 1970 c.9 a. F.). Gegen Entscheidungen der Special Commissioners konnte der High Court im Rahmen eines normalen appeal-Verfahrens angerufen werden (s.56 A Taxes Management Act 1970 c.9 a. F.); siehe zum Ganzen Halsbury’s Laws of England, Bd. 23(2), 4th ed. 2002, para. 1775 ff. Siehe sch.1 Ord 91 r.1 CPR a. F.; Halsbury’s Laws of England, Bd. 23(2), 4th ed. 2002, para. 1775 ff. Auch sind Richter der jeweiligen Abteilungen des Court of Session und des High Court of Northern Ireland in die Kammer integriert; siehe Warren, Tribunals, 2009, Autum, 7 (7). Entsprechend wurde der Name der Kammer von »Finance and Tax Chamber« nach kurzer Zeit umgeändert in »Tax and Chancery Chamber«, um dem Umstand der weitgehenden Übernahme von Zuständigkeiten der Chancery Division in Rechtsbereichen, die klassischerweise dem Rechtsbereich der equity entstammen, für deren Entwicklung der alte Court of Chancery verantwortlich war (dazu siehe schon oben, bei Fn. 270) Rechnung zu tragen – obgleich dieser Name eigentlich nicht passt, da das UT ja als UK-weit einheitlicher Spruchkörper auch für Schottland zuständig ist, dessen Recht allerdings keine »chancery« und keine »equity« im englischen Sinne kennt; dazu siehe im Einzelnen auch unten,
Die Kammern des Upper Tribunal (UT)
307
die TCC1547 nun auch zuständig für die Überprüfung von Entscheidungen der GRC im Zusammenhang mit wohltätigen Organisationen.1548 In einigen besonders komplexen Fällen können an die TCC sowohl steuerrechtliche als auch charities-Fälle von der TC bzw. GRC transferiert werden.1549 Des Weiteren ist die TCC für die Entscheidung von Streitigkeiten im Wege des später noch zu schildernden, gesetzlichen »JR« in diesen Sachbereichen zuständig.1550 Außerdem sind in diese Kammer einige weitere Zuständigkeiten transferiert worden, die darin bestehen, Entscheidungen von Regulierung- und Aufsichtsbehörden für den Finanz- und Bankensektor zu überprüfen, deren Bearbeitung ein umfassendes Verständnis der Steuer- und Finanzwelt erfordert: So sind die Zuständigkeiten des ehemaligen Financial Service and Markets Tribunal (im Folgenden: FINSMAT) in die TCC integriert worden.1551 Dem FINSMAT oblag die Überprüfung von Entscheidungen vor allem der Financial Services Authority, der zentralen Finanzaufsichtsbehörde.1552 Außerdem ist das UT nun zuständig für die Überprüfung von Entscheidungen des Pensions Regulator, einer besonderen Aufsichtsbehörde über Pensionskassen1553 sowie der Bank von
1547 1548 1549
1550 1551
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1553
VIII.C.3.a)(3), S. 513, bei Fn. 2700; siehe zum Ganzen Warren, Tribunals, 2009, Autum, 7 (7). Gegen alle anderen Entscheidungen, die innerhalb der Zuständigkeit der GRC gefällt werden, ist die AAC zuständig. Dazu siehe schon oben, V.B.5.d)(1), S. 275. Für steuerrechtliche Fälle siehe r.28 TC-Rules, SI2009/273; für charities-Fälle siehe r.19 GRC-Rules, 2009/1976. Da es aber jeweils der Zustimmung der Präsidenten sowohl der TC als auch der TCC bedarf, wird dies wohl in steuerrechtlichen Fällen nur dort geschehen, wo die betreffende Streitigkeit besonders komplexe Rechtsfragen aufwirft und daher zu erwarten ist, dass die Entscheidung der TC ohnehin einer Überprüfung durch höhere Instanzen zugeführt wird, und in charities-Fällen etwa dort, wo eine reference (dazu siehe schon oben, bei Fn. 1361) an das FtT erfolgte; siehe Warren, Tribunals, 2009, Autum, 7 (7 f.). Siehe r.13(g) Chambers Order, SI2010/2655; zur Zuständigkeit der TCC für »JR«-Fälle siehe auch unten, bei Fn. 2398. Siehe r.13(1)(b)(i) Chambers Order, SI2010/2655. FINSMAT wurde zunächst durch den Financial Service and Markets Act 2000 c.8 gegründet, der die meisten und wichtigsten Regelungen zur Regulierung des Finanzwesens enthält; siehe zum Ganzen Halsbury’s Laws of England, Bd. 48, 5th ed. 2008, para. 1 ff. Diese wurde durch den Financial Services and Markets Act 2000 c.8 geschaffen und mit umfassenden Kompetenzen zur Regulierung des Finanzsektors ausgestattet. Ihr obliegt die Zulassung regulierter Aktivitäten sowie deren Überwachung; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 48, 5th ed. 2008, para. 2. Zu diesem Zweck gewährt ihr das Gesetz entsprechende Kompetenzen und zugleich die Möglichkeit, gegen solche Maßnahmen das UT anzurufen; siehe z. B. ss.55 (Nichzulassung von Tätigkeiten), 57 (Untersagung von Tätigkeiten), 62 (Nicht-/Genehmigung von Tätigkeiten), 63B und 67 (Verhängung von Sanktionen). Siehe r.13(1)(c) Chambers Order, SI2010/2655. Der Pensions Regulator wurde durch den Pensions Act 2004 c.35 geschaffen, ein Teil seiner Kompetenzen ist jedoch im Pensions Act 1995 c.26 geregelt, welcher seine Vorgängerorganisation, die Occupational Pensions Re-
308
Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
England1554 und des Schatzamtes,1555 welchem gegenwärtig als Folge der Finanzkrise von 2008 bestimmte Sonderbefugnisse im Zusammenhang mit Verstaatlichung von Unternehmen zustehen.1556
4.
Die Immigration and Asylum Chamber des Upper Tribunal (IAC-UT)
Die IAC-UT hatte unmittelbar vor dem Transfer des AIT in die neue Struktur keine direkte Entsprechung in einem Einzeltribunal, da das AIT ja gerade einstufig ausgestaltet war ;1557 dessen Entscheidungen waren allenfalls im Wege des JR überprüfbar. Zu einem gewissen Grad wird man daher die IAC-UT als Nachfolger des alten IAT ansehen dürfen, welches bis 2006 bestand.1558 Damit wächst der IAC-UT neben der Aufgabe der Überprüfung von Entscheidungen der IAC auch die wichtige Rolle zu, die das alte IAT im Bereich des Asyl- und Immigrationsrechts hinsichtlich der Entwicklung von country guidance cases innehatte: Diese Entscheidungen des IAT hatten große Bedeutung als Rechtsquelle für das Asylrecht.1559 Sie stellen eine Art Präjudiz für Sachfragen
1554
1555
1556
1557 1558 1559
gulatory Authority, begründet hatte (zu diesen Kompetenzen siehe auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 44(2), 4th ed. 1997, para. 598ff, insb. 604 f.). Durch den Pensions Act 2004 c.35 wurde zunächst auch das Pension Regulator Tribunal gebildet, dessen Zuständigkeit nun in der TCC aufgegangen ist: Gegen bestimmte Entscheidungen des Pensions Regulator bestand ein Recht zum appeal (»referral« genannt) zum Pensions Appeal Tribunal und nun zum UT, etwa aus ss.96(3) oder 99(7) Pensions Act 2004 c.35. Siehe r.13(1)(b)(ii) Chambers Order, SI2010/2655. Auch die englische Zentralbank übernimmt Aufgaben einer Regulierungsbehörde; siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 48, 5th ed. 2008, para. 74. Sie hat gewisse Aufsichtsbefugnisse über das Verhalten anderer Banken und kann in bestimmten Situationen Sanktionen gegen diese erlassen, deren Anordnung sie jedoch zuvor androhen muss. Gegen diese Androhung kann das UT angerufen werden; siehe ss.201 bzw. 202 Banking Act 2009 c.1. Entscheidungen des Schatzamtes können nach r.14(5) und 15 The Financial Services and Markets Act 2000 (Contribution to Costs of Special Resolution Regime) Regulations 2010, SI2010/2220 dem UTvorgelegt werden; siehe r.13(1)(b)(iv) Chambers Order, SI2010/2655. Dies geschieht im Zusammenhang mit besonderen Kompetenzen des Schatzamtes nach dem Financial Services and Markets Act 2000 c.8, die hier nicht weiter dargestellt werden. Diese Sonderbefugnisse und die entsprechenden appeal-Rechte ergeben sich aus dem Banking (Special Provisions) Act 2008 c.2. Dieses Gesetz ermöglichte die kurzfristige Nationalisierung von Banken bzw. die Übertragung des daran bestehenden Eigentums an eine andere Bank durch eine Verordnung des Schatzamtes. Hintergrund des Gesetzes ist der Zusammenbruch vor allem der Bank »Northern Rock«; siehe Explanatory Notes, Banking (Special Provisions) Act 2008 c.2, para. 3. Diese Bank wurde in Anwendung dieses Gesetzes durch Erlass einer Rechtsverordnung verstaatlicht; zugleich wurde angeordnet, dass das UT zuständig für die Überprüfung von Entscheidungen über Entschädigungszahlungen an die so enteigneten Anteilseigner der Bank sein sollte; siehe r.13 The Northern Rock plc Compensation Scheme Order 2008, SI2008/718. Dazu siehe oben, bei Fn. 1407. Zum IAT siehe schon oben, Fn. 1408. Siehe Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 1.3.5.
Die Kammern des Upper Tribunal (UT)
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bzw. Tatsachen1560 dar und gehen auf eine Praxis zurück, die durch das alte IAT entwickelt wurde,1561 um sowohl den Asylbehörden den Erlass ihrer Ausgangsentscheidung als auch den asylrechtlichen tribunals erster Instanz die Arbeit zu erleichtern und zugleich eine einheitliche Handhabung von Asylrechtsanträgen von Angehörigen bestimmter Staaten sicherzustellen. Hierzu wurden Entscheidungen des IAT, die das Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Tatsachen in bestimmten Herkunftsstaaten zum Gegenstand hatten, insoweit als Präjudizien behandelt, als dass in späteren Verfahren über diese Tatsachen kein erneuter Beweis erhoben werden musste.1562 Diese Praxis wurde von den Gerichten anerkannt,1563 auch als die Prüfungsmöglichkeiten des IAT über Entscheidungen der Vorinstanzen auf eine Überprüfung von Rechtsfragen beschränkt wurde und somit eigentlich gar keine Möglichkeit mehr zur Prüfung von Sachfragen bestand.1564 Die Wirkung einer solchen country guidance ist dabei nicht die gleiche wie bei einem gerichtlichen Präjudiz über eine Rechts-
1560 In solchen Fällen ermittelte das IAT Tatsachen betreffend die politischen und sozialen Bedingungen in dem Herkunftsland, aus dem ein Asylbewerber stammte, so dass auf dieser Basis entschieden werden konnte, ob der Antrag begründet war; siehe Carnwath, PL 2009, 48 (59); siehe zu »country guidance« im Allgemeinen Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 12.7.4.2 sowie zum Ganzen auch Buck, CJQ 2006, 25, 458 (476 ff.). 1561 In der Entscheidung S v. Secretary of State for the Home Department [2002] EWCA Civ 539, para. 28 per Laws LJ wurden diese »country guidance«-Fälle als »factual precedent« bezeichnet; er betrachtete sie als »exotic […] but in the context of the IAT’s responsibilites […] benign and practical.«; siehe auch Carnwath, PL 2009, 48 (60). 1562 Carnwath, PL 2009, 48 (59): »The purpose of such country guidance cases is to enable the consideration, at a high level within the tribunal, of all the available evidence relating to conditions in a particular country, and to provide definite guidance for future appeals raising the same issues.« 1563 Shirazi v. Secretary of State for the Home Department [2004] 2 All ER 602, para. 29 per Sedley LJ sowie Januzi v. Secretary of State for the Home Department [2006] 2 AC 426, para. 50 per Hope LJ, der allerdings hinzufügt: »[I]n the end of the day each case, whether or not such guidance is available, must depend on an objective and fair assessment of its own facts.« 1564 Siehe R. (Iran) v. Secretary of State for the Home Department [2005] EWCA Civ 982, para. 1 ff. per Brooke LJ. Dieser Entscheidung vorausgegangen war die Eingrenzung des Rechts zum appeal gegen Entscheidungen der adjudicators zum IAT auf Rechtsfragen. Bis 2004 war der appeal zum IAT hinsichtlich Rechts- und Tatsachenfragen möglich, angesichts dessen kein Zweifel an der Möglichkeit des IAT zu umfassenden Tatsachenfeststellungen bestehen konnte. In der genannten Entscheidung befanden die Gerichte, dass durch die Eingrenzung des appeal-Rechts auf Rechtsfragen die Möglichkeit des IAT zur Schaffung von »country guidance« nicht beschnitten werden sollte, da das IAT nach den neuen Regelungen die Möglichkeit hatte, nach der Feststellung des Vorliegens eines Rechtsfehlers die Entscheidung der Vorinstanz auch hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen zu überprüfen; siehe zum Ganzen auch Carnwath, PL 2009, 48 (60).
310
Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
frage, da es flexibler ist und im Falle des Nachweises von Veränderungen in dem betreffenden Land an diese angepasst werden kann.1565
5.
Zusammenfassung zu den Zuständigkeiten des Upper Tribunal
Auf der Ebene des UT vergrößert sich nochmals die Bandbreite der Streitigkeiten, die innerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15 entschieden werden: Neben der Überprüfung von Entscheidungen der einzelnen Kammern des FtT kommen hier auch eigene, erstinstanzliche Zuständigkeiten sowie die Aufgabe der Überprüfung von Entscheidungen von tribunals hinzu, die gänzlich außerhalb der neuen Struktur stehen. Insb. die AAC nimmt diesbezüglich eine besondere Rolle ein, weil in ihr – ganz entsprechend ihrem Namen – sozial- und verwaltungsrechtliche Streitigkeiten aus unterschiedlichsten Sach- und Rechtsbereichen zusammenlaufen. Dass für die Sachbereiche des Steuer- und Finanzrechts sowie des Asylrechts auch auf dieser Ebene eigenständige Kammern geschaffen wurden, ist wohl der Komplexität der jeweiligen Rechtsbereiche geschuldet. Heraus sticht hier die UTLC mit ihrer gemischten Zuständigkeit sowohl für öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Streitfälle: In ihr Ressort fallen sowohl klassisches Baupolizeirecht (als Aufsichtsinstanz über die RPTs) als auch klassisches Privatrecht (restrictive covenants, Aufsicht über LVTs) sowie tripolare Rechtsverhältnisse (als Aufsichtsinstanz über die RTs und RACs). Ferner nimmt sie eine in erster Linie administrative Aufgabe wahr (right to light). Das verbindende Element all dessen ist dabei hauptsächlich das zur Beurteilung erforderliche Fachwissen über die verschiedenen Faktoren, die den Wert eines Grundstücks beeinflussen können – ein Umstand, der sich auch in der personellen Besetzung dieser Kammer widerspiegelt. Allerdings ist vom reinen Fallaufkommen her die Tätigkeit der UTLC eher zu vernachlässigen.1566 Mit all diesen Aufgaben tritt das UT damit nicht nur in die Fußstapfen jener zweitinstanzlichen tribunals, die in das UT transferiert wurden, sondern übernimmt an vielen Stellen auch die Rolle des High Court: Die Funktion des High Court ist überall dort auf das UT übergegangen, wo dieser bisher im Wege des appeal angerufen werden konnte.1567 Wie sogleich noch gezeigt werden wird, hat
1565 Siehe Thomas, IJRL 2008, 20(4), 489 (520). 1566 Siehe die Übersicht zur Zahl der entschiedenen Fälle in den einzelnen Zuständigkeitsbereichen: Die UTLC hat danach in 2010/2011 insgesamt 750 Fälle entschieden; siehe Ministry of Justice, Annual Tribunals Statistics 2010 – 2011, 2011, S. 21. 1567 Etwa hinsichtlich der Überprüfung von Entscheidungen der Special Commissioners, die nun durch die TCC erfolgt (siehe oben, V.C.3., S. 306) oder hinsichtlich all der tribunals,
Exkurs: Tribunals außerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15
311
das UTauch in anderer Hinsicht Funktionen, Kompetenzen und Charakteristika des High Court übernommen.
D.
Exkurs: Tribunals außerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15
Es ist bereits angeklungen, dass ungeachtet der umfassenden und stetig voranschreitenden Reformen durch den TCEA 2007 c.15 noch einige tribunals existieren, die bisher nicht von dem Reformprozess erfasst sind. An dieser Stelle soll daher der Vollständigkeit halber ein kurzer Überblick über jene tribunals gewährt werden, die weiterhin abseits des Systems bestehen. Bei einigen dieser tribunals ist bereits klar, dass keine Integration in das System des TCEA 2007 c.15 erfolgen wird:
1.
Tribunals für den Umgang mit sicherheitsrelevanten Informationen
Auf der Ebene des Zentralstaates sind mehrere tribunals zu nennen, deren gemeinsames Merkmal es ist, dass ihre Verfahren darauf ausgerichtet sind, einen maximalen Geheimnisschutz zu gewährleisten und entscheidungsrelevante Tatsachen nicht nach außen dringen zu lassen, weil es regelmäßig um Fragen der nationalen Sicherheit geht. Dies sind die folgenden tribunals: – Die Special Immigration Appeals Commission (SIAC): Dieses tribunal ist gewissermaßen ein Nebengleis der asylrechtlichen Zuständigkeiten von FtT und des UT und hört ausschließlich solche immigrationsrechtlichen Fälle, in denen Fragen der nationalen Sicherheit eine Rolle spielen, in denen es also etwa um die Abschiebung potentieller Terroristen geht.1568 Die SIAC muss aus bei denen bisher das allgemeine appeal-Recht aus dem Tribunals and Inquiries Act bestand; dazu siehe schon oben, bei Fn. 1434. 1568 Die Zuständigkeit der SIAC ergibt sich aus s.2(1) Special Immigration Appeals Commission Act 1997 c.68; danach ist sie inhaltlich für die gleichen Streitigkeiten zuständig wie das damalige AIT bzw. heute die IAC-FtT; siehe s.1(3) SIACA 1997 c.68. Der Einführung dieses besonderen tribunal ging eine Verurteilung des Vereinigten Königreichs voraus: In der Entscheidung Chahal v. UK (1997) 23 EHRR 413 ging es um die Abschiebung eines terrorverdächtigen Ausländers; dessen einzige Möglichkeit nach damaligem Recht, die Rechtmäßigkeit seiner möglichen Abschiebung überprüfen zu lassen, war die Anrufung eines obskuren Gremiums von Ratgebern, auch genannt »three wise men«. Dieses Gremium hatte keine gesetzliche Grundlage, sondern war lediglich durch ein »Statement of Changes in Immigration Rules« (siehe House of Commons, Statement of Changes in Immigration Rules (HC 251), 1990, para. 157) etabliert worden. Das Gremium hatte auch keine eigene Entscheidungsbefugnis, sondern konnte den Innenminister lediglich beraten; gebunden war dieser an den Rat aber nicht. Der EGMR nahm daher an, dass dieses Gremium kein Gericht im Sinne der EMRK sei; siehe Chahal v. UK, EGRM v. 15.
312
Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
drei Mitgliedern bestehen, von denen mindestens eines ein hohes richterliches Amt inne hat oder hatte1569 und die vom Lord Chancellor ernannt werden.1570 Dieses tribunal war dabei bisher von einiger praktischer Relevanz und rechtlicher Brisanz.1571 – Das Investigatory Powers Tribunal (IPT).1572 Dieses tribunal überprüft die Wahrnehmung behördlicher Befugnisse zur Durchführung verdeckter Überwachungsmaßnahmen von Personen – sei es durch Überwachung der elektronischen oder postalischen Kommunikation einer Person oder durch Personenobservation. Praktisch setzt sich das IPT deshalb vor allem mit der Tätigkeit der britischen Geheimdienste1573 und sonstigen zivilen und militärischen Sicherheitsbehörden auseinander ; aber auch »Spionagemaßnahmen« von Kommunal- und anderen Behörden in den unterschiedlichsten Zusammenhängen waren schon Gegenstand seiner Tätigkeit.1574 Außerdem ent-
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1573 1574
11. 1996, Nr. 70/1995/576/662) sowie zum Ganzen auch Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 8.3. Sch.1 para. 5 Special Immigration Appeals Commission Act 1997 c.68 i. V. m. s.60(2)(a) Constitutional Reform Act 2005 c.4; das umfasst alle Richterämter ab dem High Court aufwärts sowie mindestens einen Richter der zuständigen Immigration and Asylum Chamber des FtT oder des UT. In der Praxis wird normalerweise als drittes Mitglied bestellt, wer besondere Erfahrung in Angelegenheiten der nationalen Sicherheit hat; siehe zum Ganzen Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 8.3. Sch.1 para. 1 Special Immigration Appeals Commission Act 1997c.68. Der Lord Chancellor bestimmt dabei auch den Vorsitzenden. Siehe nur die Entscheidung des EGMR in A v. UK (2009) 49 EHRR 29, die als eine der wichtigsten Entscheidungen der letzten Jahre für das britische Verfassungsrecht gilt: Es ging dort um die Klage mehrerer Personen, die nach den damals geltenden Vorschriften von Part 4 des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 c.24 auf unbestimmte Zeit ohne strafrechtliche Verurteilung als terrorverdächtige Ausländer festgehalten wurden, weil ihre Abschiebung zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war. Über die Internierung hatte die SIAC zu entscheiden, in deren Verfahren grds. der zivilrechtliche Beweisstandard gilt. Der EGMR kam zu der Auffassung, dass in derartigen Fällen der wesentlich strengere, strafrechtliche Beweisstandard durch die SIAC angewandt werden müsse; siehe Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 15.13. Die Verfahren der SIAC waren außerdem in den Entscheidungen RB (Algeria) v. Secretary of State for the Home Department [2009] UKHL 10 und Z & Ors. v. Secretary of State for the Home Department [2009] EWCA Civ 1287 berührt. Dieses tribunal wird durch s.65 des Regulation of Investigatory Powers Act 2000 c.23 geschaffen. Es hat nach dem Gesetz keinen eigenen offiziellen Namen, der Begriff »Investigatory Powers Tribunal« oder »IPT« wird aber in der Literatur und auf dessen eigener Website als Bezeichnung für diesen Spruchkörper verwendet; siehe Gillespie, English Legal System, 2nd ed. 2009, S. 507 sowie unter dessen Website http://www.ipt-uk.com/ default.asp?sectionID=15, besucht am 11. 10. 2010. Diese sind in s.81(1) Regulation of Investigatory Powers Act 2000 c.23 genannt; siehe hierzu Barnett, Constitutional and Administrative Law, 7th ed. 2009, S. 644. Wenngleich dies praktisch selten geschieht, können doch eine Vielzahl anderer Behörden, die in sch.1 Part I und II des Regulation of Investigatory Powers Act 2000 c.23 genannt sind, Überwachungsbefugnisse wahrnehmen. Dies umfasst neben den gesamten britischen Streitkräften und allen Regierungsministerien auch alle county- und district councils in
Exkurs: Tribunals außerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15
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scheidet das IPT noch über verschiedene andere Streitigkeiten im Zusammenhang mit Informationen, die nicht öffentlich werden dürfen.1575 – Die Proscribed Organisations Appeals Commission (POAC): Dieses tribunal befasst sich mit Klagen von Organisationen, die durch den Innenminister als terroristische Vereinigung oder Organisation zur Unterstützung terroristischer Aktivitäten verboten wurden.1576 Die POAC prüft die Entscheidung des Ministers, das Verbot einer Organisation aufzuheben in Anwendung der Prinzipien des judicial review.1577 deren Eigenschaft als Kommunalbehörde sowie verschiedene andere Einrichtungen wie etwa die Environment Agency oder die Food Standards Agency. Ein äußerst skurriler Fall, der einige Aufmerksamkeit erregt hat, war die IPT-Entscheidung Paton & others v. Poole Borough Council, IP/09/01/C – IPT/09/05/C, abrufbar unter http://www.ipt-uk.com/docs/ Paton_v_Poole_ Borough_Council.pdf, besucht am 27. 10. 2010: Die streitgegenständlichen Maßnahmen wurde dort von einer Gemeindebehörde durchgeführt, um für die Zuweisung eines schulpflichtigen Kindes in eine Regelschule die Adresse des Kindes bzw. seiner Eltern zu ermitteln. 1575 So kann das tribunal auch von Personen angerufen werden, die einen Nachteil dadurch erleiden, dass bestimmte Informationen, die durch das Abfangen von Kommunikation erlangt wurden, nicht zum Gegenstand gerichtlicher Verfahren gemacht werden dürfen; siehe s.65 (2) (c) i. V. m. S. 17 Regulation of Investigatory Powers Act 2000 c.23. In strafrechtlichen Verfahren wird also die Rechtmäßigkeit von Beweisen, die im Wege verdeckter Ermittlungen gewonnen wurden, nicht durch die Gerichte überprüft – dies obliegt vielmehr ausschließlich dem IPT; siehe R. v. GS [2005] EWCA Crim 887, para. 32 und 35 per Auld LJ; siehe auch Clayton/Tomilson/Butler-Cole, Law of Human Rights, Bd. 1 2nd ed. 2009, para. 12.173. Rein praktisch finden dennoch nur sehr wenige Klagen vor dem IPT statt, da Personen, die von verdeckten Ermittlungen betroffen sind/waren, nicht darüber informiert werden, welche Maßnahmen stattgefunden haben: Das Vereinigte Königreich nimmt als einziger Unterzeichnerstaat der EMRK eine Sonderregelung zu Prinzip 2(2) der Council of Europe Recommendation Regulating the Use of Data in the Public Sector in Anspruch, nach welchem möglichst schnell nach Durchführung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen die davon Betroffenen darüber informiert werden sollen, dass sie betreffende Daten vorgehalten werden; siehe Clayton/Tomilson/Butler-Cole, Law of Human Rights, Bd. 1 2nd ed. 2009, para. 12.173. 1576 Das tribunal wird durch s.5(1) des Terrorism Act 2000 c.11 geschaffen. Nach diesem Gesetz ist die Mitgliedschaft in einer solchen Organisation oder Unterstützungshandlungen zu Gunsten einer solchen unter Strafe gestellt. Auch darf der gesamte Besitz einer nach den Vorschriften des Terrorism Act 2000 c.11 verbotenen Organisation beschlagnahmt werden; siehe Part. III Terrorism Act 2000 c.11. Neben der Anordnung, dass eine Organisation verboten ist, kann der Minister auch anweisen, dass ein neuer bzw. weiterer Name dieser – bereits verbotenen – Organisation der Liste der verbotenen Organisationen hinzugefügt wird; siehe s.3(6) Terrorism Act 2000c.11. Dabei ist das Verbot einer Organisation nach diesen Vorschriften auch im Bereich des Asylrechts von einiger Relevanz: Mit dem Verbot einer Organisation geht für ausländische Personen, die dieser vermutlich angehören, häufig die Wirkung einher, dass sie den Status als Flüchtling nicht mehr für sich geltend machen können; siehe Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 14.5.7. 1577 S.5(3) Terrorism Act 200 c.11. Wird die streitgegenständliche Entscheidung für fehlerhaft befunden, verpflichtet dieses Urteil der POAC den zuständigen Minister dazu, das Verfahren zur Löschung der betroffenen Vereinigung aus der Liste der verbotenen Organi-
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
– Die Pathogens Access Appeal Commission (PAAC): Dieses tribunal setzt sich mit Streitigkeiten über den Zugang zu gefährlichen biologischen Substanzen auseinander.1578 All diese tribunals eint, dass sie aufgrund der besonderen Sensibilität der von ihnen verwandten Informationen Verfahren anwenden, die die Preisgabe dieser Informationen gegenüber Dritten – d. h. einschließlich des klagenden Bürgers – verhindern. Dies geschieht dabei vor allem durch den Einsatz von sog. special advocates: Dies sind Prozessvertreter, die vor ihrer Betrauung mit einem Mandat einer geheimdienstlichen Sicherheitsprüfung unterzogen wurden und die im Verfahren zwar verpflichtet sind, die Interessen ihres Mandanten zu vertreten, zugleich aber so gut wie keine Informationen aus dem Verfahren an diesen weitergeben dürfen.1579 Es ist angesichts dieser Verfahrensbesonderheit nicht zu sationen einzuleiten. Die eigentliche Entfernung aus der Liste geschieht allerdings nicht automatisch mit dem Urteil der Kommission: Vielmehr verpflichtet das Urteil nur den Minister zum Erlass einer Verordnung, die die Entfernung der betreffenden Organisation aus der Liste anordnet; diese muss aber zu deren Wirksamkeit zunächst dem Parlament vorgelegt werden; siehe s.6(5) i. V. m. s.123(4) Terrorism Act 2000 c.11; Halsbury’s Laws of England, Bd. 11(1), 4th ed. 2006, para. 386. Damit obliegt die Entscheidung über die Unbedenklichkeit einer Organisation in letzter Konsequenz dem Parlament. 1578 Durch Part 7 Terrorism, Crime and Security Act 2001 c.24 werden die Zugriffsmöglichkeiten auf giftige und gefährliche Substanzen reglementiert. Es besteht eine allgemeine Meldepflicht für die Inhaber von Einrichtungen bzw. Grundstücken und Gebäuden, in denen sich vom Gesetz in sch.5 näher benannte Substanzen befinden. Dem Inhaber eines solchen Gebäudes kann der Innenminister eine Weisung erteilen, die ihn dazu verpflichtet sicherzustellen, dass eine bestimmte, in der Weisung ausdrücklich zu nennende Person nicht auf die auf seinem Gelände befindlichen gefährlichen Substanzen zugreifen bzw. das Gelände oder Gebäude, in dem sich die Substanzen befinden, betreten kann; siehe s.64(1) Terrorism, Crime and Security Act 2001 c.24. So kann etwa Studenten, Ärzten oder Forschern gezielt der Zugang zu gefährlichen Substanzen verwehrt werden. Gegen diese Weisung des Ministers hat grds. jede dadurch beschwerte Person das Recht, die PAAC anzurufen; gemeint ist damit vor allem die Person, welcher durch die ministerielle Weisung der Zugang zu den Substanzen verwehrt ist – dem eigentlichen Adressaten der Weisung steht ein eigenes appeal-Recht dagegen beim Magistrates’ Court zu; siehe s.71 Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 c.24. Da die ministerielle Weisung, die Gegenstand der Verfahren der PAAC ist, sich immer nur auf bestimmte, namentlich zu nennende Personen bezieht, werden stets umfangreiche Ermittlungstätigkeiten gegen die Person vorausgegangen sein und damit Informationen zu Grunde liegen, deren Geheimhaltung im Interesse der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu schützen ist. 1579 Die Nutzung von »special advocates« hat sich auch in anderen Verfahren zu einem probaten Mittel entwickelt: Erstmals wurden Regelungen für special advocates in den Verfahrensregeln der SIAC geschaffen, um das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz behördlicher Informationsquellen und dem Interesse des Bürgers an möglichst effektivem Rechtsschutz zum Ausgleich zu bringen. Es besteht keine zentrale, gesetzliche Regelung hierzu, vielmehr finden sich die Vorschriften meist in den jeweiligen Gesetzen und Vorschriften, die auch die Verfahren vor den Spruchkörpern regeln, bei denen special advocates auftreten; teilweise wurden special advocates jedoch auch ohne jede gesetzliche Grundlage eingesetzt; siehe zum Treasury Solicitor’s Department, Special Advocates, 2006,
Exkurs: Tribunals außerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15
315
erwarten, dass derartige tribunals in die Struktur des TCEA 2007c.15 integriert werden.1580 Angesichts der sehr speziellen Materien ist allerdings die praktische Relevanz dieser tribunals für die allermeisten Bürger auch gering.
2.
Wichtige tribunals auf lokaler Ebene
Von großer praktischer Relevanz hingegen sind die folgenden tribunals, die zwar durch zentralstaatliche Gesetze ausgestaltet sind, deren konkrete Administration jedoch teilweise auf kommunaler- oder noch niedrigerer Ebene stattfindet. Insoweit zu nennen sind: – Die parking adjudicators: Unter diesem Namen lassen sich die tribunals und deren administrativer Rahmen zusammenfassen, die sich um civil parking enforcement-Maßnahmen1581 in England und Wales1582 bzw. innerhalb Londons1583 kümmern, d. h. um Streitigkeiten über Parkvergehen,1584 zu deren
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para. 7; siehe ferner Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 8.3.1. Dass etwa das IPT heute nicht in die Struktur von FtT und UT integriert ist, geht auf eine ausdrückliche Forderung des Leggatt Review zurück, der wegen der Besonderheiten hinsichtlich seines Aufgabenfeldes und seiner Verfahren dieses tribunal für ungeeignet hielt, in das neue System integriert zu werden; siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 3.11. Nach Road Traffic Act 1991 c.52 und Traffic Management Act 2004 c.18 haben Kommunalbehörden die Möglichkeit beim Verkehrsministerium zu beantragen, dass in bestimmten Bereichen Parkvergehen nicht von der Polizei, sondern von der Kommunalbehörde selbst verfolgt werden können. Dies geschieht dann nur in bestimmten, genau gekennzeichneten Verkehrsflächen; in allen anderen Bereichen ist nach wie vor die Polizei zuständig. Die auf diese Weise generierten Einnahmen können die Kommunalbehörden für sich vereinnahmen; siehe zum zweigeteilten System von »parking enforcement« insgesamt House of Commons (Transport Committee), Transport – Seventh Report, 2006, para. 16 ff. Für die Bereiche in England und Wales, in denen »civil parking enforcement« stattfindet, ist das Traffic Penalty Tribunal zuständig, ein administratives Dach für die adjudicators, die nach s.81 Traffic Management Act 2004 c.18 ernannt werden. Für London ist der »Parking and Traffic Appeals Service« (PATAS) zuständig – innerhalb Londons sind die jeweiligen Stadtteilbehörden bzw. »Transport for London« für die Ahndung von Park- und weiteren Verkehrssünden verantwortlich. PATAS ist dabei außerdem noch das administrative Dach für ein weiteres tribunal, welches nur in London besteht, nämlich die »Road User Charging Adjudicators«, die sich mit Streitigkeiten über die in der Londoner Innenstadt erhobene Maut auseinandersetzen (geregelt in sch.23 Greater London Authority Act 1999 c.29). Aufgaben, Verfahren und Besetzung dieses tribunal werden geregelt in den Road User Charging (Enforcement and Adjudication) (London) Regulations 2001, SI2001/2313. Außerdem ist das tribunal in einigen Regionen auch als »Bus Lane Adjudicator« zuständig für Streitigkeiten über Strafmandate für die verbotswidrige Nutzung einer Busspur ; siehe r.11 f. Bus Lane Contraventions (Penalty Charges, Adjudication and Enforcement) (England) Regulations 2005, SI2005/2757).
316
Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
Ahndung die Kommunalbehörden ermächtigt wurden. Diese tribunals sind nur zuständig, wenn das Parkvergehen von einem Civil Enforcement Officer der Kommunalbehörde bzw. einem beauftragten Unternehmen geahndet wurde,1585 nicht aber wenn das Strafmandat von der Polizei stammt. Die Kosten für den Unterhalt dieser tribunals tragen dabei gemeinschaftlich jene Kommunen, die von den Möglichkeiten des civil enforcement Gebrauch machen,1586 was nur in einigen Städten der Fall ist. Ausgewählt werden die adjudicators von einem Komitee, das von den entsprechenden Kommunalbehörden bestimmt wird, mit Zustimmung des Lord Chancellor.1587 Die Verfahren dieser tribunals, denen stets ein Vorverfahren vorausgeht,1588 werfen so gut wie nie rechtlich komplexe Fragen auf und werden meist ohne Anhörung, teilweise vollständig elektronisch oder sogar am Telefon abgewickelt.1589 Entscheidungen dieser tribunals sind nur im Wege des JR überprüfbar. – Die School Admission Appeals Panels: Diese tribunals setzen sich mit Streitigkeiten über die Zulassung von Kindern auf öffentliche Schulen auseinander.1590 Umgekehrt sind School Exclusion Appeal Panels für Streitigkeiten über den Ausschluss eines Schülers aus einer öffentlichen Schule verantwortlich.1591 Für ihre Bildung und Verwaltung hat die jeweilige Kommunalbehörde zu sorgen, in deren geographischem Zuständigkeitsgebiet sich eine Schule befindet – was nicht ganz unproblematisch ist, da die Kommunalbehörde zugleich die Schulbehörde ist, die in den Verfahren der School Admission Appeals Panels als Beklagte auftritt.1592
1585 Siehe s.76 Traffic Management Act 2004 c.18. 1586 Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, The Parking Appeals Service/The National Parking Adjudication Service, para. 14 und 20. 1587 Siehe s. 81 Traffic Management Act 2004 c.18 bzw. s.73 Road Traffic Act 1991 c.40 sowie Halsbury’s Laws of England, Bd. 40(2), 4th ed. 2007, para. 873 ff. 1588 Siehe sch.6 para.2 Road Traffic Act 1991 c.40 und s.101B Road Traffic Regulation Act 1984 c.27 i. V. m. Civil Enforcement of Parking Contraventions (England) Representations and Appeals Regulations 2007, SI2007/3482. 1589 Siehe insb. zum intensiven Einsatz der Informationstechnologie in diesen tribunals bei Sheppard/Raine, Parking Adjudication, in: Harris/Partington (Hrsg.), Administrative Justice in the 21st century 1999, S. 326 (326 ff.). 1590 Siehe s.94 ff. School Standards and Framework Act 1998 c.31 i. V. m. Education (Admissions Appeals Arrangements) (England) Regulations 2002, SI2002/2899. Das konkrete Verfahren der Schulzulassung wird neben den gesetzlichen Vorschriften auch noch durch den School Admission Appeals Code gem. s.84 School Standards and Framework Act 1998 c.31 geregelt; siehe zum Ganzen auch Leggatt, Tribunals for Users, 2001, School Admission Appeals Panels, para. 1ff und Halsbury’s Laws of England, Bd. 15(1), 4th ed. 2006, para. 415 ff. 1591 Diese werden geschaffen durch s.52 Education Act 2002 i. V. m. Education (Pupil Exclusions and Appeals) (Pupil Referral Units) (England) Regulations 2008, SI2008/532. 1592 Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, School Admission Appeals Panels, para. 11 ff.
Exkurs: Tribunals außerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15
3.
317
Weitere tribunals (kursorisch)
Neben den oben genannten stehen noch folgende tribunals außerhalb der Struktur von FtT und UT: – Competition Appeal Tribunal: Dieses tribunal ist zuständig für die Überprüfung von Entscheidungen verschiedener Wettbewerbs- bzw. Marktregulierungsbehörden,1593 befasst sich also mit kartellrechtlichen Fragestellungen.1594 Seine Zuständigkeit bzw. die entsprechenden appeal-Rechte ergeben sich aus verschiedenen Gesetzen;1595 es ist mit Juristen und Laien besetzt, die vom Lord Chancellor ernannt werden.1596 – School Adjudicator : Die school adjudicators, die organisatorisch dem Bildungsministerium zugeordnet sind,1597 werden vom hierfür zuständigen Fachminister ernannt und bilden (meist nur aus einem einzelnen adjudicator bestehende) tribunals,1598 die sich mit unterschiedlichsten Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Organisation von Schulen befassen. So können sie etwa darüber befinden, ob die von einer Schule bzw. kommunalen Schulbehörde geschaffenen Arrangements zur Aufnahme von Schülern rechtens sind.1599 Auch sind sie zuständig für die Überprüfung von Vorschlägen, 1593 Es ist zuständig für die Überprüfung von Entscheidungen des OFT, des »Office of Communications« (OFCOM), der »Water Services Regulation Authority« (OFWAT), des »Office of the Gas and Electricity Markets« (OFGEM) und einiger weiterer Regulierungsbehörden für Eisenbahnen oder den Luftverkehr. 1594 Geschaffen wird dieses tribunal durch S. 12 i. V. m. sch.2 Enterprise Act 2002 c.40. 1595 Es sind dies der Competition Act 1998 c.41, der Enterprise Act 2002 c.40, der Communications Act 2003 c.21, der Energy Act 2008 c.32, The Mobile Roaming (European Communities) Regulations 2007 SI2007/1933; The Authorisation of Frequency Use for the Provision of Mobile Satellite Services (European Union) Regulations 2010, SI2010/672 sowie The Payment Services Regulations 2009, SI2009/209. 1596 Siehe sch.2 para. 1 ff. Enterprise Act 2002 c.40. Die Juristen in seiner Besetzung sind hochkarätig, handelt es sich doch gegenwärtig fast ausschließlich um High Court Richter. 1597 Ernannt nach s.25 School Standards and Framework Act 1998 c.31. Einzelheiten ihrer Ernennung, Bezahlung, Amtsstellung, Organisation und Verfahren regelt grundlegend sch.5 School Standards and Framework Act 1998 c.31. Die Verfahrensregeln finden sich in diversen Verordnungen, die unterschiedliche Verfahren für die verschiedenen Zuständigkeiten der adjudicators vorsehen – dies sind: The Education (References to Adjudicator) Regulations 1999, SI1999/702; School Organisation (Establishment and Discontinuance of Schools) (England) Regulations 2007, SI2007/1288; siehe zum Ganzen auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 15(1), 4th ed. 2006, para. 124 ff. 1598 Zur tatsächlichen Organisation und praktischen Tätigkeit der schools adjudicators siehe Passmore, Tribunals, 2009, Spring, 18 (18 ff.). 1599 Diese Aufgabe ist der der School Admission Appeal Panels (siehe oben, bei Fn. 1590) vorgelagert: Während letztere sich mit der Frage befassen, warum ein Schüler nicht auf eine bestimmte Schule zugelassen wird, obliegt es den school adjudicators, die im Jahresrhythmus neu erstellten, allgemeinen Regelungen der Aufnahme von Schülern auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen. Vorgaben für die Erstellung der Zulassungsregelungen machen ss.88Cff. School Standards and Framework Act 1998 c.31. Berechtigt, die Prüfung
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Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
Schulen zu schließen, zusammenzulegen, neu zu gründen oder anderweitig umzustrukturieren.1600 Des Weiteren können sie von Schulen angerufen werden, die sich gegen die zwangsweise Zuweisung eines bestimmten Schülers durch die Schulbehörde zur Wehr setzen wollen.1601 Zuletzt haben sie noch die Zuständigkeit für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Schulgrundstücken.1602 Entscheidungen der adjudicators können nur im Wege des JR überprüft werden.1603 – Gangmasters Licensing Appeals Tribunal: Dieses tribunal setzt sich mit Streitigkeiten auseinander, die aus der Regulierung1604 der Tätigkeit von gangmasters entstehen, d. h. Personen, die Saisonarbeitnehmer insb. für Tätigkeiten in der Landwirtschaft (etwa als Erntehelfer) und der Fischerei ver-
1600
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1603 1604
der Regelungen durch einen schools adjudicator zu verlangen, sind sowohl Schulen bzw. Schulbehörden sowie Eltern, die von der Regelung betroffen sein könnten, aber auch der zuständige Minister; siehe s.88H School Standards and Framework Act 1998 c.31. Diese Prüfungen geschehen regelmäßig in den Sommermonaten, da die Schulbehörden bzw. Schulen gehalten sind, die von ihnen geplanten »admission arrangements« 17 Monate vor Beginn des jeweiligen Schuljahres zu veröffentlichen; siehe zum Ganzen auch Passmore, Tribunals, 2009, Spring, 18 (19). Wann immer die Organisation von Schulen im Zuständigkeitsbereich einer kommunalen Schulbehörde verändert werden soll (etwa durch die Veränderung der Altersstruktur der Schülerschaft an einer Schule), besteht die Möglichkeit, darauf abzielende Vorschläge der jeweiligen Schulbehörde durch einen adjudicator überprüfen zu lassen. Dabei hat jede von einer solchen Umstrukturierung möglicherweise betroffene Person das Recht zu fordern, dass die Planungen dem adjudicator vorgelegt werden. Die Regelungen, nach denen diese Umstrukturierungen der Schullandschaft erfolgen können, finden sich in sch.2 i. V. m. ss.7,10,11 und 15 Education and Inspections Act 2006 c.40 sowie den School Organisation (Establishment and Discontinuance of Schools) (England) Regulations 2007, SI2007/1288. Diese Zuständigkeit ergibt sich aus s.95 A und s.97B School Standards and Framework Act 1998 c.31: Danach können Kinder, die unter Betreuung durch die Kommunalbehörde stehen, durch die Schulbehörde auch auf eine selbstverwaltete Schule zugelassen werden. Der Schule selbst steht sodann die Möglichkeit zu, sich hiergegen an den adjudicator zu wenden. Diese Zuständigkeit ergibt sich aus sch.6 para.10(3) The School Organisation (Prescribed Alterations to Maintained Schools) (England) Regulations 2007, SI2007/1289. Inhaltlich geht es hier darum, dass eine vormals von der kommunalen Schulbehörde betriebene »maintained school« in eine »foundation school« umgewandelt wird, die gegenüber der erstgenannten von der kommunalen Schulbehörde weitgehend unabhängig ist und deshalb auch selbst Eigentümerin der von ihr genutzten Grundstücke und Gebäude wird. Kommt es im Falle der Umwandlung zu Streitfragen zwischen der Schule und der kommunalen Schulbehörde über den Grundbesitz der Kommune, der in das Eigentum der foundation school übergeht, kann diesbezüglich der schools adjudicator angerufen werden; siehe auch Wallace, in: Wallace (ed.), A Dictionary of Education, 2009, Stichwort: »foundation school«. Siehe Passmore, Tribunals, 2009, Spring, 18 (20). Zuständig für die Regulierungsentscheidungen ist die »Gangmasters Licensing Authority« (GLA); siehe The Gangmasters (Licensing Authority) Regulations 2005, SI2005/448; siehe auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 1, 5th ed. 2008, para. 1262.
Exkurs: Tribunals außerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15
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leihen.1605 Dieses tribunal setzt sich aus Mitgliedern des EAT zusammen, die vom zuständigen Arbeitsminister berufen werden.1606 – Reserve Forces Appeal Tribunals und Reserve Forces Reinstatement Committees und Umpires: Die erstgenannten tribunals können von Reservisten der britischen Streitkräfte oder deren Arbeitgebern angerufen werden, die sich gegen ihre Einziehungs- bzw. Mobilisierungsbefehle wenden wollen.1607 Ihre Mitglieder werden grds. vom Lord Chancellor ernannt, ihre konkrete Zusammensetzung aber vom Verteidigungsminister bestimmt.1608 Reserve Forces Reinstatement Committees befassen sich ebenfalls mit Streitigkeiten betreffend Reservisten, allerdings geht es dort um deren Wiedereingliederung in ein Arbeitsverhältnis nach Beendigung der militärischen Dienstzeit.1609 Die letztgenannten tribunals bestehen aus Dreiergremien, deren konkrete Zusammensetzung ebenfalls vom Verteidigungsminister vorgegeben wird und die einen Juristen als Vorsitzenden sowie jeweils einen Vertreter von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite aufweisen.1610 Entscheidungen der Reinstatement Committees können zudem durch einen Umpire überprüft werden,1611 der seinerseits Volljurist sein muss.1612
1605 Die Regelungen hierzu finden sich im Gangmasters (Licensing) Act 2004 c.11 und den darunter ergangenen Rechtsverordnungen, aus denen sich das appeal-Recht ergibt; siehe r.5 The Gangmasters (Appeals) Regulations 2006, SI2006/662; siehe zum Ganzen Halsbury’s Laws of England, Bd. 1, 5th ed. 2008, para. 1230 ff. 1606 Siehe r.3 The Gangmasters (Appeals) Regulations 2006, SI2006/662 sowie Halsbury’s Laws of England, Bd. 1, 5th ed. 2008, para. 1285. 1607 Die Regelungen zu diesem tribunal finden sich in ss.88 ff. Reserve Forces Act 1996 c.14, die appeal-Rechte ergeben sich aus ss.78ff Reserve Forces Act 1996 c.14 sowie darunter ergangenen The Reserve Forces (Call-out and Recall) (Exemptions etc.) Regulations 1997, SI1997/307. Außerdem befassen sich diese tribunals auch mit Streitigkeiten im Zusammenhang mit finanziellen Unterstützungsleistungen für Reservisten bzw. deren Arbeitgeber nach den The Reserve Forces (Call-out and Recall) (Financial Assistance) Regulations 2005, SI2005/859. Die betreffenden Ausgangsentscheidungen, zu deren Überprüfung das tribunal angerufen werden kann, werden dabei von sog. »adjudication officers« getroffen. 1608 Ss. 90 f. Reserve Forces Act 1996 c.14. Danach stellt der Lord Chancellor zwei Listen von Personen zusammen, aus denen heraus das konkrete tribunal vom zuständigen Minister zusammengesetzt wird. Eine Liste umfasst dabei die Vorsitzenden, welche die Befähigung zum Richteramt haben müssen; die andere Liste umfasst die ordinary members, die sowohl die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sowie die selbstständig Tätigen repräsentieren sollen. Die Verfahrensregeln dieses tribunal finden sich in The Reserve Forces Appeal Tribunals Rules 1997, SI1997/798; siehe zu diesem tribunal auch Halsbury’s Laws of England, Bd. 2(2), 4th ed. 2003, para. 253. 1609 Das appeal-Recht gibt s.8 Reserve Forces (Safeguard of Employment) Act 1985 c.17. 1610 Siehe sch.2 para.2 Reserve Forces (Safeguard of Employment) Act 1985 c.17 – den Vorsitzenden wählt der Verteidigungsminister aus der Liste von Personen aus, die wiederum der Lord Chancellor bestimmt hat. 1611 Siehe s.9 Reserve Forces (Safeguard of Employment) Act 1985 c.17.
320 4.
Die bisher umgesetzte Systematisierung der tribunal landscape
Zwischenfazit zu den tribunals außerhalb des TCEA 2007 c.15
Die hier exemplarisch aufgezählten tribunals zeigen, dass der Reformprozess, der seit dem TCEA 2007 c.15 begonnen hat, zwar bisher große Fortschritte gemacht hat, aber bei weitem noch nicht abgeschlossen ist: Noch immer stehen einige tribunals als eigene »Subsysteme« neben FtT und UT. Wie dieses Nebeneinander zu rechtfertigen sein soll, ist in manchen Fällen fraglich: So mag man etwa die tribunals, die sich mit Fragen der nationalen Sicherheit befassen, als so speziell – und für den einzelnen Bürger von nur so geringer praktischer Relevanz – ansehen, dass ihre Sonderstellung berechtigt sein mag. Aufgrund ihrer administrativen Organisation auf kommunaler Ebene sind wohl auch die school admission appeal panels und die parking adjudicators nicht so leicht in die Struktur aus FtTund UTmit ihrer grundsätzlich UK-weiten Zuständigkeit zu integrieren. Bei England-weit tätigen tribunals wie den schools adjudicators stellt sich jedoch schon die Frage, warum diese nicht etwa in die HESCC integriert werden, die sich schließlich auch in anderen Zusammenhängen mit dem Themenkomplex »Schule« befasst; genauso wie man sich fragt, warum nicht der Bereich der reserve forces ebenso in die WPAFCC integriert wird, die schließlich geschaffen wurde, um den Besonderheiten der Beziehung zwischen dem Staat und den Angehörigen seiner Streitkräfte Rechnung zu tragen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese tribunals künftig vom ständig fortschreitenden Reformprozess erfasst werden – teilweise sind ja die Voraussetzungen für ihren Transfer in FtT und UT bereits im TCEA 2007 c.15 angelegt,1613 so dass damit gerechnet werden kann, dass früher oder später die Wirkung des TCEA 2007 c.15 auf diese tribunals ausgedehnt wird.
1612 Der umpire muss die Befähigung zum Richteramt haben; siehe sch.2 para. 5 Reserve Forces (Safeguard of Employment) Act 1985 c.17. 1613 So bezeichnet etwa sch.6 Part 1 TCEA 2007 c.15 die »Reinstatement Committees«, die »Reserve Forces Appeal Tribunals« und die »Umpires« als tribunals, die nach den Vorschriften von ss.30, 35 und 36 TCEA 2007 c.15 transferiert werden können.
VI. Die personelle Zusammensetzung der tribunals
Ein zentrales Merkmal der tribunals gegenüber den Gerichten ist ihre personelle Zusammensetzung, in der sich der besondere Sachverstand in einem bestimmten Rechts- und Sachgebiet widerspiegelt.1614 Die verschiedenen Arten, nach denen tribunals besetzt wurden, waren stets von »verwirrender Vielfalt«,1615 erst bei näherem Hinsehen ließen sich bestimmte Strukturen identifizieren: Viele der tribunals1616 waren zumindest in der Regel mit Dreierkollegien und oftmals paritätisch besetzt, was dem Beispiel der einstigen courts of referees1617 folgte: Dieser bestand aus einem Vorsitzenden – in der Regel einem Rechtsanwalt – einem Beisitzer, der die Arbeitgeberseite repräsentierte, und einem entsprechenden Beisitzer für die Arbeitnehmerseite.1618 Diese Art der Besetzung wurde bei anderen tribunals oftmals einfach übernommen.1619 Heute ergeben sich Anforderungen an die Zusammensetzung von tribunals sowohl aus dem common law1620 als auch aus der EMRK: Wie gezeigt1621 ist eine 1614 »The paradigm administrative Tribunal is a specialist adjudicatory body.« Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 91. 1615 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 268. 1616 Etwa die Medical Appeal Tribunals (Social Security Act 1975 c.14, sch.12 para. 2; dazu siehe schon oben, bei Fn. 977), die Supplementary Benefit Tribunals (Ministry of Social Security Act 1966 c.20, s. 28, sch.3 para. 1), die Rent Tribunals (Rent Act 1977 c.42, sch.13 para. 1 – zu diesen schon oben, V.C.2.c)(2)(c), S. 302), die Traffic Commissioners (wenn auch nur in einigen Konstellationen; siehe s.120(1) Road Traffic Act 1960 (8& 9 Eliz.II) c.16; das Transport Tribunal (s.88(2) Transport Act 1968 c.73), die Agricultural Lands Tribunals (sch.9 para.13(1) Agriculture Act 1947 (10& 11 Geo.VI) c.48; zu diesen schon oben, bei Fn. 109), das Independent Schools Tribunal (sch.6 para. 4 Education Act 1944 (7& 8 Geo.VI) c.31 oder das Plant Varieties and Seeds Tribunal (sch.4 para. 8 Plant Varieties and Seeds Act 1964 c.14). 1617 Zu diesem siehe schon oben, bei Fn. 885ff. 1618 Siehe zuletzt für den Nachfolger der courts of referees s.97(2) sch.10 para. 1(2) Social Security Act 1975 c.14, sowie Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 269. 1619 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 269. 1620 Insb. aus dem Grundsatz »nemo iudex in sua causa«; siehe bereits oben, bei II.C.3.b)(3)(a)(ii), S. 160. 1621 Siehe oben, bei Fn. 659.
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Die personelle Zusammensetzung der tribunals
Komponente der rule against bias gerade, dass bereits der Anschein der Parteilichkeit eines Spruchkörpers vermieden werden muss – aufgrund ihrer vielfältigen Verquickung mit den sponsoring departments war aber gerade dies bei tribunals bisher problematisch.1622 Deshalb war es nicht nur wichtig, mit der Unterstellung aller tribunals unter den Tribunals Service und damit unter die Aufsicht des Lord Chancellor zugleich jeglichen Einfluss der Fachministerien auf die Ernennung von Tribunalsmitgliedern zu unterbinden. Die persönliche Unabhängigkeit der tribunals wurde vielmehr auch nach außen hin deutlich dokumentiert: Durch s.1 des TCEA 2007 c.15 wurde die ausdrückliche Garantie der continued judicial independence des Constitutional Reform Act 2005 c.4,1623 zu deren Aufrechterhaltung die gesamte Regierung, allen voran der Lord Chancellor verpflichtet ist, auf alle Mitglieder von FtT und UT erstreckt.1624 Dadurch wird explizit hervorgehoben, dass kein Mitglied der Exekutive befugt ist, in Ausnutzung seiner besonderen Möglichkeiten etwa als Regierungsmitglied auf eine individuelle richterliche Entscheidung Einfluss zu nehmen, wofür der Lord Chancellor Sorge zu tragen hat.1625 Diese Aufgabe des Lord Chancellor wirkt sich auf Einstellung und Einsatz von Tribunalsmitgliedern aus, wobei sich verschiedene Arten von Tribunalsmitgliedern identifizieren lassen:
1622 Dies war eines der Kernprobleme, die der Leggatt Review in der bisherigen Struktur der tribunals sah; siehe oben, bei Fn. 1025. 1623 Durch den Constitutional Reform Act 2005 c.4 wurde in vielerlei Hinsicht die Unabhängigkeit der Justiz gestärkt und verschiedene, als kritisch angesehene Verquickungen von Exekutive und Judikative beseitigt; siehe zu den weiteren Wirkungen des Constitutional Reform Act 2005 c.54 auch sogleich, bei Fn. 1771. 1624 Siehe s.3(7 A)(a) Constitutional Reform Act 2005 c.4 i. V. m. sch.14, der nun alle der gleich noch genauer dargestellten Amtsträger nach dem TCEA 2007 c.15 (sowohl judges als auch other members des FtT und des UT) erfasst. Vor Erlass des TCEA 2007 c.15 war die Einbeziehung der Tribunalsmitglieder in den Schutzbereich der »continued judicial independence« nicht klar ; siehe Carnwath, JSSL 2006, 13(2), 58 (59 ff.); siehe zum Ganzen auch Current Law – Statutes Annotated, Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007, 2008, s.15/2. 1625 Gemeint ist dabei, dass kein Regierungsmitglied seine Machtstellung nutzen darf, um »special access to the judiciary« zu erhalten – nicht gemeint ist selbstverständlich die Situation, in der ein Minister in Ausübung seines Amtes als Beteiligter eines Gerichtsverfahrens versucht, einen Richter von seiner Rechtsauffassung zu überzeugen. Der Lord Chancellor hat die Aufgabe, die Richterschaft gegen inoffizielle Einflussnahmen in Ausnutzung eines special access abzuschirmen; siehe hierzu Explanatory Notes Constitutional Reform Act 2005 c.4, para. 15 ff.; siehe zur besonderen Rolle des Lord Chancellor im Zusammenhang mit der Richterschaft auch unten, bei Fn. 1771.
Die verschiedenen Arten von Tribunalsmitgliedern
A.
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Die verschiedenen Arten von Tribunalsmitgliedern
Man kann grundsätzlich nach ihrer Aufgabe bzw. ihren Fähigkeiten und Qualifikationen zwischen folgenden Arten von Tribunalsmitgliedern1626 unterscheiden: – denen, die aufgrund ihrer rechtlichen Qualifikation ausgewählt wurden (diese werden im Folgenden auch als legal members bezeichnet); – denen, die aufgrund ihres professionellen (nicht-rechtlichen) Expertenwissens auf einem bestimmten Sachgebiet ausgewählt wurden (oft einfach als experts oder expert members bezeichnet) – und den sonstigen Mitgliedern (meist als lay members bezeichnet).1627 Dabei sind selbstverständlich auch die legal members idR Spezialisten für das jeweilige Rechtsgebiet; sowohl was die Kenntnis der anzuwendenden – oftmals extrem komplexen, umfangreichen und sich meist schnell ändernden – Rechtsmaterie angeht als auch hinsichtlich des ggf. für die Entscheidung erforderlichen tatsächlichen Wissens, das die Mitglieder der jeweiligen tribunals im Rahmen ihrer Tätigkeit erwerben.
1.
Judges und other members nach dem TCEA 2007 c.15
Der TCEA 2007 c.15 hat nun vielfältige Auswirkungen auf die bisher üblichen personellen Strukturen der tribunals. Es wird im Gesetz selbst nur noch von zwei verschiedenen Typen von Tribunalsmitgliedern sowohl im FtT als auch im UT gesprochen: Den judges1628 und den other members.1629 Judges meint dabei die rechtlich ausgebildeten Tribunalsmitglieder, also legal members im o.g. Sinne. Der Begriff der other members, den das Gesetz verwendet,1630 umfasst hingegen 1626 Um sprachliche Verwirrungen mit den nachfolgend erklärten Begriffen wie etwa »legal members« bzw. »judges« und »lay members« bzw. »non-legal members« usw. zu vermeiden sei hier klargestellt, dass der deutsche Begriff »Tribunalsmitglieder« als neutraler Begriff alle Bestandteile eines Spruchkörpers umfasst, ob nun »judge« oder »member«. 1627 Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 92, der darauf hinweist, dass sich natürlich auch die rechtskundigen Tribunalsmitglieder durch ihr Expertenwissen auf dem jeweils zu entscheidenden Rechtsgebiet auszeichnen, weshalb der Begriff »expert« für die zweite genannte Kategorie missverständlich sei. 1628 S.4(1), (2) TCEA 2007 c.15 für das FtT und ss.5(1) und 6 TCEA 2007 c.15 für das UT. 1629 S.4(3) TCEA 2007 c.15 für das FtT und s.5(2) TCEA 2007 c.15 für das UT. 1630 In den Explanatory Notes zum TCEA findet sich für die »other members« auch noch der Begriff »non-legal member«, ohne dass damit eine andere Bedeutung verbunden wäre. Dieser Begriff findet sich des Weiteren auch in verschiedenen anderen Regelungen, die hier von Belang sind, etwa in den Policy Statements des Senior President. Gemeint sind dabei immer die »other members« im Sinne des TCEA 2007 c.15.
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Die personelle Zusammensetzung der tribunals
sowohl die oben erwähnten Gruppen der expert members als auch die der lay members: Im Bereich des Unterbringungsrechts (mental health) etwa sind dies also sowohl die medical members, die sich durch eine langjährige Berufserfahrung als Psychiater (und damit als expert member im o.g. Sinne) ausweisen müssen,1631 als auch der member, dessen Aufgabe es ist, gegenüber den anderen beiden Mitgliedern gewissermaßen den Durchschnittsbürger zu repräsentieren, der zwar gewisse eigene Erfahrungen auf dem entsprechenden Sachgebiet hat, aber keiner der beiden Professionen angehört.1632 a)
Einstellungsvoraussetzungen und Auswahl der juristischen Tribunalsmitglieder (judges bzw. legal members)
Die legal members bzw. judges rekrutierten sich bei den tribunals traditionell aus allen Sparten der rechtlichen Professionen in England.1633 Es konnten etwa solicitors1634, barristers1635, Queen’s Counsel1636 oder delegierte Richter der obersten ordentlichen Gerichte sein.1637 Die ersten zwei genannten mussten dabei bisher
1631 Zur Rolle der »medical members« insb. im Bereich »mental health« siehe unten, Fn. 1682. 1632 Es werden als solche Personen benannt, die Kenntnisse über die Verwaltung oder sonstige Erfahrung im Zusammenhang mit sozialen Diensten haben; siehe Bowers, Tribunal Practice and Procedure, 1985, S. 11/6. 1633 Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 284 f. 1634 Solicitors sind Anwälte, die klassischerweise nicht berechtigt waren, vor den zentralen Gerichtshöfen (also ab High Court aufwärts) aufzutreten. Sie stellen die größte juristische Teilprofession dar; siehe Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 179. Ihre klassische Rolle war damit die eines Beraters des Klienten, bevor überhaupt ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wurde; allerdings können solicitors seit Inkrafttreten des Courts and Legal Services Act 1990 c.41 durch Erwerben einer Zusatzqualifikation auch vor den höheren Gerichten auftreten; siehe zum Ganzen Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 180 f. 1635 Barristers sind Prozessanwälte, die seit je her berechtigt sind, vor den oberen Instanzen der ordentlichen Gerichte aufzutreten und auf diese Tätigkeit spezialisiert sind. Sie werden durch eine der vier tradierten Anwaltskammern für barristers, den »Inns of Court«, für die Vertretung vor den höheren Gerichten zugelassen. Traditionell können sich Kläger nicht direkt an einen barrister wenden, vielmehr müssen barristers durch einen solicitor instruiert werden. Durch die Reformen, die seit dem Access to Justice Act 1999 c.42 stattgefunden haben, haben die barristers einen Teil ihrer klassischen Sonderstellung verloren; siehe Partington, Introduction to the English Legal System, 4th ed. 2008, S. 239; zum Trend der immer stärker werdenden Annäherung der beiden Teilprofessionen aneinander siehe Partington, Introduction to the English Legal System, 4th ed. 2008, S. 246 f. 1636 Dies sind tradionsgemäß barristers, die aufgrund langjähriger Erfahrung (mindestens 10 Jahre) zum »Queen’s Counsel« berufen werden; siehe zum Ganzen Gillespie, English Legal System, 1st 2007, S. 239. 1637 Das traf etwa zu auf den Vorsitzenden des Patents Appeal Tribunal, der gem. s.85(2) Patents Act 1949 (12,13& 14 Geo.VI) c.87 High Court-Richter war ; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, s.285. Heute trifft dies zu auf den Präsidenten des Investigatory Powers
Die verschiedenen Arten von Tribunalsmitgliedern
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regelmäßig – abhängig vom tribunal, an das sie berufen wurden – ein Mindestmaß von 5, 7 oder sogar 10 Jahren Berufserfahrung haben.1638 Heute sind die Kriterien, die erfüllt sein müssen, um judge des FtToder UT zu werden, im TCEA 2007 c.15 einheitlich geregelt.1639 Weitere wichtige Regelungen finden sich außerdem in Teil 2, ss.50 ff., TCEA 2007 c.15 und den unter diesen Vorschriften erlassenen Verordnungen. Insbesondere der Ernennungsprozess der judges ist dabei in einen weiteren Kontext zu stellen, da durch diese Vorschriften des TCEA 2007 c.15 nicht nur die Ernennung der Tribunalsmitglieder neu geregelt wird, sondern die Ernennung von Richtern aller Gerichte insgesamt.1640 Diese Reformen wurden dabei bereits durch den Constitutional Reform Act 2005 c.4 eingeleitet und nun durch den TCEA 2007 c.15 weiterbetrieben.1641 Die Voraussetzungen, um Tribunalsmitglied zu werden, werden daher im Folgenden in diesem weiteren Kontext geschildert: (1)
Die allgemeine Befähigung zum Richteramt (Judicial-appointment eligibility condition) Judges des FtT und des UT müssen die sog. judicial-appointment eligibility condition,1642 also eine allgemeine »Befähigung zum Richteramt«, erfüllen; die damit einhergehenden Anforderungen werden in s.50 TCEA 2007 c.15 festgelegt.1643 Danach muss ein judge eine relevant qualification1644 aufweisen und für
1638
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Tribunal; siehe sch.3 para 2 Regulation of Investigatory Powers Act 2000 c.23 i. V. m. s.60 (2)(a) Constitutional Reform Act 2005 c.4. Durch die unterschiedlichen Qualifikationsanforderungen für die Mitglieder der tribunals machte der Gesetzgeber deutlich, dass die einzelnen tribunals mit einem, ihrer Aufgabe jeweils angemessenen juristischen Sachverstand versehen sein sollten; vgl. Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 285. Siehe s.4(1)(a) und sch.2 para.1(1) TCEA 2007 c.15 für das FtT bzw. s.5(1)(b) und sch.3 para.1(1) TCEA 2007 c.15 für das UT. Siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 281. Ziel der Vorschriften ist es, zu einer größeren Diversität in der Richterschaft insgesamt beizutragen und auch solchen juristischen Ausbildungsgängen und Berufsgruppen einen Zugang zur Richterschaft zu ermöglichen, denen dies nach den vorherigen Regeln versagt war ; siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 284. Siehe Current Law – Statutes Annotated, Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007, 2008, s.15/50. Siehe gem. sch.2 para. (2)(a) TCEA 2007 c.15 für das FtT bzw. sch.3 para (2)(a) TCEA 2007 c.15 für das UT. Dabei gelten die Voraussetzungen von s.50 TCEA 2007 c.15 nicht nur für die Richter des FtT oder des UT, sondern auch für alle anderen tribunals, die (noch) nicht in die neue Struktur bzw. die Verwaltung durch den Tribunals Service integriert sind, wie etwa die Agricultural Land Tribunals, dessen Vorsitzender (und dessen Stellvertreter) ebenfalls die »judicial-appointment eligibility condition« auf 5-Jahresbasis erfüllen müssen und vom Lord Chancellor gem. sch.9 para.13(1) Agriculture Act 1974 (10& 11 Geo.VI.) c.48 ernannt werden; dazu siehe schon oben, Fn. 111 sowie Luhmann, Entwicklung des englischen Landpachtrechts, 2010, S. 200. Ss.50(3)(a) und 51(1) TCEA 2007 c.15.
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Die personelle Zusammensetzung der tribunals
eine bestimmte Zeit seit Erreichen dieser Qualifikation experience in law gesammelt haben.1645 (a) Die erforderliche Qualifikation (relevant qualification) Was mit relevant qualification gemeint ist, bestimmt s.50(4) TCEA 2007 c.15. Während in Deutschland den Anforderungen an die Befähigung zum Richteramt das Idealbild des universitär und praktisch ausgebildeten Einheitsjuristen zu Grunde liegt, kann der Werdegang professioneller Juristen bis zum Richteramt in England sehr verschiedene Wege nehmen:1646 Zunächst einmal haben alle barristers und auch alle solicitors die entsprechende Qualifikation.1647 Die Qualifikation zur Ausübung dieser klassischen juristischen Berufe wiederum kann auf verschiedenste Arten erworben werden: Am Anfang steht oftmals ein universitäres Studium.1648 Erst in der praktischen Ausbildung beginnt die Differenzierung zwischen den beiden klassischen Zweigen der juristischen Profession: Barristers absolvieren einen Bar Professional Training Course,1649 bei denen die Inns of Court, die vier Rechtsanwaltskammern der barristers, traditionell die Ausbildung organisieren, nach deren erfolgreichem Abschluss sie die angehenden barristers zur bar berufen und sie 1645 Explanatory Notes TCEA 2007, c.15, para. 49. Die ziemlich verschachtelt formulierte Bestimmung in s.50(1)(2) TCEA 2007 c.15 soll dabei lediglich die nötige Gesamtdauer von Berufserfahrung festlegen, die für ein entsprechendes Amt als judge am FtToder UT nötig ist; diese wird dabei generell gekürzt – wo zuvor 10 Jahre Berufserfahrung nötig waren, sind es jetzt nur noch 7, wo es 7 waren, sind es nun 5 Jahre; siehe McKee, JIANL 2007, 21(1), 14 (19). 1646 Einen groben Überblick über die Ausbildung und die einzelnen Berufsbilder englischer Juristen bietet Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 13 – 001 ff. 1647 Bis Ende der 90er Jahre rekrutierte sich fast die gesamte Richterschaft, insb. auf höherer Ebene, aus den Reihen der barristers; solicitors wurden hingegen allenfalls auf niederrangige Richterposten berufen und waren auch dort eher die Ausnahme. Aber schon 2000 etwa waren nur 46 % aller Richter früher als barristers tätig; siehe Legg, PL Spr., 62 (66). Das damalige System der Richterernennungen wurde seit 2005 umfassend reformiert; siehe hierzu unten, VI.B., S. 344ff. 1648 Oft – aber nicht immer – ist dies ein Jurastudium an einer »Law School«, das mit einem Bachelor of Law (LL.B) abgeschlossen wird. Zum Eintritt in die praktische Ausbildung berechtigt sind allerdings auch solche Universitätsabsolventen anderer Fachrichtungen, die einen »conversion course« absolviert haben, in dem die Fähigkeiten eines universitär ausgebildeten Juristen in wenigstens einem Jahr vermittelt werden. Dieser steht einem universitären Jura-Abschluss gleich; siehe zur Juristenausbildung insgesamt auch Jackson/Spencer, Machinery of Justice, 8th ed. 1989, S. 345 ff. 1649 Der »Bar Professional Training Course« dauert ein Jahr und teilt sich in eine akademische und eine praktische Phase, genannt »pupillage« auf. Überwacht wird die Ausbildung vom »Bar Standards Board«. Dieses ist eine unabhängige Unterabteilung des »General Council of the Bar«, dem dessen Regulierungsaufgaben und die Überwachung der Einhaltung des »Bar Code of Conduct« übertragen sind; siehe Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 13 – 010 f.
Die verschiedenen Arten von Tribunalsmitgliedern
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so in den Berufsstand aufnehmen.1650 Die praktische Ausbildung der solicitors hingegen findet im sog. Legal Practice Course statt, der durch die Law Society, die Standesorganisation der solicitors, durchgeführt wird.1651 Der Lord Chancellor kann jedoch jetzt nach dem TCEA 2007 c.151652 daneben noch weitere Qualifikationen außer der Tätigkeit als barrister und solicitor bestimmen, was er durch Verordnung1653 getan hat. Diese Regelung verfolgt den Zweck, die juristischen Tribunalsmitglieder und die Richterschaft insgesamt in ihrer professionellen Herkunft zu diversifizieren,1654 was etwa dadurch erreicht wird, dass auch solche Personen die relevant qualification aufweisen, die als legal executives1655 tätig sind, also Inhaber einer Qualifikation, die vom Institute of Legal Executives (im Folgenden: ILEX) vergeben wird und deren Erlangung mit einer Vielzahl unterschiedlicher Ausgangsqualifikationen möglich ist.1656 Diese Regelungen des TCEA 2007 c.15 sind dabei im Zusammenhang mit den kompliziert verfassten Vorschriften des Legal Services Act 2007 c.29 zu sehen, welcher für grundlegende Umwälzungen des tradierten Systems der juristischen Berufe gesorgt hat:1657 Die vormals weitgehend allein für die Aufsicht über ihre
1650 Im Rahmen der Ausbildung werden die barristers für die besonderen Anforderungen an das Auftreten vor Gericht geschult. Wer barrister werden will, muss sich zur Durchführung des »Bar Vocational Course« in einer der vier Inns of Court einschreiben. Die Inns of Court haben eine bis ins 14. Jhd. zurückgehende Tradition und lehrten seither, als Internate organisiert, das common law, wohingegen an den Universitäten dieser Zeit – Oxford und Cambridge – nur römisches Recht gelehrt wurde; siehe Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 13 – 002 bzw. 13 – 009. 1651 Die Durchführung der Ausbildung wird von der »Solicitors Regulation Authority« überwacht, die quasi das Gegenstück zum Bar Standards Board ist und eine unabhängige Unterabteilung der Law Society darstellt; Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 13 – 015. 1652 Siehe s.50(4)(b) i. V. m. s.51 TCEA 2007 c.15. 1653 Tribunals and Inquiries Judicial Appointments and Discipline Order 2008, SI 2008/2995. 1654 Siehe zum Hintergrund Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 281 und 285. 1655 »Legal executives« werden in der Praxis gewissermaßen als juristische Sachberarbeiter in den Kanzleien von solicitors beschäftigt, wo sie meist Routinearbeiten erledigen und häufig als Honorarkräfte angestellt sind; siehe Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 13 – 017. Das ILEX ist für die Aus- und Weiterbildung seiner Mitglieder verantwortlich – die Weiterbildung kann dabei so weit gehen, dass ILEX-Fellows sich zum vollwertigen solicitor ausbilden lassen können. Legal executives sind dabei tendenziell auf einem bestimmten Fachgebiet spezialisierter als solicitors, sie sind für die tägliche Arbeit in Anwaltskanzleien und als Teil der Rechtspflege durchaus von großer Wichtigkeit; vgl. Partington, Introduction to the English Legal System, 4th ed. 2008, S. 251; siehe zum Ganzen auch Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 211. 1656 Eine Ausbildung durch das ILEX setzt kein Hochschulstudium voraus, es können vielmehr die unterschiedlichsten Qualifikationen anerkannt werden; siehe die Informationen auf der Internetpräsenz des ILEX, abrufbar unter : http://www.ilex.org.uk/careers/ca reers_home/becoming_a_legal_executive.aspx, besucht am 03. 09. 2010. 1657 Diese Reformen sollten vor allem für eine verstärkte Konkurrenz zwischen den einzelnen
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Die personelle Zusammensetzung der tribunals
Angehörigen verantwortlichen Standesorganisationen der juristischen Teilprofessionen wurden durch den Legal Services Act 2007 c.29 einer neuen, übergeordneten Regulierungsbehörde unterstellt.1658 Die so überwachten Standesorganisationen – vom Gesetz als approved regulators bezeichnet – sind nach dem Legal Services Act 2007 c.29 ihrerseits befugt, jeweils die Ausübung einzelner Berufstätigkeiten zu überwachen:1659 Ihrer Aufsicht unterstehen alle Personen, die reserved legal activities ausüben dürfen, wovon sechs verschiedene Privilegien1660 umfasst sind, wie das Recht, vor einem höheren Gericht aufzutreten (exercise of right of audience)1661 oder die Berechtigung zur Durchführung von Gerichtsverfahren (the conduct of litigation).1662 An diese letztgenannten Bezeichnungen knüpfen die Regelungen des TCEA 2007 c.15 an1663 und schreiben vor, dass als relevant qualifications nur solche vom Lord Chancellor bestimmt werden sollen, die von einem approved regulator verliehen wurden, welcher zu Regulierung des right of audience oder des conduct of litigation-Privilegs befugt ist.1664 Das ILEX etwa ist approved regulator für das right of audience, die von ihr verliehenen Qualifikationen sind also relevant qualifications im Sinne des TCEA 2007 c.15.1665 Über eine solche Qualifikation als legal executive können damit auch Quereinsteiger Zugang zu einer juristischen Karriere bis hin zum Richterberuf haben.
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rechtlichen Professionen sorgen und hierfür einen Regulierungsrahmen schaffen; siehe Explantory Notes Legal Services Act 2007 c.29, para. 18 ff. Es handelt sich um das »Legal Services Board«, das die Oberaufsicht über die Tätigkeiten der verschiedenen Standesorganisationen der juristischen Professionen hat; siehe zu den Effekten des Legal Service Act 2007 c.29 insgesamt etwa Stephen, EBLRev, 2008, 19(6), 1129 (1135 ff.). Als approved regulators unterstehen sie nach dem Legal Services Act 2007 c.29 der Oberaufsicht durch das Legal Services Board; dies gilt etwa für den Bar Council (bzw. das Bar Standards Board als unabhängiger Regulierungsinstanz; siehe oben, Fn. 1649) für die barristers und die Law Society (mit der Solicitors Regulation Authority als unabhängiger Regulierungsinstanz) als entsprechende Organe auf Seiten der solicitors; siehe sch.4 i. V. m. s.20 Legal Service Act 2007, der noch weitere approved regulators nennt. Siehe ss.12 ff. Legal Service Act 2007 c.29. S.12(1)(a) i. V. m. sch.2 para.3 Legal Service Act 2007 c.29. Siehe ss.12(1)(b) i. V. m. sch.2 para. 4 Legal Service Act 2007 c.29. Alle anderen Aktivitäten, die für einen juristischen Beruf typisch sind, fallen demgegenüber unter den Begriff der »legal activity«, wie ihn s.12(3) TCEA 2007 c.15 normiert. S.51(2) TCEA 2007 c.15 Wenn der approved regulator gem. sch.4 Part 1 para. 1 i. V. m. S. 20 Legal Services Act 2007 c.29 die Ausübung des »right of audience« oder die Durchführung kontradiktorischer Verfahren (»conduct of litigation«) als Regulierungsbehörde überwacht, kann der Lord Chancellor bestimmen, dass die von diesen Einrichtungen verliehenen Qualifikationen eine »relevant qualification« darstellen; siehe s.51(2) TCEA 2007 c.15. Unter Umständen können legal executives damit auch vor Gericht auftreten: Sie können – nach Abschluss einer entsprechenden, zusätzlichen Ausbildung – etwa in familienrechtlichen Verfahren sowohl vor den county courts als auch den Magistrates’ Courts Mandanten vertreten; siehe Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 211.
Die verschiedenen Arten von Tribunalsmitgliedern
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(b) Berufserfahrung (experience in law) Neben dem Erreichen der relevant qualification muss der Bewerber aber auch relevant experience, also Berufserfahrung haben. Was als Berufserfahrung anerkannt werden kann, definiert ausführlich s.52 TCEA 2007 c.15: Danach erwirbt eine Person dann experience in law, wenn sie in law-related activities involviert war.1666 Dazu zählt1667 ein weites Spektrum von Tätigkeiten, die als einschlägig angesehen werden, etwa richterliche oder schiedsrichterliche Tätigkeit, Ausübung des Rechtsanwaltsberufs oder sonstiger juristischer Beratungstätigkeit, die Lehre der Rechtswissenschaften1668 oder auch Unterstützungstätigkeiten für »persons involved in proceedings for the resolution of issues arising under the law.«1669 s.52(5) TCEA bestimmt, dass gleichgültig ist, ob diese Tätigkeiten innerhalb des UK ausgeführt wurden oder nicht und auch, ob es sich um eine Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung handelte.1670 (2)
Anforderungen an die relevant experience und Ernennung der judges in First-tier- und Upper Tribunal Hinsichtlich der Anforderungen, die nun an die Berufserfahrung von Tribunalsmitgliedern gestellt werden, wird differenziert: Judges des FtT müssen fünf Jahre Berufserfahrung seit Erlangen der relevant qualification aufweisen, judges des UT sieben Jahre.1671 Bevor sie allerdings ernannt werden können, durchlaufen die künftigen Richter ein Bewerbungsverfahren, welches von der Judicial Appointments Commission durchgeführt wird .1672 Nach dessen Abschluss werden die judges des FtT gem. sch.2 para.1(1) i. V. m. s.4 TCEA 2007 c.15 durch den Lord Chancellor förmlich ernannt, während die judges des UT ihre Bestallung durch die Königin auf förmlichen Vorschlag des Lord Chancellor erhalten.1673
1666 1667 1668 1669 1670
S.52(2) TCEA 2007 c.15: »[…] the person is engaged in law-related activities.« S.52(4) TCEA 2007 c.15 zählt die entsprechenden Aktivitäten auf. S.52(2)(h) TCEA 2007 c.15. S.52(2)(e) TCEA 2007 c.15. Es können daneben auch noch weitere Aktivitäten des Kandidaten als Berufserfahrung anerkannt werden. Dies liegt im Falle der tribunals gegenwärtig im Ermessen des Lord Chancellor ; dies ergibt sich aus der verschachtelten Regelung von s.52(4)(i) und (6) TCEA 2007 c.15. 1671 Sch.2 para(2)(a) bzw. sch.3 para. (2)(a) TCEA 2007 c.15. 1672 Die Judicial Appointments Commission und deren Verfahren werden unten genauer beschrieben; siehe unten, VI.B.1., S. 346. 1673 Sch.3 para.1 i. V. m. s.5 TCEA 2007 c.15. Weil die eigentliche Auswahl der Kandidaten durch die unten dargestellte Judicial Appointments Commission stattfindet, meint die »recommendation of the Lord Chancellor«, von der in sch.3 para.1 TCEA 2007 c.15 die Rede ist, wohl nur einen rein formalen Akt .
330 b)
Die personelle Zusammensetzung der tribunals
Tribunalsmitglieder ohne juristische Qualifikation
Die other members bzw. non-legal members der tribunals nehmen die unterschiedlichsten Aufgaben wahr und gehören den verschiedensten Professionen an.1674 Auch nehmen sie an Tribunalsverhandlungen in den unterschiedlichsten Sachbereichen teil.1675 (1)
Die Tradition der Einbindung rechtlicher Laien in richterliche Entscheidungsprozesse Wie schon das Beispiel der Friedensrichter gezeigt hat,1676 gibt es im Vereinigten Königreich eine lange Tradition der Beteiligung rechtlicher Laien als Streitentscheidungsinstanzen,1677 wobei sich deren Rolle nicht nur auf das Prüfen von Tatsachenbehauptungen beschränkt, wie es etwa die Aufgabe einer jury im Strafrecht ist, sondern sich auch auf die Entscheidung rechtlicher Fragen erstreckt.1678 Mit einer in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einsetzenden, immer stärker werdenden Verrechtlichung (judicialisation) der Verfahren der tribunals ging zwangsläufig eine Stärkung der Rolle der Juristen einher. Mittlerweile wird kritisch hinterfragt, welche Rolle die Laienmitglieder in den tribunals tatsächlich spielen können: Aufgrund der hohen Komplexität des anzuwendenden Rechts in den Verfahren1679 und der neuen Verfahrensweisen der tribunals wird der tatsächliche Mehrwert der Einbindung von Laien teilweise bezweifelt.1680
1674 Im Jahre 2006 gab es in 32 unterschiedlichen tribunals, die in den Tribunals Service integriert waren, etwa 8000 other members; siehe Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07 – Response), 2008 Appendix D, S. 73 ff. 1675 Die größte Einzelgruppe von other members fand sich vor den Reformen bei den General Commissioners; siehe zur Anzahl und Verteilung von other members auf die einzelnen tribunals im Jahr 2006 die Tabelle in Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/ 07), 2007 Appendix D, S. 76. 1676 Zur Rolle rechtlicher Laien bei den Friedensrichtern siehe bereits oben, bei Fn. 202. 1677 Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 94, Punkt 4.1.1.1. 1678 Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 94, Punkt 4.1.1.3. 1679 So Baldwin/Wikeley/Young, Judging Social Security, 1992, S. 151, die zu dem Schluss kommen, dass die Laienmitglieder in den von ihnen untersuchten Social Security Tribunals aufgrund der starken Verrechtlichung der dortigen Verfahren praktisch aus den Verfahren ausgeschlossen seien. 1680 Cane, Administrative Tribunals, 2009, S. 95, Punkt 4.1.1.3, der die Frage aufwirft, welchen Beitrag ein Laie etwa zu einem Verfahren leisten kann, wenn dieses im Wege alternativer Streitbeilegung – dazu siehe noch unten, VII.B.12, S. 385 – ohne ein mündliches Verfahren zu Ende gebracht wird.
Die verschiedenen Arten von Tribunalsmitgliedern
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(2)
Allgemeines zur Aufgabe der non-legal members in den Tribunalsspruchkörpern Die Hauptaufgabe der non-legal members im Rahmen der tribunals des TCEA 2007 c.15 ist es, ihr besonders Wissen und ihre Erfahrung aus bestimmten Sachgebieten einzubringen. Dies gilt dabei nicht nur für die expert members, die schon aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit relevantes Expertenwissen haben, sondern auch für die lay members.1681 Durch die Einbindung der expert members ist das tribunal in aller Regel nicht auf die – kostenintensive – Hinzuziehung weiterer Experten und Sachverständigen angewiesen:1682 Die Aufgabe der lay members hingegen ist es, nicht nur – wie dies etwa bei einer jury der Fall ist – die Allgemeinheit, also »den einfachen Bürger auf der Straße« zu repräsentieren, sie sollen vielmehr ihrerseits schon über bestimmte Erfahrungen auf dem jeweils zu entscheidenden Sachgebiet verfügen, ohne zugleich einer entsprechenden Profession anzugehören oder eine bestimmte Personengruppe als (von dieser Gruppe ausgewählter) Vertreter zu repräsentieren:1683 Heute macht dies der Sekundärrechtsakt zur Umsetzung des TCEA 2007 c.15 deutlich, der hier der Einfachheit halber als Qualifications Order1684 bezeichnet wird und in dem die Voraussetzungen für die Anerkennung eines nicht juristisch qualifizierten Tribunalsmitgliedes geregelt sind. Die Qualifications Order reglementiert, welche
1681 Es war die Intention der Regierung bei der Schaffung des TCEA 2007 c.15 dafür zu sorgen, dass auch die »lay members« ihrerseits über sachbereichsspezifische Erfahrung verfügen: »The government does not believe that there is a place for a purely lay category. All tribunal judges and members should have their place at the hearing table by virtue of their expertise.« Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07), 2007, para. 238 S. 49. 1682 Kommt es etwa in einem Verfahren auf die Art oder das Maß einer – körperlichen oder seelischen – Krankheit an, kann das tribunal für die Beurteilung dessen auf das Wissen des »expert member« zurückgreifen. Dabei wurde die Doppelfunktion der expert members als Sachverständige und Richter in einer Person im Bereich mental health teilweise als problematisch angesehen: In mental health-Verfahren untersucht der »medical member« den Patienten zunächst selbst und teilt dann seine Einschätzung über den Gesundheitszustand den anderen Tribunalsmitgliedern mit; siehe r.34 HESCC-Rules SI2008/2699. Diese Regel entspricht inhaltlich der alten r.11 Mental Health Review Tribunal Procedure Rules 1983, SI1983/942 die seinerzeit sehr umstritten war; siehe dazu Richardson/Machin, PL 2000, Aut., 494 (499). 1683 »Non-legal members are not on tribunals just to make up the numbers, or to provide some balance or untutored ›common sense‹; nor should they feel they are representing the ›person in the street‹ (which is the role suggested by the term ›lay-member‹). In modern tribunals they are there because of their expertise.« Eames, Council on Tribunals (Newsletter), 2006; ferner Cavenagh/Newton, PA 1971, 2, 197 (212 ff.), wenngleich diese für 1971 noch konstatieren, »[that] there was a remarkable diversity of opinion as well as a degree of vagueness among both selectors and members about what should properly constitute the lay role or contribution on a tribunal.« 1684 The Qualification for Appointment of Members of the First-tier Tribunal and Upper Tribunal Order 2008, SI2008/2692.
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Die personelle Zusammensetzung der tribunals
beruflichen Qualifikationen die Tribunalsmitglieder mitbringen müssen1685 bzw. welche sonstigen Erfahrungen berücksichtigt werden können: Gem. r.2(3) Qualifications Order können etwa Personen ernannt werden, die erfahren sind im Umgang mit den physischen oder emotionalen Bedürfnissen behinderter Menschen, weil sie im Rahmen einer professionellen oder ehrenamtlichen Tätigkeit mit behinderten Menschen zusammenarbeiten oder weil sie selbst behindert sind.1686Als weitere qualifizierte Personen nennt r.2(4) Qualifications Order solche Personen, die über wesentliche Erfahrung (substantial experience) verfügen im Bereich des Dienstes in den Land-, See- und Luftstreitkräften des Vereinigten Königreichs, im Bereich der Kindererziehung und –pflege, der Gesundheit und social matters, mit der Betreuung von Opfern von Gewaltverbrechen; im Bereich des Transportrechts, auf dem Gebiet der Regulierung bestimmter Tätigkeiten (in the regulatory field), im Bereich des Verbraucherrechts, in allen Bereichen des Handels, der Industrie und des Wirtschaftssektors und den Belangen, die Gegenstand von Streitigkeiten mit den Regulierungsbehörden dieser entsprechenden Sektoren werden können, in Steuersachen und den damit zusammenhängenden Steuerverfahren, in einer unternehmerischen oder Handelstätigkeit oder in der Tätigkeit einer wohltätigen Organisation. Die Einbindung von lay members in die Tribunalsspruchkörper, die sich einerseits durch Sonderwissen bzw. sachbereichsspezifische Erfahrung auszeichnen, andererseits aber nicht notwendigerweise einer bestimmten Profession angehören müssen, macht deutlich, dass sie der Lebenswelt des »einfachen Bürgers« nahestehen sollen, der mit einem bestimmten Bereich in Berührung kommt.1687 So gab es etwa 2010 allein in der SEC 550 medizinisch qualifizierte expert members und 400 lay members, die sich durch besondere Kenntnisse von Menschen mit Behinderungen auszeichneten und einige wenige, die über Sonderwissen auf dem Gebiet der Finanzen verfügten.1688 Auch hat deren Beteiligung gerade an den mündlichen Verhandlungen in einigen Bereichen den positiven
1685 R.2(2) SI2008/2692. 1686 R.2(3) SI2008/2692. 1687 Dies macht eine Umfrage unter Mitgliedern der Family Health Service Appeal Authority (dessen Aufgaben wurden am 18. 01. 2010 in die HESC integriert; siehe schon oben, V.B.3.c), S. 260) zur Rolle und zum Wert des »non-legal members« im Spruchkörper dieser tribunals deutlich: »Asked what contribution, if any, the non-legal and non-medical members made to a panel charged with the complexities of assessing medical practice, a high proportion of responses referred to the need for balance and stressed the value of a perspective from an independent and right-thinking member of the public, living in the ›real world‹. More than one delegate pointed out that medical practice generally involved more than just the doctor, dentist or nurse – there was the ordinary person on the receiving end too.«; siehe auch Hinchliffe, Tribunals, 2009, Spring, 12 (13). 1688 Siehe Ministry of Justice, The Senior President of Tribunals’ Annual Report 2010, 2010, para. 143 S. 46.
Die verschiedenen Arten von Tribunalsmitgliedern
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Effekt, die Kommunikation zwischen den Mitgliedern des Spruchkörpers und dem vor ihm stehenden »einfachen Bürger« zu verbessern.1689
2.
Festangestellte (salaried) und auf Honorarbasis (fee-paid) bezahlte Tribunalsmitglieder
Nach dem TCEA 2007 c.15 kann hinsichtlich der konkreten Arbeitsbedingungen von Tribunalsmitgliedern und deren Einsatz auch unterschieden werden zwischen solchen, die fest angestellt sind1690 und solchen, die auf Honorarbasis bezahlt werden.1691 Fest angestellt tätig sein können dabei grds. alle Arten von Tribunalsmitgliedern i. S. d. TCEA 2007 c.15, also sowohl judges als auch einige other members.1692 Diese fest angestellten Kräfte behandeln meist schwierige, komplexe Fälle und haben oft auch administrative Aufgaben innerhalb der Organisation der tribunals zu erfüllen.1693 Sie arbeiten in der Regel Vollzeit, es gibt allerdings auch einige Stellen, die trotz Festanstellung nur in Teilzeit besetzt sind.1694 In jedem Fall arbeiten die fest angestellten Kräfte ausschließlich als Tribunalsmitglied1695 bis zum Rentenalter von grds.1696 70 Jahren. Der Lord Chancellor kann hinsichtlich der Einstellung von fest angestellten Tribunalsmitgliedern – neben den gesetzlichen – auch weitere Anforderungen stellen: So kann etwa regelmäßig nur fest angestellter judge werden, wer mindestens zwei Jahre eine
1689 So würde die Anwesenheit eines Laien im Spruchkörper etwa dazu führen, dass die anderen Tribunalsmitglieder ihre Ausführungen in einfachem, verständlichem Englisch machten; siehe: Hinchliffe, Tribunals, 2009, Spring, 12 (13). 1690 Diese erhalten ihre Bezahlung als »salary«; siehe sch.7 para.1(2) Judicial Pensions and Retirement Act 1993 c.8. 1691 Diese sind »fee-paid«; siehe sch.7 para.1(2) Judicial Pensions and Retirement Act 1993 c.8. 1692 Beispiele für »other members«, die fest angestellt tätig sind, sind etwa die Fellows of the Royal Institute of Chartered Surveyors (FRICS), die in der Lands Chamber des UT eingesetzt werden; siehe Review Body on Senior Salaries, Thirty-Second Report on Senior Salaries No. 73 2010 (Cm.7804), 2010, S. 68; zu der besonderen und teilweise als problematisch empfundenen Rolle dieser »surveyor members« im vormaligen Lands Tribunal, siehe auch unten, bei Fn. 1865. 1693 Siehe Review Body on Senior Salaries, Review of Tribunals’ Judiciary Renumeration 2008 (Report No. 66), 2008, S. 47. 1694 Ministry of Justice, Step up to a Judicial Career, 2010, S. 5. 1695 Siehe Review Body on Senior Salaries, Review of Tribunals’ Judiciary Renumeration 2008 (Report No. 66), 2008, S. 28. 1696 Eine Übergangsbestimmung im Judicial Pensions and Retirement Act 1993 c.8 sieht für Amtsinhaber, die vor dessen Inkrafttreten am 31. März 1995 ernannt wurden, momentan noch ein Höchstalter von 75 Jahren vor; siehe auch Ministry of Justice, Fee Paid Judicial Office Holders, 2010, S. 8.
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Die personelle Zusammensetzung der tribunals
inhaltlich entsprechende Beschäftigung als Richter auf Honorarbasis innehatte oder zumindest 30 Sitzungstage als solcher absolviert hat.1697 Auf Honorarbasis bezahlte Kräfte behandeln in der Praxis meist nur einfachere Standardfälle, die in kurzer Zeit abgearbeitet werden können.1698 Da sie nur dann eine Entlohnung und ihre Auslagen erhalten, wenn sie tatsächlich eingesetzt werden, gehen sie neben ihrer Tätigkeit als Tribunalsmitglied oft noch einer anderen Beschäftigung nach, wobei dies bei den juristischen Tribunalsmitgliedern häufig eine Tätigkeit etwa als Anwalt oder in der Rechtsabteilung eines Unternehmens ist.1699 Im Gegensatz dazu ist es fest angestellten Tribunalsmitgliedern untersagt, derartigen Nebenbeschäftigungen nachzugehen.1700 Fast alle nichtjuristischen Tribunalsmitglieder sind jedoch honorarbezahlt1701 und haben daher auch noch andere Aufgaben zu erfüllen: a)
Anderweitige Tätigkeiten honorarbezahlter Kräfte
Diese üblichen Nebentätigkeiten von Tribunalsmitgliedern können dabei zu Konflikten führen: In der Entscheidung Lawal1702 hielt das HoL etwa das Employment Appeal Tribunal für nicht unparteiisch, da dem Spruchkörper ein Laienrichter angehörte, der zuvor mit einem Teilzeitrichter als Vorsitzenden, welcher wiederum nun als Anwalt einer der Parteien auftrat, zusammen einen Fall entschieden hatte: Das HoL nahm an, dass ein unbefangener Dritter annehmen könnte, ein Laienrichter betrachte den Vorsitzenden des Spruchkörpers, dem er angehört, mit solchem Respekt und so weitgehend als Autorität, dass nicht auszuschließen sei, dass er sich von dieser Autorität bei seiner Entscheidung auch dann noch beeinflussen ließe, wenn dieser Teilzeitrichter ihm in einem anderen Verfahren als Anwalt gegenüberträte.1703 Eine Praxis, die dies
1697 Siehe hierzu Judicial Appointments Commission, Statistics 2009 – Annex B, 2010, S. 5. Eine gesetzliche Anforderung hierfür gibt es allerdings nicht, Ministry of Justice, The Report of the Advisory Panel on Judicial Diversity 2010, 2010, para. 7.7. 1698 Siehe Review Body on Senior Salaries, Review of Tribunals’ Judiciary Renumeration 2008 (Report No. 66), 2008 S. 47. 1699 Ministry of Justice, Step up to a Judicial Career, 2010, S. 6. 1700 Siehe sch.11 i. V. m. s.75 Courts and Legal Service Act 1990 c.41. Diese Bestimmung gilt ausweislich ihres Wortlautes eben nicht für honorarbezahlte Richter ; siehe Vollans, Cov. LJ 2003, 8(2), 35 (35 f.). 1701 2008 gab es insgesamt 5.927 honorarbezahlte Tribunalsmitglieder, davon waren 1.820 judges und 4.107 other members; siehe Review Body on Senior Salaries, Review of Tribunals’ Judiciary Renumeration 2008 (Report No. 66), 2008, S. 29; zu den festangestellten »surveyor members« siehe schon oben, Fn. 1692. 1702 Lawal v. Northern Spirit Ltd [2003] UKHL 35. 1703 »The [fair-minded and informed] observer is likely to approach the matter on the basis that the lay members look to the judge for guidance on the law, and can be expected to
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ermögliche, sei mit der von Art. 6 EMRK geforderten Unparteilichkeit der tribunals nicht vereinbar und daher einzustellen. In einem Memorandum1704 für honorarbezahlte Tribunalsrichter hat das Justizministerium im Lichte dessen nun das allgemeine Prinzip niedergelegt, dass Tribunalsrichter, die hauptberuflich einer anwaltlichen Tätigkeit als barrister oder solicitor nachgehen, nicht in solchen Bezirken als Tribunalsmitglied tätig sein oder aber gegenüber einem tribunal auftreten dürfen, in denen die Gefahr besteht, dass sie unnötig in eine derartige Verlegenheit geraten. Genauso soll die Gefahr ausgeschlossen werden, dass Situationen eintreten, in denen etwa Partner aus der Kanzlei eines Tribualsmitgliedes in einem von diesem zu entscheidenden Verfahren auftreten könnten.1705 Ferner sollen Tribunalsmitglieder auch von politischen Aktivitäten Abstand nehmen, sofern diese die Gefahr bergen, ihre Unparteilichkeit bzw. die äußere Wahrnehmung ihrer Unparteilichkeit zu gefährden.1706 Gesetzlich ausdrücklich geregelt ist diesbezüglich allerdings nur, dass ein Amt als Tribunalsmitglied – genau wie jedes andere richterliche Amt – unvereinbar ist mit der Stellung als Parlamentsabgeordneter.1707 Alle weiteren – politischen und nichtpolitischen –Aktivitäten sind nur insoweit untersagt, als dass sie mit der bisherigen Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe zur rule against bias als unvereinbar angesehen werden,1708 die teilweise recht streng ist.1709
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develop a fairly close relationship of trust and confidence with the judge.« Lawal v. Northern Spirit Ltd [2003] UKHL 35, para. 21. Ministry of Justice, Fee Paid Judicial Office Holders, 2010. Bei diesem Memorandum handelt es sich nicht um einen verbindlichen Rechtsakt, sondern lediglich um eine Art Verwaltungsvorschrift, welche die »policy« des Lord Chancellor bzw. zuständigen Lord Chief Justice für bestimmte Fälle beschreibt. »As a general principle, a barrister or solicitor advocate ought not to sit as an office holder, or to appear before a tribunal, at a particular hearing centre if he/she is liable to be embarrassed in either capacity by doing so. For solicitor office holders this is likely to include where they, any partner or employee of theirs regularly practises.« Ministry of Justice, Fee Paid Judicial Office Holders, 2010, S. 14, para. 25.1 f. Ministry of Justice, Fee Paid Judicial Office Holders, 2010, S. 16, para. 27.1. Dies regelt s.1(1)(a) i. V. m. sch.1 des House of Commons Disqualification Act 1975 c.24 bzw. die entsprechenden Bestimmungen der Gesetze für die Legislativorgane der anderen Regionen Großbritanniens. Dies lässt sich nur einzelfallabhängig beurteilen; siehe Ministry of Justice, Fee Paid Judicial Office Holders, 2010, S. 16, para. 27.2. Dort wird exemplarisch die Entscheidung des CoA Locabail (UK) Ltd v. Bayfield Properties Ltd [2000] QB 451 genannt. Es handelt sich um eine Revision gegen Entscheidungen in mehreren verbundenen Verfahren, die allesamt ähnliche Fragen hinsichtlich der richterlichen Unparteilichkeit bei außerdienstlichen Aktivitäten der Richter aufwarfen: In der Entscheidung Lockabail Ltd v. Bayfield ging es um die Frage eines Teilzeitrichters, der als QC für eine Anwaltskanzlei tätig war, die in anderen Zusammenhängen gegen eine der Parteien vorging; siehe para. 39 f. In dem damit verbundenen Verfahren Williams v. Inspector for Taxes and others ging es um die Mitglieder eines Employment Tribunals, von denen 2 vor längerer Zeit für eine der Parteien
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Die personelle Zusammensetzung der tribunals
Sicherheit der Amtsstellung (security of tenure)
Unterschiede zwischen fest angestellten Richtern und solchen, die auf Honorarbasis arbeiten, bestehen nach dem TCEA 2007 c.15 hinsichtlich der jeweiligen security of tenure:1710 Security of tenure meint dabei die Sicherheit der Amtsstellung als Richter, also den Schutz davor, wegen unpopulärer oder etwa dem Willen der Exekutive widersprechender Entscheidungen aus dem Richteramt entlassen zu werden.1711 Nach den Bestimmungen des Senior Courts Act 1981 c.54 kann etwa die Entlassung bzw. Amtsenthebung von Richtern der oberen Gerichte – sprich des High Court und des CoA – nur aufgrund einer Petition an die Königin erfolgen, die von beiden Häusern des Parlaments getragen wird.1712 Das gleiche galt auch bisher für die Richter des HoL1713 sowie nun für die Richter des Supreme Court.1714 Damit sind die Richter weitgehend1715 vor einer Entfernung aus dem Amt geschützt – in der Praxis übte das Parlament das Recht zum Ersuchen an die Königin um Entlassung eines Richters aus dem Amt bisher nur
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gearbeitet hatten; siehe para. 90 ff. In der Entscheidung R. v. Bristol Betting & Gaming Licensing Committee Ex p. O’Callaghan wandte sich der Kläger gegen die Tatsache, dass ein High Court-Richter (Lord Dyson) Anteile an einem Unternehmen hielt, welches einem Wettbüro Räumlichkeiten vermietete, gegen das der Kläger in anderer Hinsicht vorging; siehe para. 98 ff. In keinem dieser Fälle wurde das Rechtsmittel vom Gericht zugelassen; zur ebenfalls verbundenen Entscheidung Timmins v. Gormley siehe sogleich, Fn. 1709. Wissenschaftliche Veröffentlichungen eines Richters und deren Auswirkungen auf dessen Unparteilichkeit etwa waren Gegenstand der Entscheidung Timmins v. Gormley [2000] QB 451 (dieses Verfahren ist eines mit Locabail (UK) Ltd v. Bayfield Properties Ltd [2000] QB 451 verbundenen). Dort hatte ein Richter in einem Verfahren wegen eines Verkehrsunfalls sich kurz zuvor in einer Fachzeitschrift kritisch über bestimmte Praktiken von Versicherungen geäußert, unter anderem der des Klägers. Der CoA hielt hier die Gefahr für gegeben, die Wahrnehmung der richterlichen Unparteilichkeit könne beeinträchtigt sein. »Today one of the most important ways by which judicial independence is preserved is by the security of tenure of judicial office holders«; siehe Bradley/Ewing, Constitutional and Administrative Law, 14th ed. 2007, S. 392. An der Begrifflichkeit »tenure« zeigt sich der Ursprung des Richteramtes als vom König verliehenes Privileg – denn wie gezeigt ist von »tenure« bzw. »security of tenure« auch im Zusammenhang mit der Beziehung zwischen landlord und tenant die Rede, also dem ebenfalls durch das Feudalsystem im Mittelalter geprägten Verhältnis zwischen einem Grundstückseigentümer und dessen Nutzer (dazu siehe schon oben, bei Fn. 738); siehe auch Law/Martin, in: Law/Martin (ed.), A Dictionary of Law, 2009, Stichwort: »tenure n.«. S.11(3) Senior Courts Act 1981 c.54. S.6 Appellate Jurisdiction Act 1876 (39& 40 Vict.) c.59. S.33 Constitutional Reform Act 2005 c.4. Die vorgenannten Bestimmungen schützten einen Richter jedenfalls sicher vor einer Entfernung aus dem Amt auf Betreiben der Krone; fraglich ist aber, ob auch der Schutz vor einer Amtsenthebung durch das Parlament in gleichem Maße gewährleistet ist: Die Bestimmungen werden vom Act of Settlement 1701 (12& 13 Will.& Mary) c.2 abgeleitet, der seinerseits nahelegt, dass das Parlament die Richterschaft zwar umfassend vor einer Amtsenthebung durch die Krone schützen, sich aber selbst ein umfassendes und unlimitiertes Recht zur Amtsenthebung vorbehalten wollte.
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in krassen Ausnahmefällen aus, in denen dieser sich ein massives Fehlverhalten hat zu Schulden kommen lassen.1716 Die Richter der unteren Instanzen – also circuit judges,1717 district judges,1718 Recorders1719 und Friedensrichter1720 – können jedoch unter weniger strengen Voraussetzungen entlassen werden1721: Nach dem Courts Act 1971 c.23 kann der Lord Chancellor mit Zustimmung des Lord Chief Justice diese Richter im Falle von Unfähigkeit oder aufgrund Fehlverhaltens1722 aus ihrem Amt entlassen. Allerdings ist auch dies tatsächlich nur höchst selten in extremen Fällen geschehen; die Hürden für eine solche Entlassung wären jedenfalls als so hoch
1716 Bradley/Ewing, Constitutional and Administrative Law, 14th ed. 2007, S. 392. Das Fehlverhalten des Richters muss dabei einen enorm hohen Schweregrad erreichen: De facto wurde bisher nur ein einziger Richter mittels dieses Verfahrens wegen Unterschlagung formell aus dem Amt entfernt; siehe Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 141. Daneben kann ein Richter theoretisch auch durch ein sog. »impeachment« wegen des Begehens eines Verbrechens entlassen werden, allerdings ist dieses Verfahren seit 1805 nicht mehr genutzt worden und wird deshalb mittlerweile für obsolet erachtet; siehe Barnett, Constitutional and Administrative Law, 7th ed. 2009, S. 78 mit Beispielen für die Anwendung dieses Verfahrens. 1717 »Circuit judges« sind Richter, die im Rang grds. unter den Richtern des High Court stehen; erfahrene circuit judges jedoch können u. U. damit betraut werden, Verfahren auch im High Court zu hören. Auch können sie u. U. als Richter in der Criminal Division des CoA eingesetzt werden. In aller Regel werden diese Richter aber im Crown Court und in den county courts eingesetzt. Darunter rangieren deputy circuit judges, die aus den Reihen pensionierter Richter ernannt werden; siehe Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 14 – 033 f. 1718 »District judges« sind Vollzeitrichter, die ausschließlich zivilrechtliche Fälle in den county courts hören und damit in der Praxis fast 80 % dieser Verfahren abarbeiten. Auch diese Richter können in den district registries (zu diesen siehe bereits oben, bei Fn. 282) des High Court eingesetzt werden. »Deputy district judges« hingegen sind nicht festangestellt tätig; siehe zum Ganzen Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 14 – 036. 1719 »Recorders« sind Richter, die in county courts und im Crown Court eingesetzt werden, die aber – im Unterschied zu den oben, Fn. 1717 beschriebenen circuit judges – nicht festangestellt sind, sondern honorarbezahlt (»fee-paid«) und die in aller Regel weniger wichtige Fälle hören; siehe Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 14 – 035 sowie Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 147. 1720 Damit sollen hier zunächst nur die »district magistrates« bezeichnet werden; erstere sind in Vollzeit tätige Volljuristen, die als Richter der Magistrate’s Courts in größeren Städten tätig sind; siehe Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 147. 1721 Obwohl der Crown Court Teil der Senior Courts ist, unterfallen die Richter dort nicht per se den Regelungen des Senior Courts Act 1981 c.54 hinsichtlich ihrer Ernennung und Amtsdauer, wie sich aus s.151(4) des Senior Courts Act 1981 c.54 ergibt; siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.8.1. 1722 »Incapacity« bzw. »misbehaviour«; siehe s.17(4) Courts Act 1971 c.23. »Misbehaviour« meint dabei Fehlverhalten sowohl im- als auch außerhalb des Amtes; siehe Barnett, Constitutional and Administrative Law, 7th ed. 2009, S. 78; »incapacity« meint hingegen eine gesundheitsbedingte Unfähigkeit zur Ausübung des Amtes.
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anzusehen, dass auch diese Möglichkeit einen eher theoretischen Fall darstellen dürfte, der die Unabhängigkeit der Richter nicht wirklich beeinflussen kann.1723 Tritt keiner der vorgenannten Fälle ein, scheiden alle Richter grds. mit Erreichen des 70. Lebensjahres aus dem Amt,1724 wobei allerdings diese Altersgrenze durch den Lord Chief Justice sowie andere bestimmte Personen1725 auf 75 Jahre angehoben werden kann, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt.1726
(1) Die security of tenure bei fest angestellten Tribunalsmitgliedern Die obige Darstellung trifft auf die fest angestellten Richter ordentlicher Gerichte zu – die zugleich ex officio Mitglieder des FtT und des UT sind:1727 Bei allen anderen Tribunalsmitgliedern ist hinsichtlich der Entlassung aus dem Amt zwischen honorarbezahlten und fest angestellt Tätigen zu unterscheiden: Nach dem TCEA 2007 c.15 können fest angestellte judges und members, die originär ernannt wurden, sowie solche, die von den vormaligen Einzeltribunals in die neue Struktur transferiert wurden, sowohl im FtT als auch im UT nur durch den Lord Chancellor mit Zustimmung des Lord Chief Justice1728 entlassen werden1729 und zwar nur aufgrund von Unvermögen oder Fehlverhalten1730 – damit besteht insoweit der gleiche Schutzstandard wie für die Richter der ordentlichen Gerichte in den unteren Instanzen. Der Schutz der security of tenure und damit der Unabhängigkeit dieser Tribunalsmitglieder1731 ist damit genauso hoch wie bei den unterinstanzlichen Gerichten. 1723 1983 etwa wurde Richter Bruce Campbell auf diese Weise aus dem Amt entfernt, nachdem er des Zigaretten- und Alkoholschmuggels nach England auf seiner Yacht für schuldig befunden wurde, Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 141. Weitere Fälle, in denen eine Entlassung zumindest im Raum stand, nennt Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.8.1. Als nicht ausreichend für eine Entlassung wurde etwa das Fahren unter Alkoholeinfluss angesehen; siehe Barnett, Constitutional and Administrative Law, 7th ed. 2009, S. 78; dazu siehe aber auch unten, bei Fn. 1739. 1724 Sch.2 para.1(1) Judicial Pensions Act 1981 c.20 und s.26(7) Judicial Pensions and Retirement Act 1993 c.8; Bradley/Ewing, Constitutional and Administrative Law, 14th ed. 2007, S. 392. 1725 »Appropriate person«; wer dies sein kann, regelt für verschiedene Fälle s.26(12) Judicial Pensions and Retirement Act 1993 c.8. 1726 Eine erneute Ernennung erfolgt dabei auf Jahresbasis, bis das absolute Höchstalter von 75 erreicht ist; zu den Voraussetzungen siehe die ausführliche Regelung in s.26(5)ff. Judicial Pensions and Retirement Act 1993 c.8. 1727 Dazu siehe im Einzelnen auch unten, VI.A.2.d), S. 343. 1728 Bzw. dessen jeweiligem Äquivalent in einer anderen Region des Vereinigten Königreichs, also dem Lord Chief Justice of Northern Ireland bzw. dem President of the Court of Session in Schottland. 1729 Siehe sch.2 para.4 i. V. m. para.3 TCEA 2007 c.15. 1730 Siehe sch.2 para.4(2)(b) TCEA 2007 c.15 »inability or misbehaviour« hat dabei wohl die gleiche Bedeutung wie »incapacity« und »misbehaviour«; hierzu schon oben, Fn. 1722. 1731 Vgl. Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 59 f.
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(2) Die security of tenure bei honorarbezahlten Tribunalsmitgliedern Hinsichtlich honorarbezahlter Tribunalsmitglieder und Richter gelten die oben genannten gesetzlichen Regelungen jedoch nicht:1732 Auch durch andere, ausdrückliche Gesetzesregelungen sind diese nicht geschützt. Der Einsatz von Honorarkräften als Richter war deshalb in der Vergangenheit z. T. als problematisch angesehen worden, da deren security of tenure als zu gering und daher in manchen Konstellationen als für unvereinbar mit Art. 6 EMRK angesehen wurde. Insb. eine Entscheidung der schottischen Gerichte hatte insoweit Auswirkungen auch auf die honorarbezahlten Mitglieder der tribunals in England: (a) Das Urteil Starrs v. Ruxton In der Sache Starrs v Ruxton1733 entschied der High Court of Justiciary1734 in Schottland für sog. temporary sheriffs, dass die konkreten Arrangements zum Einsatz dieser Teilzeitrichter einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK darstellten: Die temporary sheriffs wurden jeweils für ein Jahr ernannt, nach Ablauf des Jahres verlängerte sich deren Beschäftigung jedoch nicht automatisch, sondern war davon abhängig, ob der Lord Advocate – ein Mitglied der schottischen Exekutive1735 – einen entsprechenden Bedarf für deren weiteren Einsatz feststellte. Auch wurden die temporary sheriffs ad hoc bei entsprechendem Arbeitsanfall eingesetzt, ohne dass es irgendwelche Regelungen darüber gab. Diesbezügliche Entscheidungen lagen allein im Ermessen des Lord Advocate. Damit war es möglich, einen sheriff – ohne ihn tatsächlich seines Amtes entheben zu müssen – zumindest faktisch seiner Amtsstellung zu berauben, dass er nicht mehr eingesetzt wurde. Gleichzeitig bestand aber für einen temporary sheriff (abgesehen von der Entlohnung) ein hoher Anreiz, viele Fälle zugewiesen zu bekommen, erhöhte er doch so seine Chancen, eine Festanstellung zu erlangen. Hierin sahen die Richter eine potentielle Gefahr für die Unabhängigkeit bzw. Unparteilichkeit der temporary sheriffs (obgleich sie zugestanden, dass diese Gefahr sich bislang nicht verwirklicht hatte).1736 1732 Siehe den eindeutigen Wortlaut von sch.2 para.4(2) TCEA 2007 c.15: »If the terms of the person’s appointment provide that he is appointed on a salaried (as opposed to fee-paid) basis, the person may be removed from office only […].« 1733 Starrs v. Ruxton, 2000 JC 208. 1734 Dies ist seit 1672 das höchste Strafgericht Schottlands, seine Mitglieder sind dieselben wie die des Court of Session; dazu siehe auch noch unten, VIII.C.3.a)(2), S. 510. 1735 Der Lord Advocate steht dem Crown Office and Procurator Fiscal Service vor; siehe Clark, Scottish Legal System, 2006, S. 93. Das Crown Office ist unter anderem die zentrale Anklagebehörde Schottlands, der Lord Advocate hat damit letztlich die Stellung des höchsten Staatsanwaltes inne. Insoweit entspricht seine Stellung der des Attorney General in England; zu diesem siehe unten, Fn. 513. 1736 Starrs v. Ruxton, 2000 JC 208 (237 f.) per Reed LJ. Die Richter hielten damit das gesamte System der temporary sheriffs in seiner damaligen Ausgestaltung wegen der fehlenden
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(b) Die Bedeutung von Starrs v. Ruxton für die tribunals Aufgrund dieser Entscheidung wurde die bis dahin ganz ähnliche Praxis für den Einsatz honorarbezahlter Kräfte durch den Lord Chancellor einschließlich der in England tätigen Tribunalsmitglieder überprüft und es wurden Vorgaben entwickelt, welche den Einsatz und die Möglichkeiten der Entlassung von honorarbezahlten Richtern und Tribunalsmitgliedern stärker reglementierten:1737 So wurde die noch heute geltende Praxis eingeführt, nach der eine Ernennung auf einen honorarentlohnten Posten nicht für weniger als 5 Jahre erfolgen soll, es sei denn, es würde sonst das Höchstalter von grds. 70 Jahren überschritten. Die jeweils nächste Halbdekade beginnt dabei regelmäßig automatisch, es sei denn, bestimmte Gründe stehen dem entgegen.1738 Die Gründe, aus denen ein auf Honorarbasis bezahlter Richter nach Ablauf seiner Amtsperiode nicht neu ernannt werden darf, wurden zugleich näher spezifiziert – dies sind: (a) Fehlverhalten; (b) Unvermögen; (c) fortdauernde Nichtwahrnehmung anberaumter Sitzungen (ohne gute Entschuldigung); (d) Fernbleiben von Weiterbildungsmaßnahmen; (e) gravierende Missachtung von Verhaltensstandards, die vom Inhaber eines entsprechenden Amtes erwartet werden können; (f) insgesamt abnehmender Arbeitsanfall oder (g) Umstrukturierungsmaßnahmen, die dazu dienen, neue Bewerber aufnehmen zu können.1739 Die Gründe (a)-(e) gelten dabei auch für die Entfernung aus dem Amt, die neben der schlichten Nicht-Erneuerung der Ernennung möglich ist. Die Geltendmachung der Gründe (a)-(e) für die Entscheidung, eine Ernennung nicht zu erneuern oder den Betreffenden zu entlassen, trifft der Lord Chancellor in Absprache mit dem Lord Chief Justice und nur, nachdem ein von diesem be»security of tenure« für mit Art. 6 EMRK unvereinbar, was dazu führte, dass im Nachgang dieser Entscheidung keine neuen Verfahren mehr den temporary sheriffs in Schottland zugewiesen wurden. Durch s.6 des Bail, Judicial Appointments etc. (Scotland) Act 2000 ASP 9 wurde das Amt des temporary sheriff abgeschafft und durch den »part-time sheriff« ersetzt; vgl. Allen/Thompson, Cases and Materials on Constitutional and Administrative Law, 9th ed. 2008, S. 221. Die part-time sheriffs haben nun durch s.11Aff. Sheriffs Courts (Scotland) Act 1971 c.58 eine detaillierte Regelung hinsichtlich ihrer Ernennung, Einsatz und Entlassung erfahren, welche die Ermessensentscheidungen des Lord Advocate weitgehend ausschließen. 1737 Siehe Letts, Natural Justice in Tribunals (UK), in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008, S. 46 (50). 1738 Siehe hierzu Ministry of Justice, Fee Paid Judicial Office Holders, 2010, S. 8, para. 5 ff. 1739 »Misbehaviour, incapacity, persistent failure to comply with sitting requirements (without good reason), failure to comply with training requirements, substained failure to observe the standards reasonably expected from a holder of such office, part of a reduction in numbers because of changes in operational requirements, part of structural change to enable recruitment of new appointees«. Es ist wohl grds. davon auszugehen, dass der Begriff »misbehaviour« genauso zu verstehen ist, wie bereits in Fn. 1723 dargestellt; Ministry of Justice, Fee Paid Judicial Office Holders, 2010, S. 8, para. 5.1 nennt allerdings auch den Fall des Fahrens unter Alkohol- und Drogeneinfluss als Fall von »misbehaviour«.
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stimmter Richter den fraglichen Sachverhalt untersucht hat.1740 Für die in (g)-(h) genannten Gründe gilt ein first in -first out-Prinzip, wobei für das Geltendmachen dieser Gründe durch den Lord Chancellor ebenfalls das Einverständnis des Lord Chief Justice und die Konsultation des Senior President of Tribunals erforderlich ist.1741 Ferner soll – sofern sich dies administrativ bewerkstelligen lässt – für die honorarbezahlten Richter garantiert sein, dass sie eine Mindestanzahl von zu entscheidenden Fällen zugewiesen bekommen.1742 Diese vom Lord Chancellor eingeführte Praxis gilt heute auch für die tribunals1743 und führt zu einem effektiv gleichen Schutz der Amtsstellung von honorarbezahlten und fest angestellten Tribunalsmitgliedern. Allerdings ist diese Handhabung nicht gesetzlich garantiert, sie beruht letztlich auf einer Selbstverpflichtung des Lord Chancellor – eine gewisse Restgefahr für die security of tenure honorarbezahlter Tribunalsmitglieder verbleibt damit auf den ersten Blick.1744 Auf der anderen Seite obliegt dem Lord Chancellor zugleich aber die Aufrechterhaltung der continued judicial independence, in deren Schutzbereich auch die honorarbezahlten Tribunalsmitglieder einbezogen sind. Obgleich damit die konkrete Ausgestaltung der security of tenure für die honorarbezahlten Richter nicht gesetzlich fixiert ist, besteht doch zumindest ein ausdrücklicher gesetzlicher Auftrag für den Lord Chancellor, durch derartige Arrangements sicherzustellen, dass Angst um die eigene Amtsstellung konkrete Entscheidungen von Tribunalsmitgliedern nicht beeinflussen kann. (3) Flexibler Einsatz von fest angestellten Tribunalsmitgliedern Gem. s.94B Constitutional Reform Act 2005 c.4 kann der Lord Chancellor Richter der ordentlichen Gerichte, die eine Festanstellung haben,1745 zugleich auf einen (rangmäßig entsprechenden) Posten berufen, der auf Honorarbasis bezahlt wird.1746 Dies ist ihm möglich, ohne zuvor die JAC einschalten zu müssen, er 1740 Department for Constitutional Affairs, Judicial Appointments in England and Wales, 2005, unter : »Terms of appointment Fee paid judicial office holders«. 1741 Department for Constitutional Affairs, Judicial Appointments in England and Wales, 2005, unter : »Terms of appointment Fee paid judicial office holders«. 1742 Department for Constitutional Affairs, Judicial Appointments in England and Wales, 2005, unter : »Terms of appointment Fee paid judicial office holders«. 1743 Siehe etwa für die honorarbezahlten Mitglieder der SEC die Verlautbarungen des Justizministeriums Ministry of Justice, Fee-paid Medical Member – Terms of Service, 2011, para. 4, S. 1 f. 1744 Die Entscheidung Starrs v. Ruxton (oben, Fn. 1736) lässt den Schluss zu, dass zumindest bei Richtern, die über strafrechtliche Sachverhalte entscheiden, eine »security of tenure« nicht ausreichend ist, wenn sie letztlich vom Wohlwollen der Exekutive abhängt; siehe Starrs v. Ruxton, 2000 JC 208 (238) per Reed LJ. 1745 »Person [who] holds the corresponding qualifying office (or one of them) on a salaried basis«; siehe s.94B(3)(a) Constitutional Reform Act 2005 c.4 bzw. s.53 TCEA 2007 c.15. 1746 »This section makes provision for the appointment to fee-paid judicial offices of those who
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Die personelle Zusammensetzung der tribunals
muss allerdings zuvor den Senior President of Tribunals konsultieren.1747 Außerdem können gem. s.94B(3)(b) Constitutional Reform Act 2005 c.4 auch ehemalige Inhaber eines bestimmten Amtes wieder auf einen honorarentlohnten Posten berufen werden, wenn sie zuvor inhaltlich entsprechend auf Basis einer Festanstellung gearbeitet hatten. Damit wird es möglich, Personen, die in einer Festanstellung bereits Erfahrung gesammelt haben oder aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sind, wieder im Rahmen ihrer vormaligen Tätigkeit einzusetzen.1748 Mit dieser Regelung wird ein flexibler Einsatz fest angestellter Richter der Höchstgerichte in den tribunals ermöglicht, um etwa auf Schwankungen des Arbeitsanfalls reagieren zu können.1749 c)
Transferred-in judges und transferred-in members
Als zwei weitere Gruppen von Tribunalsmitglieder nennt der TCEA 2007 c.15 die transferred-in judges und die transferred-in members.1750 s.31(2) TCEA 2007 c.15 ermächtigt den Lord Chancellor, beim Transfer der Funktionen eines tribunal in das System des TCEA 2007 c.15 auch zur Zuteilung des Personals der Einzeltribunals in die Kammern von FtT und UT. Entsprechend sind bisher alle Mitglieder der Einzeltribunals durch die Transfer-Verordnungen als transferred-in judges oder transferred-in members in das FtT und UT integriert worden.1751 In den entsprechenden Verordnungen hat der Lord Chancellor jeweils das bisherige
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have previously held corresponding salaried appointments.« Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 295. Siehe hierzu Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 295. Allerdings kann diese Reaktivierung eines bereits aus dem Dienst Ausgeschiedenen auf einen bestimmten Posten nur innerhalb einer Frist von 2 Jahren erfolgen (d. h. das entsprechende Tribunalsmitglied muss in den letzten 2 Jahren vor seiner Reaktivierung das sog. »qualifying office« als Festanstellung innegehabt haben). Siehe Current Law – Statutes Annotated, Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007, 2008, S. 15/7. Gem. s.4(1)(b) bzw. s.4(3)(b) TCEA 2007 c.15 sind transferred-in judges bzw. -members Mitglieder des FtT bzw. gem s.5(1)(c) und (2)(b) TCEA 2007 c.15 Mitglieder des UT. Es handelt sich um folgende Vorschriften: r.5 The Transfer of Tribunal Functions Order 2008, SI2008/2833; r.3 The Transfer of Tribunal Functions and Revenue and Customs Order 2009, SI2009/56; r.3 The Transfer of Tribunal Functions (Lands Tribunal and Miscellaneous Amendments) Order 2009, SI 2009/1307; r.3 The Transfer of Functions of the Charity Tribunal Order 2009, SI2009/1834; r.3 The Transfer of Functions of the Consumer Credit Appeals Tribunal Order 2009, SI2009/1835; r.3 The Transfer of Functions (Transport Tribunal and Appeal Panel) Order, SI2009/1885 (diese Verordnung nimmt keinen eigentlichen Transfer der Ämter vor, sondern ordnet an, dass die dort genannten Amtsträger zusätzlich zu ihrem Amt das des transferred-in judge des UT inne haben sollen. Hintergrund ist, dass das Transport Tribunal für einige wenige Aufgaben nach genuin schottischem Recht erhalten bleibt; siehe oben, Fn. 1376); r.3 The Transfer of Functions (Estate Agents Appeals and Additional Scheduled Tribunal) Order 2009, SI2009/ 1836; r.4 The Transfer of Tribunal Functions Order 2010, SI2010/22; r.3 The Transfer of Functions of the Asylum and Immigration Tribunal Order, SI2010/21.
Die verschiedenen Arten von Tribunalsmitgliedern
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Amt in dem transferierten tribunal einem entsprechenden Amt (also als judge oder als other member) innerhalb der neuen Struktur zugeordnet. Dabei ist eine Zuweisung der bisherigen Ämter teilweise sowohl an das FtT oder das UT als auch an beide gleichzeitig erfolgt.1752 Zu Beginn des Reformprozesses waren damit alle Tribunalsmitglieder zugleich transferred-in judges oder transferredin members; mit dem Nachrücken neu eingestellter, gleichsam »originärer« Tribunalsmitglieder wird diese Kategorisierung irgendwann überflüssig sein. d)
Tribunalsmitglieder kraft Amtes
Eine weitere Gruppe von Tribunalsrichtern sind diejenigen, die bereits kraft ihrer Inhaberschaft eines anderen Amtes in den Spruchkörpern der tribunals eingesetzt werden können. Gem. s.6 TCEA 2007 c.15 sind alle Richter der ordentlichen Gerichte – zumindest solange sie diesen Posten nicht nur vorübergehend oder als Stellvertreter innehaben1753– zugleich auch Richter des UT und damit nach s.4(1)(c) TCEA 2007 c.15 auch Richter des FtT.1754 Das schließt damit Richter aller Gerichtsebenen der ordentlichen Gerichtsbarkeit ein, angefangen von den district judges1755 in den Magistrates’ Courts und den county courts, über circuit judges1756 und puisne judges des High Court1757 bis hin zu den Richtern des CoA.1758 Des Weiteren sind von dieser generellen Einbeziehung nicht nur Richter aus England und Wales erfasst, sondern auch deren jeweilige Äquivalente in Nord Irland (Lord Justice of Appeal,1759 puisne judge of the High Court oder county court judge in Northern Ireland) und Schottland (Judge of the Court of Session,1760 sheriff1761). Mit dieser Vorschrift soll sichergestellt werden, dass die 1752 The Transfer of Tribunal Functions Order 2008, SI2008/2833 etwa nennt in sch.2 tab.1 und 2 zunächst jene Ämter, die mit dem Transfer der bisherigen Einzeltribunale in das FtTund in den Tab. 4 und 5 jene, die in das UT übertragen wurden. In Tab. 3 sind dann solche Amtsträger genannt, die zugleich als judges in das FtT und als stellvertretende Richter (»deputy judges«) auch ins UT transferiert werden. Als stellvertretende Richter sind sie damit »judges of the Upper Tribunal« i. S.v. s.5(1)(h) TCEA 2007 c.15. Da diese ausdrücklich als vollwertige Mitglieder dem FtT, dem UT zugleich aber nur als Stellvertreter zugewiesen sind, werden sie wohl vor allem im FtT eingesetzt werden und im UT nur gelegentlich. Das gleiche gilt, wie gezeigt, auch etwa für die Mitglieder des Charities Tribunal (siehe oben, bei Fn. 1357), die auf das FtT und UT aufgeteilt worden sind. 1753 S.6(2) TCEA 2007 c.15. 1754 McKee, JIANL 2007, 21(1), 14 (20). 1755 Siehe zu diesen bereits oben, bei Fn. 1718. 1756 Siehe zu diesen bereits oben, Fn. 1717. 1757 Siehe zu diseen bereits oben, Fn. 244. 1758 S.6(2)(a)–(i) TCEA 2007 c.15. 1759 Einem Richter des Court of Appeal (Northern Ireland), dem höchsten eigenen Gericht Nordirlands, gegen dessen Entscheidungen der Supreme Court angerufen werden kann. 1760 Gemeint sind sowohl Richter des Inner House als auch des Outer House des Court of Session; siehe zum Court of Session im Einzelnen auch unten, VIII.C.3.a)(2), S. 510.
344
Die personelle Zusammensetzung der tribunals
tribunals für ihre Arbeit stets auf einen hinreichend großen Pool juristischen Sachverstands zurückgreifen können.1762 Der Einsatz dieser Richter regelt sich nach sch.2 para.6 TCEA 2007 c.15. Diese – etwas missverständlich gefasste Vorschrift1763 – macht den Einsatz der Richter kraft Amtes in den tribunals zur Ermessenssache des Senior President, der allerdings für seine Entscheidung jeweils der Zustimmung durch den Lord Chief Justice bedarf.1764 Auch nichtjuristische Tribunalsmitglieder können kraft eines anderweitigen Amtes in den tribunals eingesetzt werden: So sind gem. s.5(2) TCEA 2007 c.15 etwa die Mitglieder des Employment Appeal Tribunal1765 gleichzeitig auch Mitglieder des UT – und damit zugleich auch Mitglied des FtT.1766
B.
Auswahl und Einstellung neuer Tribunalsmitglieder und Richter durch die Judicial Appointments Commission (JAC)
Grundlegend neu geschaffen wurden auch die Verfahren zur Einstellung neuer Tribunalsmitglieder. Dies geschieht nun für alle tribunals zentral über die Judicial Appointments Commission (im Folgenden: JAC), die für Ausschreibung und Besetzung der allermeisten Stellen im britischen Justizwesen zuständig ist. Die JAC wurde durch den Constitutional Reform Act 2005 c.4 eingeführt.1767 1761 Die hier gemeinten sheriffs sind Richter am Sheriff Court, einem zweitinstanzlichem Gericht, welches sich sowohl mit Straf- als auch Zivilsachen befasst und jeweils für ein »sheriffdom« zuständig ist; siehe Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 19 ff. 1762 Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 54. 1763 Dadurch, dass in sch. 2 para. 6 von »judges on request« die Rede ist, erweckt die Bestimmung den Eindruck, als könnte durch den Senior President of Tribunals jede Person als tribunal judge ernannt werden. Es ergibt sich aus den Explanatory Notes zum TCEA 2007 c.15 jedoch, dass hier nur der Einsatz jener Richter innerhalb der tribunals geregelt werden soll, die kraft Amtes bereits Richter des UT und damit zugleich des FtT sind; siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 61. 1764 Carnwath, Tribunals Justice, in: Forsyth (Hrsg.), Effective Judicial Review 2010, S. 146. Außerdem Richter kraft Amtes im FtT ist der »adjudicator« für »criminal injuries compensation«-Fälle in Schottland für entsprechende Verfahren, die in Schottland eröffnet wurden (siehe s.4(2) TCEA 2007 c.15. Der adjudicator wird gem. s.5(1) Criminal Injuries Compensation Act 1995 c.53 vom zuständigen schottischen Minister ernannt; zu diesem Rechtsbereich siehe schon oben, V.B.1.b), S. 247). Das gleiche trifft zu auf die in ss.5(1)(e) und (f) TCEA 2007 c.15 genannten Social Security Commissioners (ernannt nach s.50(1) Social Security Administration (Northern Ireland) Act 1992 c.8) und den Chief Social Security Commissioner für Nordirland und deren Stellvertreter. 1765 Ernannt nach s.22(1)(c) Employment Tribunals Act 1996 c.17; zum Employment Appeal Tribunal siehe bereits oben, I.D.3., S. 59, Fn. 101. 1766 S.4(3)(c) TCEA 2007 c.15. 1767 Part 4 und sch. 12 – 14 Constitutional Reform Act 2005 c.4.
Auswahl und Einstellung neuer Tribunalsmitglieder und Richter
345
Dort sind jene Ämter genannt, die durch die JAC besetzt werden;1768 die Stellen von Tribunalsmitgliedern bilden dabei die größte Gruppe.1769 Die Einführung der JAC sollte die bisherigen Einstellungsverfahren für Richter transparenter und gerechter machen; bis dahin hatte der Lord Chancellor nämlich insb. auf die Personalauswahl der Obergerichte einen enormen und weitgehend unregulierten Einfluss.1770 Mit deren zunehmendem Gewicht im Rahmen der Kontrolle exekutiver Entscheidungen im Wege des JR wurde jedoch gerade dieser direkte Einfluss des Lord Chancellor auf die Zusammensetzung der Richterschaft für problematisch gehalten, war dieser doch auch und vor allem als Minister Teil der Exekutive (und außerdem als Speaker des House of Lords auch Teil des Parlaments).1771 1768 S.85 i. V. m. sch.14 Constitutional Reform Act 2005 c.4. Dies sind im Grunde sämtliche Richter der ordentlichen Gerichte ober- (s. 85) und unterhalb (sch. 14 Constitutional Reform Act 2005 c.4) des High Court einschließlich aller Tribunalsmitglieder des FtT und des UT. Ausgenommen sind allerdings die Friedensrichter : Zwar sind diese in sch. 14 Part 2 Constitutional Reform Act 2005 c.4 genannt, allerdings ist diese Bestimmung bisher nicht in Kraft getreten und wird wohl auch demnächst widerrufen; siehe Ministry of Justice, Memorandum to the Justice Select Committee (Cm.7814), 2010 S. 11, para. 23. Die Magistrates werden stattdessen von lokalen Gremien ausgesucht, den sog. Local Advisory Committees on Justices of the Peace. Auch die Richter des Supreme Court werden nicht durch sie bestimmt, sondern durch eine eigene Kommission, die nur zu diesem Zweck einberufen wird; siehe s.26 ff. Constitutional Reform Act 2005 c.4. 1769 Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 14 – 043. 1770 Generell zu den umfangreichen Reformen dieses Bereiches siehe etwa Partington, Introduction to the English Legal System, 4th ed. 2008, S. 82 ff. Die Einführung der Judicial Appointments Commission war eine Reaktion der Regierung auf die schon seit Jahren andauernde Kritik an Ernennungsprozessen und ein zentraler Punkt des Constitutional Reform Act 2005 c.4. Vor der Einführung der JAC bestand ein weitgehend informelles und völlig intransparentes System geheimer Absprachen zwischen hochrangigen Richtern, die sich gewissermaßen selbst geeignete Kandidaten aussuchen konnten; siehe zum alten System der Auswahl von Richtern statt aller Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 14 – 047 ff. sowie Lord Chancellor’s Department, Governance of Britain – Judicial Appointments, 2007, para. 3.3. 1771 »Where once there had been a general consensus that the Lord Chancellor’s three roles as member of cabinet, head of the judiciary and speaker of the House of Lords enhanced the functioning of the political system and strengthened judicial independence, they increasingly came to be regarded as a potential source of abuse of executive power. » House of Commons (Constitution), Constitution – Sixth Report, 2007, S. 60 f. m. w. N.; Allen/ Thompson, Cases and Materials on Constitutional and Administrative Law, 9th ed. 2008, S. 219. Die Reform der Rolle des Lord Chancellor war ein umfassender Schritt, der die historisch gewachsene Rolle dieses Amtes grundlegend veränderte, wenngleich die verschiedenen Funktionen dieses Amtes zuletzt nur noch symbolischer Natur waren: Die richterliche Aufgabe des Lord Chancellor war etwa, dass er rein nominell bis zum Constitutional Reform Act 2005 c.4 Vorsitzender der Chancery Chamber des High Court – als Nachfolger des Court of Chancery (hierzu bereits oben, Fn. 265) – war. Zudem war er Präsident des Supreme Court (also der heutigen Senior Courts i. S. d. Senior Courts Act 1981 c.54), er war zugleich oberster Richter und konnte theoretisch auch an Sitzungen des Judicial Committee des HoL aktiv teilnehmen. Zudem stand er der gesamten englischen
346
Die personelle Zusammensetzung der tribunals
Bei den tribunals war es hingegen bis in die 50er Jahre regelmäßig so, dass der Vorsitzende und die Beisitzer der tribunals vom jeweiligen Fachminister ernannt wurden.1772 Später wurde zum Teil in der Praxis dazu übergegangen, durch den Lord Chancellor eine Liste mit Vorschlägen für die Ernennung von Tribunalsmitgliedern zusammenstellen zu lassen, aus der der jeweilige Fachminister dann die entsprechenden Kandidaten auswählen konnte.1773
1.
Hintergrund der Schaffung der Judicial Appointments Commission
Vor Einführung der JAC war die Benennung von Richtern also Aufgabe des Lord Chancellor, wobei ihn das Department for Constitutional Affairs unterstützte.1774 Hinsichtlich der höheren Instanzen – also etwa den Lords Justice of Appeal1775, Lords of Appeal in Ordinary1776 und den jeweiligen Vorsitzenden der Senior Courts1777 – geschah die Ernennung durch die Königin auf Vorschlag des Lord Chancellor nach Beratung mit dem Premierminister, eine verfassungsrechtliche Übung, die sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen lässt.1778 Traditionell fand die Ermittlung des geeigneten Kandidaten meist in geheimen, informellen Gesprächen zwischen dem Lord Chancellor, den höheren
1772 1773 1774 1775 1776 1777 1778
Richterschaft vor. Praktisch allerdings war keine dieser Rollen von großer Bedeutung: Den Vorsitz der Chancery Chamber des High Court etwa nahm der Vizepräsident wahr. An Sitzungen des Judicial Committtee des HoL oder des Privy Council haben vergangene Lord Chancellor nur extrem selten teilgenommen. Praktisch wichtig war allenfalls die Rolle als Vorsteher der Richterschaft, da ihm eben dies die Position verlieh, Richter zu ernennen. Neben diesen richterlichen Rollen war der Lord Chancellor auch Kabinettsmitglied und nahm die Aufgaben eines Justizministers wahr ; zugleich war er aber auch Sprecher des britischen Oberhauses. Diese Rollen sind nun auf verschiedene neue Posten aufgeteilt worden: Der Lord Chancellor ist nicht mehr oberster Richter, steht nicht mehr der Richterschaft vor – diese Rolle hat nun der Lord Chief Justice (dazu siehe schon oben, bei Fn. 254). Zudem ist er nicht mehr Sprecher des Oberhauses – diese Rolle nimmt nun der »Lord Speaker« ein. Heute ist das Amt des Lord Chancellor damit auf das eines Justizministers reduziert; siehe zum Ganzen Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 151. Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 274. Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 274. Ministry of Justice, Explanatory Notes Constitutional Reform Act 2005 c.4, para. 215. Dies sind die Richter des Court of Appeal of England and Wales; siehe Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 14 – 029. Hierbei handelt es sich um die heutigen Richter des Supreme Court; siehe s.24(a) Constitutional Reform Act 2005 c.4 Bzw. des Supreme Court, wie die Gesamtheit der Obergerichte bis dahin noch genannt wurde, s.59(1) 2005 Constitutional Reform Act c.4. Underhill, Lord Chancellor, 1978, S. 143; Fairbairn/Broadbrigde, The Constitutional Reform Bill, 2005, S. 47.
Auswahl und Einstellung neuer Tribunalsmitglieder und Richter
347
Richtern und hochrangigen Vertretern der juristischen Berufe statt.1779 Zum Teil wurde deshalb befürchtet, das System an sich führe bereits zu einer Perpetuierung der Zusammensetzung der Richterschaft und zu fehlender Diversität.1780 Im Rahmen der umfassenden Reformen der Richterschaft durch den Constitutional Reform Act 2005 c.4 wurden daher auch die bestehenden Verfahrensweisen zur Ernennung neuer Richter von der Regierung als ungeeignet angesehen, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen und auch nur schwerlich vereinbar mit den Anforderungen der EMRK.1781 Außerdem nahm der Bereich der Richterernennungen die Ressourcen des Lord Chancellor über Gebühr in Anspruch1782 – insbesondere sollte durch die Reform der Richterauswahl aber auch die Unabhängigkeit der Richterschaft von der Exekutive deutlich sichtbar bekräftigt werden, was gerade aufgrund der verstärkten Rolle der Gerichte als Überprüfungsinstanz von Entscheidungen der Exekutive, die sich durch die neuen Kompetenzen der höheren Gerichte aus dem Human Rights Act 1998 c.42 nochmals verstärkt hatte, für dringend notwendig angesehen wurde.1783 Durch den Constitutional Reform Act 2005 sollten deshalb schon jegliche Zweifel – ob nun begründet oder unbegründet – an der Fähigkeit des Systems, unabhängige Richter auszuwählen und somit unabhängige Gerichte zusammenzustellen, beseitigt werden.1784
1779 Barnett, Constitutional and Administrative Law, 7th ed. 2009, S. 78; Turpin/Tomkins, British Government and the Constitution, 6th ed. 2007, S. 121. 1780 Es wurde befürchtet, das System könne sich diskriminierend auswirken »in favour of those who fit the present mould of the existing judiciary« Turpin/Tomkins, British Government and the Constitution, 6th ed. 2007, S. 121. Die tatsächliche Gefahr einer politisch motivierten Einflussnahme auf die Auswahl der Richter durch den Lord Chancellor hingegen bestand faktisch trotz dessen enger Verflechtung mit der Exekutive wohl nicht; siehe Turpin/Tomkins, British Government and the Constitution, 6th ed. 2007, S. 121. 1781 »[M]any of the most fundamental features of the system, including the role of the Lord Chancellor, remain rooted in the past. […] However well this has worked in practice, this system no longer commands public confidence, and is increasingly hard to reconcile with the demands of the Human Rights Act.« Department for Constitutional Affairs, Constitutional Reform: a new way of appointing judges (CP10/03), 2003, para. 18 f. 1782 Department for Constitutional Affairs, Constitutional Reform: a new way of appointing judges (CP10/03), 2003, para. 20. 1783 Department for Constitutional Affairs, Constitutional Reform: a new way of appointing judges (CP10/03), 2003, para. 22. 1784 Department for Constitutional Affairs, Constitutional Reform: a new way of appointing judges (CP10/03), 2003, para. 24.
348 2.
Die personelle Zusammensetzung der tribunals
Besetzung der Judicial Appointments Commission und das Auswahlverfahren
Die JAC in ihrer heutigen Form besteht aus insgesamt 15 Mitgliedern einschließlich ihrem Vorsitzenden, die von der Königin auf Vorschlag des Lord Chancellor ernannt werden.1785 Sie besteht dabei ihrerseits aus zwei professional members1786, fünf judicial members1787, fünf lay members1788, einem lay justice member1789 und auch einem tribunal member1790. Der Vorsitzende muss der Gruppe der lay members angehören.1791 Die judicial members werden für ihre Ernennung durch den Lord Chancellor vom Judges’ Council1792 ausgesucht, die
1785 Sch.12 para.1 Constitutional Reform Act 2005 c.4. 1786 Als solche müssen ein praktizierender barrister und – sofern er zu den höheren Gerichten zugelassen ist – auch ein solicitor benannt werden, der in England und Wales zugelassen ist; siehe sch.12 para.2(4) bzw. para.4(2) Constitutional Reform Act 2005 c.4. 1787 Deren fünf Posten rekrutieren sich dabei gem. sch.12 para.2(3) Constitutional Reform Act 2005 c.4 aus den verschiedenen Instanzen der Gerichte, also einem (oder zwei) Richtern des CoA, einem (oder zwei) Richtern des High Court, einem circuit judge und einem district judge des county court oder einem District Judge (Magistrates’ Courts) (zu letzteren schon oben, Fn. 291). Ebenfalls unter diese Kategorie fallen solche Personen, die nach s.89 Senior Courts Act 1981 c.54 ernannt wurden. Darunter sind etwa der »Chief Taxing Master«, der oberste der Kostenrichter (»cost judge«), welche in den ordentlichen Gerichten über die Höhe der Verfahrenskosten entscheiden, oder der »Chief Bankruptcy Registrar«, der oberste Konkursrichter. 1788 »Lay member« nach dem Constitutional Reform Act 2005 c.4 kann dabei jede Person sein, die in England oder Wales wohnt und die niemals einen juristischen Beruf ausgeübt hat oder Richter war; siehe sch.12 para. 4(3) Constitutional Reform Act 2005 c.4. 1789 Dies sind gem. sch.12 para.4(4) Friedensrichter, die kein anderes richterliches Amt innehaben dürfen und auch nicht gleichzeitig in einem juristischen Beruf tätig sind. 1790 Siehe Explanatory Notes Constitutional Reform Act 2005 c.4, para. 218. Das Gesetz selbst verwendet dabei nicht den Begriff »tribunal member«, sondern verweist in sch.12 para. 2 (2)(d) nur auf die Träger der in sch.14 Part 3 Constitutional Reform Act 2005 c.4 genannten Ämter ; dort sind wiederum die einzelnen tribunals bzw. deren judges und members genannt. 1791 Sch.12 para.2(1) Constitutional Reform Act 2005 c.4. Zudem darf kein Commissioner je als civil servant tätig gewesen sein; siehe sch.12 para.3 Constitutional Reform Act 2005 c.4. 1792 Der »Judges’ Council« ist das zentrale Repräsentationsorgan der Richterschaft in England einschließlich der Tribunalsmitglieder. Gegründet wurde dieses Organ durch den Judicature Act 1873 c.66; 1981 jedoch wurde durch den Supreme Court Act 1981 c.54 diesem Gremium die gesetzliche Grundlage entzogen, 1988 wurde es durch die Richterschaft selbst neu gegründet und 2002 gab sich dieser neue Judges’ Council eine eigene Verfassung. Seine Aufgabe ist heute die Vertretung der Interessen und Standpunkte der Richterschaft gegenüber der Exekutive sowie die Erarbeitung von Verhaltenskodizes. Sein Einfluss ist dabei von nicht zu unterschätzendem Gewicht, so hatte er etwa maßgeblichen Einfluss auf den Constitutional Reform Act 2005 c.4; siehe zum Ganzen Thomas, PL 2005, Aut., 608 (608 ff.).
Auswahl und Einstellung neuer Tribunalsmitglieder und Richter
349
anderen durch ein panel mit vier Personen, welches wiederum der Lord Chancellor zusammenstellt.1793 Die eigentlichen Auswahlverfahren durch die JAC regeln die s.63 ff. Constitutional Reform Act 2005 c.4.1794 Diese Auswahlverfahren sind dabei allesamt in groben Zügen vergleichbar und wie folgt ausgestaltet: Der Lord Chancellor, der in seiner Rolle als Justizminister grds. eine Pflicht zur Besetzung von Stellen hat, stellt eine Anfrage an die JAC, Vorschläge zur Besetzung von Stellen zu machen, wobei er bei der Besetzung von Richterstellen bei den höheren Gerichten zuvor den Lord Chief Justice konsultieren muss.1795 Die JAC führt daraufhin das Auswahlverfahren durch, welches sie inhaltlich selbst ausgestalten kann, bei dem sie aber ihrerseits den Lord Chief Justice sowie eine weitere Person konsultieren muss, welche rangmäßig zuvor den zu besetzenden Posten inne hatte.1796 Es wird dabei immer nur eine Person für jede Stelle durch die JAC ausgewählt.1797 Der Lord Chancellor kann dann auf den Vorschlag der JAC wie folgt reagieren:1798 Er kann ihn förmlich ernennen oder aber zur Ernennung durch die Königin vorschlagen, er kann den Vorschlag aber auch zurückweisen und die JAC bitten, ihren Vorschlag noch einmal zu überdenken. Diese Möglichkeiten hat der Lord Chancellor allerdings nur einmal – wird dann wieder der gleiche Kandidat vorgeschlagen, muss die Ernennung dieses Kandidaten erfolgen.1799 In allen Verfahren ist das Kriterium für die Auswahl durch die JAC die Leistung des Kandidaten;1800 hinzukommen muss, dass die JAC davon überzeugt ist, dass der Kandidat einen guten Charakter hat.1801 Eine Beteiligung der Exekutive an diesem Verfahren – abgesehen von der des 1793 Sch.12 para.7(2) bzw. 8 Constitutional Reform Act 20056 c.44. Den Vorsitzenden dieses »panel« wiederum bestimmt der Lord Chancellor zusammen mit dem Lord Chief Justice. 1794 Dabei wird differenziert nach der jeweiligen Gerichtsinstanz, für die die Person gewählt werden soll: Die Wahlverfahren der höchstrangigen Richter – Lord Chief Justice, Master of the Rolls (zu diesem schon oben, Fn. 242), President of the Queen’s Bench Division, President of the Family Division und Chancellor of the High Court (siehe oben, Fn. 249) – regelt s.67 Constitutional Reform Act 2005 c.4. Das der Lord Justices of Appeal regeln s.76 ff.; und s.85 ff. Constitutional Reform Act 2005 c.4 schließlich regeln die Auswahlverfahren für die High Court-Richter und alle anderen Gruppen einschließlich der Tribunalsmitglieder. 1795 S.87 Constitutional Reform Act 2005 c.4; die Bestimmungen gelten vor allem für die puisne judges sowie die in sch.14 genannten Richterämter, was auch district judges und Recorders umfasst. 1796 S.88 Constitutional Reform Act 2005 c.4; die Gestaltungsfreiheit der JAC für ihr eigenes Verfahren ergibt sich aus sch.12 para.21 Constitutional Reform Act 2005 c.4. 1797 S.88(4) Constitutional Reform Act 2005 c.4. 1798 Siehe s.90(2) Constitutional Reform Act 2005 c.4. 1799 Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 14 – 043. 1800 S.63(2) Constitutional Reform Act 2005 c.4. 1801 »A person must not be selected unless the selecting body is satisfied that he is of good character.« S.63(3) Constitutional Reform Act 2005 c.4.
350
Die personelle Zusammensetzung der tribunals
Lord Chancellor – findet damit auch für die Wahl von Tribunalsmitgliedern nicht mehr statt. Da dem Lord Chancellor zum einen die Pflicht zur Aufrechterhaltung der continued judicial independence obliegt und er zugleich in diesem Prozess nicht das letzte Wort hat, ist die Möglichkeit, dass Tribunalsmitglieder in irgendeiner Weise beeinflusst durch ein Fachministerium ausgewählt werden könnten, wohl vollständig ausgeschlossen.
C.
Die Verteilung der Tribunalsmitglieder auf die Kammern und die Bildung der Spruchkörper
Nachdem dargestellt wurde, welche verschiedenen Merkmale Tribunalsmitglieder qualifizieren, soll nun auf die konkrete Allokation der Tribunalsmitglieder auf die einzelnen Kammern der tribunals und auf die aus diesen jeweils neu zu formenden Spruchkörper eingegangen werden. Die Verteilung der Tribunalsmitglieder der bisherigen Einzeltribunals (also der transferred-in judges und transferred-in members) auf die verschiedenen Kammern der neu geschaffenen tribunals ergibt sich letztlich aus den Vorschriften, die auch den Transfer der jeweiligen Zuständigkeiten der Einzeltribunals in die Kammern von FtT und UT bewirkt haben, wie er bereits oben geschildert wurde.1802 Innerhalb der Struktur des TCEA 2007 c.15 ist der konkrete Einsatz der Tribunalsmitglieder eine richterliche Aufgabe, deshalb obliegt sie grds. dem Senior President in Abstimmung mit den jeweiligen Kammerpräsidenten.1803 Grundsätzlich richtet sich die Zuweisung eines Tribunalsmitgliedes an eine Kammer bzw. innerhalb einer Kammer auf einen Sachbereich nach jenen Gebieten, für die das entsprechende Mitglied bisher zuständig war und in denen es entsprechende Kenntnisse hat. War es allerdings schon vor dem Transfer Mitglied in mehreren anderen tribunals1804 oder sind die besonderen Kenntnisse, die es hat, für die Tätigkeit von mehreren Kammern des FtT bzw. UT nutzbar, wird das Mitglied auch zum Einsatz in weiteren Kammern berufen.1805
1802 Siehe oben, V., S. 239ff. 1803 »The deployment of judges is a judicial matter«, Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07), 2007, para. 157. 1804 Auch schon vor der Schaffung des TCEA 2007 c.15 war es nicht unüblich, als Mitglied in mehrere tribunals unterschiedlicher Sachbereiche berufen zu werden: So konnte schon das White Paper feststellen, dass etwa 20 % aller Tribunalsmitglieder bereits Aufgaben in mehreren tribunals wahrnahmen; siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 6.52, S. 32. 1805 Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07), 2007, para. 158.
Die Verteilung der Tribunalsmitglieder auf die Kammern
1.
351
Flexibilität des Personaleinsatzes – (assignment und ticketing)
Ein wesentliches Ziel der Reformen war es, durch die Zusammenlegung der tribunals den flexibleren Einsatz des vorhandenen Personalbestands zu ermöglichen.1806 Deshalb ist für die Tribunalsmitglieder ein Transfer sowohl zwischen den Kammern als auch innerhalb der Kammern zwischen den einzelnen, von diesen behandelten Sachbereichen möglich.1807 Die Zuweisung eines Tribunalsmitglieds auf eine Kammer wird als assignment bezeichnet.1808 Grundlegende Regelungen hierzu finden sich in sch.4 Part 2 TCEA 2007 c.15: Die Aufgabe des assignment fällt dem Senior President zu.1809 Er kann jeden non-legal member und jeden judge einer Kammer zuweisen, wobei der Betreffende der Versetzung zustimmen muss und – ist er bereits einer Kammer zugewiesen – auch der jeweilige Chamber President der Kammer, an die der Transfer erfolgen soll.1810 Wie der Senior President mit dieser Aufgabe verfährt, hat er in einem policy statement bekannt zu machen,1811 was vor allem regelt, welche Ziele der Senior President mit seiner Zuweisungspolitik verfolgt.1812 Dabei ist hinsichtlich der Zuweisungen in die und zwischen den Kammern des FtT deren jeweiliges (tatsächliches oder antizipiertes) Arbeitsaufkommen ausschlaggebend,1813 im UT hingegen, dass hinreichendes Expertenwissen in jeder Kammer zur Verfügung steht.1814 Weitere Ziele der assign-
1806 Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 5.21. 1807 Vereinzelte Bedenken, dass durch einen derartig flexiblen Personaleinsatz zugleich auch die Spezialisierungen der Mitglieder verloren gingen, ließ der Gesetzgeber offenbar unbeachtet: Von 9 Teilnehmern am Konsultationsprozess zur Umsetzung des Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007 c.15 wurden diese Bedenken vorgetragen; siehe Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07 – Response), 2008, S. 9. 1808 Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07), 2007, para. 162. 1809 Siehe sch.4 para.9 TCEA 2007 c.15. 1810 Sch.4 Part.2 para.11(3). Diese ist dann nicht erforderlich, wenn der Zuzuweisende noch keiner Kammer zugeteilt ist, weil er neu eingestellt wird oder wenn es sich um einen High Court Judge handelt. 1811 Sch.4 para.13(1)(a) TCEA 2007 c.15. 1812 Nicht aber das genaue Verfahren der Zuweisung, welches separat veröffentlicht wird; siehe Senior President of Tribunals, Assignment – The Senior President’s Assignment Policy, 2009, para. 24. 1813 Senior President of Tribunals, Assignment – The Senior President’s Assignment Policy, 2009, para. 17 f. 1814 So werden etwa die Special Commissioners mit ihrem Expertenwissen für Steuerrecht nicht nur der Tax Chamber des UT zugewiesen, sondern auch der AAC, damit deren Expertenwissen auch für JR-Fälle auf dem Gebiet des Steuerrechts genutzt werden kann; siehe Senior President of Tribunals, Assignment – The Senior President’s Assignment Policy, 2009, para. 10.
352
Die personelle Zusammensetzung der tribunals
ment-Politik sind, den Erfahrungsschatz und die Fähigkeiten der jeweiligen judges kontinuierlich zu erweitern.1815 Wie bereits gezeigt, können innerhalb der Tribunalkammern sehr heterogene Sachbereiche zusammengefasst sein, die – etwa im Fall der HESCC – nicht nur unterschiedliche Rechts- sondern auch unterschiedliche Sachkenntnisse erfordern. Um das dadurch entstehende Spannungsverhältnis zwischen flexiblem Einsatz der Tribunalsmitglieder bei gleichzeitiger Sicherstellung des jeweils erforderlichen Expertenwissens der Spruchkörper zu lösen, wurde das System des sog. ticketing bzw. cross-ticketing eingeführt, welches den Einsatz der Tribunalsmitglieder in den unterschiedlichen, von einer Kammer zu bearbeitenden Sachmaterien ermöglicht. Danach erhalten Tribunalsmitglieder von dem jeweils für sie zuständigen Chamber President ein ticket, welches bestätigt, dass sie nicht nur für das Sachgebiet eingesetzt werden können, für das sie ursprünglich zugeteilt wurden, sondern auch in den anderen Sachbereichen, deren Bearbeitung der Tribunalkammer obliegen; dadurch soll auf eine schwankende Arbeitsbelastung in den einzelnen Sachbereichen reagiert werden können.1816 Ein ticket wird allerdings erst dann gewährt, wenn Fortbildungen in dem betreffenden Sachgebiet besucht worden sind.1817 Durch das so möglich werdende, kontinuierliche Sammeln von tickets soll sich die Einsetzbarkeit der Tribunalsmitglieder insgesamt verbessern und so ihre Tätigkeit innerhalb der Kammern effizienter gesteuert werden können.1818
2.
Die Bildung des jeweiligen Spruchkörpers
Die Zusammensetzung des jeweils entscheidenden Spruchkörpers in den einzelnen Kammern folgt keinem einheitlichen Schema, sondern bestimmt sich abhängig von der konkret zu treffenden Entscheidung; die Regelungen, welche die jeweilige Zusammensetzung eines tribunal bestimmen, sind deshalb zahl1815 Senior President of Tribunals, Assignment – The Senior President’s Assignment Policy, 2009, para. 19 und 14, wobei dies für die non-legal members nur in begrenztem Maße gilt, weil hier die individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse und deren Nützlichkeit für die Tätigkeit der jeweiligen Kammern besonders zu berücksichtigen sind (para. 22). 1816 Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07), 2007, para. 161. 1817 Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07), 2007, para. 161. 1818 Ministry of Justice, Transforming Tribunals (CP30/07), 2007, para. 161: »There will be some jurisdictions which generate relatively few cases and where it will be necessary for cases to be dealt with by a relatively limited number of judges and members. But as Chambers will group similar subject matter and skills together there is an expectation that, over time, judges and members will increase the number of ›tickets‹ they hold, widening the pool of expertise within their Chambers.«
Die Verteilung der Tribunalsmitglieder auf die Kammern
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reich, z. T. sehr detailliert und in ihrem Zusammenspiel kompliziert. Sie umzusetzen obliegt grds. dem Senior President – in der Praxis nehmen die Aufgabe allerdings andere wahr,1819 nämlich die jeweiligen Kammerpräsidenten1820 bzw. die wiederum von diesen ernannten Vertreter und damit praktisch das Verwaltungspersonal der tribunals im HMCTS.1821 Der Lord Chancellor hat – gestützt auf seine allgemeine Befugnis nach ss.145 (1) und 49(1) TCEA 2007 c.151822 – eine Regelung erlassen, nach der der Senior President die rein zahlenmäßige Zusammensetzung der jeweiligen Spruchkörper festsetzen kann. Nach dieser Verordnung1823, die hier der Einfachheit halber als »Composition Order« bezeichnet wird, bestimmt der Senior President, wie viele Mitglieder ein Spruchkörper hat, wie viele davon judges und wie viele nonlegal members sind und wer Vorsitzender des Spruchkörpers ist.1824 Wie der Senior President von dieser Gestaltungsmöglichkeit im Einzelnen Gebrauch macht, hat er in mehreren practice statements1825 niedergelegt, die kammerspezifische, teilweise aber auch sachbereichsspezifische oder sogar von der konkreten Verfahrenssituation abhängige Regelungen für die Bildung der Spruchkörper treffen. Es bestehen damit jeweils Regelungen für die Zusammensetzung – der AAC (im Folgenden: AAC-PS),1826 – der UTLC (im Folgenden: UTLC-PS),1827 – der TC zusammen geregelt mit der Zusammensetzung der TCC (im Folgenden: TC/TCC-PS),1828 1819 Die Kompetenz zur Übertragung der Aufgaben des Senior President auf andere Tribunalsmitglieder ergibt sich aus s.8 TCEA 2007 c.15 und ist nur dahingehend begrenzt, die Aufgaben bisheriger Einzeltribunals auf eine Kammer von FtT oder UT zu übertragen; siehe s.8(2) TCEA 2007 c.15; siehe auch Current Law – Statutes Annotated, Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007, 2008, s.15/8 – 9. 1820 Der Senior President hat all seine Funktionen und Kompetenzen, die für die Aufrechterhaltung des Alltagsbetriebs der tribunals erforderlich sind, den jeweiligen Kammerpräsidenten übertragen, die diese in seinem Namen ausüben; siehe Ministry of Justice, The Senior President of Tribunals’ Annual Report 2010, 2010, para. 24, S. 19. 1821 Die Möglichkeit der Kammerpräsidenten, ihrerseits Aufgaben auf Tribunalsmitglieder oder Verwaltungspersonal des Tribunals Service bzw. des HMCTS zu übertragen, ergibt sich aus sch.4 para.4(1) TCEA 2007 c.15. Zudem ergeben sich aus den Verfahrensregeln der einzelnen Kammern noch Möglichkeiten zur Übertragung von Aufgaben der Tribunalsmitglieder auf das Verwaltungspersonal; dazu siehe unten, VII.B.1., S. 368. 1822 In Abstimmung mit dem Senior President of Tribunals entsprechend s.15(8) TCEA 2007 c.15 und mit Billigung des Parlaments gem. s.49(5) TCEA 2007 c.15. 1823 The First-tier Tribunal and Upper Tribunal (Composition of Tribunal) Order 2008, SI 2008/2835. 1824 R.6 – 8 Composition Order, SI2008/2835. 1825 Zu diesen siehe noch unten, bei Fn. 1885 sowie sogleich. 1826 Senior President of Tribunals, AAC-PS, 2010. 1827 Senior President of Tribunals, UTLC-PS, 2009. 1828 Senior President of Tribunals, TC/TCC-PS, 2009.
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Die personelle Zusammensetzung der tribunals
– sowie eine gemeinschaftliche Regelung für die IAC-FtT und IAC-UT (im Folgenden: IAC-FtT/IAC-UT-PS),1829 – der HESCC (im Folgenden: HESCC-PS),1830 – der WPAFCC (im Folgenden: WPAFCC-PS),1831 – der GRC (im Folgenden: GRC-PS),1832 – sowie in drei separaten Regelungen für die SEC, nämlich eine gesondert für Fälle des asylum support1833 (im Folgenden: SEC-AsylSupp-PS),1834 für den Bereich der criminal injuries compensation1835 (im Folgenden: SEC-CrimInComp-PS)1836 und für alle anderen Fälle, die in der SEC entschieden werden (im Folgenden: SEC-PS).1837 Da die Besetzung der einzelnen Tribunalskammern durch diese Regelungen zwar nicht im Allgemeinen, aber doch immerhin für den einzelnen Fall ziemlich genau bestimmt werden kann, stellt sich die Frage, welche Folgen es nach sich zieht, wenn diese Vorgaben nicht beachtet werden: Ein Recht auf den gesetzlichen Richter, wie es Art. 101 I 2 GG statuiert, und einen Anspruch darauf, den in einem konkreten Fall entscheidenden Richter bzw. die konkrete Zusammensetzung des Spruchkörpers vor Beginn des Verfahrens vorhersehen zu können, wie dies das BVerfG für das deutsche Recht fordert,1838 ist im Vereinigten Königreich unbekannt.1839 Entsprechend ist auch nicht erforderlich, den in einem konkreten Fall entscheidenden Richter bzw. die konkrete Zusammensetzung des Spruchkörpers vor Beginn des Verfahrens vorhersehen zu können. Die Besetzung kann selbstverständlich dann die Entscheidung eines tribunal fehlerhaft werden lassen, wenn die Gefahr der Befangenheit eines Mitglieds des entscheidenden Spruchkörpers besteht.1840 Darüberhinaus sind Fehler in der Besetzung 1829 1830 1831 1832 1833 1834 1835 1836 1837 1838
Senior President of Tribunals, IAC-FtT/IAC-UT-PS, 2010. Senior President of Tribunals, HESCC-PS, 2009. Senior President of Tribunals, WPAFCC-PS, 2008. Senior President of Tribunals, GRC-PS, 2010. Dazu siehe bereits oben, bei Fn. 1201. Senior President of Tribunals, SEC-AsylSupp-PS, 2008. Dazu siehe schon oben, V.B.1.b), S. 247. Senior President of Tribunals, SEC-CrimInComp-PS, 2008. Senior President of Tribunals, SEC-PS, 2008. BVerfGE 17, 294: Gesetzlicher Richter ist danach nicht nur das entscheidende Gericht und dessen Spruchkörper, sondern auch der zur Entscheidung im Einzelfall berufene Richter, weshalb Regelungen und Geschäftsverteilungspläne, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen, von vornherein so eindeutig wie möglich angeben müssen, welcher Spruchkörper und welche Richter zur Entscheidung im Einzelfall berufen ist. 1839 Siehe hierzu Henkel, England – Rechtsstaat ohne »gesetzlichen Richter«, 1971, S. 65 ff.; Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 272. Auch in der EMRK bzw. dem Human Rights Act 1998 c.42 ist ein solches Recht nicht enthalten und es lässt sich auch nicht aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ableiten. 1840 Zur »rule against bias« siehe bereits oben, II.C.3.b)(3)(a)(ii), S. 160.
Fortbildung und Leistungskontrolle bei Tribunalsmitgliedern
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des tribunal denkbar, wenn gegen die Vorschriften der Composition Order zur Zusammensetzung des Spruchkörpers nach Zahl und Art der Tribunalsmitglieder verstoßen wurde.1841 Fraglich ist aber, welche Folgen ein Verstoß gegen die practice statements des Senior President zur Folge hätte. Angesichts des weiten Gestaltungsspielraums, den das Gesetz dem Senior President und den Kammerpräsidenten offenbar gelassen hat und einer generellen Grundhaltung des Gesetzes und der Verfahrensordnungen der tribunals, Verfahren nicht durch Förmlichkeiten unnötig kompliziert zu machen, sondern schnelle, praktikable Lösungen anzustreben,1842 ist wohl kein Fall denkbar, wie eine der Art oder Zahl nach fehlerhafte Besetzung eines tribunal zu Stande kommen könnte:1843 Schließlich gehen die Freiheiten hinsichtlich der Besetzung eines Spruchkörpers etwa für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sogar so weit, dass Verhandlungen von FtT und UT gleichzeitig abgehandelt werden können, weil die Mitglieder des Spruchkörpers zwei verschiedene Rollen in einer Person ausüben.1844
D.
Fortbildung und Leistungskontrolle bei Tribunalsmitgliedern (training und appraisal)
Die Tribunalsmitglieder werden heute – genauso wie die Richter der ordentlichen Gerichte – im Rahmen ihrer Tätigkeit kontinuierlich fortgebildet; der Leggatt Review hielt die Notwendigkeit von Fortbildung im Zusammenhang mit
1841 Siehe R. (RB) v. First-tier Tribunal (Review) [2010] UKUT 160 (AAC), para. 29; siehe zu dieser Entscheidung außerdem unten, bei Fn. 2160ff. und 2163ff. 1842 Siehe hierzu unten, VII.C., S. 287. 1843 Kaum mehr denkbar wäre heute wohl etwa ein Fall, wie er Gegenstand der Entscheidung Woollett v. Minister of Agriculture [1954] 3 All ER 529 war: Hier wurden zwei Mitglieder eines tribunal statt wie gesetzlich vorgesehen, nicht vom zuständigen Minister ernannt, sondern vom Sekretär des tribunal spontan am Telefon gefragt, ob sie die Entscheidung des Falles ad hoc übernehmen könnten – in diesem Fall erkannte das Revisionsgericht die Autorität des Ministers als so weitgehend an, dass auch die Bestellung durch den Sekretär zur ordentlichen Ernennung als Tribunalsmitglied ausreichen sollte. 1844 Dies geschah letztlich in der Entscheidung Reed Employment Plc v. Revenue and Customs Commissioners [2010] UKFTT 596 (TC): Hier wurde angeordnet, dass ein Verfahren, bei dem sich aus einem einheitlichen steuerrechtlichen Sachverhalt zwei verschiedene, rechtliche Fragen ergaben, eine als einfacher Fall vom FtT und einer vom UT verhandelt werden musste. Um Zeit zu sparen wurde nur eine mündliche Verhandlung mit zwei Tribunalsmitgliedern – die beide sowohl für das FtT und für das UT die Verhandlung führten – angeordnet.
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Die personelle Zusammensetzung der tribunals
den tribunals, die sich gerade durch ihre Spezialisierung auszeichnen sollten, für essentiell.1845 Die Vorstellung jedoch, dass Richter sich rechtlich weiterzubilden hätten, wurde lange Zeit als Bedrohung ihrer Unabhängigkeit angesehen.1846 Jedweden Bestrebungen, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Richter zu etablieren, standen die Richter vielfach kritisch gegenüber, wurde doch befürchtet, dass auf diesem Wege eine zu große Einflussnahme seitens der Exekutive oder auch der Rechtswissenschaft auf die Justiz möglich wäre.1847 Um derartigen Bedenken entgegenzutreten, wurden Fortbildungsmaßnahmen innerhalb der Richterschaft selbst organisiert – 1979 wurde daher das Judicial Studies Board (JSB) gegründet, welches von Richtern geführt wird und der Verantwortung des Lord Chief Justice untersteht.1848 Ein entsprechendes System von Angeboten für Fortbildungen wurde im Zuge des TCEA 2007 c.15 auch für Tribunalsmitglieder unter der Oberaufsicht des Senior President1849 geschaffen;1850 bei der Zusammenlegung der Administration von tribunals und Gerichten wurden aber auch die Fortbildungseinrichtungen für Richter und Tribunalsmitglieder in einem einheitlichen Judicial College zusammengeführt, das auch gemeinsame Veranstaltungen durchführen wird.1851 1845 »The principal way to address the fundamental issues that confront tribunals is by training.« Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 7.29. sowie para. 149 ff. und 285. 1846 Siehe Devlin, The Judge, 1979, S. 34 f: »[…] for centuries judicial appointments have been made on the basis, that experience at the Bar is what gives a man the necessarry judicial equipment […]. Protocol should, I think, decree that in the acquisition of background information a judge should be left to his own devices[.]« Diese ablehnende Grundhaltung der Richter wurde ihrerseits als ein »Verstecken« hinter dem Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit zur Bewahrung des status quo kritisiert; siehe Malleson, MLR 1997, 60(5), 655 (657). 1847 Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 14 – 084. 1848 Darbyshire, English Legal System, 9th ed. 2008, para. 14 – 084. Der Lord Chief Justice hat gem. s.7(2)(b) Constitutional Reform Act 2005 c.4 in seiner Eigenschaft als Vorsteher der gesamten Richterschaft von England und Wales (dazu schon oben, bei Fn. 254) unter anderem die Aufgabe, angemessene Fortbildungsmöglichkeiten für die Richterschaft in England und Wales im Rahmen der Ressourcen, die der Lord Chancellor zur Verfügung stellt, anzubieten. 1849 Dem Senior President obliegt es, im Rahmen der ihm zur Verfügung gestellten Ressourcen für die kontinuierliche Fortbildung von Tribunalsmitgliedern zu sorgen; siehe sch.3 para.9 TCEA 2007 c.15. Dies hat dabei in Zusammenarbeit mit dem Lord Chief Justice zu geschehen, der seinerseits für die Fortbildung der ordentlichen Richterschaft zuständig ist; siehe s.47 TCEA 2007 c.15 sowie Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para.38 und 232. 1850 Fortbildungsmaßnahmen wurden zunächst von den tribunals bzw. dem Tribunals Service selbst als »in-house«-Fortbildungen organisiert; einige Fortbildungsmaßnahmen wurden aber auch zusammen mit solchen für Richter ordentlicher Gerichte durch die JSB durchgeführt. Es wurde ferner eine »Tribunals Judicial Training Group« (TJTG) geschaffen, die den Senior President in Fortbildungsfragen berät; siehe Ministry of Justice, Senior President of Tribunals’ Annual Report 2010 – 2011, 2011, S. 17 ff. 1851 Siehe Judicial Studies Board, Annual Report 2010 – 2011, 2011, S. 8 ff.
Zusammenfassung und Zwischenfazit
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Damit die tatsächlichen Fähigkeiten aller Tribunalsmitglieder stets mit den Anforderungen schritthalten, die das sich zum Teil ständig verändernde Recht bzw. der ständige Fortschritt wissenschaftlicher Erkenntnisse (etwa auf medizinischem Gebiet) an ihre tägliche Arbeit stellt, wurden – ebenfalls den Empfehlungen des Leggatt Review entsprechend1852 – einheitliche Standards zur Beurteilung der Fachkompetenz der Tribunalsmitglieder (appraisal) geschaffen: In aller Regel werden sie durch ausgewählte und für diese Zwecke ihrerseits fortgebildete Tribunalsmitglieder in Bewertungsgesprächen beurteilt.1853 Die gesamte Organisation und Administration dieser Qualitätssicherungsmechanismen wird dabei vollständig durch die Tribunalsrichterschaft unter der Aufsicht des Senior President verwaltet, und es ist sichergestellt, dass die individuellen Ergebnisse der Überprüfungsmaßnahmen auch nur innerhalb des Systems Auswirkungen haben können.1854 Schon die oben beschriebene Einführung des ticketing-Systems erforderte schließlich konsequenterweise konkrete Maßnahmen für die Fortbildung und Bewertung der fachlichen Fähigkeiten der Tribunalsmitglieder.1855
E.
Zusammenfassung und Zwischenfazit
Die Betrachtung des Personals von FtTund UTergibt den Eindruck eines großen Pools von Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen für verschiedene Aufgaben. Die latente Einbindung praktisch der gesamten Richterschaft Groß1852 Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 736ff, und 161 ff. 1853 Derartige Beurteilungsgespräche gehen in der Regel einher mit der Bewertung von Entscheidungen des betreffenden Tribunalsmitgliedes sowie einer Selbsteinschätzung – die Organisation der Einzelheiten des Ablaufs der Beurteilungsverfahren, die Häufigkeit und die Inhalte der Beurteilungen obliegen den jeweiligen Kammerpräsidenten, die sich dabei allerdings an allgemeine Standards halten müssen; siehe zu diesen Standards im Einzelnen Judicial Studies Board, Appraisal Standards, 2009, S. 4 ff. 1854 D.h. die Ergebnisse der Beurteilungsverfahren haben keinen Einfluss auf die security of tenure, also etwa die Zahl von Fällen, die den honorarbezahlten Tribunalsmitgliedern zugewiesen wird (siehe hierzu bereits oben, VI.A.2.b)(2), S. 339). Ergibt ein »appraisal«Verfahren für ein Tribunalsmitglied Defizite in bestimmten Fähigkeiten, führt dies zunächst nur zu der Empfehlung, weitere Fortbildungsmaßnahmen zu besuchen. Allerdings kann dieses Ergebnis nicht einseitig durch den Beurteilenden (»appraiser«) festgestellt werden, vielmehr muss es im Einvernehmen mit dem Beurteilten (»appraisee«) gefunden werden. Ist dies nicht möglich, weil Beurteilender und Beurteilter unterschiedlicher Auffassung über das Ergebnis des appraisal sind, ist hierfür durch den Kammerpräsidenten ein Streitbeilegungsverfahren vorgesehen. In jedem Fall sind die Ergebnisse der Prüfung nur dem Prüfer, dem Prüfling und dem Kammerpräsidenten bekannt; siehe zu diesem Verfahren im Einzelnen Judicial Studies Board, Appraisal Standards, 2009, S. 11 ff. 1855 Die Ergebnisse von appraisal-Verfahren werden für die Zwecke des ticketing genutzt; siehe Judicial Studies Board, Appraisal Standards, 2009, S. 14.
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Die personelle Zusammensetzung der tribunals
britanniens in das UT (und damit zugleich in das FtT) hat zur Folge, dass die Besetzung eines Spruchkörpers theoretisch »maßgeschneidert« auf den jeweils zu entscheidenden Fall zusammengestellt werden kann. Dies schafft zugleich die Voraussetzungen für eine Praxis, die der Grundidee der proportionate dispute resolution folgen kann, da nun die Möglichkeit besteht, für jeden einzelnen Fall den jeweils angemessenen Sachverstand zur Verfügung zu stellen – rein theoretisch ist es schließlich möglich, dass bereits im FtT ein Richter des CoA ein Verfahren entscheidet (wenn auch nur mit Zustimmung des Lord Chancellor und des Senior President).1856 Das ganze System ist auf größtmögliche Flexibilität ausgelegt, um auf unterschiedlichen Arbeitsanfall in den jeweiligen Sachbereichen reagieren zu können. Darauf, dass die Flexibilität nicht auf Kosten der Spezialisierung der Tribunalsmitglieder geht, ist der Senior President ausdrücklich verpflichtet;1857 mit dem System des ticketing in Verbindung mit dem appraisal wurden entsprechend Mechanismen geschaffen, die sicherstellen sollen, dass tatsächlich alle Tribunalsmitglieder über die für die Erfüllung ihrer Aufgabe notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verfügen. Durch die so erreichte Durchlässigkeit der Grenzen zwischen Sachbereichen innerhalb der Kammern und zwischen den Kammern wird zugleich die Attraktivität einer Tätigkeit in den tribunals1858 vor allem für Juristen gesteigert, die als tribunal judges die Möglichkeit haben, in unterschiedlichen Rechtsgebieten zu arbeiten und so Erfahrungen zu sammeln und zugleich innerhalb des Systems »Karriere« zu machen.1859 Da alle Juristen die judicial appointment 1856 Siehe oben, VI.A.2.d), S. 343. Soweit ersichtlich ist diese Konstellation noch nicht vorgekommen; Fälle allerdings, in denen High Court-Richter im FtTsitzen, gibt es (siehe nur die Entscheidung Reed Employment Plc v. Revenue and Customs Commissioners [2010] UKFTT 596 (TC), in der ein High Court-Richter als Richter des FtT die Entscheidung traf; siehe oben, bei Fn. 1844). Auch nimmt der Senior President, der selbst zugleich aktiver Richter des CoA ist, immer wieder an Verfahren des UT teil; siehe nur die Entscheidung R. (RB) v. First-tier Tribunal (Review) [2010] UKUT 160 (AAC) (zu dieser noch unten, bei Fn. 2160 und 2163). 1857 Siehe oben, bei Fn. 1095. 1858 Ein Problem der bisherigen Einzeltribunals »…has been described as ›fishing in the same judicial pool‹«. Es bestand also ein harter Konkurrenzkampf um die wenigen potentiellen Bewerber, die für die speziellen Aufgaben eines tribunal hinreichend qualifiziert waren; siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 6.42. Durch die Vergrößerung des möglichen Einsatzbereichs der Tribunalsmitglieder steigt zugleich die Zahl potentiell geeigneter Bewerber. 1859 Nach der Vorstellung der Regierung beginnt eine normale Juristenkarriere innerhalb des Tribunalsystems mit der Ernennung auf einen honorarbezahlten Posten; siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 6.46. Eine Beförderung auf einen höheren, als Festanstellung ausgestalteten Posten bedarf zwar des Durchlaufens des JAC-Verfahrens (dazu siehe oben, VI.B.2., S. 348), die höheren Posten innerhalb des Tribunalssystems sollen jedoch aus diesem heraus erworben werden können; siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 6.50.
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eligibility condition mit ihren relativ hohen Anforderungen vor allem an die juristische Berufserfahrung erfüllen müssen, sind Vorkehrungen getroffen, welche die gleiche, hohe fachliche Qualität des juristischen Personals sicherstellen können, wie sie in den ordentlichen Gerichten vorhanden ist. Zugleich wird durch die Einbeziehung etwa der Mitglieder des ILEX der Zugang zu einer Tätigkeit als judge einem wesentlich weiteren Personenkreis geöffnet und damit die Chance, die klügsten Köpfe zu erfassen, erweitert – ein Umstand, der sich auf Dauer wohl positiv auf die Qualität der Entscheidungen der tribunals auswirken wird. Durch die Auswahl der Tribunalsmitglieder durch die JAC ist nun im Gegensatz zu früher auch sichergestellt, dass an der grds. Unabhängigkeit der tribunals genauso wenig Zweifel aufkommen können wie an der Unabhängigkeit der Richter ordentlicher Gerichte; auch wenn es angesichts der Vielzahl von völlig verschiedenen Posten von Tribunalsmitgliedern, die es durch die JAC zu besetzen gilt, erstaunlich ist, dass die tribunals in der JAC nur durch ein einziges Mitglied repräsentiert werden.1860 Am wichtigsten jedoch ist, dass alle Verbindungen, über die vormals eine Einflussnahme auf die personelle Zusammensetzung von Tribunalsspruchkörpern für die sponsoring departments möglich war, nun gekappt sind.1861 Dass für Tribunalsmitglieder, die nicht in Vollzeitbeschäftigung tätig sind, die Sicherungen ihrer Amtsstellung durch den Lord Chancellor nicht gesetzlich verankert sind, tut dem Eindruck von der Unabhängigkeit der tribunals keinen Abbruch – ein rechtlicher Schutz dagegen, dass sich diese mangelnde gesetzliche Verankerung ihrer security of tenure auf einzelne Verfahren auswirkt, bieten insoweit sowohl die rules of natural justice als auch Art. 6 EMRK1862 sowie die Pflicht des Lord Chancellor zur Aufrechterhaltung der continued judicial independence. Die Rolle der other members in FtTund UT ist als Besonderheit gegenüber den ordentlichen Gerichten hervorzuheben: Als expert members integrieren sie das erforderliche Sachwissen gleich mit in die Spruchkörper : Weil nicht auf externen Sachverstand zurückgegriffen werden muss, macht das die Tribunalsver1860 Letts, Natural Justice in Tribunals (UK), in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008, S. 46 (51). 1861 In der Entscheidung Findlay v. United Kingdom (1997) 24 EHRR 221, para. 73 heißt es zu den Anforderungen, die Art.6 EMRK an die tribunals stellt: »In order to establish whether a tribunal can be considered as ›independent‹, regard must be had inter alia to the manner of appointment of its members and their term of office, the existence of guarantees against outside pressures and the question whether the body presents an appearance of independence.« In all diesen Aspekten dürften sowohl FtTals auch UT nun den Anforderungen gerecht werden. 1862 Im Rahmen von Art. 6 EMRK bestehen bei Richtern, die neben ihrer richterlichen Tätigkeit auch als Anwalt tätig sind, grds. keine Bedenken hinsichtlich deren Unparteilichkeit; Frowein/Peukert, EMRK, 2009, Art. 6, Rn. 233.
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Die personelle Zusammensetzung der tribunals
fahren schnell und kostengünstig, was ihrer accessibility dient. Als lay members trägt ihre Anwesenheit zudem in den mündlichen Verhandlungen zu einer informellen Atmosphäre bei, mit der die tribunals einem Idealbild entsprechen, das – wie sogleich gezeigt wird – der Gesetzgeber für ihre Verfahren vorgegeben hat. Zugleich bringen die lay members sachbereichsspezifische Erfahrungen mit in das Verfahren ein und sind insoweit etwa den Laienrichtern der deutschen Sozialgerichtsbarkeit vergleichbar.1863 In einigen wenigen Bereichen kann die Rolle der other members in den tribunals allerdings noch weit gewichtiger sein: Schließlich ist nach den gegenwärtigen Verlautbarungen des Senior President in manchen Bereichen auch nicht auszuschließen, dass ein einzelner Nichtjurist ein Verfahren entscheidet. Insb. im alten Lands Tribunal, dessen Rolle nun die UTLC übernommen hat, war es in der Vergangenheit vorgekommen, dass juristische Laien – wenngleich auch solche, die man als expert members ansehen musste und die über langjährige Erfahrung auf dem konkreten Betätigungsfeld des Lands Tribunal verfügten – als Einzelrichter berufen wurden. In der Entscheidung Sinclair Gardens1864 etwa hatte der Kläger gerügt, dass ein Tribunalsmitglied (als Einzelrichter), welches nicht juristisch qualifiziert war,1865 die Entscheidung eines juristisch qualifizierten Vorsitzenden eines LVT überprüfen sollte – eine Konstellation, die theoretisch auch heute noch denkbar wäre.1866 Das Gericht hielt diese Konstellation in der Sache Sinclair Gardens im Ergebnis für unbedenklich.1867 Ob sich allerdings diese Rechtsprechung heute auch noch aufrecht erhalten lassen wird, ist angesichts von Äußerungen in einem kürzlich ergangenen Urteil des Supreme Court fraglich. Auf dieses soll an anderer Stelle ausführlich eingegangen werden.1868 1863 §§ 3, 6 Nr. 1, 9 II SGG; zu deren Bestimmung siehe insb. § 13 SGG. Die Rolle der ehrenamtlichen Richter im Verwaltungsprozess besteht hingegen darin, eine Beteiligung des Bürgers an der Tätigkeit der Gerichte sicherzustellen, da die Verwaltungsgerichte, die vom Bürger angerufen werden, wenn er Schutz gegen den Staat braucht, nicht als einzige Staatsgewalt von einer Beteiligung des Bürgers ausgenommen werden können. Sie wirken hingegen nicht wegen ihrer besonderen Sachkenntnisse mit, dieses haben vielmehr die in den Kammern eingesetzten Berufsrichter spätestens in der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung zu erarbeiten. Der ehrenamtliche Richter wirkt im Verwaltungsprozess daher nur durch seine Lebenserfahrung mit; siehe Schoch/Schmidt-Aßmann/Stelkens, VwGO, Bd. 1 Stand: 2009, § 19 Rn. 2. 1864 R. (on the application of Sinclair Gardens Investments (Kensington) Ltd) v. Lands Tribunal [2005] EWCA Civ 1305; zu dieser Entscheidung siehe bereits oben, bei Fn. 593. 1865 Es handelte sich um einen surveyor-member. 1866 In ULTC-PS, para.3(b) und (c) finden sich Bestimmungen, nach denen der Chamber President der UTLC entscheiden kann, über eine Streitigkeit einen oder mehrere »other members« urteilen zu lassen. 1867 R. (on the application of Sinclair Gardens Investments (Kensington) Ltd) v. Lands Tribunal [2005] EWCA Civ 1305, para. 47 per Neuberger LJ. 1868 Siehe unten, VIII.C.1., S. 496.
VII. Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Durch die Zusammenlegung der bisherigen Einzeltribunals und deren Organisation im System des TCEA 2007 c.15 ist es nun erstmals sinnvoll möglich, die von tribunals angewandten Verfahrensregeln näher zu beschreiben: Zuvor wurden diese hauptsächlich als Rechtsverordnung von dem jeweiligen sponsoring department1869 genau auf die Bedürfnisse des jeweiligen Sachbereichs hin zugeschnitten erlassen – entsprechend unterschiedlich fielen sie aus.1870 Zwar gab es bereits in der Vergangenheit Ansätze zur Schaffung einheitlicher Verfahrensregeln der verschiedenen Einzeltribunals durch den Council on Tribunals, allerdings handelte es sich dabei lediglich um Vorschläge ohne bindende Wirkung und – zumindest was die Herstellung von Einheitlichkeit angeht – ohne spürbaren Effekt.1871 Der Leggatt Review hatte hinsichtlich der Verfahrensregeln die Herstellung möglichst großer Kohärenz innerhalb des zu schaffenden Systems von tribunals gefordert.1872 Der Gesetzgeber hat versucht, dem zu ent-
1869 Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 2.20. Wie genau dieser Einfluss der Fachministerien auf die Verfahrensregeln aussah und in welchen Bereichen andere Mechanismen zur Schaffung von Verfahrensregeln bestanden (etwa durch das tribunal selbst), beschreibt Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 300 f.: Die »parent legislation« wies meist eine ausdrückliche Ermächtigung zum Erlass der Verfahrensnormen aus und enthielt (meist im Gesetzesanhang) einzelne, mehr oder weniger genau spezifizierte Vorgaben für das, was in den Verfahrensregeln zu regeln sei. In einigen Fällen gab das Gesetz aber auch schon selbst die Verfahrensregeln direkt vor (etwa im Falle der Special Commissioners). 1870 Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 301 mit Beispielen. 1871 1991 stellte der Council on Tribunals Modellregeln auf, die 2003 durch allgemeine Empfehlung zur Schaffung von Verfahrensregeln ersetzt wurden; letztere bestanden aus einer Sammlung von vorformulierten Regeln, die für die einzelnen tribunals übernommen bzw. adaptiert und auf die jeweiligen Notwendigkeiten der einzelnen Zuständigkeitsbereiche angepasst werden konnten. Dieser Kodex enthielt 110 detaillierte Vorschriften. Obgleich die Verfahrensregeln vieler Einzeltribunals sich daran orientierten, waren sie durch die Sachspezifizität der einzelnen Bereiche jedoch untereinander sehr unterschiedlich; vgl. zum Ganzen Craig, PL 2010, Apr., 275 (288). 1872 Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 8.10 ff. sowie Overview, para. 23. Darin
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
sprechen, indem er einheitliche und verbindliche Maßgaben für die Erarbeitung des Großteils der Verfahrensregeln erlassen, sowie ein eigens dafür zuständiges Organ geschaffen hat, welches keine Berührungspunkte mehr mit den Fachministerien aufweist und nach dem gleichen Muster Verfahrensregeln kreieren soll, wie es bei den ordentlichen Gerichten geschieht.1873 Die so bisher entwickelten Verfahrensvorschriften sind als Rechtsverordnungen erlassen und spiegeln nach wie vor jeweils die Besonderheiten der sachlichen Zuständigkeiten der tribunals wider. Es besteht dabei für jede einzelne Kammer des FtT ein eigenes Verfahrensstatut.1874 Für die IAC-FtT wurden aufgrund der Besonderheiten dieses Sachbereichs vorerst die alten Verfahrensregeln des AIT beibehalten und nur in Teilbereichen an die anderen Verfahrensregeln angeglichen.1875 Da der Bereich des Asylrechts gegenwärtig auch in anderer Hinsicht in Bewegung geraten ist,1876 ist verständlich, dass hier bisher keine umfassende Konsolidierung und Angleichung der Verfahrensregeln an den Standard der anderen Kammern erfolgt ist – aus diesem Grund wird im Folgenden auf diese Regelungen nur sporadisch eingegangen. Auf der Ebene des UT ist eine weitergehende Vereinheitlichung der Verfahrensregeln erfolgt: Hier besteht ein gesondertes Verfahrensstatut nur für die UTLC – für die TCC, die IAC-UT und die AAC sind die Verfahrensvorschriften in einem einzigen Regelwerk mit jeweils nur einigen Sonderregeln für die einzelnen Sachbereiche bzw. Kammern zusammengefasst.1877
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1875
1876 1877
wurde gefordert, dass die Verfahrensregeln der neuen tribunals alle auf den vom Council on Tribunals geschaffenen Modellregeln (siehe oben, Fn. 1871) aufbauen sollten. Siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 137. Bei den ordentlichen Gerichten werden die Verfahrensregeln durch Procedural Rule Committees geschaffen. Gem. s.2(1) Civil Procedure Act 1997 c.12 werden die Verfahrensregeln sowohl für die Civil Division des CoA, den High Court sowie die county courts (s.1 Civil Procedure Act 1997 c.12) durch das Civil Procedure Rule Committee erstellt, das nicht nur Richter der eben genannten Zivilgerichte umfasst, sondern auch Vertreter der Anwaltschaft und Vertreter von Organisationen, die Rechtsberatung für Verbraucher anbieten. Dies sind im Einzelnen für die TC: The Tribunal Procedure (First-tier Tribunal) (Tax Chamber) Rules 2009 (abgekürzt: TC-Rules SI2009/273); für die GRC: The Tribunal Procedure (First-tier Tribunal) (General Regulatory Chamber) Rules 2009 (abgekürzt: GRC-Rules, SI2009/1976 ; für die HESCC: The Tribunal Procedure (First-tier Tribunal) (Health, Education and Social Care Chamber) Rules 2008 (abgekürzt: HESCC-Rules SI2008/2699); für die WPAFCC: The Tribunal Procedure (First-tier Tribunal) (War Pensions and Armed Forces Compensation Chamber) Rules 2008 (abgekürzt: WPAFCC-Rules SI2008/2686) und für die SEC: The Tribunal Procedure (First-tier Tribunal) (Social Entitlement Chamber) Rules 2008 (abgekürzt: SEC-Rules SI2008/2685). Siehe Ward, Tribunals, 2011, Summer, 2 (2). Für die IAC-FtT gelten somit: The Asylum and Immigration Tribunal (Procedure) Rules 2005 (abgekürzt: IAC-Rules SI2005/230) sowie ergänzend für besondere Eilverfahren: The Asylum and Immigration Tribunal (Fast Track Procedure) Rules 2005 (abgekürzt: IAC-(FT)-Rules, SI2005/560). Dazu siehe auch unten, bei Fn. 2452. Ward, Tribunals, 2011, Summer, 2 (2).
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
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Neben den genannten Verfahrensstatuten werden die Verfahren in FtT und UT noch von verschiedenen, weiteren Typen von Regelungen beeinflusst: Dies sind zum einen die Vorschriften des TCEA 2007 c.15 selbst1878 sowie darunter ergangene practice directions (bzw. directions), die gegenwärtig Klarstellungen zu den verschiedensten Fragen treffen, etwa zu einzelnen Aspekten der Verfahren in der IAC-FtT und der IAC-UT1879 sowie der UTLC1880 und einzelner Verfahren anderer Kammern,1881 den Umgang mit bestimmten Zeugen,1882 vorzulegenden Unterlagen oder Randfragen wie die Verwendung der walisischen Sprache.1883 Außerdem werden vereinzelte Verfahrensaspekte auch durch practice statements beschrieben, die jedoch vor allem Regelungen für die personelle Zusammensetzung der tribunals vorsehen.1884 Für den Erlass dieser practice statements existiert keine ausdrückliche Rechtsgrundlage im TCEA 2007 c.15 – vielmehr besteht hierfür eine inhärente Kompetenz des Senior President of Tribunals.1885 Sie sind dabei allerdings auch eher deskriptiv und stellen wohl keine in jedem Fall verbindliche Vorschrift dar.1886
1878 Das Gesetz direkt regelt vor allem Fragen der Zulassung von Rechtsmitteln; siehe unten, VII.G., S. 405. 1879 Die practice direction enthält insoweit Regelungen zu Eilverfahren, Beweisen, dem Verfahren bei bzw. nach Beantragung der Zulassung eines Rechtsmittels usw.; siehe Senior President of Tribunals, Practice Directions – IAC-FtT/IAC-UT, 2010. 1880 Für die UTLC findet sich eine umfassende Ergänzung zu den eigenen Verfahrensregeln in Senior President of Tribunals, Practice Direction – UTLC, 2010. 1881 Etwa zu den Verfahren der SEC in Asylum Support-Fällen (siehe oben, bei Fn. 1201), Verfahren der GRC im Zusammenhang mit Sanktionsmaßnahmen im Umweltrecht (zu diesen siehe schon oben, bei V.B.5.b), S. 271), zu Verfahren der HESC in Unterbringungsfällen (zu siehe oben, V.B.3.d), S. 261) und SEN-Fällen (dazu siehe schon oben, V.B.3.a), S. 257). Auf diese soll im Folgenden aus Platzgründen nicht weiter eingegangen werden. 1882 Zum Umgang mit sensiblen Zeugen wie Kindern, vulnerable adults (dazu siehe schon oben, V.B.3.b), S. 259) und anderen, besonders schutzbedürftigen Zeugen; siehe Senior President of Tribunals, Practice Direction – FtT and UT Vulnerable Adult and Sensitive Witnesses, 2008. 1883 Zur Nutzung der walisischen Sprache in Tribunalsverfahren siehe Senior President of Tribunals, Practice Direction – FtT and UT Use of the Welsh Language in Tribunals in Wales, 2008. Auch andere Randfragen wie etwa die Anfertigung und Aufbewahrung von Verfahrensprotokollen des UT werden durch eine »practice direction« geregelt, Senior President of Tribunals, Practice Direction – UT Transcripts of Proceedings, 2008. 1884 Siehe oben, bei Fn. 1825ff. 1885 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 3.93 ff. 1886 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 3.95.
364
A.
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Funktion, Zusammensetzung und Arbeitsweise des Tribunal Procedure Committee (TPC)
S.22(2) TCEA c.15 gründet das Tribunal Procedure Committee (TPC), welches durch die Vorschriften in sch.5 TCEA 2007 c.15 weiter ausgestaltet wird. Sch.5 para.20 benennt die Mitglieder des TPC; es umfasst den Senior President als ex officio Mitglied oder einen von ihm benannten Vertreter sowie drei vom Lord Chief Justice zu benennende Vertreter, von denen wiederum einer zuvor vom AJTC nominiert wurde.1887 Der Lord Chief Justice hat einen der von ihm auszuwählenden Vertreter dabei unter den judges des FtTund einen unter denen des UT auszuwählen sowie einen, der der Gruppe der nichtjuristischen Tribunalsmitglieder im FtT oder UT angehört.1888 Außerdem gehört dem Komitee stets auch ein Vertreter für Schottland an.1889 Zusätzlich können auf Verlangen des Senior President auch noch Experten für bestimmte Sachbereiche vom Lord Chief Justice ernannt werden.1890 Mit dem TPC wurde ein zentrales, einheitliches Organ zur Entwicklung der jeweiligen Verfahrensregeln geschaffen – die beschriebene Zusammensetzung und der vorgeschriebene Prozess der Schaffung der Verfahrensregeln zeigt die Intention des Gesetzgebers, den Entwürfen des TPC eine hohe Autorität zu verleihen, ganz im Gegensatz zu den unverbindlichen Vorschlägen des alten Council of Tribunals; die Notwendigkeit einer Zustimmung des Lord Chancellors dürfte in der Praxis wohl nur deklaratorischer Natur sein.1891 1887 Siehe sch.5 para.21(1)(b) TCEA 2007 c.15. Die Wahl seiner Kandidaten hat dabei in Abstimmung mit dem Lord Chief Justice zu erfolgen, sch.5 para.21(2). Zum AJTC siehe schon oben, bei Fn. 1057. Die drei vom Lord Chancellor zu benennenden Vertreter müssen selbst als Praktiker mit tribunals zu tun haben bzw. vor den tribunals auftretende Parteien beraten. Im Gegensatz zu den oben, Fn. 1873 dargestellten Regelungen zur Zusammensetzung der Rules Committees der ordentlichen Gerichte muss es sich nicht um Juristen handeln. 1888 Siehe sch.5 para.22 TCEA 2007 c.15. Die Ernennung erfolgt dabei in Absprache mit dem Lord Chancellor. 1889 Dieser wird vom Lord President des Court of Session (zu diesem siehe unten, Fn. 2306) ernannt, sch.5 para.23 TCEA 2007 c.15. Der Lord President of the Court of Session ist das Äquivalent zum Posten des Lord Chief Justice in England; zu diesem siehe schon oben, bei Fn. 252. 1890 Bzw. vom Inhaber des entsprechenden Postens in einer der anderen Regionen, also etwa dem Lord President des Court of Session für Schottland, siehe sch.5 para.24 TCEA 2007 c.15. 1891 Siehe Craig, PL 2010, Apr., 275 (290). Die Notwendigkeit der Zustimmung des Lord Chancellor ergibt sich aus sch.5 para.28(3) TCEA 2007 c.15. Der Lord Chancellor kann dem TPC allerdings ein bestimmtes Ziel vorgeben, welches es in den Verfahrensregeln umsetzen soll; siehe sch.5 para.29 TCEA 2007 c.15; Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 147. Obgleich das TPC unabhängig sein soll, wird dem Lord Chancellor so eine gewisse Einflussmöglichkeit gewährt. Die so geschaffenen Verfahrensregeln können durch
Funktion, Zusammensetzung und Arbeitsweise
365
Durch die (bisherige) Einbindung des AJTC mit seinem weiteren, das gesamte Gebiet der administrative justice einbeziehenden Betrachtungsauftrag in das Gremium, ist es dem TCP dabei möglich, eine Kohärenz der Verfahrensregeln nicht nur unter den einzelnen tribunals bzw. deren Kammern zu schaffen, sondern sich auch darüber hinaus an die ggf. vorausgehenden Verwaltungsverfahren anzupassen; dies stellt die Rücksichtnahme auf Verfahrensbesonderheiten in bestimmten Sachbereichen sicher, etwa die Notwendigkeit der Durchführung eines »Vorverfahrens«, das in einigen Sachbereichen materiellrechtlich angeordnet ist.1892 Die Vorgehensweise des TPC bei der Schaffung der bisherigen Verfahrensregeln war dabei bisher so, dass der endgültigen Verabschiedung eines Entwurfs für Verfahrensregeln ein umfangreicher Konsultationsprozess aller möglichen Interessenträger voranging.1893 Der TCEA 2007 c.15 selbst setzt außerdem einen inhaltlichen Rahmen für die Schaffung der Regeln durch das TPC, indem er in sch.5 Ermächtigungsgrundlagen zur Regelung folgender Aspekte bereitstellt: – Zuweisung von Streitigkeiten auf das FtTund UT bzw. zur Regelung der Frage, wer wie über diese Zuweisung zu entscheiden hat,1894
beide Kammern des Parlaments im Wege des sog. »negative resolution procedure« aufgehoben werden; siehe sch.5 para.28(6) TCEA 2007 c.15. 1892 Ein »Vorverfahren« nach deutschem Verständnis gibt es grds. nicht, zumindest nicht in der Hinsicht, dass dies für alle Verfahren vorgeschrieben wäre. Allerdings gibt es in einigen Sachbereichen Vorschriften, nach denen der Kläger verpflichtet ist, die Klageschrift zur Einleitung seines appeal zunächst der Behörde zuzuleiten und nicht direkt an das tribunal zu senden. Derartige Vorschriften finden sich etwa in r.23(1) SEC-Rules, SI2008/2685. Dies gilt dabei grds. für alle Fälle, außer denen, für die in r.22(1) SEC-Rules, SI2008/2685 vorgeschrieben ist, dass die Klageschrift direkt an das tribunal zu senden ist. Dies ist namentlich in asylum support cases (siehe oben, bei Fn. 1201) und criminal injuries compensation cases (dazu siehe oben, V.B.1.b), S. 247) der Fall. 1893 Bei der Schaffung der gegenwärtig geltenden Verfahrensregeln der TC, SEC, HESC und WPAFCC wurde zunächst ein Entwurf an alle möglichen Interessengruppen – die Tribunalsrichter, unterschiedlichsten Interessenverbänden wie Anwalts- und Steuerberaterkammern, Verbänden von Steuerzahlern, Behinderten, Sozialhilfeempfängern, wohltätigen Organisation und Firmen sowie den verschiedensten Behörden und Amtsträgern, die an den Verfahren ein Interesse haben könnten – versandt (siehe die Informationen zu den bisherigen Konsultationskampagnen auf der Webpräsenz des Tribunals Service, abrufbar unter : http://www.tribunals.gov.uk/tribunals/rules/closedconsultations.htm, besucht am 29. 01. 2011.). Nach Ablauf einer sechswöchigen Stellungnahmefrist wurde der ursprüngliche Entwurf durch das TPC überarbeitet und erneut veröffentlicht und dann verabschiedet; siehe Craig, PL 2010, Apr., 275 (291). 1894 Sch.5 para.2 TCEA 2007 c.15. Damit sind etwa Regelungen in den Verfahrensstatuten gemeint, welche – außerhalb der allgemeinen Zuständigkeitszuweisungen in der Chambers Order – eine Allokation bestimmter Funktionen zu einer anderen Kammer gestatten; siehe etwa r.28 TC-Rules, SI2009/273, nach der besonders komplexe Steuerrechtsfälle oder einzelne Fragen des Steuerrechts vom FtT dem UT vorgelegt werden können.
366
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
– Wahrnehmung von Funktionen des FtT oder UT durch administratives Personal1895 – zur Frage, unter welchen Umständen FtT und UT von Amts wegen handeln können,1896 – Fragen betreffend die Durchführung von Anhörungen,1897 – Durchführung von Verfahren in Abwesenheit einer Partei1898 sowie zur Zulassung von Rechtsbeiständen,1899 – Fragen der Zulassung von Beweismitteln bzw. Fragen des Beweisrechts1900 sowie zur Beweisgewinnung (Ladung von Zeugen,1901 Eidesleistungen)1902 – zur Zustellung von bzw. zum allgemeinen Umgang mit Informationen1903 – zu den Verfahrenskosten1904 – zum Umgang mit Flüchtigkeitsfehlern in der Aktenführung oder zur eigenständigen Korrektur von Verfahrensfehlern,1905 insb. auch für die Aufhebung von Verfahrensentscheidungen, durch die das Verfahren beendet wurde,1906
1895 Sch.5 para. 3 TCEA 2007 c.15; siehe auch unten, bei VII.B.1., S. 368. 1896 Sch.5 para. 6 TCEA 2007 c.15. Das Gesetz formuliert dies mit »exercise its powers on its own initiative«. Gemeint sind damit etwa die Möglichkeiten zum Erlass verschiedenster Anordnungen; dazu siehe auch unten, bei Fn. 1931. 1897 Sch.5 para. 7 TCEA 2007 c.15; zu mündlichen Verhandlungen siehe auch unten, bei VII.B.9., S. 380. 1898 Sch.5 para. 8 TCEA 2007 c.15; siehe dazu unten, bei Fn. 2006. 1899 Siehe zu Rechtsbeiständen insgesamt auch unten, VII.H.1., S. 468. 1900 Siehe sch.5 para. 10(2) TCEA 2007 c.15. Normalerweise umfasst eine Ermächtigungsgrundlage zur Schaffung von Verfahrensregeln keine Ermächtigung, auch Regeln über die Berücksichtigungsfähigkeit von Beweismitteln zu schaffen. Das »law of evidence« wird aus historischen Gründen als Teil des materiellen Rechts angesehen und nicht des Prozessrechts; Beweisregeln ergeben sich damit normalerweise aus dem common law und dem Gesetzesrecht: »The manner of obtaining and presenting evidence was a matter of practice and procedure, and therefore governed by rules of court. But the admissibility of evidence was a matter for the ›substantive law of evidence‹ over which the rule-making bodies had no authority.« Zuckerman, Zuckerman on Civil Procedure, 2nd ed. 2006, para. 1.45; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 10.40; zur eingeschränkten Geltung des »law of evidence« siehe auch unten, bei Fn. 1980. 1901 Sch.5 para. 10 TCEA 2007 c.15; siehe auch unten, bei Fn. 1984. 1902 Siehe bei Fn. 1975. 1903 Sch.5 para. 11 TCEA 2007 c.15; siehe unten, bei Fn. 1964. 1904 Sch.5 para. 12 TCEA 2007 c.15; siehe dazu unten, bei Fn. 2020. 1905 Sch.5 para. 15 TCEA 2007 c.15. Entsprechend dieser Ermächtigung können Verfahrensregeln geschaffen werden, die bezwecken, dass kleinere Fehler in Aktenführung oder Ausfertigung von Entscheidungen ohne Einleitung eines förmlichen Prüfungs- bzw. Berichtigungsverfahrens korrigiert werden können. Diese Vorschriften beziehen sich damit auf Details der Durchführung des »self review«; dazu siehe unten, VII.G.1., S. 406. 1906 Sch.5 para. 15 TCEA 2007 c.15; siehe dazu unten, bei Fn. 2016.
Der gemeinsame Kern der Verfahrensregeln
367
– Auffangkompetenzen zur Schaffung weiterer Regelungen,1907 wie etwa Vermutungsregelungen,1908 Fristen,1909 Fragen zur Rechtskraftwirkung einer vorangegangenen Entscheidung,1910 hinsichtlich Aufrechnung und Zinsen im Falle einer Entscheidung über Geldleistungsansprüche1911 sowie Regelungen, die die Einschaltung der tribunals als Schiedsrichter betreffen.1912 Die bisher entwickelten Verfahrensregeln weisen die meisten der genannten Aspekte bereits auf.
B.
Der gemeinsame Kern der Verfahrensregeln
Aufgrund der oben genannten, einheitlichen Vorgaben offenbart bereits ein flüchtiger Blick in die Inhaltsverzeichnisse der Verfahrensstatuten der jeweiligen Kammern, dass in den Vorschriften gleiche Dinge geregelt sind.1913 Wenngleich sich dies nicht in der Systematik der Regelungen äußert, ist ihnen doch gewissermaßen ein gemeinsamer Kern immanent. Dieser umfasst im Wesentlichen – hier kann nicht mehr als ein grober Überblick erfolgen – folgendes:
1907 Siehe sch.5 para. 16 TCEA 2007 c.15: So wird eine Rechtsgrundlage für die Übertragung aller möglichen weiteren Rechte des tribunal geschaffen, die es benötigt, um seine Funktion ordnungsgemäß zu erfüllen (»ancillary functions«) und ist eine Auffangregelung, da die sonstigen Regelungen in sch.5 gerade nicht als abschließende Aufzählung gelten sollen; siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 143. 1908 Sch.5 para. 18. TCEA 2007 c.15; siehe auch unten, Fn. 1962. 1909 Sch.5 para. 4. TCEA 2007 c.15; siehe auch unten, bei Fn. 2025. 1910 Sch.5 para. 5 TCEA 2007 c.15, sog. »repeat applications«. Damit ist nicht die Frage nach der Wirkung von Präzedenzfällen gemeint, sondern wohl nur die »res iudicata«, also das Entgegenstehen von Rechtskraft aufgrund einer bereits bestehenden Entscheidung im konkreten Rechtsstreit. Hierzu ist gegenwärtig noch keine Verfahrensvorschrift ergangen. 1911 Sch.5 para. 13 TCEA 2007 c.15. Solche Regelungen sind hier offenbar noch nicht erfolgt. 1912 Sch. 5 para. 14 TCEA 2007 c.15. Gemeint ist hier nur die Schaffung einer Sonderregel im Zusammenhang mit dem Arbitration Act 1996 c.23 – sowohl FtTals auch UT könnten grds. nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Streitschlichtungsinstanzen agieren, dies kann aber eben auch ausgeschlossen werden, was gegenwärtig in fast allen Verfahrensregeln der Fall ist. Nur in r.30 UTLC-Rules, SI2010/2600 findet sich eine solche Bestimmung, auf die hier jedoch nicht weiter eingegangen wird. 1913 Sofern nicht jeweils anders bezeichnet, finden sich die im Folgenden aufgezählten Einzelkompetenzen in allen Verfahrensordnungen bei den entsprechend nummerierten Vorschriften. Deshalb wird auf eine jeweils genaue Zitierung verzichtet und stets nur die entsprechende Norm für die AAC des UT in den UT-Rules, SI2008/2698 genannt.
368 1.
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Delegation richterlicher Aufgaben an administratives Personal
In allen Verfahrensordnungen finden sich zunächst Vorschriften, nach denen dem Verwaltungspersonal des Tribunals Service – bzw. jetzt des HMCTS – einzelne Aufgaben übertragen werden können, die ansonsten nur den Tribunalsmitgliedern bzw. den Kammerpräsidenten obliegen.1914 Der genaue Umfang der jeweils delegierten Kompetenzen ist sehr unterschiedlich und wird durch verschiedene practice statements des Senior President für die einzelnen Kammern bzw. jeweils sachbereichsspezifisch beschrieben.1915 Teilweise geht die Übertragung der Befugnisse recht weit und umfasst etwa die Wahrnehmung nahezu aller Möglichkeiten des sogleich zu beschreibenden case management.1916
2.
Allgemeine Befugnisse der Verfahrenssteuerung (case management)
Weitgehend freie Möglichkeiten zur Gestaltung des Verfahrens eröffnen den tribunals die Kompetenzen zum case management,1917 die, wenn auch hinsichtlich weniger Details unterschiedlich, nahezu wortgleich in jeder Verfahrensordnung in einer zentralen Vorschrift zusammengefasst sind. Dabei stellen die Regeln, die sich in den mit case management powers überschriebenen Vorschriften der Verfahrensordnungen befinden, eher eine Art Zusammenfassung und Übersicht über die Möglichkeiten der tribunals dar, von denen die meisten im Einzelnen in anderen Vorschriften noch genauer ausgestaltet sind. Die als case management powers bezeichneten Kompetenzen der tribunals umfassen: – die Möglichkeit zur Aufforderung bzw. Genehmigung der Vorlage bzw. Herstellung von Dokumenten, Zeugenaussagen oder sonstigen Ausführungen 1914 Siehe r.4 UT-Rules, SI2008/2698. 1915 Siehe für die AAC sowie die SEC, soweit asylum support-Fälle oder criminal injuries compensation-Fälle betroffen sind hier ; Senior President of Tribunals, Practice Statement – Delegation of Functions to Staff, 2008; für die SEC in allen anderen Fällen Senior President of Tribunals, Practice Statement – Delegation of Functions SEC, 2010; für die HESCC in Senior President of Tribunals, Practice Statement – Delegation of Functions to Staff FtT HESCC, 2010; Für die UTLC Senior President of Tribunals, Practice Statement – Delegation of Functions UTLC, 2010; für die TC und die TCC Senior President of Tribunals, Practice Statement – Delegation of Functions TC/TCC, 2009. 1916 Siehe etwa in den practice statements für die TC und TCC: Senior President of Tribunals, Practice Statement – Delegation of Functions TC/TCC, 2009; für die UTLC: Senior President of Tribunals, Practice Statement – Delegation of Functions UTLC, 2010 oder die AAC Senior President of Tribunals, Practice Statement – Delegation of Functions to Staff, 2008. 1917 »Subject to the provisions of the [TCEA 2007 c.15] and any other enactment, the Tribunal may regulate its own procedure.« R.5 UT-Rules SI2008/2698. Die Bestimmung ist in allen Verfahrensordnungen wortgleich.
Der gemeinsame Kern der Verfahrensregeln
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369
und deren Bereitstellung für das tribunal oder eine andere Verfahrenspartei.1918 die Möglichkeit, Fristen zu setzen und zu verlängern, um Anordnungen des tribunal – wie die eben genannten – zu erfüllen,1919 die Möglichkeit der Zusammenlegung von Verfahren zu einem oder die Behandlung eines Verfahrens als Musterverfahren (lead case)1920 bzw. die Absonderung von Verfahrensgegenständen als Vorfrage oder sonstwie gesondert zu behandelnde Frage,1921 die Möglichkeit zur Anordnung der Durchführung von mündlichen Verhandlungen zur Erörterung beliebiger Fragen des Verfahrens1922 und alle notwendigen Bestimmungen zur näheren Ausgestaltung solcher Verhandlungen1923 sowie deren Vertagung.1924 Außerdem kann das tribunal jede Partei dazu auffordern, für die Zwecke einer solchen Anhörung einen ausführlichen Schriftsatz nebst Anlagen (bundle) – die Einleitung eines Tribunalsverfahrens erfolgt meist durch ein vorgegebenes Formular, nicht durch eine Klageschrift nach deutschem Verständnis1925 – zur Verfügung zu stellen.1926 die Möglichkeit zur Anordnung der Aussetzung eines Verfahrens1927 oder des Transfers an einen anderen Spruchkörper, wenn – etwa wegen einer zwischenzeitlichen Veränderung der Umstände – das tribunal seine Zuständigkeit für die betreffende Streitigkeit verliert oder wenn das tribunal meint, der andere Spruchkörper sei geeigneter zur Entscheidung der Streitigkeit.1928 Im Falle der Überprüfung einer seiner Entscheidungen im Rahmen eines
1918 R.5(3)(c) und (d) UT-Rules SI2008/2698 für die Kammern des UT ist dies insb. im Hinblick auf ihre zweitinstanzlichen Zuständigkeiten für Entscheidungen anderer tribunals als des FtT noch einmal gesondert geregelt; siehe r.5(3)(n) UT-Rules SI2008/2698; zu diesen Möglichkeiten allgemein siehe unten, bei Fn. 1969. 1919 R.5(3)(a) UT-Rules SI2008/2698. 1920 R.5(3)(b) UT-Rules SI2008/2698 – obgleich sich diese »case management power« in allen Verfahrenordnungen findet, enthalten nicht alle genauere Vorschriften hierzu. Regelungen zu »lead cases« finden sich nur in r.18 GRC-Rules, SI2009/1976; r.18 TC-Rules, SI2009/273; r.18 WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.18 SEC-Rules SI2008/2685. 1921 R.5(3)(e) UT-Rules SI2008/2698. 1922 R.5(3)(f) UT-Rules SI2008/2698; zu mündlichen Verhandlungen siehe VII.B.9., S. 380. 1923 R.5(3)(g) UT-Rules SI2008/2698. 1924 R.5(3)(h) UT-Rules SI2008/2698. 1925 Ein solches Formular ist im Internet abrufbar ; siehe hier : http://www.justice.gov.uk/glo bal/forms/hmcts/index.htm, besucht am 03. 08. 2011. Entsprechend bedurfte es für die Möglickeit zur Verpflichtung der Herstellung einer Klageschrift einer gesonderten Regelung. 1926 R.5(3)(i) UT-Rules SI2008/2698. 1927 R.5(3)(j) UT-Rules SI2008/2698. 1928 R.5(3)(k) UT-Rules SI2008/2698 – Die Regelung in R.(5)(3)(k) TC-Rules, SI2009/273 weicht davon insoweit ab, als dass hier nicht ausdrücklich auf einer Veränderung der Umstände eingegangen wird. Da nicht ersichtlich ist, welche Bewandnis diese Varianz haben sollte, handelt es sich wohl um einen Flüchtigkeitsfehler.
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
appeal oder self review1929 kann das tribunal die Wirkung seiner Entscheidung für die Zeit dieser Prüfung aussetzen.1930 Jede der eben genannten sowie jede andere Anordnung kann das tribunal von sich aus treffen oder auf Antrag einer der Parteien, wobei der Antrag schriftlich oder mündlich im Rahmen einer Verhandlung erfolgen kann, aber stets begründet sein muss.1931 Grds. muss die Anordnung des tribunal schriftlich an jeden Verfahrensbeteiligten bzw. jeden von der Anordnung Betroffenen ergehen, es sei denn, das tribunal befindet, dass hierfür kein guter Grund bestehe.1932
3.
Möglichkeiten zur Disziplinierung der Parteien bzw. zur vorzeitigen Verfahrensbeendigung
Weiterhin verleihen die Verfahrensregeln den tribunals verschiedene Möglichkeiten zur Disziplinierung der Parteien: Wird eine Anordnung eines tribunal nicht befolgt, hat dies zunächst keinen Einfluss auf das Verfahren als solches,1933 vielmehr kann das tribunal auf die Pflicht zur Befolgung der Anordnung verzichten oder noch einmal eine Chance zu ihrer Erfüllung gewähren.1934 Ist jedoch der Kläger nicht kooperationsbereit, kann das tribunal das Verfahren zu seinen Lasten aufheben (striking out).1935 Jede andere Verfahrenspartei kann – zumindest in einigen Sachbereichen – vom weiteren Verfahren ganz1936 oder teilweise1937 ausgeschlossen werden1938 (barring),1939 wenn sie nicht ko1929 Siehe unten, VII.G., S. 405. 1930 R.5(3)(l) UT-Rules, SI2008/2698. Hier variieren die Regelungen in den Verfahrensordnungen der Kammern des FtT und des UT, da erstere auch die Möglichkeit einer Überprüfung der Entscheidung im Wege des appeal durch das UT sprachlich mit einschließen; siehe beispielhaft r.5(3)(l) HESCC-Rules SI2008/2699. Für die Kammern des UT ist eine inhaltsgleiche Regelung auch noch einmal für die zweitinstanzliche Zuständigkeit des UT gegen Entscheidungen anderer tribunals als des FtT geregelt; siehe r.5(3)(m) UT-Rules SI2008/2698 und r.5(3)(m) UTLC-Rules SI2010/2600. 1931 Siehe r.6(1)-(3) UT-Rules SI2008/2698. 1932 Siehe r.6(4) UT-Rules SI2008/2698.und r.6(7) UTLC-Rules SI2010/2600. Will die andere Partei gegen die Anordnung vorgehen, geschieht dies durch die Beantragung einer weiteren Anordnung zur Aufhebung, Veränderung oder Suspendierung der ersten Anordnung. R.6(5)UT-Rules, SI2008/2698 bzw. r.6(8)UTLC-Rules SI2010/2600. 1933 R.7(1) UT-Rules, SI2008/2698. 1934 R.7(2)(a) und (b) UT-Rules, SI2008/2698. 1935 Siehe r.7(2)(c) UT-Rules SI2008/2698 bzw. r.7(2)(d)UTLC-Rules SI2010/2600. 1936 Siehe etwa r.7(e) GRC-Rules, SI2009/1976 (»barring or restricting a party’s participation«) und 7(3) UTLC-Rules SI2010/2600, wobei bei der letztgenannten der Ausschluss der Partei u. U. sogar automatisch erfolgt – hier hat das UT lediglich darüber zu entscheiden, ob eine Partei wieder zum Verfahren zugelassen wird oder nicht. 1937 Ein teilweiser Ausschluss (»restricting a party’s participation«) ist nach r.7(2)(d) TC-
Der gemeinsame Kern der Verfahrensregeln
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operationsbereit ist. Beide Möglichkeiten stellen allerdings angesichts der bedeutenden Auswirkungen auf die Position der entsprechenden Parteien nur die ultima ratio dar.1940 Die Kammern des FtT haben außerdem die Möglichkeit, die Nichtbeachtung bestimmter Verfahrensanordnung des tribunal, insb. Zeugenladungen,1941 aber auch Aufforderungen zur Vorlage oder Zugänglichmachung von Dokumenten oder Beweisstücken1942 oder zur Ablegung eines Eides,1943 dem UT zur Kenntnis zu bringen, welches sodann seinerseits über die Verhängung einer Sanktion wegen eines contempt (of court) befinden kann1944 – darauf wird an anderer Stelle noch näher eingegangen.1945 Wie schon angedeutet, hat ein tribunal die Möglichkeit, dem Kläger die Weiterbetreibung seiner Klage zu verweigern und das Verfahren aufzuheben (striking out).1946 Genauso kann der Beklagte oder eine andere Verfahrenspartei vom Verfahren ausgeschlossen werden (barring).1947 Anders als das barring hat das striking out aber nicht nur eine disziplinierende Funktion gegenüber den Parteien, sondern soll auch die Ressourcen des tribunal (und letztlich auch des
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1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946
1947
Rules, SI2009/273 und r.7(2)(e) HESC-Rules SI2008/2699 möglich; siehe aber auch nächste Fußnote, Fn. 1938. Die Möglichkeit zum Ausschluss einer Partei aus dem Verfahren besteht nicht in mental health-Fällen; siehe r.7(d) UT-Rules, SI2008/2698 und r.7(e) HESC-Rules SI2008/2699. Auch in den SEC-Rules SI2008/2685 und den WPAFCC-Rules SI2008/2686 findet sich keine entsprechende Bestimmung zur Beschränkung der Teilnahmemöglichkeit einer Person. Siehe zu dieser Sanktion und deren Zurücknahme auch unten, bei Fn. 1947 und 1956. Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 12.27 ff. Siehe r.7(3)(a)(b) und (d) SEC-Rules, SI2008/2685; r.7(3)(a)(b) und (d) HESCC-Rules, SI2008/2699; GRC-Rules, 2009/1976; r.7(3)(a)(b) und (d) WPAFCC-Rules, SI2998/2686; r.7(3)(a)(b) und (d) TC-Rules, SI2009/273. Siehe r.7(3)(e) und (f) SEC-Rules, SI2008/2685; r.7(3)(e) und (f) HESCC-Rules, SI2008/ 2699; r.7(3)(e) und (f) GRC-Rules, 2009/1976; r.7(3)(e) und (f) WPAFCC-Rules, SI2998/ 2686; r.7(3)(e) und (f) TC-Rules, SI2009/273. Siehe r.7(3)(c) SEC-Rules, SI2008/2685; r.7(3)(c)HESCC-Rules, SI2008/2699; r.7(3)(c) GRC-Rules, 2009/1976; r.7(3)(c)WPAFCC-Rules, SI2998/2686; r.7(3)(c)TC-Rules, SI2009/ 273. Siehe r.7(4) UT-Rules SI2008/2698 i. V. m. s.25 TCEA 2007 c.15. Zum »contempt« und den Möglichkeiten des FtT diese zu Nutzen siehe unten, VIII.A.1., S. 478. Dies ist letztlich nichts anderes als der Ausschluss einer Partei vom Verfahren – da es sich aber um den Kläger handelt, endet damit das Verfahren zugleich gänzlich: Die Möglichkeit, den Kläger (von seinem eigenen Verfahren) »auszuschließen« ergibt keinen Sinn. Anders als bei den ordentlichen Gerichten ist den tribunals die Kompetenz hierzu nicht inhärent, sie musste also ausdrücklich gesetzlich geregelt werden; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 12.22 m.w.N. Dieser Begriff findet sich erst in den Vorschriften zur Aufhebung der Sanktion; siehe r.8 (7)(a) UT-Rules SI2008/2698; r.7(3) UTLC-Rules SI2010/2600; r.8(8)(a) HESC-Rules SI2008/2699; r.8(7)(a)GRC-Rules, SI2009/1976; r.8(7)(a) TC-Rules SI2009/273; r.8(7)(a) SEC-Rules SI2008/2685; r.8(7)(a) WPAFCC-Rules SI2008/2686.
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Klägers) schützen, da ein striking out auch möglich ist, wo eine Klage keinerlei Aussicht auf Erfolg bietet1948 oder das tribunal nicht zuständig ist.1949 In der Regel ist ein striking out zur Disziplinierung des Klägers nur möglich, wenn das tribunal dies angedroht hat – ein striking out kann das tribunal also etwa als Sanktion für die Nichtbeachtung einer Anordnung ankündigen; wird dann gegen die Anordnung verstoßen, kann das tribunal darüber entscheiden, ob es seine ausgesprochene Androhung wahrmacht.1950 Eine Androhung ist aber nicht nötig, wenn das tribunal zu dem Ergebnis kommt, dass der Kläger zu einem solchen Grade nicht kooperationsbereit ist, dass es das Verfahren nicht fair und angemessen weiterführen kann.1951 Das tribunal kann aber auch gleich zusammen mit der eigentlichen Anordnung androhen, dass die Rechtsfolge des striking out automatisch eintritt, wenn der Kläger die Anordnung nicht befolgt.1952 Außerdem ist das tribunal unabhängig von dieser disziplinierenden Funktion des striking out verpflichtet, das Verfahren aufzuheben, wenn es keine Entscheidungszuständigkeit (jurisdiction) hat und kein Transfer an ein anderes Organ in Betracht kommt.1953 Es ist fraglich, ob diese Möglichkeit tatsächlich von den Ermächtigungsgrundlagen für die Schaffung der Verfahrensregeln im TCEA 2007 c.15 gedeckt ist, da diese eine ausdrückliche Regelung zur Möglichkeit des striking out nicht vorsehen: Da die Frage, ob jurisdiction vorliegt oder nicht, mitunter erst nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage zu beantworten sein kann, ist die Rechtsfolge, dass eine Fehlentscheidung des tribunal hierüber das sofortige Ende des Verfahrens zur Folge hätte, eine große
1948 Siehe r.8(3)(c) UTLC-Rules SI2010/2600; r.8(4)(c) HESC-Rules SI2008/2699; r.8(3)(c) GRC-Rules, SI2009/1976; r.8(3)(c) TC-Rules, SI2009/273; r.8(3)(c) SEC-Rules SI2008/ 2685; r.8(3)(c) WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.8(3)(c) UT-Rules, SI2008/2698, letztere allerdings mit der Ergänzung, dass dies nicht gilt für die Überprüfung der Entscheidungen anderer tribunals und die Verfahren des gesetzlichen »JR« (dazu siehe im Einzelnen unten, VII.G.3., S. 452). 1949 Dazu siehe unten, bei Fn. 1953. 1950 Siehe r.8(3)(a) UT-Rules, SI2008/2698; r.8(4)(a) HESCC-Rules SI2008/2699; r.8(3)(a) GRC-Rules, SI2009/1976; r.8(3)(a) TC-Rules, SI2009/273; r.8(3)(a) SEC-Rules, SI2008/ 2685; r.8(3)(a) WPAFCC-Rules SI2008/2686. 1951 Siehe r.8(3)(b) UT-Rules, SI2008/2698; r.8(3)(b) UTLC-Rules SI2010/2600; r.8(4)(b) HESCC-Rules SI2008/2699; r.8(3)(b) GRC-Rules, SI2009/1976; r.8(3)(b) TC-Rules, SI2009/ 273; r.8(3)(b) SEC-Rules SI2008/2685; r.8(3)(b) WPAFCC-Rules SI2008/2686. 1952 Siehe r.8(2) HESC-Rules SI2008/2699; r.8(1)GRC-Rules, SI2009/1976; r.8(1) TC-Rules, SI2009/273; r.8(1)SEC-Rules SI2008/2685; r.8(1) WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.8(1) UTLC-Rules SI2010/2600. In diesem Fall findet eine eigenständige Entscheidung des tribunal über die Rechtsfolge des »striking out« nicht mehr statt. 1953 Siehe r.8(2) UT-Rules, SI2008/2698; r. 8(3) HESCC-Rules, SI2008/2966; r.8(2) GRC-Rules, SI2009/1976, r.8(2) TC-Rules, SI2009/273; r.8(2) SEC-Rules, SI2008/2685; r.8(2) WPAFCCRules SI2008/2686; r.8(2) UTLC-Rules, SI2010/2600.
Der gemeinsame Kern der Verfahrensregeln
373
Gefahr für den Kläger, deren Rechtfertigung wohl der Schaffung einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage bedurft hätte.1954 In den Fällen, in denen die Rechtsfolge des striking out nicht zur effektiven Durchsetzung einer Anordnung bereits als automatische Folge angedroht wurde, ist der vom Ausschluss bedrohten Partei zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.1955 Außerdem ist es möglich, das Verfahren wieder in vollem Umfang in Gang zu setzen, d. h. sowohl die Klage des Klägers wieder aufzunehmen (reinstatement) bzw. eine vom Verfahren ausgeschlossene Partei wieder zu diesem zuzulassen (lifting the bar), wenn dieses schriftlich innerhalb einer Frist beantragt wird.1956
4.
Zulassung und Austausch von Parteien
Alle Kammern der tribunals können zusätzliche Parteien zum Verfahren zulassen oder jede bereits am Verfahren teilnehmende Partei gegen eine andere austauschen.1957 In einigen Fällen ist ausdrücklich geregelt, dass nicht am Ver1954 Allenfalls könnte die Kompetenz zur Schaffung einer solchen Verfahrensregel in sch.5 para 16 TCEA 2007 c.15 gesehen werden (siehe oben, bei Fn. 1907). Ob diese Vorschrift aber die Kompetenz zum striking out umfasst, ist fraglich, da diese wohl keine, für die Durchführung der Verfahren notwendige Kompetenz darstellt; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 12.33, der anmerkt, dass dem Kläger durch den automatischen Wegfall des Verfahrens – also ohne Notwendigkeit einer eigenständigen Entscheidung durch das tribunal – die Möglichkeit zum appeal genommen wird, da diese nur gegen eine als solche zu identifizierende Entscheidung besteht. Ob sich das UT allerdings durch eine solche Argumentation daran hindern lassen wird, den Ausschluss eines Verfahrens aufgrund vermeintlich fehlender jurisdiction einer Prüfung im appeal zu unterziehen, bleibt abzuwarten. 1955 R.8(4)UT-Rules, SI2008/2698 (L.15); r.8(5) HESC-Rules SI2008/2699; r.8(4) GRC-Rules, SI2009/1976; r.8(4) TC-Rules, SI2009/273; r.8(4); SEC-Rules, SI2008/2685; r.8(4) WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.8(4) UTLC-Rules, SI2010/2600. Für die Stellungnahme ist dabei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder Anhörung nicht mehr erforderlich; dies wird in den Vorschriften zur Durchführung der mündlichen Anhörung (zu diesen siehe unten, Fn. 1995) ausdrücklich klargestellt. 1956 Siehe r.8(6), (7) und (8) HESCC-Rules, SI2008/2966; r.8(5), (6) und (7) UT-Rules, SI2008/ 2698 (L.15); r.8(5), (6) und (7) GRC-Rules, SI2009/1976; r.8(5), (6) und (7)TC-Rules, SI2009/273; r.8(5), (6) und (7) SEC-Rules SI2008/2685 (L.13); r.8(5), (6) und (7) WPAFCCRules SI2008/2686; siehe zum Ganzen auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 12.46 f. Die Frist beträgt in der Regel 28 Tagen seit Ergehen der Entscheidung; eine besondere Regelung findet sich hierzu in r.8(5) und (6) UTLC-Rules, SI2010/2600, nach der die Frist nur 14 Tage beträgt. 1957 Siehe r.9 UT-Rules, SI2008/2698; r.9 GRC-Rules, SI2009/1976; r.9 UTLC-Rules SI2010/ 2600, nach denen die Möglichkeiten der Zulassung, des Austausches und der Entlassung (gemeint sind hier weder barring noch striking out) einer Partei aus dem Verfahren im Ermessen des tribunal steht, sofern sich deren Beteiligung nicht bereits aus einer Vorschrift des materiellen Rechts zwingend ergibt. In den anderen Kammern ist die Mög-
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
fahren Beteiligte einen Antrag an das tribunal auf Beitritt zum Verfahren1958 bzw. Austausch gegen eine Verfahrenspartei stellen können.1959 Insb. die Möglichkeit zum Austausch einer Verfahrenspartei gestattet dem tribunal, auf die Benennung eines falschen Beklagten durch den Kläger1960 oder auf einen zwischenzeitlichen Wechsel des Beklagten – bei Wirtschaftsunternehmen etwa aufgrund einer Veränderung der Inhaberschaft – zu reagieren.1961
5.
Zustellung von Dokumenten und Offenlegung von Informationen
Die Verfahrensregeln treffen weitgehend einheitliche Regelungen zur Zustellung von Dokumenten und elektronischer Kommunikation;1962 für die UTLC wird darüber hinaus vorgeschrieben, dass die Zustellung eines Dokuments durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.1963 Differenzierter hingegen
1958
1959
1960
1961 1962
1963
lichkeit des Austausches daran geknüpft, dass eine Verfahrenspartei von vornherein falsch bezeichnet bzw. als solche angegeben war oder sich zwischenzeitlich die Umstände verändert haben und dadurch auch andere Verfahrensparteien in das Verfahren eingesetzt werden; siehe r.9(1) HESCC-Rules, SI2008/2966; r.9(1) SEC-Rules SI2008/2685; r.9(1) TCRules, SI2009/273; r.9(1) WPAFCC-Rules SI2008/2686. R.9(3) TC-Rules, SI2009/273. Lehnt das tribunal den Antrag auf Beitritt zum Verfahren ab, muss es zumindest entscheiden, ob dem Antragsteller gestattet wird, zu einzelnen Punkten Stellung zu nehmen und Tatsachen- und Rechtsausführungen zu machen; siehe r.9(4) TCRules, SI2009/273. Siehe r.9(3) UTLC-Rules SI2010/2600; r. 9(3) GRC-Rules, SI2009/1976; r.9(3) UT-Rules SI2008/2698, mit einer Sonderregelung für die Zulassung des britischen Vertreters des UN-Flüchtlingskommissars in allen asylrechtlichen Fällen; siehe r.9(5) und (6) UT-Rules SI2008/2698. Siehe BT Trasporti Srl (In Liquidation) v. Director of Border Revenue [2010] UKFTT 287 (TC) (FTT (Tax)), para. 12 per Mosedale J: Hier war die Klage hinsichtlich zwei von drei Punkten gegen einen falschen Beklagten gerichtet worden, der dies aber nicht vortrug, sondern sachlich auf die Klage einging, weshalb das tribunal von sich aus den richtigen Beklagten an dessen Stelle setzte. Letzteres klingt zumindest an in der Entscheidung BAA Ltd v. Revenue and Customs Commissioners [2010] UKFTT 43 (TC), para. 165 per Kempster J. Neben der Zustellung von Schriftstücken per Post, Boten oder Fax ist auch die Zustellung per Email gestattet, ohne dass diese an besondere technische Anforderungen (etwa eine elektronische Signatur o. ä.) gebunden wäre. Dabei ist Zustellung per Fax oder Email für alle Verfahrensparteien und das tribunal selbst bereits möglich, wenn eine Partei eine Faxnummer oder Email-Adresse als Korrespondenzadresse angibt; siehe nur r.13(2) UTRules SI2008/2698, allerdings mit der Maßgabe, dass der Empfänger einer Email vom Absender verlangen kann, deren Inhalt noch einmal in schriftlicher Form zugestellt zu bekommen; siehe nur r.13(4)UT-Rules SI2008/2698. Außerdem kann eine bestimmte Kommunikationsform auf Verlangen nur einer Partei des Verfahrens ausgeschlossen werden; siehe nur r. 12(3) UT-Rules, SI2008/2698; zuletzt findet sich hier auch eine Vermutungsregelung zur Richtigkeit von einmal angegebenen Adressen der Verfahrensparteien; siehe r.13(5) UT-Rules SI2008/2698. Siehe r.14 UTLC-Rules SI2010/2600 – Dies ist möglich, wenn die Zustellung eines Doku-
Der gemeinsame Kern der Verfahrensregeln
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sind die Regelungen zum Umgang mit Dokumenten und den darin enthaltenen Informationen: Alle tribunals haben die Möglichkeit, die Veröffentlichung von Dokumenten oder bestimmten Informationen bzw. deren Weitergabe an Dritte zu untersagen und alle dafür notwendigen Anordnungen zu treffen, insb. wenn sonst die Identifikation einer Verfahrenpartei durch Außenstehende möglich wäre und dies verhindert werden soll.1964 Für die meisten Kammern gibt es außerdem Vorschriften, die dem tribunal ermöglichen, auf Antrag einer Partei die Preisgabe von Informationen und Dokumenten an eine bestimmte Person oder an eine bestimmte Partei auszuschließen;1965 zugleich kann das tribunal aber die Offenlegung an einen Prozessvertreter der Partei (representative – dazu im Einzelnen auch unten1966) zulassen, wenn es dies im Interesse der so vertretenen Partei für notwendig hält – für den Vertreter besteht dann die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Informationen weder direkt noch indirekt an die von ihm vertretene Partei gelangen, sofern das tribunal nicht zugestimmt hat.1967 Darüber hinaus finden sich einige sachbereichsspezifische Regelungen, die noch speziellere Anforderungen an die Geheimhaltung stellen.1968
1964 1965
1966 1967 1968
ments oder Bekanntgabe einer Information an eine Person nicht möglich ist, weil diese trotz Suche unauffindbar bleibt, verstorben ist oder ein anderer Grund besteht, warum diese Person nicht erreichbar ist. Siehe r.14(1) UT-Rules SI2008/2698; r.14(1)HESC-Rules SI2008/2699; r.14(1) GRC-Rules, SI2009/1976; r.14(1) TC-Rules, SI2009/273; r.14(1) WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.15(1) UTLC-Rules SI2010/2600. Letzteres geschieht dadurch, dass die Partei, die bestimmte Informationen für schützenswert hält, beim tribunal die Erlaubnis beantragen kann, diese in den Unterlagen unkenntlich zu machen oder zu entfernen; dem tribunal werden dann die ungekürzten und die gekürzten Versionen vorgelegt zusammen mit einer Begründung dafür, warum eine Weitergabe nicht stattfinden soll. Auch kann das tribunal von sich aus anordnen, dass bestimmte Informationen nicht an bestimmte Personen weitergegeben werden dürfen, wenn es davon ausgeht, dass dies die Weitergabe der betreffenden Information für eine Person (inkl. den möglichen Empfänger der Information) Schaden (»serious harm«) anrichten würde; siehe zum Ganzen r.14(2) und (3) UT-Rules SI2008/2698; r.14(2) und (3) HESC-Rules SI2008/2699; r.14(2) und (3) GRC-Rules, SI2009/1976 (L.20); r.14(2) und (3) SEC-Rules, SI2008/2685; r.14(2) und (3) WPAFCC-Rules SI2008/2686. In einigen Verfahrensordnungen ist die Pflicht des tribunal, in seinen Verfahren einer einmal getroffenen Geheimhaltungsanordnung Rechnung zu tragen, noch einmal ausdrücklich normiert; siehe r.13(4) HESC-Rules SI2008/2699; r.13(4) SEC-Rules SI2008/2685; r.13(4) WPAFCCRules SI2008/2686 sowie ähnlich r.14(10) GRC-Rules, SI2009/1976 und r.14(11) UT-Rules SI2008/2698. Siehe VII.H.1.a), S. 470. Siehe r.13(5) und (6) UT-Rules, SI2008/2698; r.13(5) und (6) HESC-Rules SI2008/2699; r.13 (5) und (6) SEC-Rules SI2008/2685; r.13(5) und (6) WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.13(4) und (5) GRC-Rules, SI2009/1976. Siehe etwa r.14(7) UT-Rules SI2008/2698 und r.14(7) HESC-Rules SI2008/2699 für mental health-Fälle sowie r.14(9) GRC-Rules, SI2009/1976 und r.14(10) UT-Rules SI2008/2698 für Fälle, in denen Fragen der nationalen Sicherheit berührt sein können – das wird im Rahmen der GRC in erster Linie Fälle von National Security Certificates (dazu oben, bei Fn. 1323) betreffen, im UT aber u. U. auch einige asylrechtliche Fälle (zum besonderen
376 6.
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Zulassung und Anforderung von Beweismitteln und rechtlichen Ausführungen
Weitgehend einheitliche Vorschriften treffen die Verfahrensregeln auch hinsichtlich Beweismitteln (d. h. Zeugen, Urkunden und Sachverständigen, wobei insb. die Ladung von Zeugen und Sachverständigen nochmals gesondert geregelt ist1969) und rechtlichem Vorbringen (submissions): Das tribunal kann Anordnungen treffen zu allen Fragen, hinsichtlich derer es weitere Informationen für erforderlich hält, wobei es die Art des benötigten Beweismittels sowie den Zeitpunkt der Beibringung dieses Beweismittels in das Verfahren vorschreiben kann.1970 Insb. kann es auch Anordnungen treffen darüber, ob es den Parteien gestattet ist oder sie gar verpflichtet sein sollen, hinsichtlich bestimmter Fragen einen – ggf. von beiden Parteien gemeinschaftlich – zu berufenden Sachverständigen einzuschalten.1971 In diesen Vorschriften, die in erster Linie Anordnungen über Beweiserhebungen an die Parteien regeln, äußern sich also die Möglichkeiten des tribunal zur Anstellung eigener Ermittlungen (und damit der sogleich noch näher geschilderte inquisitorial bzw. enabling approach)1972 ; das tribunal bestimmt auf dieser Ebene, welche Beweismittel es überhaupt für notwendig hält. Andere Vorschriften regeln dann die Kompetenzen des tribunal zur tatsächlichen Einholung der Beweismittel.1973 So kann etwa die Anzahl der Zeugen, die zu einer Frage oder insgesamt von einer Partei bestellt werden können, durch
1969 1970
1971
1972 1973
Zusammenhang von nationaler Sicherheit und Asylrecht sowie zur Rolle der SIAC, siehe bei Fn. 1568). Dazu siehe sogleich, bei Fn. 1984. Siehe r.15(1), (a), (b), (e) und (f) UT-Rules SI2008/2698; r.16(1), (a), (b), (e) und (f) UTLCRules SI2010/2600; r.15(1), (a), (b), (e) und (f) HESC-Rules SI2008/2699; r.15(1), (a), (b), (e) und (f) TC-Rules, SI2009/273; r.15(1), (a), (b), (e) und (f) SEC-Rules SI2008/2685; r.15 (1), (a), (b), (e) und (f) WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.15(c), (d), (g) und (h) GRC-GRCRules, SI2009/1976. Siehe r.15(1)(c) UT-Rules SI2008/2698; r.16(1)(c) UTLC-Rules SI2010/2600; r.15(1)(c) HESC-Rules SI2008/2699; r.15(1)(c) TC-Rules SI2009/273; r.15(1)(c)WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.15(1)(c) SEC-Rules SI2008/2685, die allerdings die Möglichkeit, die Parteien zur Einigung auf einen von beiden zu bestellenden Sachverständigen nicht vorschreibt. In der UTLC, in der die Fragen insb. im Zusammenhang mit dem Wert eines Grundstücks besonders häufig auftauchen und daher die Hinzuziehung externen Sachverstands besonders häufig vorkommen wird, sind die Regelungen zum Einsatz von Sachverständigen entsprechend detaillierter. Zusätzlich zu den allgemeineren Regeln in r.16 UTLC-Rules, SI2010/2600 findet sich für den Einsatz von Sachverständigen eine eigene, detaillierte Vorschrift in r.17 UTLC-Rules, SI2010/2600. Insb. wird darin noch einmal herausgestellt, dass der eingeschaltete Experte vor allem dem tribunal und der Wahrheitsfindung zu dienen hat, nicht der Partei bzw. den Parteien, die ihn einschaltet bzw. einschalten. Dazu siehe unten, VII.E., S. 394. Zu diesen Vorschriften siehe unten, bei Fn. 1984ff.
Der gemeinsame Kern der Verfahrensregeln
377
das tribunal beschränkt werden;1974 um deren Glaubwürdigkeit zu steigern, können die Zeugen vereidigt werden.1975 Besondere Befugnisse zur Gewinnung von Informationen von Seiten der Parteien finden sich außerdem noch für die GRC, die insb. den Austausch von Dokumenten zwischen den Parteien sowie die Anfertigung einer gemeinsamen Erklärung über unstreitige Fragen fordern kann1976 sowie für die HESC für SEN-Fälle.1977 Eine besondere Vorschrift regelt auch die Möglichkeit zu Inspektionen von Gebäuden und Grundstücken durch die UTLC.1978 Weitgehend einheitlich sind auch die allgemeinen Regelungen zur Zulassung und zum Ausschluss von Beweisen;1979 alle tribunals können Beweismittel unabhängig davon zulassen, ob diese in einem Zivilverfahren zugelassen werden könnten – darin äußert sich die Nichtgeltung der starren Regeln des Beweisrechts.1980 Grds. ist für die Zulassung eines Beweismittels auch unerheblich, ob 1974 R.15(1)(d) UT-Rules SI2008/2698; r.16(1)(d) UTLC-Rules SI2010/2600; r.15(1)(d) HESCRules SI2008/2699; r.15(1)(d) TC-Rules SI2009/273; r.15(1)(d) SEC-Rules SI2008/2685; r.15(1)(d) WPAFCC-Rules SI2008/2686. 1975 R.15(3) UT-Rules SI2008/2698; r.15(3) HESC-Rules SI2008/2699; r. 15(3) GRC-Rules, SI2009/1976; r.15(3) TC-Rules, SI2009/273; r.15(3) SEC-Rules, SI2008/2685; r.15(3) WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.16(3)UTLC-Rules, SI2010/2600, wobei hier auch die Ausgestaltung einer Zeugenaussage noch näher vorgeschrieben ist; siehe r.16(4) und (5) UTLC-Rules SI2010/2600. 1976 Siehe r.15(1)(a) und (b) GRC-Rules, SI2009/1976 – insb. letztere Kompetenz erinnert dabei stark an das case stated-Verfahren; dazu siehe schon oben, bei Fn. 826. 1977 Zu SEN-Fällen siehe schon oben, V.B.3.a), S. 257. In diesem Bereich kann das tribunal insb. von den Eltern eines Kindes fordern, dass sie dieses einer Untersuchung durch einen vom tribunal zu bestimmenden Sachverständigen zuführen sowie von einer Schule, dass sie einem solchen Sachverständigen den Zugang zu ihren Räumlichkeiten ermögliche; siehe r.15(4) und (5) HESCC-Rules SI2008/2699. 1978 Siehe r.19 UTLC-Rules SI2010/2600. 1979 Die gesonderte Regelung dieser Sachbereiche setzt denknotwendig voraus, dass diese von den Parteien beigebracht wurden, worin sich zugleich die eher kontradiktorische Seite der Verfahren äußert. 1980 Dazu siehe schon oben, bei Fn. 1900. Die strikten Regeln des »law of evidence« galten auch bisher nur eingeschränkt in tribunals; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 785; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.38: So waren tribunals etwa nicht gehindert, Hörensagensbeweise zu berücksichtigen, was in einem gerichtlichen Verfahren nicht möglich wäre; siehe die Entscheidung R. v. Hull Prison Visitors Ex p. St. Germain (No. 2) [1979] 1 WLR 1401, in der ein Beweis vom Hörensagen vor einem tribunal zugelassen wurde, welches über disziplinarrechtliche Maßnahmen in einem Gefängnis zu befinden hatte – allerdings hob das Gericht die Entscheidung dennoch auf, weil der Gegenpartei nicht die Gelegenheit gegeben wurde, den Zeugen vom Hörensagen ins Kreuzverhör zu nehmen. Das soll jedoch nicht heißen, dass alle Beweismittel, die in einem Gerichtsverfahren nicht zulässig wären, stets in ein Tribunalsverfahren eingebracht werden können (siehe Cane, Administrative Law, 5th ed. 2011, S. 334) – so kann wohl als gesichert gelten (obgleich dies bisher nicht direkt für tribunals entschieden wurde), dass Beweismittel, die unter Verstoß gegen das »legal professional privilege«, also den Geheimhaltungsschutz für die Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant gewonnen
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
dieses bereits dem Entscheidungsträger der Vorinstanz – also beim FtT der Behörde, die die Ausgangsentscheidung getroffen hat, beim UT dem FtT oder anderen tribunals – zugänglich war oder nicht.1981 Auch kann das tribunal ansonsten zulässige Beweismittel ausschließen, wenn diese entgegen einer Anordnung oder entgegen den Vorschriften in einer practice direction1982 in das Verfahren eingebracht wurden.1983
7.
Gewinnung von Informationen und Beweismitteln
Eine andere Gruppe von Vorschriften behandelt demgegenüber die Möglichkeiten der tatsächlichen Gewinnung der notwendigen Erkenntnisse und regelt die Kompetenzen des tribunal auch gegenüber Personen außerhalb des Verfahrens: Also insb. die Kompetenz des tribunal, Zeugen vorzuladen (summon) bzw. die Beantwortung von Fragen oder Herstellung von Dokumenten zu verlangen.1984 Dies kann das tribunal grds. von jeder Person verlangen, sofern die
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wurden, nicht in das Verfahren eingebracht werden dürfen; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 10.48 ff. Die eingeschränkte Geltung der Regeln des law of evidence bedeutet damit nur, dass bestimmte Beweismittel nicht von vornherein ausgeschlossen sind. Es ist davon auszugehen, dass diese flexible Handhabung des Beweisrechts auch durch die Bestimmungen der Verfahrensordnungen beibehalten werden sollte. Diese differenzieren dabei – entsprechend der potentiellen, örtlichen Zuständigkeit der jeweiligen Kammer – hinsichtlich der Zulassungsfähigkeit eines Beweises im Vereinigten Königreich oder in England und Wales (womit sie auf evtl. abweichende Handhabungen insb. im schottischen Recht Rücksicht nehmen): Siehe r.15(2)(a)(i) UT-Rules SI2008/2698 (Vereinigtes Königreich); r.16(2)(a)(i) UTLC-Rules SI2010/2600 (England und Wales); r.15(2)(a)(i) HESC-Rules SI2008/2699 (England und Wales); r.15(2)(a)(i) GRC-GRCRules, SI2009/1976 (Vereinigtes Königreich); r.15(2)(a) TC-Rules, SI2009/273 (Vereinigtes Königreich); r.15(2)(a)(i) SEC-Rules SI2008/2685 (Vereinigtes Königreich); r.15(2)(a)(i) WPAFCC-Rules SI2008/2686 (England und Wales). Siehe r.15(2)(a)(ii) UT-Rules SI2008/2698; r.16(2)(a)(ii) UTLC-Rules SI2010/2600; 15 (2)(a)(ii) HESC-Rules SI2008/2699; r.15(2)(a)(ii) GRC-Rules, SI2009/1976; r.15(2)(a)(ii) SEC-Rules SI2008/2685; r.15(2)(a)(ii) WPAFCC-Rules SI2008/2686; nur für die TC findet sich keine entsprechende Regel. Für das UT findet sich diesbezüglich eine Sonderregel für asylrechtliche Fälle; siehe r.15(2 A) UT-Rules, SI2008/2698. Practice directions, die Vorschriften zur Beibringung von Beweismitteln bzw. Unterlagen enthalten, sind etwa Senior President of Tribunals, Practice Direction – FtT HESCC Mental Health Cases, 2008 oder Senior President of Tribunals, Practice Direction – HESCC SEN & Disability Discrimination in School Cases, 2008. Siehe r.15(2)(b) UT-Rules SI2008/2698; r.16(2)(b) UTLC-Rules SI2010/2600; r.15(2)(b) HESC-Rules SI2008/2699; r.15(2)(b) GRC-Rules, SI2009/1976; r.15(2)(b)TC-Rules, SI2009/273; r.15(2)(b)SEC-Rules SI2008/2685; r.15(2)(b) WPAFCC-Rules SI2008/2686. Die Vorschriften zur verbindlichen Ladung von Zeugen spiegeln in ihrer sprachlichen Abfassung den jeweiligen örtlichen Zuständigkeitsbereich der entsprechenden Kammer wider, da eine Vorladung im Rechtssinne in Schottland »citation«, in allen anderen Teilen des Vereinigten Königreichs »summon« genannt wird. Die Ladung eines Zeugen (nicht der Partei) muss in der Regel 14 Tage vor dem Aussagetermin erfolgen und muss angeben,
Der gemeinsame Kern der Verfahrensregeln
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angeforderte Information bzw. die von der Person zu gewinnende Aussage auch in einem Gerichtsverfahren hätte verlangt werden können.1985 Die Vorladung muss eine Belehrung enthalten, dass der Empfänger bei dem ladenden tribunal eine Veränderung oder Aufhebung der Ladung beantragen kann, sofern der Zeuge zuvor keine Möglichkeit hatte, sich zur Ladung durch das tribunal zu äußern; außerdem muss die Ladung bereits angeben, welche Konsequenzen bei deren Nichtbeachtung drohen.1986
8.
Klagerücknahme bzw. Anerkenntnis (withdrawal)
Alle Verfahrensordnungen enthalten Vorschriften zur Beendigung des Verfahrens durch Aufgabe einer der beiden Parteien, also – nach deutschem Verständnis im weitesten Sinne zur Rücknahme der Klage bzw. zum Anerkenntnis des Beklagten. Beides wird mit dem Begriff withdrawal bezeichnet: Dieser Begriff wird dabei nicht definiert, sondern vorausgesetzt.1987 Ein withdrawal ist nicht immer möglich,1988 sondern bedarf in den meisten Fällen der Zustimmung des tribunal1989– darin kommt zum Ausdruck, dass die Beendigung des Verfahrens nicht nur dem Interesse der jeweils anderen Partei zuwiderlaufen kann, sondern auch, dass u. U. ein öffentliches Interesse, welches das tribunal zu
1985 1986
1987 1988 1989
dass mögliche Unkosten für die Anwesenheit des Zeugen übernommen werden und von wem: siehe r.16(1) und (2) UT-Rules SI2008/2698; r.18(1) und (2) UTLC-Rules, SI2010/ 2600; r.16(1) und (2) HESC-Rules SI2008/2699; r.16(1) und (2) GRC-Rules, SI2009/1976; r.16(1) und (2) TC-Rules, SI2009/273; r.16(1) und (2) SEC-Rules SI2008/2685; r.16(1) und (2) WPAFCC-Rules SI2008/2686. Siehe r. 16(3) UT-Rules, SI2008/2698; r.18(3) UTLC-Rules SI2010/2600; r.16(3) HESCRules SI2008/2699; r.16(3)GRC-Rules, SI2009/1976; r.16(3)TC-Rules, SI2009/273; r.16(3) SEC-Rules SI2008/2685; r.16(3)WPAFCC-Rules SI2008/2686. Siehe r.16(6) UT-Rules SI2008/2698; r.18(6) UTLC-Rules SI2010/2600; 16(4) HESC-Rules SI2008/2699; 16(4) GRC-Rules, SI2009/1976; 16(4) SEC-Rules SI2008/2685; 16(4) WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.16(6) TC-Rules SI2009/273 – für einige Kammern ist für die Stellung dieses Antrages durch den geladenen Zeugen angeordnet, dass er so bald wie möglich nach Erhalt der Vorladung zu erfolgen hat; siehe r.16(4) und (5) UT-Rules SI2008/ 2698, r.18(4) und (5) UTLC-Rules SI2010/2600; r.16(4) und (5) TC-Rules, SI2009/273. Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 12.50. Etwa nicht in bestimmten mental health-Verfahren; siehe r.17(3) HESC-Rules SI2008/2699 Siehe r.17(2) UTLC-Rules SI2010/2600; r.17(2) GRC-Rules, SI2009/1976; r.17(2) UT-Rules SI2008/2698, mit der Maßgabe, dass die Aufgabe im Verfahren zur Gewährung einer permission to appeal (dazu siehe unten) ohne Zustimmung des tribunal möglich ist; r.17 (2) WPAFCC-Rules SI2008/2686, mit der Maßgabe, dass eine Aufgabe im Rahmen der mündlichen Verhandlung sofortige Wirkung zeigt; r.17(2) HESC-Rules SI2008/2699, mit zwei sachbereichsspezifischen Ausnahmen und r.17(2)SEC-Rules SI2008/2685, mit der Maßgabe, dass die Zustimmung des tribunal nur in zwei genannten Fällen nötig ist. In der TC hat die Aufgabe auch ohne Zustimmung des tribunal sofort Wirkung; siehe r.17 TCRules, SI2009/273.
380
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
wahren hat, an der weiteren Durchführung des Verfahrens bestehen kann.1990 Da der Begriff withdrawal nicht definiert ist, ist auch unklar, welchen Effekt genau ein withdrawal hat, was also etwa geschieht, wenn der Beklagte aufgibt – das tribunal hat damit die Wirkung des withdrawal im Einzelfall zu bestimmen.1991 Jedenfalls kann auch hier die Partei, die die Aufgabe erklärt hat, wieder zum Verfahren zugelassen werden bzw. das Verfahren auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden.1992
9.
Mündliche Verhandlungen
Weitgehend einheitlich geregelt – wenn auch mit erheblich mehr Ausnahmen und Sonderregelungen – sind die Fragen betreffend die Durchführung mündlicher1993 Verhandlungen: Grds. ist eine mündliche Verhandlung durchzuführen, bevor das tribunal eine Entscheidung in der Sache trifft, bzw. eine Entscheidung, durch welche das Verfahren beendet wird;1994 dies gilt nicht, wenn die Parteien einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zustimmen, das tribunal meint, ohne mündliche Verhandlung auskommen zu können oder lediglich eine bereits ergangene Entscheidung im Rahmen eines weiterführenden Verfahrensschritts (self review bzw. permission-Verfahren) überprüft werden soll.1995 1990 Siehe zum Ganzen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 12.61 ff. m. w. N. und Beispielen für Fälle, in denen die Aufgabe einer Partei durch das tribunal versagt wurde. 1991 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 12.50. 1992 Siehe hierzu im Einzelnen r.17(3), (4) und (5) UT-Rules SI2008/2698; r.17(4) und (5) UTLC-Rules SI2010/2600; r.17(4) und (5) HESC-Rules SI2008/2699; r.17(3), (4) und (5) GRC-Rules, SI2009/1976; r.17(3) und (4) TC-Rules, SI2009/273; r.17(3), (4) und (5) SECRules SI2008/2685; r.17(3), (4) und (5) WPAFCC-Rules SI2008/2686. 1993 »Hearing« i. S. d. Verfahrensregeln meint dabei stets eine mündliche Verhandlung im eigentlichen Sinne, was jedoch nicht notwendigerweise die körperliche Anwesenheit aller am Verfahren Beteiligten voraussetzt, sondern auch den Einsatz elektronischer Echtzeitkommunikation umfasst; siehe r.1(3) UT-Rules, SI2008/2698; r.1(3) UTLC-Rules, SI2010/ 2600; r.1(3)GRC-Rules, SI2009/1976; r.1(3) TC-Rules, SI2009/273; r.1(3) HESCC-Rules, SI2008/2966; r.1(3) SEC-Rules SI2008/2685; r.1(3) WPAFCC-Rules SI2008/2686. Ebenfalls nicht umfasst sind »paper hearings«, d. h. ein Treffen der Mitglieder des tribunal, bei dem jedoch die Parteien selbst nicht anwesend sind, sondern ihre Beiträge lediglich als Schriftsatz beibringen, wie es bei einigen anderen tribunals üblich ist; siehe hierzu Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 8.5. 1994 »[…] a decision which disposes of proceedings[…]«; siehe r.23(1) HESCC-Rules, SI2008/ 2699; r.32(1) GRC-Rules, SI2009/1976; r.25(1) WPAFCC-Rules, SI2008/2686; r.29(1) TCRules, SI2009/273; r.27(1) SEC-Rules SI2008/2685. Für die Kammern des UT ist vorgeschrieben, dass diese jegliche Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen können; siehe r.34(1) UT-Rules, SI2008/2698; r.46(1) UTLC-Rules, SI2010/2600. 1995 R.23(1)(a), (b) und (2) HESCC-Rules, SI2008/2699; r.32(1)(a), (b) und (2) GRC-Rules, SI2009/1976; r.25(1)(a), (b) und (2) WPAFCC-Rules, SI2008/2686; r.29(1)(a), (b) und (2)
Der gemeinsame Kern der Verfahrensregeln
381
Die Kammern des UT hingegen sind völlig frei zu entscheiden, ob eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden soll oder nicht.1996 Im sensiblen Bereich des Unterbringungsrechts allerdings gilt wiederum, dass stets eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist.1997 Ergänzend werden weitgehend einheitliche Vorschriften getroffen über das Recht, den mündlichen Verhandlungen beizuwohnen1998 sowie zur Ladung zur Verhandlung.1999 Auch ordnen die Verfahrensregeln an, dass grds. alle Verhandlungen öffentlich stattzufinden haben.2000 Dieser Grundsatz gilt aber nicht in Fällen, in denen Details des körperlichen oder geistigen Zustands einer Person verhandelt werden könnten; hier sind die Verfahren grds. nicht öffentlich, es sei denn, das tribunal hält die Zulassung der Öffentlichkeit ausnahmsweise für erforderlich.2001 In den Fällen, in denen der Grundsatz der Öffentlichkeit greift, sind außerdem noch sachbereichsspezifische Ausnahmetatbestände für einen
1996
1997 1998
1999
2000 2001
TC-Rules, SI2009/273; r.27(1)(a), (b) und (2) SEC-Rules SI2008/2685 mit Sonderregelungen in (4), (5) und (6) zu criminal injuries compensation-Fällen. Für alle Kammern des FtT wird zudem nochmals ausdrücklich klargestellt, dass eine Entscheidung über ein »striking out« (dazu siehe schon oben, bei Fn. 1955) auch ohne mündliche Verhandlung geschehen kann. Siehe r.34 UT-Rules, SI2008/2698 und r.46 UTLC-Rules, SI2010/2600, nach denen für das UT keine Pflicht besteht, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, es jedoch bei der Entscheidung über die Frage, ob eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden soll, Rücksicht auf die Meinung der Parteien nehmen muss. Außer im Rahmen von Entscheidungen im self review bzw. über die permission to appeal; siehe r.35 HESC-Rules SI2008/2699. R.35 UT-Rules SI2008/2698; r. 24 bzw. r.36 HESC-Rules SI2008/2699; r.33 GRC-Rules SI2009/1976; r.30 TC-Rules, SI2009/273; r.28 SEC-Rules SI2008/2685; r.26 WPAFCC-Rules SI2008/2686; ohne entsprechende Regelung IAC-Rules SI2005/230 und UTLC-Rules SI2010/2600. Diese hat in den allermeisten Fällen 14 Tage vorher zu erfolgen; siehe grds. r.36 UT-Rules, SI2008/2698; r.25 HESC-Rules, SI2008/2699; r.34 GRC-Rules, SI2009/1976 ; r.31 TC-Rules, SI2009/273; r.29 SEC-Rules SI2008/2685 mit einzelnen Sonderregeln: In mental healthFällen etwa muss die mündliche Verhandlung spätesten 7 Tage nach Stellung des Antrages auf Überprüfung der angegriffenen Entscheidung erfolgen; siehe r.37 HESC-Rules SI2008/ 2699; in Asylum-Support-Fällen wenigstens einen Tag und spätesten 5 Tage vor der Anhörung; siehe r.29(2)(a) SEC-Rules SI2008/2685. Für das UT ist vorgeschrieben, dass im Falle der Zulassung von gesetzlichen »JR«-Verfahren die Frist zur Ladung wenigstens zwei Arbeitstage betragen muss; siehe r.36(2)(a) UT-Rules SI2008/2698. Weitere Sonderregelungen finden sich außerdem für besonders eilige Fälle im UT in r.36 A UT-Rules SI2008/ 2698; anders wieder r.46 IAC-Rules SI2005/230, in der keine Frist für die Ladung vorgeschrieben ist. R.37(1) UT-Rules, SI2008/2698; r.30(1) UTLC-Rules SI2010/2600; r.26(1) HESC-Rules SI2008/2699; r.35(1) GRC-Rules, SI2009/1976; r.32(1) TC-Rules SI2009/273; r.30(1) SECRules SI2008/2685; r.25(1) WPAFCC-Rules SI2008/2686. R.26(2) für SEN-Fälle und Fälle von disability discrimination (dazu siehe schon oben, V.B.3.a), S. 257); r.38 HESC-Rules SI2008/2699 für mental health-Fälle sowie r.30(2) SECRules SI2008/2685 für criminal injuries-Fälle. In den alten MHRTs wurde in der Regel nicht öffentlich verhandelt, nur in einem von ca. 600 Fällen wurde eine öffentliche Verhandlung durchgeführt; siehe Bartlett/Sandland, Mental Health Law, 3rd ed. 2007, S. 393.
382
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
möglichen Ausschluss der Öffentlichkeit durch das tribunal in dessen Ermessen gestellt, wie im Falle einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die Preisgabe sensibler Geschäftsdaten oder Einblicke in das Familienleben einer Verfahrenspartei im Bereich des Steuerrechts2002 oder in Fällen, die die nationale Sicherheit berühren.2003 Umgekehrt kann aber etwa in einigen Enteignungsfällen in der UTLC die Öffentlichkeit auch nicht ausgeschlossen werden.2004 Jedenfalls kann das tribunal bei Zulassung der Öffentlichkeit bestimmte Personen ausschließen, wenn diese den Ablauf der Verhandlung oder die Vernehmung von Zeugen stören oder dies zu befürchten ist.2005 Ferner ist für alle Kammern grds. die Durchführung der Anhörung in Abwesenheit einer der Parteien möglich: Wenn sichergestellt ist, dass die abwesende Partei über die Durchführung der Verhandlung informiert wurde, kann das tribunal beschließen, »in the interest of justice« in Abwesenheit der fehlenden Partei zu verhandeln; es gelten aber sachbereichsspezifische Ausnahmen.2006
10.
Entscheidungen bzw. Endurteile
Zum gemeinsamen Kern der Verfahrensregeln der tribunals gehören außerdem Regelungen zu den Entscheidungen, die das Verfahren beenden:2007 So kann jede 2002 Siehe etwa r.32(2) TC-Rules, SI2009/273. 2003 Siehe r.37 UT-Rules SI2008/2698 im Falle der Verhandlung eines National Security Certificate (siehe zu diesem schon oben, bei Fn. 1323) oder r.32(2)(a)SEC-Rules SI2008/2685 für alle anderen Fälle, bei denen der Ausschluss der Öffentlichkeit unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses oder der nationalen Sicherheit geboten erscheint. 2004 R.48(3) UTLC-Rules, SI2010/2600. Das gleiche gilt auch, wenn die Parteien die UTLC einvernehmlich als Streitschlichter bestimmt haben; siehe r.48(4) UTLC-Rules, SI2010/ 2600, wobei die Parteien etwas anderes bestimmen können. 2005 Siehe r.37(4) UT-Rules SI2008/2698; r.26(5) HESC-Rules SI2008/2699; r.35(4) GRC-Rules, SI2009/1976; r.32(4) TC-Rules SI2009/273; r.30(5) SEC-Rules SI2008/2685; r.28(4) WPAFCC-Rules SI2008/2686 sowie r.48(6) UTLC-Rules SI2010/2600, allerdings ohne eine Regelung zum Ausschluss wegen möglichen Einflusses auf eine Zeugenaussage. 2006 Siehe r.38 UT-Rules, SI2008/2698; r.49 UTLC-Rules SI2010/2600; r.27 HESC-Rules SI2008/ 2699; r.36 GRC-Rules, SI2009/1976; r.33 TC-Rules SI2009/273; r.31 SEC-Rules SI2008/ 2685; r.29 WPAFCC-Rules SI2008/2686. Dieser Grundsatz gilt so nicht in mental healthFällen, hier kann grds. nicht in Abwesenheit des Patienten, um den es geht, verhandelt werden, es sei denn, dieser wurde medizinisch untersucht und über die Durchführung der Verhandlung informiert und hat – sofern ihm dies möglich ist – frei entschieden, nicht teilzunehmen, oder sein Gesundheitszustand lässt eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung von vornherein nicht zu; siehe r.39(2) HESC-Rules SI2008/2699. 2007 »Decisions which finally dispose of all issues in the proceedings«; siehe r.40(2)UT-Rules, SI2008/2698; r.51(2)UTLC-Rules SI2010/2600; r.30(2)HESC-Rules SI2008/2699; r.30 (2)GRC-Rules, SI2009/1976; r.35(2) TC-Rules, SI2009/273; r.33(2)SEC-Rules SI2008/2685; r.32(2) WPAFCC-Rules SI2008/2686 bzw. »disposing of proceedings« im Rahmen der
Der gemeinsame Kern der Verfahrensregeln
383
Kammer grds. ohne vorherige Durchführung einer mündlichen Verhandlung einen Beschluss über alle Teile eines Verfahrens fassen, die zwischen den Parteien unstreitig sind bzw. alle Bestimmungen treffen, auf die sich die Parteien geeinigt haben.2008 Die Entscheidung bzw. der Entscheidungstenor des tribunal kann im Rahmen der Verhandlung mündlich ergehen.2009 Die Parteien müssen in angemessener Zeit nach Ergehen der Entscheidung eine schriftliche Ausfertigung des Entscheidungstenors erhalten und eine Belehrung darüber, ob und inwiefern gegen die Entscheidung weiter vorgegangen werden kann.2010 Unterschiedlich ausgestaltet sind hingegen die Pflichten zur Begründung der Entscheidungen: Teilweise muss stets in angemessener Zeit nach Ergehen der Entscheidung den Parteien eine ausführliche Begründung übermittelt werden,2011 teilweise kann das tribunal aber auch beschließen, die Gründe für die Entscheidung lediglich summarisch mitzuteilen und dies auch nur, wenn nicht alle Parteien gänzlich auf eine Begründung verzichten.2012 Manche Kammern können ihre Entscheidungen im Rahmen der Verhandlung mündlich begründen2013 und erst auf Antrag der Partei eine schriftliche Begründung erteilen.2014
2008 2009 2010
2011
2012
2013
»consent order« (siehe nächste Fn. 2008). Dies gilt damit auch nicht für Entscheidungen, die im Rahmen oder zur Vorbereitung der weiteren Überprüfung einer Entscheidung ergehen (»self review«; siehe unten, VII.G.1., S. 406 und »permission to appeal«; siehe unten, VII.G.2.a), S. 416). Sog. »consent order«; siehe r.39 UT-Rules, SI2008/2698; r.50 UTLC-Rules SI2010/2600; r.29 HESC-Rules SI2008/2699; r.37 GRC-Rules, SI2009/1976; r.34 TC-Rules SI2009/273; r.32 SEC-Rules SI2008/2685; r.30 WPAFCC-Rules SI2008/2686. Siehe r.40(1) UT-Rules SI2008/2698; r.51(1)UTLC-Rules SI2010/2600; r.30(1) HESC-Rules SI2008/2699; r.38(1) GRC-Rules, SI2009/1976; r.35(1) TC-Rules, SI2009/273; r.33(1)SECRules SI2008/2685; r.31(1)WPAFCC-Rules SI2008/2686. Siehe r.40(2)(a) und (b) UT-Rules SI2008/2698; r.51 (2)(a) und (b) UTLC-Rules SI2010/ 2600; r.30(2)(a) und (c) HESC-Rules SI2008/2699; r.38 (2)(a) und (c) GRC-Rules, SI2009/ 1976; r.35(2)(a) und (b) TC-Rules SI2009/273; r.33(2)(a) und (c) SEC-Rules SI2008/2685; r.31(2)(a) und (c) WPAFCC-Rules SI2008/2686. Allerdings nur soweit, wie keine Informationen, deren Zurückhaltung notwendig ist, (dazu siehe schon oben, bei Fn. 1964ff.) weitergegeben werden; siehe etwa r.30(2)(b) HESC-Rules SI2008/2699; r.38(2)(b) GRC-Rules, SI2009/1976. Die gleiche Regelung gilt auch für asylum support-Fälle; siehe r.34(1) SEC-Rules SI2008/2685. Siehe r. 35(3)TC-Rules, SI2009/273. Erfolgt keine oder nur eine summarische Begründung, hat jede Partei das Recht – und möchte sie gegen die Entscheidung weiter vorgehen sogar die Pflicht – eine ausführliche Entscheidungsbegründung zu beantragen; siehe r.35(4) TCRules, SI2009/273. Der Antrag hat innerhalb von 28 Tagen nach Ergehen der Entscheidung schriftlich zu erfolgen, daraufhin muss das tribunal möglichst innerhalb von 28 Tagen oder sobald sonst möglich dem Antrag entsprechen; siehe r.35(4) und (5) TC-Rules, SI2009/273. Siehe r.34(2)(a) HESC-Rules SI2008/2699, wobei das tribunal auch gleich von sich aus eine schriftliche Entscheidungsbegründung vornehmen kann; siehe r.34(2)(b) HESC-Rules SI2008/2699; r.32(1)(a) und (b) WPAFCC-Rules SI2008/2686. Auch hier gelten für die Beantragung der Entscheidungsbegründung sowie für deren Zurverfügungstellung durch
384
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Die Kammern des UT hingegen haben ihre Entscheidungen bereits zusammen mit der Zustellung des Entscheidungstenors ausführlich schriftlich zu begründen, sofern nicht eine Entscheidungsbegründung aufgrund Einvernehmens der Parteien überflüssig ist.2015 Für alle Kammern finden sich auch weitgehend einheitliche Regelungen zur Kompetenz der tribunals, Entscheidungen, durch welche ein Verfahren beendet wurde, (also insb. ein Endurteil2016) auf Antrag einer Partei wieder aufzuheben.2017 Ein Antrag auf eine solche Aufhebung ist binnen eines Monats nach Ergehen der Entscheidung möglich, die Aufhebung erfolgt jedoch nur, wenn das tribunal diese »in the interest of justice« für notwendig hält2018 und die aufzuhebende Entscheidung von einem gravierenden Verfahrensmakel behaftet ist, wie etwa der Nichtzustellung eines Dokuments oder der Abwesenheit eines Prozessvertreters einer Partei in einer mündlichen Verhandlung.2019
11.
Kosten und Fristen
Unterschiedlich geregelt sind die Verfahrenskosten – hier lassen sich folgende Modalitäten erkennen: In einigen Verfahren können den Parteien keine Kosten auferlegt werden (etwa in mental health-Fällen,2020 sowie in allen Verfahren der SEC und der WPAFCC);2021 in anderen können grds. Kosten auferlegt werden,
2014 2015
2016 2017 2018
2019 2020 2021
das tribunal Fristen; siehe r.34(4) und (5) SEC-Rules SI2008/2685 und r.32(3) und (4) WPAFCC-Rules SI2008/2686. Auf die Möglichkeit einer schriftlichen Begründung hat das tribunal in der schriftlichen Ausfertigung des Entscheidungstenors hinzuweisen; siehe r.33(2)(c) i. V. m. 34(3) SECRules SI2008/2685; r.31(2)(c) i. V. m. 32(2) WPAFCC-Rules SI2008/2686. Es ist damit keine Entscheidungsbegründung erforderlich, wenn die Entscheidung bereits aufgrund Einvernehmens der Parteien zustande gekommen ist oder wenn die Parteien einvernehmlich auf eine Begründung der Entscheidung verzichtet haben; siehe r.40(3) UT-Rules SI2008/2698 mit sachbereichsspezifischen Ausnahmen sowie r.51(3) UTLCRules, SI2010/2600. »[D]ecision which disposes of proceedings«; siehe dazu schon oben, bei Fn. 2007. Weil für die Ausübung dieser Kompetenz ein Antrag einer Partei notwendig ist, handelt es sich nicht um die Kompetenz zum »self review«; zu dieser siehe unten, VII.G.1.a), S. 408. Siehe: r.54(1) und (3) UTLC-Rules SI2010/2600; r.45(1) und (3) HESC-Rules SI2008/2699; r.41(1) und (3) GRC-Rules, SI2009/1976; r.37(1) und (3) SEC-Rules SI2008/2685; r.38(1) und (3) TC-Rules SI2009/273; r.35(1) und (3) WPAFCC-Rules SI2008/2686 sowie r.43(1) und (3) UT-Rules SI2008/2698 mit Sonderregeln für die Antragstellung im Falle von asylrechtlichen Verfahren. Siehe r.43(2) UT-Rules SI2008/2698; r.54(2) UTLC-Rules SI2010/2600; r.45(2) HESC-Rules SI2008/2699; r.41(2) GRC-Rules, SI2009/1976; r.37(2) SEC-Rules SI2008/2685; r.38(2) TCRules SI2009/273; r.35(2) WPAFCC-Rules SI2008/2686. R.10(2) HESC-Rules SI2008/2699; danach können allerdings auch in mental health-Fällen noch »wasted costs« (dazu sogleich, bei Fn. 2023) auferlegt werden. R.10 SEC-Rules SI2008/2685 und r.10 WPAFCC-Rules SI2008/2686.
Der gemeinsame Kern der Verfahrensregeln
385
sofern der Kläger nicht beantragt hat, von der Kostenlast enthoben zu werden (costs not excluded).2022 Außerdem können sog. wasted costs2023 auferlegt werden, d. h. Kosten, die ein Rechtsbeistand durch Verfahrensverzögerungen verursacht hat, die aus einer falschen und ineffektiven Prozessführung entstehen.2024 Zuletzt sei noch gesagt, dass die Verfahrensregeln außerdem unterschiedliche, hier nicht weiter dargestellte Vorgaben zu Fristen und deren Berechnung2025 treffen.
12.
Alternative Streitbeilegung
Die Verfahrensregeln aller Kammern – mit Ausnahme der IAC – enthalten zuletzt auch identische Regelungen zu alternativer Streitbeilegung (alternative dispute resolution, ADR) in den Verfahren.2026 Danach soll das tribunal in jedem Stadium des Verfahrens den Parteien die Möglichkeiten alternativer Streitbelegung nahebringen und diese durchführen, sofern die Parteien dies wünschen und es mit den sogleich noch geschilderten, übergreifenden Verfahrensprinzipien2027 vereinbar ist. Auch damit wurde versucht, die Vorstellung des White Paper von proportionate dispute resolution auch innerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15 umzusetzen und so Streitigkeiten, die ohne autoritative Entscheidung beseitigt werden können, frühzeitig und ohne Kosten- und Zeitaufwand aus der Welt zu schaffen.2028 Praktische Bedeutung entfaltete diese Bestimmung allerdings bisher nur in sehr wenigen öffentlich-rechtlichen Sachbereichen und auch nur hinsichtlich 2022 Siehe r.10(1)(c) TC-Rules SI2009/273: Unter Umständen kann der Kläger in Steuersachen von den Verfahrenskosten im Vorfeld befreit werden, wenn sich abzeichnet, dass es sich um einen komplexen Fall handelt. Als »costs not excluded« werden diese Kosten bezeichnet bei Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 7.195. 2023 Siehe auch s.29(4) TCEA 2007 c.15. 2024 Derartige Regelungen enthalten etwa r.10(1)(a) GRC-Rules, SI2009/1976, r.10(1)(a) TCRules SI2009/273 sowie r.10(1)(a) HESC-Rules SI2008/2699 für alle anderen Fälle als mental health-Fälle; siehe zum Ganzen auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 7.187. 2025 Siehe r.12 UT-Rules SI2008/2698: Wird eine Anordnung mit einer Frist zu deren Erfüllung gesetzt, endet diese an dem entsprechenden Tag stets um fünf Uhr nachmittags, sofern es sich um einen – in den Verfahrensregeln definierten – Arbeitstag handelt. Eine Sonderregelung zur Fristenberechnung findet sich für SEN-Fälle und Fälle der disability discrimination in schools, um den Schulferien in England Rechnung zu tragen; siehe r.12(3) HESC-Rules SI2008/2699. 2026 R.3 UT-Rules, SI2008/2698; r.3 UTLC-Rules, SI2010/2600; r.3 HESCC-Rules SI2008/2699; r.3 GRC-Rules, SI2009/1976; r.3 SEC-Rules, SI2008/2685; r.3 TC-Rules, SI2009/273; r.3 WPAFCC-Rules SI2008/2686. 2027 Der »overriding objective«; dazu siehe im Einzelnen noch unten, VII.C., S. 387. 2028 Siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 629 ff.
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weniger Formen von alternativer Streitbeilegung:2029 Durchgeführt werden im öffentlich-rechtlichen Bereich etwa Mediationsverfahren2030 oder sog. early neutral evaluation-Verfahren.2031 Letzteres konnte bisher relativ erfolgreich im Zuständigkeitsbereich der SEC angewandt werden und stellt ein Verfahren dar, in dem – vor Durchführung des eigentlichen, formellen Tribunalsverfahrens – die Vorträge der Parteien durch einen nicht am weiteren Verfahren beteiligten judge des tribunal summarisch begutachtet werden, der diese bewertet und ermittelt, welche Partei die besseren Erfolgsaussichten hat, um diese Prognose der wahrscheinlich unterliegenden Partei mitzuteilen; in etwa der Hälfte der Fälle führte diese Prognose dazu, dass von der weiteren Verfolgung des Verfahrens abgesehen wurde.2032 2029 »In mediation, the objective is to settle the dispute, whether the outcome is legally correct or not. In the field of administrative law, the only legitimate objective is to find the ›legally correct‹ answer.« Harris, Tribunals, 2006, Summer, 8 (8). Schon eine Untersuchung des Council on Tribunals bzw. des AJTC von 2008 hatte ergeben, dass sich in den meisten »Citizen-v-State«-Streitigkeiten keine Möglichkeiten zur Anwendung von alternativen Streitbeilegungsverfahren ergeben würden; siehe AJTC, ADJUST-Newsletter, 2008 sowie Vernon, Tribunals, 2008, Spring, 18 (18 ff.) und Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 6.33. 2030 So ist die Nutzung etwa von Mediation im Bereich SEN bereits im materiellen Recht angelegt – wie sich aus s.332B Education Act 1996 c.56 ergibt, ist die zuständige Kommunalbehörden gehalten, ihrerseits einen Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten unter Einschaltung eines unabhängigen Dritten – also Mediation – zu unterhalten. Allerdings werden diese Mechanismen wohl auch hier nur selten genutzt aus Angst, auf diesem Wege weniger zu erreichen als durch eine autoritative Entscheidung des tribunal; siehe Harris/Riddel, Tribunals 2010, Spring, 13 (13 ff.) sowie Ruff, Tribunals, 2010, Spring, 14 (14 ff.). 2031 Zu den anderen Mechanismen, die als Mittel von proportionate dispute resolution angesehen werden, siehe bereits oben, Fn. 1038. 2032 Genau diese Technik der alternativen Streitbeilegung wurde in einem Zeitraum von September 2007 bis Ende 2009 in einem Pilotprojekt angewandt für Streitigkeiten betreffend disability living allowance (siehe dazu bereits oben, bei Fn. 1148). Der für die Gewährung dieses Anspruchs zuständige Pensions, Disability and Carers Service hat bei seiner Entscheidung über die Gewährung dieses Anspruchs kein Ermessen, daher kann der Anspruch durch die Behörde allenfalls falsch bemessen sein. Streitigkeiten werden normalerweise durch ein mit drei Personen besetztes tribunal einschließlich eines Arztes entschieden; im Rahmen des Pilotprojekts wurden jedoch vor Einleitung des eigentlichen Verfahrens die Parteien um Einwilligung an der Teilnahme am Projekt gebeten und sodann ihre jeweiligen Klageschriften und Anlagen einem einzelnen Tribunalsrichter mit großer Erfahrung vorgelegt, der sodann gegenüber der Partei mit den schlechteren Erfolgsaussichten eine entsprechende Prognose über den Ausgang des Verfahrens abgab bzw. der entsprechenden Partei nahelegte, auf die Durchführung des weiteren Verfahrens zu verzichten. Nahm die so kontaktierte Partei den Rat nicht an, oder konnte eine Prognose über den Verfahrenausgang nicht mit hinreichender Sicherheit abgegeben werden, wurde das Verfahren ganz normal fortgesetzt, ohne dass das letztlich entscheidende tribunal Kenntnis von dessen Durchführung erlangte. Das Verfahren und die Ergebnisse sind ausführlich beschrieben in Ministry of Justice, Evaluation of Early Neutral Evaluation, 2010, S. 2 ff.
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In den eher zivilrechtlichen Sachbereichen im Zuständigkeitsbereich der UTLC hingegen wird von alternativen Streitbelegungsmechanismen schon in erheblich größerem Umfang Gebrauch gemacht.2033
C.
Die zugrundeliegenden Verfahrensprinzipien (overriding objective)
Ein wichtiges Merkmal der neuen Verfahrensregeln ist neben dem gemeinsamen Kern einzelner Verfahrensvorschriften, dass deren Handhabung sich nun in allen Kammern – gegenwärtig nur noch mit Ausnahme der IAC-FtT – an einheitlich formulierten Verfahrensmaximen, einer overriding objective auszurichten hat.2034 Die overriding objective wird durch die Zielvorgaben, die der TCEA 2007 c.152035 für die Verfahren der tribunals macht, ergänzt und konkretisiert.2036 Diese Vorgaben des TCEA 2007 c.15 sind an zweierlei Stellen niedergelegt: – Es ergeben sich zunächst allgemeine Verfahrensgrundsätze aus den Anforderungen, die s.2(3) TCEA 2007 c.15 an den Senior President stellt und welche die oben genannten Maßstäbe reflektieren sollen. So hat er sicherzustellen, dass die Verfahren der tribunals zugänglich, fair, zügig und effizient sind.2037 Außerdem soll er gem. s.2(3)(d) TCEA 2007 c.15 dafür sorgen, dass für die Streitigkeiten, die vor tribunals getragen werden können, innovative Me2033 So etwa im Zuständigkeitsbereich der LVTs, in dem viele Kläger in die Durchführung eines Mediationsverfahrens einwilligten; siehe dazu im Einzelnen McGrath, Tribunals, 2011, Spr., 11 (11 ff.). 2034 Die Verfahrensregeln der IAC-FtT weisen ebenfalls eine overriding objective auf, diese ist aber anders formuliert; dazu siehe sogleich, Fn. 2046. 2035 Die sogleich beschriebenen Zielvorgaben sind dabei nicht gänzlich neu, einige von ihnen finden sich bereits im 2002 vom Council of Tribunals verabschiedeten »Framework of Standards«; siehe Council on Tribunals, Framework of Standards, 2006. Die gesetzliche Fixierung dieser Standards hatte letztlich auch der Leggatt Review gefordert und der Gesetzgeber hat dem nun entsprochen; siehe zum Ganzen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 3.18. 2036 Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 3.3. Jacobs erkennt in der Entstehung dieser Verfahrensregeln vier Stufen: Zunächst haben die Gerichte eine minimale richterliche Kontrolle über die Tätigkeit von tribunals entwickelt, die heute die »rules of natural justice« darstellen; sodann wurden innerhalb der tribunals selbst gewisse, für deren jeweilige Verfahren angemessene Verfahrensprinzipien, unabhängig von den Gerichten entwickelt. Dann entwickelten sich allgemeine Verfahrensprinzipien für gerichtliche Verfahren, die zuletzt von den tribunals übernommen und für ihre Zwecke adaptiert wurden. 2037 S.2(3) TCEA 2007 c.15: »[The Senior President must] have regard to (a) the need for tribunals to be accessible (b) the need for proceedings before tribunals- (i) to be fair; and (ii) to be handled quickly and efficiently«
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
thoden der Streitauflösung entwickelt und genutzt werden, womit die oben genannten Mechanismen der ADR gemeint sind.2038 – s.22 TCEA 2007 c.15 spezifiziert diese dem Senior President in s.2 TCEA 2007 c.15 gesetzten Ziele hinsichtlich der in den Verfahrensregeln umzusetzenden Maximen: s.22(4) fordert »(a) that, in proceedings before the First-tier Tribunal and Upper Tribunal, justice is done, (b) that the tribunal system is accessible and fair, (c) that proceedings before the First-tier tribunal or Upper Tribunal are handled quickly and efficiently, (d) that the rules are both simple and simply expressed, and (e) that the rules where appropriate confer on members of the First-tier Tribunal, or Upper Tribunal, responsibility for ensuring that proceedings before the tribunal are handled quickly and efficiently.«2039 Diese allgemeinen Vorgaben des TCEA 2007 c.15 haben in die Verfahrensregeln der tribunals durch die overriding objective an prominenter Stelle Eingang gefunden; alle Verfahrensstatuten der einzelnen Kammern von FtT und UT – bis auf die IAC-FtT – enthalten eine jeweils inhaltsgleiche, ausdrückliche Bestimmung mit konkreten Anforderungen an die Verfahrenspraxis. Mit der Ausformulierung dieser Verfahrensmaximen vollziehen die tribunals eine Entwicklung nach, die sich schon bei den ordentlichen Gerichten bewährt hatte;2040 deren Verfahrensregeln ist ebenfalls eine konkret ausformulierte overriding objective vorangestellt, die allen am Verfahren Beteiligten – d. h. sowohl dem Gericht als auch den Parteien und deren Vertretern – stets die Grundregeln und den Zweck des Gerichtsverfahrens vor Augen führen soll.2041 2038 Siehe dazu schon oben, VII.B.12., S. 385. 2039 Die Pflicht zur Beachtung dieser Grundsätze schlägt sich dabei vor allem auf seine Tätigkeit im TPC nieder ; siehe schon oben, VII.A., S. 364. In der Praxis hat der Senior President den Vorsitz dieses Komitees, entsprechend setzen diese Grundsätze, auf die der Senior President verpflichtet ist, gleichsam die Agenda für das TPC; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 3.21. 2040 Die Einführung der overriding objective geht auf die umfassenden Reformen des Zivilverfahrensrechts in Folge des Woolf Reports zurück (siehe schon oben, bei Fn. 1013): »Although the rules can offer detailed directions for the technical steps to be taken, the effectiveness of those steps depends upon the spirit in which they are carried out. That in turn depends on an understanding of the fundamental purpose of the rules and of the underlying system of procedure. […] In order to identify that purpose at the outset, I have placed at the very beginning of the rules a statement of their overriding objective. This is intended to govern the operation of all the rules and in particular the choices which the court makes in managing each case and in interpreting the rules.« Den Zweck der overriding objective beschrieb der Woolf Report damit zusammenfassend so: »[T]he statement of the [overriding] objective, provides a compass to guide courts and litigants and legal advisers as to their general course«; siehe Woolf, Access to Justice (Woolf Report), 1996, Ch. 20 para 12. 2041 Diese fordert von den genannten Gerichten »to deal with cases justly«. Dies erfordere,
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Nach der Formulierung der overriding objective der tribunals ist grundlegende Auslegungsmaxime aller Verfahrensregeln, »to enable the Tribunal to deal with cases fairly and justly.«2042 Sodann konkretisieren die Vorschriften, was darunter zu verstehen sein soll;2043 eine »faire und gerechte« Behandlung von Verfahren umfasst demnach: – eine der Wichtigkeit des konkreten Falls, der Komplexität der darin aufgeworfenen Fragen, den zu erwartenden Verfahrenskosten und den Ressourcen der Parteien angemessene Verfahrensweise anzuwenden, – unnötige Formalität zu vermeiden und stattdessen Flexibilität anzustreben, – soweit wie praktisch möglich sicherzustellen, dass die Parteien vollumfänglich am Verfahren teilnehmen können, – das im tribunal vorhandene Expertenwissen so effizient einzusetzen wie möglich sowie – jegliche Verzögerung zu vermeiden, soweit dies mit der notwendigen Erörterung der durch das Verfahren aufgeworfenen Fragen möglich ist. Diese Vorgaben gelten dabei nicht nur für das tribunal selbst, sondern auch für die Verfahrensparteien, die verpflichtet sind, das tribunal bei der Verwirklichung der overriding objective zu unterstützen;2044 ihnen obliegt damit grds. eine soweit wie praktisch möglich, sicherzustellen, dass die Parteien sich auf Augenhöhe begegnen (»ensuring that the parties are on an equal footing«), dass Kosten eingespart bzw. nicht verursacht werden (»saving expenses«), dass das Verfahren dem jeweiligen Fall angemessen ist im Hinblick auf den Streitwert (»the amount of money involved«), die Wichtigkeit und Komplexität des Falles (»importance of the case«/»complexity of the issues«) sowie der finanziellen Position der Parteien (»financial position of the parties«), dass das Verfahren schnell und fair abgearbeitet wird (»ensuring that it is dealt with expeditiously and fairly«) und dass die Ressourcen des Gerichts durch diesen Fall in einem angemessenen Maße gebunden werden, welches berücksichtigt, dass diese auch durch andere Fälle beansprucht werden (»alloting to it an appropriate share of the court’s resources, while taking into account the need to allot resources to other cases.«); siehe r.1.1 CPR. 2042 Siehe r.2(1) UT-Rules, SI2008/2698; r.2(1)UTLC-Rules, SI2010/2600; r.2(1) GRC-Rules, SI2009/1976; r.2(1) TC-Rules, SI2009/273; r.2(1) HESCC-Rules SI2008/2699; r.2(1) SECRules, SI2008/2685; r.2(1) WPAFCC-Rules SI2008/2686. Einzig die IAC-FtT hat eine andere Formulierung: Die in den Verfahrensregeln der IAC-FtT niedergelegte overriding objective ist demgegenüber weit weniger ausführlich und klar : Danach dienen Verfahrensregeln dazu, sicherzustellen, dass die Verfahren so fair, schnell und effizient wie möglich abgewickelt werden, und dass dies von den Mitgliedern der tribunals im Interesse der Parteien sowie im öffentlichen Interesse sicherzustellen ist; siehe r.4 IAC-Rules SI2005/230. Diese Verfahrensregeln gelten dabei allerdings nur für die IAC-FtT – für die IAC-UT bleibt es dabei hingegen bei der oben genannten Regelung von r.2(1) UT-Rules, SI2008/2698. 2043 Siehe jeweils r.2(2)(a)-(e) UT-Rules, SI2008/2698; r.2(2)(a)-(e) UTLC-Rules SI2010/2600; r.2(2)(a)-(e) GRC-Rules, SI2009/1976; r.2(2)(a)-(e) TC-Rules, SI2009/273; r.2(2)(a)-(e) HESCC-Rules SI2008/2699; r.2(2)(a)-(e) SEC-Rules, SI2008/2685; r.2(2)(a)-(e) WPAFCCRules SI2008/2686. 2044 Siehe r.2(4) UT-Rules, SI2008/2698; r.2(4)UTLC-Rules SI2010/2600; r.2(4) GRC-Rules,
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Mitwirkungs- bzw. Förderungspflicht.2045 Da für die IAC-FtT die bisherigen Verfahrensregeln des AIT beibehalten wurden, weisen diese gegenwärtig noch eine anderslautende overriding objective auf; diese ist erheblich genereller gehalten und der deutlichste Unterschied in ihrer Formulierung ist, dass das tribunal danach auch ein über die Parteiinteressen hinausgehendes, »wider public interest« zu beachten hat.2046 Bei der Anwendung der konkreten Verfahrensregeln haben sich die tribunals im Falle auslegungsbedürftiger Vorschriften bzw. in Ausübung ihres Ermessens an den so formulierten Verfahrensmaximen zu orientieren und die im Einzelnen genannten Vorgaben gegeneinander zu einem Ausgleich zu bringen. Die overriding objective liefert dem tribunal damit für seine Ermessensentscheidungen Argumentationsmaterial: Ein Beispiel dafür, wie bei Ermessensentscheidungen auf die overriding objective in der Praxis Bezug genommen wird, liefert etwa die Entscheidung MA v Secretary of State for Work and Pensions,2047 in der das UT darüber zu befinden hatte, ob das FtT in einem Verfahren eine Aussetzung des Verfahrens hätte gestatten müssen, um einer Partei zu ermöglichen, weitere Beweismittel zu gewinnen.2048 Das UT argumentierte, dass der mögliche, durch die Einholung weiterer Beweismittel zu erwartende Erkenntnisgewinn ange-
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SI2009/1976; r.2(4) TC-Rules, SI2009/273; r.2(4) HESCC-Rules SI2008/2699; r.2(4) SECRules SI2008/2685; r.2(4) WPAFCC-Rules SI2008/2686. Diese Mitwirkungspflicht kann dabei wohl weiter sein als diejenige, die aus § 86 VwGO hergeleitet wird und die die Pflicht umfasst, überhaupt eigenen Sachvortrag einzubringen und Anträge zu stellen (siehe Kugele, OK-VwGO, Stand: 15. 10. 2011, § 86 Rn. 4); der overriding objective wird vielmehr auch die Pflicht der Parteien entnommen, alles so frühzeitig vorzubringen, dass keine Verfahrensverzögerungen entstehen (siehe sogleich, bei Fn. 2050) und ähnelt damit eher der Prozessförderungspflicht aus § 282 ZPO (zu dieser siehe Musielak, ZPO, 8. Aufl. 2011, § 282 Rn. 2ff.). Siehe r.4 IAC-Rules SI2005/230: »The overriding objective of these Rules is to secure that proceedings are handled as fairly, quickly and efficiently as possible; and, where appropriate, that members of the Tribunal have responsibility for ensuring this, in the interests of the parties to the proceedings and in the wider public interest.« (Hervorhebung durch Verfassers) Blake, Tribunals, 2010, Spring, 7 (8) meint, die Einbeziehung des »wider public interest« könne zum einen das Interesse anderer Kläger umfassen, die darauf warten, dass ihr Fall gehört wird, was eine Beschleunigung der Verfahren nahelegt, andererseits aber auch insb. das allgemeine, staatliche Interesse meinen, dass in den Verfahren den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs Rechnung getragen wird, was für eine besonders gründliche Prüfung (und damit eher gegen eine Verfahrensbeschleunigung) spricht. MA v. Secretary of State for Work and Pensions [2009] UKUT 211 (AAC). Es handelte sich um eine Klage gegen die Versagung eines sozialrechtlichen Anspruchs für eine körperbehinderte Person (»attendance allowance«). Der Kläger hatte bei der erstinstanzlich zuständigen SEC eine Aussetzung des bereits eingeleiteten Verfahrens beantragt, um mehr medizinische Beweise zu beschaffen; das tribunal versagte dies und setzte das Verfahren fort. Gegen die Entscheidung, das Verfahren fortzusetzen wandte der Kläger sich an das UT; siehe zu dieser Entscheidung insgesamt auch Blake, Tribunals, 2010, Spring, 7 (7 f.).
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sichts des im Tribunalsspruchkörper selbst vorhandenen Expertenwissens – von dem das tribunal entsprechend der overriding objective Gebrauch machen soll – in keinem Verhältnis zur dadurch eintretenden Verfahrensverzögerung stünde, die es – entsprechend der overriding objective – zu vermeiden gelte.2049 Die Entscheidung illustriert zudem, wie sich die Pflicht der Parteien, dem tribunal bei der Verwirklichung der Zielvorgaben der overriding objective zu helfen, negativ für diese auswirken kann; das tribunal wertete die offenbar mangelnde Vorbereitung des Verfahrens durch die – rechtlich vertretene – Partei, die die Fristverlängerung begehrt hatte, in Ansehung der Gesamtumstände als Verstoß gegen diese Pflicht, und hielt auch deshalb die Nichtgewährung des Aufschubs und die dadurch eintretende Beschwer der Partei für zulässig.2050 Die overriding objective verlangt dem tribunal damit stets eine Abwägungsentscheidung zwischen den dort festgelegten Zielvorgaben ab – dabei wird die Frage, welcher der jeweiligen Maximen das größere Gewicht beizumessen ist, vielfach verknüpft sein mit der materiellen Rechtsfrage, die es zu entscheiden gilt.2051 Mittlerweile gibt es erste Fälle, in denen Entscheidungen des FtT aufgehoben wurden,2052 weil es die einzelnen Faktoren nach Auffassung des UT nicht 2049 Siehe MAv. Secretary of State for Work and Pensions [2009] UKUT 211 (AAC), para. 24 per Jacobs J, der die Abwägungsentscheidung des FtTwie folgt nachvollzieht: »It [the FtT] took account of the grounds for the application and made an assessment of the likely value that would be obtained by an adjournment. That was the key consideration. Its analysis is rational. It took advantage of the tribunal’s flexibility in using its members’ combined special expertise to avoid delay and to allow the claimant full and effective participation in the proceedings. All of those factors are within the scope of the overriding objective. By using its expertise, it reconciled fairness and efficiency with making the proceedings accessible to a claimant whose evidence was not complete.« 2050 »Parties are under a duty to co-operate with the tribunal generally. That involves ensuring as far as possible that their case is ready by the time of the hearing. […] It is relevant to consider the advice given to claimants by the tribunal when an appeal is lodged and the fact that both representatives were from long-established, competent organisations. […] [T]he tribunal had to take account of the total time that the claimant had had. »MA v. Secretary of State for Work and Pensions [2009] UKUT 211 (AAC), para. 20 per Jacobs J. 2051 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 3.31, der ein Beispiel bringt: Die Entscheidung über Sozialhilfeansprüche für einen Todkranken wäre ineffektiv, wenn das Verfahren zur Klärung von damit zusammenhängenden Streitigkeiten so lange dauert, dass der Kläger verstirbt, ehe das Verfahren beendet ist. 2052 Siehe die Entscheidung MH v. Pembrokeshire County Council (HB) [2010] UKUT 28 (AAC) – hier ging es darum, dass das FtT seine case management-Möglichkeiten falsch ausgeübt hatte: Dem zu Grunde lag ein Fall, in dem eine Behörde dem Kläger einen Anspruch versagt hatte, weil dieser mehreren Aufforderungen zur Einreichung bestimmter Nachweise nicht nachgekommen war. Der Kläger erhob gegen die Versagung Klage zum FtT; dieses entschied den Fall rein nach Aktenlage und ohne mündliche Anhörung, was ihm grds. möglich war (r.27(1) SEC-Rules, SI2008/2685). Das UT hob die Entscheidung jedoch auf, weil es davon ausging, dass das FtT keine hinreichende Abwägungsentscheidung zwischen den konfligierenden Werten der overriding objective getroffen hatte: Nach ausgiebiger Abwägung der jeweiligen Zielvorgaben der overriding
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
richtig miteinander zum Ausgleich gebracht hat.2053 Da die Formulierungen der overriding objective für alle Kammern (bis auf die IAC-FtT) identisch sind, darf die weitere Entwicklung der Rechtsprechung hierzu mit Spannung erwartet werden: Zwar wird jede Abwägungsentscheidung eines tribunal stets im Lichte des jeweiligen Einzelfalls zu betrachten sein, so dass Überprüfungsentscheidungen solcher Abwägungen für sich genommen nur selten direkt Präjudizcharakter haben werden;2054 weil die Ermessensentscheidungen der tribunals aber nun sachbereichsübergreifend auf Grundlage weitgehend gleicher Verfahrensregeln erfolgen und durch eine einzige Instanz – das UT – überprüft werden, ist auf Dauer wohl zumindest die Herausbildung von universell geltenden Fallgruppen hinsichtlich der Handhabung der overriding objective denkbar. Auch können Entscheidungen, die sich auf die Auslegung der overriding objective selbst beziehen – etwa auf die Frage, was genau unter justly und fairly zu verstehen ist – in alle Sachbereiche übertragen werden. Sollten sich dem tribunal Fragen stellen, für deren Beantwortung die Vorgaben der overriding objective nichts hergeben, kann und muss es auf die allgemeinen Verfahrensmaximen des TCEA 2007 c.15 rekurrieren, die wiederum im Lichte von Art. 6 EMRK auszulegen wären; eventuell konfligierende Vorgaben des common law – etwa Rechtsprechung englischer Gerichte, die mit der des EMRK konfligieren – wären dann wegen des Vorrang des geschriebenen Gesetzesrechts unbeachtlich.2055 Angesichts des weitgehenden Gleichlaufs zwiobjective im konkreten Fall kommt das UT zu dem Ergebnis, dass das FtT, statt den Fall einfach zu Lasten des Klägers zu entscheiden, die Entscheidung vertagen und eine Anordnung über die Erhebung weiterer Nachweise von Seiten des Klägers hätte fordern müssen. 2053 »In the circumstances of this case, there was only one way in which the tribunal should have applied the overriding objective. It should have adjourned with directions to the claimant on the evidence that it required. There was no significant factor affecting the operation of the system as a whole. Its ultimate purpose is to allow cases to be decided fairly and justly, not to obstruct that process. There are some factors that favour deciding the case on the evidence available. However, each of those factors is subject to the qualifications I have set out. Moreover, the tribunal did not so much rely on the evidence available as draw attention to the lack of corroboration. […] The factors in favour of an adjournment are overwhelming. Essentially, they focus on what has become known as the enabling approach to tribunal procedure. This approach allows the tribunal to assist parties, especially those who are not represented, to make effective use of the proceedings. This may require, as in this case, guiding a party on the adequacy of the evidence and the nature of the evidence required.« MH v. Pembrokeshire County Council (HB) [2010] UKUT 28 (AAC), para. 22 per Jacobs J. 2054 So auch Blake, Tribunals, 2010, Spring, 7 (8). 2055 Da es sich beim TCEA 2007 c.15 um primäres Gesetzesrecht handelt, können dessen Bestimmungen nicht im Lichte der allgemeinen Grundsätze des common law ausgelegt werden, da dieses dem Gesetzesrecht gegenüber grds. nachrangig ist. Die Garantien des Art. 6 EMRK aber erhalten durch s.3(1) Human Rights Act 1998 c.42 einen gegenüber dem einfachen Gesetzesrecht höherrangigen Status, weil nach dieser Vorschrift das tribunal
Kompetenzen außerhalb der ausdrücklichen Regelungen
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schen den Maßstäben des common law und der EMRK ist ein Szenario, in dem beide unvereinbar auseinanderfallen, jedoch nur schwer vorstellbar.
D.
Kompetenzen außerhalb der ausdrücklichen Regelungen
Das relativ engmaschige Netz der Vorschriften der Verfahrensstatuten und der Vorgaben des TCEA 2007 c.15 für diese lässt doch an einigen Stellen Spielraum für nicht weiter determinierte Entscheidungen der tribunals;2056 dabei deutet bereits der TCEA 2007 c.15 selbst an, dass den tribunals gewisse Befugnisse inhärent sind.2057 Auch die Rechtsprechung erkannte in der Vergangenheit bestimmte Möglichkeiten der tribunals an, Lücken in den Verfahrensregeln eigenständig auszufüllen.2058 Hinsichtlich der Ausübung solch einer verfahrensrechtlichen Auffangkompetenz ließen sich bisher verschiedene Herangehensweisen ausmachen: Das tribunal konnte sich auf das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke2059 oder eine notwendigerweise implizit mitgeregelte
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verpflichtet ist, jegliches Gesetzesrecht im Einklang mit den Bestimmungen der EMRK auszulegen; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 3.175 ff. Nur für einige wenige Teilbereiche ausdrücklich geregelt ist etwa die Möglichkeit zum Erlass einstweiliger Anordnungen durch tribunals bzw. die Anordnung einer aufschiebenden Wirkung (Regelungen hierzu finden sich in r.19 A GRC-Rules, SI2009/1976 für Entscheidungen der Gambling Commission sowie Entscheidungen gegen Immigration Service Commissioner und r.20 GRC-Rules, SI2009/1976). Denkbar wäre allerdings, dass zumindest einige einstweilige Anordnungen bereits von den Möglichkeiten des case management umfasst sind. Siehe sch.5 para 15(3) TCEA 2007 c.15; diese Vorschrift erkennt offenbar an, dass das tribunal Fehler in den eigenen Entscheidungen korrigieren kann und dies unabhängig von den ausdrücklich niedergelegten Verfahrensregeln; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 3.58. Siehe Local Government Board v. Arlidge [1915] AC 120 per Halden LC: »When […] Parliament entrusted [a tribunal] with judicial duties, Parliament must be taken, in the absence of any declaration to the contrary, to have intended it to follow a procedure which is its own, and is necessary if it is to be capable of doing its work efficiently.«; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 3.61. »For a long time the courts have, without objection from Parliament, supplemented procedure laid down in legislation where they have found that to be necessary for this purpose. But before this unusual kind of power is exercised it must be clear that the statutory procedure is insufficient to achieve justice and that to require additional steps would not frustrate the apparent purpose of the legislation.« Wisemena v. Bornemena [1971] AC 297 (308) per Reid LJ. Als Anwendungsfall hierfür wird etwa die Entscheidung R. v. Kensington and Chelsea Rent Tribunal Ex p. Macfarlane [1974] 1 WLR 1486 angesehen. In dieser Entscheidung gab es keine Bestimmung, wie sie in sch.5 para 15 TCEA 2007 c.15 vorgesehen ist: Es stellte sich das Problem, dass eine Ladung zu einer Ortsbegehung durch das tribunal nicht zugestellt wurde und deshalb das tribunal das Verfahren einstellte. Die Nichtzustellung der Ladung war jedoch Folge einer Unregelmäßigkeit, welche die Verfahrenspartei nicht verschuldet hatte. Fraglich war daher, ob das tribunal die Möglichkeit haben sollte, von sich aus das eigentlich bereits geschlossene Verfahren
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Kompetenz,2060 auf höherrangige Verfahrensgrundsätze2061 oder eben auf inhärente Kompetenzen stützen,2062 wobei hier der bisherigen Rechtslage nach solche Befugnis allenfalls in sehr geringem Ausmaß bestanden. Inwiefern durch s.25 TCEA 2007 c.15 zumindest hinsichtlich des UT die inhärenten Verfahreskompetenzen des High Court auf das UT übergegangen sind, ist noch völlig ungeklärt.2063
E.
Die Verfahrensführung der tribunals (inquisitorial, enabling, adversarial approach)
Es gibt für Tribunalsverfahren keinen allgemein geregelten Amtsermittlungsgrundsatz, wie dies etwa für deutsche Sozial-, Finanz- und Verwaltungsgerichte der Fall ist.2064 Im Zusammenhang mit der Frage, welche Rolle ein tribunal bei der Ermittlung des entscheidungsrelevanten Streitstoffs in seinem Verfahren hat,2065 ist hingegen immer wieder vom inquisitorial und vom enabling approach
2060
2061 2062
2063 2064 2065
wieder zu öffnen, obwohl es an einer Kompetenz hierzu fehlte. Das Gericht befand, dass das tribunal die Möglichkeit, aber nicht die Pflicht habe, das Verfahren wieder aufzunehmen und der Frage nachzugehen, ob tatsächlich ein Nichtverschulden der Verfahrenspartei vorliege; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 3.62. So zumindest Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 3.76 mit Beispielen aus der Rechtsprechung. Der Unterschied zur Regelungslücke ist dabei, dass hier eine ausdrückliche Regelung besteht, die jedoch einen bestimmten Teilaspekt nicht ausdrücklich nennt, der aber notwendigerweise mitgedacht worden sein muss, wie es sich aus den restlichen Verfahrensregeln ergibt, d. h. die konkrete Entscheidung muss demnach mit den restlichen Verfahrensregelungen vereinbar sein. Diese Abgrenzung ist aber wohl nur graduell möglich. Etwa auf Art. 6 EMRK oder die rules of natural justice. Diese Kompetenzen bestehen allerdings nur in sehr geringem Umfang und aus der bisherigen, eher dürftigen Rechtsprechung ergibt sich nicht viel, außer dass inhärente Kompetenzen von tribunals nicht annähernd mit dem umfassenden Ermessensspielraum der ordentlichen Gerichte vergleichbar sind; siehe etwa Akewushola v. Secretary of State of the Home Department [2000] 1 WLR 2295 (inhärente Kompetenz eines tribunal, kleine Fehler in den Verfahrensakten zu beseitigen, aber keine Kompetenz, eine eigene Entscheidung neu zu treffen); R. v. Industrial Tribunal Ex p. Cotswold Collotype Co Ltd [1979] ICR 190 (Kompetenz eines tribunal, eine Anhörung vor einem anders zusammengesetzten Spruchkörper durchzuführen, wenn keine Entscheidung getroffen werden kann). Diese beispielhaft genannten Kompetenzen sind allerdings nun ausdrücklich im TCEA 2007 c.15 geregelt. Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 3.74. § 86 I VwGO, § 103 SGG, § 76 I 1 FGO. Es geht also um die Frage, inwieweit das tribunal selbst an der Ermittlung von Tatsachen, aber auch der Herausarbeitung der zu entscheidenden Rechtsfragen mitwirkt; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.39 spricht insoweit von der »bridging function« eines tribunal.
Die Verfahrensführung der tribunals (inquisitorial, enabling, adversarial approach)
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oder ähnlichen Formulierungen die Rede.2066 Die mit diesen Begriffen bezeichneten Konzepte ergänzen sich, es liegt ihnen jeweils nur eine unterschiedliche Akzentsetzung zu Grunde: Wird ein Tribunalsverfahren als inquisitorial beschrieben, ist gemeint, dass das tribunal – nach deutschem Verständnis – amtsermittelnd vorgeht, d. h. eine aktive Rolle bei der Ermittlung der entscheidungsrelevanten Tatsachen hat, wobei der Akzent darauf liegt, dass das tribunal diese Rolle einnehmen muss, insb. weil die objektive Richtigkeit des zu findenden Ergebnisses im Vordergrund steht und es daher nicht strikt an die Regeln des Beweisrechts, d. h. der Darlegungs- und Beweislastverteilung gebunden ist, wie sie im kontradiktorischen Gerichtsverfahren gelten würden.2067 Wo hingegen vom enabling approach die Rede ist, wird der Akzent auf die zu fordernde2068 Einstellung des tribunal gegenüber den Parteien gelegt, also darauf, dass das tribunal eine aktive Rolle im Verfahren spielen soll, um jeder Partei eine gleichberechtigte Teilnahme am Verfahren zu ermöglichen.2069 Mit beiden Begriffen geht dabei meist eine Abgrenzung der Verfahren der tribunals von denen der ordentlichen Gerichte einher, welche als adversarial2070 und damit zugleich als sehr formell ausgestaltet, beschrieben werden2071 – zugleich wird aber auch immer wieder betont, dass eine Generalisierung bei der 2066 Siehe zu dem im Folgenden dargestellten insgesamt etwa Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.40ff; Leyland/Anthony, Textbook on Administrative Law, 6th ed. 2009, para. 7.2.3; Wikeley, Future Directions for Tribunals, in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008, S. 175 (186 ff.); Carnwath, PL 2009, 48 (54 f.); Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 026; Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 783; Bano, Tribunals, 2011, Summer, 16 (16 ff.). 2067 Siehe Cooper, Tribunals, 2008, Spring, 2 (3), der gerade der Frage nachgeht, welche Regeln der Beweislastverteilung und Beweisstandards (zivilrechtlicher oder strafrechtlicher Art) in tribunals angesichts ihrer teilweise inquisitorisch ausgestalteten Verfahren gelten; siehe zur Frage der Geltung der anderen Regeln der Beweislast in Tribunalsverfahren auch schon oben, bei Fn. 1980 sowie unten, bei Fn. 2077. 2068 Der Begriff »enabling approach« geht davon aus, dass das tribunal nicht verpflichtet ist, alle notwendigen, entscheidungsrelevanten Tatsachen von sich aus zu ermittlen – es soll eine aktive Rolle, welche die Ermittlung der entscheidungsrelevanten Tatsachen ermöglicht, nur dort einnehmen, wo diese nicht bereits durch die Parteien selbst stattfindet. 2069 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.40, der zwischen den beiden Begrifflichkeiten deutlich differenziert, im Anschluss an Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 7.2 ff. Die Forderung nach der Etablierung eines enabling approach war bereits vor dem Leggatt Review gestellt worden; siehe Bell, Research Study on Supplementary Benefit Appeal Tribunals, 1975, S. 18; Wikeley, Future Directions for Tribunals, in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008 S. 175. 2070 Zur Grundlegung der gerichtlichen Verfahren im adversarial system siehe schon oben, bei Fn. 637. 2071 Tribunals werden gegenüber den Verfahren der ordentlichen Gerichte pauschal als informeller bezeichnet; siehe Kelly/Slapper, English Legal System, 10th 2009 – 2010, para. 10.3.5.; Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 557.
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Verwendung der Begriffe inquisitorial und adversarial als Zustandsbeschreibung im Zusammenhang mit tribunals und Gerichten nicht möglich sei bzw. die Gefahr des Missverständnisses berge, dass alle tribunals stets inquisitorisch sein und alle ordentlichen Gerichte stets kontradiktorisch verfahren würden.2072 Allgemein gesagt werden kann lediglich, dass es zumindest keine rein amtsermittelnden tribunals gibt,2073 dass sie aber praktisch in vielen Sachbereichen – und besonders in denen mit dem höchsten Fallaufkommen – amtsermittelnd vorgehen.2074
1.
Amtsermittelndes Vorgehen (inquisitorial approach)
Insb. im Bereich des Sozialrechts gehen tribunals oft amtsermittelnd vor.2075 Dies hat seine Ursache im materiellen Recht; die Notwendigkeit eigener umfassender 2072 Siehe Wikeley, Future Directions for Tribunals, in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008 S. 175 (186): »Some tribunals might sit more towards the inquisitorial end [of a spectrum,] and most courts may sit at the adversarial end, but there is already some degree of overlap and intermingling.«; siehe auch Cuthbert, Tribunals, 2011, Spring, 2 (2). Auch einige Verfahren vor den ordentlichen Gerichten sind nicht strikt »adversarial« – gerade die unteren Gerichte wenden oftmals Verfahren an, die nicht als »adversarial« angesehen werden, etwa die county courts in Streitigkeiten mit geringem Streitwert; siehe Wikeley, Future Directions for Tribunals, in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008 S. 175 (186). Zumindest für den hier relevanten Kontext sei aber gesagt, dass JR-Verfahren vor den ordentlichen Gerichten wohl dem klassischen Ideal eines kontradiktorischen Verfahrens entsprechen; siehe Cane, Administrative Law, 5th ed. 2011, para. 14.2.3.4, S. 333. 2073 Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 7.3: »[N]one of those [tribunals] we have observed in this country can be described as inquisitorial.«; siehe auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 783. Belastbare empirische Untersuchungen dazu, ob tribunals tatsächlich insgesamt eher inquisitorische oder kontradiktorische Verfahren anwenden, existieren nicht: Größere empirische Untersuchungen der Verfahren der tribunals existieren nur für die Zeit vor Einführung des TCEA 2007 c.15 und untersuchen meist lediglich, inwieweit einzelne tribunals in bestimmten Sachbereichen verschiedene Zielvorgaben, etwa die der Zugänglichkeit (»accessibility«) erfüllen; siehe etwa Department for Constitutional Affairs, Tribunals for diverse users, 2006 S. 43 ff. Die einzige Untersuchung, die unmittelbar vor der Reform des TCEA 2007 c.15 stattgefunden hat und aus der sich absehen lässt, dass viele der dort untersuchten tribunals offenbar einen »inquisitorial approach« anwenden, ist die Untersuchung von Adler, Pre-Hearing Advice, Representation and the Achievement of Fair Procedures and Just Outcomes in Tribunal Hearings, 2009. 2074 Siehe Wikeley, Future Directions for Tribunals, in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008 S. 175 (186); Cuthbert, Tribunals, 2011, Spring, 2 (2). 2075 Der Begriff »inquisitorial approach« verdankt seine Verwendung im Zusammenhang mit tribunals wohl der Entscheidung R. v. Medical Appeal Tribunal (North Midland Region) Ex p. Hubble [1958] 2 QB 228; siehe Bano, Tribunals, 2011, Summer, 16 (17). Allerdings kann selbst in diesem Bereich nicht behauptet werden, dass tribunals stets inquisitorisch verfahren wären, wie empirische Untersuchungen der bisherigen sozialrechtlichen Ein-
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Sachverhaltsermittlungen der tribunals ergibt sich dort nach der Rechtsprechung aus dem allgemeinen öffentlichen Interesse an der Richtigkeit der Entscheidungen.2076 Deshalb kann in sozialrechtlichen Tribunalsverfahren die Frage nach der Vortrags- und Beweislast (burden of proof)2077 eine geringere Rolle spielen als in den kontradiktorischen Gerichtsverfahren.2078 Die Verpflichtung zur eigenständigen Ermittlung des jeweils richtigen Ergebnisses besteht dabei gegenüber beiden Parteien neutral;2079 das unterscheidet sie vom enabling approach.2080
2076
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2079
zeltribunals zeigen; siehe Genn, MLR 1993, 56(3), 399 (398); Baldwin/Wikeley/Young, Judging Social Security, 1992, S. 4; Wikeley, Future Directions for Tribunals, in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008, S. 175 (187). Aus diesem Grund bezeichnet wohl auch O’Hara, Tribunals, Spring 2009, 4 (5) die sozialrechtlichen Zuständigkeiten der SEC als »mixture of inquisitorial and adversarial«. Siehe etwa R. v. Medical Appeal Tribunal (North Midland Region) Ex p. Hubble [1958] 2 QB 228. Deutlicher noch kommt dies in der Entscheidung R. v. Deputy Industrial Injuries Commissioner Ex p. Moore [1965] 1 QB 456 (486) per Diplock LJ zum Ausdruck: »Insurance tribunals form part of the statutory machinery for investigating claims, that is, for ascertaining whether the claimant has satisfied the statutory requirements which entitle him to be paid benefit out of the fund. In such an investigation neither the insurance officer nor the minister […] is a party adverse to the claimant. If an analogy be sought in ordinary litigious procedure, their functions most closely resemble those of amici curiae. The Insurance Tribunal is not restricted to accepting or rejecting the respective contentions of the claimant, on the one hand, and of the insurance officer or minister on the other. It is at liberty to form its own view[…]«; siehe außerdem Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.57 mit Verweis auf R. (on the application of Starling) v. Child Support Commissioners [2008] EWHC 1319 (Admin), para. 31 ff. per Collins J (unrep.) sowie Carnwath, PL 2009, 48 (55) ([…]«seeking to achieve the correct conclusion in the public interest, and may use inquisitorial means to achieve that result.«) und Bano, Tribunals, 2011, Summer, 16 (17). Der Begriff »burden of proof« (bzw. »onus of proof«) umfasst sowohl die Frage nach der Vortragslast (»evidential burden«, »burden of adducing evidence« oder »burden to move forward«) und der eigentlichen Beweislast (»legal burden«); siehe zum Ganzen, Law/ Martin, in: Law/Martin (ed.), A Dictionary of Law, 2009, Stichwort: »burden of proof«. »The proceedings are not to be regarded as if they were a law suit between opposing parties. The injured person is not a plaintiff under a legal burden of proof. The proceedings are more in the nature of an inquiry before an investigating body charged with the task of finding out what happened and what are the consequences.« R. v. National Insurance Commissioner Ex p. Vicusi [1974] 1 WLR 646 (651) per Denning MR sowie (654) zustimmend (wenn auch mit Einschränkung) Buckley LJ. Diese Sichtweise wurde später bestätigt in der Entscheidung Kerr v. Department for Social Development [2004] UKHL 23, para. 63 per Hale LJ: »Ever since the decision of the Divisional Court in R. v. Medical Appeal tribunal (North Midland Region), Ex p Hubble [1958] 2 QB 228, it has been accepted that the process of benefits adjudication is inquisitorial rather than adversarial […].[…] [I]t is a co-operative process of investigation in which both the claimant and the department play their part. […] If that sensible approach is taken, it will rarely be necessary to resort to concepts taken from adversarial litigation such as the burden of proof.«; siehe zum Ganzen auch Cooper, Tribunals, 2008, Spring, 2 (2 ff.) sowie Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 14.130 ff. Siehe die Entscheidung R. v. Medical Appeal Tribunal (North Midland Region) Ex p.
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Für andere Kammern, etwa in den Zuständigkeitsbereichen der TC,2081 im Bereich mental health2082 oder im Bereich des Asylrechts lässt sich eine amtsermittelnde Verfahrensweise der tribunals nicht so deutlich nachweisen;2083 letztere etwa sind grds. an Beweislastregeln gebunden,2084 gehen aber ungeachtet dessen dort amtsermittelnd vor, wo eine Entscheidung etwa als country guidance dienen soll;2085 mithin kann also auch das Streben nach Kohärenz in der Rechtsanwendung die Anwendung des inquisitorial approach begründen.2086 Als besonders wenig inquisitorisch werden demgegenüber etwa die Verfahren angesehen, für die heute die UTLC zuständig ist, was angesichts ihrer teilweise
2080 2081
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Hubble [1958] 2 QB 228. In dieser Entscheidung ging die Tatsache, dass keine strenge Regel über die Vortragslast galt, zu Lasten des klagenden Bürgers, denn das tribunal berücksichtigte von sich aus Tatsachen, die – ohne von diesem vorgetragen worden zu sein – dem Beklagten günstig waren. Dazu siehe sogleich, VII.E.2., S. 399. Siehe etwa die Entscheidung Walton Kiddiwinks Private Day Nursery v. Revenue and Customs Commissioners [2011] UKFTT 479 (TC) für den Bereich der Ordnungsgelder, die gegen einen Steuerzahler verhängt werden können; wegen deren pönalen Charakters gelten hier die (kontradiktorischen) Grundsätze des strafrechtlichen Beweisrechts. Zumindest wurde die bisherige Verfahrensweise der alten MHRTs als eher inquisitorischer Natur beschrieben; siehe R. (on the application of H) v. Ashworth Hospital Authority [2001] EWHC Admin 901, para. 16 per Burnton J; Bartlett/Sandland, Mental Health Law, 3rd ed. 2007, S. 392. Vereinzelte Urteile haben auch im Zusammenhang mit anderen bisherigen Einzeltribunals angenommen, dass deren Verfahren ein inquisitorial approach zu Grunde liege; siehe etwa W v. Gloucestershire CC [2001] EWHC Admin 481, para. 15 per Baker J für ein Special Educational Needs Tribunal sowie R. (on the application of Ashworth Hospital Authority) v. Mental Health Review Tribunal for West Midlands and North West Region [2001] EWHC 901, para. 16 per Burnton J für ein Mental Health Review Tribunal; siehe auch Carnwath, PL 2009, 48 (54). Im Bereich des Asylrechts etwa liegt grds. die Beweislast für das Vorlegen der Gründe für die Gewährung von Asyl bzw. für Gründe, die eine Abschiebung verhindern, beim Asylbewerber ; siehe r.53 IAC-Rules SI2005/230; siehe auch Thomas, IJRL 2008, 20(4), 489 (508 f.). Da dieser aber meist über keinerlei nachweisfähige Unterlagen oder Zeugen verfügt – und deshalb wegen der Beweislast eigentlich jede Klage verlieren müsste – handhaben die asylrechtlichen tribunals dies pragmatisch und verlangen vom Asylbewerber lediglich den Nachweis eines »reasonable degree of likelihood«, dass die behaupteten Tatsachen stimmen; siehe Cooper, Tribunals, 2008, Spring, 2 (3) m. w. N. Die Aufgabe, »country guidance« zu erstellen, erforderte »something of an inquisitorial quality, although the adversarial structure of the appeal procedure of course remains« S and Others v. Secretary of State for the Home Department [2002] INLR 416 (431) per Laws LJ; siehe auch Thomas, IJRL 2008, 20(4), 489 (508 f.). Bano, Tribunals, 2011, Summer, 16 (17), der das Streben noch Konsistenz als Grund für ein Verfahren nach dem inquisitorial approach auch in anderen Sachbereichen für denkbar und erstrebenswert hält. Darüber hinaus können aber auch schlichte Effizienzerwägungen des tribunal dazu führen, dass es eher amtsermittelnd vorgeht: Das zeigt die Entscheidung R. (on the application of Clancy) v. Secretary of State for Defence [2006] EWHC 3333 Admin, para 5 per Davis J, in der das tribunal deshalb seinerseits Fragen an den Kläger richtete, weil dieser mit langwierigen und abseitigen Ausführungen das Verfahren zu verzögern drohte; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 3.222.
Die Verfahrensführung der tribunals (inquisitorial, enabling, adversarial approach)
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zivilrechtlichen Zuständigkeiten erklärlich ist.2087 Aber auch Verfahren in child support-Fällen können mitunter eher kontradiktorische Gestalt annehmen, nämlich etwa dort, wo beide Eltern zu einer Anhörung erscheinen und das Verfahren in ihrem Sinne zu beeinflussen versuchen, da das tribunal dann größere Zurückhaltung übt.2088
2.
Herstellung von Chancengleichheit (enabling approach)
Wo ein tribunal nicht bereits aufgrund des von ihm anzuwendenden Rechts amtsermittlend vorgehen muss, stellt sich die Frage, ob und inwieweit es gefordert ist, einen enabling approach anzuwenden, d. h. durch aktive Verfahrensführung, insb. durch Steuerung der Sachverhaltsermittlung zur Herstellung von Chancengleichheit zwischen Parteien mit ungleichen Ausgangspositionen beizutragen.2089 Als enabling approach wird damit der Rahmen angesehen, den das tribunal schafft, um einer Verfahrenspartei, die gegenüber der anderen Defizite aufweist – insb. deshalb, weil sie nicht rechtlich vertreten wird2090 – zu ermöglichen, ihre Anliegen so vorzubringen, dass sie eine faire Chance hat.2091 Der Zweck ist damit grds. dem der Hinweispflicht des Vorsitzenden nach deutschem Verwaltungsprozessrecht vergleichbar.2092 Umfasst sind davon aber 2087 Siehe Wikeley, Future Directions for Tribunals, in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008 S. 175 (186): »Obviously, adversarial tribunal procedures will be particularly common in those tribunals dealing predominantly with party versus party disputes […] rather than citizen versus state disputes.«; siehe auch Cuthbert, Tribunals, 2011, Spring, 2 (2). 2088 Siehe dazu schon oben, Fn. 1199. 2089 Zu diesem Verständnis des enabling approach siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.42 ff. sowie Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 7.4 ff. 2090 Dies kommt in tribunals relativ häufig vor, da nur selten Prozesskostenhilfe gewährt wird; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 784 Fn. 111, sowie auch unten, VII.H.1.b), S. 472. Dabei kommt der enabling approach nicht nur dann in Betracht, wenn eine Partei überhaupt nicht rechtlich vertreten ist, sondern auch dann, wenn sie nicht gut vertreten wird – »A poorly represented party should not be placed at any greater disadvantage than an unrepresented party.« Mongan v. Department for Social Development [2005] NICA 16, para. 18 per Kerr LCJ; zu den Möglichkeiten eines tribunal, darauf zu reagieren, siehe auch Cuthbert, Tribunals, 2011, Spring, 2 (2 f.). 2091 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.43. 2092 Siehe § 86 III VwGO – Die Hinweispflicht des Vorsitzenden soll verhindern, dass die Durchsetzung von Rechten an der Unerfahrenheit, Unbeholfenheit oder mangelnden Rechtskenntnis des Beteiligten scheitert. Auch hier wird in der Intensität der Hinweispflicht zwischen rechtlich vertretenen Parteien und nicht rechtlich vertretenen Parteien differenziert (das Gericht darf etwa grds. davon ausgehen, dass ein Rechtsanwalt mit der Sach- und Rechtslage hinreichend vertraut ist; siehe BVerwG, Urteil vom 06.07.2011 – 4B 50/01; BVerwG, 23.10.2008 – 4B 30/08); siehe hierzu, sowie zu den Grenzen der Hinweispflicht allgemein Kugele, OK-VwGO, Stand: 15. 10. 2011, § 86 Rn. 43.
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
neben der Erteilung von Hinweisen an die Parteien insb. in der mündlichen Verhandlung etwa auch die bei dieser geschaffene Atmosphäre,2093 eine entsprechende, auf die Defizite einer Partei Rücksicht nehmende Wahrnehmung der Verfahrenskompetenzen des tribunal (insb. bei case management-Entscheidungen)2094 und eine möglichst informelle Art und Weise der Verfahrensführung, etwa durch generöse Handhabung von Formvorschriften2095 – und eben eine eher inquisitorische Verfahrensweise.2096 Was dabei vom tribunal an Hilfestellung zu verlangen ist2097 und wo die Grenze zur Parteilichkeit verläuft,2098 bzw. wo ein Verfahren so informell wird, dass die Richtigkeit des Ergebnisses beeinträchtigt wird,2099 kann nicht abstrakt geschildert werden, sondern ist einzelfallabhängig. In vielen Bereichen werden 2093 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.43, der annimmt, der somit notwendige Verzicht auf eine kontradiktorische Verfahrensweise müsste konsequenterweise auch mit dem Verzicht auf das für den adversarial approach typische Kreuzverhör von Parteien und Zeugen einhergehen. In anderen Zusammenhängen hat die bisherige Rechtsprechung jedoch die Nichtgewähr der Möglichkeit zum Kreuzverhör zum Schutze einer unrepräsentierten Partei für nicht zulässig gehalten; siehe Chilton v. Saga Holidays [1986] 1 All ER 841. 2094 Dazu schon oben, VII.B.2., S. 368. 2095 Gemeint ist etwa, dass das tribunal eine Partei nicht zu strikt auf das festlegt, was es bei Einleitung des Verfahrens (Tribunalsverfahren werden regelmäßig durch Formulare eingeleitet; siehe oben, Fn. 1925) angegeben hat; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.48 ff. 2096 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.57; Bano, Tribunals, 2011, Summer, 16 (18), der annimmt, dass wegen zunehmenden Auftretens von Klägern ohne Rechtsbeistand aufgrund der ständigen Kürzungen im Bereich der Prozesskostenhilfe der »inquisitorial approach« auch insgesamt an Bedeutung gewinnen wird. 2097 Vor allem ist fraglich, wie viel aktive Unterstützung dies tatsächlich erfordert: »It is the tribunal’s duty to afford every claimant a reasonable opportunity of addressing them, of calling or adducing evidence, and of calling attention to any points or matters which he thinks should be taken into consideration. […] This means something more than a mere passive willingness to accede to a request, should one be made to address the tribunal; it involves a degree of active assistance and encouragement. How much assistance and encouragement is required will necessarily vary from case to case and from claimant to claimant.« R(I) 6/69, para 7. 2098 Siehe zu den Grenzen der Pflicht eines tribunal, eine unrepräsentierte Partei zu unterstützen Chilton v. Saga Holidays, [1986] 1 All ER 841 (siehe schon oben, Fn. 2093) und R. v. Criminal Injuries Compensation Board Ex p. Pearce [1994] COD 23. 2099 »A relaxed hearing is not necessarily a fair hearing. The hearing must not become so relaxed that the rigorous examination essential to the determination of difficult questions may be diluted.« Dyason v. Secretary of State for the Environment (1998) 75 P& CR 506 (512) per Pill LJ. In dieser Entscheidung, der eine Entscheidungsempfehlung eines planning inspector zu Grunde lag, war – grds. zulässigerweise – ein informelles Anhörungsverfahren durchgeführt worden, bei dem keine Möglichkeit für ein Kreuzverhör bestand. Die Ausführungen des planning inspector wurden letztlich für rechtsfehlerhaft befunden, weil anhand der Entscheidungsbegründung nicht festgestellt werden konnte, ob die Ergebnisse des Anhörungsverfahrens nicht durch das Fehlen eines Kreuzverhörs beeinträchtigt wurden.
Die Verfahrensführung der tribunals (inquisitorial, enabling, adversarial approach)
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aber der Möglichkeit des tribunal, Informalität des Verfahrens herzustellen bzw. Defizite der schwächeren Partei auszugleichen, ohnehin schon durch die Komplexität der rechtlichen Materie, die Gegenstand des Verfahrens ist, Grenzen gesetzt sein.2100 Unter Umständen können dem enabling approach aus Sicht des Bürgers auch Grenzen durch den gleichzeitig einem Tribunalsverfahren zu Grunde liegenden inquisitorial approach gesetzt sein, nämlich wenn – was nicht selten geschieht – die beklagte Behörde in einer Anhörung selbst nicht vertreten ist; hier kann sich das tribunal als verpflichtet betrachten, auch Tatsachen zu Gunsten der Behörde von sich aus zu ermitteln.2101
3.
Die Zielvorgaben des höherrangigen Rechts und der overriding objective für die Verfahrensführung
Genausowenig allgemeingültig, wie sich die Frage beantworten lässt, welche Form die Verfahren der tribunals generell haben, fand sich bisher eine eindeutige Antwort darauf, welche Form sie idealiter haben sollen – über die Frage, ob das Idealbild eines Tribunalsverfahrens eher inquisitorisch oder kontradiktorisch sein sollte, bestand bisher weitgehend Uneinigkeit.2102 2100 Siehe Genn, MLR 1993, 56(3), 399 (400 ff.) sowie Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 026. 2101 Siehe etwa die Entscheidung R(IS) 17/04: »It is not in our judgment open to doubt that, as an appeal tribunal under the Social Security Act 1998 hearing the claimant’s appeal against the departmental determination revoking her entitlement to benefit, [the tribunal] was sitting as an »inquisitorial« tribunal. By that we mean his function was to carry out a complete reconsideration and redetermination for himself of the facts and merits of the decision under appeal, the purpose being to ascertain and determine the true amount of social security benefit to which the claimant was properly entitled.«; siehe zum Ganzen auch Wikeley, Future Directions for Tribunals, in: Creyke (Hrsg.), Tribunals in the Common Law World 2008, S. 175 (188). 2102 »[I]t is difficult to find any consistent treatment of this issue in the authorities or the textbooks.« Carnwath, PL 2009, 48 (54). Wade/Forsyth, Administrative Law, 9th ed. 2004, S. 928 etwa lagen bisher auf der Linie, dass tribunals grds. so weit wie möglich ein kontradiktorisches Verfahren anwenden sollten: »It is fundamental that the procedure before a tribunal, like that in a court of law, should be adversarial and non inquisitorial.« Davon sind sie heute offenbar abgerückt und kommen vielmehr zu dem Schluss: »[T]he 2007 Act reforms also imply a less passive tribunal to ensure that all cases are dealt with justly and fairly ; and a shift toward a less adversarial procedure may be anticipated« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 784. Andere Autoren waren einem »inquisitorial approach« gegenüber bereits früher freundlich gestimmt; siehe MacDonald/Toal, Immigration Law and Practice, 7th ed. 2008, para. 18.134 im Zusammenhang mit asylrechtlichen tribunals sowie Cane, Administrative Law, 4th ed. 2004, S. 393; siehe insgesamt auch Leyland/Anthony, Textbook on Administrative Law, 6th ed. 2009, para. 7.2.3. Neutraler steht beiden Ansätzen Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 026 gegenüber : »We should nonetheless be willing to fashion procedures that draw on the best from both
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Auch wenn ein allgemeiner Amtsermittlungsgrundsatz durch den TCEA 2007 c.15 nicht vorgeschrieben ist, legen doch die gesetzlichen Vorgaben zu den Verfahren der tribunals sowie deren Ausgestaltung in der overriding objective nahe, dass der enabling approach dem Idealbild des Gesetzgebers von einem Tribunalsverfahren entspricht.2103 Schon der Leggatt Review hatte gefordert, dass tribunals den enabling approach verfolgen sollten2104 – dem wurde nun offenbar entsprochen: Gemäß der overriding objective haben die tribunals ihre Verfahren unter Vermeidung unnötiger Formalität zu gestalten und dafür zu sorgen, dass alle Parteien vollumfänglich am Verfahren teilnehmen können.2105 Aus dem TCEA 2007 c.15 ergibt sich überdies die Pflicht, die Verfahren so zu gestalten, dass sie leicht für jedermann zugänglich sind, was durch eine informelle, auf die Defizite der Parteien Rücksicht nehmende Verfahrensführung begünstigt wird.2106 Letztlich ist wohl schon vor dem Hintergrund der Anforderungen von Art. 6 EMRK ein enabling approach zu fordern: Wie gezeigt ist das Recht, mit dem die tribunals befasst sind, oftmals ungeheuer komplex und umfangreich – zugleich treten vor tribunals oft Parteien auf, die nicht rechtlich vertreten sind. Würde dem nicht durch unkomplizierte Verfahren oder zumindest durch eine entsprechend Rücksicht nehmende Verfahrensführung Rechnung getragen, wäre wohl in Extremfällen eine Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit, wie er Art. 6 EMRK entnommen wird, denkbar.2107 Den
2103 2104 2105 2106
2107
the adversarial and inquisitorial system. The blanket rejection of anything that savours of an inquisitorial role for any tribunal is unwarranted.« Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.42 und 1.55. Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 2.12. Siehe oben, bei Fn. 2043ff. Ebenso auch Carnwath, PL 2009, 48 (55): »[T]here is an implicit assumption [in TCEA 2007 c.15] that court procedure will not necessarily provide the model. Accessibility and specialist expertise are identified as specific objectives, and the Senior President ist required to explore ›innovative‹ ways of determining disputes.« Der Grundsatz der Waffengleichheit aus Art. 6 EMRK wurde durch den der EGMR in der Entscheidung Airey v. Ireland (1979) 2 EHRR 3055, para. 24 auch auf zivilrechtliche Verfahren erstreckt. Konkret ging es in der Entscheidung um die gerichtliche Aufhebung einer Ehe nach irischem Recht (eine Scheidung nach deutschem Verständnis war nach irischem Recht nicht möglich). Der EGMR nahm an, dass das für eine solche Eheaufhebung vorgesehene Verfahren des irischen Rechts so hohe Anforderungen an den Antragsteller stellen würde, dass die Durchführung des Verfahrens für eine mittellose, inbs. nicht juristisch vertretene Partei so gut wie unmöglich sei (Prozesskostenhilfe war für das konkrete Verfahren nicht erreichbar ; das Auftreten unrepräsentierter Parteien war zwar grds. möglich, geschah bis zu diesem Zeitpunkt jedoch in keinem einzigen Fall). Der Entscheidung lässt sich mithin entnehmen, dass mittellose Parteien, die ihr Anliegen auch wegen der Komplexität der Materie bzw. der Verfahren nicht selbst vertreten können, in ihrem Recht aus Art. 6 verletzt sind, wenn ihnen keine Hilfe – etwa durch Stellung eines Anwalts – zuteil würde. In einem solchen Fall sei ein effektiver Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz nicht gegeben: »The Convention is intended to guarantee not rights that are theoretical or illusory but rights that are practical and effective. […] It must therefore be ascertained whether Mrs. Airey’s appearance before the High Court without the assistance
Die Verfahrensführung der tribunals (inquisitorial, enabling, adversarial approach)
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tribunals obliegt damit, aktiv darauf hinzuwirken, dass jede Partei ein effektive Möglichkeit der Anhörung wahrnehmen kann, um das Recht auf ein faires Verfahren zu verwirklichen2108– ohne jedoch zugleich die Parteien von ihrer Pflicht zur Mitwirkung am Verfahren zu entheben.2109
4.
Keine Übertragung von Verfahrensgrundsätzen der ordentlichen Gerichte
Obgleich die Verfahrensregeln der tribunals teilweise sehr sachbereichsspezifisch ausgestaltet sind und viele Sonderregeln enthalten, basieren sie – wie gezeigt – auf einheitlichen Prinzipien. Viele dieser Prinzipien finden sich dabei schon lange für die Verfahren der ordentlichen Gerichte, d. h. den CPR,2110 denen etwa eine der eben beschriebenen sehr ähnliche overriding objective vorangestellt ist.2111 Angesichts dieser grds. Ähnlichkeit hätte es nahe gelegen, für die Auslegung und konkrete Handhabung bezüglich der Verfahrensmaxime auf die bereits zu den CPR ergangene Rechtsprechung zurückzugreifen. Dennoch zeigt sich die bisherige Rechtsprechung der tribunals offenbar abgeneigt gegenüber der Übertragung von Auslegungen, die sich in den ordentlichen Gerichte zu entsprechenden Bestimmungen der CPR ergeben haben;2112 vielmehr wird versucht, innerhalb des Rahmens von Verfahrensregeln und Verfahrensmaximen, die sich aus den tribunalsspezifischen Regelungen in Folge des TCEA 2007 c.15 ergeben, zu einer Lösung zu kommen.2113
2108 2109 2110 2111 2112 2113
of a lawyer would be effective, in the sense of whether she would be able to present her case properly and satisfactorily.« (para. 24). Als Möglichkeiten, diesem rechtswidrigen Zustand abzuhelfen, sah der EGMR dabei nicht nur die Schaffung der Möglichkeit von Prozesskostenhilfe, sondern auch die Vereinfachung der Verfahren. Der Leggatt Review sah in diesem Urteil Implikationen für Verfahren der tribunals etwa im Bereich der mental health und des Asyl- und Immigrationsrechts und kam wohl auch deswegen zu seiner Forderung, dass tribunals generell einem enabling approach folgen sollten (siehe oben, Fn. 2104); siehe auch Bano, Tribunals, 2011, Summer, 16 (18); siehe zu den parallelen Überlegungen bei den ordentlichen Gerichten im Rahmen der dort geltenden overriding objectice Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 012. Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.41. Diese sind schließlich verpflichtet, mit dem tribunal zur Verwirklichung der overriding objective zu kooperieren; siehe oben, Fn. 2044. Die CPR finden Anwendung in den Verfahren der county courts, des High Court und der Civil Division des CoA; siehe r.2.1(1) CPR. Siehe oben, bei Fn. 2041. Siehe Ward, Tribunals, 2011, Summer, 2 (2) mit Verweis auf die Entscheidungen LM v. LB Lewisham [2009] UKUT 204 (AAC) und Connect Global Ltd v. HMRC [2010] UKUT 372 (TCC). Siehe etwa die Entscheidung CB v. Suffolk County Council [2010] UKUT 413 (AAC), para. 22: Hier stellte das UT bereits zu Eingang fest, dass es zwar für die Handhabung
404
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Die nun bestehende, weitgehende Ähnlichkeit der Verfahrensregeln der tribunals ermöglicht vielmehr die Übertragung von Entscheidungen eines tribunal zur Handhabung einer bestimmten Verfahrensregel bzw. zur Lösung eines bestimmten verfahrensrechtlichen Problems durch die Übertragung von Entscheidungen aus einem Zuständigkeitsbereich bzw. aus einer Kammer in die andere: Dies zeigt etwa die Entscheidung Information Commissioner v PS,2114 in der sich das UT mit der Handhabung der Regelungen zur Verlängerung von Fristen in verschiedensten Sachbereichen auseinandersetzte.
F.
Zwischenfazit zu den Verfahrensregeln
Wie gezeigt ist nun erstmals ein weitestgehend einheitlicher, gemeinsamer Kern von Verfahrensregeln für tribunals geschaffen worden. Die darin geregelten Kompetenzen weisen stellenweise ein beträchtliches Gestaltungsermessen hinsichtlich der Verfahren aus und gewähren effektive Instrumente der Verfahrenssteuerung. Angesichts der Tatsache, dass den tribunals als Teil der overriding objective ausdrücklich zum Auftrag gemacht ist, dafür zu sorgen, dass auch unrepräsentierte Parteien vollumfänglich am Verfahren teilnehmen können, ist ein großer Spielraum in den Verfahrensregeln unumgänglich, um einen jeweils angemessenen Umgang mit unterschiedlich befähigten Parteien zu ermöglichen und so – im Sinne des enabling approach – tatsächlich in einem vertretbaren Maße Defizite einer Partei auszugleichen. Es ist zu erwarten, dass angesichts dieser Vorgaben tribunals in vielen Bereichen, in denen gerade unrepräsentierte Kläger auftreten, noch stärker aktiv in die Verfahrensführung eingreifen werden; wie sogleich noch gezeigt werden wird, waren tribunals wohl in jüngster Zeit tatsächlich weitgehend in der Lage, durch eine aktive Verfahrensführung, insb. im Rahmen der mündlichen Verhandlungen, darauf hinzuwirken, dass unrepräsentierte Parteien eine faire Chance im Verfahren erhalten.2115 Die weitgehende Einheitlichkeit der Verfahrensregeln ermöglicht außerdem insb. dem UTund innerhalb dessen besonders der AAC, in der Streitigkeiten aus verschiedensten Sachbereich zusammenlaufen, Schnittmengen in der Anwendung der Verfahrensregeln in den unterschiedlichen Sachbereichen zu finden und so zu einer weiteren Vereinheitlichung der Rechtsanwendung der Verfahseiner Kompetenz zur Ahndung eines contempt of court (dazu siehe unten, VIII.A.1., S. 478) auf die zu den CPR ergangene Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zurückgreifen könnte; es sei jedoch angesichts der umfassenden Vorgaben des TCEA 2007 c.15 »both surprising and undesirable […] if it was necessary to apply a raft of measures from other sources, so that one could not take at face value what was stated in the Tribunal Procedure Rules.« 2114 Information Commissioner v. PS [2011] UKUT 94 (AAC). 2115 Siehe hierzu unten, bei Fn. 2512.
Überprüfungsmechanismen und Instanzenzug
405
rensregeln beizutragen. Auf Dauer kann das zu einem über alle Sachbereichsund Kammergrenzen hinweg einheitlichen Tribunalsverfahrensrecht führen, welches sich aufgrund der aktiveren Verfahrensführung der tribunals von dem der ordentlichen Gerichte abgrenzt – die Tatsache, dass tribunals in ihrer Rechtsprechung zur Anwendung einzelner Verfahrensregeln bereits eine Tendenz dazu erkennen lassen, sich sachbereichsübergreifend an Präjudizien zur Lösung konkreter Verfahrensfragen zu orientieren, untermauert dies. Dass sich diese Tendenz noch weiter verbreitet, setzt jedoch voraus, dass die Tribunalsmitglieder und auch alle anderen Verfahrensbeteiligten nicht nur mit der jeweils für einen bestimmten Sachbereich entwickelten Verfahrenspraxis der tribunals vertraut sind, sondern über den »Tellerrand« des jeweilig betroffenen Sachgebiets hinausblicken. Die Bedingungen dafür sind mit den einheitlichen und übergreifenden Möglichkeiten der Fortbildung der Tribunalsmitglieder sowie den Möglichkeiten von deren kammer- und sachbereichsübergreifenden Einsatz geschaffen worden.2116 Allerdings steigert die dadurch zunächst größer werdende Zahl an zu berücksichtigenden Entscheidungen potentiell die Anforderungen, die an die Kenntnisse aller Beteiligten zu stellen sind. Zudem dürfte die Vereinheitlichung der Rechtshandhabung nicht dazu führen, dass die Spezialisierung der tribunals verloren geht. Wie jedoch noch gezeigt werden wird, spricht vieles dafür, dass die Herstellung von Einheitlichkeit in der Rechtsanwendung und Auslegung insb. durch das UT im TCEA 2007 c.15 letztlich angelegt sind.2117
G.
Überprüfungsmechanismen und Instanzenzug (appeal, self review und gesetzlicher »judicial review«)
Zentrale und wohl auch wichtigste Neuerung durch den TCEA 2007 c.15 ist die erstmalige Schaffung eines einheitlichen Instanzenzuges zwischen mehreren tribunals und den Gerichten2118 sowie weiterer Mechanismen zur Überprüfung von Entscheidungen der tribunals. Zuvor war der – mit vielen Ausnahmen durchsetzte – Grundfall der Überprüfung von Tribunalsentscheidungen das durch den Tribunals and Inquiries Act 1958 (6& 7 Eliz.II.) c.66 erstmals eingeführte appeal-Recht zum High Court,2119 das als case stated-Verfahren ausge2116 Siehe oben, bei IV.D., S. 233. 2117 Siehe hierzu unten, VIII.C.6.c)(2), S. 540f. 2118 »It is through appeals that the courts and the tribunals are kept in touch, so that the tribunals are integrated into the machinery of justice.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 794. 2119 Siehe zu diesem bereits oben, bei Fn. 958 sowie im Einzelnen Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 312 f.
406
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
staltet war2120 und das auch in den Nachfolgegesetzen im Wesentlichen erhalten blieb;2121 es bestand aber eben nur dort, wo nicht schon nach anderen Gesetzen die Möglichkeit zur Anrufung eines zweitinstanzlichen tribunal2122 oder gar kein appeal-Recht gegeben waren.2123 Die Überprüfung von Entscheidungen eines tribunal im heutigen Grundgerüst des TCEA 2007 c.15 hingegen ist weitgehend einheitlich geregelt und kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen, die mitunter eng zusammenhängen. Der eigentliche Instanzenzug entsteht dabei durch die Möglichkeit, gegen Entscheidungen von FtT und UT jeweils appeal einzulegen, der Devolutiv-Effekt hat; dem vorgeschaltet ist aber in der Regel ein anderer Mechanismus, der hier als self review bezeichnet werden soll.2124
1.
(Selbst-)Überprüfung durch das Ausgangstribunal (self review)
Mit self review ist im Folgenden die Möglichkeit des FtTund des UT gemeint, die eigenen Entscheidungen in grds. jeder Phase des Verfahrens selbst zu überprüfen; diese ergibt sich aus s.9 für das FtT und s.10 TCEA 2007 c.15 für das UT.2125 Sinn dieser Selbstprüfung ist, dem jeweiligen tribunal die Möglichkeit zu 2120 Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 312; siehe zum case stated-Verfahren schon oben, bei Fn. 826. 2121 Ein Recht zum appeal in Form des case stated-Verfahrens ergab sich damit auch bis zuletzt aus s.11 Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53, nachdem ein Recht zum appeal für die abschließend aufgezählten tribunals bestand. 2122 Wie dies etwa im Bereich des Sozialrechts mit den Social Security Commissioners oder lange Zeit im Asyl- und Immigrationsrecht der Fall war ; siehe schon oben, bei Fn. 1433 bzw. bei Fn. 1558; siehe zu anderen Beispielen für zweitinstanzliche tribunals Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 310. 2123 Das »System« von Überprüfungsrouten für Entscheidungen der tribunals beschrieb der Leggatt Review als »haphazard, having developed alongside the unstructured growth of the tribunals themselves.« Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para 6.8; siehe auch Woolf, CJQ 1988, 7, 44 (44 ff.). 2124 In Anlehnung an Barnett, Constitutional and Administrative Law, 7th ed. 2009, S. 845. 2125 Dieser Mechanismus selbst ist nicht neu, sondern bestand schon früher bei einigen tribunals: So waren etwa die National Insurance Tribunals, die Social Security Commissioners und die Medical Appeal Tribunals in der Lage, eigene Urteile unter bestimmten Voraussetzungen von sich aus abzuändern, was allerdings teilweise nur auf Antrag der streitbeteiligten Behörde (nicht aber des Bürgers) möglich war ; siehe im Einzelnen Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 315 ff. Einen ähnlichen Mechanismus – wenn auch in völlig anderem Ausmaß – bis zuletzt im Zusammenhang mit dem Asylum and Immigration Tribunal seit 2005 (siehe dazu oben, bei Fn. 1470) – das Fehlen einer echten zweiten Instanz wurde hier durch einen Mechanismus von »reconsideration« ersetzt, das AIT hatte also die Möglichkeit, seine eigenen Entscheidungen zu überprüfen, allerdings in erheblich weiterem Umfang als beim »self review«; siehe hierzu Clayton, Textbook on Immigration and Asylum Law, 4th ed. 2010, para. 8.2. Die zu diesem Mechanismus er-
Überprüfungsmechanismen und Instanzenzug
407
geben, seine Entscheidung nachträglich zu verändern und die Fehler in seiner Entscheidung zu beheben, wegen derer auch ein appeal möglich wäre, ohne dass jedoch hierfür tatsächlich ein appeal und die damit einhergehende Befassung des jeweils ranghöheren Organs durchgeführt werden muss.2126 Dadurch werden die Ressourcen sowohl der Verfahrensparteien als auch der nächsten Instanz geschont, da so auf kurzem Wege Rechtsfehler ausgeschaltet werden können. Außerdem können im Wege des self review erst recht offensichtliche Unrichtigkeiten in der Aktenführung und den Entscheidungen bzw. deren Begründungen der tribunals berichtigt werden – insoweit kommt diesem Mechanismus also eine vergleichbare Rolle zu, wie den Möglichkeiten der deutschen Gerichte zur Korrektur »offenbarer Unrichtigkeiten«.2127 Die Möglichkeit zur Durchführung dieser Prüfung haben die tribunals auf Antrag der Parteien2128 oder von Amts wegen.2129 Sie besteht dabei grds. für alle Entscheidungen außer sog. excluded decisions, auf die später noch gesondert eingegangen wird.2130 An dieser Stelle sei lediglich gesagt, dass als excluded decisions auch alle Entscheidungen gelten, die das FtT bzw. das UT im Rahmen eines self review getroffen haben, m.a.W.: Die Entscheidungen eines tribunal, die im Rahmen eines self review ergehen, können – bis auf eine Ausnahme2131 – selbst keinem self review unterzogen werden.2132
2126 2127
2128 2129 2130 2131 2132
gangene Rechtsprechung lässt sich wohl teilweise auf den jetzt geschaffenen self review übertragen; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 15.53. Siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15 para 98; Hinchliffe, Tribunals, 2010, Winter, 17 (17 f.). Zumindest hinsichtlich der Korrektur von »accidental errors« findet der self review eine Parallele in den Möglichkeiten der deutschen Gerichte zur Korrektur der Urteile nach §§ 118 – 120 VwGO bzw. §§ 319 – 321 ZPO (bzw. der Verhandlungsprotokolle nach § 164 ZPO). § 118 VwGO bzw. § 319 ZPO ermächtigen die deutschen Gerichte dazu, etwa Rechtschreib- oder Rechenfehler in ihren eigenen Entscheidungen zu beseitigen, was durch Beschluss geschieht. Als »offenbare Unrichtigkeit« werden alle Fehler verstanden, die insoweit offenbar sind, als dass ihr Bemerktwerden keine weiteren Ermittlungen oder Recherchen erfordert – es geht um technische Fehler, die auf Irrtümern der Geschäftsstelle oder des Gerichts beruhen; siehe Kugele, OK-VwGO, Stand: 15. 10. 2011, § 118 VwGO, Rn. 6 m.w.N. Ähnlich weit wird man wohl den Begriff des accidental error zu verstehen haben (hierzu sogleich, bei Fn. 2136). Ferner besteht auch die Möglichkeit für das tribunal, die Entscheidungsgründe zu verändern, was wohl auch die Möglichkeit umfasst, den Tatbestand der Entscheidung zu korrigieren. Insoweit bestünde eine Parallele zur Vorschrift des § 119 VwGO, wenngleich diese eben nur auf Veränderungen des Tatbestands beschränkt ist und gerade keine Veränderungen der Urteilsbegründung umfasst; hierzu siehe auch unten, bei Fn. 2137. Den self review können allerdings nur jene Parteien beantragen, die auch zur Einlegung des appeal berechtigt sind; hierauf wird noch eingegangen; siehe unten, bei Fn. 2202. Siehe für das FtT s.9(2) und s.10(2) TCEA 2007 c.15 für das UT. Siehe dazu unten, bei VII.G.2.d), S. 449. Zu dieser siehe sogleich, bei Fn. 2144. Siehe auch unten, bei Fn. 2375. Die Möglichkeit zum self review steht dem tribunal auch nur einmal zu, d. h. es kann auch nur einmal darüber entscheiden, ob es einen self review
408 a)
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Die Möglichkeiten der tribunals im self review
Aus der konkreten Formulierung von ss.9 und 10 TCEA 2007 c.152133 wird geschlossen, dass der self review sich grds. sowohl auf verfahrens- als auch auf materiellrechtliche Aspekte der vorangegangenen Entscheidung beziehen kann.2134 Entscheidet das tribunal, einen self review durchzuführen, hat es sodann verschiedene Optionen,2135 nämlich: – die Möglichkeit, einfache Schreib- und Flüchtigkeitsfehler (accidental errors) in der Entscheidung oder in der Akte zu korrigieren,2136 – die Entscheidungsgründe der überprüften Entscheidung zu verändern2137 – oder die eigene Entscheidung aufzuheben.2138 Hinsichtlich der letztgenannten Möglichkeit zur Aufhebung einer Entscheidung ist zwischen FtT und UT mit Blick auf die Folgen einer solchen Aufhebung zu differenzieren:
2133 2134 2135 2136
2137
2138
durchführt oder nicht; siehe ss.9(10) und 10(8) TCEA 2007 c.15. Danach kann das tribunal die Durchführung eines review (auf Antrag einer Partei) nur einmal ablehnen. Auch wenn das tribunal einen self review durchführt, aber keine Maßnahmen ergreift und seine Ausgangsentscheidung unverändert lässt, ist ein weiterer self review ausgeschlossen; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 15.42. FtT und UT »may review a decision made by it on a matter in a case«, ss.9(1) und 10(1) TCEA 2007 c.15. Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para.15.41. Auch die Auswahl dieser Optionen steht im Ermessen des tribunal; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para.15.44. Siehe ss.9(4)(a) bzw. 10(4)(a) TCEA 2007 c.15. Zu dieser Kompetenz treffen die Verfahrensregeln der einzelnen Kammern weitere Regelungen; siehe r.42 UT-Rules SI2008/2698; r.53 UTLC-Rules SI2010/2600; r.44 HESC-Rules SI2008/2699; r.40 GRC-Rules, SI2009/ 1976; r.36 SEC-Rules SI2008/2685; r.37 TC-Rules SI2009/273; r.34 WPAFCC-Rules SI2008/ 2686 sowie die sprachlich von den vorgenannten leicht abweichende und erweiterte Regelung in r.60 IAC-Rules SI2005/230; siehe zu dieser Regelung außerdem unten, bei Fn. 2144 und Fn. 2411. Was alles als »accidental error« aufgefasst werden kann, ist gegenwärtig noch nicht absehbar. Siehe ss.9(4)(b) bzw. 10(4)(b) TCEA 2007 c.15. Diese Vorschriften differenzieren nicht danach, in welcher Hinsicht die Entscheidungsbegründung des tribunal verändert werden darf – entsprechend wird sich die Kompetenz zur Veränderung der Begründung (bei gleichbleibendem Entscheidungstenor) sowohl auf den Tatbestand als auch auf die Beweiswürdigung und die rechtlichen Erwägungen erstrecken und auch bei allen möglichen Fehlern – also nicht nur bei »accidental errors« – möglich sein. Damit geht die Änderungskompetenz des tribunal auch in dieser Hinsicht viel weiter als die Einflussnahmemöglichkeiten eines deutschen Verwaltungsgerichts auf dessen Urteilsbegründung nach § 119 VwGO: Nach dieser Vorschrift kann nur der Tatbstand auf andere als offenkundige Fehler hin korrigiert werden; die rechtlichen Bewertungen oder die Beweiswürdigung durch das Gericht können jedoch nicht nachträglich beeinflusst werden (schon gar nicht von Amts wegen – § 119 I Hs. 2 VwGO); siehe hierzu Kugele, OK-VwGO, Stand: 15. 10. 2011, § 119 Rn. 2ff. Siehe ss.9(4)(c) bzw. 10(4)(c) TCEA 2007 c.15. Eine Kompetenz zur vollständigen Beseitigung der eigenen Entscheidung findet im deutschen Recht keinerlei Entsprechung.
Überprüfungsmechanismen und Instanzenzug
409
– Das FtT hat nach Aufhebung seiner eigenen Entscheidung die Möglichkeit, das (nun wieder offene) Verfahren dem UT zur weiteren Entscheidung vorzulegen.2139 Das UT ist an diese Vorlage gebunden und muss die Sache entscheiden,2140 wobei es jede Entscheidung fällen kann, die auch das FtT hätte treffen können, wenn es nach Aufhebung seiner Ausgangsentscheidung eine neue Entscheidung zu treffen hätte.2141 – das FtT hat aber nach Aufhebung seiner Entscheidung auch die Möglichkeit, diese selbst neu zu fällen.2142 Erlässt es eine neue Entscheidung, so sind die Entscheidungen, einerseits die Ausgangsentscheidung aufzuheben (im Folgenden: »Aufhebungsentscheidung«) und andererseits die neu erlassene, materielle Entscheidung als jeweils eigenständig zu betrachten;2143 mithin ist die neu erlassene Entscheidung wie gehabt einem self review und dem appeal zugänglich, wohingegen für die Aufhebungsentscheidung folgendes gilt: Diese kann zwar einem self review unterzogen werden, in dessen Rahmen hat das FtT allerdings nur die oben geschilderte Möglichkeit zur Korrektur von accidental errors, also Schreib- und ähnlichen Flüchtigkeitsfehlern in der Entscheidung und der Akte.2144 Auf den Sinn dieser Regelung wird später noch eingegangen.2145 Ein appeal kann gegen die Aufhebungsentscheidung allerdings nicht eingelegt werden.2146 – Führt das UT einen self review durch, hat es im Wesentlichen die gleichen Kompetenzen wie das FtT,2147 allerdings mit dem Unterschied, dass es im Falle der Aufhebung einer Entscheidung diese neu fällen muss und nicht etwa an das FtT zurück- oder weiter an den CoA verweisen kann.2148 Wird eine Entscheidung im Rahmen des self review aufgehoben, können FtTund UT für die
2139 Siehe s.9(5)(b) TCEA 2007 c.15. 2140 Siehe s.9(6) TCEA 2007 c.15. 2141 Siehe s.9(7) TCEA 2007 c.15 – Damit ist das UT etwa an die Verfahrensanforderungen gebunden, die für das FtT gelten würden, wenn es die Entscheidung neu zu treffen hätte, womit es sich an etwaige Besonderheiten in den Verfahrensregeln der jeweiligen Kammer des FtT halten muss. 2142 Siehe s.9(5)(a) TCEA 2007 c.15. 2143 Siehe s.9(11) TCEA 2007 c.15. 2144 Dies ergibt sich aus ss.9(9) TCEA 2007 c.15; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 15.47; siehe zu dieser Möglichkeit auch schon oben, bei Fn. 2136; zur besonderen Relevanz dieser Regelung siehe unten, bei Fn. 2411. 2145 Siehe unten, bei Fn. 2411. 2146 Siehe s.11(5)(c)(iii) TCEA 2007 c.15; bei der Aufhebungsentscheidung handelt es sich um eine »excluded decision«; siehe auch unten, bei Fn. 2373. 2147 D.h. gem. s.10 TCEA 2007 c.15 inbs. die Kompetenez zur Korrektur von Schreibfehlern (s.10 (4)(a)), zur Abänderung der Entscheidungsgründe (s.10(4)(b)) und zur Aufhebung der Entscheidung s.10(4)(c) TCEA 2007 c.15. 2148 Siehe s.10(5) TCEA 2007 c.15.
410
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
neu zu erlassende Entscheidung alle notwendigen (neuen) Sachermittlungen anstellen.2149 b)
Voraussetzungen und Durchführung des self review
Die soeben genannten Möglichkeiten sowie die Anwendungsmöglichkeit des self review überhaupt werden durch die Verfahrensregeln für die einzelnen Kammern noch modifiziert:2150 Sie beschränken den Anwendungsbereich des self review – bis auf die Möglichkeit zur Korrektur von accidental errors in der Akte oder den Entscheidungen, die an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft ist2151 – dahingehend, dass dieses Verfahren eigentlich nur in einer Verfahrenssituation möglich wird, nämlich, wenn eine der Verfahrenparteien appeal gegen die Ausgangsentscheidung des tribunal einlegen möchte.2152 Für die Kammern des FtT ist dabei geregelt, dass der self review auch nur möglich ist, wenn das tribunal vom Vorliegen eines Rechtsfehlers in seiner eigenen Entscheidung überzeugt ist.2153 Damit ist wohl jeder Rechtsfehler gemeint, der auch zum appeal berechtigen würde.2154 Für die Kammern des UT hingegen gelten grds. strengere Voraussetzungen – hier ist ein self review erst gestattet, wenn das UT bei Erlass seiner Entscheidung eine gesetzliche Bestimmung oder einen Präzedenzfall übersehen hat oder seit Ergehen der Entscheidung ein solcher Präzedenzfall geschaffen wurde, der das UT bindet und sich dies auf das Ergebnis der Entscheidung ausgewirkt hätte;2155 2149 Siehe ss.9(8) bzw. 10(6) TCEA 2007 c.15. 2150 Ermächtigungsgrundlage für die Schaffung entsprechender Regelungen in den Verfahrensregeln von FtT und UT sind ss.9(3) und 10(3) TCEA 2007 c.15. 2151 Nach den Verfahrensregeln der einzelnen Kammern können tribunals solche Fehler immer korrigieren; siehe r.42 UT-Rules SI2008/2698; r.53 UTLC-Rules SI2010/2600; r.44 HESC-Rules SI2008/2699; r.40 GRC-Rules, SI2009/1976; r.36 SEC-Rules SI2008/2685; r.37 TC-Rules SI2009/273; r.34 WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.60 IAC-Rules SI2005/230; siehe zu dieser Regelung schon oben, bei Fn. 2144 und Fn. 2136. 2152 Siehe etwa r.46(1) UT-Rules SI2008/2698; r.57(1) UTLC-Rules SI2010/2600; r.49(1) HESCRules SI2008/2699; r.44(1) GRC-Rules, SI2009/1976; r.40 SEC-Rules SI2008/2685; r.41(1) TC-Rules SI2009/273; r.38(1) WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.26 IAC-Rules SI2005/230 und zum Ganzen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 15.45. 2153 Siehe etwa r.49(1) HESC-Rules SI2008/2699 »If it is satisfied that there was an error of law in the decision«; siehe auch r.44(1) GRC-Rules, SI2009/1976; r.40 SEC-Rules SI2008/2685; r.41(1) TC-Rules SI2009/273; r.38(1) WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.26 IAC-Rules SI2005/ 230 und siehe zum Ganzen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 15.45; allgemein zum Begriff »error of law« siehe sogleich, Fn. 2222. 2154 Wann ein Rechtsfehler im Wege des appeal reversibel ist, wird sogleich beschrieben; siehe unten, VII.G.2.b), S. 423. 2155 Siehe r.45(1) UT-Rules SI2008/2698; Für die erstinstanzliche Zuständigkeit des UT nach dem Forfeiture Act 1982 c. 34 (siehe oben, bei Fn. 1452) nach r.26 i. V. m. r.46(1)(b) und 47 (2) UT-Rules SI2008/2698 besteht eine Sonderregel, die eine Berichtigung der Aus-
Überprüfungsmechanismen und Instanzenzug
411
nach den Bestimmungen des FtT wäre beides als Rechtsfehler und damit als Grund für die Durchführung des self review anzusehen.2156 Sowohl das FtT als auch das UT können ihre Entscheidungen aufheben, ohne zuvor noch einmal alle Parteien zu hören.2157 Da nur Rechtsfehler beim FtT zur Durchführung des self review führen können, ist für alle Kammern des FtT vorgeschrieben, dass diesen in der Regel ein (einzelner) judge durchführt; teilweise kann der Kammerpräsident zusätzlich anordnen, dass der self review durch die gleiche Person bzw. die gleichen Personen geschieht, der bzw. die auch die Ausgangsentscheidung getroffen hat bzw. haben.2158 Im UT hingegen ist als Regelfall vorgeschrieben, dass der self review durch die gleiche Person erfolgt, die auch die Ausgangsentscheidung getroffen hat; lediglich dort, wo die Gefahr von Verfahrensverzögerungen besteht, kann der jeweilige Kammerpräsident in den meisten Kammern die Prüfung durch einen anderen judge anordnen.2159 Hat das tribunal von der Möglichkeit der Aufhebung der Entscheidung Gebrauch gemacht, kann die Neuentscheidung durch ein personell anders zusammengesetztes tribunal erfolgen, wobei aber die gleiche Zahl und die gleiche Art von Tribunalsmitgliedern wie bei der Ausgangsentscheidung vertreten sein müs-
2156 2157
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2159
gangsentscheidung aufgrund von Rechtsfehlern und aufgrund veränderter Sachumstände gestattet; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 15.49 f. Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 15.49. Allerdings hat dann jede Verfahrenspartei, die mit der Entscheidung des tribunal im self review nicht einverstanden ist, die Möglichkeit, die erneute Überprüfung dieser Entscheidung zu beantragen; siehe etwa r.46(3) UT-Rules SI2008/2698; r.56(1) UTLC-Rules SI2010/2600; r.49(3) HESC-Rules SI2008/2699; r.44(3) GRC-Rules, SI2009/1976; r.40(4) SEC-Rules SI2008/2685; r.38(3) WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.26(3) IAC-Rules SI2005/ 230; siehe zu diesem »robust approach« auch R. (RB) v. First-tier Tribunal (Review) [2010] UKUT 160 (AAC), para. 26 per Carnwath SPT (zu dieser Entscheidung siehe auch noch sogleich, bei Fn. 2160 und 2163). Anderes gilt dagegen in und r.41(1) TC-Rules SI2009/273 – nach dieser Vorschrift muss das tribunal die Verfahrensparteien vor einer Entscheidung im Rahmen des self review informieren. Siehe GRC-PS, para. 14; WPAFCC-PS, para. 5; HESCC-PS, para. 9 nach TC-PS, para. 10; im Ergebnis gleich, wenn auch anders gefasst, ist die Regelung in SEC-PS, para. 11, die durch die Anordnung ergänzt wird, dass es sich bei demjenigen, der den self review durchführt, jedenfalls um einen hauptamtlichen judge (»salaried judge«) handeln muss, zumindest sofern dessen Einsatz ohne Verfahrensverzögerung möglich ist; eine Ergänzung dazu findet sich in IAC-FtT/IAC-UT-PS, para. 2.1(12): Danach kann sich nur ein besonders vom Chamber President der IAC-FtT anerkannter judge mit dem self review befassen. Keine eigene Regelung zum self review hingegen findet sich in SEC-CrimInComp-PS, para. 5 und SEC-AsylSupp-PS, para. 3. Siehe AAC-PS, para. 10 f.; TC/TCC-PS, para. 14 f.; UTLC-PS, para. 5 f.; in IAC-FtT/IACUT-PS findet sich keine entsprechende Regelung, hier kann von vornherein jeder judge des UTzur Durchführung des self review berufen werden. Da im UTohnehin nur solche Fehler den self review auslösen können, die eng mit der Materie des Verfahrens zusammenhängen (übersehene Präzedenzfälle/Regelungen) ist die Anordnung, dass die gleichen, bereits in den Fall eingearbeiteten Personen den self review durchführen sollen, verständlich.
412
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
sen.2160 Ansonsten treffen die Verfahrensordnungen der Kammern2161 noch einzelne, sachbereichsspezifische Sonderregelungen,2162 auf die hier nicht weiter eingegangen wird. Mit der Kompetenz zum self review wurde mithin die Möglichkeit geschaffen, gerade Rechtsfehler schnell und unkompliziert zu beheben, ohne dass sich ein anderer Spruchkörper von neuem in die Materie einarbeiten muss – ein zu großzügiger Gebrauch dieser Möglichkeit ginge jedoch mit der Gefahr einher, dass wichtige Rechtsfragen, die an sich einer eingehenden Würdigung durch einen ranghöheren Spruchkörper bedürften, gar nicht erst dorthin gelangen. Dieses Problem war Gegenstand der Entscheidung R (RB) v. First-tier Tribunal.2163 Hier machte das UT deutlich, dass die Möglichkeit zur Ausübung des self review nur dort bestünde, wo das Vorliegen eines Rechtsfehlers offensichtlich sei, weil das Recht völlig klar sei; in Ausübung seines Ermessens bei der Entscheidung darüber, ob der self review durchgeführt wird oder nicht, habe das FtT darauf zu achten, dass die Aufgabe des UT, schwierige Rechtsfragen zu entscheiden, nicht durch eine Ausübung des self review in rechtlichen Zweifelsfällen usurpiert werde.2164 Indikator für das Vorliegen einer solchen komplexen Rechtsfrage, bei deren Vorliegen das FtTvon self review Abstand nehmen solle, sei etwa die Länge der Begründung, die notwendig ist, um das Vorliegen eines Rechtsfehlers zu verdeutlichen.2165
2160 Siehe R. (RB) v. First-tier Tribunal (Review) [2010] UKUT 160 (AAC), para. 29 per Carnwath SPT, der dem Einwand des dortigen Klägers, die neu zu treffende Entscheidung einem anders zusammengesetzen Spruchkörper anzuvertrauen, würde das Verfahren unnötig verzögern, entgegentrat; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 15.51. 2161 Es finden sich zum self review in den Verfahrensstatuten noch Regelungen etwa für die Situation, in der die Entscheidung eines tribunal, ein Verfahren einzustellen, aufgehoben werden soll; siehe r.43 UT-Rules SI2008/2698; r.54 UTLC-Rules SI2010/2600; r.45 HESCRules SI2008/2699; r.41GRC-Rules, SI2009/1976; r.37 SEC-Rules SI2008/2685; r.38 TCRules SI2009/273; r.35 WPAFCC-Rules SI2008/2686; nur in den gegenwärtigen IAC-Rules SI2005/230 findet sich keine entsprechende Bestimmung. 2162 Wie etwa für »SEN«-Fälle (zu »SEN« siehe oben, bei Fn. 1239) in r.48 HESC-Rules SI2008/ 2699 sowie die bereits oben (Fn. 2155) dargestellte Regelung in r.47 UT-Rules SI 2008/2698. 2163 R. (RB) v. First-tier Tribunal (Review) [2010] UKUT 160 (AAC). Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung aus dem Bereich des Unterbringungsrechts, die das UT im Rahmen seiner Kompetenz zur Durchführung des gesetzlichen »judicial review« traf; zu diesem Aspekt der Entscheidung unten, bei Fn. 2403. 2164 Siehe R. (RB) v. First-tier Tribunal (Review) [2010] UKUT 160 (AAC), para. 31 per Carnwath SPT. 2165 Muss das tribunal erst seitenlang begründen, warum eine Rechtsfrage durch es selbst falsch entschieden wurde, kann dieser Rechtsfehler nicht offensichtlich gewesen sein – dann hätte er aber einer Prüfung durch eine höhere Instanz bedurft; siehe R. (RB) v. Firsttier Tribunal (Review) [2010] UKUT 160 (AAC), para. 32 per Carnwath SPT; siehe zum Ganzen auch Hinchliffe, Tribunals, 2010, Winter, 17 (17 ff.).
Überprüfungsmechanismen und Instanzenzug
2.
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Erst- und zweitinstanzliche Rechtsmittel (first appeal, second- bzw. second-tier appeal)
An den self review schließt sich dann regelmäßig der eigentliche appeal an. Bevor nun auf die Einzelheiten der Möglichkeiten zum appeal innerhalb der Struktur des TCEA 2007 c.15 eingegangen wird, sind hier zunächst noch einige terminologische Präzisierungen erforderlich: Im Folgenden geht es nicht um appeals, die sich gegen eine Ausgangsentscheidung ergeben (initial appeals),2166 sondern nur um solche, die eine Überprüfung der Entscheidungen des FtT durch das UT ermöglichen und hier als first appeals bezeichnet werden sollen, sowie solche, die eine weitere Überprüfung der Entscheidungen des UT durch den CoA ermöglichen; ging dieser eine Entscheidung des FtT voraus, handelt es sich um einen second appeal, richtet sich der appeal gegen eine Entscheidung des UT im Rahmen von dessen erstinstanzlicher Zuständigkeit, wird dies hier als secondtier appeal bezeichnet.2167 Der second appeal ist also eine echte, zweitinstanzliche Prüfung, second-tier appeal hingegen meint allgemein ein Rechtsmittel auch gegen erstinstanzliche Entscheidungen des UT. Folgende Merkmale kennzeichnen sowohl first- als auch second(-tier) appeals: – Ein appeal hat stets Devolutiveffekt.2168 Wird eine Entscheidung durch eine Instanz überprüft, die auf gleicher Ebene wie die Ausgangsinstanz steht, stellt dies keinen appeal, sondern allenfalls einen review dar.2169
2166 Siehe schon oben, bei Fn. 1120. 2167 Es handelt sich also um einen appeal gegen eine (erstinstanzliche) Entscheidung des UTals zweiter Ebene des Systems des TCEA 2007 c.15. Diese Abgrenzung geschieht hier in Anlehnung an die Ausführungen in der Entscheidung PR (Sri Lanka) & Ors v. Secretary of State for the Home Department [2011] EWCA Civ 988, para. 14 per Carnwath LJ. Es handelt sich dabei allerdings nicht um eine allgemein anerkannte Terminologie, vielmehr werden z. T. auch second appeals als second-tier appeals bezeichnet; vgl. nur R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 27. 2168 »An appeal is the right of entering a superior court, and invoking its aid and interposition to redress the error of the court below.« Attorney General v. Sillem (1864) 11 ER 1200 (1209) per Westbury LC. 2169 Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.13. Theoretisch denkbar ist, dass der Gesetzgeber ein appeal-Recht von einem tribunal zu einem anderen gleichen Ranges schafft; wenngleich dies bei der Auslegung eines Gesetzes wohl kaum als Intention des Gesetzgebers anzunehmen wäre: »[A]ppeals to tribunals or courts of equal standing to the tribunal or court responsible for the original decisions are rare, if known at all. It would be most unfortunate if a subsequent tribunal of equal standing to the first tribunal were required to hear and to rule on contentions that the first tribunal procedure had been unfair, that its discretions had been exercised unreasonably […], that its procedure had been irregular, or that any of its findings of fact or its decisions was incorrect. It is most unlikely that parliament intended this.« Kataria v. Essex Strategic Health Authority [2004] 3 All ER 572, para. 27 per Burnton J.
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– Die Möglichkeit zum appeal folgt immer ausdrücklich2170 zumindest auch aus dem Gesetz,2171 denn die Schaffung eines Rechts zum appeal bedarf stets einer gesetzlichen Grundlage.2172 Dabei muss das Wort appeal nicht im Gesetz verwendet werden,2173 so dass das Vorliegen eines appeal-Rechts letztlich Auslegungsfrage ist.2174 – Ein appeal ist grds. nur gegen eine als solche zu identifizierende Entscheidung möglich, nicht aber etwa gegen das Unterlassen oder die Verzögerung einer Entscheidung.2175 In der sich entwickelnden Rechtsprechung des UT für die Zwecke der appeals im Rahmen des TCEA 2007 c.15 sind die Maßstäbe an das Vorliegen einer überprüfbaren Entscheidung aber gering, es muss sich also nicht etwa um ein Endurteil handeln, sondern kann auch Verfahrensentscheidungen betreffen.2176 – Ein appeal stellt grds. eine rein rechtliche Prüfung der der Überprüfungsinstanz vorgelegten Entscheidung der Vorinstanz dar ;2177 die Überprüfungs2170 Lane v. Esdaile [1891] AC 210 (211), per Lord Halsbury ; Secretary of State for Work and Pensions v. Morina [2007] 1 WLR 3033, para. 46 per Arden LJ; ein konkludent gewährtes appeal-Recht existiert nicht; siehe R. v. Hanson (1821) 106 ER 1027; R. v. Stock (1838) 112 ER 892; Furtado v. City of London Brewery [1914] 1 KB 709 (712) per Swinfen Eady ; Attorney General v. Sillem (1864) 11 ER 1200 (1207) per St. Leonards LJ; siehe zum Ganzen auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.8. 2171 »Appellate jurisdiction is always statutory«; Evans v. Bartlam [1937] AC 473 (480) per Atkin LJ. Gemeint ist allerdings nur, dass das Gesetz die Möglichkeit schaffen muss, appeal-Rechte zu kreieren; die Bestimmung, aus der sich das konkrete appeal-Recht ergibt, kann dann auch im untergesetzlichen Recht enthalten sein, siehe nächste Fußnote, Fn. 2172. 2172 Attorney General v. Sillem (1864) 11 ER 1200 (1207), per Westbury LC. Auch durch Rechtsverordnungen ist die Schaffung eines appeal möglich, allerdings nicht dann, wenn Ermächtigungsgrundlage zur Schaffung der Verordnung lediglich den Erlass von Verfahrensregeln vorsieht, da ein appeal-Recht ein materielles Recht darstellt und keine Verfahrensregelung; siehe Attorney General v. Sillem (1864) 11 ER 1200 (1208) per Westbury LC; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.8. 2173 Attorney General v. Sillem (1864) 11 ER 1200 (1217) per Leonards LJ; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.8. 2174 Betterment Properties (Weymouth) LTD v. Dorset County Council [2007] EWHC 365 (Ch), para. 14 per Lightman J. Die Beweislast für das Vorliegen eines appeal-Rechts liegt bei dem, der sich darauf beruft, Attorney General v. Sillem (1864) 11 ER 1200 (1217) per Leonards LJ; siehe zum Ganzen auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.8. Auch wie weit das jeweilige appeal-Recht geht, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln; siehe etwa zur Frage, ob gegen die Versagung der permission to appeal ein eigener appeal möglich ist unten, VII.G.2.a)(3), S. 422. 2175 Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs v. Moblix Ltd [2007] EWHC 1769 (CH), para. 7 ff. per Warren J; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.16. Allerdings kann in Ausnahmefällen auch die Verzögerung der Bekanntgabe einer Entscheidung durch ein tribunal einen Grund darstellen, der einen appeal rechtfertigt; siehe Bangs v. Connex South Eastern Ltd [2005] ICR 763, para. 43 per Mummery LJ. 2176 Dazu siehe unten, bei Fn. 2456 und 2457. 2177 Gegenstand der Prüfung durch die Revisionsinstanz ist stets die Entscheidung der un-
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instanz ist jedoch nicht etwa auf die Begutachtung der vom Rechtsmittelführer gerügten Rechtsfrage beschränkt.2178 Veränderungen tatsächlicher oder rechtlicher Umstände, die seit der Zeit der Entscheidung der Vorinstanz eingetreten sind und die Entscheidung unangemessen erscheinen lassen, können zumindest in der Regel nicht im Wege des appeal geltend gemacht werden, da dessen Gegenstand grds. nur die rechtliche Richtigkeit der vorangegangenen Entscheidung zum Zeitpunkt von deren Ergehen war.2179 In manchen Sachbereichen ist hierfür aber ein review durch das tribunal ausdrücklich vorgesehen.2180 Abgesehen von diesen genannten Merkmalen kann die aufgrund eines appeal tatsächlich durchgeführte Überprüfung die verschiedensten Formen annehmen; mitunter werden – trotz der grundsätzlichen Beschränkung auf Rechtsfragen – auch Überprüfungsmöglichkeiten als appeal aufgefasst, die umfangreiche Tatsachenermittlungen ermöglichen.2181 Außerdem gibt es innerhalb der Struktur des TCEA 2007 c.15 auch besondere Fälle, in denen ein appeal-Recht gegen Entscheidungen des FtT durch das materielle Recht erweitert oder be-
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mittelbar davorliegenden Instanz; siehe die Entscheidung Gover v. Propertycare Ltd [2006] ICR 1073; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.19. Anderes ist nur in Ausnahmefällen möglich, wenn in dem konkreten Fall Rechtsgründe gerügt werden, die auch im Wege eines JR-Verfahrens gerügt werden könnten; diese Situation tritt häufig bei Revisionsverfahren in Obdachlosenfällen auf; siehe hierzu im Einzelnen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.20. Außerdem kann ausnahmsweise durch das Gesetz selbst etwas anderes angeordnet sein. Ein appeal gewährt also »a right to a rehearing of the whole matter in dispute, the appellate tribunal not being confined to the particular reasons which have been given by the court below as the ground for their decision« Fulham Borough Council v. Santilli [1933] 2 KB 357 (367) per Humphreys J; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.17. Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.22. Gemeint ist hier nicht der Fall, dass etwa in der Zeit zwischen mündlicher Verhandlung und Verkündung einer Entscheidung neue Tatsachenerkenntnisse verfügbar wurden – dieser Fall kann u. U. zu einem appeal berechtigen; siehe unten, Fn. 2273. So etwa in r.47(2)(a) UT-Rules, SI2008/2698 für die besondere Zuständigkeit des UT für Entscheidungen nach dem Forfeiture Act 1982 c.42; dazu siehe schon oben, bei Fn. 1452. Es wurden bereits gesetzliche Verfahren als »appeal« bezeichnet, die auch eine umfangreiche Ermittlung der Sachlage umfassen können, allerdings ist dieses Begriffsverständnis nicht einheitlich: Lord Woolf spricht in seinem Report »Access to Justice« insoweit von einem »second hearing«, bei der die für die Entscheidung der höheren Instanz notwendigen Ermittlungen den gleichen Umfang haben wie die der Ausgangsinstanz; zugleich ordnet er derartige Verfahren aber nicht als echte appeals ein; siehe Woolf, Access to Justice (Woolf Report), 1996 Ch. 14, para. 33. Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.27 hingegen meint, die Durchfühung einer derart umfassenden Sachprüfung ändert nichts an der Natur des Verfahrens als (auf Rechtsfragen beschränkten) appeal. Letztere Auffassung kann sich dabei auf die Entscheidungen Drover v. Rugman [1951] 1 KB 380 (382), per Goddard CJ und Stevens v. Stevens [1965] P 147 (164) per Russel LJ stützen.
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schränkt wird.2182 Die folgende Darstellung beschränkt sich insoweit auf die Grundzüge der appeal-Möglichkeiten für first- und second appeals nach dem TCEA 2007 c.15.
a)
Zulassung erstinstanzlicher Rechtsmittel (permission to appeal, first appeal)
Gegen alle Entscheidungen sowohl des FtT als auch des UT – mit Ausnahme von excluded decisions2183 – ist grds. der appeal zum UT bzw. zum CoA zur Geltendmachung von Rechtsfragen2184 möglich, was jedoch der gesonderten Zulassung bzw. der Einholung der permission to appeal bedarf.2185 Wie auch beim JR stellt die Gewährung der permission to appeal eine eigenständige Verfahrensstufe dar.2186 Ihr Zweck ist, eine Vorprüfung zu ermöglichen, ob der eingelegte appeal sich tatsächlich innerhalb der hierfür festgelegten Grenzen hält, ob also ein Rechtsfehler der Vorinstanz geltend gemacht wird,2187 sowie der Ausschluss rechtsmissbräuchlicher appeals bzw. solcher ohne jede Erfolgsaus2182 Beispiele für eine Erweiterung der Prüfungsmöglichkeiten auch auf Tatsachenfragen finden sich z.B. in s.78 und 78B Local Government Act 2000 c.22. Im Bereich des Steuerrechts ist die Klage gegen Verhängung eines Ordnungsgeldes durch das FtT durch das UT grds. gem. s.11 TCEA 2007 c.15 nur auf Rechtsfragen überprüfbar – zusätzlich kann aber auch die Höhe des von der TC verhängten Ordnungsgeldes vom UT überprüft werden. Das gleiche gilt auch für Ordnungsgelder, die die SEC im Zusammenhang mit tax credits verhängen kann; siehe sch.2 para. 2(2) und 4(1) Tax Credit Act 2002 c.21 bzw. s.21 (10) Child Trust Funds Act 2004 c.6. Auch gegen Entscheidungen der Traffic Commissioners (siehe dazu oben, bei Fn. 1447) sind appeals hinsichtlich Rechts- und Tatsachenfragen möglich, aber auch diese stellen keinen »second appeal« dar, da die Traffic Commissioner erstinstanzlich eine Entscheidung treffen; siehe zum Ganzen die hilfreiche Übersicht über die appeal-Rechte in der Entscheidung des CoA in der Rechtssache R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2010] EWCA Civ 859 (Appendix) per Sedley LJ. 2183 Dazu siehe unten, VII.G.2.d), S. 449. 2184 »Any point of law«; siehe dazu unten, VII.G.2.b), S. 423. 2185 Bzw. des »leave to appeal«, dem inhaltsgleichen Begriff für Nordirland; siehe s.11(3) TCEA 2007 c.15. 2186 Normalerweise äußert sich dies auch in der terminologischen Unterscheidung zwischen demjenigen, der permission to appeal beantragt, der als »applicant« bezeichnet wird, und demjenigen, dem die permission gewährt wurde und der bereits den eigentlichen appeal durchführen kann, der »appellant« genannt wird. Die Gegenpartei heißt stets »respondent«; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.130. In den Verfahrensregeln der mit Revisionssachen befassten Kammern des UT (AAC, IAC und TC) findet sich diese Unterscheidung allerdings nicht, vielmehr bezeichnen sie den Revisionsführer in allen Phasen des Verfahrens als appellant; siehe r.1(3) UT-Rules SI2008/2698. 2187 Das Erfordernis der permission wird regelmäßig dort aufgestellt, wo das appeal-Recht der Parteien auf die Überprüfung bestimmter Aspekte der Ausgangsentscheidung beschränkt ist – wie etwa hier die Beschränkung auf Rechtsfragen; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.142.
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sicht.2188 Letzteres dient nicht nur dem Schutz der Ressourcen der Überprüfungsinstanz, sondern wird auch als Schutz der Ressourcen des Rechtsmittelführers und der anderen Verfahrensparteien angesehen, da so frühzeitig klar wird, ob das anvisierte Rechtsmittel erfolgversprechend ist oder nicht.2189 (1) Maßstab für die Gewährung der permission Die permission wird entsprechend ihrer Filterfunktion jedenfalls dort gewährt, wo ein Rechtsfehler der Vorinstanz offensichtlich ist;2190 abgelehnt wird sie regelmäßig dort, wo keine »realistische Aussicht«2191 darauf besteht, dass der Rechtsmittelführer mit seinem Klagebegehren insgesamt Erfolg haben kann2192 – 2188 Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.144. 2189 Die Verfahrensstufe der permission und die damit einhergehende Prüfung der Erfolgsaussichten eines appeal schützt damit auch den Rechtsmittelführer vor dem Entstehen unnötiger Kosten; siehe Such v. Secretary of State for the Home Department [2006] EWCA Civ 711, para. 10 per Sedley LJ (unrep.): »[T]he preliminary application, which this is, is a valuable protection for the litigant against the risk of getting in too deep; getting, in other words, into this court without a real prospect of success on a point of law and finding herself liable for a very large sum of costs for the other side’s representation.« (wiedergegeben in: Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.144); siehe auch die Anmerkungen in R. (on the application of Davies) v. Secretary of State for Communities and Local Government [2008] EWHC 2223 (Admin), para. 55 ff. per Sullivan J. 2190 Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.187. 2191 Die Formulierung »a real prospect of success« findet sich nicht im TCEA 2007 c.15, dafür aber im Zusammenhang mit der Zulässigkeit zivilrechtlicher appeals (etwa gegen Entscheidungen eines county court) in r.52.3(6)(a) CPR sowie im Zusammenhang mit »summary judgements« (Urteilen, die eine nicht aussichtsreiche Klage summarisch entscheiden) in r.24.2(a)(i) CPR – vor allem im Zusammenhang mit diesen Vorschriften befassten sich die Gerichte mit dieser Formulierung: »The words ›no real prospect of being successful or succeeding‹ do not need any amplification, they speak for themselves. The word ›real‹ distinguishes fanciful prospects of success or […] they direct the court to the need to see whether there is a ›realistic‹ as opposed to a fanciful‹ prospect of success.« Swain v. Hillman [2000] PIQR P51 (P52 f.) per Woolf MR. Eine realistische Erfolgsaussicht hat dabei nur, wessen Argumente eine gewisse Überzeugungskraft haben: »I regard the distinction between a realistic and fanciful prospect of success as appropriately reflecting the observation […] that the defence sought to be argued must carry some degree of conviction.« ED& F Man Liquid Products Ltd v. Patel [2003] CP Rep 51, para. 8 per Potter LJ. Es fehlt jedenfalls an einer Erfolgsaussicht, wenn die vom Kläger vorgebrachte Argumentation mit anderen, bindenden Präjudizien unvereinbar ist; siehe Zuckerman, Zuckerman on Civil Procedure, 2nd ed. 2006, para. 23.108. Die Gerichte haben jedoch die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, dass das entgegenstehende Präjudiz durch die nächsthöhere Instanz aufgehoben werden könnte; siehe Beedell v. West Ferry Printers Ltd [2001] ICR 962, para. 14 ff. per Mummery LJ. 2192 Die permission wird in aller Regel nur abgelehnt, »[…] if satisfied that the applicant has no realistic prospect of succeeding on the appeal. This test is not meant to be any different from that which is sometimes used, which is that the applicant has no arguable case. Why however this court has decided to adopt the former phrase is because the use of the word ›realistic‹ makes it clear that a fanciful prospect or an unrealistic argument is not sufficient.« Smith v. Cosworth Casting Processess Ltd [1997] 1 WLR 1538 (1538) per Woolf MR.
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in irgendeiner Form festgelegt ist diese Kriterium aber nicht.2193 Die Entscheidung über die Gewährung der permission selbst ist sowohl für das FtT als auch für das UT eine nicht weiter gesetzlich determinierte Ermessensentscheidung:2194 Der Charakter der permission-Entscheidung als Ermessensentscheidung hat zur Folge, dass auch dann, wenn das Vorliegen eines point of law bejaht wird, die permission versagt werden kann, wenn etwa der festgestellte Rechtsfehler ohne Auswirkung auf das Ergebnis der konkreten Entscheidung war,2195 oder wenn der Rechtsfehler zwar entscheidungserheblich war, aber die Weiterführung eines Verfahrens unverhältnismäßig ist.2196 Umgekehrt kann das tribunal die permission aber auch ungeachtet der Tatsache gewähren, dass die zu entscheidende Rechtsfrage ohne Auswirkung auf die Position der Parteien und damit letztlich akademischer Natur wäre; so kann insb. das UT eine allgemein klärungsbedürftige Rechtsfrage zur Entscheidung an sich ziehen und sich hierzu äußern, die Ausgangsentscheidung im konkreten Fall aber letztlich inhaltlich unverändert lassen.2197
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Als Aussicht auf Erfolg reicht grds. nicht etwa das Entstehen eines möglichen Verfahrensvorteils der Partei; siehe Secretary of State for the Home Department v. Makke [2005] EWCA Civ 176, para. 23 f. per Pill LJ; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.187. Es gibt (noch) keine Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmung oder Praxisanweisung, die festschreibt, nach welchen Kriterien permission gewährt wird. Da das o.g. Kriterium der »reasonable prospect of success« jedoch auch im Zusammenhang mit allen anderen first appeals im Bereich des Privatrechts angewandt wird, kommt es im Anwendungsbereich des TCEA 2007 c.15 in aller Regel zum Einsatz – mitunter wenden die tribunals aber auch andere Kriterien an; siehe Bullock, PCB 2010, 4, 229 (234). Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.139. Damit unterscheidet sich das Verfahren von der Zulassungsberufung nach dem deutschen Verwaltungsprozessrecht – gem. § 124a I 1 und 3 VwGO hat das VG nämlich kein Ermessen hinsichtlich der Zulassung der Berufung im Falle des Vorliegens der Berufungsgründe; siehe Kugele, OKVwGO, Stand: 15. 10. 2011, § 124a VwGO Rn. 6. Siehe etwa Secretary of State for the Home Department v. Makke [2005] EWCA Civ 176 para 23 f. per Pill LJ; R. v. Secretary of State for Social Services Ex p. Connolly [1986] 1 WLR 421 (432) per Slade LJ. Ebenfalls hierher gehört wohl die Entscheidung R. (Begum) v. Social Security Commissioners [2002] EWHC 401 (Admin), para. 19 per Baker J; siehe zum Ganzen auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.212 ff. m. w. N. Siehe etwa Cook v. Plummer [2008] 2 FLR 989, para. 13 per Wilson LJ: Hier wurde die weitere permission in einem Unterhaltsrechtsstreit abgelehnt, obgleich das Gericht zugestand, dass die Vorinstanz einen Rechtsfehler bei der Beurteilung ihrer jurisdiction gemacht hatte. Da aber bereits absehbar war, dass diese Frage allenfalls durch eine Entscheidung auf Ebene des EuGH entschieden werden könnte und der beklagte Unterhaltsschuldner bereits in der Vorinstanz der Revisionsführerin einen hohen Unterhaltsbetrag zugesichert hatte, beschloss das Gericht, die permission zu versagen, da die Kosten der Weiterführung des Verfahrens aufgrund des Rechtsfehlers in keinem Verhältnis stünden zum möglichen Gewinn für die Rechtsmittelführerin; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.215. »There can be many reasons for granting leave [resp. permission] even if the court is not satisfied that the appeal has any prospect of success. For example, the issue may be one
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Die Frage, in welchem Umfang das tribunal verpflichtet ist, das Vorliegen von Gründen, die die Zulassung des appeal rechtfertigen würden, die der Antragsteller jedoch nicht vorgetragen hat, von sich aus zu ermitteln, ist bisher Gegenstand einiger Entscheidungen aus verschiedenen Sachbereichen gewesen, in denen diese Pflicht des tribunal darauf beschränkt wurde, nur ganz offensichtliche Rechtsfehler einer Entscheidung von sich aus zu rügen.2198 Da dieser Standard bereits für mehrere der bisherigen Einzeltribunals übertragen wurde, ist zu erwarten, dass dies auch künftig für das FtT und UT gelten wird.2199 (2) Permission-Verfahren beim first appeal Der Übersichtlichkeit halber werden die Einzelheiten des permission-Verfahrens im Folgenden zunächst nur für den first appeal dargestellt; auf den second(-tier) appeal wird unten noch genauer eingegangen.2200 Nach dem TCEA 2007 c.15 kann das permission-Verfahren grds. von den Parteien des Ausgangsrechtsstreits – und zwar grds. unabhängig davon, ob in der Vorinstanz unterliegend oder obsiegend2201 – sowie weiteren Personen in-
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which the court considers should in the public interest be examined by this court or, to be more specific, this court may take the view that the case raises an issue where the law requires clarifying.« Smith v. Cosworth Casting Processess Ltd [1997] 1 WLR 1538 (1538) per Woolf MR. Die Möglichkeit hierzu ergibt sich heute aus s.12(2)(a) TCEA 2007 c.15, nach der das UT nicht verpflichtet ist, die Entscheidung des FtT im appeal aufzuheben (»may (but need not) set aside the decision […]«). Dies ermöglich es dem UT, bestimmte, allgemein klärungsbedürftige Rechtsfragen an sich zu ziehen, wenn der Kläger die permission to appeal nach Ablehnung des Antrages an das FtT beim UT beantragt. Genauso möglich wäre auch die Gewährung der permission in Fällen, in denen die Umstände des Ergehens der Entscheidung eine erneute Anhörung rechtfertigen, ohne dass sie zu einem Rechtsfehler gereichen würden, etwa abfällige oder rassistische Bemerkungen des tribunal über eine Partei, deren Fall ohnehin verloren gegangen wäre; siehe zum Ganzen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.221. Siehe etwa die asylrechtliche Entscheidung in R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Robinson [1998] QB 929 (946) per Woolf MR: »If there is readily discernible an obvious point of Convention [ECHR] Law which favours the applicant although he has not taken it, then the special adjudicator should apply it in his favour, but he should be under no obligation to prolong the hearing by asking the parties for submissions on points which they have not taken but which should be properly categorised as merely ›arguable‹ as opposed to ›obvious‹. […] When we refer to an obvious point we mean a point which has a strong prospect of success if it is argued.« So wurde der oben genannte Test später auch auf einen sozialrechtlichen Fall übertragen; siehe P v. Secretary of State for the Home Department [2004] EWCA Civ 1640 und später auf alle tribunals; siehe R. (Begum) v. Social Security Commissioners [2002] EWHC 401 (Admin), para. 19, per Baker J. Allerdings wurde dies später insofern einschränkend präzisiert, als dass dieser Ansatz nicht gelte, wo eine Verletzung der völkerrechtlichen Pflichten des UK auf dem Spiel steht; siehe Bulale v. Secretary of State for the Home Department (2008) Times 25 July ; siehe zum Ganzen auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.199 f. Siehe unten, bei VII.G.2.c), S. 437. Die Möglichkeit zur Beantragung der permission ist nach dem Gesetz nicht beschränkt auf
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itiiert werden, wenn diese aufgrund einer Verordnung des Lord Chancellor als Verfahrensparteien zu betrachten sind.2202 Gem. s.11(4) TCEA 2007 c.15 kann der Antrag auf Gewährung der permission für den first appeal sowohl beim FtT als auch beim UT gestellt werden,2203 wobei dem Antrag an das UT allerdings nach dessen Verfahrensregeln grds. ein Antrag an das FtTvorauszugehen hat.2204 Erfolgt der Antrag an das FtT, löst dies regelmäßig die Durchführung des self review aus.2205 Die Verfahrensordnungen der einzelnen Kammern des FtT treffen weitere Anordnungen für die Beantragung der permission – etwa zur Frage der Antragsfrist – die jeweils in Details variieren.2206 Für die asyl- und immigrationsrechtlichen tribunals finden sich außerdem ergänzende Detailregelungen in einer practice direction des Senior President.2207 Auch für die Beantragung der permission beim UT finden sich in Verfahrensstatuten für das UT einige sach-
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die unterlegene Partei – in der Regel hat die obsiegende Partei zwar keinen Grund, einen appeal einzulegen, unter Umständen kann dies aber dennoch zulässig sein, etwa wenn eine Behörde den appeal im Interesse der Gegenseite einlegt (siehe etwa R(U) 6/88 sowie Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.159) oder die angegriffene Entscheidung lässt sich in verschiedene Aspekte aufteilen und der appeal bezieht sich nur auf einen Teilaspekt (siehe etwa Secretary of State for Work and Pensions v. Morina [2007] 1 WLR 3033, para. 4 per Kay LJ – hier ging es um die Frage, ob die Vorinstanz überhaupt jurisdiction hatte, welche von der ansonsten vollumfänglich erfolgreichen Streitpartei mit Blick auf künftige Fälle vorgebracht wurde) oder eine Behörde kann appeal einlegen gegen eine Entscheidung, die wegen überflüssiger Ausführungen im Urteil die tatsächliche Rechtslage verschleiert und die weitere Arbeit der Behörde beeinträchtigt (siehe etwa Office of Communications v. Floe Telecom Ltd (in Liquidation) [2009] EWCA Civ 47, para. 1 ff. per Mummery LJ); siehe zum Ganzen auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.161. Dies ergibt sich aus s.11(8) TCEA 2007 c.15: Diese Vorschrift trägt bestimmten Besonderheiten des Sozialrechts Rechnung, da in einigen Situationen durch ausdrückliche Vorschrift (s.14(3) und (5) Social Security Act 1998 c.14) etwa auch einem nicht als Verfahrenspartei beteiligten Ehepartner eines Klägers oder einer Gewerkschaft die Möglichkeit eines appeal eingeräumt wird; siehe hierzu Current Law – Statutes Annotated, Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007, 2008, s.15/12. Soweit ersichtlich ist bisher keine solche Verordnung ergangen. Siehe s.11(4) TCEA 2007 c.15. Siehe r.21(2) UT-Rules SI2008/2698 – da sich diese Regel aber in den Verfahrensregeln des UT befindet und nicht im Gesetz, kann das UT hiervon auch eine Ausnahme zulassen gem. r.7(2) UT-Rules SI2008/2698; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.174. Dazu siehe bereits oben, bei Fn. 2152. So gilt etwa in der HESC eine Frist von 28 Tagen seit Erhalt der Entscheidungsgründe (siehe r.46(2) HESC-Rules SI2008/2699), wohingegen in der TC eine Frist von 56 Tagen ab dem gleichen Zeitpunkt gilt; siehe r.39(2) TC-Rules, SI2009/274. In allen Fällen muss die Gewährung der permission aber schriftlich beantragt werden; siehe r.24(1) IAC-Rules SI2005/230; r.36(1)WPAFCC-Rules 2008/2686; r.42(1) GRC-Rules SI2009/1976; r.38(2) SEC-Rules SI2008/2685, wobei die letztgenannten Regelungen der SEC nicht für Fälle des asylum support oder criminal injuries compensation gelten. Siehe Senior President of Tribunals, IAC-FtT/IAC-UT-PS, 2010.
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bereichsspezifische Regelungen2208 sowie allgemeine Regelungen zu bestimmten Ermessensentscheidungen, die das UT noch während des Verfahrens zur Gewährung der permission fällen kann, etwa die Verlängerung der Frist zur Beantragung der permission.2209 Grds. kann das UT über die Gewährung der permission für first appeals ohne Anhörung entscheiden, allerdings ist in manchen sachbereichsspezifischen Bestimmungen ein mehrstufiges Verfahren der permission – d. h. schriftliche Beantragung und Anhörung – zwingend vorgeschrieben.2210 Die permission kann dabei sowohl vom FtT2211 als auch von Seiten des UT für die Überprüfung nur bestimmter Fragen gewährt werden;2212 gleichzeitig kann das UTeine einmal beschränkte permission auch nachträglich erweitern.2213 In jedem Fall muss die 2208 Vor allem unterschiedliche Regelungen zur Beantragungsfrist; siehe im Einzelnen r.21(3) UT-Rules SI2008/2689. Einheitliche Regelungen für appeals gegen Entscheidungen anderer tribunals, für die die UTLC zweite Instanz ist, finden sich in r.21 UTLC-Rules SI2010/ 2600. 2209 Siehe r.21(7) UT-Rules SI2008/2689 sowie die inhaltlich gleiche Regelung in r.21(5) und (6) UTLC-Rules SI2010/2600. Nach beiden ist die Fristverlängerung möglich, wenn ein Antrag an das FtT wegen Fristablaufs abgelehnt worden war, allerdings nur, wenn das UT dies »in the interest of justice« für notwendig hält. 2210 Siehe r.22(4) UT-Rules, SI2008/2698. Soll die Entscheidung der TC, der HESCC, der GRC und einiger tribunals außerhalb der Struktur überprüft werden oder eine Entscheidung nach dem Safeguarding Vulnerable Groups Act 2006 c.47 (dazu siehe bereits oben, bei Fn. 1437) überprüft werden, kann das UT zwar zunächst die permission ohne Durchführung einer Anhörung ablehnen oder beschränken – tut es dies aber, kann der Antragsteller eine »reconsideration« durch das UT im Rahmen einer mündlichen Verhandlung verlangen; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.226. Im Rahmen der dann anschließenden mündlichen Verhandlung (siehe Khreino v. Khreino [2000] 1 FLR 578 sowie auch – nach Gewährung der permission im Rahmen des appeal selbst – Mohamed v. Morris (2000) Times, 3 Feb.) war es in vergleichbaren Situationen grds. auch zulässig, dass das tribunal in der gleichen personellen Zusammensetzung zusammentritt, in der es zuvor die permission abgelehnt hat, obgleich dies im Einzelfall unangemessen sein kann; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, 2009, para. 4.237. 2211 Siehe r.43(5) GRC-Rules SI2009/1976; r.47(5) HESC-Rules SI2008/2685; r.39(5) SEC-Rules SI2008/2685; r.40(5) TC-Rules SI2009/273; r.37(5) WPAFCC-Rules SI2008/2686; r.25(5) IAC-Rules SI2005/230. 2212 Für das UT besteht keine ausdrückliche Bestimmung, dass die Gewährung der permission to appeal zu sich selbst nur auf bestimmte Gründe beschränkt sein könne – allerdings wird dies angenommen, da es eigenartig wäre, diese Möglichkeit dem FtT einzuräumen und dem UT nicht. Außerdem wird diese Möglichkeit in r.22(4)(b) UT-Rules SI2008/2698 vorausgesetzt. Der Bestimmung kann ferner entnommen werden, dass auch die Gewährung der permission mit bestimmten Bedingungen verknüpft werden kann, etwa einer besonderen Regelung zur Kostentragung, wobei diese sinnvollerweise nur durch das UT möglich ist, da nur diese die Einhaltung der Bedingung auch durchsetzen kann; siehe zum Ganzen auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.190 ff. m. w. N. bzw. para. 4.195 f. m. w. N. 2213 Ein Antrag hierauf ist in jeder Phase des Verfahrens möglich, so zumindest Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.194.
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Entscheidung, die permission zu versagen oder zu beschränken, begründet werden.2214 (3) Überprüfbarkeit von permission-Entscheidungen Hinsichtlich der weiteren Überprüfbarkeit von Entscheidungen im Rahmen des permission-Verfahrens ist zu differenzieren: Der TCEA 2007 c.15 schließt die weitere Überprüfbarkeit von permission-Entscheidungen des UT über die Zulassung des (first-)appeal zu sich selbst ausdrücklich aus.2215 Für permissonEntscheidungen des FtT gilt diese Regelung aber nicht2216 – entsprechend könnte auch die Entscheidung des FtT, permission zu versagen, eine decision i. S.v. s.11 (1) TCEA 2007 c.15 und damit einer Überprüfung im Wege des appeal zugänglich sein. Der bisherigen Rechtsprechung lässt sich jedoch entnehmen, dass ein Recht zum appeal gegen Entscheidungen im Rahmen des permission-Verfahrens einer ausdrücklichen Regelung bedarf;2217 wo keine (positiv formulierte) Bestimmung ein appeal-Recht gegen Entscheidungen im Rahmen des permission-Verfahrens gewährt, ist grds. auch kein weiterer appeal gegen die Nichtzulassungsentscheidung möglich.2218 Sonst würde der Sinn des permission-Verfahrens als Filter für unnötige und nicht erfolgversprechende Klagen unterlaufen.2219 2214 Dies ergibt sich bereits aus den Verfahrensregeln (siehe r.45(4) UT-Rules SI2008/2698; r.56 (4) UTLC-Rules SI2010/2600; r.47(4) HESC-Rules SI2008/2699; r.39(4) SEC-Rules SI2008/ 2685; r.40(4) TC-Rules SI2009/273; r.43(4) GRC-Rules SI2009/1976; r.37(4) WPAFCCRules SI2008/2686; r.25(4) IAC-Rules SI2005/230) sowie aus der Rechtsprechung; siehe Hyams v. Plender [2001] 1 WLR 32, para. 17 per Gibons LJ; siehe zum Ganzen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.223 f. 2215 Die Entscheidung des UT, gegen eine Entscheidung des FtT den appeal zu sich selbst nicht zuzulassen, ist eine »excluded decision«; siehe s.13(8)(c) TCEA 2007 c.15 sowie unten, VII.G.2.d), S. 449. 2216 Von der ausdrücklichen Regelung von s.13(8)(c) TCEA 2007 c.15 sind nur Entscheidungen des UT nach s.11(4)(b) TCEA 2007 c.15 erfasst, eine Entscheidung des FtT könnte daher theoretisch überprüft werden. Sinnvoll wäre dies jedoch wohl nur äußerst selten, da bei Versagung der permission durch das FtT einfach die Erteilung der permission durch das UT beantragt werden kann, was wesentlich einfacher ist. 2217 Siehe Re Housing of the Working Classes Act 1890 Ex p. Stevenson [1892] 1 QB 609 (611) per Esher MR. 2218 Bewerkstelligen ließe sich dieser Ausschluss etwa durch die Auslegung, dass die Entscheidung über die (Nicht-)Gewährung der permission keine »decision« im Sinne von s.11 (1) bzw. 13(1) TCEA 2007 c.15 sei, da ähnliches bereits von den Gerichten entschieden wurde; siehe R. (on the application of Sinclair Gardens Investments (Kensington) Ltd) v. Lands Tribunal [2005] EWCA Civ 1305, para. 23 per Neuberger LJ; Secretary of State for Work and Pensions v. Morina [2007] 1 WLR 3033, para. 45 per Arden LJ (bestätigt durch Bland v. Chief Supplementary Benefit Officer [1983] 1 WLR 262); R. v. Secretary of State for Trade and Industry Ex p. Eastway [2000] 1 WLR 2222; siehe zum Ganzen auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.229. 2219 Siehe Lane v. Esdaile [1891] AC 210; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009,
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Allerdings betrifft dies nur die Entscheidung, ob die permission gewährt oder versagt wird, nicht aber andere Entscheidungen im Rahmen des permissionVerfahrens, wie etwa die Verlängerung der Frist zur Beantragung des appeal.2220 Zumindest nach den Buchstaben des Gesetzes wäre also etwa in der Situation, dass das FtT eine Fristverlängerung zur Beantragung der permission versagt, gegen diese Entscheidungen ihrerseits ein appeal denkbar – ob die Rechtsprechung des UT in solchen Fällen jedoch einen appeal oder den sogleich noch erläuterten gesetzlichen judicial review zum UT für zulässig halten würde, kann noch nicht abgesehen werden. b)
Prüfungsmaßstab für Rechtsmittel (point of law)
Sowohl der first appeal als auch der second appeal beschränkt die Überprüfbarkeit der angegriffenen Entscheidung auf any point of law.2221 Die mit dieser Begrifflichkeit vom Gesetzgeber versuchte Beschränkung auf die Überprüfung von Rechtsfragen findet sich auch in vielen ähnlichen Formulierungen anderer Gesetze (issues/questions/matters of law), die als synonym angesehen werden können.2222 Die Frage aber, wo die damit intendierte Begrenzung genau verläuft, was also als question of law in Abgrenzung zur Tatsachenfragen – issue/question/ matter of fact2223 – zu verstehen ist, bzw. ob es eine solche Begrenzung überhaupt gibt, konnten die Gerichte bisher nicht abschließend beantworten.2224 Die be-
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para. 4.231. Zudem ließe es sich nicht mit dem Charakter der Entscheidung über permission als finaler Entscheidung vereinbaren; siehe Re Housing of the Working Classes Act 1890 Ex p. Stevenson [1892] 1 QB 609 (611) per Esher MR: Die Entscheidung ist »[…] from the very nature of the thing, final and conclusive and without appeal, unless an appeal from it is expressly given.« In der Entscheidung Richards v. Richards [1990] Fam 194 entschied der CoA, dass die oben genannte Begründung für den Ausschluss des appeal-Rechts gegen die Versagung der permission nicht auf die Entscheidung über die Verlängerung von Fristen zur Beantragung der permission übertragen werden könne. Ferner ist theoretisch auch denkbar, dass weitere Nebenentscheidungen im Zusammenhang mit der Versagung der permission mittels des appeal angegriffen werden können, wie etwa eine mit der permission zusammenhängende Kostenentscheidung o. ä.; siehe zum Ganzen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.231 f. m. w. N. Siehe ss.11(1) und 13(1) TCEA 2007 c.15. »A common way of limiting the scope of an appeal is to confine it to issues, points or questions of law or on the ground that the tribunal’s decision was erroneous or wrong in law. These expressions, and variants of them, are synonymous.« Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.238. Grds. umfassen »issues of fact« jedenfalls Fragen nach dem was, wann, wo, wie und warum eines tatsächlichen Umstands – allerdings kann sich direkt aus dem Gesetz ergeben, dass bestimmte Fragen weder als »law« noch als »fact« zu behandeln sein sollen; siehe etwa s.4 (3) Safeguarding Vulnerable Groups Act 2006 c.47; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.239. »The truth is, however, that there can hardly be a subject on which the courts act with such
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stehende Rechtsprechung zur Abgrenzung fact/law ist jedenfalls auch auf den TCEA 2007 c.15 anzuwenden.2225 Die Problematik, der sich die Gerichte dabei gegenübersehen, ist ähnlich der, die sich im deutschen Zivilprozessrecht im Rahmen von § 546 ZPO stellt, nämlich die Frage, ob »das Recht verletzt ist« – allerdings besteht im englischen Recht keine dem § 546 ZPO vergleichbare Definition.2226 Zwar gibt es hinreichend höchstrichterliche Judikate, die sich mit der Grenzziehung zwischen fact und law, insb. im Zusammenhang mit der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe befassen – weil aber immer wieder und immer anders versucht wurde, Tendenzen zu allzu bereitwilligen Interventionen von Überprüfungsinstanzen zu verhindern,2227 wurden die bisher geschaffenen Kategorien zur Einordnung fact/law eher schwammig und damit weitgehend manipulierbar.2228 Wenngleich angesichts der daraus resultierenden Unklarheiten nicht abstrakt dargestellt werden kann, was als point of law im Sinne von
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total lack of consistency as the difference between fact and law.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 796. Deutlicher noch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.255: »It is impossible to categorise, let alone list, every form that an issue of law may take. Any attempt at a comprehensive list or all embracing formula is doomed to failure by reason of its generality.« Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 019. § 546 ZPO bewirkt im Zusammenhang mit §§545 und 559 ZPO, dass die revisionsrechtliche Überprüfung im Zivilrecht auf Rechtsfragen beschränkt ist – damit ist die Ausgangsproblematik hier die gleiche wie bei der Frage nach dem Vorliegen einer »question of law«, mit dem Unterschied, dass sich dieses Problem hier bereits beim first appeal und damit auf einer Ebene stellt, die von ihrer Ausgangsposition her eher der deutschen Berufung entspricht. »An appellate court should resist any temptation to subvert the principle that they should not substitute their own decisions for that of the judge by a narrow textual analysis which enables them to claim that he misdirected himself.« Piglowska v. Piglowski [1999] 1 WLR 1360 (1372) per Hoffman LJ (siehe zu dieser Entscheidung auch noch unten, Fn. 2335); deutlicher noch das HoL in Re J (A Child) (Custody rights: jurisdiction) [2006] 1 AC 80, para. 12 per Hale LJ: »Too ready an interference by the appellate court, particularly if it always seems to be in the direction of one result rather than the other, risks robbing the trial judge of the discretion entrusted to him by the law. In short, if trial judges are led to believe that, even if they direct themselves impeccably on the law, make findings of fact which are open to them on the evidence, and are careful […] in their evaluation and weighing of the relevant factors, their decisions are liable to be overturned unless they reach a particular conclusion, they will come to believe that they do not in fact have any choice or discretion in the matter.« »Questions of law must be distinguished from questions of fact, but this has always been one of the situations where the rules have taken different forms under judicial manipulation.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 795; ähnlich Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.253 f.: »Despite […] warnings, there does appear to be a tendency for appellate tribunals to seek, if not strive, to extend the scope of their jurisdiction, either in individual cases or generally. […] The reality is that a judge is usually able to find an error of law in any case, sometimes easily, sometimes only with difficulty. The issue may seem to be not so much whether the decision involves an error of law, as whether the judge believes that something should be done about it.«
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ss.11 und 13 TCEA 2007 c.15 einer Überprüfung im Wege des appeal zugänglich ist, sollen doch zumindest die verschiedenen Herangehensweisen an diese Abgrenzung im Zusammenhang mit der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und Ermessensentscheidungen erläutert und einige konkrete Beispiele genannt werden. (1) Herangehensweise der Gerichte an die Abgrenzung fact/law Anders als etwa im deutschem Zivilprozessrecht ist vor allem die Frage der Abgrenzung fact/law im Zusammenhang mit der Auslegung unbestimmter Begriffe des Gesetzesrechts2229 problematisch: In einigen Urteilen wurde versucht, die Wasserscheide zwischen law und fact insoweit anhand der Abgrenzung von primary facts2230 – also etwa allem, was ein Zeuge hätte beobachten können und zum Gegenstand einer Aussage machen könnte sowie dem Allgemeinwissen des Gerichts2231 – und deren Subsumtion unter eine Rechtsnorm verlaufen zu lassen; nur Zweifel hinsichtlich letzterer beträfen danach questions of law.2232 In vielen älteren Entscheidungen wurde auf diese grundlegende Abgrenzung zurückgegriffen.2233 Wo praktisch beides ungeklärt ist – also sowohl 2229 Für das deutsche Recht ist unproblematisch – weil ja bereits vom Gesetz selbst vorgegeben – dass die Auslegung von Rechtsnormen in jedem Fall eine Rechtsfrage darstellt: Die Auslegung des Gesetzes gehört zum Kernbereich der revisionsrechtlichen Überprüfung, und zwar auch dann, wenn ungeschriebenes Recht in Rede steht; siehe BGH NJW 65, 12892, 1864; Prütting/Gehrlein/Ackermann, ZPO, 2. Aufl. 2010, § 546 Rn. 3. Anderes gilt für die Frage der Subsumtion eines Sachverhalts unter einen unbestimmten Rechtsbegriff, dies unterliegt nur ausnahmsweise gerichtlicher Prüfung (etwa die Frage, ob ein Verstoß gegen Treu und Glauben und die guten Sitten vorliegt); siehe zum Ganzen Prütting/ Gehrlein/Ackermann, ZPO, 2. Aufl. 2010, § 546 Rn. 15 mit Verweis auf die entsprechende Rechtsprechung. 2230 »Primary facts« sind »facts which are observed by the witnesses and proved by testimony«; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 795 mit Verweis auf Bracegirdle v. Oxley [1947] KB 349 (358) per Denning LJ. 2231 Auf dieses eigene Wissen verlässt sich das Gericht ohne die Notwendigkeit eines Beweises durch eine Partei; Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 796. 2232 Nur die Frage, ob bestimmte Fakten, so sie einmal ermittelt sind, eine bestimmte rechtliche Definition erfüllen, wäre damit Rechtsfrage. Nach dieser Herangehensweise wäre etwa die Frage nach der Kausalität der Handlung einer Person für einen Unfall eine Tatsachenfrage, die Frage hingegen, ob dieser Verursachungsbeitrag auch »real cause«, d. h. adäquat zurechenbar war, eine Rechtsfrage. Genauso wie die Frage, ob bestimmte, tatsächlich vorliegende Umstände die Subsumtion eines Gebäudes unter den Begriff »house« der verschiedenen Housing Acts zulassen; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 795 mit Verweis auf die Entscheidung Re Butler [1939] 1 KB 570 (579) per Green MR; siehe auch Quiltotex Co. Ltd v. Minister of Housing and Local Government [1966] 1 QB 704; Lake v. Bennett [1970] 1 QB 663 Tandon v. Trustees of Spurgeon’s Homes [1982] AC 755; R. v. Camden LBC Ex p. Rowton Ltd (1983) 10 HLR 28. 2233 Siehe etwa Farmer v. Cotton’s Trustees [1915] AC 922 (932) per Parker LJ; Woodhouse v. Peter Brotherhood Ltd [1972] 2 QB 520 (536) per Denning LJ; ACT Construction Co Ltd v. Customs and Excise Commissioners [1981] 1 WLR 49 (54) per Denning MR; siehe zum
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das tatsächliche Vorliegen von Tatsachen als auch deren Subsumtion unter eine Bestimmung – wird teilweise von einer mixed question of law and fact gesprochen,2234 aber auch stets die Notwendigkeit betont, diese Mischung von law und fact zunächst zu trennen und über beides separat zu befinden.2235 Die heutige Rechtsprechung zur Abgrenzung von fact und law ist aber vor allem pragmatisch,2236 wodurch die Begriffe fact und law mittlerweile zum Synonym für »überprüfbar/nicht überprüfbar« geworden sind:2237 Diese pragmatische Herangehensweise führt zu immer weniger stringenten Ergebnissen,2238 so dass die immer gleiche Frage – wie tief soll die Überprüfung einer Entscheidung der Vorinstanz sein? – mit immer neuen Maßstäben und Begrifflichkeiten zu beantworten versucht wird,2239 was aber nur zur Verworrenheit der Problematik beiträgt:
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Ganzen auch Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 019 und Endicott, LQR 1998, 114 (Apr.), 292 (297). Diese Kategorie wird dabei als ungenau und wenig hilfreich bezeichnet, da ja konzeptionell »fact« und »law« zwei verschiedene Dinge sind, die sich gerade nicht mischen lassen; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 795; zur Kritik an dieser eigentlich nur Verwirrung stiftenden Kategorie und deren unterschiedlicher Verwendung siehe Endicott, LQR 1998, 114 (Apr.), 292 (299). »[The] tribunal has no jurisdiction to consider any question of mixed fact and law until it has purified or distilled the mixture and extracted a question of pure law.« O’Kelly v. Trusthouse Forte Plc [1984] QB 90 (123) per Donaldson MR; Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 795; siehe auch MT (Algeria) v. Secretary of State for the Home Department [2008] QB 533, para. 97 per Clarke MR; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.262; siehe aber auch Smith (Inspector of Taxes) v. Abbott [1994] 1 All ER 673 (691) per Mustill LJ, der hinsichtlich der dort in Rede stehenden Frage feststellte, es handele sich um eine Frage »[…] of mixed fact and law which the court is entitled to review.« »The distinction between law and fact will also be affected by functional or pragmatic considerations, as manifested by the desire of the court to intervene or not. The very difficulty of analytically separating law from fact will allow the courts to apply the label which best fits their aim of intervention or not, as the case may be.« Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 019. »Whether one characterizes [something] as a question of fact depends upon whether as a matter of policy one thinks it is a decision which an appellate body with jurisdiction to errors of law should be able to review.« Serco Ltd v. Lawson [2006] UKHL 3, para. 34 per Hoffman LJ; siehe auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 796. »[T]he reigning rule today is more sophisticated and less logical. It is designed to give greater latitude to tribunals where there is room for difference of opinion.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 795. Die verschiedenen Lösungsansätze, die die Rechtsprechung im Laufe der Zeit für das Abgrenzungsproblem »fact/law« entwickelt hat, beschreibt anschaulich Endicott, LQR 1998, 114 (Apr.), 292 (297) der zunächst feststellt: »Looking at the devices courts have used to address the problem is like looking into the average toolbox. There is a lot of clutter that could have been cleared out long ago. There are one or two baffling gadgets with no readily identifiable function. And there are a few old, sturdy, and serviceable tools that do all the work.«
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(a) Unbestimmte Gesetzesbegriffe So hat das HoL in der als grundlegend angesehenen Entscheidung Edwards v Bairstow2240 entschieden, dass die Auslegung eines vom Gesetz verwendeten Begriffs grds. questions of law sei; wo jedoch unterschiedliche Spruchkörper hinsichtlich des Vorliegens des betreffenden Tatbestandsmerkmals zu verschiedenen Ergebnissen kommen könnten, ohne dass eines dieser Ergebnisse notwendigerweise falsch sei, liege eine question of degree2241 vor, die aufgrund der zulässigerweise unterschiedlichen Interpretationen letztlich als (nicht weiter überprüfbare) question of fact einzuordnen sei.2242 Eine Überprüfung sei damit
2240 Edwards v. Bairstow [1956] AC 14; ausführlich als wichtiger Präzedenzfall wird dieses Urteil diskutiert bei Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 019; siehe auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 796 ff. 2241 Mit diesem Urteil war die Kategorie »question of degree« bzw. »fact and degree« geschaffen, die seitdem oft auf derartige Situationen mehrerer möglicher Interpretationen eines unbestimmten Rechtsbegriffs angewandt wird; siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 797. Der Wert der damit geschaffenen Kategorie wird aber bezweifelt; siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 020 (»This was, with respect, a confusing label to apply.«); Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 797; sowie Endicott, LQR 1998, 114 (Apr.), 292 (301 f.). 2242 »All these cases in which the facts warrant a determination either way can be described as questions of degree and, therefore, as questions of fact.« Edwards v. Bairstow [1956] AC 14 (33) per Radcliffe LJ. Diese Aussage muss im Zusammenhang gesehen werden: In dem dort entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob eine bestimmte Transaktion unter den steuerrechtlichen Begriff »trade« fällt oder nicht. Lord Radcliffe zieht dabei zunächst den Schluss, dass die grundsätzliche Frage, ob die vorliegende Transaktion das Merkmal »trade« erfüllt oder nicht, eine Rechtsfrage sei (»My Lords, I think that it is a question of law what meaning is to be given to the words of the Income Tax Act ›trade[…]‹. Here we have a statutory phrase involving a charge of tax, and it is for the courts to interpret its meaning, having regard to the context in which it occurs and to the principles which they bring to bear upon the meaning of income.«). Davon ausgehend fährt er fort, dass das Gesetz der hier anzuwendenden Klausel keine völlig eindeutige Bedeutung gegeben habe und es deshalb möglich sei, bei ihrer Interpretation zu unterschiedlichen Ergebnissen zu kommen, ohne dass notwendigerweise eines der dabei gefundenen Ergebnisse falsch sei. Daraus schließt er, dass die Beantwortung der in Rede stehenden Rechtsfrage durch das tribunal nicht falsch sein könne: (»[T]he field so marked out is a wide one and there are many combinations of circumstances in which it could not be said to be wrong to arrive at a conclusion one way or the other. If the facts of any particular case are fairly capable of being so described, it seems to me that it necessarily follows that the determination of the Commissioners, Special or General, to the effect that a trade does or does not exist is not erroneous in ›point of law‹.«) Bis hierher kommt Radcliffe LJ also zu dem Ergebnis, dass zwar eine Rechtsfrage vorliege, diese aber nicht falsch beantwortet wurde. Aus dem Nichtvorliegen eines Rechtsfehlers jedoch schließt er weiter, dass eine Überprüfung im Wege des appeal, der hier eben nur auf »errors of law« beschränkt war, nicht möglich sei und kommt zu dem Schluss, dass deshalb eben doch keine »questions of law« vorliegen könne. Daraus folgt für ihn die oben zitierte allgemeine Aussage, dass Situationen wie diese, in denen aufgrund der Zulässigkeit mehrerer Interpretationen eine »question of degree« vorliege, diese – um nicht überprüfbar zu sein – als »error of fact« einzuordnen
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zumindest solange ausgeschlossen, wie die Schlussfolgerung der vorangegangenen Instanz nicht als offensichtlich fehlerhaft identifiziert werden könne.2243 Diesen auf den ersten Blick verwirrenden Ausführungen lässt sich letztlich nur entnehmen, dass nicht alles, was prima facie als questions of law eingeordnet werden kann, einer Überprüfung zugänglich sein soll, sondern die Beurteilung unbestimmter Rechtsbegriffe zu einem gewissen Grad allein der jeweils vorausgehenden Instanz2244 obliegt, in deren Entscheidung nur bei krassen Fehlern eingegriffen wird.2245 Einige Urteile sind diesem Ansatz gefolgt,2246 allerdings ohne dass die Herausbildung irgendwelcher klarer Fallgruppen ersichtlich wäre. Ein anderer Ansatz zur Festlegung der Grenze fact/law, der letztlich jedoch der gleichen Doktrin folgt,2247 ist die Behandlung von Worten und Ausdrücken, die allgemein sprachlich verwendet und verstanden werden können, als question of fact (dies nahm die Rechtsprechung etwa für die Ausdrücke insulting beha-
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seien; siehe zum Ganzen Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 020; siehe auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 796. Den Standard, den Lord Radcliffe letztlich anwendet, um festzustellen, wann eine Kontrolle durch die Gerichte möglich sein soll, setzt er wie folgt: »If the case contains anything Ex facie which is bad law and which bears upon the determination, it is, obviously, erroneous in point of law. But, without any such misconception appearing Ex facie, it may be that the facts found are such that no person acting judicially and properly instructed as to the relevant law could have come to the determination under appeal. In those circumstances, too, the court must intervene. It has no option but to assume that there has been some misconception of the law and that this has been responsible for the determination. So there, too, there has been error in point of law. I do not think that it much matters whether this state of affairs is described as one in which there is no evidence to support the determination or as one in which the evidence is inconsistent with and contradictory of the determination, or as one in which the true and only reasonable conclusion contradicts the determination. Rightly understood, each phrase propounds the same test. For my part, I prefer the last of the three […].« Edwards v. Bairstow [1956] AC 14 (36) per Radcliffe LJ. Und zwar grds. sowohl tribunals und Gerichte als auch Behörden. Siehe Craig, Administrative Law, 6th ed. 2008, para. 9 – 021; letztlich weist die Begründung Lord Radcliffe’s starke Ähnlichkeiten zur Doktrin der »reasonableness« im Rahmen des JR auf (dazu siehe schon oben, II.C.3.b)(2), S. 154); siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 798. Den Ausführungen Lord Radcliffes in Edwards v. Bairstow wurde der Ausdruck »question of fact and degree« entnommen, den einige nachfolgende Urteile aufgriffen; siehe etwa Mariott v. Oxford & District Co-operative Society Ltd [1969] 1 WLR 254. Weitere Urteile, die auf Edwards v. Bairstow zurückgreifen, sind Global Plant Ltd v. Secretary of State for Health and Social Security [1972] 1 QB 139; O’Kelly v. Trusthouse Forte Plc [1984] QB 90; Central Electricity Generating Board v. Clywd County Council [1976] 1 WLR 151; Shaw (Inspector of Taxes) v. Vicky Constructions Ltd [2002] STC 1544; New Fashions (London) Ltd v. Revenue and Customs Commissioners [2006] STC 175; Salaried Persons Postal Loans Ltd v. Revenue and Customs Commissioners [2006] STC 1315; Wood v. Holden (Inspector of Taxes) [2006] 1 WLR 1393; Zurich Insurance Co v. Revenue and Customs Commissioners [2007] EWCA Civ 218. Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 796.
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viour, mooring2248 oder »period throughout which […] [someone] is so severely disabled […] that he cannot prepare a cooked main meal for himself« an)2249 ; die Interpretation besonderer Rechtstermini bzw. von Begriffen, die aus ihrem gesetzlichen Kontext heraus eine andere als die alltagssprachliche Bedeutung erhalten haben (z. B. maintenance im Mehrwertsteuerrecht2250), sei demgegenüber als question of law anzusehen.2251 Bei ersteren soll die überprüfende Instanz nur dann ihr Urteil an die Stelle der Ausgangsinstanz setzen können, soweit die Bewertung der vorangegangenen Instanz außerhalb der Grenzen eines reasonable judgement liegt.2252 Das mit diesem Test angestrebte Ergebnis ist letztlich 2248 »The meaning of an ordinary word of English language is not a question of law. The proper construction of a statute is a question of law. If the context shows that a word is used in an unusual sense the court will determine in other words what that unusual sense is.« Brutus v. Cozens [1973] AC 854 (861) per Reid LJ: Hier ging es um die Auslegung des Begriffs »insulting behaviour«. Das Gericht meinte, der Begriff »insulting« werde von der in Rede stehenden Vorschrift als ganz normales Alltagswort verwendet, nicht aber als besonderer Rechtsterminus, der für einen Juristen eine ganz andere Bedeutung haben könne als für einen Nichtjuristen; genauso befand das Gericht in Evans v. Godber [1974] 1 WLR 1317 (1325) per Widgery LJ zu dem Begriff »mooring«, den es vom Begriff »anchoring« abzugrenzen galt. 2249 Diese Umschreibung war Gegenstand der Entscheidung Moyna v. Secretary of State for Work and Pensions [2003] 1 WLR 1929, para 24 f. per Hoffman LJ: Es ging hier um die Frage, ob Feststellungen eines tribunal dazu, ob ein Behinderter in der Lage ist, sich selbst eine Mahlzeit zuzubereiten, eine Rechts- oder Tatsachenfrage betreffen; siehe auch Wade/ Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 796 m.w.N. Eine andere, ganz ähnliche Formulierung dieses Tests, den die Gerichte zeitweilig anwandten, ist der, ob die Ergründung der Bedeutung eines Wortes nur einem »trained lawyer« oder jedermann möglich sei – nur wo ersteres der Fall sei, handele es sich um eine Rechtsfrage; siehe British Launderers’ Research Association v. Hendon Rating Authority [1949] 1 KB 462 (472) per Denning LJ. 2250 Siehe etwa ACT Construction Co Ltd v. Customs and Excise Commissioners [1979] 1 WLR 870 (873 f.) per Drake J. Der Begriff »maintenance« war in dieser Entscheidung aus dem (mehrwertsteuer-)rechtlichen Kontext auszulegen, der sich konkret aus der Verwendung dieses Begriffs in s.46 i. V. m. sch.4 Finance Act 1972 c.41 ergab. 2251 Die oben, in den Fn. 2248 und Fn. 2249 genannten Judikate finden dabei allerdings nur dann Anwendung, wenn die Auslegung eines Rechtsbegriffs zum ersten Mal streitig geworden ist – eine (überprüfbare) »question of law« liegt hingegen in dem Moment wieder vor, in dem die unterinstanzlichen Gerichte tatsächlich zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Anwendung eines Gesetzesbegriffs auf unterschiedliche Situationen kommen: »[W]hen an ordinary word comes to be applied to similar facts, in one case after another, it would be intolerable if half of the judges gave one answer and the other half another. No one would know where he stood. No lawyer could advise his client what to do. In such circumstances, it is the duty of the Court of Appeal to give a definite ruling one way or the other. However simple the words, their interpretation is a matter of law.« Pearlman v. Keepers and Governors of Harrow School [1979] QB 56 (67) per Denning MR mit Verweis auf die Entscheidung Dyson Holdings JJ Ltd v. Fox [1976] QB 503 (510). 2252 Anschließend an das oben (Fn. 2248) Gesagte führt Lord Reid weiter aus: »It is for the tribunal which decides the case to consider, not as law but fact, whether in the whole circumstances the words of the statute do or do not as a matter of ordinary usage of the
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das gleiche wie in Edwards v Bairstow, bloß dass hier der angewandte Test (Alltagssprache/Rechtssprache) und die Terminologie variieren.2253 Das in beiden Ansätzen zum Ausdruck kommende Bestreben, die Eingriffsmöglichkeiten höherer Instanzen zu beschränken, ist mittlerweile wohl so weit gediehen, dass eine konzeptionelle Grenzziehung zwischen fact und law gar nicht mehr für notwendig erachtet wird;2254 an deren Stelle tritt vielmehr die Überlegung, ob die Möglichkeit der Entscheidung einer bestimmten Rechtsfrage durch eine andere als die Ausgangsinstanz im konkreten Fall zweckmäßig ist.2255 Diese flexible Herangehensweise der Gerichte erzeugt sehr unterschiedlichen Widerhall in der Literatur.2256
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English language cover or apply to the facts which have been proved. If it is alleged that the tribunal has reached a wrong decision then there can be a question of law but only of a limited character. The question would normally be whether their decision was unreasonable in the sense that no tribunal acquainted with the ordinary use of language could reasonably reach that decisions« (Hervorhebungen durch Verfasser). In der späteren Entscheidung Moyna v. Secretary of State for Work and Pensions [2003] 1 WLR 1929, para 24. führt Hoffman LJ unter Bezugnahme auf die Ausführungen Lord Reids aus: »What this means in practice is that an appellate court with jurisdiction to entertain appeals only on questions of law will not hear an appeal against such a decision unless it falls outside the bounds of reasonable judgement« (Hervorhebung durch Verfasser). Die Herangehensweisen – sowohl in Edwards v. Bairstow [1956] AC 14 (»only reasonable conclusion contradicts the determination«) als auch in Brutus v. Cozens [1973] AC 854 (»unreasonable in the sense that no tribunal […] could reasonably reach that decision«) und später auch in Moyna v. Secretary of State for Work and Pensions (»[…] decision […] is outside the bounds of reasonable judgement.«) arbeiten letztlich mit dem Begriff der »reasonableness« der zu überprüfenden Entscheidung und versuchen so das gleiche Ziel zu erreichen; so auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 759 und Endicott, LQR 1998, 114 (Apr.), 292 (304). Dies verdeutlich die Aussage in Moyna v. Secretary of State for Work and Pensions [2003] 1 WLR 1929, para 25 – 27 per Hoffmann LJ: »It may be said that there are two kinds of questions of fact: There are questions of fact; and there are questions of law as to which lawyers have decided that it would be inexpedient for an appellate tribunal to have to form an independent judgement. But the usage is well established and causes no difficulty as long as it is understood that the degree to which an appellate court will be willing to substitute its own judgment for that of the tribunal will vary with the nature of the question.« Später nimmt Lord Hoffmann auf diese Ausführungen nochmal bekräftigend Bezug in der Entscheidung Lawson v. Serco (siehe schon oben, Fn. 2237) – wenngleich er in Lawson v. Serco befand, dass die dort in Rede stehende Frage als »question of law« überprüfbar sei, äußerte er, es sei eine »question of degree on which the decision of the primary fact-finder is entitled to considerable respect.« Siehe Carnwath, PL 2009, 48 (63), der angesichts der oben, Fn. 2254 dargestellten Ausführungen Lord Hoffmanns folgert: »[I]t seems now to be authoritatively established that the division between fact and law in such classifaction cases is not purely objective, but must take account of factors of ›expediency‹ and ›policy‹. Those factors include the utility of an appeal, having regard to the development of the law in the particular field of the tribunal of fact on the one hand, and the appellate court on the other.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 798: »The courts ought, however, to guard against any artificial narrowing of the right of appeal on a point of law, which is clearly intended to be a wide and beneficial remedy.« Craig, Administrative Law, 6th
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(b) Ermessensentscheidungen Auch die Ausübung eines Ermessens durch die vorangegangene Instanz2257 kann einen klärungsbedürftigen point of law beinhalten, der zur Überprüfung und Ersetzung von deren Entscheidung führt.2258 Eine solche Überprüfung findet aber – wie im deutschen Zivilprozessrecht auch2259 – nur selten statt,2260 denn die Maßstäbe, die die Gerichte anlegen, um Ermessensentscheidungen prüfen zu können, sind hoch: Als rechtsfehlerhaft wird die Ermessensausübung der Vorinstanz grds. nur angesehen, – wenn diese ihrer angegriffenen Ermessensentscheidung falsche Fakten zu Grunde gelegt (self-misdirection) hat, – unbeachtliche Erwägungen mit in die Entscheidung einbezogen oder wichtige Erwägungen übersehen wurden (ir-/relevant considerations) oder – wenn die Entscheidung dergestalt ist, dass keine vernünftige Person sie so getroffen hätte (unreasonable decision).2261
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ed. 2008, para. 9 – 021 hingegen ist weniger kritisch und empfiehlt, die gegenwärtige flexible Handhabung von engen und weiten Standards beizubehalten. Nicht immer wird von den Gerichten genau zwischen beidem differenziert; siehe die Entscheidung Georg Mitchell (Chesterhall) Ltd v. Finney Lock Seeds Ltd [1983] 2 AC 803 (815 f.) per Bridge LJ. Danach sei generell ein hoher Standard anzulegen an die Überprüfung aller Entscheidungen, die »room for a legitimate difference of judicial opinion« bieten; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.298 ff., der die Ausübung von Ermessen unter dem weiteren Begriff »judgement« diskutiert. Siehe die Entscheidungen G v. G [1985] 1 WLR 647 (651 f.) per Fraser LJ; Hadmore Productions Ltd v. Hamilton [1983] 1 AC 191; Re DJMS (A Minor) [1978] QB 120 (141) per Denning MR; Re F (a minor) (wardship: appeal) [1976] 1 All ER 417 (439 f) per Bridge LJ; Instrumatic Ltd v. Supabrase Ltd [1969] 1 WLR 519 (521) per Denning MR; Pridle v. Fisher & Sons [1968] 1 WLR 1478; Nelsovil Ltd v. Minister of Housing and Local Government [1962] 1 WLR 404; Wootton v. Central Land Board [1957] 1 WLR 424 (432) per Eversched MR; siehe auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 799. Im deutschen Zivilprozessrecht kann das Revisionsgericht in Fällen, in denen das Gesetz dem Tatrichter ein Ermessen einräumt, lediglich überprüfen, ob das Ermessen ausgeübt worden ist, ob die Grenzen der Ermessensausübung eingehalten wurden, ob alle wesentlichen Umstände Beachtung gefunden haben und ob von dem Zweck der Ermächtigung in entsprechender Weise Gebrauch gemacht wurde; siehe Prütting/Gehrlein/Ackermann, ZPO, 2. Aufl. 2010, § 546 Rn. 16 m.w.N. Siehe etwa Wootton v. Central Land Board [1957] 1 WLR 424 (432) per Eversched MR; G v. G [1985] 1 WLR 647 (651) per Fraser LJ. Re DJMS (A Minor), [1978] QB 120 (141) per Denning MR: »The court can interfere if it is a decision to which no reasonable person could come. Furthermore, it can interfere if the court below has misdirected itself on the facts or misunderstood them, or has taken into account irrelevant considerations, or has not taken into account relevant considerations. All those are grounds on which the higher court can interfere with the discretion of the court below.«; siehe auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 799.
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Dabei schritten die Gerichte bisher dann gegen eine Ermessensentscheidung der Vorinstanz ein, wenn sie diese für plainly wrong2262 hielten oder meinten, die Entscheidung stelle manifest injustice2263 dar.2264 Tatsächlich sind die Kriterien (self-misdirection, ir-/relevant considerations, unreasonable decision), die die Gerichte anwenden, um die Ermessensausübung zu prüfen, so vielfältig, dass eine – nach Auffassung der Überprüfungsinstanz – falsche Ermessensausübung sich fast immer als point of law darstellen lassen wird.2265 Obgleich die Gerichte also die Prüfung der Ausübung eines Ermessens durch niedere Instanzen grds. restriktiv handhaben, sind die dafür genutzten Kriterien genauso schwammig und flexibel handhabbar wie bei unbestimmten Rechtsbegriffen. (2) Beispiele für überprüfbare points of law Die allgemein flexiblen Herangehensweisen der Gerichte an die Behandlung unbestimmter Rechtsbegriffe und Ermessen machen eine systematische Darstellung konkreter Beispiele für points of law schwierig, zumal die zu überprüfenden Maßnahmen in der Rechtsprechung nicht immer als Ermessensausübung oder Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs eingeordnet werden, vielfältige Terminologien auftauchen und sich so mancher error of law auch kaum wirklich klassifizieren lässt. Um dennoch einen Überblick über das zu ermöglichen, was alles als point of law potentiell prüfbar ist, folgt nun eine Darstellung von Beispielen, die allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und teilweise Überlappungen enthält.2266 Überprüfbar als point of law sind etwa: – Fehler im Zusammenhang mit der Erhebung von Beweisen und bewiesenen Tatsachen: Ein rügbarer Rechtsfehler ist etwa möglich, wenn ein tribunal über eine entscheidungserhebliche Tatsache keinen Beweis erhebt; ob dies zu einem Rechtsfehler gereicht, hängt aber davon ab, inwieweit man den inquisitorial approach eines tribunal als für dieses verpflichtend begreift, was vom Einzelfall abhängig ist.2267 Zieht die Ausgangsinstanz nach Auffassung 2262 Siehe Instrumatic Ltd v. Supabrase Ltd [1969] 1 WLR 519 (521) per Denning MR; Re J (A Child) (Custody rights: jurisdiction) [2006] 1 AC 80, para. 12 per Hale LJ. 2263 Wootton v. Central Land Board [1957] 1 WLR 424 (432) per Evershed MR. 2264 Siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 799. 2265 Siehe Re DJMS (A Minor), [1978] QB 120 (141) per Denning MR, der im Anschluss an die Aussage oben, (Fn. 2261) feststellt: »All those are grounds on which the higher court can interfere with the discretion of the court below. These grounds are so many and so various that it virtually means that an erroneous exercise of discretion is nearly always due to an error in point of law.« Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 799. 2266 Ein solcher Überblick, an dem sich die folgende Darstellung grob orientiert, findet sich in der Entscheidung R. (Iran) v. Secretary of State for the Home Department [2005] EWCA Civ 982, para. 9 per Brooke LJ, in der häufige »errors of law« genannt sind. 2267 Grds. kann ein tribunal nur solche Beweise in seine Beurteilung einbeziehen, die ihm zu
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der Überprüfungsinstanz ihre Schlussfolgerungen aus ihr vorliegenden Beweisen2268 in nicht nachvollziehbarer Weise, ist insoweit auch von perverse findings die Rede, die als Rechtsfehler rügbar sind.2269 Die Bewertung von Risiken und Chancen aufgrund der ausgewerteten Beweismittel hingegen wird als (nicht überprüfbare) Tatsachenfrage aufgefasst.2270 Als Besonderheit im Zusammenhang mit asylrechtlichen Verfahren sei im Zusammenhang mit Feststellungen über Tatsachen an die Präjudizien für Tatsachenfragen, die country guidance-Fälle erinnert2271: Berücksichtigt das erstinstanzliche tribunal eine solche country guidance nicht bzw. weicht davon ohne gute Begründung ab, stellt dies einen error of law dar.2272
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diesem Zeitpunkt vorlagen. Denkbar wäre aber ein Rechtsfehler aufgrund der Weigerung des tribunal, eine Vertagung zu bewilligen, die einer beweispflichtigen Partei ermöglichen würde, Beweise zu beschaffen, oder wenn es ein Beweismittel fälschlicherweise nicht zulässt; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.268. Andererseits nehmen die Gerichte teilweise auch einen Rechtsfehler an, wenn das tribunal für seine Entscheidung auf Material zurückgreift, das von den Parteien nicht in das Verfahren eingebracht wurde und auf die das tribunal die Parteien nicht hinweist; siehe Stanley Cole (Wainfleet) Ltd v. Sheridan [2003] ICR 1449 sowie Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.292. Schlussfolgerungen können dabei auch »inferences« sein, d. h. Schlüsse von tatsächlich bewiesenen Fakten auf nicht bewiesene Tatsachen, die dann als Tatsachen bzw. als »secondary facts« behandelt werden. Inferences können dabei sowohl auf die Betrachtung anderer Fakten als auch auf das Verhalten einer Partei im Rahmen des Verfahrens gestützt sein (»forensic inferences«); siehe zum Ganzen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 11.22 ff. Ein »perverse finding« soll dann vorliegen, wenn das tribunal aus den Beweisen solche Schlussfolgerungen zieht, die kein anderes rational agierendes tribunal hätte ziehen können – darin kommt wieder der gleiche Ansatz zum Ausdruck wie bei der Beurteilung unbestimmter Rechtsbegriffe. Eine solche »perversity« kann dabei sowohl hinsichtlich der Schlussfolgerungen aus einzelnen Tatsachen, hinsichtlich der Bewertung des Aussagegehalts eines Beweismittels (etwa einer Zeugenaussage) oder hinsichtlich des Gesamtergebnisses der Entscheidung vorliegen; die Anforderungen an das Vorliegen eines solchen perverse finding sind allerdings sehr hoch, siehe Bangs v. Connex South Eastern Ltd [2005] ICR 763, para. 43 per Mummery LJ und Elmbrigde Housing Trust v. O’Donoghue [2004] EWCA Civ 939, para. 45 ff. per Mance LJ. Sie dürften erfüllt sein, wenn das tribunal etwa lediglich zählt, welche Partei die meisten Zeugen für eine Tatsache benennen kann, wenn es die Aussage eines Zeugens wegen dessen respektlosen Verhaltens gegenüber dem tribunal nicht zulässt oder die Beweismittel schlicht missversteht; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.274. So etwa die Bewertung des Risikos, dass ein Asylbewerber bei Abschiebung in seinen Heimatstaat Folter ausgesetzt sein wird; siehe MT (Algeria) v. Secretary of State for the Home Department [2008] QB 533, para. 109 per Clarke MR; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.285. Grundlegend zu diesen siehe bereits oben, bei Fn. 1560. Siehe Senior President of Tribunals, Practice Directions – IAC-FtT/IAC-UT, 2010 Part 4, para. 12, inbs. 12.4; siehe zur Behandlung solcher allgemeinen »guidance« insgesamt auch in anderen Zusammenhängen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 13.24 ff.
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– Fehler, eine unbestrittene Tatsache mit in die Entscheidung einzubeziehen: Ein zum appeal berechtigender error of law kann u. U. vorliegen, wo dem tribunal bestimmte Informationen bei seiner Entscheidung nicht bekannt waren, diese aber später vorliegen und diese unbestritten bzw. unbestreitbar sind. So ist ein auf Rechtsfragen beschränkter appeal etwa auch dann zulässig, wenn zwischen der mündlichen Verhandlung des tribunal und der Verkündung der Entscheidung unbestreitbare Tatsachen bekannt werden, die sich auf die Entscheidung hätten auswirken können.2273 – Fehler im Zusammenhang mit der Entscheidungsbegründung und der Aktenführung: Auch eine unzureichende Entscheidungsbegründung kann per se einen Rechtsfehler darstellen.2274 Die Standards, die das Fallrecht bisher für die Urteilsbegründungen von tribunals entwickelt hat, variierten zwischen den bisherigen Einzeltribunals;2275 deren Übertragbarkeit auf andere Sachbereiche ist daher jeweils im Einzelnen genau zu prüfen.2276 Allgemeine An2273 Dies ergibt sich aus der Entscheidung E and R. v. Secretary of State for the Home Department [2004] QB 1044, para. 66 per Carnwath LJ: »In our view, the time has now come to accept that a mistake of fact giving rise to unfairness is a separate head of challenge in an appeal on a point of law, at least in those statutory contexts where the parties share an interest in co-operating to achieve the correct result. […] First, there must have been a mistake as to an existing fact, including a mistake as to the availability of evidence on a particular matter. Secondly, the fact or evidence must have been ›established‹, in the sense that it was uncontentious and objectively verifiable. Thirdly, the appellant (or his advisers) must not have been responsible for the mistake. Fourthly, the mistake must have played a material (not necessarily decisive) part in the Tribunal’s reasoning.« In dieser Entscheidung ging es um zwei Asylbewerber, die sich gegen ihre drohenden Abschiebungen wandten. Aus nicht mehr klärbaren Gründen war zwischen der Unterschrift der Richter des IAT unter die Entscheidungsgründe und deren Bekanntgabe an die Parteien ein Zeitraum von mehreren Monaten verstrichen. In dieser Zeit waren neue, glaubhafte Berichte über die Situation in den Heimatländern der Kläger aufgetaucht, die eindeutig belegten, dass ein großes Risiko für die Kläger bestand, im Falle der Abschiebung Folterungen ausgesetzt zu sein. Gestützt auf diese Berichte hatten die Kläger nun permission to appeal beantragt; da das appeal-Recht jedoch auf Rechtsfragen beschränkt war, wurde die permission versagt. Der CoA hingegen war der Auffassung, dass die permission hätte gewährt werden müssen, um »unfairness« zu verhindern; dies gelte zumindest dort, wo dem tribunal sowie dessen Verfahrensparteien die Pflicht obliege, alles zur Ermittlung des objektiv richtigen Ergebnisses beizutragen, was etwa im Bereich Asylrecht oder im Baurecht der Fall sei; siehe zu dieser Entscheidung auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.287 sowie Pearson, Fact-Finding in Administrative Tribunals, in: Pearson/Harlow/Taggart (Hrsg.), Administrative Law in a Changing State (FS. Aronson) 2008, S. 301 (313 f. und 319 f.). 2274 Siehe Flannery v. Halifax Estate Agencies Ltd [2000] 1 WLR 377 (383) per Henry LJ; Norton Tool Co Ltd v. Tewson [1973] 1 WLR 45 (49) per Donaldson; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.458 f. 2275 R. (TS) v. Angela Bowen (Chair of SENDIST) and Solihull Metropolitan Borough Council [2009] EWHC 5 (Admin); R. v. Criminal Injuries Compensation Board Ex p. Cook [1996] 1 WLR 1037; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.379. 2276 Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.388.
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forderungen an Urteilsbegründungen sind, dass sie allgemein verständlich, transparent und in sich schlüssig sein und die Unparteilichkeit des tribunal deutlich machen müssen.2277 Auch Fehler in der Führung der Akte bzw. bei der Erstellung von Sitzungsprotokollen können im Einzelfall als errors of law angegangen werden, wenn diese einen Einfluss auf die Entscheidung gehabt haben.2278 – Fehler, die auch im Rahmen des JR geltend gemacht werden könnten, insb. alle Verstöße gegen Verfahrensvorschriften. Alle grounds of review2279 können auch als error of law geltend gemacht werden;2280 ein error of law liegt damit etwa vor, wenn ein tribunal außerhalb seiner jurisdiction agiert, was etwa denkbar ist, wenn es personell falsch zusammengesetzt ist2281 oder wenn ein Verfahrensfehler ein unfaires Verfahren zur Folge hatte.2282 Um den appeal zu ermöglichen, werden dabei alle Entscheidungen als wirksam betrachtet, auch wenn es sich in den Begriffen des JR um eine nullity handeln würde.2283 – Unzweifelhaft um einen error of law handelt es sich bei allen Fehlern, die sich aus der Auslegung und Behandlung von Präjudizien ergeben.2284 2277 Siehe Clark v. Clark Construction Initiatives Ltd [2009] ICR 718, para. 5 ff. per Sedley LJ, in der er ausführt, es bestünde eine »universal obligation of judicial tribunals to give reasons which are candid, intelligible, transparent and coherent«; siehe zum Ganzen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.397 ff. mit weiteren Anforderungen und konkreten Beispielen aus der Rechtsprechung. 2278 Siehe De Silva v. Social Security Commissioner [2001] EWCA Civ 539, para. 13 per Latham LJ; wenngleich in dieser konkreten Entscheidung kein Rechtsfehler festgestellt wurde, erkannten die Richter die grds. Möglichkeit eines solchen aufgrund eines falschen Sitzungsprotokolls an; siehe zum Ganzen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.333. 2279 Zu diesen siehe bereits oben, II.C.3.b), S. 151. 2280 Siehe E and R. v. Secretary of State for the Home Department [2004] QB 1044, para. 40 – 43 per Carnwath LJ; Begum (Nipa) v. Tower Hamlets London Borough Council [2000] 1 WLR 306; R. v. Inland Revenue Commissioners Ex p. Preston [1985] AC 835 (862) per Templeman LJ (allerdings soll die Begrifflichkeit des JR im Rahmen von appeal-Verfahren nicht verwendet werden; siehe John Dee Ltd v. Customs and Excise Commissioner [1995] STC 941, para. 951 f. per Turner J sowie Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para.4.257 und 4.320). 2281 Etwa wenn gegen ein Mitglied des Tribunalsspruchkörpers vorgebracht werden kann, dass die Gefahr von Befangenheit besteht; siehe etwa Gillies v. Secretary of State for Work and Pensions [2006] 1 WLR 781 para 6 per Hope LJ, wo allerdings konkret das Vorliegen der Gefahr von Befangenheit abgelehnt wurde; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.265; siehe zur personellen Zusammensetzung der tribunals auch oben, VI.A., S. 323. 2282 Wenn also etwa die rules of natural justice oder Art. 6 EMRK verletzt wurde; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.322. 2283 Siehe London and Clydesdale Estate Ltd v. Aberdeen District Council [1980] 1 WLR 182 (194) per Fraser LJ. Ansonsten wäre nur der JR gegen eine solche Entscheidung denkbar ; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.267. 2284 Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.289.
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(3) Mögliche Folgen des Vorliegens eines point of law Stellt das UT das Vorliegen eines point of law fest, ergeben sich seine Reaktionsmöglichkeiten aus s.12 TCEA. Danach kann das UT die Entscheidung des FtT aufheben, ist hierzu aber nicht verpflichtet – inwieweit das tribunal dem appeal damit stattgibt, liegt in seinem Ermessen.2285 So kann das UTetwa die Aufhebung einer Entscheidung in Ausübung seines Ermessens verweigern, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass zwar ein Rechtsfehler vorliegt, die angegangene Entscheidung jedoch nicht mehr von praktischer Bedeutung für die Parteien ist.2286 Wird die Entscheidung aufgehoben, kann das UT die Entscheidung entweder an das FtT zurückverweisen2287 oder selbst neu treffen.2288 Nimmt es eine Rückverweisung vor, kann es gem. s.12(3)(a) TCEA 2007 c.15 anordnen, dass die Tribunalsmitglieder, die sich nach deren Zurückverweisung mit der Sache erneut zu befassen haben, andere sein sollen, als die, welche die ursprüngliche Entscheidung getroffen haben, wobei dies jedoch ebenfalls im Ermessen des UT steht – möglich ist damit auch eine Zurückverweisung an ein identisch zusammengesetztes tribunal,2289 ohne dass dies grds. gegen die Unbefangenheitsgrundsätze der rule against bias verstoßen würde.2290 In Betracht kommt diese Möglichkeit wohl vor allem, wo das UT das Vorliegen einer solchen Rechtsfrage festgestellt hat, deren Beantwortung im Licht der Auslegung des UT erneute Tatsachenfeststellungen nur in geringem Umfang erfordert.2291 Jedenfalls hat das UT beim Rückverweis an das FtT Anordnungen für die Neuentscheidung zu treffen, was sowohl hinsichtlich des materiellen Rechts2292 als auch hinsichtlich der Verfahrensfragen2293 möglich ist. Auf diese Weise kann das UT etwa auf Verfahrensfehler, wie Verstöße gegen die Verfahrensstatuten oder die dahinterstehenden Rechtsgrundsätze aus common law und EMRK2294 reagieren. 2285 2286 2287 2288 2289 2290
2291 2292 2293 2294
Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 14.14 f., insb. 14.17. Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 14.19. Siehe s.12(2)(a)(i) TCEA 2007 c.15. Siehe s.12(2)(a)(ii) TCEA 2007 c.15 Siehe s.12(3)(a) TCEA 2007 c.15 (» […] the Upper Tribunal may also […]«). Dies stellt keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Unbefangenheit etwa aus Art. 6 EMRK, dar ; siehe Jones (t/a Shamrock Coaches) v. Department of Transport Welsh Traffic Area [2005] EWCA Civ 58. Wenngleich sich nichts Grundsätzliches gegen die Zurückverweisung der Streitigkeit an einen identisch zusammengesetzen Spruchkörper richtet, sollte diese Möglichkeit vom UT nur dort genutzt werden, wo kein konkreter Verdacht der Parteilichkeit des zuvor befassten Spruchkörpers besteht, wobei es Verdachtsäußerungen der Parteien zu berücksichtigen hat; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 14.23. So werden die Früchte der Einarbeitung der Mitglieder des FtT in den Fall effektiv für die Entscheidung des Falls weitergenutzt; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 14.23. Siehe s.12(2)(b)(i) TCEA 2007 c.15 (»[…]with directions for its reconsideration«). Siehe s.12(3)(b) TCEA 2007 c.15. Siehe zu diesen oben, II.C.3.b)(3)(b), S. 162.
Überprüfungsmechanismen und Instanzenzug
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Verweist das UT das Verfahren nicht an das FtT zurück, muss es die Sache selbst neu entscheiden und hat insoweit die gleichen Möglichkeiten, wie sie das FtT hätte, wenn es die Sache nach Zurückverweisung hätte neu entscheiden müssen,2295 kann aber auch selbst alle Tatsachenfeststellungen treffen, die es für notwendig hält und durch diese die der Vorinstanz ergänzen oder letztere vollständig ersetzen.2296 Durch dieses weite Ermessen des UT hinsichtlich seiner Reaktionsmöglichkeiten auf das Vorliegen eines error of law kann es in seine Entscheidung darüber, ob es eine Zurückverweisung vornimmt oder die Sache selbst abschließend entscheidet, die verschiedensten Praktikabilitätserwägungen mit einbeziehen – ganz entsprechend den Maßgaben der overriding objective, ein effizientes Verfahren zu bieten: So kann es berücksichtigen, ob eine erneute Sachverhaltsermittlung, insb. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das (meist örtlich besser erreichbare) FtT praktisch einfacher wäre als durch das UT,2297 oder ob sie aus Effizienzgesichtspunkten geboten ist, weil nur das FtT bereits über bestimmtes Expertenwissen verfügt, welches sich das UT erst aneignen müsste;2298 oder aber ob ganz im Gegenteil eine Rückverweisung zu einer unverhältnismäßigen Verlängerung des Verfahrens führen würde.2299 c)
Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Upper Tribunal (second(-tier) appeal)
Gegen Entscheidungen2300 des UT ist ein appeal zum CoA möglich.2301 Dazu muss wieder permission to appeal beantragt werden, wobei hier bereits nach dem 2295 Siehe s.12(4)(a) TCEA 2007 c.15. Dies verleiht dem UT etwa die Möglichkeit, auch eine zwischenzeitliche Veränderung von Tatsachen zu berücksichtigen und hinsichtlich dieser neue Tatsachenfeststellungen zu erheben, sofern das FtT diese Möglichkeit besaß; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 14.27. 2296 Siehe s.12(4)(b) TCEA 2007 c.15; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 14.28. 2297 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 14.31. 2298 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 14.33. 2299 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 14.36, der außerdem noch folgende Erwägungen nennt: Veränderungen von Umständen, die das UTselbst für die neu zu erlassende Entscheidung berücksichtigen möchte (para. 14.32); die künftigen möglichen Auswirkungen des Status einer Entscheidung des UT als Präzedenzfall (para. 14.35); den Grad an Klarheit, mit dem sich eine Anweisung zur Handhabung der materiellen Rechtslage zum Neuerlass der Entscheidung an das FtT formulieren ließe (para. 14.34). 2300 Sofern es sich nicht um excluded decisions handelt; dazu siehe unten, VII.G.2.d) S. 449. 2301 Bzw. dem entsprechenden Höchstgericht in einer anderen Region des Vereinigten Königreichs, also in Schottland zum Court of Session (Inner House) sowie in Nordirland zum Court of Appeal of Northern Ireland. Gem. s.13(11) TCEA 2007 c.15 entscheidet dabei das UT selbst darüber, welches dieser Gerichte für den jeweils eingelegten appeal das angemessene (»most appropriate«) ist.
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
TCEA 2007 c.15 der Antrag zunächst an das UT und dann an den CoA zu stellen ist.2302 Auch für das Verfahren des UT zur Gewährung der permission zum second appeal finden sich in dessen Verfahrensstatut besondere Regeln, nach denen etwa das UT auch die permission zum second appeal nur auf bestimmte Punkte begrenzt gewähren kann.2303 Aus den practice directions für die AAC und die TCC ergibt sich dabei, dass in der Regel der gleiche Spruchkörper den self review durchführt bzw. über die Gewährung der permission entscheidet, der auch die Ausgangsentscheidung getroffen hat, es sei denn, dies ist nicht möglich, ohne dass es zu Verfahrensverzögerungen kommt; nur für die IAC-UT findet sich keine entsprechende Regelung.2304 Lehnt das UT den Antrag ab, so hat der Antragsteller die Möglichkeit, die Zulassung des Rechtsmittels beim CoA zu beantragen.2305 Die Möglichkeit zur Beantragung der permission to appeal kann allerdings beim second appeal durch eine Verordnung des Lord Chancellor eingeschränkt werden: Dieser hat nach s.13(6) TCEA 2007 c.15 die Möglichkeit anzuordnen, dass die permission to appeal nur dann gewährt werden soll, wenn der appeal einen »important point of principle or practice« enthält oder »that there is some other compelling reason for the relevant appellate court to hear the appeal«. Von dieser Möglichkeit hat der Lord Chancellor Gebrauch gemacht.2306 Fraglich ist, ob diese Verordnung nur für (echte) second appeals oder auch für second-tier appeals gilt: ihrem Wortlaut nach ist sie nicht etwa auf den Fall des echten second appeals beschränkt und umfasst damit ihrem Wortlaut nach auch 2302 Siehe s.13(5) TCEA 2007 c.15; siehe zur anderen Regelung im Rahmen des first-appeal oben, bei Fn. 2203. 2303 Siehe r.45(5) UT-Rules SI2008/2698. 2304 Ist die Ausgangsentscheidung von einem Kollegialorgan getroffen worden und kann dieses aber nicht ohne Zeitverzögerung vollständig wieder zusammengeführt werden, entscheiden zumindest jene Mitglieder des ursprünglichen Spruchkörper, die ohne Verzögerung erreichbar sind; sind keine erreichbar, kann der Chamber President die Entscheidung einem anderen judge anvertrauen; siehe AAC-PS para 10 f. bzw. TC/TCC-PS, para. 14. 2305 Bzw. beim jeweils regional zuständigen »relevant appeal court« gem. s.13(12) TCEA 2007 c.15 (siehe schon oben, Fn. 2301). In seiner Entscheidung über die Zulassung der Revision entscheidet das UT auch in jedem Fall darüber, welches dieser Gerichte jeweils zuständig ist; siehe s.13(11) TCEA 2007 c.15. 2306 Siehe r.2 Appeals from the Upper Tribunal to the Court of Appeal Order 2008, SI2008/2834 (im Folgenden: Appeals-Order, SI2008/2834). Angemerkt sei an dieser Stelle, dass s.13(6) TCEA 2007 c.15 lediglich dem Lord Chancellor die Möglichkeit gibt, eine entsprechende Verordnung zu erlassen, nicht aber dessen schottischem Äquivalent, dem Lord President des Court of Session – dennoch besteht insoweit in Schottland und England die gleiche Rechtslage, da sich für Schottland eine entsprechende Bestimmung in r.41.59 Court of Session Rules findet. Da es sich dabei aber nur um das Verfahrensstatut des Court of Session handelt, gilt diese Beschränkung streng genommen nicht für die Beantragung der Zulassung von appeals beim UT – dieses könnte theoretisch einen appeal in Fällen zulassen, in denen eine Zulassung durch den Court of Session nicht möglich wäre.
Überprüfungsmechanismen und Instanzenzug
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second-tier appeals2307 – die Ermächtigungsgrundlage, auf die der Erlass dieser Verordnung gestützt ist, gilt jedoch wegen ihrer ausdrücklichen Bezugnahme auf »an appeal under section 11« (also first appeals)2308 nur für second appeals, also nur, wo zunächst ein first appeal vorangegangen ist.2309 Ob die Gerichte diesen Widerspruch einfach durch eine den Vorschriften des TCEA 2007 c.15 konforme Auslegung der Verordnung auflösen, ist hier noch nicht abzusehen; möglich wäre dies wohl.2310 Durch diese Regelung wird jedenfalls ihrem Wortlaut nach die Möglichkeit zur Zulassung sowohl eines second appeal als auch eines second-tier appeals zum CoA beschränkt auf solche appeals, mittels derer ein point of law2311 geltend gemacht wird, der zugleich als important point of principle or practice qualifiziert werden kann, oder für dessen Zulassung »some other compelling reason« spricht. Die Formulierung dieser Beschränkung des appeal-Rechts findet sich bereits in einer anderen Bestimmung, nämlich s.55(1) des Access to Justice Act 1999 c.22.2312 In diesem Zusammenhang sind bereits Gerichtsentscheidungen ergangen, aus denen die Anwendung dieser Kriterien durch die Gerichte entnommen werden kann:
2307 »It is to be noted, however, that […] the more restrictive test is not in terms confined to »second appeals«, that is cases where the decision of the Upper Tribunal was itself on appeal. In theory, at least, the same test applies even in cases where the Upper Tribunal is acting as a first instance tribunal […]« PR (Sri Lanka) & Ors v. Secretary of State for the Home Department [2011] EWCA Civ 988, para. 14 per Carnwath LJ. In dieser Entscheidung ging es um einen second appeal, so dass die oben wiedergegebene Aussage »in obiter« erfolgte. 2308 Siehe s.13(7) TCEA 2007 c.15, welche vorschreibt, für welche Fälle die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Verordnung gem. s.13(6) TCEA 2007 c.15 gilt. 2309 Nicht anwendbar wäre sie also bei allen Entscheidungen, bei denen das FtT eine erstinstanzliche Zuständigkeit ausübte und im Rahmen der erstinstanzlichen Zuständigkeit des UT (siehe oben, V.C.1.a), S. 287), etwa nach den Bestimmungen des Safeguarding Vulnerable Groups Act 2006 c.47 oder nach dem Forfeiture Act 1982 c.34. Auch gilt s.13(6) TCEA 2007 c.15 nicht für Entscheidungen des UT im Wege des gesetzlichen »JR«; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.209 ff. 2310 Dies könnte etwa in ergänzender Auslegung geschehen: Wegen der ausdrücklichen Bezugnahme in der Präambel der Appeals-Order, SI2008/2834 auf die »powers conferred by section 13(6) of the Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007« ließe sich wohl argumentieren, dass die Beschränkung der Zulassung der permission sich nur auf solche »proposed appeals« (r.2(a) Appeals-Order SI2008/2834) bezieht, die tatsächlich auch von s.13(6)TCEA 2007 c.15 gemeint seien, was wiederum nur die in s.13(7) TCEA 2007c.15 genannten second appeals sind. 2311 Diese Bedingung ergibt sich ja bereits direkt aus dem Gesetz; siehe s.13(1) TCEA 2007 c.15. 2312 Diese Regelung findet sich zugleich in r.52.13(2)(a) CPR; siehe zum Hintergrund dieser Bestimmung schon oben, Fn. 1013.
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
(1) Zulassungshürde important point of principle or practice Das Vorliegen eines important point of principle or practice stellte zunächst eine relativ hohe Zulassungshürde dar, die sich allerdings recht schnell absenkte:2313 Das unter s.13(6)(a) TCEA 2007c.15 genannte erste Kriterium lässt sich zunächst weiter aufteilen in die Unterpunkte important point of principle und important point of practice. Ersteres wurde von den Gerichten zunächst dahingehend interpretiert, dass der appeal ein Rechtsproblem aufwerfen müsse, welches bisher nicht bzw. nicht gefestigt entschieden wurde.2314 In der Entscheidung Uphill2315 differenzierte das Gericht zwischen solchen Rechtsprinzipien, die bereits gefestigt sind und hinsichtlich derer nur die konkrete Anwendung durch das Gericht geprüft werden könne und solchen, mit denen auf eine bis dahin offene Rechtsfrage geantwortet und damit erstmals ein Rechtsprinzip als solches etabliert wird. Die konkrete Anwendung eines Rechtsprinzips durch das Gericht selbst könne grds. kein solches Prinzip darstellen.2316 Entsprechend wird das Interesse an der Sicherstellung von Einzelfallgerechtigtkeit nicht von diesem Revisionsgrund erfasst, sondern kann allenfalls als other compelling reason geltend gemacht werden.2317 Dabei führt die Anwendung der second appealsKriterien nicht dazu, dass das Kriterium der Erfolgsaussichten aus der firstappeal Ebene keine Anwendung mehr fände; der appeal muss also nicht nur eine wichtige Rechtsfrage aufwerfen, sondern es muss auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der appeal Erfolg hat.2318 2313 Siehe Jenns, CJQ 2006, 25, 439 (445 ff.). 2314 Siehe die Entscheidungen Uphill v. BRB (Residuary) Ltd [2005] 1 WLR 2070, para. 17 und 24 per Dyson LJ sowie Cramp v. Hastings Borough Council [2005] EWCA Civ 1005, para. 68 per Brooke LJ. 2315 Uphill v. BRB (Residuary) Ltd [2005] 1 WLR 2070, para.18 per Dyson LJ. 2316 Uphill v. BRB (Residuary) Ltd [2005] 1 WLR 2070, para. 18 per Dyson LJ: »In our judgment, it is clear that the reference in r.52.13(2)(a) CPR to ›an important point of principle or practice‹ is to an important point of principle or practice that has not yet been established. The distinction must be maintained between (a) establishing and (b) applying an established principle or practice correctly. Where an appeal raises an important point of principle or practice that has not yet been determined, then it satisfies r.52.13(2)(a) CPR. But where the issue sought to be raised on the proposed appeal concerns the correct application of a principle or practice whose meaning and scope has already been determined by a higher court, then it does not satisfy r.52.13(2)(a) CPR.« 2317 Siehe Jenns, CJQ 2006, 25, 439 (447), der die Essenz der Entscheidung Uphill wie folgt zusammenfasst: »The Court of Appeal is not concerned with the correction of error vis vis the parties, which is the primary role of the first appellate court.« Weitere Beispiele für das Vorliegen eines »important point of principle« finden sich etwa in der Entscheidung Voice & Script International Ltd v. Alghafar [2003] EWCA Civ 736, para. 20 per Judge LJ. Hier ging es um die falsche Anwendung von Streitwertvorschriften: Der die Ausgangsentscheidung überprüfende Richter hatte eine eigene Prüfung der Streitwertbestimmung unterlassen und sich stattdessen nur auf die – falsche – Entscheidung der Vorinstanz gestützt und aus dieser die Kostenfolge bestimmt. 2318 Thenga v. Quinn [2009] EWCA Civ 151, para. 18 f. per Wilson LJ. Auch in dieser Ent-
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Offenbar lässt aber mittlerweile der Aspekt der konkreten Anwendung eines etablierten Rechtsprinzips sich unter das zweite Kriterium des important point of practice fassen:2319 Dass sich dieses Kriterium des important point of practice vom important point of principle unterscheiden lässt, ergibt sich aus den gemeinsam entschiedenen Rechtssachen Cramp2320 und Rainbow Phillips.2321 Dort hatte das Gericht über die Entscheidungen von county courts zu befinden, die jeweils einen first appeal zu sich selbst zugelassen hatten, mittels derer ein initial-appeal gegen die Ausgangsentscheidung eines Senior Housing Officer2322 angegriffen wurde.2323 Der CoA hielt beide Entscheidungen für rechtsfehlerhaft, weil in beiden Fällen die county courts eine frühere Leitentscheidung des CoA falsch angewandt hatten.2324 Obwohl county courts als solche keine Möglichkeit haben, bindende Präzedenzfälle zu erlassen und dementsprechend eigentlich kein neues Rechtsprinzip etablieren können, ging das Gericht doch davon aus, dass die Entscheidung des county court zumindest einen important point of practice aufwerfen könne:2325
2319 2320 2321 2322
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scheidung ging es um eine Kostenfrage – das Gericht entschied, dass der appeal ausgeschlossen sei, wenn die Lösung für ein aufgeworfenes Rechtsproblem »obvious and inevitable« ist; siehe zum Ganzen auch O’Hare/Browne, Civil Litigation, 14th ed. 2009, para. 44.007 sowie schon oben, bei Fn. 2192. Siehe Jenns, CJQ 2006, 25, 439 (447 f.). Cramp v. Hastings Borough Council [2005] EWCA Civ 1005. Rainbow Phillips v. Camden LBC [2005] 4 All ER 1014. Es ging dabei um Fragen des Obdachlosenrechts. In diesem Bereich sieht s.204(1) Housing Act 1996 c.52 ein eigenes appeal-System vor, in dem bestimmte Entscheidungen der zuständigen housing officers nach Durchlaufen eines behördeninternen Überprüfungsverfahrens durch county court-Richter überprüft werden können. Der county court-Richter hatte dem Obdachlosen, dessen Antrag versagt wurde, Recht gegeben und das Verfahren an die Behörde zur Neubescheidung zurückverwiesen. Dagegen ersuchte die Behörde um Zulassung des appeal zum CoA. In beiden Fällen meinten die county courts, dass die jeweiligen housing officers verpflichtet gewesen wären, weitere Beweise einzuholen; die betroffene Kommunalbehörde verwies dagegen auf die Belastung ihrer Ressourcen, sollte sie hierzu verpflichtet sein, und versuchte so das Vorliegen eines »important point of principle or practice« darzulegen. Der CoA hatte zu der Frage, wann von einem housing officer weitere Ermittlungen anzustellen waren, jedoch bereits vorher Leitentscheidungen erlassen, so dass die Rechtslage insoweit klar war ; siehe die übersichtliche Schilderung des Sachverhalts in den Fällen Cramp und Rainbow Phillips bei Jenns, CJQ 2006, 25, 439 (443 ff.). Der Präzedenzfall, den die county courts nicht richtig angewandt hatten (es handelt sich um die Entscheidung R. v. Kensington and Chelsea LBC Ex p. Bayani (1990) 22 HLR 406), besagte, dass letztlich die Behörde darüber zu befinden habe, welche Ermittlungen notwendig seien, um über die hier streitgegenständliche Frage des Obdachlosenrechts zu entscheiden. Im konkreten Fall sah das Gericht eine Tendenz zu einer sich etablierenden Praxis der county court-Richter, Rechtsmittel gegen Entscheidungen von erfahrenen senior housing officers schon deshalb für rechtsfehlerhaft zu halten, weil diese aufgrund des zum Entscheidungszeitpunkts vorhandenen Tatsachenmaterials entschieden und nicht noch
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Der CoA begriff das Kriterium des important point of practice damit als Mechanismus zur Verhinderung von sich einschleichenden Rechtsprechungstendenzen und -praktiken, die es zu unterbinden gelte; für die Annahme einer solchen ließ er dabei allerdings auch die falsche Beantwortung einer Rechtsfrage im konkreten Fall durch zwei verschiedene Gerichte in zwei verschiedenen Fällen gelten.2326 Damit ist der ursprünglich im Urteil Uphill aufgestellte Test weitgehend abgemildert, weil die Hürde für die Geltendmachung einer falschen Anwendung eines bestehenden Rechtssatzes damit sehr niedrig angesetzt wurde.2327 Da das UT heute grds. zum Erlass von Präzedenzfällen berechtigt ist,2328 werden zumindest dessen rechtliche Ausführungen in einem Urteil oftmals bereits als important point of principle zu behandeln sein. Als important point of practice könnten außerdem Praktiken und Regeln zu fassen sein, die etwa die Verfahrenspraxis des UT betreffen, die sich jedoch nicht direkt in den Entscheidungsgründen der Urteile niederschlagen. Angesichts der flexiblen Mechanismen zum Einsatz von Personal innerhalb der Tribunalsstruktur wäre etwa denkbar, hierunter einen Fall zu fassen, in dem der jeweils vom UT eingesetzte Entscheidungsträger für den konkreten Sachbereich als nicht hinreichend qualifiziert angesehen wird.2329 Auch wäre denkbar hierunter Fälle zuzuordnen, die bei einer bestimmten Handhabung im Rahmen der Möglichkeiten des case management durch das UT zu Schwierigkeiten führen. Mittlerweile ist mit der Entscheidung Cattrell2330 der erste Anwendungsfall des second appeals-Kriteriums im Zusammenhang mit der Zulassung eines second appeal gegen die Entscheidung des UTzum CoA ergangen; der CoAverwies dabei für die Auslegung des Kriteriums important point of principle or practice ausdrücklich auf den in Uphill niedergelegten Test.2331
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weitere Erkundigungen einholten; siehe Cramp v. Hastings Borough Council [2005] EWCA Civ 1005, para. 68 per Brooke LJ. So Jenns, CJQ 2006, 25, 439 (448): »Nevertheless., the worrying tendency referred to was at base merely the incorrect application of settled legal principles by the county court, on two separate occasions.« Siehe Jenns, CJQ 2006, 25, 439 (445 ff.). Siehe unten, VIII.A.2.b)(1), S. 484. Die Ausführungen in der Entscheidung Cramp v. Hastings Borough Council [2005] EWCA Civ 1005, para. 68 per Brooke LJ legen nahe, dass ähnliche, auf die fachliche Kompetenz des überprüfenden Richters gestützte Überlegungen hier zum Tragen gekommen sind, da gerade die besondere Erfahrung der senior housing officers, deren Entscheidung der county court-Richter zu überprüfen hatte, herausgestellt wurde. Secretary of State for Work and Pensions v. Cattrell [2011] EWCA Civ 572. Das Gericht machte außerdem allgemeine Ausführungen dazu, was ein Kläger vorzutragen habe, der das Vorliegen eines »important point of principle or practice« geltend machen wolle und schließt mit der Aussage, dass bei Anwendung des in Uphill aufgestellten Tests viele der vor den CoA gebrachten Klagen nicht zulässig wären: »Applicants should also bear in mind very closely the decision of Dyson LJ in Uphill to which I have already
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(2) Zulassungshürde other compelling reason Um einen other compelling reason kann es sich nach der Entscheidung Uphill nur bei solchen Punkten handeln, die nicht bereits in die Kategorie des important point of principle or practice fallen.2332 In Uphill geht das Gericht davon aus, dass für die Anwendung dieses Kriteriums zunächst die Erfolgsaussichten des appeal als Ansatzpunkt dienen sollten.2333 Die Zulassung eines appeal sei jedoch über das Vorliegen guter Erfolgsaussichten hinaus nur dort möglich, wo klar sei, dass die zu überprüfende Entscheidung »perverse or otherwise plainly wrong« ist,2334 womit hohe Anforderungen an das Vorliegen des Fehlers gestellt werden.2335 Zuletzt könne das Vorliegen eines other compelling reason auch dann
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referred, which will, if applied, be found to disqualify a very large proportion of grounds that are thought to be ones of principle in the relevant sense.« Secretary of State for Work and Pensions v. Cattrell [2011] EWCA Civ 572, para. 22 und 32 per Buxton LJ. Uphill v. BRB (Residuary) Ltd [2005] 1 WLR 2070, para. 18 per Dyson LJ. Weitere Entscheidungen zum Punkt »other compelling reason« sind Allen v. London Borough of Lambeth [2007] EWCA Civ 966, para. 12 per Rime LJ (Hier ging es um die Frage, ob die wiederholten, aussichtslosen Klagen einer Behörde eine straf- und zivilrechtlich verfolgbare Belästigung, »harassment«, im Sinne des Protection from Harassment Act 1997 c.40 darstellen könnten. Diese Frage wurde dabei nicht als »important point of principle or practice«, sondern als »other compelling reason« eingeordnet); siehe ferner die Entscheidung Miller v. Garton Shires (a firm) [2006] EWCA Civ 1386; siehe zum Ganzen auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.208; O’Hare/Browne, Civil Litigation, 14th ed. 2009, para. 44.007; Zuckerman, Zuckerman on Civil Procedure, 2nd ed. 2006, para. 23.110 ff. und 23.134 ff. Isoliert man die Formulierung »other compelling reason«, so können zur Interpretation dieses Kriteriums auch solche Entscheidungen als Präzedenzfälle herangezogen werden, die zur nahezu wortgleichen Regelung (siehe r.52.3 (6)(b) CPR i. V. m. s.54 Access to Justice Act 1999 c.54: »Permission to appeal may be given only where […] (b) there is some other compelling reason why the appeal should be heard.«) für die Gewährung der permission für first-appeals im Rahmen des normalen Zivilverfahrens ergangen sind; so auch O’Hare/Browne, Civil Litigation, 14th ed. 2009, para. 44.007, der die Entscheidung Vellacott v. The Convergence Group Plc [2005] EWCA Civ 290 nennt. Uphill v. BRB (Residuary) Ltd [2005] 1 WLR 2070, para.19, per Dyson LJ. Damit fließen auch hier die Anforderungen an den first appeal ein; siehe Esure Insurance Ltd v. Direct Line Insurance plc [2008] EWCA Civ 842, para. 65; O’Hare/Browne, Civil Litigation, 14th ed. 2009, para. 44.007. Uphill v. BRB (Residuary) Ltd [2005] 1 WLR 2070, para.18, per Dyson LJ. Bei der Beurteilung, wie hoch angesichts eines solch krassen Fehlers die Erfolgsaussichten des appeal seien, müsse man weitere Aspekte mit einzubeziehen, wie etwa, ob der Richter der Vorinstanz nur deshalb einen Rechtsfehler begangen hat, weil die entsprechende Partei einen wichtigen, für sie sprechenden Präzedenzfall nicht benannt hat: In diesem Fall, in dem der Rechtsmittelführer sein Unterliegen in erster Instanz selbst maßgeblich beeinflusst hat, hielten die Gerichte die Durchführung des appeal aus Fairness-Erwägungen für nicht notwendig: »[T]he court may conclude that justice does not require this court to give the appellant the opportunity to have a second appeal.« Uphill v. BRB (Residuary) Ltd [2005] 1 WLR 2070, para.24, per Dyson LJ. Auch kann in die Entscheidung wohl das Interesse der Parteien einfließen, möglichst bald und ohne Verursachung weiterer Verfahrenskosten Rechtssicherheit zu erlangen; siehe Piglowska v. Piglowski [1999] 1 WLR 1360 (1373) per Hofmann LJ: »[T]here is the principle of proportionality between the
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angenommen werden, wenn zwar die Erfolgsaussichten des appeal niedrig sind, aber das Verfahren der Vorinstanz einen so gravierenden Verfahrensfehler aufwies, dass eine der Parteien kein faires Verfahren hatte.2336 In der Literatur wurde vereinzelt in der Formulierung other compelling reason eine Klausel gesehen, mit der sich vor allem in asylrechtlichen Fällen aufgrund der dort oftmals in Rede stehenden wichtigen Rechte des Einzelnen, ein appeal in der Regel begründen ließe.2337 Dieser Ansicht hat der CoA allerdings zwischenzeitlich eine wesentlich restriktivere Handhabung von s.13(6) TCEA 2007 c.15 entgegengesetzt: In der Entscheidung PR u. a.2338 ging es um die Versagung eines second appeal durch das UT gegen drei Entscheidungen der FtT-IAC. In allen drei Fällen wurde Asyl beantragt und nicht gewährt.2339 Weil in allen drei Fällen die Kläger einzelne Rechtsfehler in den angegriffenen Entscheidungen ausmachten2340 und ihnen zugleich eine Abschiebung in einen Folterstaat und
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amount at stake and the legal resources of the parties and the community which it is appropriate to spend on resolving the dispute […]. [E]ven if a case does raise an important point of practice or principle, the Court of Appeal should consider carefully whether it is fair to have it decided at the expense of parties with very limited resources or whether it should wait for a more suitable vehicle.«; siehe auch O’Hare/Browne, Civil Litigation, 14th ed. 2009, para. 44.007: In diesem familienrechtlichen Verfahren, welches noch vor InKraft-treten des Access to Justice Act 1999 c.22 durch das HoL entschieden wurde, hatten die Verfahrenskosten den Streitwert bereits um ein Vielfaches überschritten. Uphill v. BRB (Residuary) Ltd [2005] 1 WLR 2070, para.24 f. per Dyson LJ. Dies wäre etwa der Fall, wo der Richter der Vorinstanz einer Verfahrenspartei keine Gelegenheit gegeben hätte, ihre Argumente im Rahmen des first appeal vorzutragen – bestünde hier kein Recht zum appeal, wäre diese Partei effektiv auch ihres Rechts auf den first appeal beraubt: »There may be circumstances where there is a compelling reason to grant permission to appeal even where the prospects of success are not very high. The court may be satisfied that there are good grounds for believing that the hearing was tainted by some procedural irregularity so as to render the first appeal unfair. Suppose, for example, that the judge did not allow the appellant to present his or her case. In such a situation, the court might conclude that there was a compelling reason to give permission for a second appeal, even though the appellant had no more than a real, as opposed to fanciful, prospect of success. It would be plainly unjust to deny an appellant a second appeal in such a case, since to do so might, in effect, deny him a right of appeal altogether.« Siehe Pickup, JIANL 2010, 24(2), 115 (117). Es handelt sich dabei nicht um ein Endurteil, sondern lediglich um die Versagung der permission to appeal durch den CoA. Da das Gericht die vorgebrachten Fälle allerdings als besonders wichtige »test-cases« ansah, begründete es seine Entscheidung zur permission to appeal in ungewöhnlich langer Form; siehe PR (Sri Lanka) & Ors v. Secretary of State for the Home Department [2011] EWCA Civ 988, para. 43 per Carnwath LJ. In den Verfahren der Kläger PR und TC hatte das UT zunächst den appeal gegen die Entscheidung des FtT zugelassen, jedoch entschieden, nicht an das FtT zurückzuverweisen, sondern die Sachlage selbst neu zu erörtern i. S.v. s.12(2)(b)(ii) und (4)(b) TCEA 2007 c.15 (para. 48, 57 und 61). Genauso verfuhr das UT in der Sache des Klägers SS (para. 68), allerdings mit der Besonderheit, dass der Kläger in allen Instanzen vor dem CoA ohne anwaltliche Vertretung aufgetreten war; erst der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels zum CoA geschah mit anwaltlichem Schriftsatz. Die Rechtsfehler, die die Kläger jeweils rügten, waren die fehlerhafte Anwendung einer
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damit eine dringende Gefahr für Leben und Gesundheit drohte, hatten sich die Kläger sodann vor dem CoA darauf berufen, dass die Zulassung ihrer Rechtsmittel wegen des Vorliegens eines other compelling reason notwendig sei.2341 Der CoA lehnte alle Anträge auf Gewährung der permission ab und stellte in seiner Begründung heraus, dass das Kriterium des other compelling reason gewissermaßen ein dem CoA anvertrautes »Sicherheitsventil« darstelle, welches verhindern solle, dass aus falscher Rechtsanwendung gravierende Unbilligkeiten im Einzelfall resultierten2342 – Voraussetzung für die Betätigung dieses Ventils seien grds. die Anforderungen, die in der Entscheidung Uphill aufgestellt wurden, wobei jedoch das Gericht aus den unten noch geschilderten Entscheidungen Cart, MR und Eba2343 folgert, dass die Anforderungen an die Anwendung dieses Tests im Rahmen von s.13(6) TCEA 2007 c.15 auf Entscheidungen des UT sehr hoch seien: die angegriffene Entscheidung müsse sich etwa als »wholly exceptional collapse of a fair procedure« darstellen.2344 Auch stellt das Gericht fest, dass mit compelling reasons nur rechtlich zwingende Gründe gemeint seien, nicht aber solche, die aufgrund einer emotionalen Betrachtung, also mit Hinblick auf die Folgen einer Entscheidung für den Einzelnen, als zwingend empfunden werden könnten – maßgeblich für das Vorliegen eines other compelling reason sei, dass ein zwingender Grund dafür bestehe, warum die angegangene Entscheidung nach Durchlaufen des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens noch einer weiteren Prüfung durch den CoA bedürfe.2345 Das vermeintliche Vorliegen einfacher Rechtsfehler (also solcher, die nicht als perverse oder plainly wrong
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2343 2344
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»country guidance« (PR, para. 54 und TC, para. 63) sowie ein – vermeintlich – stellenweise in sich widersprüchliches Urteil der Ausgangsinstanz (SS, para. 66 f und 73; da der Kläger in den ersten Instanzen nicht rechtlich vertreten war, wurde erst vor dem UT vorgebracht, dass die Inkonsistenzen im Urteil der Vorinstanzen mit Hinblick auf die drohenden Konsequenzen für den Kläger nicht hinnehmbar seien und daher zu einem »other compelling reason« gereichen würden; siehe para. 72). Siehe PR (Sri Lanka) & Ors v. Secretary of State for the Home Department [2011] EWCA Civ 988, para. 24. Siehe PR (Sri Lanka) & Ors v. Secretary of State for the Home Department [2011] EWCA Civ 988, para. 33 per Carnwath LJ, der unter Bezugnahme auf den Zweck der Regelung von s.55(1) Access to Justice Act 1999 c.22, feststellt: »The […] ›compelling reason‹ test, the wording proposed by senior judges, was to be an ›exceptional‹ remedy, a ›safety valve‹.« Siehe zu diesen Entscheidungen unten, VIII.C.1., S. 496. PR (Sri Lanka) & Ors v. Secretary of State for the Home Department [2011] EWCA Civ 988, para. 35 per Carnwath LJ: Durch die Verwendung dieser Formulierung nimmt Lord Carnwath Bezug auf die Ausführungen in der Sache R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 131 per Dyson LJ (zu dieser Entscheidung siehe unten, VIII.C.1., S. 496). PR (Sri Lanka) & Ors v. Secretary of State for the Home Department [2011] EWCA Civ 988, para. 41 per Carnwath LJ: »The question is not, therefore, whether the nature of the asserted claim would, if its factual basis were established, risk drastic consequences, but whether there is a compelling reason why the issue on which the claimant has failed twice should be subject to a third judicial process.«
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aufgefasst werden könnten) könne keinen other compelling reason darstellen, bloß weil die aus diesem Rechtsfehler möglicherweise resultierenden Konsequenzen für den Betroffenen besonders gravierend seien.2346 Damit wurde die Hürde für das Vorliegen eines other compelling reason sehr hoch gesetzt. (3) Richterliche Zurückhaltung aufgrund Expertenwissens der tribunals (Cooke) Bisher schlug sich im Rahmen der Überlegungen, die die Gerichte bei ihrer Entscheidung über die Zulassung eines second appeal gegen die Entscheidung eines zweitinstanzlichen tribunal anstellten, auch das besondere Expertenwissen nieder, welches ein solches zweitinstanzliches tribunal in der Regel aufweist: im Urteil Cooke2347 hatte der CoA über die Zulassung eines appeal gegen eine Entscheidung der Social Security Commissioners zu entscheiden. Obgleich gegen deren Entscheidungen nach dem Gesetz ein appeal beschränkt auf Rechtsfragen, ansonsten aber ohne weitere Einschränkung möglich war2348 und danach eigentlich auch für die Frage der Gewährung der permission lediglich die Anforderung hinreichend hoher Erfolgsaussichten galt, befand das Gericht, dass für die Zulassung des second appeal gegen Entscheidungen der Social Security Commissioners höhere Hürden angemessen seien. Ohne den damit einhergehenden Test letztlich anzuwenden, verwies das Gericht in Cooke doch auf die in s.55(1) Access to Justice Act 1999 c.55 zum Ausdruck kommende Ratio und meinte, dass die ordentlichen Gerichte bei der Überprüfung von Entscheidungen zweitinstanzlicher tribunals entsprechend größte Zurückhaltung zu üben hätten.2349 Den Grund für diese weitgehende Selbstbeschränkung seiner Kon2346 Das Gericht geht in PR zwar darauf ein, dass Hale LJ (para. 57) und Dyson LJ (para. 131) in der Entscheidung R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28 einen »compelling reason« potentiell auch darin sahen, dass eine Entscheidung extreme Konsequenzen für den Einzelnen haben könne, meint aber seinen gegenläufigen Schluss im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Urteils ziehen zu können; siehe PR (Sri Lanka) & Ors v. Secretary of State for the Home Department [2011] EWCA Civ 988, para. 36 per Carnwath LJ. 2347 Cooke v. Secretary of State for Social Security [2001] EWCA Civ 734. 2348 Das in Rede stehende Verfahren wurde noch unter den Vorschriften des Social Security Administration Act 1992 c.5 begonnen, die Bestimmungen, die das appeal-Verfahren regeln, wurden jedoch während dessen Verlauf durch die Instanzen durch den Social Security Act 1998 ersetzt. Die appeals gegen Entscheidungen der Social Security Commissioners zum CoA regelten sich jedoch sowohl nach der alten Rechtslage (s.24 Social Security Administration Act 1992 c.5) als auch nach der neuen, nahezu inhaltsgleichen Bestimmung in s.15 Social Security Administration Act 1998 c.14 gleich, nach beiden war der appeal nur auf die Geltendmachung von »question of law« möglich. 2349 Die Bezugnahme des Gerichts auf s.55 Access to Justice Act 1999 c.55 ist nicht ganz eindeutig: Obgleich das Gericht feststellt, dass diese Vorschrift in diesem Fall nicht direkt anwendbar ist, analysiert es doch die dahinterstehenden Erwägungen und überträgt sie auf die in Rede stehende Situation: »It is clear from the words of the section [s.55 Access to Justice Act 1999 c.55] that it does not apply to the appeal in this case. But many of the
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trollmöglichkeiten gegenüber den Commissioners sah der CoA zum einen in der Stellung der Commissioners als zweitinstanzliches tribunal an der Spitze eines eigenen Systems.2350 Zum anderen – und dies vor allem – sollte eine Entscheidung des CoA über die Gewährung der permission die besondere Fachkompetenz der Commissioners auf dem hochkomplexen Gebiet des Sozialrechts berücksichtigen, welche es ihnen ermögliche, die Rechtsfragen des einzelnen Falles im Lichte des weiteren Kontextes des gesamten Rechtsgebiets des Sozialrechts beurteilen und entscheiden zu können.2351 Diese Argumentation für eine Selbstbeschränkung der Prüfungsmöglichkeiten sei auch bei anderen tribunals anzuwenden, die über eine vergleichbare Struktur mit einem zwei-stufigen Instanzenzug verfügten.2352 In späteren Entscheidungen im Zusammenhang mit anderen tribunals griffen sowohl der CoA2353 als auch das HoL2354 diese Argumentation auf und ent-
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reasons underlying that provision apply with equal force in these circumstances, and indeed some might think them stronger.« Cooke v. Secretary of State for Social Security [2001] EWCA Civ 734, para. 14 per Hale LJ. Daraufhin stellt das Gericht fest: »[A]lthough section 55 [Access to Justice Act 1999 c.55] does not apply, a robust attitude to the prospect of success criterion ought to be adopted in these cases.« Cooke v. Secretary of State for Social Security [2001] EWCA Civ 734, para. 17 per Hale LJ. Siehe Cooke v. Secretary of State for Social Security [2001] EWCA Civ 734, para. 15 per Hale LJ: »[T]here is an independent two-tier appellate structure.[…] After the initial decision there is a fresh hearing before a specialist tribunal which is chaired by a lawyer and has an appropriate balance of experience and expertise amongst its members. After that there is an appeal on a point of law to a highly expert and specialized legally qualified body, the Social Security Commissioners. Thirdly, it is essential that that tribunal structure is sufficiently expert to be able to take an independent and robust view, particularly in cases where the government agency has gone wrong.« Cooke v. Secretary of State for Social Security [2001] EWCA Civ 734, para. 16 per Hale LJ: »[T]his is a highly specialized area of law which many lawyers – indeed, I would suspect most lawyers – rarely encounter in practice. […] [T]he ordinary courts should approach such cases with an appropriate degree of caution. It is quite probable that on a technical issue of understanding and applying the complex legislation the Social Security Commissioner will have got it right. The Commissioners will know how that particular issue fits into the broader picture of social security principles as a whole. They will be less likely to introduce distortion into those principles. They may be better placed, where it is appropriate, to apply those principles in a purposive construction of the legislation in question. They will also know the realities of tribunal life. All of this should be taken into account by an appellate court when considering whether an appeal will have a real prospect of success.« Cooke v. Secretary of State for Social Security [2001] EWCA Civ 734, para. 18 per Hale LJ, die insoweit ausdrücklich die tribunals auf dem Gebiet des Arbeitsrechts, des Asylrechts (zu diesem Zeitpunkt bestand bei diesen ja noch ein zweistufiger Instanzenzug; siehe oben, bei Fn. 1405ff.) sowie das Lands Tribunal (als Aufsichtsinstanz für die Leasehold Valuation Tribunals) nennt; siehe dazu schon oben, V.C.2.c)(2)(a), S. 298. Hooper v. Secretary of State for Work and Pensions [2007] EWCA Civ 495, para. 40 ff. per Dyson LJ. Diese Entscheidung erging ebenfalls im Zusammenhang mit den Social Security Commissioners. Die Entscheidung Akaeke v. Secretary of State for the Home Department [2005] EWCA Civ 947, para. 26 – 30 per Carnwath LJ bezog sich auf das AIT und die
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schieden unter Verweis darauf für die Notwendigkeit einer vergleichbaren Selbstbeschränkung etwa bei der Kontrolle von Entscheidungen des AIT.2355 Darin kommt letztlich zum Ausdruck, dass sich das Expertenwissen der tribunals gerade nicht nur auf Sachfragen (also all das, was man als questions of fact im o.g. Sinne begreifen kann) beschränkt, sondern sich eben auch in ihrem besonderen Verständnis für Rechtsfragen, also questions of law, äußert. Dies ist bemerkenswert im Hinblick auf das klassische Verständnis der ordentlichen Gerichte als Hüter und Bewahrer allen Rechts2356 – die in dieser Rechtsprechung zum Ausdruck kommende Erkenntnis, dass manche Rechtsgebiete so speziell und komplex sind, dass andere Spruchkörper auch zur Beantwortung der auf diesem jeweiligen Gebiet auftauchenden Rechtsfragen besser geeignet sind als die ordentlichen Gerichte, stellt eine weitergehende Anerkennung der juristischen Relevanz der tribunals dar.2357 Im Übrigen folgen die Gerichte auch nach der Umsetzung des TCEA 2007 c.15 der in der Entscheidung Cooke eingeschlagenen Linie der richterlichen Selbstbeschränkung gegenüber den besonderen Fähigkeiten.2358 Und auch das UT selbst beruft sich heute auf die Ratio dieser Entscheidung und nimmt dementsprechend für sich in Anspruch, Rechtsfragen auf jenen Fachgebieten, für die es
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Entscheidung Napp Pharmaceutical Holdings Ltd v. Director General of Fair Trading (No.5) [2002] EWCA Civ 796 bezog sich auf das Competition Appeal Tribunal; siehe auch Carnwath, PL 2009, 48 (58). Siehe Hinchy v. Secretary of State [2005] 1 WLR 967, para. 29 f. per Hoffmann LJ, der den CoA dafür kritisierte, die besonderen Kenntnisse der Social Security Commissioners nicht hinreichend zu respektieren; siehe auch Carnwath, PL 2009, 48 (58). Siehe AH (Sudan) v. Secretary of State [2008] 1 AC 678, para. 30 per Hale LJ, die zum AIT ausführt: »This is an expert tribunal charged with administering a complex area of law in challenging circumstances. To paraphrase a view I have expressed about such expert tribunals in another context, the ordinary courts should approach appeals from them with an appropriate degree of caution; it is probable that in understanding and applying the law in their specialised field the tribunal will have got it right […] They and they alone are the judges of the facts. It is not enough that their decision on those facts may seem harsh to people who have not heard and read the evidence and arguments which they have heard and read. Their decisions should be respected unless it is quite clear that they have misdirected themselves in law. Appellate courts should not rush to find such misdirections simply because they might have reached a different conclusion on the facts or expressed themselves differently.« Diesen Ausführungen schließen sich in der Entscheidung auch Hope LJ (para.19) und Brown LJ (para. 43) ausdrücklich an; siehe zum Ganzen Carnwath, PL 2009, 48 (58). Siehe Carnwath, PL 2009, 48 (58): »Some might question how this approach is to be reconciled with the constitutional role of the courts, as guardians of the law.« So auch Carnwath, PL 2009, 48 (58). Siehe die Entscheidung Secretary of State for Work and Pensions v. Cattrell [2011] EWCA Civ 572, para. 5 und 23 per Buxton LJ: »[T]his court will always have in mind the caution that it must exercise before susbstituting its own view for that of a specialist tribunal, such as the Upper Tribunal is.«; siehe zu dieser Entscheidung schon oben, Fn. 2330.
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als Appellationsinstanz zuständig ist, besser beurteilen zu können als die ordentlichen Gerichte.2359 Mittlerweile lassen allerdings einige höchstrichterliche Äußerungen daran zweifeln, ob die Gerichte sich auch in Zukunft an die Ratio der Entscheidung Cooke gebunden fühlen werden.2360 (4) Möglichkeiten des Court of Appeal bei Vorliegen eines error of law Kommt der CoA zu dem Ergebnis, dass das UTeinen Rechtsfehler begangen hat, hat er gem. s.14 TCEA 2007 c.15 im Wesentlichen die gleichen rechtlichen Möglichkeiten, wie sie sich für das UT in der entsprechenden Situation gem. s.12 TCEA 2007 c.15 ergeben, kann also entweder die Entscheidung mit Anweisungen materiellrechtlicher oder prozessualer Art an das UT zurückverweisen oder sie selbst erneut fällen2361 und dabei auch selbst neue Tatsachenfeststellungen treffen, wenn und soweit das Gericht dies für nötig hält. Einzig erwähnenswerter Unterschied zwischen ss.12 und 14 TCEA 2007 c.15 ist, dass sich im Rahmen von s.14 TCEA 2007 c.15 die Möglichkeit ergibt, ein Verfahren den gesamten Instanzenzug wieder »herunterzureichen«: Entscheidet sich der CoA, die Streitsache nicht selbst vollständig zu entscheiden, sondern zurückzuverweisen, kann dies im Falle eines echten second appeal nicht nur an das UT erfolgen, sondern auch an jene Instanz, die den first appeal gehört hat und in jedem Fall Anordnungen zur Zusammensetzung des entsprechenden Spruchkörpers enthalten.2362 Aber selbst wenn die Rückverweisung des CoA an das UT erfolgt, hat dieses die Möglichkeit, die Sache seinerseits weiter den Instanzenzug zum jeweiligen Ausgangsentscheidungsträger herunterzureichen2363 und dabei Anordnungen zur Zusammensetzung des entscheidenden Spruchkörpers zu treffen. d)
Nichtüberprüfbare Entscheidungen (excluded decisions)
Fällt eine bestimmte Entscheidung in die Kategorie der excluded decisions, hindert dies sowohl die Durchführung eines self review2364 als auch eines ap2359 Dazu siehe sogleich, VIII.A.2.b)(2), S. 489. 2360 Dazu siehe unten, VIII.C.6.c)(1), S. 536. 2361 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 14.39; zu den entsprechenden Möglichkeiten des UT nach s.12 TCEA 2007 c.15 siehe oben, VII.G.2.b)(3), S. 436. 2362 Siehe s.14(2)(i)TCEA 2007 c.15 – also etwa das FtToder ein anderes tribunal, gegen dessen Entscheidungen ein first appeal zum UT möglich ist. Die Anordnungen, die der CoA an den entsprechenden Spruchkörper treffen kann, sind die gleichen, wie die, die das UT treffen kann; zu diesen siehe schon oben, bei Fn. 2292 und 2293. 2363 Siehe s.14(5) TCEA 2007 c.15. 2364 S.9(1) TCEA 2007c.15 (»[…] other than is a decision that is an excluded decision for the purpose of section 11(1)«).
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
peal2365 nach den Vorschriften des TCEA 2007c.15.2366 Einige solcher excluded decisions werden in den Bestimmungen des TCEA 2007c.15 selbst aufgezählt, andere ergeben sich aber auch aus einer nach ss.11(5)(f) bzw. 13(8)(f) TCEA2007 c.15 erlassenen Verordnung des Lord Chancellor.2367 Entscheidungen können dabei sowohl aufgrund bestimmter Besonderheiten des materiellen Rechts als excluded decisions gelten, als auch in Konsequenz anderer, prozessualer Regelungen innerhalb des TCEA 2007 c.15 selbst: Nach s.11(5) TCEA 2007 c.15 ist etwa der self review innerhalb des FtT bzw. der first appeal vom FtT zum UT in folgenden Fällen ausgeschlossen: – Es soll eine Entscheidung des FtT im Zusammenhang mit criminal injuries compensation überprüft werden.2368 Dies ist den Besonderheiten des materiellen Rechts geschuldet, da in diesen Fällen bereits der Anrufung des FtT ein mehrstufiges Überprüfungsverfahren vorausging und vor allem vor der Reform hier stets der einzige Rechtsbehelf gegen Tribunalsentscheidungen ein JR zum High Court war, was offenbar für diese Fallgruppe auch nach der Reform beibehalten werden sollte – wenngleich der JR nun nicht mehr vor dem High Court entschieden wird, sondern vom UT.2369 – Es soll eine Entscheidung des FtT im Zusammenhang mit Entscheidungen im Datenschutzrecht2370 oder der Informationsfreiheit2371 überprüft werden, welche die nationale Sicherheit berühren. Diese Fälle, die eigentlich in die Zuständigkeit der GRC fallen, werden ohnehin stets an das UT transferiert,2372 weshalb eine Ausgangsentscheidung, die einem self review durch das FtT unterzogen werden könnte, gar nicht existiert und der grds. gewünschte Devolutiv-Effekt bereits ohne Einlegung eines appeal besteht. – Es soll eine Entscheidung des FtT überprüft werden, die es in Ausübung seiner 2365 Siehe ss.11(1) und 13(8) TCEA 2007c.15: (»[…]other than an excluded decision«). 2366 D.h. sowohl der appeal vom FtT zum UT als auch der vom UT zum CoA können ausgeschlossen sein, wenn es konkret um eine »excluded decision« geht. 2367 Siehe zu dieser unten, bei Fn. 2380. 2368 Dies gilt auch für die kürzlich neu geregelten Bereiche der Kompensation für Opfer terroristischer Anschläge im Ausland und deren appeals nach s.52(3) Crime and Security Act 2010 c.17; siehe s.11(5)(aa) TCEA 2007 c.15; zum Bereich criminal injuries compensation siehe bereits oben, V.B.1.b), S. 247 insb. bei Fn. 1167ff. 2369 Siehe Jacobs, ILJ 2009, 38(4), 417 (421); zur Möglichkeit des UT, derartige Verfahren durchzuführen, siehe unten, VII.G.3., S. 452. 2370 Entscheidungen des FtT über einen appeal nach s.28(4) Data Protection Act 1998 c.29 sind damit nicht durch das UT überprüfbar ; siehe zur Zuständigkeit der GRC für Entscheidungen des Data Protection Commissioner bereits oben, bei V.B.5.a), S. 269 insb. Fn. 1322. 2371 Entscheidungen des FtT über einen appeal nach s.60(1) und (4) Freedom of Information Act 2000 c.36. Es handelt sich dabei um eine Streitigkeit im Zusammenhang mit der Gewährung eines national security certificate durch den Information Commissioner ; siehe zu diesem bereits oben, Fn. 1323f. 2372 Siehe oben, bei Fn. 1325.
Überprüfungsmechanismen und Instanzenzug
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Kompetenzen zum self review nach s.9 TCEA 2007 c.15 gefällt hat.2373 Die Ausübung der Kompetenz zum self review soll somit selbst keiner Prüfung im Wege des appeal – bzw. einem weiteren self review – unterzogen werden können. Allerdings hat das UT die Möglichkeit, diese Entscheidungen einer Prüfung im Wege eines gesetzlichen »JR« zu unterziehen.2374 Die Wirkung der Einordnung der self review-Entscheidungen des FtT als excluded decisions beschränkt sich damit auf den Ausschluss des regelmäßigen appeal und des self review,2375 wodurch diese gleichzeitg auf die sogleich dargestellte Schiene des gesetzlichen »JR« zum UT gelangen. – Es soll eine Entscheidung überprüft werden, die aufgrund eines Spruchs des FtT im Rahmen eines self review nach s.9(4)(c) TCEA 2007c.15 aufgehoben wurde.2376 Dieser Ausschluss hat die Funktion klarzustellen, dass eine bereits vom FtT aufgehobene Entscheidung nicht mehr Gegenstand einer weiteren Prüfung im Wege eines appeal und damit einer Prüfung durch das UT sein kann,2377 auch dann nicht, wenn die Entscheidung erst aufgehoben wird, nachdem ein appeal bereits eingelegt wurde.2378 Allerdings verhindert dieser Ausschluss nicht, dass das FtT die Aufhebungsentscheidung selbst einem self review unterziehen kann.2379 – Es soll eine Entscheidung aufgehoben werden, die vom Lord Chancellor durch Rechtsverordnung zu einer excluded decision erklärt wurde.2380 Eine entsprechende Rechtsverordnung hat der Lord Chancellor mit der Appeals (Excluded Decisions) Order 2009, SI2009/275 erlassen. All diese Bestimmungen haben gemein, dass der Ausschluss des appeal-Rechts auf den jeweiligen Besonderheiten des materiellen Rechts beruht, da die Ermächtigungsgrundlage für den Lord Chancellor zum Erlass der Verordnung die Kategorisierung einer Entscheidung als excluded decision an das Vorliegen solcher materiellrechtlichen Besonderheiten knüpft.2381 Darauf wird hier nicht weiter eingegangen.
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Siehe zum self review bereits oben, bei Fn. 2146. Siehe sogleich, VII.G.3. S. 452. Es gibt keinen self review des self review; siehe schon oben, Fn. 2132. Siehe s.11(5)(d) TCEA 2007 c.15. Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 15.46. Siehe den Einschub in ss.11(5)(f) und 13(8)(e) TCEA 2007 c.15. Dieser Fall dürfte regelmäßig eintreten, da, wie gezeigt, der self review vor allem durch den Antrag der Parteien zur Durchführung eines appeal initiiert wird; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 15.46S. 667]. 2379 Siehe zur Regelung von s.9(9) i. V. m. (4)(a) TCEA 2007 c.15 bereits oben, Fn. 2144. 2380 Siehe s.11(5)(g) TCEA 2007 c.15. 2381 Der Erlass der Verordnung setzt voraus, dass das materielle Recht entweder ein inhaltlich anderes bzw. begrenztes appeal-Recht zu einem Gericht, dem UT oder einem anderen tribunal vorschreibt, als jenes, welches s.11(1) TCEA 2007 c.15 gewährt (siehe s.11(5)(a)
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Die so beschriebenen Entscheidungen gelten dabei grds. auch im Zusammenhang mit einem second appeal vom UT zum CoA als excluded decisions – d. h. die genannten Entscheidungen zu national security certificates,2382 eine Entscheidung des UT im Rahmen eines self review gem. s.10 TCEA 2007 c.152383 und jede im Rahmen eine solchen self review aufgehobene Entscheidung2384 sowie alle in der Rechtsverordnung des Lord Chancellor genannten Entscheidungen2385 gelten als excluded decision. Hinzu kommt an dieser Stelle lediglich, dass auch die Entscheidungen des UT, eine permission to appeal gem. s.11 (4)(b) TCEA 2007 c.15 zu versagen, als excluded decision gilt, also die Entscheidung über die Zulassung eines appeal gegen eine Entscheidung des FtT durch das UT zu sich selbst.2386 Die Versagung der Zulassung des appeal zu sich selbst kann daher weder Gegenstand eines self review noch selbst eines appeal, etwa zum CoA gem. s.13 TCEA 2007 c.15 sein; einziger Rechtsbehelf insoweit ist also der JR zum High Court.2387
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Gesetzlicher »judicial review« durch das Upper Tribunal
Durch die Reform wurde auch das UT mit bestimmten, wenn gegenwärtig auch noch recht begrenzten Möglichkeiten zur Durchführung eines »judicial review«Verfahrens versehen.2388 Übertragungen der Verfahrensregeln des JR auf tribunals hat es bereits in der Vergangenheit gegeben2389 – neu ist allerdings, dass hier
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TCEA 2007c.15) oder aber dass vor der Integration eines tribunals für eine bestimmte Frage überhaupt kein appeal-Recht bestand (siehe s.11(5)(b) TCEA 2007c.15). Siehe s.13(8)(a) und (b) TCEA 2007 c.15 – erst an dieser Stelle wirkt der Ausschluss des appeal-Rechts sich wirklich gravierend aus, da hierdurch die Entscheidung des UT (an welches das FtT ein solches Verfahren transferiert hat; siehe oben, bei Fn. 1325 und Fn. 2372) in diesen Angelegenheiten abschließend wird. Siehe s.13(8)(d) TCEA 2007 c.15. S.13(8)(e), wobei auch diesbezüglich wieder die Ausnahme gilt, dass Schreib- und ähnliche untergeordnete Fehler in der Akte oder der Entscheidung auch bei einer solchen aufgehobenen Entscheidung durch das UT korrigiert werden können; siehe s.10(7) TCEA 2007 c.15 sowie zur entsprechenden Regelung beim FtT bereits oben, bei Fn. 2144 und unten, bei Fn. 2411. Siehe s.13(8)(f) TCEA 2007 c.15. Es handelt sich bei der dort bezeichneten Verordnung ebenfalls um r.3 The Appeals (Excluded Decisions) Order 2009, SI2009/275. Siehe dazu schon oben, VII.G.2.a)(3), S. 422. Siehe unten, VIII.C.1., S. 496. Die Anführungszeichen sind dabei hier mit Bedacht gewählt, da sie sich auch im Gesetz selbst finden. Die Einführung einer solchen Kompetenz des UT hatten dabei weder der Leggatt Review noch das White Paper vorgesehen. Verschiedene Parlamentsgesetze schreiben vor, dass einige »public authorities« auch einem JR unterzogen werden können, der nicht durch die ordentlichen Gerichte in Anwendung der Vorschriften von Teil 54 CPR durchgeführt wird, sondern von anderen Spruchkörpern, welche die »principles applied by the court on an application for judicial
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in bestimmten Fällen die Kompetenz des UT zur Durchführung des JR-Verfahrens eine ausschließliche sein kann, was sich darin äußert, dass dann ein Verfahren vor dem UTselbst eingeleitet werden muss2390 bzw. dass (etwa irrtümlich) vor dem High Court eingeleitete Verfahren zwingend an das UT zu transferieren sind.2391 Gem. s.15 TCEA 2007 c.15 kann das UT die Rechtsbehelfe des JR, prohibiting order, mandatory order, quashing order, declaration und injunction,2392 sowie Schadenersatz2393 gewähren. Wie bereits die gesetzliche Bezeichnung des Verfahrens als judicial review in Anführungszeichen verdeutlicht, soll der Verweis des Gesetzgebers auf die Rechtsbehelfe aber wohl nicht beinhalten, dass das UT in Gewährung dieser Rechtsbehelfe die supervisory jurisdiction des High Court ausübt.2394 Um dem Leser die Unterscheidung zwischen dem JR des High Court und dem des UT zu erleichtern, soll letzterer im Folgenden auch als ›gesetzlicher »JR«‹ bezeichnet werden. a)
Ausschließliche Kompetenz des Upper Tribunal zum gesetzlichen »judicial review«
Die ausschließliche Kompetenz des UT zur Durchführung eines solchen gesetzlichen »JR« gewährt der TCEA 2007 c.15 nur unter engen Voraussetzungen, nämlich nur, wenn die Bedingungen von s.18 TCEA 2007 c.15 erfüllt sind.2395 Praktisch übt diese Kompetenz in erster Linie die AAC aus, die grds. für gesetzliche »JR«-Verfahren zuständig ist2396 – da aber die Möglichkeit nach der
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review« anwenden. Dies sind/waren etwa das alte Information Tribunal (zu diesem oben, bei Fn. 1309), das Competition Appeal Tribunal nach s.120 und s.179 des Enterprise Act 2002 c.40, das Investigatory Powers Tribunal gem. s.67 des Regulation of Investigatory Powers Act 2000 c.23, die Proscribed Organisations Appeal Commission nach s.5(3) und s.9(3) Terrorism Act 2000 c.11 und die Pathogens Access Appeal Commission nach s.70 Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 c.24 (zu den genannten tribunals siehe oben, V.D., S. 311) sowie auch der High Court selbst, nämlich in Ausübung seiner Aufsichtsfunktion über »non-derogating control orders« nach s.3(11) Prevention of Terrorism Act 2005 c.2; siehe zum Ganzen auch Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 3 – 013. Dies gilt für England, Wales und Nordirland (siehe s.15(1) TCEA 2007 c.15), nicht aber für Schottland. Siehe s.31 A(2) Senior Courts Act 1981 c.54, eingefügt durch s.19(1) TCEA 2007 c.15. Siehe s.15(1) TCEA 2007 c.15. Siehe s.16(6) TCEA 2007 c.15. Das UTsoll damit zwar die richterrechtlich entwickelten Verfahrensgrundsätze anwenden, jedoch dadurch nicht die supervisory jurisdiction des High Court ausüben; siehe Woolf/ Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 1 – 092 Fn. 275: »The quotation marks are used in the Act, presumably to signify that this ›judicial review‹ is something distinct from that of the Administrative Court.« Siehe s.15(2)(a) TCEA 2007 c.15. Siehe r.10(b) Chambers Order, SI2010/2655; daneben hat aber für bestimmte Fälle auch die TCC eine grds. Zuständigkeit für »JR«-Verfahren (siehe r.13(g) Chambers Order,
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Chambers Order, bestimmte Sachfragen zwischen den einzelnen Kammern hinund her zu transferieren, auch für »JR«-Verfahren besteht,2397 wurden bisher einige Verfahren auch schon in anderen Kammern entschieden.2398 Die Regelungen, durch welche die ausschließliche Zuständigkeit des UT eröffnet wird, sind recht verstreut – grds. setzt die Ausübung der Zuständigkeit des UT für »JR«-Verfahren das Vorliegen von vier Bedingungen voraus,2399 nämlich – der an das tribunal gestellte Antrag bezieht sich ausschließlich auf die Gewährung jener Rechtsbehelfe, die das UT im Rahmen seiner Kompetenz gem. s.15 TCEA 2007 c.15 gewähren kann.2400 Die Formulierung dieser Bestimmung2401 impliziert, dass grds. erhöhte Anforderungen an die Formulierung des Antrages auf Erlass eines der genannten Rechtsbehelfe zu stellen sind;2402 praktisch wird dies jedoch offenbar sehr flexibel gehandhabt.2403 – der gestellte Antrag stellt keine Entscheidung des Crown Court in Frage.2404 – das Tribunalsverfahren wird von einem Juristen durchgeführt, der wenigstens den Rang eines High Court-Richters hat.2405
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SI2010/2655), die sich allerdings nur auf Fälle bezieht, die aber überwiegend (siehe nur r.13(g)(ii), (iii) und (iv) Chambers Order, SI2010/265) die ausdrücklich vom High Court an das UT übertragenen Konstellationen erfasst – die Zuständigkeit der TCC bezieht sich damit v.a. auf die abgeleitete Kompetenz des UT zum »JR«; dazu siehe unten, VII.G.3.b), S. 459 insb. Fn. 2430. Die ausschließliche Zuständigkeit des UT für »JR«-Verfahren kann die TCC damit nur in den Fällen des »systematischen JR« (dazu siehe unten, bei Fn. 2455) ausüben, in denen eine Entscheidung des FtT einen Verfahrensfehler enthielt. Siehe r.15 Chambers Order, SI2010/2655. So wurden etwa bestimmte Fragen bereits in die TCC transferiert; zu deren Zuständigkeit siehe schon oben, bei Fn. 1550 sowie Rowland, Tribunals, 2010, Summer, 2 (2). Siehe s.18(2) i. V. m. (4) TCEA 2007 c.15: »If conditions 1 to 4 are met […]«. Siehe s.18(4) TCEA 2007 c.15. »[…] anything other«; siehe s.18(4) TCEA 2007 c.15. Zumindest eine Auslegung des Parteiantrages, der nicht eindeutig auf die Erlangung eines der entsprechenden Rechtsbehelfe formuliert ist, kann wohl nicht vom tribunal entsprechend umgedeutet werden. Siehe die Entscheidung R. (RB) v. First-tier Tribunal (Review) [2010] UKUT 160 (AAC) (siehe dazu schon oben, bei Fn. 2163): In dieser Entscheidung wurde ein Antrag des Klägers auf appeal, der sich jedoch gegen eine »excluded decision« i. S.v. s.11(5)(d)(i) und (iii) TCEA 2007 c.15 richtete und damit eigentlich unzulässig gewesen wäre, in einen Antrag auf gesetzlichen »JR« durch das UTumgedeutet; siehe R. (RB) v. First-tier Tribunal, (Review) [2010] UKUT 160 (AAC), para. 11 per Carnwath SPT; siehe zu dieser Entscheidung insgesamt auch Hinchliffe, Tribunals, 2010, Winter, 17 (17 ff.). Siehe s.18(5) TCEA 2007 c.15. Diese Bestimmung zielt vor allem darauf ab, dass strafrechtliche Entscheidungen, die vom Crown Court als Teil der Senior Courts getroffen wurden, nicht etwa inzidenter in Frage gestellt werden können, da dann ein superior court of record die Entscheidungen eines anderen superior court of record in Fragen stellen könnte; siehe Current Law – Statutes Annotated, Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007, 2008, s.15/19. Es muss sich um einen High Court- oder noch höherrangigen Richter handeln oder um einen gleichrangigen Richter des Court of Session für Schottland bzw. des High Court of Northern Ireland. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass der Lord Chief Justice oder
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– das Verfahren fällt in eine Kategorie von Fällen, die durch eine practice direction des Lord Chief Justice näher benannt sind.2406 Liegen alle Voraussetzungen für das Bestehen der ausschließlichen Zuständigkeit des UT für die Durchführung des JR vor, muss auch ein vor dem High Court begonnenes Verfahren an das UT transferiert werden.2407 (1) Abschließend aufgezählte Verfahren Diese zuletzt genannte Bedingung für die ausschließliche Zuständigkeit des UT engt den Anwendungsbereich für solche gesetzlichen »JR«-Verfahren des UT gegenwärtig weitgehend ein, da sie die Durchführung dieser Verfahren nur in bestimmten Konstellationen zulässt: So ist der gesetzliche »JR« nur zulässig gegen Entscheidungen des FtT im Zusammenhang mit criminal injuries compensation2408 sowie hinsichtlich Entscheidungen des FtT nach den jeweiligen Verfahrensregeln bzw. im Rahmen des self review nach s.9 TCEA 2007 c.15,2409 wobei aber wiederum hiervon einige Entscheidungen in bestimmten Sachbereichen ausgeschlossen sind.2410 Aus der Möglichkeit der Kontrolle von Entscheidungen des FtT im Rahmen des self review ergibt sich letztlich auch der
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dessen schottisches oder nordirisches Äquivalent zusammen mit dem Senior President sich auf eine andere Person einigt; siehe s.18(8) TCEA 2007 c.15. Siehe die gegenwärtige practice direction des Lord Chief Justice »Practice Direction (Upper Tribunal: Judicial Review Jurisdiction) [2007] 1 WLR 327; Rowland, Tribunals, 2010, Summer, 2 (2 ff.). Siehe s.31 A(2) Senior Courts Act 1981 c.54 (bzw. s.19(1) TCEA 2007 c.15). Die in s.31 A(2) Senior Courts Act 1981 c.42 genannten Bedingungen sind dabei die gleichen wie die in s.18 (4), (5) und (6). Nicht vorgeschrieben für einen Transfer ist, dass die Entscheidung im UT auch durch einen High Court Richter gehört werden muss, da sich in s.31 A Senior Courts Act 1981 c.42 keine Entsprechung zu s.18(8) TCEA 2007 c.15. findet. Dies ist konsequent, da dem Senior President schließlich die Kompetenz zur Entscheidung der Frage zukommt, wer welchem Fall zugeteilt wird. Ausdrücklich zugelassen sind die Fälle, in denen die SEC im Rahmen ihrer Zuständigkeit für criminal injuries compensation (dazu siehe oben, V.B.1.b), S. 247) entscheidet. Gewissermaßen wird so der durch s.11(5)(a) TCEA 2007 c.15 ausgeschlossene appeal in ein »JR«-Verfahren vor dem UT umgewandelt, um die Rechtslage vor der Reform diesbezüglich beizubehalten; zur Kritik an dieser Regelung siehe Rowland, Tribunals, 2010, Summer, 2 (2 ff.). Siehe grds. para. 2(b) Practice Direction (Upper Tribunal: Judicial Review Jurisdiction) [2007] 1 WLR 327; Rowland, Tribunals, 2010, Summer, 2 (2 ff.). Dies sind die ausdrücklich geregelten Fälle von s.11(5)(b), (c) und (f) TCEA 2007 c.15 (zu diesen siehe bereits oben, bei Fn. 2370 bzw. Fn. 2380f.); siehe para. 2 Practice Direction (Upper Tribunal: Judicial Review Jurisdiction) [2007] 1 WLR 327; Rowland, Tribunals, 2010, Summer, 2 (2 ff.). Dabei sind von diesem Ausschluss durch den Verweis auf s.11(5) TCEA 2007c.15 auch alle Entscheidungen umfasst, für die bereits ein Recht zum appeal durch die Appeals (Excluded Decisions) Order 2009, SI2009/275 des Lord Chancellor ausgeschlossen ist (siehe oben, bei Fn. 2380); hinsichtlich dieser bleibt also allenfalls der JR zum High Court möglich.
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Sinn der oben genannten Möglichkeit des FtT, einen self review über die eigene Aufhebungsentscheidung durchzuführen, um einfache Schreib- und Aktenfehler zu korrigieren:2411 Da grds. alle Entscheidungen im Rahmen des self review Gegenstand eines gesetzlichen »JR« durch das UT sein können, ist es sinnvoll dem FtT zu gestatten, auch in einer solchen Aufhebungsentscheidung jederzeit (d. h. auch von Amts wegen) von sich aus kleinere Fehler auszumerzen. Der Anwendungsbereich des gesetzlichen »JR« ist allerdings nicht auf Entscheidungen im self review beschränkt, vielmehr können alle möglichen Verfahrensentscheidungen zum Gegenstand einer solchen Prüfung im UT gemacht werden. Jedoch ist zu beachten, dass auch der gesetzliche »JR« durch das UT über Entscheidungen des FtT gegenüber der Möglichkeit eines appeal gegen diese Entscheidung zum UT subsidiär ist – darauf wird sogleich noch näher eingegangen.2412 (2)
Ausschluss bei Antrag auf EMRK-Unvereinbarkeitserklärung (declaration of incompatibility) Ein wichtiger grundsätzlicher Ausschluss engt die Anwendbarkeit des gesetzlichen »JR« durch das UT ein und sorgt dafür, dass das UT keinen »JR« durchführen kann, wo der Kläger eine declaration of incompatibility nach dem Human Rights Act 1998 c.42 erlangen möchte.2413 Eine solche declaration stellt einen ungewöhnlich anmutenden Mechanismus zur Kontrolle der Vereinbarkeit britischen Rechts mit der EMRK dar : s.4 Human Rights Act 1998 c.42 ermächtigt bestimmte Gerichte dazu zu erklären, dass die Bestimmung eines Parlamentsgesetzes inhaltlich nicht mit Rechten aus der EMRK bzw. dem Human Rights Act 1998 c.42 vereinbar ist. Dies hat jedoch anders als in anderen Verfassungsordnungen nicht die Wirkung, dass diese Bestimmung durch den Richterspruch unwirksam würde.2414 Durch eine solche declaration wird allenfalls Öffentlichkeit und damit politischer Druck geschaffen,2415 der die Abänderung des Ge2411 Siehe hierzu schon oben, bei Fn. 2145. 2412 Siehe unten, bei Fn. 2456 und 2457. 2413 Allerdings wurde dieser Ausschluss bereits vom Senior President of Tribunals kritisiert und angeregt, diese Beschränkung aufzuheben; siehe Senior President of Tribunals, Senior President of Tribunals, Third Implementation Review, 2009, Annex B, para. 5. 2414 Effektiv bedeutet dies, dass die Bestimmung weder in dem fraglichen Verfahren noch in irgendeinem anderen Zusammenhang ihre Wirkung verliert; siehe zum Ganzen statt aller Schirmer, Konstitutionalisierung des englischen Verwaltungsrechts, 2007, S. 94 ff. 2415 Dabei fungiert die Möglichkeit zur Abgabe dieser Unvereinbarkeitserklärung als ultima ratio, denn den Gerichten obliegt es gem. s.3 Human Rights Act 1998 c.42, Gesetzesvorschriften so auszulegen, dass sie mit den Bestimmungen der Konvention vereinbar sind, was von den Gerichten als sehr weitgehender Auslegungsgrundsatz selbstbewusst gehandhabt wird: »A declaration of incompatibility is a measure of last resort. It must be avoided unless it is plainly impossible to do so.« R. v. A (No. 2) [2001] UKHL 25, para. 44, per Steyn LJ.
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setzes durch das Parlament in einem besonderen, vereinfachten Gesetzgebungsverfahren nach sich ziehen kann.2416 Die Gerichte, die eine solche Unvereinbarkeitserklärung abgeben können, werden durch s.4(4) Human Rights Act 1998 c.42 abschließend aufgezählt;2417 andere, in dieser Bestimmung nicht genannte Gerichte oder Spruchkörper, sind grds. nicht in der Lage, eine Unvereinbarkeitserklärung im Sinne von s.4 Human Rights Act 1998 c.42 abzugeben.2418 Doch auch vor den dort nicht genannten Gerichten und tribunals wird mit Konventionsrecht argumentiert:Für diese ergibt sich aus ss.3, 6 und 7 Human Rights 1998 c.42 die Pflicht zur Beachtung der Konventionsrechte und damit zur Auslegung heimischen Rechts im Lichte der EMRK, weshalb es immer wieder vorkommt, dass einige untere Gerichte und tribunals die Unvereinbarkeit einer gesetzlichen Bestimmung mit dem Human Rights Act 1998 c.42 feststellen,2419 auch wenn dies eben nicht den Mechanismus von s.4 Human Rights Act 1998 c.42 auslöst. Rein tatsächlich hat jedoch auch eine Äußerung zur Unvereinbarkeit eines unteren Gerichts bzw. tribunals beachtliche Auswirkungen und schafft Druck auf den Gesetzgeber, die fragliche Bestimmung zu ändern.2420 Da das UT nicht zum Kreis dieser Gerichte gehört, ist es diesem verwehrt, eine solche declaration zu erteilen.2421 Entsprechend wird dem UT durch die practice direction des Lord Chief Justice die Zulassung von »JR«-Verfahren, mittels derer zumindest auch eine solche declaration erstrebt wird, verwehrt, um klarzu2416 Siehe s.10 Human Rights Act 1998 c.42. 2417 Von dieser Aufzählung umfasst sind dabei grds. nur die höchsten Gerichte Großbritanniens, d. h. der High Court und der CoA jeweils für England, Wales und Nordirland, sowie der High Court of Justiciary für Schottland, der Court of Protection, sofern die konkrete Angelegenheit durch einen Richter im Range eines puisne judge des High Court oder den Präsidenten der Familiengerichtsabteilung behandelt wird, der Courts Martial Appeal Court (das höchste Militärgericht) sowie die höchsten Gerichte für ganz Großbritannien, der Supreme Court und das Judicial Committee des Privy Council. 2418 Magistrates’ Courts und Crown Courts ist es daher eigentlich nicht möglich, eine Unvereinbarkeitserklärung abzugeben; siehe Clayton/Tomilson/Butler-Cole, Law of Human Rights, Bd. 1 2nd ed. 2009, para. 4.85 (S. 214). 2419 Siehe etwa die Entscheidung R. v. DPP Ex p. Kebline [2000] 2 AC 326, in der der Crown Court eine Unvereinbarkeitserklärung nach s.4 Human Rights Act 1998 c. 42 abgegeben hatte; siehe zum ganzen Clayton/Tomilson/Butler-Cole, Law of Human Rights, Bd. 1 2nd ed. 2009, para. 4.85 (S. 214). 2420 Siehe Wadham/Mountfield/Gallagher, Blacktstone’s Guide to the Human Rights Act 1998, 5th ed. 2009, para. 6.3.1. 2421 Auch andere tribunals können keine »declaration of incompatibility« abgeben; siehe Clayton/Tomilson/Butler-Cole, Law of Human Rights, Bd. 1 2nd ed. 2009, para. 4.85. Dies gilt sogar für solche tribunals, die ihrer Aufgabe und ihrer Besetzung nach innerhalb ihrer Zuständigkeit gewissermaßen den Platz des High Court einnehmen. Als solche wurden in der Literatur zwischenzeitlich etwa das Employment Appeal Tribunal und das IAT aufgefasst; siehe Wadham/Mountfield/Gallagher, Blacktstone’s Guide to the Human Rights Act 1998, 5th ed. 2009, para. 6.3.1.
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stellen, dass ein solches Verfahren gar nicht erst stattfinden soll.2422 Damit bleibt dieser sensible Bereich, in dem das fundamentale Verfassungsprinzip der Parlamentssuprematie einerseits und die völkerrechtlichen Bindungen des Vereinigten Königreichs andererseits in Rede stehen, dem »echten« JR durch den High Court vorbehalten.2423 Allerdings ist mittlerweile angeregt worden, diesen ausdrücklichen Ausschluss aus der Zuständigkeit des UT im Lichte der baldigen Integration weiterer JR-Verfahren auf dem Gebiet des Asylrechts zu beseitigen.2424 Ob dies geschehen wird, bleibt abzuwarten.
2422 Diese Klarstellung ist sinnvoll, da die bloße Tatsache, dass ein tribunal die declaration nicht erteilen kann, bisher von den Gerichten nicht als Grund angesehen wurde, ein Verfahren für gänzlich unzulässig zu erklären. In der Entscheidung R. v. Secretary of State for the Home Department Ex p. Kurdistan Workers Party [2002] ACD 99 etwa wurde festgestellt, dass die Tatsache, dass ein tribunal eine Unvereinbarkeitserklärung nicht abgeben kann, für sich genommen noch nicht dafür sorgt, dass die Durchführung eines Verfahrens vor diesem unangemessen wäre: In der konkreten Entscheidung hatte ein Verfahren vor der POAC stattgefunden, mithin einem tribunal, das von s.4(4) Human Rights Act 1998 c.42 nicht erfasst ist (Gegenstand des Verfahrens war allein die Frage nach der Vereinbarkeit bestimmter gesetzlicher Bestimmungen mit dem Human Rights Act; siehe Clayton/Tomilson/Butler-Cole, Law of Human Rights, Bd. 1 2nd ed. 2009, para. 4.87). Die Tatsache, dass die POAC ihrerseits keine Unvereinbarkeitserklärung aussprechen konnte, führte aber nicht dazu, dass das Verfahren durch einen – alternativ zum Tribunalsverfahren durchzuführenden – Antrag auf JR möglich war. Es muss vielmehr trotz allem der gesetzlich vorgeschriebene Weg eingehalten werden, auch wenn dies womöglich bedeutet, dass der Kläger durch mindestens zwei Instanzen gehen muss, um eine »declaration of incompatibility« im Sinne von s.4(4) Human Rights Act 1998 c.42 zu erreichen. Dabei gibt es für die unteren, nicht von s.4 erfassten Gerichte auch keine ausdrückliche Möglichkeit zur Vorlage der Frage der Vereinbarkeit eines Gesetzes mit der EMRK zu einem höheren Gericht, so dass ein Kläger – selbst wenn das untere Gericht von der Unvereinbarkeit der angegriffenen Bestimmung überzeugt ist – in dieser Instanz die Klage verliert. Eine noch nicht abschließend geklärte Frage im Zusammenhang mit diesem eigenartigen Mechanismus der Gesetzeskontrolle auf ihre EMRK-Konformität ist die Frage der Kostenteilung: Grds. haben Gerichte in England ein freies Ermessen, wem und ggf. welcher Teil der Kosten eines Verfahrens welcher Partei aufzubürden ist. Ergeht eine Entscheidung, in welcher das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass eine angegriffene gesetzliche Bestimmung nicht mit der EMRK vereinbar war, hat dies jedoch, wie gezeigt, keinen Einfluss auf das Ergebnis der Entscheidung, weshalb durchaus denkbar ist, dass das Gericht dem unterlegenen Kläger trotz des von ihm geltend gemachten – und vom Gericht festgestellten – Human Rights Act-Verstoßes die vollen Kosten des Verfahrens auferlegt; siehe zu diesem Problem und den verschiedenen Lösungsansätzen Wadham/ Mountfield/Gallagher, Blacktstone’s Guide to the Human Rights Act 1998, 5th ed. 2009, para. 6.3.3 sowie Clayton/Tomilson/Butler-Cole, Law of Human Rights, Bd. 1 2nd ed. 2009, para. 4.92 sowie para. 22.128. 2423 In dem Falle, dass ein JR-Verfahren vor dem UTangestrengt wird, für welches dieses keine Kompetenz hat, besteht für das UT die Pflicht zum Transfer dieses Verfahren an den High Court; siehe s.18 (3) TCEA 2007 c.15; Rowland, Tribunals, 2010, Summer, 2 (2ff). 2424 Siehe Senior President of Tribunals, Third Implementation Review, 2009 Annex B, para. 5.
Überprüfungsmechanismen und Instanzenzug
b)
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Abgeleitete Kompetenz des Upper Tribunal zum gesetzlichen »judicial review«
Neben der ausschließlichen Kompetenz des UT zur Durchführung des gesetzlichen »JR« besteht damit auch die Möglichkeit, dass der High Court bestimmte Verfahren, die nicht in der oben geschilderten Verordnung des Lord Chancellor genannt werden, an das UT verweist, die sich aus dem Senior Courts Act 1981 c.54 ergibt.2425 Voraussetzung dafür ist, dass alle anderen oben genannten Bedingungen für die Ausübung des »JR« durch das UT vorliegen, d. h. dass der Kläger einen der genannten Rechtsbehelfe erstrebt, keine Entscheidung des Crown Court berührt und das Verfahren von einem hochrangigen Richter betreut wird.2426 Als besondere Bedingung ist außerdem vorgesehen, dass die Entscheidung keine asylrechtlichen Fälle betrifft – ein Transfer der so wichtigen JR-Verfahren im Bereich Asylrecht ist damit bisher2427 ausgeschlossen. Liegt dieser Ausschlussgrund nicht vor und sind alle anderen Bedingungen gegeben, besteht auf Seiten des High Court ein Ermessen, ob der Transfer durchgeführt wird.2428 In der Praxis wurde offenbar bisher nicht allzu oft von den Möglichkeiten eines solchen Transfers Gebrauch gemacht;2429 wo dies getan wurde, handelte es sich stets um Fälle, in denen das UTaufgrund des dort vorhandenen, besonderen Expertenwissens für bestimmte Sachfragen besser zur Entscheidung geeignet war.2430 c)
Das Verfahren des Upper Tribunal im Rahmen eines gesetzlichen »judicial review«-Verfahrens
Für das UT anzuwendende Verfahren in Ausübung seiner (sowohl der ausschließlichen als auch der abgeleiteten) Kompetenz zum »JR« ist in s.16 TCEA 2425 Siehe s.31 A Senior Courts Act 1981 c.54, eingefügt durch s.19(1) TCEA 2007 c.15. 2426 Siehe zu den Bedingungen schon oben, bei Fn. 2399ff. 2427 Dies zunächst noch mit der Beschränkung, dass ein solcher Ermessenstransfer gegenwärtig dort nicht möglich ist, wo es um Fragen des Asyl- und Immigrationsrechts geht. Allerdings wird dies wohl nicht so bleiben; dazu siehe unten, Fn. 2452. 2428 Siehe s.31 A(3) Senior Courts Act 1981 c.54 bzw. s.19 TCEA 2007 c.15 ([…] »may by order transfer the application to the Upper Tribunal if it appears to the High Court just and convenient to do so.«) 2429 In 2009 gab es nur 5 solcher transferierten Verfahren; Rowland, Tribunals, 2010, Summer, 2 (5), der allerdings auch schon abzusehen meint, dass nach Inkrafttreten einer Gesetzesänderung (dazu siehe unten, bei Fn. 2452) sich die Zahl solcher Fälle erhöhen wird. 2430 Siehe die Beispiele für die bisher (2009) transferierten Fälle, die Fragen von SEN, child support und Steuerrecht betrafen bei Rowland, Tribunals, 2010, Summer, 2 (2 ff.). Insb. für den Bereich des Steuerrechts ist die Möglichkeit der TCC zur Entscheidung über »JR«Verfahren bei deren Transfer durch den High Court an das UT nochmals ausdrücklich in r.13(g)(ii), (iii) und (iv) Chambers Order, SI2010/2655 geregelt (siehe schon oben, bei Fn. 2396).
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
2007 c.15 sowie in Teil 4 der Verfahrensregeln des UT geregelt und in vielerlei Hinsicht ähnlich ausgestaltet wie das des High Court: s.16 TCEA 2007 c.15 schreibt zunächst auch für den Antrag auf »JR« vor dem UT die Gewährung einer permission vor,2431 für welche zwei ausdrückliche Fälle vorgeschrieben sind, in denen sie nicht gewährt werden soll,2432 wobei aus der konkreten Ausgestaltung teilweise geschlossen wird, dass die vom UT für die Gewährung der permission zu stellenden Anforderungen geringer seien als die des High Court.2433 Die in den Verfahrensregeln des UT aufgestellten Regelungen orientieren sich im Wesentlichen an den Verfahrensregeln in Teil 54 CPR, wenngleich sie diesen gegenüber an einigen Stellen Erleichterungen für den Kläger enthalten, etwa bezüglich der Klagefrist,2434 Verfahrensgebühren2435 und beizusteuernden Unterlagen.2436 Wie im High Court auch kann für gesetzliche »JR«-Verfahren vor dem UT Prozesskostenhilfe beantragt werden.2437 Einen Gleichlauf für Verfahren zwischen High Court und UT stellt der TCEA 2007 c.15 für den Rechtsbehelf der quashing order her : Diesbezüglich gibt s.17 TCEA 2007 c.15 dem UT die Möglichkeit eine überprüfte Entscheidung aufzuheben und entweder an die Ausgangsinstanz2438 zur Entscheidung zurückzuverweisen mit der Anordnung, die Entscheidung im Licht des Urteils des UT neu zu erlassen oder seine eigene Entscheidung an die Stelle der Ausgangsentscheidung zu setzen;2439 dies allerdings nur, wenn die 2431 Siehe s.16(2) TCEA 2007 c.15, der für Nordirland statt von »permission« noch von »leave« spricht. 2432 Siehe s.16(5) TCEA 2007 c.15, wonach das UT die»permission versagen kann, wenn es der Auffassung ist, dass der Antrag verspätet gestellt wurde oder wenn der beantragte Rechtsbehelf Rechte Dritter beeinträchtigen oder eine unerträgliche Härte für Dritte nach sich ziehen würde oder der Antrag schädlich für die gute Verwaltung wäre (»detrimental to good administration«). 2433 Siehe Mitchel, JR, 2010, 15(2), 112 (116, para.27), der dies darauf stützt, dass hier, wie auch in den CPR nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, dass die Klage Aussicht auf Erfolg haben muss. 2434 So gilt etwa grds. die gleiche Klagefrist wie in JR-Verfahren vor dem High Court (3 Monate), allerdings wird diese Frist automatisch verlängert, wenn eine Entscheidung des FtT angegriffen wird und dieses noch keine schriftliche Begründung vorgelegt hat; siehe s.28(3) UT-AAC Rules SI2008/2698. Außerdem hat das UTein Ermessen, die Klagefrist vor Eingehen der Klage (siehe r.5(3) UT-AAC Rules SI2008/2698) oder nachher (siehe r.28 (7) UT-AAC Rules SI2008/2698) zu verlängern. 2435 Für ein gesetzliches »JR«-Verfahren vor dem UT sind keine Verfahrensgebühren fällig; siehe Mitchel, JR, 2010, 15(2), 112 (115 f., para.25). 2436 Es ist nicht wie im High Court eine umfangreiche Klageschrift mit Anlagen zu erstellen, in denen auf die Textstellen von Normen und Präzedenzfällen verwiesen wird, auf die der Kläger seine Klage stützt; siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para 16 – 038; Mitchel, JR, 2010, 15(2), 112 (114, para.15). 2437 Mitchel, JR, 2010, 15(2), 112 (116, para.30). 2438 Also das FtT im Falle des »JR« einer prozessualen Entscheidung oder an die CICA im Falle eines criminal injuries compensation-»JR«. 2439 S.17(1)(b) TCEA 2007 c.15.
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Ausgangsinstanz ein tribunal oder gerichtsähnlicher Spruchkörper ist,2440 die Entscheidung aufgrund eines Rechtsfehlers aufgehoben wurde und statt dieser rechtsfehlerhaften Entscheidung nur eine einzige Alternativentscheidung rechtsfehlerfrei gewesen wäre.2441 Für den High Court gilt seit dem TCEA 2007 c.15 eine inhaltsgleiche Bestimmung.2442 Ein offensichtlicher Unterschied zwischen den beiden Verfahren von High Court und UT ist, dass für letzteres keine Bestimmungen für ein Eilverfahren bestehen.2443 Was den konkreten Ablauf des Verfahrens angeht, ist zunächst festzustellen, dass das UT nach dem Gesetz für alle Verfahren in England und Wales grds. die gleichen Verfahrensprinzipien anwenden muss wie der High Court.2444 Aus der wenigen, bisher zu einer vergleichbaren Kompetenz eines tribunal vorliegenden Rechtsprechung ergibt sich, dass tribunals, die die Verfahrensprinzipien des JR anwenden dürfen, dabei sehr eng an die von den Gerichten etablierten Verfahrensprinzipien gebunden sind und nicht etwa aufgrund ihrer speziellen Charakteristika als tribunal davon abweichen dürfen.2445 Fraglich ist, ob sich dies auch im Hinblick auf die gesetzlichen »JR«-Verfahren des UT aufrecht erhalten lassen wird, da für das UT sich schließlich aus der overriding objective ergibt, dass seine Verfahren für den Bürger besonders zugänglich sein müssen (accessible), was bedeuten könnte, dass hier tatsächlich eine Notwendigkeit für eine Adaptation und Modifikation der JR-Verfahren des High Court spricht;2446 es ist 2440 S.17(2)(a) TCEA 2007 c.15 »court or tribunal« – Entscheidungen der CICA fallen damit wohl heraus. 2441 S.17(2)(b) und (c) TCEA 2007 c.15. 2442 S.141 TCEA 2007 c.15, der s.31 Senior Courts Act 1981 c.54 entsprechend abändert; siehe auch Current Law – Statutes Annotated, Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007, 2008, S. 15/18. 2443 Ein Verfahren, wie es mit der »request for urgent consideration« beim High Court geschaffen wurde (dazu siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 18 – 010, besteht im UT nicht; siehe Mitchel, JR, 2010, 15(2), 112 (117, para.33). 2444 S.15(5)(a) TCEA 2007 c.15. Für Verfahren, die in Nord Irland begonnen werden, sind hingegen die Rechtsprinzipien anzuwenden, die der dortige High Court anwenden würde; siehe s.15(5)(b) TCEA 2007 c.15. 2445 Siehe die Entscheidungen des CoA in Office of Fair Trading v. IBA Healthcare Ltd [2004] ICR 1364 (1382 ff.) per Morritt V – C sowie British Sky Broadcasting Group plc v. Competition Commission [2010] EWCA Civ 2, para. 28 ff. per Llyod LJ zu einem gesetzlichen »JR«-Verfahren durch das Competition Appeal Tribunal: Dieses hatte entschieden, dass es die sonst im JR geltenden Verfahrensprinzipien abändern kann, weil es als spezialisierter Spruchkörper besondere Entscheidungen zu überprüfen hätte und daher andere Maßstäbe gelten müssten. Der CoA lehnte dies jedoch rundweg ab; siehe ferner Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1.135 und 6.6 sowie Mitchel, JR, 2010, 15(2), 112 (114, para.15); zur Frage der Bindung des UT an Präzedenzfälle des High Court im Rahmen einer abgeleiteten »JR«-Kompetenz siehe auch unten, VIII.A.2.b)(3), S. 491. 2446 Siehe auch Carnwath, PL 2009, 48 (55) und (58): »[T]here is an implicit assumption that court procedures will not necessarily provide the model. Accessibility and specialist ex-
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
etwa vorstellbar, dass das UT auch für Verfahren im »JR« eher amtsermittelnd agiert (enabling approach) als es der High Court im Rahmen des JR tun würde. d)
Zusammenfassung zum gesetzlichen »judicial review«
Noch haben die Möglichkeiten des UT zur Durchführung des gesetzlichen »JR« nur eine geringe Bedeutung, was vor allem an den wenigen Fällen liegt, in denen ein Transfer zwingend vorgeschrieben ist.2447 Praktisch ist der Anwendungsbereich des dem UT möglichen gesetzlichen »JR« gegenwärtig damit vor allem criminal injuries compensation-Fälle sowie auf solche Entscheidungen des FtT beschränkt, die verhindern, dass ein appeal möglich wird2448 und sonstige case management-Entscheidungen des FtT,2449 wobei letzteres wohl nur recht selten geschieht: Zwei der wenigen Beispiele dafür sind die Entscheidungen Dorset Healthcare Trust v MH2450 und R (RB) v. First-tier Tribunal.2451 Allerdings ist absehbar, dass eine anstehende Gesetzesänderung,2452 durch welche auch bestimmte, bisher besonders relevante Fälle aus dem Bereich des Asylrechts2453 in die ausschließliche Zuständigkeit des UT fallen werden, die Bedeutung des gesetzlichen »JR« durch das UT steigern wird.
2447 2448
2449 2450 2451 2452 2453
pertise are identified as specific objectives, and the Senior President is required to explore ›innovative‹ ways of determining disputes […] [I]t is possible to consider how the Upper Tribunal might develop a role which goes beyond the traditional limits of judicial review, as practised by the courts. Even if the jurisdiction of the Upper Tribunal is limited to appeals on points of law, there is scope for it to develop a more extensive supervisory role, which may cross traditional boundaries between law and fact as understood in the courts.« Bei Einführung der Verordnung durch den Lord Chancellor wurde angenommen, dass nicht mehr als 60 bis 70 Fälle im Jahr hierdurch zum UT transferiert werden würden; siehe Senior President of Tribunals, Second Implementation Review, 2008, para. 8. In allen gesetzlichen »JR«-Verfahren, in denen eine Entscheidung des FtT überprüft wird, ist dieses nominell als beklagte Partei zu beteiligen, auch wenn sich das tribunal in der Praxis so gut wie nie äußert; siehe Rowland, Tribunals, 2010, Summer, 2 (3). Entsprechend lautet auch hier wieder die Zitierweise etwa »R. (RB) v. First-tier Tribunal (Review) [2010] UKUT 160 (AAC)«. Außerdem muss das tribunal theoretisch sogar im Unterliegensfall die Verfahrenskosten tragen; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 6.23 m.w.N. Wie etwa die Nichtzulassung eines verspäteten appeal; siehe Mitchel, JR, 2010, 15(2), 112 (114, para.15). Dorset Healthcare NHS Foundation v. MH [2009] UKUT 4 (AAC). R. (RB) v. First-tier Tribunal (Review) [2010] UKUT 160 (AAC), die auch das komplizierte Zusammenwirken der Regelungen zum self review, excluded decisions, appeal und gesetzlichem »JR« deutlich macht; dazu siehe schon oben, bei Fn. 2403. Es handelt sich um s.53 Borders, Citizenship and Immigration Act 2009 c.11, durch die der Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit des UT für »JR«-Verfahren auch in den Bereich des Asyl- und Immigrationsrechts hinein erweitert wird. Die Fälle (»fresh claims«), die durch den Borders, Citizenship and Immigration Act 2009 c.29 dem UT übertragen werden müssten, machen gegenwärtig ca. 20 % der jetzigen JR-
Überprüfungsmechanismen und Instanzenzug
463
Der »JR« durch das UT hat im System des TCEA 2007 c.15 dabei offenbar eine zweigeteilte Rolle: Zum einen stellt er gewissermaßen ein Werkzeug zur Korrektur von Fehlentscheidungen innerhalb dieses Systems dar, wie die Entscheidung R (RB) v First-tier Tribunal2454 zeigt: Das UT kann ihn nutzen, um Entscheidungen des FtT, welche dazu führen, dass der weitere Weg einer Streitigkeit zur nächst höheren Instanz versperrt ist, zu korrigieren. Diese Spielart des gesetzlichen »JR« könnte man gewissermaßen als ›systeminternen gesetzlichen »JR«‹ bezeichnen, weil vor allem die Korrektur von Fehlern innerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15 genutzt werden kann.2455 Dabei ist jedoch zu beachten, dass der gesetzliche »JR« – genau wie der echte JR der ordentlichen Gerichte – gegenüber anderen Möglichkeiten der Abhilfe als subsidiär angesehen wird; so kann er etwa nicht gegen eine case management-Entscheidung eingelegt werden,2456 wie diese im Wege des appeal zum UT angreifbar ist.2457 Nutzbar ist er in jedem Fall, wo kein appeal-Recht besteht und zwar für alle
2454
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Verfahren des High Court aus; siehe Dunlop, JR, 2009, 14(4), 359 (359); siehe auch Mitchel, JR, 2010, 15(2), 112 (114, para.18). Siehe zur Entscheidung R. (RB) schon oben, bei Fn. 2163, 2403 und 2451 – da die Ausgangsentscheidung dort fälschlicherweise als self review erging, gegen den sich der Kläger nicht mehr im Wege des appeal wenden konnte (s.11(5)(c) TCEA 2007 c.15), war die Durchführung des gesetzlichen »JR« hier die einzige Möglichkeit, die Entscheidung dem UT vorzulegen. Die Kompetenz zur Ausübung dieses systematischen »JR« übt dabei grds. in erster Linie die AAC aus sowie – hinsichtlich steuerrechtlicher Entscheidungen der TC und charities cases der GRC – auch die TCC; siehe schon oben, bei Fn. 2396. In der Entscheidung LS v. London Borough of Lambeth (HB) [2010] UKUT 461 (AAC), para. 81 per Walker J/Turnbull J geht es um die Frage der Anwendbarkeit des gesetzlichen »JR« gegenüber dem appeal zum UT: Der Richter des FtT hatte einen vermeintlich verspätet eingelegten appeal eines Klägers nicht weiterführen wollen (»strike-out« gem. r.8 (2)(a) SEC-Rules, SI2008/2685; siehe oben, bei Fn. 1953), da der appeal der Klägerin der Auffassung des FtT nach verspätet war und dadurch das FtT keine jurisdiction für die Behandlung des weiteren Verfahrens hatte. Die Frage, die sich sodann im folgenden Verfahrensverlauf stellte, war, ob diese Entscheidung als solche überhaupt im Wege des appeal angreifbar war oder – wie die Beklagtenseite vertrat – gar keine Entscheidung in diesem Sinne darstelle und deshalb allenfalls zum Gegenstand eines »JR« gemacht werden könnte. Die Richter bejahten jedoch die Zulässigkeit des appeal anstatt die des gesetzlichen »JR« (para. 97). Dies ist allerdings nicht der Fall, wo eine case management-Entscheidung einen Anteil enthält, der eine excluded decision darstellt; diese Kombination ist Gegenstand der Entscheidung Information Commissioner v. PS [2011] UKUT 94 (AAC): Dort hatte das UT über die Entscheidung des FtT zu befinden, einen verspätet eingelegten appeal zuzulassen, wogegen sich der Beklagte – im Lichte der Unsicherheiten in der oben, Fn. 2456 dargestellten Entscheidung LS, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht ergangen war – im Wege des appeal und des gesetzlichen »JR« wandte. Das UT ließ ersteren hinsichtlich der eigentlichen Entscheidung, den appeal zuzulassen (die Zulassungsentscheidung), zu und versagte den »JR«, ließ diesen jedoch insoweit zu, als dass er sich gegen die Entscheidung des FtT richtete, den self review der Zulassungsentscheidung nicht durchzuführen, da dieser als excluded decision gar nicht Gegenstand des appeal sein könne. Letztlich wies es jedoch beide Klagen ab.
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Verfahrensbeteiligten – also etwa auch für einen Zeugen, der sich gegen seine Ladung wehren will.2458 Auf der anderen Seite ist der »JR« durch das UTmit in einige jener besonderen Routen eingebunden, die das materielle Recht für bestimmte Fragen durch das System von FtT und UT vorzeichnet – so etwa für die ausdrücklich geregelten criminal injuries-Fälle.2459 Dieser letzte Typ von »JR« hat damit nichts mit der Funktionsweise des Systems selbst zu tun und könnte daher als ›materiellrechtlicher »JR«‹ bezeichnet werden, der wohl durch die Veränderungen im Bereich des Asylrechts in der nächsten Zeit erheblich an Bedeutung zunehmen wird.
4.
Zwischenfazit zu den Überprüfungsmechanismen und dem Instanzenzug
Wie gezeigt, bestehen innerhalb des heutigen Systems des TCEA 2007 c.15 verschiedene Mechanismen, mittels derer Rechtsfragen auf verschiedenen Ebenen dieses Systems geleitet und dort behandelt werden können. Im Gegensatz zum früheren Wirrwarr von appeal-Möglichkeiten ergeben diese heute ein einigermaßen übersichtliches Bild unterschiedlicher Routen, auf denen eine Streitigkeit bzw. eine darin enthaltene Rechtsfrage durch das System hindurch geschleust wird: Die Einzelmechanismen – self review, appeal, gesetzlicher »JR« – eröffnen den jeweiligen Instanzen jene Weichenstellungen, um eine Streitigkeit letztlich auf die Ebene des Systems gelangen zu lassen, wo sie entsprechend dem Schwierigkeitsgrad der von ihr aufgeworfenen (Rechts-)Fragen entschieden werden kann – letztlich ganz im Sinne der Vorstellung des Gesetzgebers von einer proportionate dispute resolution. Fehler, die sich im Alltagsbetrieb der tribunals einschleichen – wie Rechtschreib-, Rechen-, oder andere Flüchtigkeitsfehler – können im Wege des self review jederzeit auf jeder der beiden Ebenen behoben werden.2460 Diese Kompetenz ist dabei der Korrektur »offenbarer Unrichtigkeiten« im deutschen (Verwaltungs-) Prozessrecht vergleichbar.2461 2458 Siehe die Ausführungen des UT in CB v. Suffolk County Council [2010] UKUT 413 (AAC), para. 26 ff. Dort merkten die Richter an, dass einem Zeugen, der – da keine Verfahrenspartei im Sinne des TCEA 2007 c.15 f – sich gegen seine Vorladung nicht im Wege des appeal an das UT wenden könne, die Beantragung des gesetzlichen »JR« offen stehe, um sich gegen seine Ladung zu wehren. 2459 Siehe oben, VII.G.3.a)(1), S. 455. 2460 Siehe oben, bei Fn. 2136 und 2151. 2461 Siehe oben, bei Fn. 2127.
Überprüfungsmechanismen und Instanzenzug
465
Für die Behandlung von Rechtsfehlern des FtT2462 hingegen nimmt der self review seiner Funktion nach gewissermaßen die Form eines Vorverfahrens, vergleichbar dem nach §§ 68 ff. VwGO, an: Das FtT hat die Möglichkeit, die eigene Entscheidung nochmals zu überprüfen und ggf. vollständig aufzuheben bzw. deren Begründung abzuändern – zumindest, wenn sich ein Fehler findet, der so offensichtlich ist, dass sich sein Vorliegen ohne großen Aufwand begründen lässt.2463 Da der self review praktisch mit dem permission-Verfahren zusammenfällt, schließt sich an die Entscheidung des FtT, der Beschwer im Rahmen des self review nicht abzuhelfen, eine weitere Überprüfung durch das UT – gewissermaßen als »Widerspruchsbehörde« – an.2464 Werden der Rechtsfehler sowie die notwendigen Maßnahmen zu seiner Behebung bereits vom FtT selbst erkannt, bleibt es beim self review, ohne dass es zu einem Devolutiveffekt kommt.2465 Erkennt das FtTeinen Rechtsfehler in seiner Entscheidung, sieht sich aber außerstande, die dadurch aufgeworfenen Rechtsfragen selbst zu entscheiden, kann es seine eigene Entscheidung aufheben und das Verfahren direkt an das UT weiterleiten.2466 Hält das FtT seine Entscheidung nicht für rechtsfehlerhaft, meint aber dennoch, dass sie eine wichtige Rechtsfrage enthält, die weiterer Erörterungen und einer Entscheidung durch eine höhere Stelle bedarf, kann es dies durch Gewährung der permission to appeal erreichen. Geschieht dies nicht, kann das UT diese Rechtsfrage durch Gewährung der permission to appeal zu sich selbst vordringen lassen. Bleibt eine Streitigkeit und damit eine schwierige Rechtsfrage auf der Ebene einer der Filter – aus welchen Gründen auch immer – »stecken«, steht dem UT mit dem gesetzlichen, ›systematischen »JR«‹ ein systemimmanenter Korrekturbehelf zur Verfügung.2467 Leider wird der Eindruck dieses Grundgerüsts durch viele sachbereichsspezifische Ausnahmen durchbrochen, die so manche Entscheidungen als excluded decisions von einer Überprüfung ausschließen bzw. für diese eine besondere Route durch das System vorzeichnen.2468 Betrachtet man nun eine hypothetische Streitigkeit, welche die normale »Route« dieses Instanzenzuges innerhalb des Systems aus FtT und UT mit ihren vielen Weichen und Filtern durchlaufen hat, ist festzustellen, dass diese theo2462 2463 2464 2465 2466 2467 2468
Siehe oben, bei Fn. 2153. Siehe oben, bei Fn. 2164. Siehe oben, bei Fn. 2152 und 2205. Siehe oben, bei Fn. 2138 und 2142. Siehe oben, bei Fn. 2139ff. Siehe oben, bei Fn. 2454. Siehe zur gesonderten Behandlung etwa der criminal injuries-Fälle im Wege des gesetzlichen »JR« statt des sonst üblichen appeal oben, bei Fn. 2369 und 2408.
466
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
retisch bereits fünf mal einer (Selbst-)Prüfung innerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15 unterzogen werden konnte,2469 bevor sie das erste Mal vor den Richter eines ordentlichen Gerichts gelangt. Festzustellen ist allerdings auch, dass für jede der Weichenstellungen, die das Fortkommen eines Verfahrens innerhalb des Systems ermöglichen, das Vorliegen einer question of law notwendig ist. Aufgrund der Unklarheit über die Abgrenzung von fact und law hat dies in der Praxis zur Folge, dass rechtlich vertretene Parteien große Anstrengungen unternehmen, Tatsachenfragen als Rechtsfragen darzustellen und so deren Überprüfung durch die höhere Instanz herbeizuführen,2470 wohingegen nicht anwaltlich vertretene Laien kaum in der Lage sind, die Anforderungen, die die Geltendmachung einer question of law von ihnen verlangt, überhaupt zu verstehen.2471 So oder so, vor allem aber bei den nicht juristisch vertretenen Parteien liegt große Verantwortung beim tribunal selbst, ggf. vorhandene Rechtsprobleme in einer ihm zur Entscheidung vorgelegten Streitigkeit zu identifizieren und darauf jeweils angemessen zu reagieren: Erkennt es einen Rechtsfehler als solchen nicht, besteht zum einen die Gefahr einer Fehlentscheidung im individuellen Verfahren, zum anderen aber auch die, dass eine Chance zur Klärung eines gravierenden Rechtsproblems auf einer dessen Schwierigkeitsgrad angemessenen Hierarchieebene vertan wird. Dies wird zu berücksichtigen sein bei der Beantwortung der Frage, welche Rolle der JR durch den High Court in diesem System spielen bzw. wie er zur Funktionsweise dieses Systems beitragen kann. Ferner sei in diesem Zusammenhang noch einmal die richterliche Selbstbeschränkung in Folge der Entscheidung Cooke in Erinnerung gerufen, welche die Gerichte bisher veranlasste, im Vertrauen auf das Sach- und Rechtswissen insb. zweitinstanzlicher tribunals ihre eigenen Prüfungstätigkeiten weitgehend zurückzunehmen. Dieses Vertrauen wurde bisher den jeweiligen Einzeltribunals entgegengebracht; es stellt sich allerdings mittlerweile die Frage, ob dieses Vertrauen der Gerichte auch dem
2469 Diese Prüfungsschritte sind: Ausgangsentscheidung FtT – Beantragung der permission to appeal zum first appeal bei FtTund dadurch eingeleiteter self review mit Überprüfung der eigenen Entscheidung des FtT, idR durch Einzelrichter – im Falle der Ablehnung der Abhilfe im self review und Versagung der permission to appeal durch FtT permissionVerfahren beim UT idR durch Einzelrichter – Überprüfung der Ausgangsentscheidung des FtT durch das UT, idR durch Kollegialorgan – nach Scheitern des appeal Beantragung des second appeal zum CoA beim UT und dadurch eingeleiteter self review des UT, idR durch Kollegialorgan. Das erste Mal, dass diese Streitigkeit dem Richter eines ordentlichen Gerichts vorgelegt würde, wäre damit die Beantragung der permission für den second appeal beim CoA. 2470 Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.244 f. 2471 Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 4.244 f.
Rechtliche Vertretung und anderweitige Unterstützung in Tribunalsverfahren
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UT entgegengebracht werden wird. All dem soll an anderer Stelle weiter nachgegangen werden.2472
H.
Rechtliche Vertretung und anderweitige Unterstützung in Tribunalsverfahren
Wie bereits angedeutet ist es vor tribunals – trotz deren Beschäftigung mit mitunter äußerst komplexen rechtlichen Fragen – nicht unüblich, dass die Mitglieder des tribunal selbst die einzige Quelle juristischen Sachverstands in den Verfahren sind, weil eine oder beide Verfahrensparteien nicht rechtlich vertreten werden. Auch die modernen tribunals sind darauf angelegt, selbst den benötigten Sachverstand zur Verfügung zu stellen: Der Leggatt Review hatte gefordert, dass tribunals »accessible« sein sollen und verstand darunter vor allem, dass tribunals einem Kläger grds. ermöglichen sollten, das Verfahren ohne Einschaltung eines Rechtsbeistandes einzuleiten und durchzuführen;2473 dies sollte dadurch gewährleistet sein, dass tribunals in ihren Verfahren dem enabling approach2474 folgen sowie frei zugängliche und verständliche Informationen über das Tribunalsverfahren anbieten sollten.2475 Auch das White Paper hielt es nicht für notwendig oder wünschenswert, dass rechtliche Unterstützung für den Bürger, bezahlt vom Steuerzahler, stets erlangbar sei.2476 Während bei Verfahren in den ordentlichen Gerichten2477 regelmäßig die Einschaltung eines professionellen Rechtsbeistandes, also eines solicitor und – im Falle eines Verfahrens vor dem High Court – auch noch eines barrister, in aller
2472 2473 2474 2475
Dazu siehe im Einzelnen unten, VIII.C.6.c)(1), S. 536. Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, Overview, para. 7 sowie para. 1.11. Zum enabling approach siehe schon oben, VII.E.2., S. 399. »A combination of good quality information and advice, effective procedures and well conducted hearings, and competent and well-trained tribunal members should go a very long way to helping the vast majority of appellants to understand and put their cases properly themselves.« Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 4.21. 2476 »Full-scale legal representation at the taxpayer’s expense in every administrative dispute or tribunal case would be disproportionate and unreasonable«. Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 10, S. 48. Allerdings waren die Schlussfolgerungen des White Paper aus dieser Aussage weitergehend als die des Leggatt Review, der sich in seinen Forderungen ja nur auf tribunals bezog; das White Paper hingegen forderte Konsequenzen für das gesamte System von administrative justice; siehe zum Ganzen auch Thompson, Current Developments in the UK, in: Adler (Hrsg.), Administrative Justice in Context 2010 S. 481 (492 ff.). 2477 Abgesehen vielleicht von den Verfahren in den untersten Instanzen, also etwa den small claims in den county courts oder einfachsten Strafverfahren – etwa wegen Verkehrsvergehen – bei den Magistrates’ Courts; siehe Gillespie, English Legal System, 2nd ed. 2009, para. 15.3.2.
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Regel für notwendig erachtet wird,2478 ist es in Verfahren der tribunals in einigen Bereichen nicht unüblich und geschieht auch etwa in der Hälfte aller Fälle,2479 dass der Kläger nicht oder zumindest nicht durch einen professionellen Juristen vertreten ist.2480 Bis in die 1950er Jahre hinein war die Einschaltung professioneller Juristen in manchen Tribunalsverfahren sogar verboten.2481 Die Einschaltung unterstützender Dritter in ein Verfahren ist dabei heute weniger streng reglementiert als bei den ordentlichen Gerichten; sowohl auf Seiten des Bürgers – aber teilweise auch auf Seiten der beklagten Behörde2482 – werden daher Vertreter und Unterstützer der Parteien eingeschaltet, die über keine oder nur eine rudimentäre rechtliche Qualifikation verfügen.
1.
Dritte, die auf Seiten des Bürgers mitwirken
Der Bürger kann sich vor einem tribunal grds. von jeder Person auf jede Art und Weise unterstützen lassen: Es werden dabei im Wesentlichen drei verschiedene Kategorien von unterstützenden Personen differenziert2483 : – representatives, also Unterstützung durch einen Vertreter, der zur Vornahme relevanter Prozesshandlungen namens und mit Wirkung für die Prozesspartei befugt ist; – assistants, d. h. Unterstützung durch nicht rechtlich ausgebildete Personen,
2478 Gillespie, English Legal System, 2nd ed. 2009, para. 15.3.2. 2479 Siehe Harlow/Rawlings, Law and Administration, 3rd ed. 2009, S. 493, allerdings ohne weitere Nachweise. Soweit ersichtlich gibt es keine aktuellen Statistiken oder empirische Befunde über die Zahlen von Klägern ohne rechtlich qualifizierten Beistand in der Struktur des TCEA 2007 c.15. Die oben, Fn. 2073, genannte Untersuchung von Adler untersuchte jedoch tribunals, in denen die Verteilung repräsentierter und unrepräsentierter Kläger bei etwa 50:50 lag; sie bezog sich auf Criminal Injuries Compensation Appeal Panels, Social Security and Child Support Tribunals und Special Educational Needs and Disability Tribunals. 2480 Zum Komplex unrepräsentierter Kläger vor tribunals existiert eine Vielzahl empirischer Untersuchungen für den Zeitraum von 1992 – 2007, also vor Einführung des TCEA 2007 c.15; diese sind in einem Überblick zusammengefasst bei Partington/Kirton-Darling/ McClenaghan, Empirical Research on Tribunals, 2007. 2481 Dabei handelte es sich zwar nicht um die Regel bei allen tribunals, jedoch bestand dieser Anwaltsbann bei den praktisch wichtigsten tribunals, etwa den NILTs (zu diesen schon oben, bei Fn. 972). Zwar konnten die jeweiligen Tribunalsvorsitzenden eine Befreiung von diesem Anwaltsbann erteilen, dies geschah jedoch so gut wie niemals (in 2 % aller Fälle); siehe Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, para. 173; siehe zum ganzen Themenbereich der rechtlichen und sonstigen Vertretung der Verfahrensparteien vor tribunals die umfassenden Darstellungen bei Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 391 ff. 2482 Siehe zu deren Vertretern unten VII.H.2., S. 474. 2483 Siehe zum Ganzen Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 9.1 ff.
Rechtliche Vertretung und anderweitige Unterstützung in Tribunalsverfahren
469
die die Partei rein praktisch unterstützen2484 ihren Fall zu präsentieren, auch McKenzie friend genannt,2485 sowie – companions, d. h. Personen, deren Anwesenheit in einer Anhörung lediglich eine mentale Unterstützung darstellt und zur Entspannung der Situation beitragen soll.2486 Ein representative wird in aller Regel, jedoch nicht notwendigerweise, über eine rechtliche oder sonstige Qualifikation verfügen, diesbezüglich bestehen in den meisten Zuständigkeitsbereichen der tribunals keine Beschränkungen.2487 Die Kategorisierung von representative, assistant und companion ist jedoch auch nur von begrenztem praktischem Wert; denn das tribunal hat etwa in der mündlichen Verhandlung ein weites Ermessen hinsichtlich der Zulassung von Unterstützung für die Parteien, so dass eine unterstützende Person auch kurzfristig in eine andere Rolle geraten kann.2488 In der Praxis ist es deshalb möglich, dass alle drei Rollen zugleich von ein- und derselben Person ausgeübt werden.2489 Etwas anderes gilt für die Bereiche des Unterbringungs- und des Asylrechts: Zwar kann sich auch in mental health-Fällen der Patient grds. – d. h. sofern er in der Lage ist, dies eigenständig zu entscheiden – selbst vertreten; lässt sein geistiger Zustand dies jedoch nicht zu oder lässt er irgendwie erkennen, dass er rechtliche Vertretung wünscht, kann ihm das tribunal von Amts wegen einen Rechtsbeistand zuordnen.2490 Für das Asylrecht hingegen gilt, dass von vorn2484 Also etwa durch Hilfe bei der sprachlichen Formulierung von Anträgen (insb. wichtig in asylrechtlichen Verfahren), durch Verständnishilfen, als »Gedächtnisstütze« und ähnliches. 2485 Siehe die Entscheidung des CoA R. v. Leicester City Justices Ex p. Barrow [1991] 2 QB 260; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 9.3. 2486 Obwohl diese Parteien keine aktive Rolle in einer Verhandlung spielen, erfüllen sie doch eine wichtige Funktion, da sie zu einer entspannteren Atmosphäre und zum rein subjektiven Wohlbefinden der Beteiligten beitragen, was die Informalität der Verhandlung fördert und damit dem enabling approach dient; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 9.1 ff. 2487 »Limited rights of audience« wie sie etwa in Gerichtsverfahren gelten, bestehen hier grds. nicht; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 9.4; Ausnahme sind asylrechtliche Fälle im UT, bei denen als Vertreter nur bestimmte, rechtlich qualifizierte Personen zugelassen werden; siehe r.9(1) und (9) UT-Rules, SI2008/2698; auf die besondere Qualifikation von Vertretern in asylrechtlichen Fällen wird an anderer Stelle noch näher eingegangen; siehe unten, bei Fn. 2491. 2488 Siehe etwa r.11(5) UT-Rules, SI2008/2698, nach der ein companion zum assistant werden kann, wenn das tribunal dies gewährt; siehe auch r.11(7) SEC-Rules SI2008/2685; r.11(5) GRC-Rules, SI2009/1976; r.11(5) TC-Rules, SI2009/273; r.11(6) WPAFCC-Rules SI2008/ 2686; r.11(5) UTLC-Rules SI2010/2600. 2489 Siehe etwa die Entscheidung R(G) 1/93, in der ein- und dieselbe Person als representative, Übersetzer und Zeuge diente; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 9.1 ff. 2490 Siehe r.11(7) HESCC-Rules, SI2008/2966. Ist der Patient zwar grds. in der Lage zu äußern,
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Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
herein nur solche Personen als representative zugelassen werden können, die als Immigration Service Provider nach s.84 Immigration and Asylum Act 1999 c.33 zugelassen sind.2491
a)
Möglichkeiten eines rechtlichen Vertreters (representative)
Welche Möglichkeiten der rechtliche Vertreter in einem Verfahren haben soll, kann grds. von der Partei bestimmt werden, nämlich indem sie die Ernennung des Vertreters dem tribunal anzeigt oder nicht:2492 Wird die Einschaltung eines representative dem tribunal angezeigt, wird dieser von Beginn an vollumfänglich in das Verfahren einbezogen, erhält also etwa alle Korrespondenz in dem Verfahren zugesandt, die sonst an den Kläger direkt gegangen wäre,2493 und er hat die Möglichkeit, sämtliche Prozesshandlungen für den Kläger vorzunehmen.2494 Geschieht dies nicht, kann eine Person als representative nur in der mündlichen Verhandlung auftreten, sofern das tribunal dies gestattet.2495 Unabhängig von ihrer jeweiligen Rolle sind alle Personen, die auf Seiten einer Partei im Prozess agieren – wie auch die Parteien selbst – darauf verpflichtet, das tribunal bei der Verwirklichung der overriding objective zu unterstützen.2496 Die
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dass er eine andere Person als representative benennen möchte, kann es sich dabei nicht um eine Person handeln, die ihrerseits mental health-Patient ist oder einer anderweitigen Betreuung- oder Unterbringungsmaßnahme unterworfen ist; siehe r.11(8) HESCC-Rules, SI2008/2966. Siehe r.11(1) UT-Rules, SI2008/2698 sowie r.48(1) IAC-Rules SI2005/230. Es muss sich dabei um Personen handeln, die auf Level 3 beim Office of Immigration Service Providers registriert sind; siehe zu den Anforderungen an eine solchermaßen registrierte Person OISC, Guidance on Competence – OISC Level 3, 2011; zum System der Regulierung der Immigration Service Provider insgesamt siehe schon oben, V.B.5.d)(2), S. 276. siehe r.11(9) UT-Rules, SI2008/2698; r.11(3) HESC-Rules SI2008/2699; r.11(3) SEC-Rules SI2008/2685; r.11(7) TC-Rules, SI2009/273; r.11(3) WPAFCC-Rules SI2008/2686; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 9.9. Einzig in den Verfahrensregeln der IAC-Rules finden sich (noch) keine solche Regelungen. Siehe r.11(4) UT-Rules, SI2008/2698; r.11(4) UTLC-Rules, SI2010/2600; r.11(4) GRCRules, 2009/1976; r.11(4) GRC-Rules, 2009/1976; r.11(6) SEC-Rules, SI2008/2685; r.11(4) HESCC-Rules SI2008/2699; r.11(5) WPAFCC-Rules SI2008/2686. Mit Ausnahme der Unterzeichnung einer Zeugenaussage; siehe etwa r.11(3) und (4) UTRules, SI2008/2698; r.11(1), (2) und (3) UTLC-Rules, SI2010/2600; r.11(1), (2) und (3) TCRules, SI2009/273; r.11(1), (2) und (4) SEC-Rules, SI2008/2685; r.11(1), (2) und (3) GRCRules, 2009/1976, allerdings mit einer weiteren, spezifischen Ausnahme; r.11(1), (2) und (3) HESCC-Rules, SI2008/2966, mit einer weiteren Ausnahme. Siehe r.11(5) UT-Rules, SI2008/2698; r.11(5) UTLC-Rules, SI2010/2600; r.11(5) GRCRules, 2009/1976; r.11(5) TC-Rules, SI2009/273; r.11(7) SEC-Rules, SI2008/2685; r.11(5) HESCC-Rules, SI2008/2966; r.11(6) WPAFCC-Rules, SI2008/2686. Ob diese Regelung nur für »representatives« und »assistants« gilt oder auch für companions ist dabei unklar ; siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 9.12. Siehe hierzu bereits oben, VII.C., S. 387, sowie Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 9.16.
Rechtliche Vertretung und anderweitige Unterstützung in Tribunalsverfahren
471
Kontrollmöglichkeiten eines tribunal zur Einflussnahme auf einen Parteivertreter sind recht begrenzt2497: Ausdrücklich geregelt ist lediglich die Kompetenz zur Verhängung von wasted costs.2498 Aus dem allgemeinen Ermessen des tribunal zur Gestaltung seines Verfahrens und aus der bisherigen Rechtsprechung ergeben sich jedoch verschiedene weitere Möglichkeiten der Kontrolle über das Verhalten der Parteivertreter ; dies umfasst etwa die Erteilung bestimmter Auflagen für die weitere Präsentation eines Falles2499 und – wenn wohl auch nur in extremen Fällen – bei deren Missachtung die Ahndung solchen Verhaltens als contempt.2500 Geschieht das Verhalten des Prozessvertreters ersichtlich mit Einverständnis der Vertretenen, besteht auch die Möglichkeit zum striking out.2501
2497 Anders als die Möglichkeiten der ordentlichen Gerichte zur Kontrolle über das Verhalten von Parteivertretern: Diese sind nicht ausdrücklich geregelt und daher im Grunde völlig unbestimmt; siehe hierzu Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 9.21 ff., mit Verweis auf die Entscheidungen L (Minors) (Care Proceedings: Solicitors) [2001] 1 WLR 100 sowie Geveran Trading Co Ltd v. Skjevesland, [2003] 1 WLR 912, in denen jeweils der Ausschluss verfahrensbeteiligter Anwälte aufgrund von deren persönlicher Beziehung zur Gegenpartei Gegenstand war. 2498 Dazu siehe schon oben, Fn. 2023. Für Verfahren der SEC und der WPAFCC ist selbst diese Möglichkeit nicht vorgesehen. Nach der Definition von s.29(6) TCEA allerdings werden mit dem Begriff »legal or other representative« lediglich solche Personen, welche Verfahrenshandlungen für die Partei vornehmen können, bezeichnet; damit dürften nur solche representatives gemeint sein, die als Vertreter der Partei dem tribunal gegenüber ausdrücklich als solche benannt sind (also etwa keine »companions«). Ergeht nach dieser Vorschrift für den representative eine Anordnung zur (ggf. teilweisen) Leistung der Verfahrenskosten, haftet dieser hierfür persönlich. Die Anordnung kann dabei auf Antrag der Gegenseite oder von Amts wegen erlassen werden; siehe etwa r.10(3) HESCC-Rules, SI2008/2966 oder r.10(2) GRC-Rules, 2009/1976. Dabei sind im Rahmen eines solchen Verfahrens der Adressat der Anordnung zu hören und ggf. auch seine finanziellen Verhältnisse in der Entscheidung zu berücksichtigen; siehe r.10(6) HESCC-Rules, SI2008/ 2966. 2499 Das tribunal kann etwa irrelevante Ausführungen oder Befragungen des Vertreters unterbinden und weitere Äußerungen zu einem bestimmten Punkt untersagen. Jedoch kann es einen representative nicht gänzlich vom Verfahren ausschließen; so zumindest die Entscheidung Bache v. Essex County Council [2000] 2 All ER 847; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 9.19. 2500 Siehe die Ausführungen in der Entscheidung Bennet v. Southwark London Borough Council [2002] ICR 881, para. 17 ff. per Sedley LJ; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 9.20.); siehe zum contempt of court insgesamt unten VIII.A.1., S. 478. 2501 Siehe Bache v. Essex County Council [2000] 2 All ER 847 (853), per Gibson LJ.
472 b)
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Prozesskostenhilfe und Effekt der Mitwirkung eines professionellen Rechtsbeistandes
Staatliche Prozesskostenhilfe (legal aid)2502 wird für die Durchführung von Tribunalsverfahren nicht generell gewährt, sondern ist nur in einigen Bereichen nach den generellen Regeln des Access to Justice Act 1999 c.222503 oder aufgrund einzelner Gesetze verfügbar.2504 So kann der Kläger etwa in den Bereichen Asylrecht, Unterbringungsrecht und vulnerable persons Prozesskostenhilfe erlangen.2505 Für alle anderen Fälle besteht dagegen eine Vielzahl von Unterstützungsangeboten für Personen, die, statt ein Verfahren vollständig von einem Juristen betreuen zu lassen, nur vereinzelt Rat und Hilfe in Anspruch nehmen wollen, wie etwa kostenlose Telefonhotlines oder lokale Community Legal Advice Centres2506 sowie verschiedene, gemeinnützige Organisationen, die rechtliche Hilfe anbieten und die insb. im Bereich des Sozialrechts von großer Bedeutung sind.2507 2502 Das Regime der Prozesskostenhilfe in England regelt sich im Wesentlichen nach dem Access to Justice Act 1999 c.22, durch welche die »Legal Services Commission« geschaffen wurde, der wiederum die Unterhaltung des »Community Legal Service« obliegt; siehe s.4 Access to Justice Act 1999 c.22. Dessen Aufgabe ist unter anderem die Bereitstellung von Rechtsbeiständen in Verfahren bzw. Prozesskostenhilfe in zivilrechtlichen Streitigkeiten; daneben untersteht der Legal Services Commission noch der »Criminal Defence Service«, der für Rechtsbeistand in strafrechtlichen Sachen sorgt; siehe zum Ganzen Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 330 sowie Halsbury’s Laws of England, Bd. 65, 5th ed. 2008, para. 1 ff.; aus para. 41 ff. dort ergeben sich die Situationen, in denen »legal aid« verfügbar ist. Eine Übernahme der Kosten rechtlicher Vertretung ist grds. möglich in Verfahren vor allen höheren ordentlichen Gerichten (Supreme Court, CoA, High Court, county court) sowie in bestimmten Verfahren vor dem Crown Court und dem Magistrates’ Court. 2503 Nach den Regelungen des Acccess to Justice Act 1999 c.22 kann Prozesskostenhilfe innerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15 erlangt werden für Verfahren im Bereich mental health, Asylrecht und vulnerable persons; daneben werden Rechtsbeistände auch in einigen wenigen Verfahren außerhalb der Struktur finanziert, etwa vor dem Employment Appeal Tribunal der SIAC und der POAC; siehe zu den einzelnen Leistungen The Community Legal Service (Funding) Order 2007, SI2007/2441; siehe zum Ganzen Halsbury’s Laws of England, Bd. 65, 5th ed. 2008, para. 41. 2504 So gibt es etwa Möglichkeiten zur Erlangung von rechtlicher Unterstützung in den Verfahren nach s.134 Financial Services and Markets Act 2000 c.8; eine Bestimmung, die den Lord Chancellor zur Regelung von juristischer Unterstützung ermächtigt, findet sich auch in s.148 Gambling Act 2005 c.19, von der allerdings soweit ersichtlich bisher kein Gebrauch gemacht wurde. Vereinzelte Regelungen zur Ermöglichung rechtlichen Beistands finden sich auch für den Bereich der Streitigkeiten, die vor den LVTs verhandelt werden können; siehe zum Ganzen Halsbury’s Laws of England, Bd. 65, 5th ed. 2008, para. 8 ff. 2505 Gillespie, English Legal System, 2nd ed. 2009, S. 502 f. 2506 Diese werden von der Legal Services Commission betrieben in Zusammenarbeit mit Städten und Gemeinden im ganzen Land; siehe hierzu Halsbury’s Laws of England, Bd. 65, 5th ed. 2008, para. 35 f. 2507 Es existieren ca. 700 sog. »Citizens’ Advice Bureaux« im ganzen Land, die kostenlos
Rechtliche Vertretung und anderweitige Unterstützung in Tribunalsverfahren
473
Wohl auch aus diesem Grund wird die generelle Einführung von Prozesskostenhilfe teilweise nicht für notwendig oder sinnvoll gehalten – es wird stattdessen angeführt, die Einschaltung eines Juristen würde die Verfahren der tribunals lediglich verteuern, verlängern und verkomplizieren, was mit dem eigentlichen Zweck von tribunals als leicht zugänglichem Mittel der Streitentscheidung nicht vereinbar wäre.2508 Auch der Leggatt Review hatte sich gegen eine generelle Gewährung von Prozesskostenhilfe in tribunals ausgesprochen.2509 Erstaunlicherweise hat sich mittlerweile erwiesen, dass diese, auf den ersten Blick fragwürdig scheinende Einstellung gegenüber dem Wert von Prozesskostenhilfe sich praktisch nicht unbedingt zu Lasten des Bürgers auswirken muss: Ältere rechtssoziologische Studien hatten noch deutlich gezeigt, dass sich die Erfolgsaussichten eines Klägers vor einem tribunal signifikant erhöhen, wenn er die Hilfe eines professionellen rechtlichen Beistands in Anspruch nimmt.2510 Dies hat sich jedoch heute zumindest insoweit verändert, als dass sich nun nur eine rechtliche Vertretung in der Phase der Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung – also etwa durch Erstellung von Schriftsätzen – so positiv auf die Erfolgsaussichten des Klägers auswirkt, dass das Auftreten eines Rechtsbeistandes in einer mündlichen Verhandlung demgegenüber offenbar keinen so großen, positiven Einfluss mehr auf die Erfolgsaussichten hat – zumindest in den praktisch besonders wichtigen tribunals, die ohnehin eher inquisitorisch verfahren.2511 Dies wird als Indiz dafür gewertet, dass eine inquisitorische Verfahrensweise tatsächlich geeignet ist – ganz im Sinne des enabling approach – die Defizite unrepräsentierter Parteien auszugleichen; Parteien, die hingegen ganz ohne irgendeine Form rechtlichen Beistands auskommen müssen, haben nach wie vor schlechtere Chancen.2512
2508 2509 2510 2511 2512
Rechtsrat erteilen. Diese Gremien haben dabei nicht nur eine, den deutschen Verbraucherzentralen vergleichbare Rolle (beraten also in Fragen des allgemeinen Verbraucherrechts), sondern sind insb. für den Bereich des Sozialrechts ansprechbar ; siehe zum Ganzen Elliott/Quinn, English Legal System, 10th 2009, S. 338. So etwa Bailey/Gunn/Smith, Smith, Bailey and Gunn on the modern English legal system, 4th ed. 2002, S. 1077. Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 4.21. Dies zeigt etwa die mittlerweile über 20 Jahre alte Studie von Genn/Genn, The Effectiveness of Representation in Tribunals, 1989, Ch. 7; siehe auch Mullen, MLR 1990, 53(2), 230 (230 ff.); Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 9.63. Siehe Adler, Pre-Hearing Advice, Representation and the Achievement of Fair Procedures and Just Outcomes in Tribunal Hearings, 2009. So die Studie von Adler, der dies auf die veränderten Verfahrensregeln und die aktive, inquisitorische Rolle der tribunals in der mündlichen Verhandlung zurückführt; siehe Adler, Pre-Hearing Advice, Representation and the Achievement of Fair Procedures and Just Outcomes in Tribunal Hearings, 2009.
474 2.
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Vertreter auf der Gegenseite
Dass die Verfahren der tribunals generell als weniger kompliziert angesehen werden als die der ordentlichen Gerichte, wird dann klar, wenn man die Vertreter betrachtet, die auf Seiten der beklagten Behörde im Rahmen einer mündlichen Verhandlung auftreten: Im Falle von asylrechtlichen Streitigkeiten etwa wird das beklagte Innenministerium grds. durch Home Office Presentation Officers (HOPOs) vertreten,2513 die über keine rechtliche Ausbildung verfügen.2514 In der Vergangenheit wurde allerdings kritisch gesehen, dass diese oftmals überhaupt nicht zu mündlichen Verhandlungen erschienen.2515 Auch im Bereich des Sozialrechts wird das beklagte Ministerium grds. durch einen presenting officer vertreten,2516 allerdings war es auch hier bisher eher die Regel als die Ausnahme, dass überhaupt kein Vertreter des beklagten Ministeriums erschien.2517 In ohnehin eher inquisitorisch ablaufenden sozialrechtlichen Verfahren mag sich dies in der Verfahrensweise des tribunal weniger problematisch auswirken – in dem grds. eher kontradiktorischen Verfahren des Asylrechts hingegen bedeutet es, dass dem tribunal gewissermaßen ein amtsermittelndes Vorgehen aufgedrängt wird, obliegt es doch unter diesen Umständen den Mitgliedern des tribunal selbst, die Gegenargumente zu den vom Bürger vorgetragenen Argumenten darzulegen und zu erörtern, was den Eindruck der Unabhängigkeit des tribunal zerstört.2518 In einer aktuellen Entscheidung hat das UT nun aus der allgemeinen Mitwirkungspflicht der Parteien aus der overriding objective eine konkrete Pflicht der beklagten Behörde angenommen, einen presenting officer zu einer Anhörung durch das tribunal zu entsenden, wenn das tribunal dies anordnet.2519 Fraglich ist gegenwärtig noch, ob die bisherigen Standards bei der Vertretung – des Klägers wie des Beklagten – auch für die »JR«-Verfahren gelten werden, die das UT durchführt, ob also in den demnächst zum UT transferierten fresh 2513 Aufgabe des »HOPO« ist es, dessen Entscheidung zu verteidigen und den Kläger beispielsweise ins Kreuzverhör zu nehmen, um dessen Tatsachenbehauptungen zu widerlegen. 2514 Siehe House of Commons, Select Committee on Home Affairs – Fifth Report, 2006, para. 362 ff. 2515 Siehe hierzu House of Commons, Select Committee on Home Affairs – Fifth Report, 2006, para. 362 ff. sowie Hastings/Ralph/Johnston, The Telegraph, 18. 04. 2009, 2009. 2516 Dabei handelt es sich in der Regel um besonders erfahrene Mitarbeiter des DWP, aber nicht notwendigerweise um Juristen; House of Commons (Works and Pensions Committee), Decision Making and Appeals in the Benefits System, 2010, para. 163. 2517 Siehe zum Ganzen auch Wikeley/Harris, JSSL 2002, 9(2), 51 (52). 2518 De facto erscheinen Vertreter des DWP wohl nur in 16 % aller Anhörungen; House of Commons (Works and Pensions Committee), Decision Making and Appeals in the Benefits System, 2010, para. 163. 2519 Siehe die Entscheidung RF v. C – MEC (CSM) [2010] UKUT 41 AAC, in der es inhaltlich um einen Fall von child support ging; siehe auch Rahilly, JSSL 2010, 17(3), 141 (141).
Zwischenfazit
475
asylum claims das zuständige Ministerium ebenfalls nur durch HOPOs vertreten sein wird.2520 Angesichts der Tatsache, dass es in »JR«-Verfahren fast ausschließlich um Rechtsfragen geht und das Verfahren – zumindest bei den ordentlichen Gerichten – von einer kontradiktorischen Verfahrensweise geprägt ist, ist fraglich, ob ein tribunal hier durch die Anwendung eines enabling approach die Defizite einer nicht repräsentierten Partei auszugleichen vermag.
I.
Zwischenfazit
Eine rechtlich qualifizierte Beratung des Bürgers im Zusammenhang mit einem Tribunalsverfahren ist nach wie vor von Bedeutung und erhöht die Erfolgschancen eines Klägers – wenn auch weit weniger signifikant als zu früheren Zeiten. Schon vor den gegenwärtigen Reformen war festzustellen: »Tribunal cases have become more complex and difficult, both factually and legally«.2521 Mit der zunehmenden Integration von immer mehr Sachbereichen in die neue, zweigliedrige Struktur und dem damit stets größer werdenden Korpus an Rechtsprechung insb. zu den Verfahrensregeln der tribunals ist wohl zu erwarten, dass diese Komplexität zunächst noch zunehmen wird und alle Beteiligten stets noch besser über die rechtlichen Grundlagen für die Verfahrensweise eines tribunal informiert sein müssen. Prima facie verträgt es sich hiermit nicht, wenn vom Bürger erwartet wird, dass er sich in einem rechtlichen Verfahren – womöglich in einem so komplexen Rechtsgebiet wie dem britischen Sozialrecht – selbst vertreten soll.2522 Verzichtet der Bürger auf die Einschaltung eines professionellen Rechtsbeistands und macht stattdessen Gebrauch von den Möglichkeiten kostenfreier Beratung und Instruktion im Vorfeld einer Verhandlung, sind seine Erfolgschancen im Verfahren erstaunlicherweise dennoch aufgrund des enabling approach der tribunals in manchen Sachbereichen gut – ob aber deshalb tatsächlich die Abwesenheit professioneller Juristen, welche die weniger förmlichen Verfahren der tribunals erst ermöglichen soll, als Vorteil der tribunals anzusehen ist, darf wohl bezweifelt werden. Darauf zu vertrauen, dass das tribunal bei Abwesenheit jeglichen weiteren juristischen Sachverstands selbst die richtigen Fragen stellen werde und dabei alle rechtlichen Gesichtspunkte von vornherein richtig erfassen wird, wird zumindest dort erschwert, wo die Spruchkörper der tribunals selbst womöglich nur einen einzigen ausgebildeten Juristen aufweisen. Es muss sich zeigen, ob die Möglichkeiten der Aus- und 2520 Siehe Harvey, JIANL 2010, 24(2), 118 (130). 2521 Bangs v. Connex South Eastern Ltd [2005] ICR 763 para 14 per Mummery LJ. 2522 Siehe Burrows, NLJ 2009, Oct., 1382 (1382 f.) mit einer Schilderung eines anschaulichen Beispiels für die komplexen rechtlichen Probleme, mit denen ein Laie sich etwa im Bereich des child support auseinanderzusetzen hat.
476
Verfahrensregeln und Verfahrenspraxis der tribunals
Fortbildung von Tribunalsmitgliedern in der Lage sind, dafür zu sorgen, dass jedes Tribunalsmitglied tatsächlich hinreichend qualifiziert ist.
VIII. Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice in Relation zu den ordentlichen Gerichten (insb. dem High Court)
Nach der Darstellung der tribunals in ihrer neuen Form soll es nun im letzten Teil der Arbeit um die Frage gehen, welche Stellung diese reformierten Spruchkörper innerhalb des Systems der administrative justice haben und wie sich diese zu der tradierten Rolle der ordentlichen Gerichte verhält. Die folgende Betrachtung wird sich dabei auf das Verhältnis des UT zum High Court beschränken, da zwischen beiden schon auf den ersten Blick sichtbare Parallelen bestehen. Dass das UT bisherige Zuständigkeiten des High Court übernommen hat, dass ihm der TCEA 2007 c.15 insb. die Kompetenz zur Gewährung der Rechtsbehelfe des »JR« verleiht, sowie die Tatsache, dass regelmäßig High CourtRichter als Mitglieder der Spruchkörper des UT berufen werden, wurde bereits gezeigt und legt eine noch genauere Betrachtung des Verhältnisses beider Spruchkörper zueinander nahe. Insb. der Frage, ob bzw. inwieweit das UT und der High Court in einem hierarchischen oder gleichgeordneten Verhältnis stehen, soll dabei im Folgenden nachgegangen werden. Dazu wird zunächst noch auf einzelne weitere Eigenschaften des UT eingegangen sowie auf die Frage, welche Kontrollbefugnisse der High Court über das UT ausüben kann.
A.
Die formale Stellung des Upper Tribunal als superior court of record
Das UT wird vom Gesetz als superior court of record bezeichnet.2523 Diese Bezeichnung trugen bisher vor allem die zentralen Gerichtshöfe, also auch der High Court.2524 Aber auch einige tribunals wurden vom Gesetzgeber bisher schon mit diesem Titel versehen.2525 Was genau jedoch Konsequenz dieser nominellen
2523 S.3(5) TCEA 2007 c.15. 2524 Siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 1.1.3. 2525 Die SIAC ist gem. s.3(1) Special Immigration Appeals Commission Act c.68 ein »superior
478
Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
Aufwertung durch den Gesetzgeber ist, erschließt sich nicht allein aus dem TCEA 2007 c.152526 :
1.
Möglichkeit zur Ahndung eines contempt of court
Eine mögliche Funktion der Bezeichnung als superior court of record ist die Klarstellung, dass das UT über die Möglichkeit verfügen soll, selbstständig einen contempt of court, eine Missachtung des »Gerichts« (bzw. tribunal), zu ahnden.2527 Die Möglichkeit zur Ahndung eines contempt of court bedeutet, dass das UT sich zur Aufrechterhaltung seiner Autorität jener Werkzeuge des Gesetzesrechts und des common law bedienen kann, wie sie die ordentlichen Gerichte entwickelt haben und sie ursprünglich auch nur diesen zustanden. Dass das UT in dieser Hinsicht auf einer Stufe mit dem High Court steht, ergibt sich noch aus s.25 TCEA 2007 c.15, nach der es die gleichen Kompetenzen und Privilegien hat wie der High Court, wenn es darum geht sicherzustellen, dass geladene Zeugen erscheinen, angeforderte Dokumente vorgelegt oder sonstige Anordnungen des UT befolgt werden.2528 Das gleiche ergibt sich noch einmal aus den jeweiligen Verfahrensregeln der Kammern des UT.2529 Der Mechanismus des contempt hat jedoch noch weitere, darüber hinausgehende Funktionen: Grds. wird zwischen einem civil und einem criminal contempt unterschieden: Die Möglichkeit zur Ahndung eines criminal contempt stellt zunächst ein sitzungspolizeiliches Werkzeug dar, denn als criminal contempt wird etwa auch ein beleidigendes Verhalten gegenüber dem Gericht angesehen oder ein solches, welches die ordentliche Verfahrensabwicklung behindert.2530 Civil contempt bedeutet demgegenüber, dass sich die Handlung effektiv auf die andere Verfahrenspartei auswirkt, etwa weil ein gerichtliches Urteil
2526 2527 2528 2529 2530
court of record«. Auch das Employment Appeal Tribunal ist ein senior court of record; siehe s.20(3) Employment Tribunals Act 1996 c.17. Auch die Explanatory Notes erläutern die Bezeichnung des UT als »superior court of record« nicht ausdrücklich; siehe Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 50. Dies folgt aus der Entscheidung Ex p. Fernandez (1861) 142 ER 349 (357 f.) per Byles J. Siehe s.25(2) TCEA 2007 c.15 i. V. m. s.19 Contempt of Court Act 1981 c.49; siehe auch Eba v. Advocate General for Scotland [2010] CSOH 45, para. 23 per Glennie LJ; Gething/ Paterson/Barker, BTR 2009, 3, 250 (251). Siehe jeweils r.7 UT-Rules, SI2008/2698; r.7 UTLC-Rules SI2010/2600. Als »criminal contempt« werden dabei sowohl das Angreifen oder Beleidigen des Richters/ der Richter sowie etwa die Beeinflussung von Zeugen, Jurymitgliedern, Verfahrensparteien oder der diese vertretenden Anwälte angesehen; siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 8.2.1 mit anschaulichen Beispielen. Als superior court of record, dem die gleichen Kompetenzen zustehen wie dem High Court, kann das UT nach dem Contempt of Court Act 1981 c.49 für jeden begangenen contempt grds. eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe verhängen; siehe s.14 Contempt of Court Act 1981 c.49.
Die formale Stellung des Upper Tribunal als superior court of record
479
nach Abschluss des Verfahrens oder eine gerichtliche Anordnung während des Verfahrens durch eine Partei missachtet wird;2531 weil aber auch der civil contempt eine strafbare Handlung ist, wird die Unterscheidung zwischen beiden als wenig sinnvoll empfunden.2532 Die Möglichkeit des UT zur Ahndung beider Arten von contempt hat mehrere Funktionen, nämlich zum einen den Fortgang des Verfahrens und die Effektivität seiner Anordnungen durch Sanktionsandrohung sicherzustellen – so liegt ein sog. »contempt of court committed in the face of the court« vor, wenn etwa ein Zeuge sich ohne guten Grund weigert, eine Aussage zu tätigen;2533 zum anderen kann es das UT und die Verfahrensbeteiligten vor übermäßigen äußeren Einwirkungen auf seine Verfahren, etwa durch Veröffentlichung von Verfahrensdetails, die im Interesse des Verfahrens nicht veröffentlich werden sollen, schützen.2534 Überdies gibt die Möglichkeit zur Ahndung des contempt dem UT ein effektives Mittel zur Durchsetzung seiner Urteile und Verfahrensanordnungen in die Hand, und zwar gerade auch gegen öffentliche Funktionsträger, wie etwa die Entscheidungen R v Poplar Borough Council Ex p. London County Council 2531 Grds. ist der »civil contempt« also ein »private wrong«, weil es der Verfahrenspartei gegenüber nachteilig ist, der das Urteil oder die gerichtliche Anordnung zu gute gekommen wäre; siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 8.1. 2532 Die Unterscheidung wird als »unhelpful and almost meaningless« bezeichnet; siehe Jennison v. Baker [1972] 2 QB 52 (61) per Salmon LJ; siehe auch Attorney General v. Newspaper Publishing plc [1987] 3 All ER 276 (294) Donaldson MR und (306) per Lloyd LJ; Home Office v. Harman [1982] 1 All ER 532 (542) per Scarman LJ; Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 8.1. S.14 Contempt of Court Act 1981 c. 49 (welcher die Bestrafung eines contempt regelt), ist sowohl auf den civil als auch auf den criminal contempt anwendbar; siehe Linnet v. Coles [1986] 3 All ER 652; Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 8.4.1 Ein Verfahren wegen eines civil contempt kann sowohl von der durch diese benachteiligten Partei, als auch – wegen der Strafbewehrung – durch den Attorney-General als auch durch das Gericht selbst eingeleitet werden; vgl. Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 8.1. 2533 Dieser Fall ergibt sich ja bereits aus s.25(2) TCEA 2007 c.15 (siehe oben, bei Fn. 2528). Allerdings ist hier s.10 des Contempt of Court Act 1981 c.49 zu beachten, der die Anwendung der Regeln über den contempt für den Fall beschränkt, dass sich die gewünschte Aussage oder die bereitzustellenden Dokumente auf Informationen beziehen, deren Veröffentlichung die Quellen dieser Informationen gefährden würde und die »in a publication for which [the person] is responsible« enthalten sind. Diese Beschränkung erfolgte mit Rücksicht auf den Schutz der Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 10 EMRK (bzw. sch.1 Art. 10 Human Rights Act 1998 c.42); siehe auch Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 8.2.1.4.2. 2534 Die Kompetenz, eine Tatsache als nichtveröffentlichungsfähig zu erklären, ergibt sich heute ausdrücklich aus s.11 Contempt of Court Act 1981 c.49. Dies ist für tribunals etwa in jenen Bereichen relevant, wo sensible persönliche Sachverhalte behandelt werden und daher ein großes Interesse besteht, etwa die Namen der Parteien oder bestimmte Verfahrensdetails nicht zu veröffentlichen, was etwa im Bereich des Unterbringungsrechts und der »vulnerable persons« oder auch im Steuerrecht denkbar ist.
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Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
(No. 2)2535 oder M v Home Office2536 anschaulich zeigen: In letzterer etwa hatte der beklagte Innenminister2537 eine Anordnung des High Court in einem JRVerfahren nicht beachtet, die Rückführung eines abgeschobenen Flüchtlings zu organisieren, wofür er wegen contempt zur Tragung der Verfahrenskosten verurteilt wurde.2538 Diese Möglichkeit steht nun dem UT zu. Aufgrund der Möglichkeiten der Kammern des FtT, die Nichtbeachtung bestimmter Verfahrensanordnungen dem UT vorzulegen, ist dieser Mechanismus nicht nur für das UT selbst relevant, sondern für das System von UT und FtT als Ganzes, verleiht er doch auch den Anordnungen der Kammern des FtT durch die Möglichkeit dieser Sanktion bereits hohe Autorität.2539 Insb. letzteres ist dabei eine bemerkenswerte Aufwertung des UTals tribunal; zuvor hatten tribunals nämlich regelmäßig keine eigene Befugnis zur Ahndung eines contempt – es bestand allenfalls die Möglichkeit, solche Fälle der Queen’s Bench Division des High Court zur Kenntnis zu bringen, die sodann eine Bestrafung des contempt vornehmen konnte.2540 Dass das UT nun seinerseits in die Lage versetzt wird, wie die Queen’s Bench Division zuvor, contempt gegenüber
2535 R. v. Poplar Borough Council Ex p. London County Council (No. 2) [1922] 1 KB 95: In dieser Entscheidung wurden einige der Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zur Haft verurteilt, weil die Körperschaft eine mandamus-Anordnung nicht beachtet hatte. Eigentlich sollte die Körperschaft als Ganze für den contempt geahndet werden, was die Richter jedoch ablehnten, weil man eine Körperschaft nicht einsperren könne und hinsichtlich ihrer einzelnen Mitglieder der Schuldvorwurf nicht nachvollziehbar war. Die letztlich verurteilten Mitglieder hatten allerdings den Fehler begangen, sich im Verfahren über die mandamus-Anordnung sachlich dahingehend einzulassen, dass sie diese auch künftig nicht beachten würden. Dies werteten die Gerichte als krasse Missachtung der Autorität des Gerichts und ordneten Haft an. 2536 M v. Home Office [1993] 3 All ER 537. 2537 Damals Mr. Kenneth Baker. 2538 Der CoA hielt den Minister dabei tatsächlich noch persönlich für schuldig, einen contempt begangen zu haben und machte ihn entsprechend persönlich für die Verfahrenskosten haftbar (obgleich er die Zahlung dennoch aus öffentlichen Geldern begleichen durfte). Das HoL änderte die Entscheidung dahingehend ab, dass die namentliche Nennung des Ministers durch »Secretary of State for Home Affairs« ersetzt wurde. Dies war das erste Mal, dass ein Minister eines contempt of court für schuldig befunden wurde. Das HoL stellte ferner klar, dass Minister, die offiziell in ihrer Eigenschaft als solche agierten, grds. für Zwangsmaßnahmen der Gerichte empfänglich sind; siehe M v. Home Office [1993] 3 All ER 537 (541) per Templeman LJ; zum Ganzen auch Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 8.3. 2539 Siehe zum Mechanismus der Vorlage auch schon oben, bei Fn. 1944. Zum Einsatz dieser Möglichkeiten in der Praxis siehe die Entscheidung CB v. Suffolk County Council [2010] UKUT 413 (AAC) sowie Blake, Tribunals, 2011, Spring, 19 (19); siehe zum Ganzen auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 5.12. 2540 Die Möglichkeit eines Spruchkörpers, einen contempt gegenüber der Queen’s Bench Division zur Kenntnis zu bringen, ergab sich aus den r.1(2) RSC, Ord. 52; siehe zum Ganzen Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 8.4.5.
Die formale Stellung des Upper Tribunal als superior court of record
481
dem FtT zu ahnden, bedeutet, dass es insoweit offenbar deren Stellung eingenommen hat und damit den gleichen Rang hat wie der High Court.
2.
Möglichkeit zum Erlass bindender Präjudizien (precedent)
Ein weiterer wichtiger Aspekt zur Beurteilung der Stellung des UT gegenüber dem High Court ist die Frage, inwiefern das UT in der Lage ist, Präzedenzfälle zu erlassen und wer hierdurch gebunden ist, bzw. die Frage, inwiefern das UTselbst durch Präzedenzfälle anderer Spruchkörper gebunden ist.2541 Auch hierauf wirkt sich wieder die Bezeichnung des UT als superior court of record aus – denn Entscheidungen eines court of record werden amtlich dokumentiert und aufbewahrt,2542 was Grundvoraussetzung für die Schaffung von Präjudizien ist. a)
Präjudizien im englischen Recht
Als common law-Rechtsordnung verfügt das englische Recht über ein fein ausdifferenziertes System von judicial precedent,2543 also Mechanismen zur Bestimmung der Wirkung früherer Entscheidungen auf spätere,2544 dessen wichtigster Bestandteil die stare decisis-Regel ist, nach der grds. alle einmal entschiedenen Fälle den entsprechenden Spruchkörper sowie alle Spruchkörper, die in einer Hierarchie darunter stehen, binden.2545 Wird eine frühere Ent2541 Siehe Buck, CJQ 2006, 25, 458 (458): »The doctrine [of precedent] is […] dependent upon, and assists in defining, court hierarchies«. 2542 Siehe Halsbury’s Laws of England, Bd. 10, 4th ed. 2002, para. 308; Law/Martin, in: Law/ Martin (ed.), A Dictionary of Law, 2009, Stichwort: »court of record« sowie schon oben, bei Fn. 342. 2543 Der Begriff »judicial precedent« meint sowohl den Prozess bzw. das System, mittels dessen die Richter Argumente und zwingende Schlüsse zur Lösung der von ihnen zu entscheidenden Rechtsprobleme aus älteren Entscheidungen ziehen können, als auch die vorangegangenen Urteile selbst; siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 5.1. 2544 Als besonderes Merkmal des englischen Rechtssystems gegenüber anderen Rechtssystemen wird die Striktheit herausgestellt, mit der von höheren Gerichten die Einhaltung der Präzedenzfälle durch niedere Gerichte oder durch sich selbst gefordert wird (»binding precedent«). Es reicht grds. bereits eine einzige Entscheidung eines Gerichts aus, um ein bestimmtes rechtliches Prinzip zu etablieren; siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, insb. para. 5.6. 2545 Entsprechend ist etwa der CoA grds. an seine eigenen Entscheidungen gebunden sowie alle in der Hierarchie darunterliegenden Spruchkörper. Für das HoL bzw. den Supreme Court gilt dies nicht: Bis 1966 hielt sich das HoL an seine eigenen Entscheidungen gebunden; 1966 stellten die Richter jedoch in einem practice statement klar, dass sie diese Selbstbindung grds. aufgeben. Seitdem war das HoL in der Lage, eigene vorangegangene Entscheidungen unbeachtet zu lassen, wovon es allerdings nur höchst selten Gebrauch gemacht hat; siehe etwa die Entscheidung Conway v. Rimmer [1968] AC 910. Die seitdem
482
Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
scheidung durch eine spätere von einem höherrangigen Spruchkörper verworfen, gilt die frühere als rechtlich nicht existent – der so entstehende Korpus von Rechtsprechung schafft damit einerseits Beständigkeit, ermöglicht jedoch zugleich eine ständige Weiterentwicklung und gibt höherrangigen Richtern faktisch die Möglichkeit, aktiv Recht zu schaffen.2546 Effektive Wirksamkeit als Präjudiz entfalten die Entscheidungen dabei letztlich durch ihre Veröffentlichung und der daraus folgenden Möglichkeit für die Parteien eines Verfahrens, sich auf diese zu berufen und sie in das Verfahren einzubringen.2547 Die Bindungswirkung von Präzedenzfällen ist für die ordentlichen Gerichte wie folgt geregelt: Für den CoA und den High Court – sofern dieser als divisional court, also als Kollegialorgan entscheidet – gilt in allen normalen zivilrechtlichen Verfahren eine grundsätzliche Bindung an die eigenen Urteile, es sei denn, es bestehen verschiedene, sich widersprechende frühere Urteile zu einer Frage,2548 frühere Entscheidungen sind nicht mit einem zwischenzeitlich ergangenen Urteil einer höheren Instanz vereinbar2549 oder die frühere Entscheidung erging per incuriam, d. h. sie war aufgrund eines Flüchtigkeitsfehlers schon zum Entscheidungszeitpunkt falsch.2550 Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, darf ein
2546
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2548 2549 2550
praktizierte Handhabung dürfte auch für den heutigen Supreme Court gelten; siehe zum Ganzen Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 5.3.2.2.2. »The theoretical position has been, that judges do not make or change law: They discover and declare the law which is throughout the same. According to this theory, when an earlier decision is overruled the law is not changed: Its true nature is disclosed, having existed in that form all along. This theoretical position is, as Lord Reid said, a fairy tale in which no one any longer believes. In truth, judges make and change the law. The whole of the common law is judgemade and only by judicial change in the law is the common law kept relevant in a changing world.« Kleinwort Benson Ltd v. Lincoln City Council [1998] 4 All ER 513 (518) per Brown-Wilkinson LJ. Wird eine Entscheidung für die Vergangenheit aufgehoben, kann der, dem aufgrund seines Vertrauens auf die alte Rechtslage etwa ein Schaden entstanden ist, diesen nach Veränderung der Rechtsprechung geltend machen; siehe etwa die Entscheidung R. v. Governor of Brockhill Prison Ex p. Evans (No.2) [1998] 4 All ER 993, bei der ein Gefängnisinsasse nach einer Rechtsprechungsänderung 59 Jahre zu lange inhaftiert war ; siehe zum Ganzen auch Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 5.3.1. Entscheidungen der Höchstgerichte werden von »law reporters« – allesamt Juristen – die in England und Wales für den Incorporated Council of Law Reporting (ICLR) arbeiten, auf berichtenswerte Fälle hin durchsucht und vor allem in den »Weekly Law Reports« veröffentlicht, von denen dann ein Teil in die dauerhaften »Law Reports« übernommen wird; siehe hierzu Buck, CJQ 2006, 25, 458 (469). Dann muss das Gericht ausdrücklich entscheiden, welchem der vorangegangenen Urteile es folgt und welches Urteil künftig nicht mehr anwendbar ist; siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 5.3.2.3.1 ff. und 5.3.2.5. Dabei muss die vorangegangene Entscheidung nicht ausdrücklich aufgehoben worden sein; siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 5.3.2.3.1 ff. und 5.3.2.5. »Per incuriam« kann eine Entscheidung durch eine spätere unbeachtet bleiben, wenn in der früheren Entscheidung etwa ein bindender Präzedenzfall oder eine gesetzliche Bestimmung übersehen wurde und die Entscheidung schon deshalb ursprünglich falsch war; siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 5.3.2.3.1 ff. und 5.3.2.5.
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Gericht nur dann einen Präzedenzfall unangewendet lassen, wenn es herausarbeitet, inwiefern sich der zu entscheidende Fall von dem in der vorangegangenen Entscheidung unterscheidet – sonst begeht es einen Rechtsfehler.2551 Ein divisional court der Queen’s Bench Division, der über ein JR-Verfahren entscheidet, ist hingegen nicht strikt an diese Grundsätzen gebunden.2552 Auch die Einzelrichter der Abteilungen des High Court untereinander sind nicht strikt an die Entscheidungen der jeweils anderen Einzelrichter gebunden, sondern allenfalls insoweit, wie dies die »richterliche Höflichkeit« gebietet.2553 An Entscheidungen eines divisional court hingegen – egal welcher Abteilung – ist wiederum jeder Einzelrichter gebunden.2554
b)
Präjudizien bei tribunals
Wie tribunals in dieses System einzubinden waren, vor allem welche Wirkungen aus Entscheidungen eines tribunal folgen können, war in der Vergangenheit dagegen alles andere als klar : Teilweise wurde argumentiert, der Zweck eines tribunal sei einzig und allein, als Spruchkörper für die flexible Entscheidung von Einzelfällen zu fungieren, womit eine Bindungswirkung seiner Entscheidungen für sich selbst oder andere Spruchkörper durch ein starres System von precedent unvereinbar sei.2555 Zugleich wurde aber die durch ein System von Präjudizien erreichte Konstanz in der Rechtsprechung durchaus für wünschenswert gehal2551 Im Gegensatz zum kontinentaleuropäischen Recht spielen Aussagen in der Literatur in Gerichtsentscheidungen klassischerweise so gut wie gar keine Rolle – ursprünglich galt die Regel, dass die Gerichte nur dort auf Kommentare einzelner Entscheidungen oder Lehrbücher zurückgreifen konnten, wo der jeweilige Autor bereits verstorben war. Wichtiger sind stattdessen Entscheidungen von Gerichten anderer common law-Staaten als »persuasive authority«. Mittlerweile hat sich dies verändert und einige wenige Bücher von Theoretikern werden auch dann als Quelle herangezogen, wenn die Bücher noch neu aufgelegt werden; siehe zum Ganzen Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 5.4.4. 2552 Siehe R. v. Greater Manchester Coroner Ex p. Tal [1984] 3 All ER 240 – ein divisional court kann i.R. eines JR-Verfahrens es auch dann ablehnen, der früheren Entscheidung eines divisional court zu folgen, wenn er meint, dass die frühere Entscheidung inhaltlich falsch war; siehe zum Ganzen auch Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 5.3.2.5. 2553 Ein Richter am High Court folgt damit den Entscheidungen anderer Richter des High Court »[u]nless he is convinced that that judgment is wrong, as a matter of judicial comity ; but he is not bound to follow the decision of a judge of equal jurisdiction.« Huddersfield Police Authority v. Watson [1947] KB 842 (848) per Goddard CJ. 2554 Siehe Ingman, English Legal Process, 12th ed. 2008, para. 5.3.2.6. 2555 Siehe etwa Robson, Justice and Administrative Law, 3rd ed. 1951, S. 577; Buck, CJQ 2006, 25, 458 (461) sowie auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 9th ed. 2004, S. 931: »[A] tribunal is […] in a radically different position from a court of law. Its duty is to reach the right decision in the circumstances of the moment, any discretion must be genuinely exercised, and there must be no blind following of its previous decisions«.
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Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
ten.2556 Welche Wirkungen Entscheidungen von tribunals bisher entfalten konnten, war damit von tribunal zu tribunal und von Sachbereich zu Sachbereich unterschiedlich:2557 Während in einigen tribunals allenfalls vereinzelte Entscheidungen für den internen Gebrauch aufbewahrt, aber nicht publiziert wurden und damit höchstens die Wirkung einer unverbindlichen Orientierungshilfe entfalteten, gab es in einigen tribunals durchaus so etwas wie ein System bindender und veröffentlichter Präzedenzfälle.2558 Angesichts der Reformen stellen sich damit nun die Fragen, welche Bindungswirkung Entscheidungen des UT für andere tribunals und für sich selbst entfalten, sowie welche Bindung des UT an Entscheidungen des High Court besteht – und ob nicht unter Umständen sogar umgekehrt auch Entscheidungen des UT für den High Court eine gewisse Autorität entfalten können: (1)
Die Präzedenzwirkung von Entscheidungen des Upper Tribunal für das First-tier Tribunal und andere tribunals Aus der Bezeichnung des UT als superior court of record wird heute geschlossen, dass es bindende Präzedenzfälle erlassen kann2559 bzw. ihm vom Gesetzgeber die Möglichkeit zuerkannt werden sollte, selbst über die Bindungswirkung seiner
2556 Die Ambivalenz, mit der Präjudizien von tribunals in der Rechtsprechung angesehen wurden, zeigt die Entscheidung Merchandise Transport Ltd v. British Transport Commission [1962] 2 QB 173 (193) per Devlin LJ: »[A] series of reasoned judgments such as the tribunal gives is bound to disclose the general principles upon which it proceeds. I think that is not only inevitable but also desirable. It makes for uniformity of treatment and is helpful to the industry and to its advisors to know in a general way how particular classes of applications are likely to be treated. But the tribunal may not, in my opinion, make rules which prevent or excuse either itself or the licensing authorities from examining each case on its merits. That is a power which the High Court has assumed. If the High Court has made a rule for the proper administration of justice generally […] the court will enforce the rule without enquiring whether the breach of it in a particular case has actually caused any injustice. There is no warranty for an inferior court making rules of that sort; and, in my opinion, it would not be open to a tribunal charged by statute with a duty to decide each case as a matter of discretion, to inhibit itself from going fully into the facts.« 2557 Siehe zum Ganzen etwa die Darstellungen zu verschiedenen Praktiken von tribunals bei Elcock, Administrative Justice, 1969, S. 80 ff.; Farmer, Tribunals and Government, 1974, S. 173 ff.; Buck, CJQ 2006, 25, 458 (459 ff.). 2558 Siehe insb. zum System der Social Security Commissioners sogleich, bei Fn. 2579. Ein Beispiel für die informelle Praxis etwa für Agricultural Lands Tribunals schildert Elcock, Administrative Justice, 1969, S. 81 f.: In diesen tribunals wurden die Akten bestimmter Verfahren für den internen Gebrauch aufbewahrt, so dass die Tribunalsmitglieder sich an diesen orientieren konnten – nach außen drang der Inhalt dieses so geführten Registers von Entscheidungen jedoch nicht. 2559 Siehe Current Law – Statutes Annotated, Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007, 2008, s.15/4 sowie die Ausführungen in R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052 para 75 per Laws LJ.
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Entscheidungen zu befinden.2560 Die Schaffung dieser Fähigkeit des UT geht auf den Leggatt Review zurück: (a) Die Empfehlungen des Leggatt Review Der Leggatt Review hatte ausdrücklich empfohlen, den tribunals zu gestatten, selbst zu bestimmen, welche ihrer Entscheidungen Präzedenzwirkung entfalten sollen und welche nicht2561 – ein Ansatz, der fundamental von dem abweicht, was bei den ordentlichen Gerichten üblich ist, da hier gerade nicht die urteilende Instanz selbst die Wirkung ihrer Entscheidungen beeinflussen können soll.2562 Eine der vom Leggatt Review intendierte ähnliche Praxis hatten früher bereits die alten Social Security Commissioners entwickelt, die einzelne ausgewählte Entscheidungen in einer besonderen Sammlung veröffentlichten,2563 wenn eine Mehrheit der Commissioners die betreffende Entscheidung für besonders geeignet hielt, dem tribunal selbst sowie den Klägern und den Behörden als Orientierungshilfe für die Rechtshandhabung zu dienen.2564 Durch deren selektive Veröffentlichung in einer amtlichen Sammlung wurde bewirkt, dass diesen Entscheidungen besondere Autorität und damit faktisch die gleiche Wirkung beigemessen wurde wie bindenden Präjudizien.2565 Die Social Security Com-
2560 Siehe Earl Cadogan v. Sportelli (CA) [2008] 1WLR 2142, para. 99 per Carnwath LJ. In dieser Entscheidung ging es inhaltlich um die Wirkung von Entscheidungen des alten Lands Tribunal, bevor dieses in die Struktur des TCEA 2007 c.15 transferiert wurde, in der Carnwath LJ jedoch bereits – wenn auch nur »in obiter« – ausführt: »However, I bear in mind that under the Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007, the jurisdiction of the Lands Tribunal is likely in the near future to be subsumed into that of the new Upper Tribunal, which will be a ›superior court of record‹ under the Act. It will be principally for the new tribunal to lay down guidelines as to the precedent effect of its decisions for different purposes.«; siehe ferner Gething/Paterson/Barker, BTR 2009, 3, 250 (251). 2561 Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 6.26: »We therefore recommend that the system of designating some cases as binding […], as used by the Social Security Commissioners and the IAT, should be adopted throughout the Appellate Division.« 2562 Siehe Gillespie, English Legal System, 2nd ed. 2009, S. 501 f.; Ausschlaggebend ist dabei, dass die Gerichte keinen Einfluss auf die Veröffentlichung der Entscheidungen haben. Erst die Veröffentlichung ermöglicht es jedoch den Parteien, sich auf eine Entscheidung zu berufen und ihr durch Einbringung in ein späteres Verfahren Wirkung zu verleihen; siehe zu den Mechanismen der Veröffentlichung schon oben, Fn. 2547. 2563 Siehe die Einleitung zur letzten Ausgabe Department for Work and Pensions (Legal Group), Decisions of the Commissioner, 2009, S. 3 ff., in dem die letzten Entscheidungen der alten Social Security Commissioners zusammen mit denen der AAC des UT veröffentlicht wurden. 2564 Siehe zum Ganzen Buck, CJQ 2006, 25, 458 (470 f.). 2565 Einer Entscheidung, die auf diese Art und Weise in der amtlichen Sammlung der Commissioners aufgenommen war, wurde mehr Gewicht beigemessen als einer nicht entsprechend veröffentlichten; siehe Buck, CJQ 2006, 25, 458 (472) .
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missioners konnten so eine Schlüsselrolle bei der richterlichen Fortentwicklung des Sozialrechts einnehmen.2566 Ein ähnliches System bestand zeitweise auch in den asylrechtlichen tribunals, die neben den country guidance-Fällen2567 zugleich auch sog. starred decisions erließen, die nicht hinsichtlich Sach-, sondern hinsichtlich Rechtsfragen als Präjudizien dienen sollten und deshalb gesondert veröffentlicht wurden und so Bindungswirkung für die Verwaltung und für spätere Tribunalsverfahren entfalteten.2568 Der Leggatt Review hielt es für wünschenswert, entsprechendes auch für das neue, zweitinstanzliche tribunal einzuführen und forderte die Schaffung ausdrücklicher Gesetzesbestimmungen, die das tribunal in Anlehnung an diese Modelle mit entsprechenden Kompetenzen zur Bestimmung der Wirkung von Entscheidungen versehen würden.2569 Es sollte so zum einen sichergestellt werden, dass durch die Präjudizien des zweitinstanzlichen tribunal Verlässlichkeit, Vorhersehbarkeit und Kohärenz in der Rechtsprechung hergestellt wird; zum anderen sollte zugleich durch die selektive Veröffentlichung erreicht werden, dass der Bestand dieser Präjudizien nicht zu schnell anschwillt, um für die Verfahrensbeteiligten handhabbar zu bleiben, insb. weil befürchtet wurde, dass ein zu großer Korpus von Rechtsprechung für mögliche Kläger die – kostenintensive – Einschaltung von Anwälten notwendig machen würde, was dem primären Ziel der accessibility der tribunals abträglich gewesen wäre.2570 Die Va2566 Siehe Harris, ILJ 1993, 22(3), 222 (226); Bonner, JSSL 2002, 9(1), 11 (41); Buck, CJQ 2006, 25, 458 (471) m. w. N. in Fn. 67. 2567 Siehe zu den country guidance-Fällen bereits oben, V.C.4., S. 308, bei Fn. 1559. 2568 Das System dieser »starred decisions« wurde 2000 eingeführt, war allerdings nur von kurzer Dauer, da bereits 2003 dazu übergegangen wurde, alle Entscheidungen zu veröffentlichen. Dies führte jedoch zu einem unkontrollierten Anwachsen des Bestandes an Entscheidungen und – damit einhergehend – zu einer immer weniger klar abschätzbaren Rechtslage; siehe zu den »starred decisions« bei Buck, CJQ 2006, 25, 458 (475). 2569 Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 6.21. Der Leggatt Review hatte dabei die Schaffung ausdrücklicher Vorschriften zur Wirkung von Präjudizien im Gesetz selbst im Sinn: »We have therefore considered four possible options for a clear and coherent system of precedent in appeal tribunals. The options are: […] (d) express (and novel) statutory provisions should be sought making only some decisions of appellate tribunals binding.« 2570 Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 6.23. Eine ähnliche Entwicklung war zuvor bereits bei den tribunals im Bereich des Arbeitsrechts beobachtet worden, bei denen die Tatsache, dass alle Entscheidungen veröffentlicht wurden, dazu geführt hatte, dass immer mehr Parteien sich anwaltlich vertreten lassen mussten, da für den einzelnen Kläger sonst das anzuwendende Recht nicht mehr handhabbar war : »Statutory provision for all cases to be binding […] is legally and administratively the simplest one, and the one which would create the closest analogies between the new Tribunals System and the way in which the appellate courts work. It has a major disadvantage. It would require users to be aware of all relevant decisions, to know what law would apply to their case. This could be a significant barrier to access. There have certainly been many claims that proliferating EAT precedents have been a major factor behind the growth of legal representation in the Employment Tribunals (ETs).«.
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riante, das zweitinstanzliche tribunal zur Erreichung dieses Zwecks zu einem superior court of record zu machen, hatte die Expertengruppe um Leggatt nur deshalb abgelehnt, weil davon ausgegangen wurde, diese Bezeichnung würde, insb. wegen der damit einhergehenden Anwendbarkeit des contempt dem zweitinstanzlichen tribunal einen Status verleihen, die die ihrer Auffassung nach deutlichen und wünschenswerten Unterschiede zwischen dem Tribunalssystem und den ordentlichen Gerichten verwischen könnte.2571 (b) Umsetzung durch den TCEA 2007 c.15 Ungeachtet dieser Bedenken des Leggatt Review hat der Gesetzgeber das UT als superior court of record bezeichnet und damit nicht nur die dargestellten Möglichkeiten zur Ahndung des contempt eröffnet, sondern auch dafür gesorgt, dass zumindest potentiell alle Entscheidungen des UT Bindungswirkung entfalten können. Ansonsten schweigt der TCEA 2007 c.15 auf den ersten Blick zur Frage der Wirkung von Entscheidungen des UT, da er dazu – entgegen den Vorschlägen des Leggatt Review – keine ausdrücklichen Regelungen enthält.2572 Aus den das Gesetz begleitenden Materialien ergibt sich jedoch, dass der Gesetzgeber von der Möglichkeit des UT zum Erlass bindender Präzedenzfälle ausging und auch davon, dass – entsprechend den Vorstellungen des Leggatt Review – der Senior President und die jeweiligen Kammerpräsidenten maßgeblichen Einfluss darauf haben sollen, wie mit Präjudizien umgegangen wird, da matters of precedent dort als eine der Materien genannt sind, die durch practice directions geregelt werden sollen.2573 Da der TCEA 2007 c.15 dem Senior 2571 Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 6.23: »The second option, that the secondtier tribunals should be constituted superior courts of record, has two disadvantages. First, it has been argued that the informality of tribunal procedure, and the importance to their jurisdictions of full and frank disclosure of all relevant facts, might make contempt powers inappropriate. Secondly, giving the appellate tribunals status as superior courts would undoubtedly blur the clear distinction we seek to draw between the new system and the courts. This problem does not arise, at least in the same form, with the [Employment Appeal Tribunal], given its status as in essence a court hearing disputes between parties, albeit a peculiarly constituted and specialist one.« 2572 Damit hat der Gesetzgeber nicht dem Vorschlag des Leggatt Review (zu diesem siehe oben, Fn. 2569) entsprochen, selbst bereits ausdrückliche, gesetzliche Bestimmungen in den TCEA 2007 c.15 zur Regelung der Präjudizwirkung von Entscheidungen des UT aufzunehmen. 2573 Siehe Explanatory Notes, TCEA 2007 c.15, para. 150: »Section 23 provides the Senior President with the statutory authority to supplement Tribunal Procedure Rules by means of practice directions. These directions may (for example) take the form of guidance, interpretation of the law, matters of precedent or the delegation of judicial functions to senior members.« Der Gesetzgeber geht ferner davon aus, dass die Möglichkeit des Senior President bzw. der jeweiligen Kammerpräsidenten »practice directions« gem. s.23 TCEA 2007 c.15 zu erlassen, diesen auch ermöglichen soll, die Frage nach der Bindungswirkung von Entscheidungen für das UTselbst zu regeln. Insb. s.23(6) TCEA 2007 c.15 geht offenbar
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President zugleich vorschreibt, zuförderst die accessibility der tribunals sicherzustellen,2574 wird auf diesem Wege letztlich das vom Leggatt Review angestrebte Ergebnis einer Selektion von Entscheidungen als Präjudizien durch das UT auch ohne ausdrückliche Vorschriften des Gesetzes erzielt, indem die konkrete Umsetzung dem Senior President letztlich zur Aufgabe gemacht wird. Bisher hat der Senior President in Anwendung dieser Kompetenzen ein practice statement publiziert, aus dem sich ergibt, wie Entscheidungen von FtT und UTeiner Veröffentlichung zugeführt werden, und wie sie zu zitieren sind.2575 Außerdem wurde etwa für die AAC ein Editorial Board geschaffen, welches die Aufgabe hat, Entscheidungen als besonders wichtig in eine eigene Sammlung aufzunehmen; als veröffentlichungswürdig werden dabei insbesondere solche Entscheidungen angesehen, die eine Rechtsfrage zum ersten Mal klären, eine frühere, veröffentlichte Entscheidung abändern oder durch die Entscheidung ein bestehendes Rechtsprinzip von einem Bereich in einen anderen transferiert wird.2576 Aber auch die Entscheidungen anderer Kammern des UT werden selektiv, vor allem im Internet veröffentlicht, wenn sie als besonders wichtig angesehen werden.2577 Obgleich die Bindungswirkung von Entscheidungen des UT nicht im Gesetz geregelt ist, ist damit unzweifelhaft, dass das FtT und alle anderen erstinstanzlichen tribunals, deren Entscheidungen einer Überprüfung durch das UT zu-
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davon aus, dass die Präsidenten selbst entscheiden können, wie eine bestimmte Rechtsfrage innerhalb des tribunal zu behandeln ist. Soweit ersichtlich ist eine solche practice direction bisher nicht ergangen – abgesehen von einer Regelung im Zusammenhang mit country guidance-cases (IAC-FtT/IAC-UT-PS, para. 11). Siehe s.2(3)(a) TCEA 2007 c.15. Wie sich aus Explanatory Notes TCEA 2007 c.15, para. 39 ergibt, soll sich der Senior President bei der Wahrnehmung seiner Kompetenzen an den »long-standing principles« orientieren, die der Franks Report schon 1957 erstmals artikulierte. Auch der Franks Report hatte dabei gefordert, dass zweitinstanzliche tribunals in die Lage versetzt werden sollten, selbst selektiv Präzedenzfälle zu veröffentlichen, um so eine einheitliche Rechtsanwendung durch die unteren tribunals sicherzustellen; siehe Franks, Report on Tribunals (Cmnd.218), 1957, para. 102. Siehe Senior President of Tribunals, Practice Statement – Forms of Decisions and Neutral Citation FtT and UT, 2008. Daraus ergibt sich, dass Entscheidungen des UT unter einer einheitlichen Nummer veröffentlicht werden und des Weiteren Entscheidungen des FtT auf Veranlassung des jeweiligen Kammerpräsidenten dem UT zur Veröffentlichung zugeführt werden können. Eine genaue Beschreibung der Kriterien, nach denen Entscheidungen des UT veröffentlicht werden, findet sich in den »Guidelines for Reporting«, die vom Editorial Board veröffentlicht wurden; siehe Editorial Board Tribunals, Guidelines for Reporting, Stand: Sept. 2010. So sind etwa weiterhin starred decisions (hierzu siehe bereits oben, bei Fn. 2568) verfügbar sowie bestimmte, für besonders wichtig befundene Entscheidungen im Steuerrecht. Die Entscheidungen der einzelnen Kammern des UT und einzelner Sachbereiche innerhalb des FtT sind abrufbar im Internet unter : http://www.judiciary.gov.uk/media/tribunal-de cisions/?wbc_purpose=Basic& WBCMODE=PresentationUnpublished.rss, besucht am: 06. 09. 2011.
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gänglich sind, an dessen frühere Entscheidungen gebunden sind.2578 Dies entspricht damit zugleich der Praxis und Rechtsprechung vor allem der Social Security Commissioners2579 sowie vereinzelten Gerichtsentscheidungen, nach denen bei mehrinstanzlichen tribunals, die in einem hierarchischen Verhältnis zueinander standen, die allgemein anerkannten Regeln des judicial precedent angewandt wurden.2580 Auch zur Frage, inwieweit das UT selbst an seine eigenen, früheren Präjudizien gebunden ist, finden sich bereits erste Entscheidungen, in denen das UT an die Praxis der alten Social Security Commissioners anknüft, die wiederum der oben beschriebenen Herangehensweise innerhalb der Queen’s Bench Division nachempfunden ist2581 – d. h. entscheidet das UT in der Form eines Einzelrichters, ist dieser an die Entscheidungen eines früheren Kollegialorgans gebunden; frühere Entscheidungen von Einzelrichtern sind für spätere Einzelrichter nur im Rahmen der »richterlichen Höflichkeit« bindend, d. h. nur insoweit, wie letzterer die Entscheidung von ersterem nicht für evident falsch hält.2582 Für Entscheidungen der tribunals, die vom UT abgelöst werden, wird erwartet, dass diese keine Bindungswirkung für das UT entfalten werden,2583 wenngleich dies – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung noch nicht entschieden ist. (2)
Bindung des Upper Tribunal an vorangegangene Entscheidungen des High Court Inwiefern das UT sich selbst an ältere Entscheidungen des High Court gebunden hält, ist Gegenstand der Entscheidung SSJ v RB.2584 Hier ging es um die Frage, 2578 »In practice, it may not matter whether or not there is a formal rule of precedent. If the Upper Tribunal will set aside a decision that differs in law from one of its decisions, that is precedent in all but name.« Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 13.66 S. 579. 2579 Siehe die Entscheidungen der alten Social Security Commissioners in Chief Adjudication Officer v. Woods, R(DLA) 5/98. 2580 Siehe die Entscheidung des CoA Secretary of State for Work and Pensions v. Menary-Smith [2006] EWCA Civ 1751, para. 24 und 28 per May LJ, in der die Richter bei der Auslegung einer Entscheidung auch die der Lehre vom judicial precedent innewohnende Unterscheidung zwischen »ratio« und »obiter dictum« anwandten; siehe auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 13.66 S. 579. 2581 Siehe oben, bei Fn. 2552. 2582 Siehe die Entscheidungen Dorset Healthcare NHS Foundation v. MH [2009] UKUT 4 (AAC), para. 37 und Secretary of State for Defence v. AD and MM [2009] UKUT 10 (AAC), para. 132, die wiederum auf die Entscheidungen R(I)12/75 der Social Security Commissioners eingingen (die relevanten Passagen sind abgedruckt in Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 13.61); siehe allgemein auch zur Praxis der Social Security Commissioners Buck, CJQ 2006, 25, 458 (473). 2583 Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 13.71 ff. 2584 SSJ v. RB [2010] UKUT 454 (AAC); siehe dazu auch Cooper, Tribunals, 2010, Spring, 20
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inwiefern das UT an Urteile des High Court gebunden ist, die vor den Reformen des TCEA 2007 c.15 in jenen Bereichen ergangen sind, in denen der High Court als Aufsichtsinstanz für tribunals vom UT abgelöst wurde.2585 In dieser Entscheidung regelt das UT auch diese Frage nach jenen Grundsätzen, wie sie für den High Court im Rahmen von JR-Verfahren gelten;2586 mithin sieht es sich selbst nur insoweit an Entscheidungen des High Court gebunden, wie dies die »richterliche Höflichkeit« gebietet und damit nur solange, wie das tribunal nicht zu der Überzeugung gelangt, dass das Präjudiz falsch ist. Das UT nimmt für sich selbst damit ein Gleichordnungsverhältnis mit dem High Court an. Allerdings gilt diese Gleichordnung nach dem UT dort nicht, wo es einen Präzedenzfall des High Court in einem jener hochspezialisierten Sachbereiche anwenden müsste, von dem Lady Hale in der Entscheidung Cooke2587 annahm, dass die tribunals aufgrund der Komplexität des dort geltenden Gesetzesrechts besser zur Beurteilung der sich aus diesem ergebenden Rechtsfragen geeignet seien:2588 Entsprechend ist davon auszugehen, dass die bisher auf Ebene des High Court ergangene Rechtsprechung insb. auf den Gebieten des Sozialrechts2589 sowie des Asylrechts2590 für künftige Entscheidungen des UT keine Bindungswirkung mehr haben wird, zumindest sofern diese Fragen aufwerfen, die unmittelbar mit der Handhabung des komplexen materiellen Gesetzesrechts zusammenhängen. Bisher noch nicht geklärt, aber höchstwahrscheinlich genauso zu beurteilen ist die Frage, welche Bindungswirkung Entscheidungen des High Court für das UT entfalten können, die im Wege des JR erlassen wurden.2591 Aus der Rechtsprechung der alten Social Security Commissioners ergab sich bisher, dass den JR-Urteilen des High Court keine direkte Bindungswirkung für spätere Ent-
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S. 20 (20). Bei dieser Entscheidung handelt es sich um die Fortsetzung des Verfahrens, welches bereits Gegenstand der Entscheidung R. (RB) v. First-tier Tribunal (Review) [2010] UKUT 160 (AAC) war (zu dieser Entscheidung siehe bereits oben, bei Fn. 2163). Diesmal allerdings gelangt diese auf dem richtigen, prozessualen Pfad – nämlich im Wege des appeal – zum UT. Wie gezeigt hat das UT den High Court etwa im Bereich des Steuerrechts (siehe oben, bei Fn. 1545) oder im Bereich des Unterbringungsrechts als Überprüfungsinstanz für Entscheidungen abgelöst. Das UT nimmt ausdrücklich Bezug auf die Entscheidung Huddersfield Police Authority v. Watson [1947] KB 842, 848, per Goddard CJ (siehe schon oben, Fn. 2553). Dazu siehe oben, bei Fn. 2347. SSJ v. RB [2010] UKUT 454 (AAC), para. 41. Die Folge des besonderen Expertenwissen der tribunals auf dem Gebiet des Sozialrechts waren ja gerade Gegenstand der Entscheidung Cooke; siehe oben, bei Fn. 2347. Zur Übertragung der Überlegungen aus der Entscheidung Cooke auf das Gebiet des Asylrechts siehe oben, bei Fn. 2353ff. Gemeint ist hier nur die Präzedenzwirkung, nicht die Wirkung im einzelnen Fall – diese versteht sich von selbst.
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scheidungen der Social Security Commissioners zu entnehmen sei:2592 Dieser Beurteilung lag die Auffassung zu Grunde, dass der High Court im Rahmen seiner supervisory jurisdiction, was die Beurteilung materieller Rechtsfragen angeht, eine gleichgeordnete Zuständigkeit habe2593 – entsprechend könnte demnach die jetzige Auffassung des UT zur Bindung an alle anderen Entscheidungen des High Court auch auf Entscheidungen im Wege des JR zu übertragen sein.2594 (3)
Künftig mögliche Wirkung von Entscheidungen des Upper Tribunal gegenüber dem High Court(?) Angesichts der dargestellten Rechtsprechung des UT zu den Wirkungen von Entscheidungen des High Court gegenüber dem UT stellt sich die Frage, ob nicht auch Entscheidungen des UT unter Umständen für den High Court eine Bindungswirkung entfalten können und wenn ja, welche.2595 Da die Zuständigkeiten des UT durch die gesetzlichen appeal-Klauseln genau festgelegt sind und der High Court in aller Regel den JR nicht ausübt, wo ein spezieller Rechtsbehelf besteht, wird sich diese Frage wohl am wahrscheinlichsten in jenem Bereich stellen, in dem schon nach dem TCEA 2007 c.15 eine konkurrierende Zuständigkeit zwischen UT und High Court besteht, nämlich im Falle des abgeleiteten »JR«:2596 So wäre etwa vorstellbar, dass vom UT in einem Verfahren des gesetz2592 Dies ergibt sich etwa aus der Entscheidung R(SB) 52/83, para. 12 und R(IS) 15/99, para. 16 ff.; siehe zum Ganzen auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 13.79. Eine entsprechende Rechtsprechung besteht auch beim Employment Appeal Tribunal, welches sich an Entscheidungen eines divisional court nicht gebunden fühlt; siehe die Entscheidung Portec (UK) Ltd v. Morgensen [1976] ICR 396; Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 13.83. 2593 R(IS) 15/99, para. 16 ff. (insb. 19): »I have come to the conclusion that decisions on substantive points of social security law made by the High Court in exercise of its supervisory jurisdiction are all to be regarded as being made in a jurisdiction co-ordinate with that of Commissioners and that I should take the same approach to them as would a single judge of the High Court. I consider that I am not bound to follow a decision of a single High Court judge but should do so unless convinced that it is wrong. […] On the other hand, like a judge of the High Court, I would regard myself as bound by a decision of a divisional court […] for much the same reasons that I am bound by a decision of a Tribunal of Commissioners.« 2594 Hierzu siehe bereits oben, bei Fn. 2552 – entsprechend bestünde eine direkte Bindung an Entscheidungen des High Court nur im Falle einer Entscheidung des divisional court, die Entscheidung eines Einzelrichters hingegen wäre nur im Rahmen der »richterlichen Höflichkeit« bindend. 2595 Anders als etwa im Falle der Entscheidungen von county courts ist die Zitierung von Tribunalsentscheidungen in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten nicht von vornherein ausgeschlossen; siehe Practice Direction (CA: Citation of Authorities) [2001] 1 WLR 1001. 2596 Denkbar ist allerdings, dass Entscheidungen des UT etwa zur Auslegung bestimmter Gesetzesbestimmungen in einigen Bereichen in anderen Verfahren vor dem High Court
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Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
lichen »JR«, das vom High Court in Ausübung seines Ermessens an das UT transferiert wurde, ein Präjudiz vom UT erlassen wird, auf das sich der Kläger eines späteren, inhaltlich ähnlichen Verfahrens vor dem High Court, das – aus welchen Gründen auch immer – nicht an das UT verwiesen wird, beruft.2597 Wie diese Frage beantwortet werden könnte, ist völlig offen: Der bisherigen Rechtsprechung zu Fällen gleichzeitig bestehender, konkurrierender Zuständigkeit zwischen dem High Court und einem anderen Spruchkörper2598 lässt sich entnehmen, dass Entscheidungen des High Court für den jeweils anderen Spruchkörper Bindungswirkung entfalten – sowohl, was die Anwendung der Prinzipien des JR durch ein tribunal angeht,2599 als auch hinsichtlich der Auslegung materiellen Rechts haben die Gerichte in der Vergangenheit festgestellt, dass frühere Urteile des High Court für einen anderen, jeweils niederen Spruchkörper bindend sind.2600
2597
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2599 2600
relevant werden könnten: So ist etwa das Szenario möglich, dass eine Entscheidung des UT zur Auslegung einer Bestimmung des Asylrechts in einem Verfahren vor der SIAC, die ja inhaltlich die gleichen Bestimmungen anzuwenden hat, relevant werden könnte. Wird gegen deren Entscheidung dann JR zum High Court eingelegt, könnte sich über diesen Umweg ebenfalls die Frage stellen, welche Wirkung die Entscheidung des UT für die Auslegung der betreffenden Bestimmung durch den High Court haben kann. Die Frage, in welchen Fällen ein Transfer von JR-Verfahren vom High Court an das UT erfolgt, liegt im Ermessen des High Court (siehe dazu oben, bei Fn. 2428). Da dieses Ermessen grds. nicht weiter determiniert ist, ist durchaus denkbar, dass diese Kompetenz im Laufe der Zeit unterschiedlich ausgeübt wird, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Fragen durch das UT entschieden werden, die in einem späteren High CourtVerfahren relevant werden könnten. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem eben geschilderten Fall, dass der High Court eine Zuständigkeit in einem Sachbereich vor dem TCEA 2007 c.15 inne hatte und diese nun vollständig auf das UT übergegangen ist – letzterer Fall ist keine konkurrierende Zuständigkeit, weil sie temporal nicht gleichzeitig besteht. Dazu siehe bereits oben, bei Fn. 2445. Es findet sich bisher insoweit etwa die Entscheidung Aggio v. Howard de Walden Estates Ltd [2008] Ch 26, para. 86 ff. des HoL, in der festgestellt wurde, dass Urteile des High Court Bindungswirkung auf einen county court entfalten, wenn beiden vom Gesetz eine konkurrierende Zuständigkeit übertragen wurde. Die dieser Entscheidung zu Grunde liegende »konkurrierende Zuständigkeit« leitet sich ab aus s.90(3) des Leasehold Reform, Housing and Urban Development Act 1993 c.28 und ergab sich daraus, dass Streitigkeiten nach ein und demselben Gesetz aufgrund unterschiedlichen Streitwertes entweder beim county court oder beim High Court anhängig gemacht werden konnten. In diesem Fall entschied das HoL: »The relationship between the High Court and the county court is that of superior court and inferior court and the decisions of the former, whether made on appeal or at first instance, are binding on the latter. […] This principle serves the interests of legal certainty[…]. The needs of litigants and their advisers to know where they stand is not served if a lower court is free to create a conflict of authority by declining to follow the relevant decision of a higher court. […]. The Chancery Division of the High Court does not cease to be a higher court than the county court when it exercises the same first instance jurisdiction as has been conferred on the county court by the Leasehold Reform Acts. The fact that both the High Court and the county court are courts of first instance
Die formale Stellung des Upper Tribunal als superior court of record
493
Dass daraus nun der Schluss gezogen werden müsste, dass in umgekehrter Richtung im jetzigen Verhältnis zwischen High Court und UT bei den jetzt möglichen, abgeleiteten »JR«-Verfahren keine Bindungswirkung entstehen könne, scheint zumindest nicht zwingend:2601 Wo der High Court etwa ursprünglich ein Verfahren in Ausübung seines Ermessens an das UT transferiert hat, weil er dieses aufgrund des besonderen Sach- und Fachwissens seiner Mitglieder für besser geeignet hielt, ein Verfahren zu entscheiden, wäre es wohl widersprüchlich, in einem späteren Verfahren, in dem die gleiche Streitfrage aufgeworfen wird, die Entscheidung des spezialisierten UT zu ignorieren.2602 Angesichts der Rechtsprechung in Folge der Entscheidung Cooke – so sie denn noch Anwendung findet2603 – wäre es vielmehr nur konsequent, in diesen Bereichen den Entscheidungen des UT auch in späteren Verfahren Respekt entgegen zu bringen und sie, soweit es die »richterliche Höflichkeit« gebietet, zu berücksichtigen. Diese Herangehensweise entspräche derjenigen, die das UT bereits für seine eigene Bindung an frühere Entscheidungen des High Court annimmt. Gegenwärtig ebenfalls noch nicht absehbar ist im Übrigen auch, wie es sich auf die Bindungswirkung von Entscheidungen des UT auswirken wird, wenn dessen Spruchkörper nicht nur mit High Court-Richtern sondern Richtern des CoA als ex officio-Mitglieder des UT besetzt sind; die Frage, ob in solchen Fällen der Status der den Spruchkörper bildenden Richter einen Einfluss auf die Bindungswirkung der Entscheidung haben kann oder ob einzig der Status der Institution maßgeblich ist, ist im Grunde noch völlig offen.2604
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2602
2603 2604
exercising the same statutory jurisdiction does not justify the creation of an exception to the general rule of stare decisis […].« Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 13.85 allerdings geht – wenngleich auch ohne nähere Begründung – unter Berufung auf die oben, in Fn. 2600 genannte Entscheidung des HoL davon aus, dass auch für das UT im Rahmen seiner Kompetenz zum abgeleiteten »JR« eine starre Bindung an Entscheidungen des High Court bestünde; das würde eine entsprechende Bindungswirkung in umgekehrter Richtung wohl ausschließen. Zugegebenermaßen verkleinert die Überlegung, dass das Expertenwissen der tribunals letztlich der Grund für eine Bindung des High Court sein müsste, zugleich die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Fall tatsächlich einmal auftreten wird – denn wie sich ja bisher abzeichnet, finden Transfers von Verfahren vom High Court an das UTmeist gerade dort statt, wo das UT durch sein Expertenwissen besonders geeignet ist, den Fall zu entscheiden; sofern dieses Wissen nach Auffassung der Gerichte weiterhin vorhanden ist, werden auch weiterhin Transfers zum UT stattfinden. Zu dieser Frage siehe unten, VIII.C.6.c), S. 536. Siehe Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 13.86. Genauso problematisch sind die Fragen, die hinsichtlich der Bindungswirkung von Entscheidungen des UT im Zusammenhang mit den devolutionsbedingten Unterschieden in seinen Zuständigkeiten entstehen können. Auch hierzu ist noch nicht ersichtlich, wie die Rechtsprechung damit umgehen wird.
494
B.
Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
Zusammenfassung zur formalen Stellung des Upper Tribunal
Formal betrachtet stehen High Court und UT in vielerlei Hinsicht auf einer Stufe – beide haben den Status als superior court of record mit der Konsequenz, dass dem UT genau wie dem High Court die Möglichkeit zur Ahndung des contempt in die Hand gegeben ist. Auch hinsichtlich der Wirkung seiner Präzedenzentscheidungen steht das UT auf einer Stufe mit dem High Court, da es wie dieser faktisch bindende Präzedenzfälle für alle unteren Instanzen erlassen kann, zugleich aber gegenüber früheren Entscheidungen des High Court zum materiellen Recht grds. ein Gleichordnungsverhältnis einnimmt. Im Hinblick auf Präjudizien aus JR-Verfahren ist dies zwar bisher in der Rechtsprechung ausdrücklich nur für die Social Security Commissioners entschieden, die das UT abgelöst hat; da das UT jedoch mit der Entscheidung SSJ v RB2605 grds. an die Rechtsprechung der Social Security Commissioners angeknüpft hat, ist wohl anzunehmen, dass auch in anderer Hinsicht die bisherige Praxis dieses tribunal übernommen werden wird mit der Folge, dass materiellrechtliche Ausführungen des High Court in einer JR-Entscheidung keine Bindungswirkung für spätere Entscheidungen des UT haben werden. In jenen Bereichen, in denen Gerichte infolge der Rechtsprechungslinie seit der Entscheidung Cooke aufgrund des besonderen Expertenwissens der tribunals richterliche Selbstbeschränkung hinsichtlich der Kontrolle der Entscheidungen des UT üben, nimmt das UT für sich eine vorrangige Stellung gegenüber dem High Court in Anspruch. Allerdings stellt sich dabei mittlerweile die Frage, ob auch die Höchstgerichte diese Selbsteinschätzung des UT teilen werden. Wie sogleich noch gezeigt wird, erweckten jüngst Äußerungen in der Rechtsprechung den Eindruck, die Merkmale von tribunals, welche die Rechtsprechungslinie Cooke bisher rechtfertigten, könnten durch die Reformen des TCEA 2007 c.15 weggefallen sein.2606 Ein herausragendes Merkmal des UT nach dem TCEA 2007 c.15 ist, dass seine Entscheidungen selektiv veröffentlicht werden und dass diese Selektion innerhalb der Sphäre des UTselbst geschieht. Das UT hat damit die Möglichkeit, aktiv zur Klärung und Vereinheitlichung des von ihm anzuwendenden Rechts beizutragen, nicht nur gegenüber dem FtT und den anderen tribunals, deren Entscheidungen es kontrollieren kann, sondern auch gegenüber den Behörden, die das Recht anzuwenden haben, und dem Bürger, der sich vor den tribunals – entsprechend dem Ideal der accessibility – möglichst selbstständig auf die Präjudizien des UT berufen können soll. Es hat damit das gleiche Potential, eine 2605 Siehe oben, bei Fn. 2584. 2606 Siehe dazu unten, VIII.C.6.c)(1), S. 536.
Überprüfung von Entscheidungen des Upper Tribunal
495
Schlüsselrolle bei der Entwicklung des Rechts innerhalb seiner Zuständigkeit einzunehmen, wie es zuvor auch die Social Security Commissioners innehatten, allerdings mit dem Unterschied, dass die Zuständigkeiten des UT von vornherein wesentlich umfassender sind und die verschiedensten Sachbereiche umfassen.
C.
Überprüfung von Entscheidungen des Upper Tribunal im Rahmen der supervisory jurisdiction des High Court
Letztlich wichtigstes Indiz für die Stellung des UT gegenüber dem High Court ist, inwiefern dieser in der Lage ist, Entscheidungen des UT zu kontrollieren und aufzuheben. Da gegen Entscheidungen des UT nicht mehr ein appeal zum High Court nach dem Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53,2607 sondern direkt zum CoA geltend gemacht werden kann, der High Court also gleichsam nicht in den vom TCEA 2007 c.15 vorgesehenen Instanzenzug eingebunden ist, kann eine Nachprüfung von Entscheidungen des UT durch den High Court allenfalls in Ausübung der supervisory jurisdiction geschehen. Als grds. subsidiärer Rechtsbehelf kam der JR in der Vergangenheit zwar in aller Regel2608 nur dort zur Anwendung, wo keine gesetzlich geschaffene Möglichkeit zur Überprüfung von Entscheidungen eines tribunal mehr gegeben war ; dennoch führte der JR in der tribunal landscape, wie sie unmittelbar vor den Reformen durch den TCEA 2007 c.15 bestand, immer wieder dazu, dass Entscheidungen von tribunals durch den High Court korrigiert wurden. Dies geschah etwa in Konstellationen, wo das Gesetz zwar ein zweistufiges Tribunalsverfahren vorsah, das zweitinstanzliche tribunal aber ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Vorinstanz nicht zuließ; hier ermöglichte der JR, diese Nichtzulassungsentscheidung des zweitinstanzlichen Spruchkörpers einer weiteren richterlichen Prüfung zuzuführen: Diese geschah etwa bei den zweistufigen tribunals im Bereich des Sozialrechts2609 oder im Bereich des Asylrechts 2607 Siehe zum generellen appeal-Recht nach dem Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53 bereits oben, bei Fn. 2121. 2608 Es gibt durchaus Entscheidungen, in denen das Gesetz eine appeal-Möglichkeit zum High Court vorgesehen hatte, die Gerichte jedoch befanden, dass der JR besser geeignet sei, eine Rechtskontrolle der Entscheidungen von tribunals sicherzustellen, als das vom Gesetz selbst vorgesehene Verfahren: Siehe etwa die Entscheidung Bone v. Mental Health Review Tribunal [1985] 3 All ER 330: Hier ging das Gericht davon aus, dass der JR als Kontrollmechanismus besser geeignet sei, als das vom Gesetz selbst vorgesehene case statedVerfahren (zu diesem siehe schon oben, Fn. 826). 2609 Siehe etwa die Entscheidung Re Wooding, Wooding v. Secretary of State for Social Services [1984] 1 WLR 348: Hier hatte ein Social Security Commissioner die nach dem Gesetz notwendige permission für einen appeal zu sich selbst gegen eine Entscheidung eines
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Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
vor der Umwandlung des IAT in das AIT.2610 Wo vom Gesetzgeber selbst keine Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde oder eines ähnlichen Rechtsbehelfs vorgesehen war,2611 blieb dem beschwerten Kläger nur der Rückgriff auf den JR. Diese Ausgangssituation kann sich gegenwärtig auch im Rahmen der tribunals des TCEA 2007 c.15 ergeben, wenn das UT die permission to appeal zu sich selbst gegen eine Entscheidung des FtT versagt, was als excluded decision keiner weiteren Prüfung zugänglich ist. Die Frage nach dem heutigen Anwendungsbereich der supervisory jurisdiction auf derartige Entscheidungen des UT war deshalb bereits Gegenstand mehrerer höchstgerichtlicher Verfahren, die im Folgenden dargestellt werden sollen. Die insoweit zentralen Entscheidungen des Supreme Court waren die verbundenen Rechtssachen Cart und MR2612, die Sachverhalte betrafen, die nach englischem Recht zu entscheiden waren, sowie die Rechtssache Eba,2613 welche ursprünglich vor schottischen Gerichten anhängig gemacht wurde, weshalb darauf gesondert einzugehen ist.
1.
Ausgangslage in den Entscheidungen Cart und MR und vom Supreme Court zu beantwortende Fragen
In der Entscheidung Cart wandte sich der Kläger vor dem FtT gegen die Weigerung der CSA, den Umfang des von ihm zu leistenden Kindesunterhalts zu verändern.2614 Die Sache MR hingegen hatte die Abschiebung eines Asylbewerbers zum Gegenstand.2615
2610 2611 2612 2613 2614
2615
Attendance Allowance Board versagt. Da gegen die Versagung der permission kein eigener gesetzlicher Rechtsbehelf vorgesehen war, blieb dem Kläger nur noch die Geltendmachung des JR gegen diese Entscheidung. Aus dieser Entscheidung, die permission to appeal zu versagen, erwuchs ein Rechtsstreit, der letztlich durch das HoL entschieden wurde. Siehe etwa die Entscheidung R. v. Immigration Appeal Tribunal Ex p. Bakhtaur Singh [1986] 1 WLR 910: Hier ging es um die Entscheidung des IAT, die weitere Überprüfung der Entscheidung eines adjudicators durch das IAT selbst nicht zuzulassen. Im Bereich des IAT wurde durch den s.101(2) Nationality, Immigration and Asylum Act 2002 c.41 ein Mechanismus geschaffen, der im Wesentlichen die Funktion einer Nichtzulassungsbeschwerde hatte; siehe dazu auch unten, Fn. 2652. Beide Entscheidungen werden hier zusammen zitiert als R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28. Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29. Insb. wandte der Kläger sich gegen die Tatsache, dass die beklagte Behörde ihn nicht rechtzeitig davon informiert hatte, die Höhe des von ihm geschuldeten Kindesunterhalts zu variieren. Daneben machte der Kläger noch vier weitere Klagegründe geltend, hinsichtlich derer die permission to appeal durch das UT gewährt wurde und hinsichtlich derer das UTein Endurteil erließ ([2009] UKUT 62 (AAC)); siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 3 ff. per Hale LJ. Kläger dieses Verfahrens war ein Pakistaner, der mit einem Besuchervisum in das Vereinigte Königreich eingereist war und Asyl beantragt hatte mit der Begründung, er sei zum
Überprüfung von Entscheidungen des Upper Tribunal
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Gegen die jeweiligen Ausgangsentscheidungen hatten sich die Kläger zunächst jeweils an das FtT gewandt, welches zu Gunsten der jeweiligen Beklagten befand: Beide Kläger beantragten daraufhin die Gewährung der permission to appeal erfolglos sowohl beim FtT und sodann beim UT. Damit hatten beide Kläger die vom TCEA 2007 c.15 vorgesehenen Rechtsmittel ausgeschöpft und beantragten deshalb permission für die Durchführung eines JR-Verfahrens zur Überprüfung der Entscheidung des UT, die permission to appeal zu sich selbst zu versagen.2616 Die Klage in der Sache Cart war dabei zeitlich zuerst eingelegt worden2617 und die darin aufgeworfenen Fragen erfuhren eine umfassende Würdigung durch den High Court2618 und den CoA,2619 auf die der Supreme Court in seinem Urteil Bezug nahm; daher wird im Folgenden vor allem auf diese Entscheidung eingegangen. Aufgrund der geschilderten prozessualen Ausgangslage befassten sich alle Gerichte vor allem mit der – letztlich vorgelagerten – Frage,2620 ob der JR durch den High Court auf Entscheidungen des UT überhaupt anwendbar sei. Insoweit waren verschiedene Lösungen denkbar, die von den Instanzgerichten und dem Supreme Court zu prüfen waren:
2616 2617
2618 2619 2620
Christentum übergetreten. Der Asylantrag wurde abgelehnt mit der Begründung, dass die Konvertierung nicht ernstlich gewollt, er also kein »genuine convert« sei. Der hiergegen eingelegte appeal des Klägers zum FtT blieb erfolglos, genauso wie der Antrag auf Gewährung der permission to appeal an das FtT. Der Kläger erneuerte daraufhin seinen Antrag auf Gewährung der permission direkt an das UT, wo es durch einen High CourtRichter als Einzelrichter der IAC-UTabgelehnt wurde; siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 5 ff. per Hale LJ. Siehe die Darstellung des Verfahrensablaufs in den Sachen Cart und MR in R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 3 ff. per Hale LJ. Das Verfahren war dabei erst eingeleitet worden, nachdem die Rechtssache Cart bereits im gerichtlichen Verfahren in zweiter Instanz vor dem CoA anhängig war – daher konnte der High Court in dieser Sache nach Gewährung der permission gegen seine Entscheidung eine Sprungrevision (»leapfrog-appeal«) zum Supreme Court zulassen, weshalb dieses Verfahren nicht durch den CoA gewürdigt wurde; siehe R. (on the application of MR (Pakistan)) v. Upper Tribunal [2010] EWHC 3558 (Admin), para. 1 ff. per Sullivan LJ. Die Entscheidung des High Court, dessen Argumentation sich der Supreme Court an einigen Stellen zu eigen macht, wird zitiert als R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052. Dieses Urteil wird zitiert als R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2010] EWCA Civ 859. Wäre der Supreme Court zu dem Ergebnis gekommen, dass der JR nicht anwendbar ist, wäre das ganze Verfahren von vornherein nicht möglich gewesen – daher wurde die eigentlich im Raum stehende Frage vom Gericht als Vorfrage behandelt; siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 4 per Laws LJ.
498 a)
Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
Vollständige Immunität des Upper Tribunal gegenüber dem judicial review?
In der Sache Cart2621 wurde in erster Instanz vor dem High Court von Seiten des beklagten Ministers2622 noch vorgetragen, dass die Durchführung des JR zur Prüfung von Entscheidungen des UT generell nicht statthaft sei – das UT als superior court of record sei gegenüber einer Überprüfung seiner Entscheidungen im Wege des JR durch den High Court gänzlich »immun«.2623 Diese Auffassung stützte sich auf verschiedene Präzedenzfälle, in denen Gerichte geäußert hatten, dass Entscheidungen von Spruchkörpern, die den formellen Status eines superior court of record inne haben, nicht zum Gegenstand einer Prüfung im Wege des JR gemacht werden könnten.2624 2621 Die Rechtssache Cart war auf Ebene des High Court noch mit zwei weiteren Rechtssachen verbunden; siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 1 per Laws LJ. Es handelte sich bei den beiden weiteren Verfahren um Kläger (XC und U), welchen die Ablehnung bzw. nachträgliche Aufhebung jeweils eines Antrags auf Gewährung der Entlassung aus einer Abschiebehaft abgelehnt worden war. Da es sich bei den Klägern um Terrorverdächtige handelte, hatten diese Klage vor der SIAC eingereicht, die die Klage jedoch abwies – da gegen Entscheidungen der SIAC kein weiteres Rechtsmittel vom Gesetz vorgesehen ist, beantragten die Kläger nun die Durchführung des JR durch den High Court. Dort wurden diese beiden Verfahren mit der Rechtssache Cart verbunden, weil auch in den Verfahren von XC und U die Frage aufgeworfen wurde, ob die Durchführung des JR dadurch gehindert sei, dass die SIAC vom Gesetz (s.1(3) Special Immigration Appeals Commission Act 1997 c.68) als »superior court of record« bezeichnet werde – eine Frage, die zumindest auf Ebene des High Court auch in dem Verfahren Cart zentral war ; siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 17 – 25 per Laws LJ. 2622 Strenggenommen war das UT selbst Verfahrenspartei, dieses nahm jedoch am Verfahren vor dem Supreme Court nicht vertreten durch einen eigenen Prozessvertreter teil; der für die Beklagtenseite aufgetretene Prozessvertreter vertrat nur den Innenminister und CMEC; siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 9 per Hale LJ. 2623 Die Wiedergabe der Argumente des Beklagten in R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 28 per Laws LJ. 2624 Siehe etwa R. v. Regional Office of the Employment Tribunals (London North), Ex p. Toyin Sojirin (unrep.) per Sedley LJ: »So far as the Employment Appeal Tribunal is concerned, it is a superior court of record against which judicial review simply does not lie.«; Chessington World of Adventures v. Reed, Ex p. News Group Newspapers Ltd [1998] IRLR 56 (EAT) per Morison J: »Because the Employment Appeal Tribunal is a superior court of record, its proceedings and decisions are not susceptible to a challenge by way of judicial review.«; Director General of Fair Trading v. Proprietary Association of Great Britain (unrep.), per Phillips MR: »The Restrictive Practices Court is a superior court of record and, in consequence, its decisions are not subject to judicial review by the High Court«; R. v. Chief Bankruptcy Registrar, Ex p. Klibansky (unrep.), per Morritt LJ »[I]mmunity from restraint by the order of any other court […] is the hallmark of the superior courts of record whose decisions may be appealed but cannot be reviewed.«; DPP v. Crown Court at Manchester [1993] 1 WLR 1524 (1527 f.) per Browne-Wilkinson LJ: »The assize courts, being superior courts of record, were not subject to the prerogative writs.« Auch in der
Überprüfung von Entscheidungen des Upper Tribunal
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Das Argument, eine Überprüfung von Entscheidungen des UT sei im Wege des JR allein aufgrund von dessen Bezeichnung als superior court of record ausgeschlossen, lehnte jedoch bereits der High Court ab: Das Gericht argumentierte zum einen, dass ein gänzlicher Ausschluss des JR über Entscheidungen des UT, allein aufgrund seiner Bezeichnung als superior court of record schon deshalb nicht möglich sei, weil eine derartige Rechtsauffassung der gefestigten Judikatur zu ouster clauses zuwider liefe. Der JR könne schließlich nur dort ausgeschlossen sein, wo der Gesetzgeber dies »in the most clear and explicit words« deutlich mache, nicht aber durch die bloße Bezeichnung eines Spruchkörpers.2625 Um dieses Argument noch weiter zu unterfüttern, stellte das Gericht sodann die Frage nach der wahren Bedeutung der Bezeichnung des UT2626 als superior court of record und analysierte, unter welchen Umständen es in der Vergangenheit vorgekommen sei, dass die Ausübung der supervisory jurisdiction auf Literatur war vertreten worden, der JR sei durch die Bezeichnung des UT als »superior court of record« ausgeschlossen; siehe unten, Fn. 2774. 2625 Siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 31 unter Verweis auf die Entscheidung R. v. Medical Appeal Tribunal Ex p. Gilmore [1957] 1 QB 574, 583 per Denning LJ. Der besagten Rechtsprechung liege das Argument zu Grunde, dass die Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit erfordere, dass ein Ausschluss des JR stets dort unmöglich sei, wo das Parlament nicht einen, dem High Court ebenbürtigen Spruchkörper – und damit ein »alter ego« des High Court – geschaffen habe, der dessen Stelle einnehmen könne. Der Argumentationsgang des Gerichts ist dabei folgender : Das Prinzip der rule of law erfordere, dass Gesetzesrecht stets durch eine, von allen anderen Teilgewalten unabhängige Instanz interpretiert werde. Dies sei deshalb erforderlich, weil ohne eine solche Instanz die Wirksamkeit gesetzlicher Bestimmungen eingeschränkt sei: »The principle I have suggested has its genesis in the self-evident fact that legislation consists in texts. Often – and in every case of dispute or difficulty – the texts cannot speak for themselves. Unless their meaning is mediated to the public, they are only letters on a page.« Um die Effektivität dessen, was das Parlament als Gesetzgeber in seinen Gesetzen niederlegt, sicherzustellen, sei es dem Parlament nicht möglich, den JR auszuschließen, wo es infolge dieses Ausschlusses an einer Instanz fehlen würde, welche die Interpretation und Vermittlung des Gesetzesrechts übernehmen könne: »If the meaning of statutory text is not controlled by such a judicial authority, it would at length be degraded to nothing more than a matter of opinion. Its scope and content would become muddied and unclear. Public bodies would not, by means of the judicial review jurisdiction, be kept within the confines of their powers prescribed by statute. The very effectiveness of statute law, Parliament’s law, requires that none of these things happen. Accordingly, as it seems to me, the need for such an authoritative judicial source cannot be dispensed with by Parliament.« Da der High Court das beste Beispiel für eine solche Instanz sei, könne mithin das Parlament nur dort dessen Zuständigkeit ausschließen, wo eine andere Instanz an dessen Stelle trete, die zu dessen »alter ego« gereiche; vgl. R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 37 f. per Laws LJ. Den Begriff des »alter ego« verwendet das Gericht später erneut bei der Frage, ob – unabhängig vom vermeintlichen Ausschluss der Anwendbarkeit des JR durch die reine Bezeichnung eines Spruchkörpers als »superior court of record« – die Nichtanwendung des JR auf einen Spruchkörper aufgrund von dessen tatsächlichen Eigenschaften gerechtfertigt sein kann. 2626 Und SIAC, um welche es ja in dem Parallelverfahren ging; siehe oben, Fn. 2621.
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Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
bestimmte Spruchkörper aufgrund von deren Natur als superior courts of record für ausgeschlossen gehalten wurde. Nach einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit der geschichtlichen Entwicklung der supervisory jurisdiction des High Court seit der curia regis und der Anwendung der prerogative writs bzw. des JR auf andere Spruchkörper,2627 kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der JR grds. nur dort ausgeschlossen worden sei, wo es um die Überprüfung von Entscheidungen von Spruchkörpern ging, die über eine universelle, unbegrenzte Zuständigkeit verfügten.2628 Dies sei beim UT nicht der Fall, denn dieses verfüge zwar über eine sehr weite Zuständigkeit, sogar für die Durchführung des gesetzlichen »JR« – diese Zuständigkeiten seien jedoch letztlich durch die Vorgaben des Gesetzes begrenzt und damit nicht universell wie die des High Court.2629 Entsprechend sei der vollständige Ausschluss des JR gegenüber dem UT nicht möglich.2630 In den späteren, englischen Instanzen wurde das Argument des völligen Ausschlusses von Seiten der Beklagten nicht mehr vorgebracht; der Supreme Court äußerte sich hierzu also nur noch insoweit, als dass er die Argumente, die
2627 Siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 44 – 53 per Laws LJ 2628 Im Anschluss an seine Darstellungen zur geschichtlichen Entwicklung des High Court kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der High Court als Nachfolger jener common law-Gerichte, die er ablöste, eine grundsätzlich uneingeschränkte Zuständigkeit besitzt. Kennzeichen der Gerichte und tribunals, auf welche die prerogative writs anwendbar seien, sei demgegenüber, dass sie nur für einen bestimmten Fragenkreis zuständig seien. Gerade diese Eigenschaft einer begrenzten Zuständigkeit rechtfertige die Anwendung der prerogative writs auf diese Spruchkörper: »The true contrast is between the High Court on the one hand and courts of limited jurisdiction on the other, and it is clear to my mind that the references (of which there are several) to ›inferior courts‹ means, simply, courts of limited jurisdiction. […] The High Court as a court of unlimited jurisdiction cannot be subjected to review. On the other hand courts whose jurisdiction is limited will generally be so subject: they will be amenable to higher judicial authority – the High Court – to fix the limits of their authority […] Some courts are liable to judicial review and some are not, in most cases because some courts possess only a limited jurisdiction and some do not. Unreviewable courts of limited jurisdiction are exceptional.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 68 und 72 per Laws LJ. 2629 »Both institutions [SIAC and the UT] possess limited jurisdictions, although in the case of UT, by force in particular of the ›judicial review‹ provisions […], the limits are cast very wide, and I shall have more to say about that. Nevertheless, like SIAC, it owns only the jurisdiction given to it by statute.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 77 per Laws LJ. 2630 »Accordingly, even if I were not satisfied (for reasons I have given in section IV(1) of this judgment) that the formulae of ss.1(3) and 3(5) are incapable in principle of negating the power of judicial review over SIAC and UT, I would hold that in the particular case they cannot in any event do so.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 73 per Laws LJ.
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den High Court zur Ablehnung eines vollständigen Ausschlusses des JR bewogen hatten, nochmals bestätigte.2631 b)
Anwendungsbeschränkung des judicial review?
Nachdem ein vollständiger Ausschluss des JR damit bereits auf Ebene des High Court gescheitert war, stellte sich für den Supreme Court letztlich die Frage, ob die Überprüfung von Entscheidungen des UT im Wege des JR zumindest in einer nur eingeschränkten Form stattfinden müsste und wenn ja, welcher Gradmesser für diese Beschränkung anzuwenden sei. Dem Supreme Court boten sich insoweit drei verschiedene Möglichkeiten:2632 (1) Einschränkung des judicial review durch den pre-Anisminic-Ansatz Beide Vorinstanzen waren – wenngleich mit unterschiedlichen Begründungen2633 – zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Kontrolle der Entscheidungen des UT im Wege des JR auf die Überprüfung von Fehlern begrenzt werden müsse, die als jurisdictional error im Sinne der Rechtsprechung zu begreifen wären, welche vor der Aufgabe der Unterscheidung zwischen jurisdictional error
2631 »First, there is nothing in the 2007 Act which purports to oust or exclude judicial review of the unappealable decisions of the Upper Tribunal. Clear words would be needed to do this and they are not there. The argument that making the Upper Tribunal a superior court of record was sufficient to do this was killed stone dead by Laws LJ and has not been resurrected.« R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 37 per Hale LJ. 2632 R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 38 per Hale LJ. 2633 Der High Court hatte – nachdem er die grds. Anwendbarkeit des JR auf Entscheidungen des UT festgestellt hatte (siehe oben, bei Fn. 2625ff.) – aus einer umfassenden Analyse der Kompetenzen und der Organisation des UT sowie dessen Stellung an der Spitze des Systems des TCEA 2007 c.15 geschlussfolgert, dass das UT ein »alter ego« des High Court sei, was eine Beschränkung der Anwendung des JR auf dessen Entscheidungen erforderlich mache; siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 94 per Laws LJ. Der CoA hingegen war zu dem Schluss gekommen, dass das UT kein solches »alter ego« des High Court darstelle, sondern lediglich Nachfolger der tribunals sei, die es ersetze: »[A]s it seems to us, […] the UT is not an avatar of the High Court at all: far from standing in the High Court’s shoes, […] the shoes the UTstands in are those of the tribunals it has replaced.« R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2010] EWCA Civ 859, para. 20 per Sedley LJ. Jedoch sei das UTaufgrund seiner Stellung an der Spitze des Systems des TCEA 2007 c.15 dennoch mehr als die Summe der Einzelteile, die in ihm aufgegangen sind, was den Schluss rechtfertige, das Parlament habe für den JR die Rolle intendiert, eben jenes System und das UTals dessen Teil in den Grenzen seiner jurisdiction zu halten – dem entspreche eine Beschränkung des JR auf die Überprüfung von »jurisdictional errors«; vgl. R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2010] EWCA Civ 859, para. 42, per Sedly LJ.
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und error within jurisdiction2634 in Folge der Anisminic-Entscheidung bestand – also auf den pre-Anisiminc-Standard im o.g. Sinne (im Urteil des High Court wird statt von pre Anisminic-Standard auch von exceptional circumstances gesprochen).2635 Damit wäre im konkreten Fall der JR nur dort möglich gewesen, wo das UT in seiner Entscheidung, die permission to appeal zu versagen, einen jurisdictional error begangen hätte; nach der Auffassung des High Court wäre dies etwa der Fall gewesen, wenn das UT dem Kläger hierdurch unter Verstoß gegen die rules of natural justice eine Möglichkeit zu einer fairen Anhörung genommen hätte.2636 (2) Keine Einschränkung des judicial review Von Seiten der Klägerin wurde vorgetragen, dass überhaupt keine Einschränkung des JR geboten sei – die Reformen des TCEA 2007 c.15 hätten keine rechtlich relevanten Veränderungen gegenüber der unmittelbar zuvor bestehenden Situation geschaffen, in der die Entscheidungen der Einzeltribunals, die in FtT und UT aufgegangen sind, unproblematisch einer Kontrolle im Wege des JR zugänglich waren.2637 Es seien nach wie vor die gleichen Personen im UT tätig, welche die gleichen Aufgaben ausübten und das gleiche Recht anwendeten, wie es unmittelbar vor deren Transfer in das UT der Fall war. Da vor den Reformen die Überprüfung von deren Entscheidungen mittels des JR unproblematisch möglich gewesen sei, wäre eine veränderte Handhabung des JR nur aufgrund von deren Integration in eine andere Institution nicht gerechtfertigt.2638 Zudem 2634 Siehe zur Unterscheidung zwischen »jurisdictional error« und »error within jurisdiction« bereits oben, II.C.3.a), S. 138. 2635 Siehe für den High Court R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 4 per Laws LJ und para. 97 ff. per Laws LJ; für den CoA R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2010] EWCA Civ 859, para. 42 per Sedley LJ. Beide Entscheidungen nehmen dabei Bezug auf die Entscheidung R. (Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475; zu dieser siehe bereits oben, bei Fn. 590ff. und 596. 2636 Als Beispiel für den Fall der Verletzung des »right to fair hearing« wird in R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 99 per Laws LJ dabei allerdings etwa das Vorliegen eines Falles von »actual bias« genannt, also einer tatsächlich vorliegenden Befangenheit – dies stellt damit eine Qualifikation der sonst geltenden rules of natural justice dar. 2637 Insb. von Seiten des Klägers in dem Verfahren Cart wurde dieses Argument vorgetragen – da es hier um eine sozialrechtliche Entscheidung ging, für deren Erlass vor dem TCEA 2007 c.15 die Social Security Commissioners zuständig gewesen wären, hatte sich tatsächlich insofern nichts außer der Bezeichnung der Entscheidungsträger geändert; vgl. R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 45 per Hale LJ. 2638 In dem Verfahren MR (R (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 46 per Hale LJ) war die Begründung der Kläger dafür, dass sich durch den TCEA 2007 c.15 gegenüber der zuvor geltenden Rechtslage nichts geändert habe, schon schwieriger, war doch durch den TCEA 2007 c.15 die unmittelbar zuvor geltende Situation
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wurde vorgebracht, dass bereits die Selbstbeschränkungen, welche die Gerichte sich für die Gewährung der permission to appeal gegen Entscheidungen bestimmter tribunals in Folge des Urteils Cooke2639 auferlegt hatten, als Beschränkung des Anwendungsbereichs des JR völlig ausreichten und keine weiteren Restriktionen notwendig seien.2640 (3) Einschränkung second(-tier) appeals-Test Zuletzt hatte der Supreme Court selbst noch die Frage aufgeworfen, inwieweit eine Beschränkung der Anwendbarkeit des JR in Analogie zu der Beschränkung des oben dargestellten second(-tier) appeals-Test2641 möglich sei.2642 Dabei bezog sich der Supreme Court auf Äußerungen des CoA in der Entscheidung Wiles,2643 die unmittelbar vor Umsetzung des TCEA 2007 c.15 ergangen war und welche die Überprüfung von Entscheidungen der alten Social Security Commissioners im Wege des JR betraf.2644 Dort deutete der CoA an, die Übertragung des Stan-
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2640 2641
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eines zweistufigen Tribunalsverfahrens vor dem AIT gerade durch die Möglichkeit der zweitinstanzlichen Prüfung durch die IAC-UT ersetzt worden; die Kläger knüpften daher auch an die Rechtslage an, wie sie noch zu Zeiten des Bestehens des IAT galt, dessen Entscheidungen ebenfalls im Wege des JR überprüft werden konnten. Siehe zu diesem bereits oben, VII.G.2.c)(3), S. 446. Dieser Vortrag, der von der beigeladenen Partei vorgebracht wurde, nahm außer auf die Entscheidung Cooke Bezug auf noch frühere Entscheidungen, nämlich R. v. Preston Supplementary Benefits Appeal Tribunal, Ex p Moore [1975] 1 WLR 624 (631 f.) per Denning MR, in der die Gerichte ebenfalls von der Notwendigkeit einer Selbstbeschränkung bei der Kontrolle von Entscheidungen von spezialisierten tribunals ausgingen. R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 49 per Hale LJ. In der Entscheidung ging es eigentlich um einen second appeal im o.g. Sinne, Lady Hale allerdings spricht von »second-tier appeals criteria«; siehe R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 56 per Hale LJ. Die Begriffsverwendung ist in dieser Entscheidung nicht einheitlich, andere Richter sprechen vom »second appeals test« (para. 105 per Clarke LJ) oder von »second appeal criteria« (para. 130 per Dyson LJ, der allerdings auch von »second-tier appeals approach« spricht, vor para.128). Siehe R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 52 per Hale LJ; siehe zu diesem Test bereits oben, VII.G.2.c), S. 437. R. (Wiles) v. Social Security Commissioner [2010] EWCA Civ 258. Es handelt sich um die Entscheidung R. (Wiles) v. Social Security Commissioner [2010] EWCA Civ 258. Der dieser Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt beurteilte sich noch nach dem Recht, wie es vor Umsetzung des TCEA 2007 c.15 galt. Vorsitzender Richter dieses Verfahrens war dabei Lord Dyson, für den die Sache Wiles wohl eine der letzten Verfahren im Rahmen seiner Tätigkeit im CoA war. Kurz nach Erlass der Entscheidung (aber noch bevor die Sache »Cart« vor dem CoA anhängig wurde) wurde er nämlich zum Supreme Court berufen und war einer der sieben Richter, die nun die hier geschilderte Entscheidung Cart und MR zu fällen hatten. Da zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Sache Wiles die Strukturen des TCEA 2007 c.15 bereits geschaffen waren, äußerte sich das Gericht hier zur Frage der Anwendung des second appeals-Test auch auf das UT bereits »in obiter«. Auch wenn die in dieser Entscheidung gemachten Äußerungen des CoA damit streng genommen nicht auf die Entscheidung des Supreme Court übertragbar waren, wurden doch die wichtigsten Argumente der Parteien im Supreme Court Verfahren bereits
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dards von s.55 Access to Justice Act 1999 c.22 als Beschränkung für die Anwendbarkeit des JR habe für sich, dass dieser Standard eine ausgewogene Balance zwischen den widerstreitenden Interessen an einer möglichst weitgehenden Kontrolle von Entscheidungen einerseits und dem Schutz der Ressourcen des Rechtssystems andererseits treffe.2645 Obwohl die Entscheidung Wiles nur wenige Monate vor dem Urteil des CoA in der Sache Cart erging2646, lehnte der CoA dort anders als in Cart die Anwendung dieses Kriteriums allerdings ab.2647
2.
Entscheidung des Supreme Court in Cart und MR
Vereinfacht – eine genaue Analyse des Urteils erfolgt an anderer Stelle2648 – lassen sich die Urteile in den Sachen Cart und MR wie folgt zusammenfassen: Lady Hale, die in diesen Entscheidungen das lead judgement verfasste,2649 geht zu-
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in der Sache Wiles vorgebracht und vom Gericht gewürdigt. Angesichts der Tatsache, dass in beiden Verfahren zudem für Kläger und Beklagten jeweils dieselben Prozessanwälte aufgetreten waren wie im späteren Supreme Court-Verfahren, war dies kaum verwunderlich. »In my judgment, there is much to be said for the criteria which the court applies in deciding whether to give permission to appeal for a second appeal. Section 55(1) of the Access to Justice Act 1999 provides that no appeal may be made unless it is considered that ›(a) the appeal would raise an important point of principle or practice; or (b) there is some other compelling reason for the Court of Appeal to hear it.‹ It seems to me that this formula would strike a fair balance between the competing considerations which arise where a commissioner refuses leave to appeal.« R. (Wiles) v. Social Security Commissioner [2010] EWCA Civ 258, para. 48 per Dyson LJ. Die Entscheidung Wiles erging am 16. 03. 2010; die Sache Cart wurde vom CoA am 23. 07. 2010 entschieden. In der Entscheidung des CoA in der Sache Cart geht der CoA auf die Anwendung des second appeals-Test in der Entscheidung Wiles zwar ausdrücklich ein, lehnt die Übertragung dieses Standards auf das UT aber ab: »[W]hat made sense only a few months ago to the other two members of the court, [it is submitted], still makes sense notwithstanding the transfer. The same experienced judicial officers are interpreting and applying the same law. All that has changed is their name. Why should judicial review of their decisions, which has worked well for decades, suddenly retreat? The answer, in our judgment, is that the new tribunal structure, while not an analogue of the High Court, is something greater than the sum of its parts. It represents a newly coherent and comprehensive edifice designed, among other things, to complete the long process of divorcing administrative justice from departmental policy, to ensure the application across the board of proper standards of adjudication, and to provide for the correction of legal error within rather than outside the system, with recourse on second-appeal criteria to the higher appellate courts.« R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2010] EWCA Civ 859, para. 42, per Sedley LJ; siehe zur Würdigung dieser Argumentation durch den Supreme Court auch unten, bei Fn. 2663ff. Siehe unten, VIII.C.6., S. 531. Die anderen Richter schließen sich den Ausführungen von Lady Hale an und nehmen ansonsten nur noch ergänzend Stellung; siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v.
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nächst auf die wesentlichen Charakteristika von tribunals vor der Reform und deren Entwicklung bis zum TCEA 2007 c.15 ein2650 sowie auf die Frage, wie der JR auf diese angewandt wurde.2651 Sie arbeitet dabei heraus, dass vor den Reformen durch den TCEA 2007 c.15 der JR zur Überprüfung von vergleichbaren Entscheidungen zweitinstanzlicher tribunals, die Zulassung eines appeal zu sich selbst zu versagen, ohne weitere Einschränkungen zur Verfügung stand.2652 Sodann wendet sich Lady Hale einer umfassenden Analyse der Veränderungen zu, die durch den und in Folge des TCEA 2007 c.15 bereits umgesetzt wurden2653 sowie den Argumenten der Parteien und deren Würdigung durch die Vorinstanzen.2654 Im Lichte dieser Ausführungen stellt sie zunächst fest, dass die Anwendung des JR auf das UT jedenfalls in einheitlicher Form zu erfolgen hätte – eine Differenzierung in der Anwendung des JR, etwa hinsichtlich verschiedener Kammern des UT, vor allem eine gesonderte Behandlung der asylrechtlichen Zuständigkeiten, hält sie für ausgeschlossen:2655 Zwar seien die in der Struktur
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Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 61 per Phillips LJ; para 96 per Hope LJ und Rodge LJ; para 97 per Brown LJ; para. 102 per Clarke LJ; para. 134 per Dyson LJ. R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 11 – 15. R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 16 – 18, wobei sie insb. die besondere Wichtigkeit der Rechtsprechungsentwicklung seit der Entscheidung Anisminic herausstellt. R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 21: »Thus the principle was firmly established that the unappealable decisions of inferior tribunals, including the refusal of leave to appeal, were amenable to judicial review on all the usual grounds.« Zu diesem Ergebnis kommt Lady Hale nach Analyse der Ausgangssituation bei den Social Security Commissioners und beim IAT (insb. unter Bezugnahme auf die Entscheidungen Wooding und Bakthaur Singh; dazu siehe bereits oben, bei Fn. 2609f.). Zugleich kontrastiert sie diese beiden Fälle von einer Entscheidung, in der die Gerichte von einer Anwendung des JR-Verfahrens abgesehen hatten, um gesetzlichen Modifikationen von Rechtsschutzmöglichkeiten im Rahmen von Tribunalsverfahren Rechnung zu tragen, durch welche eine gesetzlich vorgesehene Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde geschaffen wurde; siehe das Urteil R. (G) v. Immigration Appeal Tribunal [2005] 1 WLR 1445 (in diesem Verfahren ging die oben, in Fn. 2611, geschilderte Veränderung des Rechtsschutzregimes auf dem Gebiet des Asyl- und Immigrationsrecht durch s.101(2) Nationality, Immigration and Asylumg Act 2002 c.41 voraus, mittels der ein Verfahren zur Überprüfung der Entscheidung des IAT, die »permission to appeal« zu sich selbst nicht zu gewähren, geschaffen wurde. In diesem Fall entschied der CoA, dass die Schaffung dieses Verfahrens zwar den Anwendungsbereich des JR nicht ausschließe, dass jedoch das neue Verfahren eine hinreichende Rechtschutzmöglichkeit für den Kläger biete, weshalb die Versagung die streitgegenständliche Nichtzulassung des JR im Wege des Ermessens durch den High Court vom CoA als rechtmäßig angesehen wurde). R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 22 – 29 per Hale LJ. R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 30 – 36 per Hale LJ. Die wichtigsten Aspekte dieser Argumente wurden bereits oben dargestellt; siehe bei Fn. 2633ff. Siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 36, wo
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des TCEA 2007 c.15 vereinigten tribunals in ihrer Ausgestaltung und hinsichtlich ihrer Zuständigkeit allesamt sehr unterschiedlich gewesen, dennoch sei durch ihre Zusammenfassung in dieser Struktur eine gemeinschaftliche Beziehung zu den ordentlichen Gerichten geschaffen worden, was das Fortbestehen von Differenzierungen zwischen den Einzeltribunals nicht mehr rechtfertige.2656 Die zentrale Frage, die es damit zu beantworten gelte, müsse also sein, inwieweit, im Lichte der bisherigen Reformen, die Überprüfung von Entscheidungen des UT wie der hier streitgegenständlichen im Wege des JR notwendig und angemessen sei, um mögliche Fehlentscheidungen innerhalb der Tribunalstruktur zu beheben.2657 Von den drei verbleibenden Antwortmöglichkeiten auf diese Frage, die sich in den bisherigen Verfahren herauskristallisiert hatten, lehnt sie zunächst den von den Vorinstanzen favorisierten pre Anisminic-Ansatz ab:2658 Die mit der Anwendung dieses Standards notwendigerweise verbundene Rückkehr zu den Kategorien von jurisdictional error und error within jurisdiction wäre mit den gleichen Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden, wie sie bereits vor der Entscheidung Anisminic bestanden hatten, was letztlich einen Rückschritt der
sie insoweit auf die Entscheidungsbegründung des CoA in der (nicht veröffentlichten) Entscheidung MR (Pakistan) eingeht und sich diese zu eigen macht. Noch deutlicher in dieser Hinsicht sind allerdings die Äußerungen von Lord Dyson: »One can readily sympathise with the argument that problems that are peculiar to the immigration and asylum cases should not determine the scope of judicial review in all other cases. It seems that the courts have not been inundated with unmeritorious applications for judicial review of the refusal of leave to appeal from other tribunals. […] In the light of the unified tribunal structure created by the TCEA, there should be a unified approach as to the grounds, if any, on which a judicial review of decisions of the UTcan be sought. It would be contrary to the unifying purpose of the TCEA for a different approach to be adopted depending on the subject-matter of the decision being appealed.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para.125 per Dyson LJ. 2656 »Second, it would be completely inconsistent with the new structure introduced by the 2007 Act to distinguish between the scope of judicial review in the various jurisdictions which have now been gathered together in that new structure. The duties of the Senior President, set out in section 1(2), clearly contemplate that the jurisdictions will retain their specialist expertise, so that one size does not necessarily fit all; but the relationships of its component parts with one another and with the ordinary courts are common to all. So too must be the principles adopted by the High Court in deciding the scope of judicial review.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 37 per Hale LJ. Insb. unter Rückgriff auf die Entscheidung R. (Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475 (siehe zu dieser schon oben, bei Fn. 590 und 596.) war argumentiert worden, das Asylrecht sei als »historical exemption« zu begreifen, wie das Gericht dort angedeutet hatte. 2657 »The real question, as all agree, is what level of independent scrutiny outside the tribunal structure is required by the rule of law.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 37 a.E. 2658 R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 39 – 44.
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Rechtsentwicklung darstellen würde.2659 Zwar gehe dieser Ansatz richtigerweise davon aus, dass ein bestimmtes Maß von Fehlern in einem Justizsystem zulässsig sei – die mit der Abgrenzung jurisdictional error/error within jurisdiction konkret getroffene Balance zwischen korrigierbaren und nicht korrigierbaren Rechtsfehlern berge jedoch eine große Gefahr, dass einmal falsch entschiedene Rechtsfragen von den jeweils damit befassten Spruchkörpern auch später nicht als solche erkannt würden. Damit einher gehe das Risiko einer unkorrigierbaren Fehlentwicklung des Rechts, die gerade im Bereich spezialisierter tribunals in besonderem Maße bestehe.2660 Diese Gefahr werde im Falle des UT noch dadurch verschärft, dass es bindende Präzedenzfälle schaffen könne, was das Potential erhöhe, dass sich eine einmal angewandte falsche Rechtsauffassung innerhalb des Systems perpetuiere und so faktisch das UT zum Ende des Instanzenzuges und »final arbiter« des von ihm anzuwendenden Rechts machen könnte.2661 Aber auch der Argumentation der Kläger, der JR sei ungeachtet aller Veränderungen weiter uneingeschränkt anwendbar, erteilt Lady Hale eine deutliche Absage2662 und kommt damit zu dem Schluss, dass nur der second appeal-Ansatz 2659 »The approach of the Divisional Court and Court of Appeal would lead us back to the distinction between jurisdictional and other errors which was effectively abandoned after Anisminic.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 39 per Hale LJ. 2660 Ausgehend von der Entscheidung Sivasubramaniam (dazu bereits oben, bei Fn. 590 und 596) beschreibt Lady Hale die Situation, dass der Richter eines county court eine Rechtsfrage falsch beantworte, was – etwa aufgrund enger und regelmäßiger Zusammenarbeit mit dem county court-Richter – durch den zur Überprüfung berufenen Richter nicht bemerkt werde und so zu einer Fehlentwicklung (»local law«) führen könne. Während Lady Hale davon ausgeht, dass solche Fehler in den county courts noch leicht entdeckt werden könnten, weil diese schließlich das allgemeine common law anwenden, meint sie, dass die Gefahr, dass solche Entwicklungen bei den spezialisierten tribunals unentdeckt bleiben könnten, ungleich größer sei; vgl. R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 42 f. 2661 R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 43, per Hale LJ: »As a superior court of record, the Upper Tribunal is empowered to set precedent, often in a highly technical and fast moving area of law. The judge in the First-tier Tribunal will follow the precedent set by the Upper Tribunal and refuse permission to appeal because he is confident that the Upper Tribunal will do so too. The Upper Tribunal will refuse permission to appeal because it considers the precedent to be correct. It may seem only a remote possibility that the High Court or Court of Appeal might take a different view. […] There is therefore a real risk of the Upper Tribunal becoming in reality the final arbiter of the law […].« 2662 R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 51 per Hale LJ: »The mere fact that something has been taken for granted without causing practical problems in the social security context until now does not mean that it should be taken for granted forever.« Damit nimmt Lady Hale Bezug auf den Vortrag der Kläger, das nun geschaffene System sei letztlich das gleiche wie jenes, welches bereits bei den Social Security Commissioners bestand, weshalb die Selbstbeschränkung der Gerichte in Folge der Entscheidung Cooke als Hürde völlig ausreichend sei; siehe oben, bei Fn. 2639.
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als Beschränkung des JR angemessen sei: Die Tatsache, dass der TCEA 2007 c.15 selbst den second appeals-Test als Hürde für die Zulassung von Klagen gegen Entscheidungen des UT zum CoA aufstelle, zeige, unter welchen Bedingungen der Gesetzgeber letztlich wünsche, dass Entscheidungen des UT in das reguläre »legal system« eingeleitet würden – das Kriterium sei damit auch auf den JR übertragbar.2663 Dass die Vorinstanz die Anwendung dieses Kriteriums zwar erwogen,2664 aber letztlich zu Gunsten des strengeren pre Anisminic-Maßstabes abgelehnt habe, verkenne zudem die Gefahr, dass durch die Zusammenführung der Einzeltribunals deren jeweiliges Expertenwissen eher verwässert als geschärft würde, was das Risiko von Fehlentscheidungen steigere.2665 Der second appeals-Test werde den in Folge des TCEA 2007 c.15 realisierten Systematisierungen eher gerecht.2666 Zugleich sei die Anwendung der durch diesen Ansatz aufgestellten Kriterien bereits hinreichend erprobt; die Anknüpfung des Tests an einen important point of principle ermögliche eine gerichtliche Einflussnahme auf rechtliche Grundsatzfragen und im Falle eines other compelling reason schaffe er die Möglichkeit zur Korrektur falscher Einzelentscheidungen.2667 Die damit vom Supreme Court angenommene Zulassungshürde für den JR konnten die Kläger in den konkret streitgegenständlichen Verfahren nicht überspringen; die aufgeworfenen Rechtsfragen bzw. gerügten Rechtsfehler genügten den Anforderungen des second appeals-Test nach Ansicht Lady Hales
2663 R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 52 per Hale LJ, die sich insoweit ausdrücklich die Formulierung von Sedley LJ in der Entscheidung der Vorinstanz zu eigen macht; siehe R. (on the application of Cart) v. Upper Tribunal [2010] EWCA Civ 859, para. 31 per Sedley LJ. 2664 Der CoA hatte ja statt dem second appeals-Test den strengeren »pre-Anisminic«-Standard bevorzugt; zur Begründung des CoA siehe schon oben, bei Fn. 2647. 2665 R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 54 per Hale LJ: »There must be some risk that the amalgamation of very different jurisdictions in the new chambers will dilute rather than enhance the specialist expertise of their judges and members. Mental health and special educational needs, for example, are similar in some ways but very different in others. It would be difficult to say that bringing them together has reduced the capacity for error although of course we all hope that it has not been increased.« 2666 »[T]he adoption of the second appeals criteria would be a rational and proportionate restriction upon the availability of judicial review of the refusal by the Upper Tribunal of permission to appeal to itself. It would recognise that the new and in many ways enhanced tribunal structure deserves a more restrained approach to judicial review than has previously been the case, while ensuring that important errors can still be corrected.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 57 per Hale LJ. 2667 »It is a test which the courts are now very used to applying. It is capable of encompassing both the important point of principle affecting large numbers of similar claims and the compelling reasons presented by the extremity of the consequences for the individual.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 57 per Hale LJ.
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nicht.2668 Die anderen Richter des Supreme Court schlossen sich diesen Ausführungen im Wesentlichen an,2669 wenngleich die Einzelurteile der anderen Richter teilweise andere Grundhaltungen gegenüber dem System des TCEA 2007 c.15 erkennen lassen. Bevor auf diese Dissonanzen sowie auf die Bedeutung der Entscheidungen Cart und MR und ihre praktischen Auswirkungen näher eingegangen wird, ist noch die Entscheidung Eba zu schildern:
3.
Ausgangslage in der Entscheidung Eba
Die Klägerin des schottischen Verfahrens, Ms. Eba, wandte sich gegen eine Entscheidung, ihr die weitere Gewährung eines sozialrechtlichen Anspruchs zu versagen,2670 an die SEC des FtT, die insoweit eine einheitliche Zuständigkeit für Großbritannien ausübt und ihrer Klage nicht abhalf. Die sodann beantragte permission to appeal wurde weder vom FtT noch vom UT gewährt; gegen die letztgenannte Entscheidung des UTwandte sich die Klägerin nun an den Court of Session in Schottland. Wie bereits verschiedentlich angedeutet, weist die schottische Rechtsordnung historisch bedingt einige wichtige Unterschiede zur englischen Rechtsordnung, insb. hinsichtlich der Anwendung des JR auf, die sich auch in der Entscheidung Eba des Supreme Court niederschlugen. Die wichtigsten Unterschiede und die Gründe hierfür sollen im Folgenden daher kurz dargestellt werden: a)
Exkurs: Judicial review in Schottland
In vielerlei Hinsicht sind sich die Mittel und Verfahren gerichtlicher Kontrolle über staatliche Entscheidungsträger in England und Schottland sehr ähnlich: Auch in Schottland beruht die Anwendung des JR durch die ordentlichen Gerichte2671 zur Kontrolle staatlicher Entscheidungsträger auf einer diesen inne2668 R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 59 per Hale LJ. 2669 R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 95 per Phillips LJ; para. 96 per Holpe LJ und Rodger LJ; para. 101 per Brown LJ; para. 104 und 107 per Clarke LJ; para. 134 per Dyson LJ. 2670 Es handelte sich um die Versagung der disability living allowance; siehe zur Darstellung des Sachverhalts die Entscheidung des Outer House des Court of Session, Eba v. Advocate General for Scotland [2010] CSOH 45, para. 1 ff. per Glennie J. 2671 Heute ist auch in Schottland nur ein einziges Gericht, der Court of Session bzw. dessen Outer House, als Eingangsinstanz für JR-Verfahren zuständig. Das war allerdings nicht immer so: Ab 1907 konnten nämlich bestimmte Rechtsbehelfe, die heute im Rahmen des JR begehrt werden (»declarators«; siehe dazu auch unten, Fn. 2696), auch durch untere Gerichte, die sog. »sheriff courts« erlangt werden, die in Schottland eine vergleichbare
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Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
wohnenden, ureigenen supervisory jurisdiction, die sich aus der Rechtsprechung dieser Gerichte über Jahrhunderte entwickelt hat und mittlerweile weitgehend kodifiziert ist.2672 Auch viele Einzelheiten dieser gerichtlichen Kontrolle, etwa die grounds of judicial review, sind im englischen und schottischen Recht nahezu identisch. Unterschiede bestehen hingegen beim Verfahren, den im JR zu gewährenden Rechtsbehelfen und der Antrags- und Klagebefugnis, was mit der unterschiedlichen Entwicklung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in England und Schottland sowie einer anderen, historischen und dogmatischen Fundierung des JR in Schottland zusammenhängt:2673 (1) Grundlegendes zum judicial review in Schottland In Schottland wird als JR das Verfahren definiert, mittels dessen der Kläger die Ausübung der supervisory jurisdiction des Court of Session beantragen kann.2674 Darin wird bereits ein wichtiger Unterschied zur Rechtslage in England deutlich, denn während die englischen Verfahrensregeln zum JR diesen als Verfahren zur Erlangung bestimmter Rechtsbehelfe definieren,2675 knüpfen die schottischen Regelungen allgemein an eine Zuständigkeit des Court of Session an, unabhängig von bestimmten Rechtsbehelfen. Denn das schottische Recht hat eine der englischen vergleichbare Unterscheidung zwischen spezifisch öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen remedies nie entwickelt; vielmehr waren und sind alle Rechtsbehelfe, welche die Gerichte im Rahmen von einfachen, privatrechtlichen Verfahren gewähren können, auch im Rahmen des JR anwendbar.2676 Die Ursachen dafür liegen in der historischen Entwicklung des schottischen Rechts und der Rolle des Court of Session: (2) Entstehung und Rolle des Court of Session Obwohl sich das schottische Recht – wie das englische – weitgehend basierend auf dem normannischen System des Feudalismus und seinen Justizmechanismen entwickelte und daher seinem Ursprung nach mit dem englischen common
2672 2673 2674 2675 2676
Rolle haben wie die Friedensrichter in England; bis zur Entscheidung Brown v. Hamilton District Council 1983 SLT 397 stellte sich damit das gleiche Problem wie in England bis zur Entscheidung O’Reilly v. Mackman [1983] 2 AC 237 (dazu siehe oben, bei Fn. 45 und bei Fn. 408); siehe Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 106 sowie S. 113 ff. Auch in Schottland heißt das Verfahren zur Durchfühung gerichtlicher Verwaltungskontrolle »judicial review«; siehe r.58.3 Act of Sederunt (Rules of the Court of Session 1994) SSI1994/1443 (im Folgenden: RCS). Mullen, Standing to Seek Judicial Review, in: McHarg/Mullen (Hrsg.), Public Law in Scotland 2006, S. 241. Siehe r.58.3 RCS. Siehe r.54.2 CPR; siehe auch oben, bei Fn. 300. Mullen, Standing to Seek Judicial Review, in: McHarg/Mullen (Hrsg.), Public Law in Scotland 2006 S. 241.
Überprüfung von Entscheidungen des Upper Tribunal
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law verwandt ist,2677 konnte es von dessen früher Entwicklung nicht profitieren,2678 sondern entwickelte sich seit dem Mittelalter weitestgehend eigenständig und unbeeinflusst vom englischen Recht.2679 Eine wichtige Zäsur für diese Entwicklung war die Konsolidierung des schottischen Gerichtssystems, die in der Schaffung des Court of Session mündete:2680 Anfang des 16. Jhds. bildete sich – ganz wie im Falle der curia regis – im permanenten Rat der schottischen Könige eine Arbeitsteilung zwischen administrativer und gerichtlicher Tätigkeit heraus: Regierungs- und administrative Aufgaben nahm der Secreit Council bzw. Privy Council wahr, der mit dem König durch das Land reiste, wohingegen die richterlichen Aufgaben von den Lords of Council and Session2681 wahrgenommen wurden, die dauerhaft in Edinburgh blieben2682 und als session bekannt wurde. 1532 wurde diese Session von König James V. als College of Justice bzw.
2677 Aufgrund dieser gemeinsamen Ursprünge kennt auch das schottische Recht Dinge wie sheriffs oder das writ-system; Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 33. 2678 Ursache dafür war, dass die Schotten aufgrund häufiger militärischer Auseinandersetzungen mit England im Mittelalter von englischer Seite stets als Feinde betrachtet wurden, was ihnen vor allem den Zugang zu den englischen Rechtsschulen verwehrte. In den späteren schottischen Universitäten waren Lehrende und Lernende vielmehr geneigt, Einflüsse des römischrechtlich geprägten kontinentaleuropäischen Rechts aufzunehmen; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 33. 2679 Während sich in England seit dem 12. Jhd. ein Gerichtswesen und ein sich professionalisierender Juristenstand entwickelte, durch die eine an Präjudizien und Präzedenzfälle orientierte Rechtsanwendung ein differenziertes Rechtssystem ausbilden konnte, setzte ein vergleichbarer Prozess in Schottland erst mit der Gründung des Court of Session 1532 ein. 2680 Auch die schottischen Rechtsprechungsorgane haben ihren Ursprung in einem Beratungsgremium der schottischen Könige: Mitte des 14. Jhd. hatte das schottische Parlament (die Versammlung der schottischen Stände) begonnen, gerichtliche Funktionen zu übernehmen; im 15. Jhd. wurden diese Funktionen weitgehend auf gesonderte Beamte, die »auditors«, übertragen, die in zwei gerichtlich verfahrende Ausschüsse eingeteilt waren, nämlich einen für erstinstanzliche Beschwerden und einen für Berufungen; vgl. Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 88. Neben der gerichtlichen Tätigkeit des Parlaments übte auch der königliche Beraterstab im Kronrat eine gerichtliche Tätigkeit aus, die 1425 einem ständigen Gremium zur Erledigung von Rechtsstreitigkeiten übertragen wurde, das dreimal jährlich zusammenkommen sollte, was den Ursprung der »sessions« bilden sollte; siehe zum Ganzen Mackay, Court of Session Practice, Bd. 1 1893, S. 18; Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 89. 2681 Die Bezeichnung »Lords of Council and Session« hat sich bis heute beibehalten, obgleich der schottische Privy Council 1708 durch den Union with Scotland Amendment Act 1707 (6 Anne) c.6 mit dem englischen zu einem gesamtbritischen zusammengelegt wurde; siehe Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 90 Fn. 15 und S. 96. 2682 Wobei diese Aufgabenteilung zunächst nicht sehr streng war, da auch der Secreit Council noch einzelne Fälle entschied. Erst 1526 wurde dies geändert; vgl. Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 90.
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Court of Session2683 neu gegründet2684 und mit der Bearbeitung zivilrechtlicher Streitigkeiten2685 betraut.2686 Dieser ursprünglich als Kollegialorgan tagende Court of Session spaltete sich im Laufe der Zeit organisatorisch in zwei Instanzen auf, das Outer House und das Inner House.2687 Das Outer House hat dabei heute eine dem englischen High Court vergleichbare, vor allem zweitinstanzliche Zuständigkeit für verschiedenste zivilrechtliche Streitigkeiten und es entscheidet in aller Regel ein Einzelrichter ;2688 das Inner House ist hingegen ein dem CoA in England vergleichbares Appellationsgericht und entscheidet über Rechtsmittel gegen die Entscheidungen des Outer House, sog. reclaiming motions.2689 Unter gewissen, seltenen Umständen übt das Inner House außerdem noch eine erstinstanzliche Zuständigkeit, das sog. nobile officium aus, auf das sogleich noch eingegangen wird.2690 Geschäfts- und Aufgabenverteilung des Court of Session ergeben sich heute aus gesetzlichen Regelungen;2691 die Verfahrensregeln wiederum aus sog. Acts of
2683 Beide Bezeichnungen wurden offenbar synonym verwendet; siehe etwa Cannon, in: Cannon (ed.), Dictionary of British History, 2009, Stichwort: »Court of Session«. 2684 Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 33. 2685 Für die Behandlung strafrechtlicher Sachverhalte waren die Richter der »justiciary« zuständig, die den heutigen High Court of Justiciary konstituieren, das höchste schottische Strafgericht; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 33 Fn. 90 2686 Bald darauf schon bildeten sich im Dunstkreis dieses neuen Gerichts Standesorganisationen professioneller Juristen heraus, die ihre eigenen rechtlichen Aufzeichnungen anfertigten, was zur Grundlage des eigenständigen schottischen Rechts wurde; siehe hierzu insgesamt Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 25 m.w.N. 2687 Siehe heute s.2 Court of Session Act 1988 c.36. Zunächst tagte der Court of Session als Kollegialorgan im Plenum aller Richter, später entwickelte sich jedoch die Praxis, dass einzelne der 15 Richter die Fälle für das gesamte Gericht vorbereiteten, was im sog. »Outer House« geschah, ein Gebäudeteil des »Parliament House«, dem Sitz des schottischen Parlaments in Edinburgh. 1807 wurde der Court of Sesisson in zwei Abteilungen (divisions) unterteilt – die eine tagte unter dem Vorsitz des Lord President, die andere unter dem des Lord-Justice Clerk (dem zweithöchsten richterlichen Amt Schottlands). Die anderen Richter (ordinary judges) bereiteten abwechselnd die Fälle im Outer House vor. 1825 wurde dieses System insoweit institutionalisiert, als die damals sieben dienstjüngeren Richter das Outer House, während die Präsidenten der beiden divisions zusammen mit jeweils drei dienstälteren Richtern das Inner House bildeten. s.1 Court of Session Act 1825 (6 Geo 4 c.120). 2688 Die Einzelrichter werden als »lord ordinary« bezeichnet. 2689 Da Outer House und Inner House ja nur als zwei Abteilungen eines einheitlichen Gerichts angesehen werden, erklärt sich die Bezeichnung als »Klagewiederholungsantrag« – da der Kläger beim Schritt vom Outer House zum Inner House immer noch innerhalb desselben Gerichts klagt, hat die »reclaiming motion« in der Theorie also keinen Devolutiveffekt; vgl. Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 26. 2690 Siehe sogleich, bei Fn. 2702. 2691 Dies sind die diversen Court of Session Acts; Court of Session Act 1821 c.38 sowie die Folgegesetze von 1825, 1830, 1839, 1850, 1868 und 1988 – letzteres Gesetz ist heute in Kraft
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Sederunt, mittels derer der Court of Session sein eigenes Verfahren regeln kann2692 und die in den Rules of the Court of Session zusammengefasst sind; darin wird auch die Durchführung von JR-Verfahren in Schottland geregelt.2693 Das Inner House des Court of Session stellte Zeit seines Bestehens die zivilrechtliche Spitze der schottischen Justizordnung dar und prägte das schottische Recht eigenständig.2694 Einzige Schnittstelle zur englischen Rechtsordnung – und damit wichtiges Einfallstor für englische Einflüsse auf schottisches Recht – war und ist die Möglichkeit eines appeal gegen zivilrechtliche Entscheidungen des Court of Session zum HoL bzw. heute zum Supreme Court.2695 Deshalb konnten sich einige Besonderheiten der supervisory jurisdiction des Court of Session bis in das heutige Verfahren des JR erhalten. (3) Die supervisory jurisdiction des Court of Session und der judicial review Wie gesagt haben sich besondere writs für den Bereich des öffentlichen Rechts, die sich wie in England auf die königliche Prärogative stützen könnten, in Schottland nie entwickelt.2696 Grundlage und Reichweite der supervisory juris-
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– sowie der Administration of Justice (Scotland) Acts 1933 (23& 24 Geo V.) c.41 und 1972 c.59; siehe zum Ganzen Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 26. »Acts of Sederunt« kann der Court of Session allein erlassen, sie bedürfen keiner Bestätigung weder durch das schottische noch durch das britische Parlament; siehe s.5 Court of Session Act 1988 c.36. Regelungen zum JR finden sich in Ch. 58 RCS; siehe schon oben, Fn. 2672. Das höchste Gericht Schottlands ist allerdings nicht der Court of Session alleine – vielmehr bildet der Court of Session zusammen mit dem höchsten Strafgericht Schottlands, dem High Court of Justiciary, das College of Justice, welches die eigentlich höchste Justizinstanz Schottlands darstellt. An der Eigenständigkeit der schottischen Rechtsordnung änderte sich i.Ü. auch während der Vereinigung mit England nichts: Durch den Einigungsvertrag von 1707 wurde die Rechtsautonomie Schottlands und insb. die seiner Gerichte nicht grundsätzlich angerührt; siehe Art. XIX des Treaty of Union; siehe zum Ganzen Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 33. Das HoL behandelte in solchen Entscheidungen, in denen englisches und schottisches Recht auseinanderfielen, auch nach der Vereinigung der schottischen und englischen Krone das schottische Recht als fremdes Recht; siehe Baker, An Introduction to English Legal History, 4th ed. 2002, S. 34 mit Verweis auf Thompson, James Greenshields and the House of Lords, in: Gordon/Fergus (Hrsg.), Legal History in the Making 1991, S. 109 (109 ff.). Ungeachtet der fehlenden Entwicklung von writs bestehen zwischen den universellen schottischen und den spezielleren englischen Rechtsbehelfen erhebliche Parallelen. Der Rechtsbehelf der »reduction« etwa kann in privatrechtlichen Verfahren dazu genutzt werden, eine vertragliche Bindung zu beseitigen, die aufgrund fehlerhafter Stellvertretung zu Stande gekommen ist; zugleich kann sie auch dazu eingesetzt werden, eine unrechtmäßige Verwaltungsentscheidung zu beseitigen. Die »reduction« nimmt im öffentlichrechtlichen Kontext insoweit die gleiche Rolle ein wie die certiorari bzw. quashing order in England; siehe Mullen, Standing to Seek Judicial Review, in: McHarg/Mullen (Hrsg.), Public Law in Scotland 2006, S. 241. Mit der englischen prohibition vergleichen lässt sich der Rechtsbehelf der »suspension«: Für sich genommen suspendiert diese ein Vollstreckungsverfahren, da sie erst greift, wenn ein (gerichtliches) Verfahren bereits zum Be-
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diction des Court of Session sind nicht definiert, und auch als das JR-Verfahren 1985 erstmals umfassend in Schottland kodifiziert wurde, gab es keine allgemein akzeptierte, richterliche Definition für ihre Reichweite.2697 Auch historisch lässt sich der Ursprung der supervisory jurisdiction des Court of Session nicht mehr genau nachvollziehen, was zu einigen Zweifelsfragen hinsichtlich des Anwendungsbereichs des JR in Schottland führte2698 – sicher ist lediglich, dass der Court of Session spätestens seit der Abschaffung des eigenen, schottischen Privy Council im Rahmen der Union mit England eine umfassende Kompetenz zur Aufsicht über andere Entscheidungsträger hatte, woraus teilweise gefolgert wird, dass diese Kompetenz des Privy Council mit dessen Abschaffung auf den Court of Session übergegangen ist.2699 In dogmatischer Hinsicht wird die supervisory jurisdiction des Court of Session jedoch anders begründet: Relevant ist insoweit, dass der Court of Session als einheitliches Gericht das schottische Recht auch als einheitliches Recht stehen eines Titels geführt hat, jedoch noch vor Vollstreckung. In Kombination mit einem »interdict«, der vorläufigen Anordnung einer suspension, entfaltet diese die gleiche Wirkung wie die prohibition in England. Dem englischen mandamus entspricht heute der Rechtsbehelf der »specific performance« bzw. »specific implement« und der englischen declaration der »declarator« in Schottland; siehe zur Entwicklung der Rechtsbehelfe des JR auch Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 118 ff. sowie zu deren Gestalt heute Harvie-Clark, SPICe Briefing – Judicial Review, 2009 S. 17 ff.; siehe auch insgesamt Bradley/Himsworth, The Laws of Scotland (Administrative Law), Bd. 1 (Loseblatt, Stand: 2010), para. 111 ff. 2697 Bradley/Himsworth, The Laws of Scotland (Administrative Law), Bd. 1 (Loseblatt, Stand: 2010), para. 115: Umschrieben wurde sie vielmehr als »inherent jurisdiction which the Court of Session exercises in supervising and reviewing the acts of decisions of inferior courts, tribunals, public bodies, authorities and officials on grounds of ultra vires, abuse of discretion, excess of jurisdiction, breach of natural justice and fairness, failure to comply with statutory procedural requirements and failure to perform statutory duties.« 2698 Siehe Supperstone/Goudie/Walker, Judicial Review, 3rd ed. 2005, para. 21.3.1 bzw. para. 21.3.1, nach denen sich die Ungenauigkeit im Anwendungsbereich des JR in Schottland erst nach dessen Reform und der dadurch verstärkten Anwendung dieses Verfahrens zeigte. 2699 Spätestens seit der Vereinigung von Schottland und England und der damit einhergehenden Abschaffung des eigenständigen Privy Council für Schottland (siehe oben, Fn. 2681) gelangte der Court of Session in eine starke Position, da dieser nun auch die Funktion übernahm, das Funktionieren der Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten sicherzustellen, wofür der Privy Council zuvor verantwortlich war; so Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 97 mit Verweis auf die Entscheidung Hamilton v. Boyd (1742) Mor. 7335 – 7336 (Jurisdiction No. 70.) Auch in der Entscheidung West v. Secretary of State for Schottland 1992 SC 385 (393 ff.) per Hope LJ verortete das Gericht historisch die Wurzel der supervisory jurisdiction des Court of Session in dem Wegfall des schottischen Privy Council. Es lassen sich allerdings auch Fälle finden, in denen der Court of Session bereits vor der Union Urteile gegen andere Hoheitsträger ergehen ließ; siehe Eba v. Secretary of State for the Home Department, [2010] CSIH 78, para. 34 per Hamilton LP; siehe auch Godfrey, Civil Justice in Renaissance Scotland, 2009, S. 211 – 218, der weitere Fälle für die Zeit zwischen 1532 und 1707 nennt.
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entwickeln konnte und sich nicht, wie in England, die Rechtsmasse der equity in einem gesonderten Gericht institutionalisierte,2700 sondern vielmehr die Rechtsprechungsbefugnis für beides beim Court of Session lag.2701 Dieser equitable jurisdiction des Court of Session wird auch die Ausübung des sog. nobile officium zugeordnet; dies ist ein besonderer Rechtsbehelf, welcher es dem Gericht gestattet, überall dort korrigierend in das materielle Recht einzugreifen, wo es an spezifischen Rechtsbehelfen fehlte.2702 Für die Etablierung der supervisory jurisdiction des Court of Session gegenüber Entscheidungsträgern, die nicht einer Kontrolle durch traditionelle Rechtsbehelfe unterstanden, war das nobile officium ein wichtiges Vehikel, ohne das sich die supervisory jurisdiction nicht so hätte entfalten können, wie sie es getan hat2703 – wenn es nicht sogar als deren eigentliche Grundlage angesehen werden muss.2704 2700 »A major characteristic of Scots law has always been its unitary character. There did not develop, and have never been, distinct bodies of principles of law and of equity […].« Walker, Equity in Scots Law, in: Newman (Hrsg.), Equity in the World’s Legal Systems: A comparative Study (FS. Cassin) 1973 S. 187 (188 f.). Angesichts dieser fundamental anderen Ausgangslage beschreibt Walker die Rechtsmasse der Equity in Schottland wie folgt: »Equity in England was, and to some extent is, a body of rules or principles which form an appendage or gloss to the general rules of law. Equity in Scotland was and is the fundamental idea which explains and justifies a number of principles and rules which are among the general rules of law.« Walker, Equity in Scots Law, in: Newman (Hrsg.), Equity in the World’s Legal Systems: A comparative Study (FS. Cassin) 1973 S. 187 (191); siehe auch Walker, The Scottish Legal System, 8th ed. 2001, S. 74 und S. 197 f. sowie Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 98. 2701 Die fehlende Trennung von equity und common law, bzw. die fehlende Institutionalisierung von letzterer in Form eines besonderen Gerichts (des Court of Chancery in England), bedeutete in Schottland, dass der Court of Session als einziges Gericht sowohl für common law und equity zuständig war und so letztere im Prozess der Rechtsfortbildung in den Präzedenzfällen mit dem common law eine Einheit bildete; siehe Kames, Equity, Bd. 1 2nd ed. 1778, S. 15 und S. 31 – 33; siehe auch Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 98. 2702 »No defect in the constitution of the state deserves greater reproach, than the giving licence to wrong without affording redress, upon this account, it is the province, one should imagine, of the sovereign, and supreme court, to redress wrongs of every kind, where a particular remedy is not provided. […] it is the province of their court, to redress all wrong for which no other remedy is provided.« Kames, Historical Law Tracts, 4th ed. 1817, S. 228 f.; siehe auch Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 99. 2703 Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 100. Das »nobile officium« ist Ausdruck des »principle that every wrong should have a remedy«, welches als Grundlage der supervisory jurisdiction des Court of Session angesehen wird; siehe Clyde/Edwards, Judicial Review, 2000, para. 3 – 01. Das nobile officium kann der Court of Session noch heute ausüben und zwar außerhalb und völlig unabhängig vom JR-Verfahren auch dann, wenn er im Rahmen dieses Verfahrens Kompetenzen wahrnimmt, die rein äußerlich eine Ausübung seiner supervisory jurisdiction darstellen (siehe etwa die Entscheidung Re Helow, [2007] CSIH 5. In dieser Entscheidung prüfte das Gericht im Wege des nobile officium das Vorliegen von »bias« bei einem Richter des Court of Session).
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(4) Schottische Besonderheiten des judicial review-Verfahrens Diese andersartige Entwicklung und Grundlegung der supervisory jurisdiction des Court of Session, die unabhängig von bestimmten Rechtsbehelfen besteht, hat hinsichtlich des heutigen JR-Verfahrens vor allem2705 einen wichtigen Unterschied zur Folge, nämlich dass gerichtliches Ermessen im Rahmen des Verfahrens im Vergleich zu England eine geringere Rolle spielt: Da das nobile officium immer dort einen Rechtsbehelf bietet, wo kein anderer Rechtsbehelf von Gesetz oder common law vorgesehen wird, sehen sich die schottischen Gerichte in der Pflicht, bei Vorliegen der Voraussetzungen der Beschwer des Klägers abzuhelfen. Diese geringere Bedeutung gerichtlichen Ermessens äußert sich an zwei Stellen des Verfahrens, die sich in den Entscheidungen der schottischen Gerichte in der Sache Eba niederschlugen:
(a) Kein vergleichbares permission-Verfahren Auf Ebene der Zulässigkeit äußert sich das grds. Fehlen gerichtlichen Ermessens darin, dass das Verfahren keine solche permission-Ebene wie in England 2704 Hier äußern sich die Unwägbarkeiten hinsichtlich der tatsächlichen Herkunft der supervisory jurisdiction: Es besteht offenbar keine einheitliche Auffassung darüber, weil schon die Terminologie der Rechtsprechung, in der diese auftaucht, nicht einheitlich ist. So wird in früheren Quellen der Begriff »supereminent jurisdiction« genutzt, der eben auch die Ausübung des nobile officium umfasst; siehe Himsworth, SLT 1992, 27, 257 (260); McHarg, Border Disputes, in: McHarg/Mullen (Hrsg.), Public Law in Scotland 2006, S. 228; ebenso Oliver, PL 2002, Spr., 91 (108). 2705 Neben den sogleich genannten Unterschieden zwischen englischem und schottischem JR besteht für Schottland noch die Besonderheit, dass der Antrag auf Durchführung des JR nicht an eine starre Frist gebunden ist; siehe Bradley/Himsworth, The Laws of Scotland (Administrative Law), Bd. 1 (Loseblatt, Stand: 2010), para. 113; Wolffe, PL 1992, Win., 625 (634); Mullen, Standing to Seek Judicial Review, in: McHarg/Mullen (Hrsg.), Public Law in Scotland 2006, S. 242. Dies kann dazu führen, dass Kläger nach Ablauf der englischen Klagefrist ihren JR-Antrag beim Court of Session einreichen. Das heißt aber nicht, dass eine Klageerhebung jederzeit nach Ergehen einer belastenden Maßnahme möglich wäre; vielmehr haben die Gerichte hier auf Ebene der Begründetheit die Möglichkeit, ein Klagevorbringen als verspätet zurückzuweisen. So kann der Kläger etwa den »plea of mora, taciturnity and aquiescence«, den Einwand der Verspätung erheben, dessen Anerkennung durch das Gericht von den Umständen des Falles abhängt, etwa von der Länge der Verspätung, den möglichen Schäden bei Abweisung der Klage sowie etwa davon, ob der Kläger eine Privatperson oder ein großes Unternehmen ist; siehe zum Ganzen Bradley/ Himsworth, The Laws of Scotland (Administrative Law), Bd. 1 (Loseblatt, Stand: 2010), para. 121. Dabei können die Gerichte an dieser Stelle ähnliche Überlegungen anstellen wie die englischen Gerichte, wenn sie darüber zu entscheiden haben, ob die Klage rechtzeitig erhoben wurde (dazu siehe schon oben, II.C.1.a), S. 118) – so etwa die Überlegung, dass einer Klage nach sehr langer Verzögerung der Aspekt der Rechtssicherheit entgegen stehen kann; siehe Kwik Save Stores Ltd v. Secretary of State for Scotland 1999 SLT 193 (197) per Johnston LJ; siehe zum Ganzen auch Bradley/Himsworth, The Laws of Scotland (Administrative Law), Bd. 1 (Loseblatt, Stand: 2010), para. 121.
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durchlaufen muss, auf der das Gericht ein vergleichbar weites Ermessen hinsichtlich der Zulassung des Verfahrens ausüben könnte.2706 Angesichts der Grundlegung des nobile officium-Verfahrens im Recht der equity und damit letztlich in reinem Billigkeitsrecht verwundert dies,2707 zumal es in der Geschichte des Court of Session durchaus einen Ansatz zur Entwicklung eines solchen Verfahrens – nämlich das sog. Bill Chamber-Verfahren2708 – gegeben hätte2709 und die Etablierung eines der englischen permission-Phase ver-
2706 Die klassische Position des schottischen Rechts schildern Le Sueur/Sunkin, PL 1992, Spr., 102 (102 ff.); Wolffe, PL 1992, Win., 625 (634). 2707 »While the jurisdiction is equitable, and so there might have developed a doctrine that leave of the court was required to present any application of that kind, no such doctrine was in the event developed. This contrasts with the position in England and Wales where leave was required for the presentation of prerogative writs (Order 53) and is now required for applications for judicial review (Civil Procedure Rules, rule 54(4)).« Eba v. Advocate General for Scotland [2010] CSIH 78, para. 53 per Hamilton LP. 2708 Dieses Verfahren war sowohl hinsichtlich seines Ablaufs als auch seines Zwecks dem englischen permission-Verfahren sehr ähnlich. Das Verfahren bestand seit 1532 und entwickelte sich aus der Praxis des Court of Session, außerhalb der regelmäßigen Sitzungszeiten Einzelrichter als »Ferienrichter« einzusetzen mit delegierter Rechtsprechungskompetenz für den ganzen Court of Session. Daraus entwickelte sich eine eigenständige Abteilung innerhalb des Court of Session, der auch einige administrative Pflichten im Zusammenhang mit normalen Verfahren auferlegt wurden: Ihr oblag es nämlich, »bills«, also Anträge für bestimmte Klagen – sog. »privileged summons« – mit dem königlichen Siegel zu versehen. Als privileged summons galten dabei insb. Anträge gegen die Krone sowie Anträge auf bestimmte Rechtsbehelfe (u. a. Anträge auf Erteilung der suspension; siehe oben, Fn. 2696). Funktion dieses Verfahrens war damit gleichzeitig, dass private Kläger die Mittel des Court of Session so lange nicht nutzen sollten, wie nicht ein Richter der Bill Chamber der Krone, deren Gericht der Court of Session schließlich war, empfahl, dass die Rechtswahrnehmung im konkreten Fall notwendig war. Da die Richter der Bill Chamber auch die Möglichkeit hatten, den gestellten Antrag a limine abzuweisen, kam dem Verfahren damit die gleiche Funktion zu wie der permission-stage des High Court. Siehe zum Ganzen Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 110 ff. m. w. N. 2709 Obwohl das Bill Chamber Verfahren mit seiner Bedeutung für einige, aber nicht alle Klagebegehren rein äußerlich Assoziationen zu den prerogative writs weckt, hatte es für die Entwicklung des JR im Grunde lange Zeit keine Relevanz. Dies lag daran, dass die im Hinblick auf den Verwaltungsrechtsschutz leistungsstärkeren Rechtsbehelfe (insb. die »reduction«) auch ohne Durchlaufen der »Bill Chamber« erlangt werden konnten. Während in England verschiedene Rechtsbehelfe ursprünglich von völlig unterschiedlichen Gerichten (Court of King’s Bench/Court of Chancery) gewährt wurden, galten in Schottland für unterschiedliche Rechtsbehelfe zwar verschiedene Verfahren (mit und ohne Durchlaufen der Bill Chamber), sie entstammten aber dennoch dem gleichen, einheitlichen Gericht. Deshalb verlor die Bill Chamber in Schottland zunehmend an Bedeutung: Privileged summons gab es nur bis 1850 und die Bill Chamber als ganze bis 1933; siehe zum Ganzen Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 111 f. Abgelöst wurde sie durch das heute noch bestehende »Petition Department«, welches eine dem englischen Administrative Court vergleichbare Rolle hat.
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gleichbaren Zulassungsfilters für Schottland immer wieder gefordert wurde.2710 Dennoch fehlte den schottischen Gerichten bisher ein vergleichbar effektiver Mechanismus, mittels dessen sie wie der High Court in England JR-Anträge nach Ermessen, etwa wegen mangelnder Erfolgsaussichten, frühzeitig aussondern könnten.2711 Die einzige Hürde, die ein Kläger nach den heutigen Verfahrensregeln allenfalls nehmen muss, bevor das Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, ist die Gewährung der sog. first order : Das Gericht muss mit der first order nach den Verfahrensregeln direkt nach Beantragung des JR selbstständig eine Anordnung zum weiteren Verfahren treffen.2712 Dabei wurde dem Gericht bis 2007 nach den Verfahrensregeln prima facie lediglich ein Auswahlermessen bezüglich verschiedener Anordnungen zugestanden.2713 In vereinzelt gebliebenen Entscheidungen hatten die Gerichte jedoch für sich in Anspruch genommen, die first order in besonderen Umständen auch ganz abzulehnen.2714 2710 Siehe Lord Fraser in Brown v. Hamilton District Council 1983 SLT 397 (418) sowie in Stevenson v. Midlothian District Council 1983 SC (HL) 50 (59), per Fraser LJ; siehe zum Ganzen auch Bradley/Himsworth, The Laws of Scotland (Administrative Law), Bd. 1 (Loseblatt, Stand: 2010), para. 113. 2711 Während, wie gezeigt (siehe oben, bei Fn. 445), die meisten Anträge auf Durchführung des JR in England auf der permission-Ebene scheitern und deshalb meist schon gar nicht das Stadium einer umfassenden mündlichen Verhandlung erreichen, kommt es in Schottland oft zu Hauptverfahren in Fällen »[of] questionable weight and resting on weak legal arguments.« O’Neill, Judicial review in Scotland, 1999, para. 6.44; Blair/Martin, SLT, 2005, 31, 173. 2712 Siehe RCS 58.7. 2713 Siehe RCS 58.7 a. F.: »On being lodged, the petition shall, without appearing in the Motion Roll be presented forthwith to the Lord Ordinary in court or in chambers for (a) an order specifying (i) such intimation, service and advertisement as may be necessary ; (ii) any documents to be served with the petition; (iii) a date for the first hearing, being a date not earlier than 7 days after the expiry of the period specified for intimation and service; or (b) any interim order ; and, having heard counsel or other person having a right of audience, the Lord Ordinary may grant such an order.« Insb. der letzte Halbsatz der Bestimmung (»may grant such an order«) könnte auch bedeuten, dass das Gericht zugleich befugt ist, die Gewährung der »first order« gänzlich zu versagen; andererseits stellt das »such an order« sprachlich einen Rückbezug zu den zuvor abschließend aufgezählten Anordnungen her, was wiederum dafür spricht, dass das Gericht stets zumindest eine dieser Anordnungen treffen muss; siehe auch Supperstone/Goudie/Walker, Judicial Review, 3rd ed. 2005, para. 21.20.4, die angesichts dieser alten Regelung davon ausgingen, dass sich die Möglichkeit zur gänzlichen Abweisung des Antrages nicht direkt aus den Verfahrensregeln ergibt. 2714 Dies geschah etwa in der Entscheidungen Sokha v. Secretary of State for the Home Office, 1992 SLT 1049 (dort ohne weitere Erläuterungen) und der Entscheidung Butt v. Secretary of State for the Home Department, 15. März 1995 (unrep.) per Gill LJ, der jedoch ausdrücklich deutlich machte, dass es sich um einen besonderen Einzelfall handele: »Without attempting to state any universal rule in the matter, I suggest that it would certainly be
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Durch eine Veränderung der Verfahrensregeln 20072715 wurde diese Spruchpraxis offenbar anerkannt, so dass dem Gericht nun grds. auch die vollständige Ablehnung der Gewährung der first order anheimgestellt ist (allerdings ohne, dass aus den Verfahrensregeln ersichtlich wäre, unter welchen Voraussetzungen).2716 Wie jedoch noch kurz vor der Entscheidung des Supreme Court in Eba vom Inner House entschieden wurde, stellt die Notwendigkeit der Gewährung der first order nach wie vor nur eine sehr niedrige Hürde für den Kläger dar,2717 die Gerichte seien nur in absoluten Ausnahmefällen dazu berechtigt, eine Klage bereits auf dieser Ebene abzuweisen; auch nach den neuen Verfahrensregeln ist die Ebene der first order also nicht der permission-Phase des englischen JRVerfahrens vergleichbar.2718
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appropriate for the court to consider, and if need be to refuse, the petition at first order hearing in a case where (1) the respondent is represented; (2) all necessary documents are to hand; (3) the respondent wishes to have the petition disposed of without resort to a first hearing and is in a position to prevent a fully prepared case; and (4) there is no dispute of a factual nature such as to present the court from making a properly informed decision at that stage. All of these criteria are satisfied here.« (wiedergegeben in: Y v. Secretary of State for the Home Department 2011 SLT 508, para. 9 per Clarke LJ). Die gleichen, engen Voraussetzungen für die Versagung der first order wurden außerdem auch in vereinzelten weiteren Entscheidungen angewandt, die im Wesentlichen unveröffentlicht geblieben sind; diese »relatively isolated examples« werden genannt bei Blair/Martin, SLT, 2005, 31, 173 (173 f.). RCS 58.7 wurde geändert durch r.5 Act of Sederunt (Rules of the Court of Session Amendment No. 10) (Miscellaneous) 2007, SSI2007/548. RCS 58.7 hat seit 2007 folgenden Wortlaut: »(1) On being lodged, the petition shall, without appearing on the Motion Roll, be presented forthwith to the Lord Ordinary in court or in chambers for (a) an order specifying (i) such intimation, service or advertisement as may be necessary ; (ii) any documents to be served with the petition; (iii) a date for the first hearing, being a date not earlier than 7 days after the expiry of the period specified for intimation and service; or (b) any interim order. […] (2) The Lord Ordinary may grant, but may not refuse to grant, any order specified in paragraph (1) without having heard counsel or other person having a right of audience instructed by the petitioner.« Ganz anders als in England, wo wie gezeigt die meisten Verfahren bereits auf der permission-Ebene scheitern; siehe oben, bei Fn. 445. Siehe die Entscheidung Y v. Secretary of State for the Home Department 2011 SLT 508, die kurz nach dem Urteil des Inner House, aber noch vor dem des Supreme Court im Verfahren Eba erging. In Y v. Secretary of State for the Home Department 2011 SLT 508 ging es um einen Asylbewerber, der gegen die Entscheidung, ihn abzuschieben, JR beantragt hatte. Das Outer House (Y v. Secretary of State for the Home Department 2010 SLT 170, para. 12 per Smith J) hielt den Antrag für materiell unbegründet und ohne jede Substanz und lehnte deshalb die »first order« ab. Demgegenüber führte das Inner House in Y v. Secretary of State for the Home Department 2011 SLT 508, para. 7 und 16 per Clarke LJ aus: »It would be quite wrong, in our judgment, that a hearing of a motion for first orders should be regarded as anything like the equivalent of an application for leave to bring the petition. […] As to what the correct test is, we agree with the submission of counsel for the respondent that the hurdle to be crossed is a low one. While a residual power is given to the judge, hearing such a motion, to refuse it, such a power must be exercised, in our opinion,
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Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
(b) Kein gerichtliches Ermessen für Gewährung eines Rechtsbehelfs Das zweite wichtige Unterscheidungsmerkmal zwischen schottischem und englischem JR ist, dass zumindest nach klassischer Auffassung das Ermessen des englischen Gerichts auf der Ebene der Begründetheit, also hinsichtlich der Frage, ob es einen Rechtsbehelf bei Vorliegen seiner Voraussetzungen gewährt oder nicht, im schottischen Recht so nicht besteht.2719 Zwar gibt es vereinzelte Entscheidungen dahingehend, dass die Gerichte ein den englischen Gerichten vergleichbares Ermessen besäßen, was diese Position zweifelhaft erscheinen ließ.2720 Die klassische Position des schottischen Rechts ist jedoch, »[…] [that] there is no doubt whatever that whenever an inferior judge, no matter of what kind, fails to perform his duty […] there is a remedy in this court«.2721 Diese uneingeschränkte, von gerichtlichem Ermessen freie und von Rechts wegen bestehende supervisory jurisdiction wird in neueren Entscheidungen verschiedentlich so formuliert, als könne sich der Kläger auf ein subjektives Recht auf Rechtsschutz berufen.2722 Solche Formulierungen machen die unterschiedliche Fundierung des JR in England und Schottland nicht nur besonders deutlich, sondern führen auch zu konkreten Problemen, wie die Entscheidungen Cart und Eba zeigen: Denn dass den schottischen Gerichten im JR-Verfahren die Möglichkeit zur Ausübung eines eigenen, flexibel zu handhabenden Ermessens grds.
2719
2720 2721 2722
only in what can be regarded as exceptional circumstances. These would include a petition which betrayed a clear lack of jurisdiction or incompetency […]. Petitions whose averments are incomprehensible or gibberish would also entitle the judge to refuse first orders.« Siehe Tiemann, Kontrolle der Verwaltung in Schottland, 1988, S. 178: Das schottische Gericht muss »[…] in jedem Fall Rechtsfragen eindeutig mit Ja oder Nein […] beantworten, und diese Antworten sind dann auch entscheidend für den Erlass eines entsprechenden Urteils bzw. entsprechender Anordnungen«. Zu unterscheiden ist allerdings die Frage, ob das Gericht verpflichtet ist, bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Rechtsbehelf zu gewähren, von der Frage, welchen Rechtsbehelf es gewährt. In dieser Hinsicht ist das Gericht nicht an den Antrag des Klägers gebunden und hat insoweit also ein »Ermessen«; siehe RCS 58.4(b). Siehe London & Clydeside Estates Ltd v Aberdeen DC [1979] 3 All ER 876 (883), per Hailsham LJ; siehe zum Ganzen auch Bradley/Himsworth, The Laws of Scotland (Administrative Law), Bd. 1 (Loseblatt, Stand: 2010), para. 140. Forbes v. Underwood (1886) 13 R 465, 467 f. Siehe etwa das Urteil Teherani v. Secretary of State for the Home Department [2006] UKHL 47, per Lord Hope, para. 53: »It is important to appreciate that the exercise by the Court of Session of its supervisory jurisdiction is, in principle, not a discretionary remedy. Every person who complains that he has suffered a wrong because of an excess or abuse of the power or jurisdiction conferred in a decision-maker is entitled to apply to the Court of Session for judicial review […] as of right […]« (Hervorhebung durch Verfasser). Genauso (unter Bezugnahme auf diese Entscheidung) in Eba v. Advocate General for Scotland [2010] CSIH 78., per Hamilton LP, para. 60: »In Scotland, by contrast, the right of the citizen to invoke the jurisdiction of the Court of Session to control the actings of statutory bodies has never been circumscribed on discretionary or similar grounds«. (Hervorhebung durch Verfasser).
Überprüfung von Entscheidungen des Upper Tribunal
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fehlt, führte in den Entscheidungen Cart und Eba zum Auseinanderfallen der Ergebnisse in den Vorinstanzen des Supreme Court: b)
Relevanz des schottischen Rechts in den Entscheidungen des Supreme Court
Die Entscheidungen des Court of Session in der Sache Eba ergingen jeweils zeitlich leicht versetzt zu den Entscheidungen der jeweils entsprechenden Instanzgerichte in England – daher konnten sowohl das Outer House2723 als auch das Inner House2724 in ihren Urteilen auf die englischen Entscheidungen der Parallelinstanzen Bezug nehmen.2725 Deren Ergebnisse wichen jedoch von dem des Inner House als letzter schottischen Instanz an entscheidender Stelle ab:2726 Die von den englischen Vorinstanzen des Supreme Court vertretene Auffassung, der richtige Maßstab für die Beschränkung der Anwendbarkeit des JR auf Entscheidungen des UT sei der pre Anisminic-Standard,2727 hielten die schottischen Gerichte für nicht auf Schottland anwendbar : Den Präjudizien, welche der High Court und später auch der CoA ihren jeweiligen Entscheidungen zu Grunde gelegt hatten,2728 wurde entnommen, dass die Beschränkung nach dem pre
2723 Dies ist die Entscheidung Eba v. Advocate General for Scotland [2010] CSOH 45. 2724 Dies ist die Entscheidung Eba v. Advocate General for Scotland [2010] CSIH 78. 2725 Das Urteil des Outer House nimmt umfassend Bezug auf die Entscheidung des High Court R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052; siehe Eba v. Advocate General for Scotland [2010] CSOH 45, para. 31 ff. per Glennie LJ. Anders als in der Entscheidung des High Court wurden vor dem Outer House des Court of Session Argumente für einen vollständigen Ausschluss des JR noch nicht vorgebracht; dies geschah erst in zweiter Instanz. Die Richter des Inner House beziehen sich dagegen auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des CoA nur im Rahmen einer kurzen Randnotiz am Ende des Urteils; siehe Eba v. Advocate General for Scotland [2010] CSIH 78, para. 65 per Hamilton LP: Darin machen sie jedoch ebenfalls deutlich, dass sie das vom CoA gefundene Ergebnis in der Sache Cart für nicht übertragbar halten. 2726 Einheitlich beurteilen die schottischen und englischen Gerichte noch die Frage nach einem vollständigen Ausschluss der Anwendbarkeit des JR auf Entscheidungen des UT – genau wie der High Court kommt das Inner House zu dem Ergebnis, dass ein solcher vollständiger Ausschluss des JR auch nach schottischem Recht nicht möglich sei. Dabei ist die Begründung der des High Court (zu dieser siehe oben, bei Fn. 2625) sehr ähnlich – die Anwendbarkeit des JR auf Entscheidungen anderer Spruchkörper könne auch nach schottischem Recht nur dort ausgeschlossen werden, wenn der betreffende Spruchkörper eine »manifestation of the Court of Session itself or akin to such a manifestation« sei; siehe Eba v. Advocate General for Scotland [2010] CSIH 78, para. 54 per Hamilton LP. 2727 Siehe oben, VIII.C.1.b)(1), S. 501. 2728 Insb. die Entscheidung R. (Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475 (siehe zu dieser bereits oben, Fn. 590 und 596.), auf welche der High Court verweist in R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 96 ff. per Laws LJ.
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Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
Anisminic-Standard letztlich eine Frage richterlichen Ermessens sei:2729 Die Qualität des JR als Ermessensrechtsbehelf gestatte es dem englischen High Court, letztlich die Grenzen seiner eigenen Kompetenz zur Ausübung des JR selbst zu bestimmen, wobei er in diese Ermessensausübung auch Praktikabilitätserwägungen und »Verhältnismäßigkeitserwägungen«2730 mit einbeziehen könne.2731 Angesichts der schottischen Position zur Fundierung des JR, die dem Gericht keinen Spielraum hinsichtlich dessen Versagung aufgrund von Ermessen einräumt, äußerte sich das Inner House des Court of Session in der Sache Eba erwartungsgemäß anders:2732 Die vom Beklagten angeführten Entscheidungen zum englischen Recht – insb. die Entscheidung Sivasubramaniam2733 – welche eine dem Ansatz des CoA entsprechende Beschränkung des JR auf exceptional circumstances herbeiführen sollte, hielt das Gericht für nicht auf Schottland übertragbar.2734 Da die schottischen Gerichte ein solches Ermessen nicht besäßen, kämen Praktikabilitäts- und ›Verhältnismäßigkeitserwägungen‹ in Schottland nicht in Betracht; eine der von den englischen Gerichten angewandte vergleichbare Beschränkung des JR sei daher in Schottland nicht durch die Gerichte selbst, sondern allenfalls durch ausdrückliche gesetzliche Regelung
2729 »The decision in Sivasubramaniam was simply to the effect that in what might be termed the ordinary case, judicial review of a circuit judge’s grant or refusal of permission to appeal should be eschewed on grounds of proportionality and pragmatism. […] The nature of the judicial review jurisdiction owned by the High Court has an elusive quality, because its limits are (generally) set by itself. In consequence, the distinction between a legal place where the jurisdiction cannot go, and a legal place where as a matter of discretion the High Court will not send it, is permeable: even unprincipled. Ultimately the court is simply concerned to give the jurisdiction the reach, or edge, which the rule of law requires.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2009] EWHC 3052, para. 97 f. per Laws LJ. 2730 Der Begriff »Verhältnismäßigkeit« ist hier bewusst in Anführungszeichen verwendet, um deutlich zu machen, dass diesen Erwägungen nicht etwa eine der deutschen vergleichbaren Doktrin von Verhältnismäßigkeit zu Grunde liegt – es geht vielmehr um eine Abwägung (»proportionality«) des Interesses eines Klägers an einer weiteren, richterlichen Überprüfung einer Entscheidung gegen das Interesse das Justizsystem vor einer Überlastung durch unbegründete Klagen zu schützen. 2731 Siehe die Ausführungen in der Entscheidung R. (Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475, para. 54 f. per Phillips MR; siehe oben, bei Fn. 590ff. 2732 Insb. R. (on the application of Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475. 2733 Siehe zu dieser bereits oben, bei Fn. 590ff. 2734 »This [, Sivasubramaniam, ] appears to be another case […] in which the English courts have set the parameters of judicial review by reference to the appropriateness of such review as a feature of the general administration of justice.« Eba v. The Advocate General for Scotland [2010] ScotsCS CSIH 78, para 60, per Hamilton LP.
Überprüfung von Entscheidungen des Upper Tribunal
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möglich.2735 In Ermangelung einer solchen könne daher kein Grund für irgendeine Beschränkung des JR bestehen.
4.
Entscheidung des Supreme Court in der Sache Eba
In der Entscheidung des Supreme Court in der Sache Eba erstellte Lord Hope das leading judgment, der sich nun mit dem Problem auseinanderzusetzen hatte, dass die Auffassung, die der CoA für das englische Recht vertreten hatte, für völlig unvereinbar mit dem schottischen Recht angesehen wurde.2736 Zudem stellte Lord Hope heraus, dass die Ausgangslage zwischen England und Schottland auch noch insoweit unterschiedlich sei, als dass der TCEA 2007 c.15 in Schottland keine so große Wirkung entfaltet hätte, wie dies in England der Fall war, da in Schottland – devolutionsbedingt – einige rein schottische tribunals2737 weiterhin außerhalb der Struktur des TCEA 2007 c.15 stünden, deren englische Äquivalente bereits integriert seien.2738 Dadurch jedoch, dass der Supreme Court in den Sachen Cart und MR den second appeals-Test als Beschränkung für die Anwendbarkeit des JR auf Entscheidungen des UT annahm und damit für das englische Recht eine Variante wählte, die zwischen den beiden Extrempositionen der schottischen und englischen Vorinstanzen lag, war die Brisanz dieser Frage erheblich abgemildert.2739 Schwerpunkt der Ausführungen von Lord Hope war demnach in erster Linie die Frage, ob sich der second appeals-Ansatz auch in Schottland für die Beschränkung des JR als Maßstab nutzen lasse,2740 was er bejaht.2741 Zur Begründung führt 2735 »In Scotland, by contrast, the right of the citizen to invoke the jurisdiction of the Court of Session to control the actings of statutory bodies has never been circumscribed on discretionary or similar grounds […]«. Eba v. The Advocate General for Scotland [2010] ScotsCS CSIH 78, para 60, per Hamilton LP. 2736 Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29, para. 10 per Hope LJ. 2737 Siehe allgemein zur in vielerlei Hinsicht unterschiedlichen geschichtlichen Entwicklung von tribunals in Schottland Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 29. 2738 Siehe Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29, para. 10 per Hope LJ. 2739 Bezugnehmend auf die Probleme, die eine Übernahme des vom CoA vertretenen »preAnisminic«-Ansatzes für das schottische Recht bedeutet hätte, führt Lord Hope aus: »As it is, the decision of this court in Cart and MR not to endorse that approach has removed that objection. It has made it much easier for the Scots approach to the supervisory jurisdiction in relation to unappealable decisions of the Upper Tribunal in Scotland to find common ground with that which must now be taken in England and Wales.« Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29, para. 44 per Hope LJ. 2740 Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29, para. 35 – 37 per Hope LJ geben im Wesentlichen die Entscheidungsgründe der englischen Entscheidung von Lady Hale zusammenfassend wieder ; in para. 38 – 52 setzt sich Lord Hope entsprechend mit der Frage auseinander, ob der für England gewählte Ansatz auf Schottland übertragbar sei. 2741 »It would not, therefore, be a very large step for the Scots approach to unappealable
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Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
er im Wesentlichen aus, dass die für die Anpassung der schottischen Handhabung des JR an die englische notwendigen Modifikationen nur geringfügig seien;2742 schließlich hätten die schottischen Gerichte – vergleichbar den englischen in Folge der Entscheidung Cooke – sich in der Vergangenheit hinsichtlich der Überprüfung von Entscheidungen bestimmter tribunals eine Selbstbeschränkung auferlegt, um deren besonderem Expertenwissen Rechnung zu tragen.2743 Damit, dass der second appeals-Test schließlich auch in Schottland für die Zulassung von appeals gegen Entscheidungen des UT zum Inner House des Court of Session anwendbar ist,2744 ließe sich außerdem nicht vereinbaren, wenn neben die gesetzlich vorgesehene Route für die Überprüfung von Entscheidungen des UT mit dem JR in Schottland noch eine weitere trete, für die geringere Hürden gelten.2745 Die abweichende prozessuale Ausgangslage, nämlich dass die schottischen Gerichte nicht über einen dem englischen entsprechenden permission-Filter verfügten, im Rahmen dessen der nun aufgestellte Test angewandt werden könnte, hindere die Übertragung des für England gefundenen Standards ebensowenig: Denn die Zulassung von Klagen, die den second appeals-Test offensichtlich nicht erfüllen, könnte doch zumindest in Ansehung der vereinzelt ergangenen Urteile zu dieser Frage durch eine Versagung der first order verhindert werden. Dazu sei allenfalls die bisherige, sehr restriktive Rechtsprechung des Court of Session zur Versagung der first order entsprechend zu modifizieren.2746 Demgemäß sah Lord Hope hinreichenden Spielraum für die
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2746
decisions of the Upper Tribunal to align itself with that which has now been decided should be taken in England and Wales […] As to whether it should now do so, I would unhesitatingly answer that question in the affirmative.« Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29, para. 46 f. per Hope LJ. Lord Hope meint, der Schlüssel zur Lösung des Problems, dass die schottischen Gerichte im Gegensatz zu den englischen nicht über ein entsprechendes Ermessen hinsichtlich der Zulassung des JR verfügten, liege darin, die Beschränkung des JR nach dem second appeals-Test nicht als Beschränkung auf Zulässigkeitsebene, sondern als Beschränkung auf Ebene der Begründetheit zu begreifen: »The key to our doing so lies in a recognition that the issue is not one about access to the remedy, […]. It is an issue about how best to tailor the scope of the remedy according to the nature and the expertise of the Upper Tribunal and the subject matter of the decisions that have been entrusted to it by Parliament.« Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29, para. 44. Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29, para. 45. Siehe r.41.59 Court of Session Rules; siehe dazu schon oben, Fn. 2306. Die eben und in Fn. 2306 beschriebene Vorschrift r.41.59 Rules of Court of Session »[…] gives effect to a particular intention about when questions of law should be subject to further scrutiny by a higher court. It would not be consistent with that intention, to which the amendment to the Rules has given effect, for the court to provide a wider opportunity for the decisions of the Upper Tribunal to refuse permission to appeal to itself to be reconsidered by way of judicial review.« Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29, para. 47 per Hope LJ. Lord Hope nimmt insoweit ausdrücklich Bezug auf die oben geschilderte Rechtsprechung
Überprüfung von Entscheidungen des Upper Tribunal
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schottischen Gerichte, den nun anzuwendenden Test als Zulassungsbeschränkung in das schottische JR-Verfahren einzubinden.2747
5.
Praktische Konsequenzen der Entscheidungen Cart, MR und Eba
Die Entscheidungen Cart, MR und Eba boten erstmals Anlass für die Höchstgerichte, die Reformen in Folge des TCEA 2007 c.15 und das bisher geschaffene System von tribunals umfassend zu würdigen. Bevor die Entscheidungen eingehend auf ihre dogmatischen Grundaussagen hin analysiert werden, soll zunächst darauf eingegangen werden, welche praktischen Konsequenzen die Übertragung des second appeals-Test auf die konkrete Situation der Überprüfung von Entscheidungen des UT im Wege des JR haben kann. Die Darstellung wird sich dabei auf die auch vom Supreme Court entschiedene Fallgestaltung der Überprüfung der Entscheidung des UT, permission zu sich selbst zu versagen, beschränken (also einer Nichtzulassungsentscheidung).2748
a)
Praktischer Ablauf eines judicial review-Verfahrens
Zunächst ist hervorzuheben, dass – ungeachtet der Frage, wegen welcher Rechtsund Verfahrensfehler nun künftig ein JR-Verfahren in Gang gesetzt werden kann – allein die grundsätzliche Möglichkeit zur Durchführung des JR in seiner jetzigen Form bedeutet, dass eine Entscheidung des UT vier weitere Verfahrensstufen durchlaufen kann, bevor die Ausgangsentscheidung Wirksamkeit entfaltet: Nach der Versagung der permission to appeal durch das UT würde der High Court zunächst im schriftlichen und mündlichen Verfahren über die permission für die Durchführung des JR entscheiden;2749 würde diese abgelehnt, wäre gegen diese Entscheidung ihrerseits appeal zum CoA möglich, über den ebenfalls im schriftlichen und mündlichen Verfahren zu entscheiden wäre.2750 Insgesamt wäre damit die eigentliche, administrative Ausgangsentscheidung theoretisch fünf verschiedenen, richterlichen Prüfungen in insgesamt acht
2747 2748
2749 2750
in der Sache Yv. Secretary of State for the Home Department 2011 SLT 508, in der festgelegt wurde, dass die first order nur in absoluten Ausnahmefällen versagt werden dürfe; siehe schon oben, Fn. 2718. Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 28, para. 49 per Hope LJ. Nur für diesen Fall hat der Supreme Court letztlich entschieden – hinsichtlich anderer excluded decisions hat der Supreme Court nur angedeutet, dass ein unbeschränkter JR weiterhin möglich sei; siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 44 per Hale LJ. Siehe zum Verfahren bereits oben, II.C., S. 112, bei Fn. 485. Siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 16 – 061.
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Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
Verfahrensstufen zugänglich.2751 Alle der mit den englischen Verfahren befassten Richter des Supreme Court hatten eingeräumt, dass diese praktische Konsequenz ihrer Entscheidung eine völlig unverhältnismäßige Ausdehnung des Verfahrens darstellen würde2752 und deshalb von sich aus gefordert, dass für Fälle wie die in Cart, MR und Eba entschiedenen künftig eine neue Regelung in den CPR für den JR eingeführt werden sollte, welche das Zulassungsverfahren für den JR auf ein rein schriftliches Verfahren beschränkt.2753 Gegenwärtig ist noch nicht absehbar, ob bzw. wie diesen Forderungen des Supreme Court Rechnung getragen wird;2754 bisher hat das für das englische Zivilverfahrensrecht zuständige Civil Procedure Rules Committee – soweit ersichtlich – noch keine Schritte zum Erlass einer entsprechenden Sonderregelung unternommen.
b)
Mögliche Anwendung des second appeals-Test
Für die Bestimmung der Handhabung des second appeals-Test wird künftig auf die Entscheidungen Uphill, Rainbow Phillips und Cramp sowie PR u. a. zurückzugreifen sein, auf die die Richter des Supreme Court zum Teil verweisen.2755 Kurz nach dem Urteil in der Sache Cart erging zudem noch eine weitere Ent2751 Der Verfahrensablauf wäre folgender : Administrative Ausgangsentscheidung – Entscheidung des FtT im initial appeal (ggf. schriftlich und mündlich) – self review des FtT (schriftlich) – permission-Verfahren UT (schriftlich, bzw., sofern nicht bereits im FtT mündlich, auch hier nochmal mündlich; siehe r.22(3) und (4) UT-Rules, SI2008/2698) – Antrag auf permission beim High Court (schriftlich und mündlich) – appeal gegen Versagung der permission zum CoA (schriftlich und mündlich). 2752 Am deutlichsten in dieser Hinsicht ist das Urteil von Lord Phillips: »What would, however, be totally disproportionate, is that this judicial supervision should extend to the four stage system of paper and oral applications first to the Administrative Court and then, by way of appeal, to the Court of Appeal, to which the ordinary judicial review procedure is subject. What are first required are readily identifiable criteria for the grant of permission to seek judicial review. That these exist should be capable of demonstration by paper applications, and my firm view is that applications for judicial review should be restricted to a single paper application, unless the court otherwise orders. This is, however, a matter for the Civil Procedure Rule Committee.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 93 per Phillips LJ. 2753 Siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 58 per Hale LJ; para. 93 per Phillips LJ; para. 101 per Brown LJ; para. 106 per Clarke LJ; para 132 per Dyson LJ. 2754 In Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29, para.49 trifft Lord Hope Aussagen dazu, welche Vorgaben der Court of Session beim künftigen Umgang mit entsprechenden JR-Verfahren über Entscheidungen des UT zu beachten haben wird. Wie diese allerdings umgesetzt werden, ist ebenfalls noch nicht absehbar. 2755 Siehe die Verweise auf Uphill und Cramp in R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 130 per Dyson LJ sowie auf Uphill in Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29, para. 48 per Hope LJ.
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scheidung in der Rechtssache Kuteh, die den ersten tatsächlichen Anwendungsfall für den neuen Zulassungstest in einem JR-Verfahren zur Überprüfung einer Nichtzulassungsentscheidung des UT darstellt, und auf die sogleich noch näher eingegangen wird. Zunächst wird geschildert, in welchen weiteren Fallgestaltungen der JR künftig Anwendung finden könnte: (1) Important point of principle or practice Entsprechend der Entscheidung Uphill wird der JR künftig unter dem Prüfungskriterium important point of principle überall dort anwendbar sein, wo das UT erstmals ein Rechtsprinzip postuliert. Hinsichtlich des Prüfungskriteriums important point of practice wird ergänzend auf die Entscheidungen Cramp2756 und Rainbow Phillips2757 zurückzugreifen sein,2758 aus denen folgt, dass auch eine wiederholte Fehlanwendung eines bereits fest etablierten Rechtsprinzips einer gerichtlichen Korrektur zugänglich sein muss. Der Fall nun, dass eine Nichtzulassungsentscheidung des UT selbst einen materiellrechtlichen important point of principle i. S.v. Uphill aufwerfen wird, dürfte wohl selten sein, da das UT in solchen – summarisch ergehenden2759 – Entscheidungen regelmäßig gar keine so intensive Rechtsprüfung vornimmt, als dass sich die Gelegenheit ergeben würde, ein gänzlich neues materiellrechtliches Rechtsprinzip aufzustellen.2760 Eher wahrscheinlich ist, dass derartige Entscheidungen vor allem Verfahrensfragen und insb. die Frage betreffen, unter welchen Bedingungen permission to appeal zum UT gewährt wird; denkbar wäre dies etwa dort, wo eine gänzlich neue Rechtsmaterie in das System des TCEA 2007 c.15 integriert wird und deshalb noch keinerlei Entscheidungen zur Gewährung oder Versagung von permission in dem betreffenden Bereich vorliegen.2761 Aber auch dies wird wohl nur selten der Fall sein. 2756 Cramp v. Hastings Borough Council [2005] EWCA Civ 2005; siehe dazu oben, bei Fn. 2320. 2757 Rainbow Phillips v. Camden LBC [2005] 4 All ER 1014; dazu siehe oben, bei Fn. 2321. 2758 Auf diese Entscheidung verweist ausdrücklich Lord Dyson; siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 130. 2759 Die Entscheidung über die permission ergeht grds. ohne Anhörung – sollte aus welchen Gründen auch immer bereits das FtT ohne mündliche Verhandlung entschieden haben, hat die Partei, die erfolglos permission beantragt hat, die Möglichkeit, die Überprüfung der Nichtzulassungsentscheidung durch das UT in mündlicher Verhandlung zu beantragen; siehe r.22(3) und (4) UT-Rules, SI2008/2698. 2760 Weil Nichtzulassungsentscheidungen des UT nur höchst selten Wirkungen über den konkreten Rechtsstreit hinaus entfalten, werden sie in aller Regel auch nicht veröffentlicht und können deshalb auch keine dauerhafte Präjudizwirkung entfalten: »It is not the normal practice of the Administrative Appeals Chamber (AAC) of the Upper Tribunal to publish determinations of permissions to appeal […].« AM v. Information Commissioner & First Tier Tribunal [2010] UKUT 438 (AAC), para. 2 per Wikeley J. 2761 Die eben genannte Entscheidung AM v. Information Commissioner & First Tier Tribunal (siehe vorherige Fn. 2760) wurde aus genau diesem Grund veröffentlicht. Das gleiche gilt
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Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
Ein größeres Potential für die Anwendung des JR ergibt sich hinsichtlich mehrfacher Fehlanwendung eines bereits etablierten – materiellen oder verfahrensrechtlichen – Rechtsprinzips, insb. in Sachbereichen, in denen ein hohes Verfahrensaufkommen besteht, wie dem Sozial- oder Asylrecht, was eine Überprüfung unter dem Gesichtspunkt important point of practice im Sinne von Cramp und Rainbow Phillips ermöglichen würde. Zuletzt fiele wohl auch das folgende Szenario, das Lady Hale in Cart skizziert, grds. unter das Kriterium important point of principle or practice:2762 Das UT erlässt eine Entscheidung zu einer bestimmten, bisher noch ungeklärten Rechtsfrage und setzt zugleich ein Präjudiz;2763 diese Entscheidung wird – aus welchen Gründen auch immer2764 – keiner weiteren richterlichen Prüfung durch den CoA zugeführt. In einem späteren Verfahren fühlt sich das FtT an diese frühere Entscheidung gebunden und urteilt entsprechend. Im Vertrauen darauf, dass das UT im Lichte seines eigenen Präjudizes genauso verfahren wird, versagt das FtTauch die permission to appeal genauso wie – erwartungsgemäß – das UT. Würde hiergegen nun JR beantragt, handelte es sich bei dem in der vorherigen Entscheidung des UT enthaltenen Prinzip strenggenommen nicht um ein neues – es wurde schließlich in einer früheren Entscheidung aufgestellt –, sondern allenfalls um ein noch nicht gefestigtes Rechtsprinzip; um als important point of principle überprüfbar zu sein, müsste dieser Begriff also schon weit ausgelegt werden. Spätestens aber mit der zweiten Nichtzulassungsentscheidung, die das UT auf dieses Präjudiz stützt, könnte in Anwendung von Cramp und Rainbow Phillips zumindest ein important point of practice angenommen werden. Insb. dieser letzte Fall wirft jedoch die Frage auf, ob die Annahme des Vorliegens eines important point of principle or practice nicht restriktiv zu erfolgen hätte: Es ist insoweit zu fragen, ob nicht gerade in einem solchen Fall, in dem das UT ein Präjudiz setzt, d. h. eine eigene Würdigung materiellrechtlicher oder prozessualer Rechtsfragen vornimmt und durch die Veröffentlichung seiner Entscheidung bewusst eine Bindungswirkung für das FtT und für sich selbst erreichen will, richterliche Zurückhaltung geboten ist. Insb. die Ausführungen auch für die zusammen mit der genannten Entscheidung getroffene und veröffentlichte Entscheidung X v. Information Commissioner & First Tier Tribunal [2010] UKUT 432 (AAC). 2762 Siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 43 per Hale LJ. Die Ausführungen von Lady Hale beziehen sich nicht direkt auf die Anwendbarkeit des Uphill-Tests, sondern bilden lediglich das Gegenargument zu dem von den Vorinstanzen vertretenen »pre-Anisminic«-Test. 2763 Nach den gegenwärtigen Verfahren zur Veröffentlichung von Entscheidungen des UTwäre eine Entscheidung, die eine Rechtsfrage neu aufwirft, zu veröffentlichen und hätte dementsprechend effektiv die Wirkung eines Präjudizes; siehe oben, bei Fn. 2576. 2764 Etwa, weil eine der Verfahrensparteien aufgibt.
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Lady Hales in der Entscheidung Cooke legten den Gerichten ja bisher richterliche Zurückhaltung nahe, wo ein zweitinstanzliches tribunal in seinem ihm eigenen Zuständigkeitsbereich eine Rechtsfrage beantwortet. Zudem wäre zu fragen, ob nicht auch unabhängig von der Ratio in Cooke in eben dieser Fallgestaltung, in der sich ein vom UT geschaffenes Präjudiz auf die Nichtzulassungsentscheidung auswirkt, richterliche Zurückhaltung geboten ist. Diesen Fragen soll im Rahmen der Analyse des Urteils sogleich weiter nachgegangen werden.2765 (2) Other compelling reason Für die Beurteilung, ob ein other compelling reason vorliegt, wird es künftig auf die Rechtsprechung in den Entscheidungen Uphill und PR u. a. ankommen, nach denen auch die Anwendung eines bereits gefestigten Rechtsprinzips einen zwingenden Grund für eine weitere richterlicher Prüfung darstellen kann; insb. die letztere Entscheidung hatte dabei gezeigt, dass eine solche womöglich fehlerhafte Anwendung etablierter Rechtsprinzipien nicht schon deshalb einen zwingenden Grund für eine weitere gerichtliche Überprüfung darstellt, weil die Auswirkungen der fraglichen Entscheidung im Einzelfall gravierend sein können.2766 Uphill kann zudem entnommen werden, dass ein zwingender Grund grds. nur dort vorliegt, wo etwa eine Verfahrensunregelmäßigkeit zu einem insgesamt unfairen Verfahren für die beschwerte Verfahrenspartei geführt hat und zugleich zu einer Entscheidung, welche ihr die Möglichkeit zum appeal insgesamt nimmt.2767 Eine erste Entscheidung zur Anwendung des Prüfungsmaßstabs other compelling reason im Zusammenhang mit JR-Verfahren ist bereits ergangen: Unmittelbar im Anschluss an die Entscheidungen des Supreme Court wurde vor dem High Court das JR-Verfahren in der Sache Kuteh2768 anhängig: In diesem Fall wandte sich der Kläger gegen eine Entscheidung, ihm ein Berufsverbot auszusprechen für eine Tätigkeit, die Kontaktmöglichkeiten zu Kindern und Jugendlichen bietet.2769 Das UT hatte in diesem Zusammenhang einen appeal zu
2765 Siehe unten, VIII.C.6., S. 531. 2766 Siehe oben, Fn. 2338ff. sowie insb. bei Fn. 2342. 2767 Siehe Uphill v. BRB (Residuary) Ltd [2005] 1 WLR 2070, para. 24 f. per Dyson LJ; dazu schon oben, Fn. 2336. 2768 R. (on the application of Kuteh) v. The Upper Tribunal, [2011] EWHC 2061 (Admin), per Wilkie J. Es handelt sich dabei lediglich um die Entscheidung über die Gewährung der permission – die Entscheidung in der Hauptsache wurde bislang nicht veröffentlicht. 2769 Der Kläger, Mr. Kuteh, ist Pfleger für geistig behinderte Menschen und ihm wird vorgeworfen, im Rahmen dieser Tätigkeit wiederholt gegenüber seinen Schutzbefohlenen tätlich geworden zu sein. Die Vorwürfe stützen sich dabei vor allem auf ein Ereignis, hinsichtlich dessen genauem Hergang erhebliche Differenzen zwischen verschiedenen Zeu-
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sich selbst nicht zugelassen. Vor dem High Court rügte der Kläger, das UT habe in der Versagung der permission to appeal einen so gravierenden Verfahrensfehler begangen, dass ein compelling reason für eine gerichtliche Überprüfung bestehe. Dieser Verfahrensfehler sei darin zu sehen, dass das UT bei seiner Nichtzulassungsentscheidung übersehen habe, dass das FtT in seiner angegriffenen Entscheidung ein wichtiges Beweismittel zu Gunsten des Klägers unberücksichtigt ließ.2770 Der High Court gewährte in diesem Fall die permission mit der Begründung, dass der Vortrag, der dem UT vorgeworfene Rechtsfehler sei ein solcher, der einen zwingenden Grund im Sinne der Entscheidung Uphill darstelle, ungeachtet der ansonsten geringen Erfolgsaussichten hinreichend tragfähig sei:2771 Der Kläger hatte sich insb. darauf berufen, dass das UT in seiner Versagungsentscheidung versucht hatte, die Außerachtlassung der Beweismittel durch das FtT zu rechtfertigen, statt die permission zu gewähren und eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Dieser Fall zeigt, welche Rolle der JR innerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15 in jedem Fall spielen kann: Bei schwerwiegenden Verfahrensunregelmäßigkeiten, wie sie in jedem justiziellen Verfahren geschehen können, schafft er die Möglichkeit einer »Nichtzulassungsbeschwerde«, mittels derer beide Parteien die Überprüfung der Entscheidung des UT begehren können.2772 Der JR genaussagen bestehen; siehe R. (on the application of Kuteh) v. The Upper Tribunal, [2011] EWHC 2061 (Admin), para. 9 ff. per Wilkie J. 2770 Zu dem oben, Fn. 2769, geschilderten Sachverhalt hatten sich mehrere Zeugen geäußert, von denen die meisten den Kläger be-, zwei aber auch entlasteten. Die Aussage eines dieser Zeugen wurde zwar von Seiten der Klägerin in das Verfahren eingebracht, aber ausweislich der Entscheidungsbegründung des FtT mit keinem Wort gewürdigt. Als der Kläger sich ausdrücklich aus diesem Grund mit dem Antrag, permission to appeal zu gewähren, an das UT wandte, ging auch das UT nicht weiter darauf ein, wie zu erklären sei, dass das FtT die Aussage nicht berücksichtigt habe – vielmehr argumentierte der Richter des UT, der die permission ablehnte, das Vorbringen weiterer Beweismittel hätte ohnehin keinen Unterschied gemacht; vgl. R. (on the application of Kuteh) v. The Upper Tribunal, [2011] EWHC 2061 (Admin), para. 10 ff., per Wilkie J. 2771 Siehe R. (on the application of Kuteh) v. Upper Tribunal, [2011] EWHC 2061, para. 25 per Wilkie J. 2772 Siehe schon oben, bei Fn. 418ff. Ein wichtiger Fall für die Durchführung des JR auf Antrag von Behörden war gerade die Überprüfung von Tribunalsentscheidungen; siehe etwa R. (on the application of the Secretary of State for Defence) v Pensions Appeal Tribunal [2008] EWHC 3248 (Admin), para. 1 ff. per Blair J: Hier ersuchte der Verteidigungsminister den High Court um Überprüfung einer Entscheidung eines Pensions Appeal Tribunal, das die Klage eines Veteranen zugelassen hatte, welche nach Auffassung des Ministeriums verfristet war; siehe auch R. v Immigration Appeal Tribunal Ex p. Secretary of State for the Home Department, [1990] 1 WLR 1126 (1129) per Gildewell LJ, wo das tribunal seine eigene Zuständigkeit versagte, als der zuständige Minister die Überprüfung einer Entscheidung eines Adjudicator begehrte, Asyl zu gewähren; siehe ferner R. v. Oxford Regional Mental Health Tribunal Ex p. Secretary of State for the Home Department [1988] AC 120 (126) per Bridge LJ (dazu schon oben, bei Fn. 640: Hier ging es um einen Fall, in dem ein tribunal bei der Beurteilung der Freilassung eines psychisch Kranken den zuständigen
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trägt insoweit dazu bei, das tatsächliche Funktionieren des Systems des TCEA 2007 c.15 sicherzustellen.
6.
Zusammenfassung und Analyse der Entscheidungen Cart, MR und Eba
Im Lichte dieser praktischen Konsequenzen sollen nun noch einmal die zentralen Aussagen der Urteile des Supreme Court zusammengefasst werden; zugleich wird aber auch auf Dissonanzen zwischen den Einzelvoten der Richter eingegangen und ihre Aussagekraft hinsichtlich der künftigen Handhabung des JR auf Entscheidungen des UT bewertet werden, um letztlich einen Ausblick darauf geben zu können, welche Rolle der JR im System des TCEA 2007 c.15 spielen kann. Zusammenfassend lassen sich den Entscheidungen des Supreme Court und der Vorinstanzen in den Sachen Cart, MR und Eba folgende Grundaussagen entnehmen: – Entscheidungen des UT sind einer Überprüfung des High Court im Wege des JR grds. zugänglich; es ist somit nicht von der supervisory jurisdiction ausgeschlossen. Damit haben sich alle Instanzen deutlich in Widerspruch zu den vielen gegenläufigen Präjudizien,2773 den Stimmen in der Literatur2774 sowie der Auffassung des Leggatt Review2775 gesetzt, die vor den Verfahren Cart, MR und Eba angenommen hatten, eine Überprüfung der Entscheidungen eines superior court of record wie dem UT im Wege des JR sei gänzlich ausgeschlossen. Minister nicht rechtzeitig über die Anhörung informiert hatte – die Richter sahen hierdurch die rules of natural justice zu Lasten des Ministers verletzt). 2773 Siehe zu diesen schon oben, Fn. 2624. 2774 Die Auffassung, die Eigenschaft des UT als superior court of record würde die Anwendbarkeit des JR ausschließen, vertraten vor den Urteilen in den Sachen Cart, MR und Eba etwa Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judicial Review, 6th ed. 2007, para. 1 – 093: »The 2007 Act will have a significant impact on the role of the Administrative Court in hearing claims for judicial review against tribunals decisions. The Administrative Court will have no role at all in relation to decisions of the Upper Tribunal, which as superior court of record falls entirely outside the supervisory jurisdiction«; genauso auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 10th ed. 2009, S. 780 sowie auch Jacobs, Tribunal Practice and Procedure, 2009, para. 1 – 120 unter Verweis auf die o.g. Rechtsprechung und weitere Urteile. 2775 Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 6.32 f.: Der Leggatt Review hielt es für notwendig den JR auszuschließen, weil er davon ausging, dass insb. die Kammerpräsidenten des UT regelmäßig den gleichen Status hätten wie die Richter des High Court und nahm an, dass diese wohl in aller Regel die besonders komplexen Fälle hören würden. Er folgerte daraus: »It would be inappropriate to subject these Presidents to review by another judge of equal status.« Um diesen Ausschluss des JR zu erreichen, ging der Leggatt Review davon aus, dass allein die Bezeichnung des UT als superior court of record ausreichen würde, empfahl jedoch aus Gründen der klaren Abgrenzung zwischen dem neuen Tribunalssystem und den Gerichten, den JR durch eine ausdrückliche Bestimmung auszuschließen.
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Die Stellung der reformierten tribunals im System der administrative justice
– Die durch den TCEA 2007 c.15 hergestellten Systematisierungen und Vereinheitlichungen schließen die Besonderheiten einzelner Sachbereiche zwar nicht völlig aus,2776 wiegen aber doch zumindest schwerer als diese.2777 Damit ist das UT offenbar mehr als die Summe seiner Einzelteile; es ist hinsichtlich der Anwendung des JR nicht gerechtfertigt, zwischen einzelnen Sachbereichen innerhalb des UT zu differenzieren.2778 Insb. die Argumente der Kläger im Bezug auf die potentielle Brisanz des Asyl- und Immigrationsrechts, die nach der bisherigen Rechtsprechung eine besondere Skepsis gegenüber Beschränkungen des JR gerechtfertigt hatte,2779 ließen die Gerichte nicht gelten.2780 Die Beziehung des UT zum High Court ist vielmehr immer gleich, gleichgültig in welchem seiner vielen Zuständigkeitsbereiche es tätig wird.2781 – Die Systematisierungen, die durch den TCEA 2007 c15 erfolgt sind, machen eine Beschränkung des JR gegenüber dem UT erforderlich. Die Veränderungen durch den TCEA 2007 c.15 sind dergestalt, dass es nicht mehr gerechtfertigt ist, den JR weiter so anzuwenden wie bisher.2782 Die Argumente der Kläger, es seien doch im Wesentlichen die gleichen Personen, die über die gleichen Sachfragen zu entscheiden hätten,2783 tragen nicht.
2776 Insb. Lady Hale hatte sich dabei kritisch zur Allokation der einzelnen Sachbereiche innerhalb der Struktur des TCEA 2007 c.15 geäußert, worauf noch eingegangen wird; siehe unten, bei Fn. 2797. Allerdings lässt auch sie im Ergebnis keine Differenzierungen in der Anwendung des JR auf das UT zwischen einzelnen Sachbereichen zu. 2777 Dies betonen alle Einzelurteile; siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 37 per Hale LJ sowie dem zustimmend Lord Brown, para. 97 und Lord Clarke, para. 102; genauso auch Lord Dyson, para. 125. 2778 Siehe oben, bei Fn. 2656. 2779 Siehe nur die Äußerungen in der Entscheidung R. (on the application of Sivasubramaniam) v. Wandsworth County Court [2003] 1 WLR 475, para. 52 per Phillips MR; siehe schon oben, bei Fn. 590ff. 2780 Siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 36 per Hale LJ (unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die gleichlautende Aussage im Zusammenhang mit dem Asylrecht als »historical exemption« von Sulivan LJ in der Vorinstanz in R. (on the application of MR) [2010] EWHC 3558 (Admin), para.35), sowie Dyson LJ, para. 125: »[T]he same approach should be applied to permission decisions made by the Immigration and Asylum Chamber of the Upper Tribunal as they do to decisions made by other chambers. In the light of the unified tribunal structure created by the TCEA, there should be a unified approach as to the grounds, if any, on which a judicial review of decisions of the UT can be sought.« 2781 »[T]he relationships of its component parts with one another and with the ordinary courts are common to all. So too must be the principles adopted by the High Court in deciding the scope of judicial review.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 37 per Hale LJ (siehe schon oben, bei Fn. 2656). 2782 »[T]he new and in many ways enhanced tribunal structure deserves a more restrained approach to judicial review than has previously been the case […]«. R (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 57 per Hale LJ. 2783 Dieses Argument wurde von den Instanzgerichten stets als »elegant and attractive« be-
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a)
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Unvereinbarkeit mit der bisherigen Dogmatik des judicial review
Die letztgenannte Grundaussage wirft für das Gericht die Frage auf, wie zu bestimmen ist, in welchem Maß die Überprüfung von Entscheidungen des UT im Wege des JR zurückzunehmen ist. Entscheidend für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des JR sind nach Auffassung des Supreme Court nicht solche Kriterien, die sich an der Vorstellung eines eigenen Zuständigkeitsbereichs des UT zu orientieren hätten – den pre Anisminic-Test, den die englischen Vorinstanzen favorisiert hatten und der genau diese Fragen hätte stellen müssen (Wo liegt die jurisdiction des UT bzw. wann sind die Grenzen der jurisdiction des UT überschritten?) hat das Gericht ja gerade abgelehnt.2784 Damit ist wohl auch der letzte Anwendungsfall für die Anlegung der pre Anisminic-Kategorien weggefallen.2785 In dieser Abkehr des Supreme Court vom pre Anisminic-Test rückt das Gericht augenscheinlich zugleich von der klassischen Beschreibung des Zwecks des JR sowie dem orthodoxen Begründungsansatz seiner verfassungsrechtlichen Legitimation ab: Schließlich kann im Lichte der Entscheidung künftig bei der Anwendung des JR auf das UT nicht mehr in jenen Kategorien (jurisdictional error/error within jurisdiction) gedacht werden, die die klassische Beschreibung des Zwecks des JR, wie sie die ultra vires-Doktrin vornimmt, am ehesten verdeutlichen können.2786 Es ist nicht anzunehmen, dass das Gericht damit eine Stellungnahme zu dem ewigen Streit zwischen ultra vires theory und der common law theory abgeben wollte oder dass sich dem Urteil eine solche entnehmen lässt – schließlich handelte es sich ohnehin um einen Fall, in dem das Gericht für die von ihm vorgenommene Bestimmung der Reichweite des JR auf einen parlamentarischen Rechtsakt zurückgreift, was eben jener Konstellation entspricht, in der sich die verschiedenen Lager des Streits darüber einig sind, dass die Gerichte den Willen des Parlaments zu berücksichtigen und zur Geltung zu bringen haben.2787 Aber auch sonst lässt sich nicht sagen, ob und wie sich der nun
2784 2785
2786 2787
schrieben, wurde aber auch von allen Gerichten letztlich abgelehnt; siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 38 per Hale LJ. Konsequenterweise lässt sich dem Urteil des Supreme Court auch nichts darüber entnehmen, welche jurisdiction das UT hat. Eindeutig äußert sich dazu Lady Hale: »[T]he approach in Sinclair Gardens should no longer be followed.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 57 per Hale LJ. Zur Entscheidung R (Sinclair Gardens Investments (Kensington) Ltd) v. Lands Tribunal [2005] EWCA Civ 1305, auf die Lady Hale damit Bezug nimmt, siehe schon oben, bei Fn. 593; im Ergebnis genauso auch Lord Clarke, para. 105. Diese Konsequenz zieht Murray, CLJ 2011, 70(3), 487 (489). Siehe oben, bei Fn. 538. Jeder der Richter in der Sache Cart argumentiert letztlich mit dem Willen des Parlaments, siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 52 per Hale LJ; para. 99 per Brown LJ; para. 105 per Clarke LJ; para. 118 ff. per Dyson LJ; einzig dem Votum von Lord Phillips lässt sich hinsichtlich der
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vom Gericht vorgeschriebene Test in die bisherige Dogmatik des JR einfügen soll: Es ist nicht klar, ob es etwa einen – neuen – ground of review darstellt, wenn das UT in einer Entscheidung einen important point of principle or practice i. S.v. Uphill, Cramp und Rainbow Phillips falsch entscheidet oder ein other compelling reason i. S.v. Uphill und PR u. a. vorliegt. Das Gericht hat sich von solchen Erwägungen ersichtlich nicht beeinflussen lassen – es hat im Gegenteil rein pragmatisch entschieden, und Wertungen, die der Gesetzgeber zur Zulässigkeit eines second appeal aufgestellt hat, auf den JR übertragen, wobei es offenbar davon ausging, dass in der Praxis hinsichtlich ihrer Funktion zwischen diesen beiden Arten von Rechtsmitteln ohnehin kein Unterschied bestünde.2788 Sicherlich war diese pragmatische Wahl des second appeals-Test auch durch die Problematik begünstigt, dass es sonst zu einem Auseinanderfallen von schottischer und englischer Rechtslage gekommen wäre: Angesichts der Tatsache, dass das UT in praktisch besonders wichtigen Bereichen (Sozial- und Asylrecht) für das ganze UK zuständig ist, wäre es sonst womöglich zu »forum shopping« gekommen.2789 Ob es der englischen Rechtswissenschaft gelingen wird, dieses pragmatische Urteil in die bisherige Dogmatik des JR einzupassen, darf bezweifelt werden; zumindest in dieser Hinsicht ist wohl die – bisher vereinzelt gebliebene – Kritik in der Literatur an dem Urteil berechtigt.2790 Beschränkung der Prüfungsdichte des JR eine direkte Bezugnahme auf den Willen des Parlaments nicht entnehmen. 2788 »In practice, there is little if any substantive difference between an appeal on a point of law and judicial review«. R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 130 per Dyson LJ. 2789 Die Gefahr, dass Kläger in englischen Sachverhaltskonstellationen wegen günstigerer Bedingungen in Schottland klagen könnten (»forum shopping«), wurde von der Beklagtenseite in das Verfahren Eba eingebracht; siehe Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29, para. 39 per Hope LJ: Abhängig vom jeweiligen Sachzusammenhang besteht mit dem UT – wie gezeigt – ein grds. UK-weit tätiges Organ. Dass sich bei solcherlei UK-weiten Zuständigkeiten eines tribunal schwierige Fragen hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit für die Nachprüfung von dessen Entscheidungen ergeben können, zeigt die Entscheidung Teherani v. Secretary of State for the Home Department [2006] UKHL 47: Hier ging es um die Frage, ob gegen die Entscheidung des damaligen IAT, welches wie das UT bereits eine UK-weit einheitliche Zuständigkeit hatte, durch den Court of Session kontrolliert werden kann, wenn die Entscheidung des tribunal in London getroffen wurde. Der Kläger hatte hier deshalb in Schottland klagen wollen, weil die für die Einlegung des JR in England vorgeschriebene Frist, die in Schottland grds. nicht gilt (siehe oben, Fn. 2705), bereits abgelaufen war. Angesichts dessen ist es ein Leichtes sich vorzustellen, wie sich ein Auseinanderfallen der Prüfungsdichte über Entscheidungen des UT im Wege des JR ausgewirkt hätte. 2790 So wirft etwa Murray, CLJ 2011, 70(3), 487 (489) dem Supreme Court vor, mit einem Urteil nicht nur eine mit der orthodoxen Doktrin des JR unvereinbare Entscheidung zu liefern, sondern hierdurch gerade effektiv ein Recht zum appeal zu schaffen, welches der Gesetzgeber – seiner Auffassung nach – gerade deutlich ausschließen wollte.
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Pragmatische Abwägungsentscheidung
Statt die Anwendbarkeit des JR also vom Überschreiten der nur schwer definierbaren Grenzen einer jurisdiction und damit von einer kategorischen Einordnung abhängig zu machen, macht der Supreme Court nun eine Abwägungsentscheidung zur Grundlage der Bestimmung des notwendigen Maßes außerordentlicher Kontrolle. Zentral wird damit die graduelle Beurteilung, welche Rechtsfragen zu ihrer Lösung einer vermehrten Aufwendung der begrenzten Ressourcen des Justizsystems bedürfen. Diese Überlegung des Supreme Court zeigt in ihrem Ansatz letztlich deutliche Parallelen zu dem Konzept der proportionate dispute resolution, deren Umsetzung die Regierung durch die Reformen des TCEA 2007 c.15 anstrebte:2791 Auch dieser liegt ja die Überlegung zu Grunde, der Entscheidung einer jeden Streitigkeit nur solche Ressourcen zu widmen, wie sie dem Inhalt und der Bedeutung der Streitigkeit bzw. der Rechtsfrage angemessen sind.2792 Dem wohnt zugleich die Erkenntnis inne, dass jedes Justizsystem nur über begrenzte Ressourcen verfügt und deshalb ein gewisses Maß an fehlerhaften Ergebnissen, die dieses System produziert, hinzunehmen ist. Die damit notwendig werdende Abwägungsentscheidung trifft das Gericht nicht selbst; vielmehr greift es auf eine bereits getroffene Abwägung zurück, die der Gesetzgeber vorgenommen habe: Der second appeals-Test zeige nach Auffassung des Gerichts, unter welchen Bedingungen der Gesetzgeber meine, dass Rechtsfragen durch das reguläre »legal system« zu beantworten seien2793– was zugleich impliziert, dass der Supreme Court das UT im Gegensatz zur Stellung des High Court offenbar nach wie vor nicht als Bestandteil dieses Justizsystems ansieht. Zugleich transferiert das Gericht mit diesem letzten Schritt die Anwendbar2791 Siehe zur Überlegung der proportionate dispute resolution schon oben, bei Fn. 1041. Besonders deutlich macht dies etwa Lord Phillips: »Rights of appeal should be proportionate to the grounds of complaint and the subject matter of the dispute. More than one level of appeal would not normally be justified unless an important point of principle or practice was involved.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 68 per Phillips LJ; i.E. ebenso Elliott/Thomas, Cart and Eba (Comment), 2011. 2792 Siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 2.2 f.: »The aim is to develop a range of policies and services that, so far as possible, will help people to avoid problems and legal disputes in the first place; and where they cannot, provides tailored solutions to resolve the dispute as quickly and costeffectively as possible. It can be summed up as ›Proportionate Dispute Resolution‹. We want to […] deliver cost-effective court and tribunal services, that are better targeted on those cases where a hearing is the best option for resolving the dispute or enforcing the outcome.« 2793 Siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 52, per Hale LJ.
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keit des second appeals-Test gleichsam aus einem Kontext des TCEA 2007 c.15 heraus in einen anderen, nicht vom Gesetz geregelten: Während s.13(6) TCEA 2007 c.15 sich direkt nur auf das Verhältnis des UT zum CoA bezieht, überträgt der Supreme Court dessen Aussage in das Verhältnis des UT gegenüber dem High Court. Es stellt sich daher die Frage, ob dieser andere Kontext des second appealsTest nicht konsequenterweise auch eine modifizierte Anwendung desselben erforderlich machen müsste: c)
Offene Fragen: Notwendigkeit einer Modifikation des second appeals-Test für die Zwecke des judicial review?
Während der CoA aufgrund seiner Einbindung in den Instanzenzug des TCEA 2007 c.15 als unzweifelhaft höhere Instanz zum UT vom Gesetzgeber bestimmt wurde, ist der Schluss, dass bzw. ob der High Court ebenfalls eine solche ist, weit weniger offensichtlich: Zwar untersteht das UT nach der Auffassung aller Instanzgerichte und des Supreme Court wie die Vorgänger-tribunals der supervisory jurisdiction, was zugleich impliziert, dass es diesem untergeordnet ist; andererseits ist es vom Gesetzgeber hinsichtlich vieler anderer Aspekte seinem Status nach an den High Court angenähert worden. Es stellt sich damit die Frage, ob nicht die Attribute, Aufgaben und Kompetenzen, mit denen der Gesetzgeber das UT durch den TCEA 2007 c.15 bewusst versehen hat, zugleich eine modifizierte, restriktivere Handhabung des second appeals-Test in diesem neuen Kontext nahelegen. Ein Charakteristikum, welches bisher den Gerichten Zurückhaltung bei der Kontrolle der Entscheidungen zweitinstanzlicher tribunals abverlangte, war deren besseres Sach- und Rechtswissen, welches entsprechend der Rechtsprechungslinie Cooke gewissermaßen eine Vermutung zu Gunsten der Richtigkeit der Entscheidungen dieser tribunals bedingte.2794 Wäre die Ratio dieser Rechtsprechungslinie auch heute noch auf das UT übertragbar, wäre zu fragen, ob nicht insb. vom High Court als im Instanzenzug des TCEA 2007 c.15 nicht vorgesehener, gleichsam »externer« Spruchkörper, dem eine Rechtskontrolle nur im Rahmen eines außerordentlichen und grundsätzlich subsidiären Rechtsbehelf möglich ist, zurückhaltend auszuüben ist. (1)
Anwendbarkeit der Rechtsprechungslinie Cooke auf das Upper Tribunal nach Cart, MR und Eba? Kurz vor Ergehen des Urteils des Supreme Court in den Sachen Cart, MR und Eba hatte der CoA in der Sache Cattrell, in der eine Entscheidung des UT im Wege des 2794 Siehe bereits das oben, in Fn. 2351 wiedergegebene Zitat aus der Entscheidung Cooke v. Secretary of State for Social Security [2001] EWCA Civ 734, para. 16 per Hale LJ.
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appeal überprüft wurde, noch ohne weiteres auf die Ausführungen Lady Hales zur richterlichen Zurückhaltung gegenüber zweitinstanzlichen tribunals in Cooke Bezug genommen.2795 Außerdem nimmt wie gezeigt auch das UTselbst die Ratio der Entscheidung Cooke für sich in Anspruch und folgert daraus seine Nichtbindung an materiellrechtliche High Court-Präjudizien.2796 Einzelne Aussagen in den Entscheidungsbegründungen der Urteile Cart und MR jedoch erwecken den Eindruck, dass unterschiedliche Auffassungen zwischen den Richtern über die tatsächliche Fähigkeit des UT, Expertenwissen zur Verfügung zu stellen, bestanden, was Anlass zu Zweifeln an der unveränderten Geltung der Grundaussagen in Cooke gibt: (a) Uneindeutige Aussagen des Supreme Court Zweifel daran, ob das UT tatsächlich in der Lage ist, ein solches Maß an Expertenwissen zur Verfügung zu stellen, wie es früher die richterliche Selbstbeschränkung in Folge des Urteils Cooke bedingte, hat offenbar gerade Lady Hale selbst: In ihrer Urteilsbegründung in Cart und MR betrachtet sie die Allokation der bisherigen Einzeltribunals in der Kammerstruktur des TCEA 2007 c.15 offenkundig kritisch2797 und führt an einer Stelle ihres Urteils zur Zusammenführung der Einzeltribunals aus: »There must be some risk that the amalgamation of very different jurisdictions in the new chambers will dilute rather than enhance the specialist expertise of their judges and members. Mental health and special educational needs, for example, are similar in some ways but very different in others. It would be difficult to say that bringing them together has reduced the capacity for error although of course we all hope that it has not been increased.«2798
Ihre darin zum Ausdruck kommenden Bedenken legen den Schluss nahe, dass sie die Voraussetzungen, unter denen sie ihre Aussagen in Cooke getroffen hatte, 2795 Secretary of State for Work and Pensions v. Cattrell [2011] EWCA Civ 572, para. 5 per Buxton LJ; siehe zur Entscheidung Cattrell bereits oben, bei Fn. 2330. 2796 Dazu siehe oben, VIII.A.2.b)(2), S. 489. 2797 Siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 23 f. per Hale LJ: »The new structure may look neat but the diversity of jurisdictions accommodated means that it is not as neat as it looks. Thus, for example, the jurisdiction of the Special Commissioners of Income Tax and the VATand Duties Tribunal has been assigned to the First-tier Tribunal, although the importance of the decisions they make and the expertise of their judiciaries is, and should be, at least the equivalent of that of the Social Security Commissioners, who as appellate judges are assigned to the Upper Tribunal. […]. [S]ome first instance jurisdictions have been transferred to the Upper Tribunal whereas others of equivalent importance and difficulty, particularly in the tax field, have been transferred to the First-tier Tribunal.« 2798 Siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 54 per Hale LJ.
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mit Blick auf das UT offenbar nicht ohne weiteres als erfüllt ansieht; sie geht vielmehr davon aus, dass die Zusammenführung der Zuständigkeiten der Einzeltribunals in das UT den Effekt haben könne, dass sich deren Expertenwissen »verwässert«, was sie als Gefahr begreift. Bezug nehmend auf die Entscheidung Cooke führt sie prophetisch aus: »The mere fact that something has been taken for granted without causing practical problems in the social security context until now does not mean that it should be taken for granted forever.«2799 Demgegenüber ist etwa dem Votum von Lord Dyson zu entnehmen, dass er das Expertenwissen der tribunals durch die Zusammenführung der unterschiedlichen Sachbereiche eher gestärkt als geschwächt sieht: »[A] consequence of giving effect to the Leggatt report was to bring about a strategic reorganisation of the tribunals system by making it more coherent and improving its expertise and standing.«2800
Auch die Ausführungen von Lord Phillips erwecken insgesamt den Eindruck, dass er grundsätzlich geneigt ist, dem Tribunalssystem des TCEA 2007 c.15 großes Vertrauen entgegenzubringen und deutet insoweit an, dass die jetzige Entscheidung des Supreme Court nochmals überprüft werden könnte, wenn mehr Erfahrungen über die tatsächliche Funktion des Systems gesammelt wurden2801 – beeinflusst von den Bedenken Lady Hales sieht er allerdings bis zu diesem Zeitpunkt die Notwendigkeit für einen beschränkt zulässigen JR bei Entscheidungen des UT.2802 2799 R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 51 per Hale LJ. Diese Aussage trifft Lady Hale Bezug nehmend auf das klägerische Argument, eine weitergehende Beschränkung des JR sei nicht notwendig, weil die sich aus der Rechtsprechungslinie Cooke ergebende Pflicht zu richterlicher Zurückhaltung hinsichtlich der Kontrolle der Entscheidungen zweitinstanzlicher tribunals ausreichend sei. Man kann hier nicht zwingend entnehmen, dass sie davon ausgeht, dass die Cooke-Beschränkung nun keine Anwendung mehr findet; es bleibt bei einer Andeutung. 2800 Siehe R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 120 per Dyson LJ. Anschließend an die dort zitierte Aussage führt er weiter aus: »I agree with the views expressed in the Leggatt report and the 2004 White Paper that the changes demanded a reappraisal of the scope of judicial review.« 2801 »My initial inclination was to treat the new two tier tribunal system as wholly selfsufficient. It is under the presidency of a judge who is likely to be a member of the Court of Appeal, and High Court judges can and will sit in the Upper Tribunal. There is considerable flexibility in the system in relation to the administration and composition of the Upper Tribunal. Can it not be left to the Senior President, in consultation with the President of the Queen’s Bench Division and other judicial colleagues to ensure that the tribunal judiciary is so deployed as to ensure the appropriate degree of judicial scrutiny of decisions of the lower tier?« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 91 per Phillips LJ. 2802 »Having considered, however, the judgment of Lady Hale, who has great experience in this field, and those of other members of the Court, I have been persuaded that there is, at least
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(b) Cooke als vertrauensbasierte Selbstbeschränkung Ob die von Lady Hale angedeutete Gefahr tatsächlich besteht oder ob das UT vielmehr in der Lage sein wird, stets mindestens das gleiche oder sogar ein höheres Maß von Expertenwissen für das jeweils zur Entscheidung stehende Fachgebiet zur Verfügung zu stellen, ist letztlich nicht absehbar ; es hängt realistischerweise in der Praxis maßgeblich vom Geschick des Senior President und der Kammerpräsidenten ab, im Rahmen der ihnen durch den TCEA 2007 c.15 gewährten, flexiblen Möglichkeiten des Personaleinsatzes und der Allokation anfallender Verfahren auf einzelne Richter dafür zu sorgen, dass für jeden Fall jeweils auch das angemessene Maß von Sach- und Fachwissen vorhanden ist. Wie flexibel diese Möglichkeiten tatsächlich genutzt werden bzw. werden können, hängt wiederum von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab, wie dem tatsächlichen Arbeitsanfall in unterschiedlichen Sachbereichen bzw. den Ressourcen, die dem neuen System zur Verfügung gestellt werden können. Von diesen tatsächlichen Erwägungen rührt die Skepsis Lady Hales offenbar her.2803 Sollte sich zeigen, dass diese Skepsis gegenüber den Fähigkeiten des UT begründet ist, wäre es wohl tatsächlich nicht gerechtfertigt, das Vertrauen in die besonderen Sach- und Rechtskenntnisse, auf dem die richterliche Zurückhaltung in Cooke basierte, aufrechtzuerhalten. Funktioniert das System hingegen und bewährt es sich in der Realität, wäre konsequenterweise – wie es Lord Phillips andeutet – zu fragen, ob die Möglichkeiten einer weiteren, externen Kontrolle gerade im Vertrauen auf die Fähigkeiten des UT nicht noch mehr zu beschränken sind. Da die Zurücknahme gerichtlicher Prüfungsdichte in Folge der Entscheidung Cooke eine Selbstbeschränkung war, ist es letztlich den Richtern des High Court until we have experience of how the new tribunal system is working in practice, the need for some overall judicial supervision of the decisions of the Upper Tribunal, particularly in relation to refusals of permission to appeal to it, in order to guard against the risk that errors of law of real significance slip through the system.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 92, per Phillips LJ. 2803 Lady Hale nimmt in ihrem Urteil ausdrücklich auf die Entscheidung R. (Sinclair Gardens Investments (Kensington) Ltd) v. Lands Tribunal [2005] EWCA Civ 1305 Bezug, in der eine Entscheidung des alten Lands Tribunal einer Überprüfung im Wege des JR unterzogen wurde, weil hier ein Tribunalsmitglied als Einzelrichter, der nicht juristisch qualifiziert war (es handelte sich um einen »surveyor-member«), einen juristisch qualifizierten Vorsitzenden eines LVT überprüfen sollte, aber die dafür notwendige permission ablehnte. Der CoA hatte in dieser Entscheidung in Anlehnung an die Rechtsprechung in der Sache Sivasubramaniam angenommen, dass auch diese Entscheidung nur in Anwendung des »pre-Anisminic«-Tests überprüfbar sei. Hierzu bemerkt Lady Hale: »[I]t is to be hoped that the new structure will not perpetuate the possibility, exemplified in Sinclair Gardens, that a non-lawyer member might be entrusted with deciding whether a tribunal chaired by a legally qualified tribunal judge had gone wrong in law, but this is left to the good sense of the Senior President rather than enshrined in the legislation[.]« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 56, per Hale LJ.
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selbst anheimgestellt, im Falle eines JR-Verfahrens, in dem sich der Kläger darauf beruft, das UT habe bei seiner Nichtzulassungsentscheidung das von ihm zu beurteilende materielle Recht falsch angewandt, zu evaluieren, wie viel Vertrauen dem Sach- und Rechtswissen des UT tatsächlich entgegengebracht werden kann. Darüber, ob diese Selbstbeschränkung also künftig noch Anwendung findet, oder ob der High Court die Skepsis Lady Hales teilen wird, soll hier nicht spekuliert werden. (2)
Richterliche Zurückhaltung durch besondere Rolle des Upper Tribunal (consistency of approach)? Es stellt sich jedoch die Frage, ob nicht unabhängig von diesen tatsächlichen Erwägungen bereits unter rechtlichen Gesichtspunkten in bestimmten Situationen eine der Cooke-Rechtsprechung analoge richterliche Zurückhaltung bei der Überprüfung von Entscheidungen des UTstattzufinden hätte, die gerade aus dessen neuen Eigenschaften resultieren: Ein neues Attribut des UT, mit dem der Gesetzgeber dieses versehen hat, ist schließlich die Fähigkeit, gerade durch die Zusammenführung von Expertenwissen unterschiedlicher Sachbereiche aktiv Kohärenz des Rechts herbeizuführen: Aufgrund des generellen Rechts zum appeal gegen Entscheidungen aller Kammern des FtT sind von ihm Streitigkeiten aus den verschiedensten Sachbereichen zu entscheiden.2804 In seiner Eigenschaft als superior court of record ist das UT zudem in die Lage versetzt, Präjudizien zu schaffen und deren Außenwirksamkeit durch selektive Veröffentlichung selbst zu steuern.2805 Insb. in ersterer Eigenschaft erblickt Lady Hale ein Gefahrenpotential für das Expertenwissen des UT – es ist jedoch zugleich ein Potential, mit dem der Gesetzgeber das UT offenbar bewusst versehen hat. Denn mit der konkreten Ausgestaltung des UT entsprach der Gesetzgeber den Empfehlungen des Leggatt Review, der dem UT als Appellationsinstanz die Rolle zudachte, zur Vereinheitlichung und Klärung des von ihm anzuwendenden Rechts beizutragen: »The Tribunals System should have a simple, clear structure for handling appeals, which should be capable of developing the law consistently, be as self-contained as is permissible, and, subject to statutory exceptions, apply to all areas.«2806
Und weiter : »The appeal body needs to be able to give genuine coherence to the development of the law, and promote consistency effectively both at its own level and in the first-tier tribunals.«2807 2804 2805 2806 2807
Siehe zur umfassenden Zuständigkeit des UT bereits oben, V.C., S. 286. Siehe schon oben, bei VIII.A.2.b)(1), S. 484. Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 6.2 (Hervorhebungen durch Verfasser). Siehe Leggatt, Tribunals for Users, 2001, para. 6.10 (Hervorhebungen durch Verfasser).
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Diese Vorstellung des Leggatt Review von der Rolle des UT greift auch das White Paper der Regierung auf: »The general principle is that an appeal hearing is not an opportunity to litigate again the factual issues that were decided at the first tier. The role is to correct errors and to impose consistency of approach. To enable the appellate tier to properly fulfil its role in achieving consistency in the application of the law […] a series of common principles with regard to precedent will be developed in partnership with the jurisdictional Presidents.«2808
In der weitgehenden Umsetzung dieser Vorstellungen des Leggatt Review und des White Paper durch den TCEA 2007 c.15 hat sich der Gesetzgeber deren Vorstellungen von der Rolle des UT offenbar zu eigen gemacht – mithin hat er dem UT die Kompetenz verliehen consistency of approach herbeizuführen. Was man sich nun unter dieser, vom UT anzustrebenden consistency of approach vorstellen kann, lässt die Entscheidung Information Commissioner v PS ahnen: Dort hatte das UT sich für die Lösung eines prozessualen Problems in einem bestimmten Sachbereich an den Lösungen entsprechender Probleme in anderen Sachbereichen orientiert.2809 Gerade die Interpretation und Anwendung der Verfahrensregeln von FtT und UT mit ihrem ohnehin weitgehenden Gleichlauf bietet wohl ein hohes Potential für die Schaffung weiterer Kohärenz durch Richterrecht. Mit zunehmender Integration alter tribunals bzw. der Schaffung gänzlich neuer Zuständigkeiten in bzw. für das System des TCEA 2007 c.15 wächst außerdem auch das Potential für Schnittmengen, in denen eine Übertragung von Konzepten und Ideen möglicherweise auch im materiellen Recht denkbar wird: So hat etwa Carnwath – der gegenwärtige Senior President of Tribunals – in einem Aufsatz bereits die Möglichkeit zur Übertragung der richterrechtlich entwickelten Praxis von Präjudizien für Tatsachenfragen, wie sie im Asylrecht mit den country guidance-Fällen besteht, auch auf andere Sachbereiche als mögliche Weiterentwicklung des materiellen Rechts gerade durch die Rechtsprechung des UT genannt; genauso sah er Potential für die Weiterentwicklung der Dogmatik zur Abgrenzung zwischen fact und law und den Ausbau und die Übertragung der ebenfalls im Asylrecht angewandten Dogmatik der Verhältnismäßigkeit, wie sie aus dem Recht der EMRK bekannt ist.2810 Hickingbottom hat im Anschluss daran noch das Potential zur Weiterentwicklung der Dogmatik
2808 Siehe Secretary of State for Constitutional Affairs, Transforming Public Services (Cm.6243), 2004, para. 7.19 f. (Hervorhebung durch Verfasser). 2809 Siehe dazu bereits oben, bei Fn. 2114. 2810 Carnwath, PL 2009, 48 (58 ff.).
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der Begründungspflichten für behördliche Entscheidungen als weiteres mögliches Entwicklungsfeld ins Spiel gebracht2811 und festgestellt: »[T]he tribunal system is relied upon by users – both government agencies and the citizens they seek to regulate – to give them practical general guidance in relation to the decision-making process.«2812
Begreift man es als eine Aufgabe des UT, solcherlei consistency of approach innerhalb des Systems des TCEA 2007 c.15 zu erstreben, kann konsequenterweise die Zusammenführung von Experten unterschiedlicher Sachgebiete sich auf diese Aufgabe nur positiv auswirken; sie vergrößert den Pool von sachbereichsspezifischem Einzelwissen und Erfahrungen, auf den zurückgegriffen werden kann, um Potential für Vereinheitlichung einerseits und die Notwendigkeit von Differenzierungen andererseits zu entdecken und angemessen darauf zu reagieren. Das Expertenwissen einzelner ist verfügbar, wenn es etwa hinsichtlich der Auslegung einer bestimmten Verfahrensregel, die sich in mehreren Kammern findet, darum geht, abzuschätzen, welche praktischen Auswirkungen eine veränderte Handhabung auf die Verfahren der einzelnen Kammern hat. Zudem kann durch das Verfahren des cross-ticketing schon in der Bildung der Spruchkörper auf mögliche materiellrechtliche Besonderheiten eines Falles durch die Integration entsprechend qualifizierter Kammermitglieder reagiert werden. Gleichzeitig schreibt der TCEA 2007 c.15 dem Senior President vor, sicherzustellen, dass jeder Fall im UT wie im FtT durch Experten für den jeweiligen Sachbereich entschieden wird2813 – das gesetzliche Idealbild des UT ist damit das eines Spruchkörpers, in dem die Schaffung kollektiven Expertenwissens durch Zusammenlegung von Einzeltribunals im UT nicht zu Lasten der Qualität der Entscheidungen im Einzelfall geht. Das, was Lady Hale also als Gefahrenpotential begreift, kann umgekehrt auch gerade als vom Gesetzgeber gewünschte Fähigkeit des UT begriffen werden, aktiv selbst die Rechtsentwicklung nicht nur auf jenen speziellen Gebieten zu beeinflussen, für die es zuständig ist, sondern eben über die Grenzen einzelner Sachbereiche hinaus.
2811 Siehe Hickingbottom, JR, 2010, 15(2), 103 (108, para. 23). 2812 Siehe Hickingbottom, JR, 2010, 15(2), 103 (108, para. 24). 2813 Siehe s.2(3)(c) TCEA 2007 c.15: »A holder of the office of Senior President of Tribunals must, in carrying out the functions of that office, have regard to […] (c) the need for members of tribunals to be experts in the subject-matter of, or the law to be applied in, cases in which they decide matters[…].«
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(a)
Selbstbeschränkung bei Anwendung des second appeals-Test im Rahmen des judicial review Angesichts dieser Rolle, die der Gesetzgeber dem UT offenbar zugedacht hat, läge es nahe, wenn die Gerichte dieser besonderen Fähigkeit und Aufgabe des UT durch eine differenziert-restriktive Anwendung des second appeals-Test im Kontext des JR Rechnung trügen: Denn, wie sich gezeigt hat, gestattet der second appeals-Test unter dem Prüfungskriterium important point of principle i. S. d. Urteils Uphill, gerade solche Entscheidungen zu kontrollieren, in denen das UT neue Rechtsprinzipien aufstellt. Entsprechend der gegenwärtigen Praxis des UT wäre eine solche Entscheidung zu veröffentlichen und hätte damit zugleich Präjudizwirkung.2814 Die Wirksamkeit solcher Präjudizien als Orientierung und damit als Vehikel für die Sicherstellung einheitlicher Rechtsanwendung und -auslegung wäre jedoch untergraben, wenn sie zu weitgehenden Möglichkeiten nachträglicher Kontrolle unterlägen. Die für die Überprüfung von Entscheidungen des UT vom Gesetzgeber vorgeschriebene Route ist die zum CoA, die eine zeitnahe Kontrolle derartiger Entscheidungen des UT durch ein unzweifelhaft höherrangiges Gericht und damit absehbare Rechtssicherheit ermöglicht.2815 Im Wege des JR hingegen wäre auch eine Kontrolle jedes Präjudizes des UT auch lange nach dessen Schaffung denkbar, wie insb. das von Lady Hale entworfene Szenario zeigt.2816 Abgesehen davon würde sich zudem das konkrete Verfahren – zumindest nach den gegenwärtigen Regelungen zur permission bei JR-Verfahren – extrem verlängern, was der Rechtssicherheit in der Zwischenzeit ebenfalls abträglich wäre. Würde eine solche außerordentliche Kontrolle allzu bereitwillig vom High Court zugelassen, könnte dies auf Dauer das Vertrauen des Rechtsanwenders in den Wert der Entscheidungen des UT als Orientierung untergraben. Gerade in jenen, praktisch besonders wichtigen Bereichen mit großem Fallaufkommen wie dem Sozial- und dem Asylrecht, in dem die Behörde manche Rechtsauslegungen täglich tausendfach anzuwenden hat, wäre wohl solche Rechtsunsicherheit nicht mit der Intention des Gesetzgebers zu vereinbaren, durch den TCEA 2007 c.15 einen Mechanismus zu schaffen, der – getreu
2814 Siehe oben, bei Fn. 2576. 2815 Hält ein Kläger eine Entscheidung des UT, in der dieses ein neues Rechtsprinzip etabliert, für rechtsfehlerhaft, muss er nach spätestens drei Monaten Antrag auf Gewährung der permission für den second appeal zum CoA stellen; siehe r.44(3) UT-Rules, SI2008/2698. Wird diese Möglichkeit nicht genutzt, bestünde rein nach den Regelungen des TCEA 2007 c.15 danach keine Möglichkeit einer Überprüfung dieses Präjudizes mehr durch eine höhere Instanz bis zu dem Zeitpunkt, an dem das UT selbst sich nicht mehr an die eigene Entscheidung gebunden fühlt und in einem späteren Verfahren permission to appeal zu sich selbst gewährt. Dort stünde dann stets der Weg zum CoA offen. 2816 Siehe zu diesem Szenario bereits oben, bei Fn. 2762.
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dem Ziel right first time2817 – ein gerade für die Behörden handhabbares, weil klares Recht an die Hand geben soll. Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt: Weil der JR zur Überprüfung von Tribunalsentscheidungen in Streitigkeiten zwischen Staat und Bürger nicht nur dem Bürger offenstünde, sondern auch der im Ausgangsverfahren beklagten Behörde, kann sich die Schaffung einer weiteren, durch den Gesetzgeber selbst nicht vorgesehenen Möglichkeit rechtlicher Überprüfung, die im Extremfall mit vier weiteren Verfahrensstufen einhergeht, auch für den Bürger als Belastung darstellen, der u. U. dringend auf eine baldige, verlässliche und abschließende Entscheidung – etwa über einen sozialrechtlichen Anspruch – angewiesen ist und deshalb schnelle Gewissheit braucht. Um dem Rechnung zu tragen, wäre es konsequent, würden die Gerichte ihre supervisory jurisdiction über das UT zurückhaltend ausüben. Dies gilt dabei jedoch nur dort, wo das UT die Rolle, die ihm der Gesetzgeber zugedacht hat, auch tatsächlich spielt: Wo das UT etwa einen gravierenden Verfahrensfehler begeht und damit einen other compelling reason im Sinne der Rechtsprechung Uphill/PR u. a. schafft, oder wo es wiederholt das Recht falsch anwendet und damit eine Überprüfung seiner Entscheidungen als important point of practice ermöglichen würde, ohne jedoch durch die gezielte Veröffentlichung seiner Entscheidungen ein wirksames Präjudiz setzen zu wollen, besteht kein Grund für richterliche Zurückhaltung – derartige Fehler hätten nichts mit der Rolle zu tun, die der Gesetzgeber dem UT zugedacht hat; sie stellen vielmehr eine Fehlfunktion des Systems des TCEA 2007 c.15 dar, bei deren Beseitigung der JR eine wichtige Rolle spielen könnte. (b) Vereinbarkeit mit dem Urteil des Supreme Court? Die Intention des Gesetzgebers zur Rolle des UT legt den Gerichten damit grds. einen restriktiven Umgang mit ihrer Kompetenz zur Überprüfung von Nichtzulassungsentscheidungen des UT nahe. Obgleich sich dem Urteil des Supreme Court auf den ersten Blick nichts dazu entnehmen lässt, ob eine weitere Beschränkung des JR neben der mit dem second appeals-Test nun errichteten geboten ist, ließe sie sich doch zumindest mit den Grundaussagen des Supreme Court vereinbaren: Denn eine zentrale Grundhaltung des Urteils ist, dass der Bestimmung des Anwendungsbereichs des JR eine Abwägungsentscheidung zwischen den Ressourcen des Justizsystems und dem Interesse daran, die Richtigkeit richterlicher Entscheidungen durch die Ermöglichung ihrer Überprüfung sicherzustellen, zugrundeliegt. Dieses letztgenannte Interesse besteht dabei zum einen auf Seiten des Einzelnen, der vom Justizsystem die Richtigkeit der ihn betreffenden Ent2817 Siehe oben, bei Fn. 1043.
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scheidung im Einzelfall verlangt; zum anderen besteht ein öffentliches Interesse daran, richterliche Entscheidungen zu kontrollieren, um die Aufrechterhaltung der Standards innerhalb des Justizsystems sicherzustellen und zugleich durch die Schaffung belastbarer Präjudizien Orientierung für den Rechtsanwender zu bieten und das Recht fortzubilden.2818 Von diesen beiden Interessen favorisiert der second appeals-Test das letztgenannte Interesse der Öffentlichkeit gegenüber dem des Einzelnen – denn dessen Interesse an Einzelfallgerechtigkeit wäre nur gedient, wenn jeder Rechtsfehler überprüfbar wäre, der Auswirkungen auf das Ergebnis einer Entscheidung haben kann. Mit dem second appeals-Test jedoch geht zugleich die Wertung einher, dass bestimmte Fehler keiner weiteren gerichtlichen Kontrolle zugeführt werden und damit zugleich als zulässige »Fehlerquote« eines Systems mit begrenzten Ressourcen hinzunehmen sind. Damit wird zugleich das Individualinteresse gegenüber dem öffentlichen geringer gewertet. Dieser im second appeals-Test gleichsam zum Ausdruck kommenden Grundwertung widerspräche es, könnte die Verlässlichkeit solcher Entscheidungen des UT, die eben diesem öffentlichen Interesse an der Schaffung belastbarer Präjudizien dienen, durch eine allzu bereitwillige Gewährung nachträglicher Kontrolle durch den High Court unterlaufen werden. Die konkrete Ausgestaltung des UTals superior court of record zusammen mit der Aussage des second appeals-Test in s.13(6) TCEA 2007 c.15 geben wohl einen deutlichen Fingerzeig des Gesetzgebers, dass die Letztverbindlichkeit der Entscheidungen des UT mit Präjudizcharakter grds. höher zu bewerten ist als das Interesse an Richtigkeit von Entscheidungen im Einzelfall. Demgemäß wäre es konsequent, wenn sich der High Court eine ähnlich restriktive Selbstbeschränkung seiner Prüfungstätigkeit auferlegen würde, wie dies bisher in Anwendung der Cooke-Rechtsprechung geschehen ist – wenn diese nicht ohnehin aufrechterhalten wird.2819 Es müsste damit im Falle von Entscheidungen des UT mit Präjudizcharakter eine Vermutung dafür sprechen, dass ein darin enthaltenes neues Rechtsprinzip eine Klärung und Vereinheitli2818 Siehe auch Lord Phillips, der unter Bezugnahme auf den Woolf Report und den Bowman Report (siehe zu beiden schon oben, Fn. 1013) ausführt: »[C]ivil appeals served both a private and a public purpose. The private purpose was to correct an error, unfairness or wrong exercise of discretion leading to an unjust result. The public purpose was to ensure public confidence in the administration of justice and, in appropriate cases, to clarify and develop the law, practice and procedure and to help maintain the standards of first instance courts and tribunals.« R. (on the application of Cart & Ors.) v. Upper Tribunal [2011] UKSC 28, para. 68 per Phillips LJ; i.E. ebenso Elliott/Thomas, Cart and Eba (Comment), 2011. 2819 Eine solche Selbstbeschränkung wäre dabei auch praktisch handhabbar, da es schließlich auch im nur summarisch ergehenden permission-Verfahren des JR ohne weiteres möglich ist festzustellen, ob die angegriffene Entscheidung des UT veröffentlicht wurde oder nicht.
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chung des Rechts schafft, die den Besonderheiten der jeweils betroffenen Sachbereiche Rechnung trägt. Entsprechend hoch müssten die Anforderungen an den Kläger sein, der den Nachweis des Gegenteils zu erbringen hätte. Dies würde im Übrigen wohl auch keine Friktionen mit der Rechtslage in Schottland hervorrufen, da ja auch dort eine der englischen Cooke-Rechtsprechung nachempfundene Praxis richterlicher Zurückhaltung schon früher bestand2820 und dementsprechend auch in diesem neuen Kontext möglich wäre. Einer solchen Selbstbeschränkung ließe sich auch nicht das von Lady Hale gegen die Übernahme des pre Anisminic-Test angeführte Argument entgegenhalten, dass das UT faktisch zum »final arbiter«2821 des Rechts würde, das es anzuwenden hat: In dem von Lady Hale entworfenen Szenario stünde der Weg zum High Court grds. offen, so dass immer eine unabhängige Instanz darüber wachen würde, dass sich keine Rechtsfehler im System des TCEA 2007 c.15 perpetuieren; der High Court würde jedoch – ganz wie es auch in Folge der Rechtsprechung Cooke geschehen ist – nur mit größter Zurückhaltung die Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung des UT annehmen.
d)
Künftige Funktion des judicial review im System des TCEA 2007 c.15
Nach all dem lässt sich wohl ein annähernd realistisches Bild von der Rolle des JR im System des TCEA 2007 c.15 zeichnen: Der JR hat die Funktion einer »Nichtzulassungsbeschwerde«. Aufgrund der vom Supreme Court errichteten Zulassungshürde wird die Überprüfung von Nichtzulassungsentscheidungen jedoch wohl die Ausnahme bleiben, auch wenn mit Übernahme des second appeals-Tests eine niedrigere Hürde für die Zulassung des JR errichtet wurde als mit dem pre Anisminic-Test. Bedingt durch die prozessuale Ausgangslage – es wird die summarisch ergehende Nichtzulassungsentscheidung des UT angegangen – ist die Einleitung des Verfahrens wegen besonders schwerwiegender Verfahrensfehler (other compelling reason), wie in der Entscheidung Kuteh geschehen, wohl eher 2820 Siehe Eba v. Advocate General for Scotland [2011] UKSC 29, para 45 per Hope LJ: »There is an element of flexibility within this system that has enabled the grounds of judicial review to be adapted to a diverse range of decision-making bodies. As the Lord Ordinary observed, the Court of Session has been slow to interfere with decisions of specialist tribunals, and it has been restrained in its approach in reviewing decisions of arbitrators and decisions of adjudicators under the Housing Grants, Construction and Regeneration Act 1996: 2010 SLT 547, para 89. This can be compared with the cautious approach to giving permission to appeal from decisions of the Social Security Commissioners in England and Wales because of their particular expertise in a highly specialised area of the law that was indicated by Hale LJ in Cooke v. Secretary of State for Social Security [2001] EWCA Civ 734, paras 15 – 17.« 2821 Siehe zu diesem Argument von Lady oben, bei Fn. 2661.
Fazit zur Stellung des Upper Tribunal gegenüber dem High Court
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wahrscheinlich als die Überprüfung materiellrechtlicher Bewertungen des UT. Letztere sind wohl am ehesten rügbar, wenn in der Nichtzulassungsentscheidung eine wiederholte Fehlinterpretation des Rechts durch das UT zum Ausdruck kommt (important point of practice). Wo sich das UT und ihm vorgehend bereits das FtT in seiner Nichtzulassungsentscheidung auf ein von ihm selbst zuvor erlassenes Präjudiz stützt und deshalb die permission versagt, gebietet jedenfalls die Rolle, die der Gesetzgeber dem UT zugedacht hat, richterliche Zurückhaltung – wenn diese nicht bereits deshalb erfolgt, weil die Gerichte die Cooke-Rechtsprechung weiter anwenden: In beiden Fällen würde die Rolle des UT Anerkennung dadurch finden, dass prima facie von der Richtigkeit der Rechtsauffassung ausgegangen würde, auf die die Nichtzulassungsentscheidung des UT gestützt ist. Entsprechend wären hohe Anforderungen an den Nachweis des Vorliegens einer Fehlerhaftigkeit dieser Rechtsauffassung zu stellen.
D.
Fazit zur Stellung des Upper Tribunal gegenüber dem High Court
Nach Betrachtung aller Eigenschaften, Aufgaben und Kompetenzen des UT ergibt sich nun ein Gesamtbild, das dessen Verortung in der administrative justice landscape in Relation zum High Court und damit eine Antwort auf die oben zu 3.) gestellte Frage gestattet. Folgende Indizien können dazu herangezogen werden: – Das UT hat grds. die Rolle des High Court als Aufsichtsinstanz über tribunals nach dem Tribunals and Inquiries Act 1992 c.53 übernommen. – Für die Wahrnehmung dieser Aufgaben ist es ihm in einigen Bereichen gestattet, die gleichen Rechtsbehelfe zu gewähren, wie sie auch der High Court im Wege des JR gewähren kann – auch wenn der Gesetzgeber selbst deutlich gemacht hat, dass das UT damit nicht die supervisory jurisdiction des High Court ausüben kann. – Das UT ist als superior court of record in der Lage, einen contempt, nicht nur ihm selbst gegenüber, sondern auch gegenüber dem FtT zu ahnden und hat damit eine weitere Funktion des High Court übernommen. – Für die Erfüllung seiner Aufgaben kann es im Wesentlichen auch auf den gleichen Personalpool zurückgreifen wie der High Court, können doch alle High Court-Richter im UT eingesetzt werden. – Das UT ist in seiner Eigenschaft als superior court of record in der Lage, bindende Präjudizien zu erlassen und selektiv deren Wirksamkeit für die Rechtsfortbildung durch gezielte Veröffentlichung selbst zu beeinflussen.
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– Das UT hält sich selbst nur in einem Gleichordnungsverhältnis an Präjudizien des High Court gebunden. Die Befunde hinsichtlich der Einordnung des UT in das System des precedent sind dabei allerdings noch mit einigen Ungewissheiten behaftet, etwa hinsichtlich der Frage, ob Entscheidungen des UT möglicherweise auch gegenüber dem High Court eine gewisse Bindungswirkung entfalten können. All diese Indizien machen deutlich, dass das UT als dem High Court ebenbürtig anzusehen ist. Folgende gewichtige Indizien sprechen indes dagegen: – Das UT ist, anders als der High Court, nicht in der Lage, eine declaration of incompatibility abzugeben. Zwar hätte eine Äußerung des UT zur Unvereinbarkeit einer Rechtsregel mit der EMRK wohl zumindest politisch den gleichen Effekt: Die vom Human Rights Act 1998 c.42 vorgesehenen Mechanismen kann das UTaber nicht in Gang setzen. Außerdem ist die Zahl der Situationen, in denen das UT Gelegenheit haben würde, sich zur Vereinbarkeit einer Regelung mit der EMRK zu äußern, durch den ausdrücklichen Ausschluss von Verfahren, die eine solche declaration anstreben, aus dem Anwendungsbereich des gesetzlichen »JR« eingeschränkt und könnte wohl nur inzidenter im Rahmen eines normalen appeal erfolgen. – Das UT untersteht der Beaufsichtigung des High Court im Wege des JR und unterliegt damit seiner supervisory jurisdiction. Wie die Urteile in den Sachen Cart, MR und Eba gezeigt haben, haben die vorgenannten Aspekte die Beurteilung des letztgenannten Aspekts durch den Supreme Court maßgeblich beeinflusst: In Anerkennung der weitgehenden, funktionalen Annäherung des UT an den High Court haben die Gerichte ihre supervisory jurisdiction zurückgefahren auf ein Maß, das einer Kontrolle von Entscheidungen des UT durch den High Court hohe Hürden entgegenstellt – und sie damit in der Praxis wohl auf einen absoluten Ausnahmefall beschränkt. Zugleich lässt sich den Urteilen entnehmen, dass das UTals tribunal nicht als Bestandteil des »ordinary legal system« betrachtet wird: Dies indiziert, dass das UT als Spitze eines eigenen Subsystems neben anderen Subsystemen, wie etwa den arbeitsrechtlichen tribunals,2822 den mit den Fragen nationaler Sicherheit befassten tribunals – und eben neben den ordentlichen Gerichten – einzuordnen ist. Wollte man angesichts all dessen das UT und den High Court buchstäblich in ein Gesamtbild der administrative justice landscape einordnen, so wäre wohl eine leicht nach unten versetzte Position des UT neben dem High Court ange2822 Siehe zu diesen bereits oben, I.D.3., S. 59. Als weitere Subsysteme können auch alle anderen tribunals angesehen werden, etwa die patent- und markenrechtlichen tribunals oder die, die sich mit Fragen der nationalen Sicherheit befassen.
Fazit zur Stellung des Upper Tribunal gegenüber dem High Court
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messen. Über beiden wäre der CoA und der Supreme Court angesiedelt; unterhalb des UT wären das FtT und die (noch) außerhalb der Struktur stehenden tribunals einzuordnen, über die das UT Rechtsaufsicht ausübt.
IX. Zusammenfassung zu den bisherigen Reformen durch den TCEA 2007 c.15 und Ausblick
Tribunals haben in England eine weit zurückreichende Tradition – angefangen von der Welle von non departmental public bodies des 19. Jhds. über die zweite Welle neuer tribunals Anfang des 20. Jhds., in dem die eigentliche »Tribunalisierung« des heutigen englischen Rechts stattfand, bis in die Gegenwart. Zu dieser Tradition gehörte bislang stets, dass tribunals pragmatisch, aber zugleich völlig systemlos vom Gesetzgeber ad hoc »aus dem Boden gestampft« wurden, weil die bereits vorhandenen Mechanismen – vor allem die ordentlichen Gerichte – ungeeignet waren, die jeweils verfolgten gesetzgeberischen Ziele umzusetzen. So konnte über die Zeit eine blühende Landschaft unterschiedlichster Spruchkörper wachsen, deren Artenvielfalt sich irgendwann jeglicher sinnvollen Klassifizierung entzog. Wohl auch wegen dieser Tradition des systemlosen Wachstums führten tribunals lange Zeit in der rechtswissenschaftlichen Betrachtung allenfalls ein Schattendasein, muss doch die Beschäftigung mit ihnen wegen ihrer Vielfalt aufwändig, wegen ihrer Isoliertheit erkenntnisarm und deswegen zugleich frustrierend gewesen sein: »To the student of institutions [tribunals] are pragmatic, illogical and exasperating; for they challenge his instinct to classify them, but leave him chastened in the knowledge that they can only be described; he wants to rationalise them but finds that the most he can do is to rearrange them in a different order.«2823
Angesichts dessen nimmt es nicht wunder, dass deutsche Juristen erst recht Mühe hatten, das unsystematische Gewirr von tribunals zu erfassen, geschweige denn, sich mit ihnen anzufreunden. So sei hier noch einmal an die eher abfällige Einschätzung durch Loeper erinnert, der den deutschen Blick auf tribunals treffend zusammenfasste und vor 30 Jahren den Schluss zog: »Wer die englischen Administrative Tribunals mit den deutschen Verwaltungsgerichten vergleicht, wird zu dem Ergebnis kommen, daß die Möglichkeit der Einflußnahme der Verwaltung auf die Verwaltungsrechtsprechung dort um einiges größer ist als hier 2823 Wraith/Hutchesson, Administrative Tribunals, 1973, S. 14.
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Zusammenfassung zu den bisherigen Reformen
[…]. Die Unabhängigkeit und Neutralität der Administrative Tribunals steht, durch verschiedene Umstände bedingt, auf schwankendem Boden.«
Ferner stellte er fest, »daß viele Administrative Tribunals ziemlich abgekapselt vor sich hin »wursteln«, das heißt: ohne Sicherheit ausgearbeiteter Verfahrensordnungen, ohne ausreichende Führung durch höhere gerichtliche Instanzen, mit einer quantitativ und qualitativ ausreichenden Produktion von Präjudizien, ohne die Einweisung durch eine angemessene juristische Vorbildung und ohne Wegweisung durch wissenschaftliche Kommentierung und Diskussion.«2824 Knapp 30 Jahre später sind diese Feststellungen (fast) vollständig überholt:
A.
Zusammenfassung zum Stand der Reformen
Die tribunals im System des TCEA 2007 c.15 sind genauso unabhängig wie die ordentlichen Gerichte, denn sie genießen die gleiche gesetzlich verankerte Unabhängigkeitsgarantie, deren Schutz insb. gegenüber der Exekutive eine gesetzlich niedergelegte Aufgabe des Lord Chancellor ist;2825 zudem erhalten die tribunals mit dem Senior President of Tribunals einen ranghohen, juristisch distinguierten und von der Exekutive unabhängigen Repräsentanten, der nicht nur maßgeblich für die Organisation der tatsächlichen Arbeitsweise der tribunals verantwortlich ist, sondern gleichsam deren Belange gegenüber Exekutive und Parlament vertreten soll. Mit diesem Amt wird der tribunal judiciary eine eigene Identifikationsfigur von ähnlichem Rang und Gewicht vorangestellt, wie sie die ordentlichen Gerichte mit dem Lord Chief Justice haben.2826 Die Tribunalsmitglieder werden zudem heute in den gleichen Verfahren ausgewählt wie ordentliche Richter, ohne dass ein bestimmender Einfluss seitens der Exekutive auf diese Auswahl stattfinden könnte.2827 Auch sind die tribunals vor einer tatsächlichen Einflussnahme der Exekutive auf ihre Tätigkeit – abgesehen von der Garantie der continued judicial independence – auch dadurch abgeschirmt, dass sie eine ähnlich weitgehende security of tenure2828 genießen wie die meisten ordentlichen Richter und die tribunals zudem auch nicht mehr auf die Zurverfügungstellung von Mitteln durch sponsoring departments angewiesen sind, sondern diese aus dem gleichen Pool schöpfen und unter dem gleichen administrativen Dach stehen wie die ordentlichen Gerichte. Nach 2824 2825 2826 2827 2828
Siehe Loeper, Verwaltungsrechtspflege, 1983, S. 617; siehe schon oben, bei Fn. 1010. Siehe oben, bei Fn. 1623. Siehe oben, bei Fn. 1099. Siehe oben, VI.B., S. 344ff. Siehe oben, VI.A.2.b), S. 336ff.
Zusammenfassung zum Stand der Reformen
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außen besonders deutlich dokumentiert wird diese neue, gegenüber der Exekutive abgeschirmte und den Gerichten angenäherte Stellung der tribunals durch die amtliche Titulierung der juristischen Tribunalsmitglieder als judges. Auch wenn die Gefahr tatsächlicher Einflussnahme der Exekutive auf die tribunals schon vor den Reformen wohl eher gefühlt als real gewesen sein dürfte, sind doch damit nun endlich auch deutlich sichtbare Zeichen gesetzt und Vorkehrungen getroffen worden, die die Stellung der tribunals gerade vis-a-vis der Verwaltung klar zum Ausdruck bringen und damit jeglichen Restzweifel an ihrer tatsächlichen Unabhängigkeit beseitigen sollten. Der »schwankende Boden«, auf dem die Unabhängigkeit der tribunals einst gründete, ist damit vollständig gefestigt. Ferner kann heute keine Rede mehr davon sein, dass die tribunals »abgekapselt vor sich hin »wursteln«« – durch die Integration der tribunals in das FtT und das UT besteht nun ein einheitlicher administrativer und rechtlicher Rahmen, der zum einen alle vormaligen Einzeltribunals umgibt und zum anderen dafür sorgt, dass die Grenzen zwischen den von diesen vormals vollkommen isoliert behandelten Sachbereichen durchlässig sind.2829 Tribunalsmitglieder innerhalb des Systems werden entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten und Aufgaben fortgebildet, um ihren flexiblen Einsatz über alle Sachbereichs- und Kammergrenzen hinweg ermöglichen zu können. Dabei besteht auch hinsichtlich ihrer Weiterbildung durch das Judicial College ein Gleichlauf mit den ordentlichen Gerichten.2830 Auch kann von einer mangelnden »Einweisung durch eine angemessene, juristische Vorbildung« keine Rede mehr sein: Die Qualifikationsanforderungen insb. an die in den tribunals tätigen Juristen sind hoch und durch die Öffnung des Bewerberpools für weitere juristische Qualifikationen, wie etwa die legal executives, besteht für die tribunals eine größere Chance, die klügsten Köpfe anzuziehen, zumal durch die Vielfältigkeit der potentiellen Tätigkeitsfelder die Attraktivität einer Tätigkeit in den tribunals gesteigert wird. Durch den Mechanismus des appraisal kann zudem die beständige Aufrechterhaltung der Qualitätsstandards im Sach- und Rechtswissen der Tribunalsmitglieder gesichert werden. Zudem obliegt dem Senior President nach dem TCEA 2007 c.15 die Pflicht, soweit wie möglich sicherzustellen, dass die Mitglieder der tribunals über das jeweils für einen Fall notwendige Sach- und Rechtswissen verfügen.2831 Auch wenn zuzugeben ist, dass einige wenige Konstellationen denkbar sind, in
2829 Siehe oben, VI.C., S. 350ff. 2830 Siehe oben, VI.D., S. 355 ff. 2831 Siehe oben, bei Fn. 1095.
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Zusammenfassung zu den bisherigen Reformen
denen ein Fall durch einen einzelnen Nichtjuristen entschieden werden kann,2832 dürfte dies wohl insgesamt doch eher die Ausnahme bleiben. Den heutigen tribunals fehlt es außerdem nicht mehr an »Sicherheit durch ausgearbeitete Verfahrensordnungen«: Durch das vom Gesetzgeber geschaffene TPC und die für dieses statuierten Vorgaben sind Verfahrensstatuten entstanden, die einen gemeinsamen Kern von Regeln enthalten und zugleich die jeweiligen Besonderheiten der einzelnen Kammern und Sachbereiche berücksichtigen.2833 Das gesetzliche Idealbild des TCEA 2007 c.15 von einem Tribunalsverfahren wird in den overriding objectives der Verfahrensordnungen der einzelnen Kammern an prominenter Stelle ausformuliert. Hierdurch wird für die Ausübung des oft weitgehenden Ermessens, das die Verfahrensregeln den tribunals zugestehen, ein einheitlicher Rahmen gesetzt, der dem tribunal und den Parteien stets die Zielvorgaben des Verfahrens vor Augen führt und Argumentationsmaterial für Ermessensentscheidungen liefern kann; zugleich werden sie auch von den Revisionsinstanzen genutzt, um konkrete Entscheidungen an diesen Zielvorgaben zu messen.2834 Ferner – und dies ist wohl die wichtigste Neuerung des TCEA 2007 c.15 – fehlt es aufgrund der Schaffung des einheitlichen Instanzenzuges zwischen FtT, UT und CoA nun nicht mehr an einer »ausreichenden Führung durch höhere, gerichtliche Instanzen mit einer qualitativ und quantitativ ausreichenden Produktion von Präjudizien.« Bereits das UT selbst hat gerade die Aufgabe, diese Führungsrolle für die in das System des TCEA 2007 c.15 integrierten tribunals durch seine Präjudizien zu übernehmen. Dabei bieten die verschiedenen Mechanismen, die eine Überprüfung von Entscheidungen ermöglichen (self review, appeal und gesetzlicher »JR«) – ganz entsprechend der Grundidee der proportionate dispute resolution – für jeden Makel in den Entscheidungen des FtT ein angemessenes Instrument für dessen Beseitigung.2835 Die Anbindung an den CoA, mithin an das zweithöchste Gericht Englands, sollte zudem jeden Zweifel an der Qualität der Präjudizien, die das UT und das FtT ihrerseits anzuwenden haben, beseitigen. Zuletzt ist wohl zu erwarten, dass sich auch an der mangelnden »Wegweisung durch wissenschaftliche Kommentierung und Diskussion« in Zukunft einiges ändern wird: Bisher hat wohl neben der Frustration, die eine wissenschaftliche Beschäftigung mit den tribunals und ihren Entscheidungen ausgelöst haben mag, auch die gerichtszentrierte Rechtstradition des common law ein gesteigertes Interesse der Rechtswissenschaft an der Tätigkeit der tribunals verhin2832 2833 2834 2835
Siehe oben, bei Fn. 1866. Siehe oben, VII.B., S. 367ff. Siehe oben, VII.C., S. 387ff. Siehe oben, VII.G.4., S. 464ff.
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dert, der die Annahme zu Grunde liegt, dass wichtige Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht abschließend durch ein tribunal entschieden würden, sondern die Gerichte erreichten.2836 Im Lichte der Veränderungen durch den TCEA 2007 c.15 läge es nahe, wenn sich auch dies künftig änderte: Dies zum einen schon deshalb, weil mit dem System des TCEA 2007 c.15 bestimmte Instrumente, die in ihrer jetzigen Form neu sind oder zumindest bisher nur bei vereinzelten tribunals in vergleichbarer Form anzutreffen waren – wie etwa die Kompetenz zur Durchführung des gesetzlichen »JR« oder des self review –, flächendeckend eingeführt wurden. Damit einhergehende, erstmals auftretende Rechtsfragen zu beantworten, ist zuförderst Aufgabe des UT: So ist etwa zu erwarten, dass spätestens mit dem Abschluss des Transfers der weiteren Zuständigkeiten für die Durchführung von materiellrechtlichen »JR«-Verfahren im Bereich des Asylrechts die »JR«-Rechtsprechung des UT weiter an Bedeutung zunehmen und schon deshalb verstärkte Beachtung finden wird – etwa die Frage, wie sich die Zielvorgabe der overriding objectives zur Informalität der Verfahren auf die Handhabung der gesetzlichen »JR«-Kompetenzen durch das UT auswirkt, dürfte künftig spannend werden.2837 Aber auch über diese einzelnen Aspekte hinaus läge eine verstärkte Aufmerksamkeit für die Aktivitäten des UT künftig nahe: Denn der TCEA 2007 c.15 hat mit dem UT eine Institution geschaffen, in der zugleich ein hohes Potential angelegt ist, nicht nur zur Sicherstellung einheitlicher Verfahrensstandards bei den von ihm überwachten tribunals zu sorgen, sondern auch zur Fortentwicklung des englischen Verwaltungsrechts insgesamt einen Beitrag zu leisten. Gerade für die Tätigkeit der AAC des UT, in der die unterschiedlichsten, verwaltungsrechtlichen Zuständigkeiten zusammenlaufen, können womöglich Schnittmengen zwischen einzelnen Sachgebieten entstehen, in denen es denkbar ist, einheitliche Lösungen für Rechtsprobleme zu finden, die sich in mehr als einem Sachbereich stellen. Zugleich kann das UT durch seine Eigenschaft als superior court of record und seine damit einhergehende Möglichkeit, bindende Präjudizien zu erlassen und deren Wirkung durch selektive Veröffentlichung zu einem gewissen Grad selbst zu steuern, aktiv die Rechtsentwicklung in bestimmten Fragen beeinflussen. Angesichts all dessen wurde in der Schaffung des UT bisher wohl zu Recht schon eine »[…] unprecedented opportunity to work towards a more coherent and distinctive system of tribunal justice, drawing together the strands of the principles developed for the various jurisdictions«,2838 oder ein »forum in which the law can be clarified and developed«2839 gesehen. 2836 Siehe oben, Fn. 11. 2837 Siehe oben, bei Fn. 2446f. 2838 Carnwath, PL 2009, 48 (56).
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Die Beschränkung seiner zweitinstanzlichen Zuständigkeit auf questions of law einerseits und die hohen Hürden, die an die Einlegung von second appeals geknüpft sind andererseits, werden in Zukunft wohl dafür sorgen, dass zumindest ein großer Teil der praktisch wichtigen Fragen des materiellen Rechts im UT mit entschieden wird. Auch deshalb ist zu erwarten, dass das UT künftig verstärkte »Wegweisung und Orientierung durch wissenschaftliche Kommentierung und Diskussion« erfährt. Obgleich der TCEA 2007 c.15 in mancherlei Hinsicht eigentlich keine wirklichen Innovationen gebracht, sondern bereits Vorhandenes anerkannt und ausgebaut hat, wurde doch von diesem Gesetz ausgehend die tribunal landscape zum ersten Mal erfolgreich zu einem wirklichen System von tribunals umgestaltet. Zwar ist dieses System bei genauerem Hinsehen nach wie vor ungeheuer komplex und wirkt wegen vieler sachbereichsspezifischer Sonderregelungen und Ausnahmen noch immer sehr zerfasert; auch ist das Reformpotential angesichts der tribunals, die bisher überhaupt nicht vom TCEA 2007 c.15 erfasst sind, noch lange nicht erschöpft.2840 Hervorzuheben ist aber, dass die bisherigen Resultate dieses Prozesses jedenfalls mehr sind, als ein nur oberflächliches Re-Arrangement, eine bloße Umdeklarierung von Altbekanntem: Dies zeigt sich am deutlichsten daran, dass und wie die Gerichte angesichts der bisherigen Veränderungen ihr eigenes Verhältnis zu den tribunals überdacht haben – die Gestalt, die der Gesetzgeber dem UT gegeben hat, hat die Gerichte veranlasst, ihre eigene supervisory jurisdiction über dieses neue Gebilde im Vergleich zu den vorherigen Einzeltribunals einheitlich auszugestalten und insgesamt zurückzufahren. Die Urteile des Supreme Court in Cart, MR und Eba sind – trotz der Divergenzen in den Grundhaltungen der Richter gegenüber den Veränderungen – in der Summe eine bemerkenswerte Anerkennung des Systems und der dahinterstehenden gesetzgeberischen Intentionen:2841 Unter Berücksichtigung aller Stärken und Schwächen der neuen Strukturen wurde die supervisory jurisdiction des High Court auf ein Maß reduziert, welches dem JR innerhalb dieses Systems die Rolle einer Nichtzulassungsbeschwerde verleiht, was dem High Court ein Sicherheitsventil in die Hand gibt, um mögliche Fehlentscheidungen- und entwicklungen im System flexibel zu korrigieren – auch wenn damit gegenwärtig die potentielle Verlängerung eines Tribunalsverfahrens einhergeht, die mit dem Grundgedanken einer proportionate dispute resolution, wie er im TCEA 2007
2839 Hickingbottom, Tribunals, 2009, Spring, 3 (5). 2840 Siehe zu den noch außerhalb der Struktur stehenden tribunals nur oben, V.D., S. 311, V.C.2.c), S. 295 sowie bei Fn. 1390ff. 2841 Siehe oben, VIII.C.6., S. 531ff.
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c.15 und auch im Urteil des Supreme Court zum Ausdruck kommt, kaum vereinbar ist. Allein die Tatsache, dass die Gerichte die Anwendbarkeit des JR beschränkten und dabei gerade keine Differenzierung in der Anwendung zwischen einzelnen Sachbereichen innerhalb des Tribunalssystems zuließen, ja selbst für den kritischen Bereich des Asylrechts eine Sonderbehandlung abgelehnt haben, ist wohl letztlich als großer Vertrauensvorschuss für das System anzusehen. Die rein rechtlichen Rahmenbedingungen, die der TCEA 2007 c.15 geschaffen hat, legen diese neue Zurückhaltung nahe und würden wohl sogar eine noch größere Zurückhaltung rechtfertigen: Die Kompetenz und Aufgabe des UT, durch das in ihm zusammengeführte Expertenwissen zu verlässlichen Rechtsinterpretationen zu kommen und so für den Rechtsanwender Klarheit zu schaffen, ist eine Aufgabe, bei deren Wahrnehmung vorschnelle Interventionen von außen wohl nur zu Irritationen führen würden.2842 Realistischerweise jedoch werden die Gerichte diese nun einmal zurückgefahrene Kontrolle gegenüber dem UT nur dann aufrecht erhalten, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen auch angemessen mit Leben gefüllt werden können: Schon der pragmatische Maßstab, den der Supreme Court zur Bestimmung des Umfangs der supervisory jurisdiction genutzt hat, macht deutlich, dass die Gerichte stets die Leistungsfähigkeit des Systems in seinem tatsächlichen Vollzug zum Prüfstein für die Notwendigkeit ihres eigenen Einschreitens machen werden. Ob das gegenwärtige Vertrauen der Gerichte gegenüber dem UT auch künftig aufrecht erhalten werden wird, hängt damit vor allem vom politischen Willen ab, dem nun einmal geschaffenen System auch tatsächlich hinreichende Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit es wirklich das leisten kann, was rechtlich in ihm angelegt ist. Die größte Gefahr, die für dieses angelegte Potential droht und die angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen Gesamtsituation nicht von der Hand zu weisen ist, ist, dass aus allgemeinen Sparzwängen heraus die Quellen, aus denen insb. juristischer Sachverstand in die Verfahren der tribunals einfließen kann, reduziert werden – sei es durch Kürzungen bei juristischen Beratungsangeboten und Prozesskostenhilfe für den Bürger, sei es durch mangelhafte Vertretung der Behörden in Tribunalsverfahren durch unqualifizierte oder schlicht abwesende Vertreter oder sei es durch Kürzungen an den Ressourcen des Systems selbst. Die Gefahr, die damit einherginge, wäre nicht nur die rechtlicher Fehlentscheidungen mit womöglich gravierenden Konsequenzen für den einzelnen Bürger – vielmehr bestünde auch die Gefahr einer Stagnation in der Fortentwicklung des Rechts oder sogar gravierender Fehlentwicklungen. Unter diesen Vorzeichen wäre wohl der gegenwärtige Vertrauensvorschuss der Gerichte 2842 Siehe oben, VIII.C.6.c)(2), S. 540ff.
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schnell aufgebraucht und der JR könnte und müsste wieder verstärkt als Vehikel genutzt werden, um diese Fehlentwicklungen zu korrigieren. Es ist also davon auszugehen, dass die ordentlichen Gerichte das tatsächliche Funktionieren des Tribunalssystems mittels ihrer supervisory jurisdiction vorerst weiterhin kritisch begleiten werden. Neben dem ohnehin vom TCEA 2007 c.15 vorgesehenen Instanzenzug bestünde damit künftig auch durch den JR eine enge Verknüpfung der tribunals mit den ordentlichen Gerichten, durch die den letzteren stets die Oberaufsicht über erstere erhalten bleibt; schon angesichts dessen, aber auch angesichts der noch immer bestehenden zivilrechtlichen Zuständigkeiten der tribunals kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Rede davon sein, dass das Tribunalssystem des TCEA 2007 c.15 eine eigenständige »Verwaltungsgerichtsbarkeit« nach deutschem oder kontinentaleuropäischem Verständnis geschaffen hätte.
B.
Ausblick
Auf der anderen Seite scheint es aber auch nicht völlig fernliegend, angesichts des bisher in Folge des TCEA 2007 c.15 Erreichten anzunehmen, dass die Schaffung des Tribunalssystems des TCEA 2007 c.15 zumindest den Grundstein für eine Entwicklung hin auf eine Art von »Verwaltungsgerichtsbarkeit« gelegt haben könnte: Auch wenn nicht anzunehmen ist, dass sich die englischen Juristen von heut auf morgen von ihrem tradierten Bild von ordentlichen Gerichten und tribunals und deren Rolle in der administrative justice landscape verabschieden werden, lässt die ihm inhärente Zukunftsfähigkeit des Systems des TCEA 2007 c.15 doch erwarten, dass es auch künftig vom Gesetzgeber (durch Zuweisung neuer Aufgaben und Verlagerung bestehender Zuständigkeiten) ausgebaut werden kann und wird: Ganz konkret etwa geschieht dies im Hinblick auf den bereits eingeleiteten Transfer der asylrechtlichen JR-Verfahren vom High Court zum UT, die lange Zeit nicht nur den größten Anteil am Gesamtaufkommen aller JR-Verfahren hatten, sondern auch rechtlich am brisantesten waren. Sollten die Aufgabenfelder der tribunals auch künftig weiter wachsen, wird demgegenüber der JR als tradiertes Vehikel der Gewährung von Verwaltungsrechtsschutz durch die ordentlichen Gerichte schon rein quantitativ an Bedeutung verlieren. Die Gewährung von Verwaltungsrechtsschutz – verstanden als Rechtsschutz des Einzelnen gegenüber der Verwaltung durch eine unabhängige Institution – wäre dann künftig in noch größerem Maße Aufgabe der tribunals und nicht mehr die des JR. Daneben hätte die Tätigkeit insb. des UT als Spitze des neuen Systems mit dem Auftrag, Einheitlichkeit und Kohärenz der Rechtsentwicklung darin zu schaffen, jedoch auch eine über den einzelnen Fall hinausgehende
Ausblick
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Dimension: Das UT, insbesondere die AAC, die sich ihrem Namen entsprechend nur mit Rechtsfragen aus der Sphäre des administrative law befasst, ist bereits – und wird wohl künftig noch verstärkt – eine wichtige Schaltstelle mit dem Potential, die künftige Entwicklung des englischen Verwaltungsrechts durch ihre Rechtsprechung mit zu beeinflussen. Sie könnte damit neben dem High Court zu einem wichtigen Gravitationszentrum werden, von dem Entwicklungsimpulse für das Verwaltungsrecht insgesamt ausgehen und in dieser Hinsicht jene Position ausfüllen, die der High Court traditionell als Generator englischen Verwaltungsrechts innehat. Auch wenn dies – wie so vieles in der Geschichte des englischen Rechts – wohl kaum in einer Revolution stattfinden wird, wird sicherlich die verstärkte Beobachtung des weiteren Ausbaus der englischen tribunals und insb. des UT für den rechtsvergleichenden Betrachter des englischen Verwaltungsrechts künftig lohnenswert sein.
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