Vertrauen in die Polizei: Schweiz – Europa – Welt (German Edition) 3658354240, 9783658354244

Das vorliegende Buch befasst sich mit Vertrauen in die Polizei, wobei die Makroebene wie auch die Individualebene betrac

139 40

German Pages 272 [253] Year 2021

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Table of contents :
Danksagung
Zusammenfassung
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis und statistische Parameter
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Inhalt der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit
Teil I Theorie
2 Vertrauen
2.1 Der Vertrauensbegriff in der Sozialpsychologie
2.1.1 Individuelles Vertrauen
2.1.2 Generalisiertes Vertrauen
2.2 Der Vertrauensbegriff in der Soziologie
2.3 Der Vertrauensbegriff in der Politikwissenschaft
2.4 Vertrauen in staatliche Institutionen
2.5 Vertrauen in die Polizei
2.5.1 Individuelle Erklärungsfaktoren
2.5.2 Kontextuelle Erklärungsfaktoren
2.6 Die Polizei als Organisation
2.6.1 Aufgaben und Ziele der Polizei
2.6.2 Polizei: Freund oder Feind?
2.7 Zusammenfassung
3 Öffentliche Korruption
3.1 Formen und rechtliche Aspekte von Korruption
3.2 Ursachen und Folgen von Korruption
3.2.1 Kulturelle Erklärungsfaktoren
3.2.2 Weitere Erklärungsfaktoren
3.2.3 Wirtschaftliche Folgen
3.2.4 Gesellschaftliche Folgen
3.2.5 Politische Folgen
3.2.6 Staatspolitische Folgen
3.3 Zusammenfassung
4 Individuelle Werte
4.1 Einführung in Wertetheorien
4.1.1 Sozialpsychologischer Werteansatz
4.1.2 Konzepte der menschlichen Persönlichkeit
4.2 Individuelle Werte nach Schwartz
4.2.1 Die zehn fundamentalen Werte
4.2.2 Die Wertestruktur
4.2.3 Höhere Werteordnungen
4.2.4 Die Erweiterung der Wertetheorie
4.2.5 Die Sinuskurve
4.3 Zusammenfassung
5 Interplay
5.1 Öffentliche Korruption und Vertrauen in die Polizei
5.2 Individuelle Werte und Vertrauen in die Polizei
5.2.1 Bewahrung
5.2.2 Selbstbestimmung
5.2.3 Macht
5.2.4 Universalismus
5.3 Interaktionseffekte und Vertrauen in die Polizei
5.4 Migrationshintergrund und Vertrauen in die Polizei
5.4.1 Migrationshintergrund als positiver Einfluss
5.4.2 Migrationshintergrund als negativer Einfluss
5.5 Theoretisches Modell
Teil II Methodologie
6 Datensätze
6.1 European Social Survey
6.1.1 Stichprobe
6.1.2 Erhebungsablauf
6.2 World Values Survey
6.2.1 Erhebungsablauf und Stichprobe
6.2.2 Einteilung in sieben Weltregionen
6.3 Vergleich der verwendeten Individualdatensätze
6.4 Corruption Perceptions Index
6.4.1 Erhebungsablauf und Stichprobe
6.4.2 Kritik am Corruption Perceptions Index
6.4.3 Andere mögliche Korruptionsdatensätze
7 Operationalisierung
7.1 Vertrauen in die Polizei
7.2 Öffentliche Korruption
7.3 Individuelle Werte
7.3.1 Bewahrung
7.3.2 Macht
7.3.3 Selbstbestimmung
7.3.4 Universalismus
7.4 Migrationshintergrund
7.5 Kontrollvariablen
7.5.1 Alter
7.5.2 Bildung
7.5.3 Generalisiertes Vertrauen
7.5.4 Geschlecht
7.5.5 Politische Einstellung
8 Umgang mit fehlenden Werten
8.1 ESS-Patterns: Schweiz
8.2 ESS-Patterns: Europa
8.3 WVS-Patterns: Welt
9 Methoden
9.1 Strukturgleichungsanalyse
9.1.1 Lineare Regression
9.1.2 Konfirmatorische Faktorenanalyse
9.1.3 Strukturgleichungsmodelle
9.2 Gruppenvergleiche und Modellgüte
9.2.1 Gruppenvergleiche und Messungsinvarianzen
9.2.2 Modellgüte
9.3 Mehrebenenanalyse
9.4 Kausalitätsproblematik
9.5 Statistikprogramme
10 Empirische Modelle
Teil III Empirie
11 Die schweizerische Perspektive
11.1 Hintergrund und Kontext
11.2 Multivariate Analysen
11.2.1 Konfirmatorische Faktorenanalyse
11.2.2 Strukturgleichungsmodelle
11.3 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse
12 Die europäische Perspektive
12.1 Vertrauen in die Polizei
12.2 Wahrgenommene Korruption
12.3 Individuelle Werte
12.3.1 Bewahrung
12.3.2 Macht
12.3.3 Selbstbestimmung
12.3.4 Universalismus
12.3.5 Aggregierte individuelle Werte
12.4 Migrationshintergrund
12.5 Kontrollvariablen
12.5.1 Alter
12.5.2 Bildung
12.5.3 Generalisiertes Vertrauen
12.5.4 Geschlecht
12.5.5 Politische Orientierung
12.6 Multivariate Analysen
12.6.1 Lineare Regression
12.6.2 Mehrebenenanalyse
12.7 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse
13 Die globale Perspektive
13.1 Vertrauen in die Polizei
13.2 Wahrgenommene Korruption
13.3 Individuelle Werte
13.3.1 Bewahrung
13.3.2 Macht
13.3.3 Selbstbestimmung
13.3.4 Universalismus
13.3.5 Aggregierte individuelle Werte
13.4 Migrationshintergrund
13.5 Kontrollvariablen
13.5.1 Alter
13.5.2 Bildung
13.5.3 Generalisiertes Vertrauen
13.5.4 Geschlecht
13.5.5 Politische Orientierung
13.6 Multivariate Analysen
13.6.1 Lineare Regression
13.6.2 Mehrebenenanalyse
13.7 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse
14 Vergleich der Resultate beider Individualdatensätze
14.1 Vertrauen in die Polizei
14.2 Individuelle Werte
14.3 Migrationshintergrund
14.4 Kontrollvariablen
14.5 Lineare Regression
14.6 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse
Teil IV Fazit
15 Synthese und Reflexion
15.1 Synthese und Interpretation
15.2 Reflexion
16 Grenzen und Ausblick
17 Schlussfazit
Literatur
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Vertrauen in die Polizei: Schweiz – Europa – Welt (German Edition)
 3658354240, 9783658354244

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Sabrina Pfister

Vertrauen in die Polizei Schweiz – Europa – Welt

Vertrauen in die Polizei

Sabrina Pfister

Vertrauen in die Polizei Schweiz – Europa – Welt

Sabrina Pfister Universität Zürich Zürich, Schweiz Dissertation Universität Zürich, 2020 Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Herbstsemester 2020 auf Antrag der Promotionskommission Prof. Dr. Eldad Davidov (hauptverantwortliche Betreuungsperson) und Prof. Dr. Peter Schmidt als Dissertation angenommen.

ISBN 978-3-658-35424-4 ISBN 978-3-658-35425-1 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Eggert Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Danksagung

Nach Jahren intensiver Arbeit liegt meine Dissertation nun vor und es ist an der Zeit, mich bei denjenigen zu bedanken, die mich in dieser herausfordernden, aber auch ungemein ergiebigen Phase meiner Laufbahn begleitet haben. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater Prof. Dr. Eldad Davidov, der meine Arbeit stets mit vielseitiger Ideengebung unterstützt hat. Ich habe unsere Dialoge – ob im persönlichen Gespräch oder per E-Mail – als stetige Ermutigung und Motivation empfunden. Für konstruktive Anregungen danke ich ebenso Prof. Dr. Peter Schmidt, der meine Doktorarbeit als zweiter Gutachter betreut hat. Für den soziologischen und wissenschaftlichen Austausch und diverse Denkanstösse möchte ich mich bei Stefano De Rosa, Eva Moehlecke, Andrea Rinaldo und Olivia Schneider bedanken. Ebenfalls profitierte meine Arbeit von diversen Inputs im Rahmen von Dissertationskolloquien an den Universitäten Zürich und Köln. In meiner Zeit als Doktorandin hatte ich die Gelegenheit, Methodenkurse in Mannheim und in Lugano zu besuchen. Dies war nur mit der finanziellen Unterstützung durch die Militärakademie an der ETH Zürich möglich. Für spezifische Fragen zu «R»-Problemen konnte ich mich an Jennifer Scurell und Michel Schläppi wenden. Für die Durchsicht des Manuskripts danke ich Pilar Crespo, Olivia Landert, Eva Moehlecke, Vanessa Pfister und Angela Schläppi. Darüber hinaus gilt mein Dank allen Verwandten, Freunden und Freundinnen, die mich in dieser Phase des Lebens unterstützten. Sie bauten mich auf, verzichteten auf mich und gaben mir sozialen Ausgleich zu meiner Forschungsarbeit.

V

VI

Danksagung

Tief verbunden und dankbar bin ich David Caspar für seine Unterstützung sowie seine Rücksichtnahme während der Anfertigung dieser Doktorarbeit. Mein ganz besonderer Dank gilt aber meinen Eltern Karin und Jörg Pfister, die mir meinen bisherigen Lebensweg ermöglichten, immer für mich da waren und mich stets unterstützten – ihnen widme ich diese Arbeit.

Zusammenfassung

Vertrauen in die Polizei wird in den Sozialwissenschaften schon länger intensiv untersucht, wobei auch schon einige Erklärungsfaktoren beforscht wurden. Auf der Individualebene werden soziodemografische Faktoren wie das Alter oder das Geschlecht erforscht, aber auch Faktoren wie individuelle Einstellungen oder tatsächliche Erfahrungen, die mit der Polizei gemacht wurden. Zudem werden sogenannte Community Faktoren betrachtet, um unterschiedliches Vertrauen in die Polizei zu erklären. Daneben gibt es einige Studien, die Vertrauen in die Polizei auf der Makroebene untersuchen und zum Beispiel die Eigenschaften demokratischer Systeme, den Einfluss des Wohlfahrtssystems oder die wahrgenommene Korruption betrachten. Die vorliegende Arbeit befasst sich ebenfalls mit Vertrauen in die Polizei, wobei aber die Makroebene wie auch die Individualebene betrachtet und miteinander verknüpft werden. Auf der Makroebene fokussiert sich diese Arbeit dabei auf die wahrgenommene Korruption, auf der Individualebene auf individuelle Werte sowie Migrationshintergründe als Erklärungsfaktoren. Insbesondere der Einfluss von Werten auf Vertrauen in die Polizei wurde bisher kaum untersucht. In dieser Arbeit werden anhand einer Fallstudie über die Schweiz wie anhand welt- und europaweiter Ländervergleiche die Faktoren sowohl auf der Individualals auch auf der Länderebene analysiert und folgende Forschungsfrage empirisch bearbeitet: Wie lassen sich Vertrauensunterschiede in die Polizei zwischen Menschen in einem Land und zwischen Ländern erklären? Der Einfluss der einzelnen Faktoren auf Vertrauen in die Polizei wird anhand des European Social Survey (Welle 6: 2012) mit 29 Ländern und des World Values Survey (Welle 6: 2012) mit 54 Ländern geprüft. Für die Fallstudie über die Schweiz werden Strukturgleichungsanalysen verwendet, während für den europäischen und globalen Ländervergleich Mehrebenenanalysen genutzt werden.

VII

VIII

Zusammenfassung

Es zeigt sich, dass öffentliche Korruption (gemessen mit dem Corruption Perceptions Index), die vier individuellen Werte «Bewahrung», «Macht», «Selbstbestimmung» und «Universalismus» nach der Wertetheorie von S. H. Schwartz (1992) und ein allenfalls vorhandener Migrationshintergrund Unterschiede im Vertrauen in die Polizei erklären können. Diese Arbeit liefert somit einen Beitrag zum besseren Verständnis von Vertrauen in die Polizei in der Schweiz, in Europa und in der Welt.

Inhaltsverzeichnis

1

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Inhalt der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Teil I

1 5 8

Theorie

2

Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Der Vertrauensbegriff in der Sozialpsychologie . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Individuelles Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Generalisiertes Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Der Vertrauensbegriff in der Soziologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Der Vertrauensbegriff in der Politikwissenschaft . . . . . . . . . . . . 2.4 Vertrauen in staatliche Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Vertrauen in die Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Individuelle Erklärungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Kontextuelle Erklärungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Die Polizei als Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Aufgaben und Ziele der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Polizei: Freund oder Feind? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 16 17 18 18 20 21 24 25 29 30 31 33 35

3

Öffentliche Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Formen und rechtliche Aspekte von Korruption . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ursachen und Folgen von Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Kulturelle Erklärungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Weitere Erklärungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Wirtschaftliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 38 41 41 42 42

IX

X

Inhaltsverzeichnis

3.2.4 Gesellschaftliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Politische Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Staatspolitische Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43 43 44 44

4

Individuelle Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Einführung in Wertetheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Sozialpsychologischer Werteansatz . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Konzepte der menschlichen Persönlichkeit . . . . . . . . . . 4.2 Individuelle Werte nach Schwartz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Die zehn fundamentalen Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Die Wertestruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Höhere Werteordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Die Erweiterung der Wertetheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Die Sinuskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 45 46 48 49 50 52 54 55 56 57

5

Interplay . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Öffentliche Korruption und Vertrauen in die Polizei . . . . . . . . . 5.2 Individuelle Werte und Vertrauen in die Polizei . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Bewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Universalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Interaktionseffekte und Vertrauen in die Polizei . . . . . . . . . . . . . 5.4 Migrationshintergrund und Vertrauen in die Polizei . . . . . . . . . 5.4.1 Migrationshintergrund als positiver Einfluss . . . . . . . . 5.4.2 Migrationshintergrund als negativer Einfluss . . . . . . . . 5.5 Theoretisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59 59 60 60 61 62 62 63 63 63 64 66

3.3

Teil II 6

Methodologie

Datensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 European Social Survey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Erhebungsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 World Values Survey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Erhebungsablauf und Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Einteilung in sieben Weltregionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Vergleich der verwendeten Individualdatensätze . . . . . . . . . . . .

71 71 72 73 73 74 75 77

Inhaltsverzeichnis

6.4

XI

Corruption Perceptions Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Erhebungsablauf und Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2 Kritik am Corruption Perceptions Index . . . . . . . . . . . . 6.4.3 Andere mögliche Korruptionsdatensätze . . . . . . . . . . . .

77 78 78 80

7

Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Vertrauen in die Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Öffentliche Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Individuelle Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Bewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3 Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.4 Universalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Migrationshintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Kontrollvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.1 Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.2 Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.3 Generalisiertes Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.4 Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.5 Politische Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 83 84 84 86 88 88 89 89 90 91 91 92 93 93

8

Umgang mit fehlenden Werten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 ESS-Patterns: Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 ESS-Patterns: Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 WVS-Patterns: Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95 97 98 99

9

Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Strukturgleichungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.1 Lineare Regression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.2 Konfirmatorische Faktorenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.3 Strukturgleichungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Gruppenvergleiche und Modellgüte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1 Gruppenvergleiche und Messungsinvarianzen . . . . . . . 9.2.2 Modellgüte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Mehrebenenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Kausalitätsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5 Statistikprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103 103 104 104 105 106 106 107 108 111 111

10 Empirische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

113

XII

Teil III

Inhaltsverzeichnis

Empirie

11 Die schweizerische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Hintergrund und Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Multivariate Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Konfirmatorische Faktorenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Strukturgleichungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse . . . . . .

119 119 122 122 126 129

12 Die europäische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1 Vertrauen in die Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Wahrgenommene Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Individuelle Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.1 Bewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.2 Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.3 Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.4 Universalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.5 Aggregierte individuelle Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Migrationshintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Kontrollvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.1 Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.2 Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.3 Generalisiertes Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.4 Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.5 Politische Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6 Multivariate Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.1 Lineare Regression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.2 Mehrebenenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.7 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse . . . . . .

135 135 137 139 141 141 141 142 142 144 146 146 146 147 148 149 150 150 154 158

13 Die globale Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1 Vertrauen in die Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Wahrgenommene Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Individuelle Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.1 Bewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.2 Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.3 Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.4 Universalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.5 Aggregierte individuelle Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4 Migrationshintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163 163 165 168 170 170 170 171 171 173

Inhaltsverzeichnis

XIII

13.5 Kontrollvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.5.1 Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.5.2 Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.5.3 Generalisiertes Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.5.4 Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.5.5 Politische Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.6 Multivariate Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.6.1 Lineare Regression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.6.2 Mehrebenenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.7 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse . . . . . .

173 173 175 175 177 177 179 179 181 185

14 Vergleich der Resultate beider Individualdatensätze . . . . . . . . . . . . . 14.1 Vertrauen in die Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Individuelle Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Migrationshintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Kontrollvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5 Lineare Regression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.6 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse . . . . . .

191 191 192 194 194 195 195

Teil IV

Fazit

15 Synthese und Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 Synthese und Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

203 203 209

16 Grenzen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213

17 Schlussfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

217

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

219

Abkürzungsverzeichnis und statistische Parameter

CFA CFI CPI EFTA ESS EU ISCED MEA MENA OECD PVQ RMSEA SEM SSA TI USA WVS B β λ ω  ρ

Confirmatory Factor Analysis (dt.: Konfirmatorische Faktorenanalyse) Comparative Fit Index Corruption Perceptions Index (dt.: Korruptionswahrnehmungsindex) European Free Trade Association (dt.: Europäische Freihandelsassoziation) European Social Survey Europäische Union International Standard Classification of Education (dt.: Internationale Standardklassifizierung für Bildung) Mehrebenenanalyse Middle East & North Africa (dt.: Nahost und Nordafrika) Organisation for Economic Co-operation and Development (dt.: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Portraits Value Questionnaire Root Mean Square Error of Approximation Structural Equation Model (dt.: Strukturgleichungsmodell) Subsahara-Afrika Transparency International United States of America (dt.: Vereinigte Staaten von Amerika) World Values Survey Beta: Unstandardisierte Regressionskoeffizienten beta: standardisierte Regressionskoeffizienten lambda: Faktorenladung bei einer CFA oder SEM Omega: Mass für die interne Konsistenz einer Skala Phi: Korrelationswert in einer CFA oder SEM rho: Probabilitätswert, Signifikanzniveau

XV

XVI

Abkürzungsverzeichnis und statistische Parameter

r R2

Pearson’s Korrelationskoeffizient Determinationskoeffizient, eine Kennzahl zur Beurteilung, wie gut ein Messwert zu einem Modell passt Chi-Quadrat: Differenztests bei Modellvergleich

χ2

Abbildungsverzeichnis

Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

1.1 4.1 5.1 6.1 6.2

Abbildung 6.3 Abbildung 10.1 Abbildung 10.2 Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

11.1 11.2 11.3 12.1 12.2 12.3

Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

12.4 12.5 12.6 12.7

Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

12.8 12.9 12.10 13.1

Schematischer Aufbau der Dissertation . . . . . . . . . . . . Zirkuläre Wertestruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theoretisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europakarte der verwendeten Länder . . . . . . . . . . . . . . Weltkarte der verwendeten Länder nach Weltregionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weltkarte mit CPI-Werten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empirisches Modell Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empirisches Modell – europäische und globale MEA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertrauen in die Schweizer Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht der CFA-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht der SEM-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertrauen in die Polizei in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . Wahrgenommene Korruption in Europa . . . . . . . . . . . . Wahrgenommene Korruption und Vertrauen in die Polizei in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Individuelle Werte in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sinuskurve für Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Migrationsgeneration in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertrauen in die Polizei nach Migrationsgenerationen in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . Bildungsabschlüsse in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Generalisiertes Vertrauen in Europa . . . . . . . . . . . . . . . Politische Einstellung in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertrauen in die Polizei nach Weltregionen . . . . . . . . .

9 54 66 72 76 79 114 115 121 123 126 136 137 138 140 143 144 145 147 148 149 164

XVII

XVIII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 13.2 Abbildung 13.3 Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

13.4 13.5 13.6 13.7 13.8 14.1

Wahrgenommene Korruption nach Weltregionen . . . . Korruption und Vertrauen in die Polizei nach Weltregionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Individuelle Werte nach Weltregion . . . . . . . . . . . . . . . Sinuskurve nach Weltregionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Migrationsgeneration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildungsabschlüsse nach Weltregionen . . . . . . . . . . . . Politische Einstellung nach Weltregionen . . . . . . . . . . Mittelwerte der vier individuellen Werte im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166 167 169 172 174 176 178 193

Tabellenverzeichnis

Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle

2.1 4.1 7.1 8.1

Tabelle 8.2 Tabelle 8.3 Tabelle 9.1 Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle

11.1 11.2 11.3 12.1 12.2 12.3 13.1 13.2 13.3 14.1 14.2 14.3 14.4 15.1

Political Terror Scale Levels 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertenachbarn und die zugrunde liegende Motivation . . . . ISCED-Klassifikation und ihre Bedeutung . . . . . . . . . . . . . Übersicht der grössten Missing-Patterns in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht der grössten Missing-Patterns in Europa . . . . . . Übersicht der grössten Missing-Patterns in der Welt . . . . . Ablaufschema zur schrittweisen Berechnung der MEA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse der CFA-Modelle – Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse der SEM-Modelle – Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . Hypothesen und Resultate – Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . Lineare Regression: Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse der europäischen MEA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypothesen und Resultate – europäische Perspektive . . . . Lineare Regression: Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse der globalen MEA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypothesen und Resultate – globale Perspektive . . . . . . . . Rangordnung Vertrauen in die Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . Anteile der Personen mit Migrationshintergrund . . . . . . . . Lineare Regressionen ESS und WVS im Vergleich . . . . . . Hypothesen und Resultate des Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . Übersicht der Resultate – Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 53 92 97 98 100 110 124 128 130 151 155 159 180 182 187 191 194 196 197 204

XIX

1

Einleitung

Das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung in die Polizei ist aktuell so hoch wie noch nie. Die Schweizer Polizei nimmt in dieser Hinsicht im Vergleich zu anderen Institutionen1 seit Jahren einen Spitzenrang ein (Szvircsev Tresch et al. 2019). Im Gegensatz dazu sind in vielen Ländern Vertrauenseinbussen gegenüber der Polizei festzustellen. Eine Untersuchung in Griechenland zeigte etwa, dass das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen im Allgemeinen und in die Polizei im Speziellen von 2002 bis 2011 drastisch gesunken ist (Ervasti et al. 2019). Ein Blick nach Lateinamerika offenbart, dass für die Bekämpfung von Kriminalität – eine genuine Aufgabe der Polizei – vermehrt das Militär anstelle der Polizei eingesetzt wird. Der Grund ist, dass die dortige Bevölkerung der Polizei nicht mehr zutraut, ihre Aufgaben erfolgreich auszuüben (PionBerlin & Carreras 2017). Was bedeutet nun dieser Verlust an Vertrauen, mit dem sich die Polizei in verschiedenen Ländern konfrontiert sieht? Die Polizei ist ein wichtiger Teil des gesamtstaatlichen Systems, da sie die Institution mit den meisten Berührungspunkten zu den Bürgerinnen2 ist (Staubli 2017). Gleichzeitig wird sie als Vertreterin der Regierung betrachtet (Fukuyama 1995), und Bürger können in ganz verschiedenen Rollen, nämlich als Kontrollierte, Täterinnen, Opfer, Zeugen oder Passantinnen, Kontakt zur Polizei haben (van Damme 2017). Aufgrund der häufigen und vielfältigen Kontakte mit der Polizei bilden sich die Bürger von allen staatlichen Institutionen am ehesten eine Meinung über diese (Cheng 2008; Jang et al. 2015; Sherman 1974), wobei 1

In dieser Arbeit wird der Begriff «Institution» in Anlehnung an politikwissenschaftliche Forschungen verwendet. Als Institutionen werden staatliche Organisationen, aber auch Werte und Regeln betrachtet. Der Begriff «Organisation» wird nur im Zusammenhang mit rechtlich formalen Strukturen verwendet (vgl. Abschnitt 2.6 «Die Polizei als Organisation»). 2 In diesem Text werden Femininum und Maskulinum gleichermassen verwendet. Die Verwendung ist willkürlich und folgt keinem Muster. Ist im Text ein bestimmtes Geschlecht gemeint, wird dies explizit erwähnt. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_1

1

2

1

Einleitung

diese Meinung dann oftmals auf den gesamten Staat übertragen wird (Fukuyama 1995). Verliert also die Polizei das Vertrauen der Bevölkerung, so kann sich dieser Effekt auf den Rest des Staates ausweiten. Da Vertrauen in staatliche Institutionen eine Form von Legitimitätsbekundung ist, stellt somit ein solcher Vertrauensverlust das ganze politische System in Frage. Locke zeigte schon 1689 in The Two Treatises of Government (dt.: Zwei Abhandlungen über die Regierung) die Bedeutung von Vertrauen für das Funktionieren einer Regierung, wobei Vertrauen als Vermittler zwischen den Individuen mit ihren persönlichen Handlungsfreiheiten und der Regierung als Garantin für die Stabilität der Gesellschaft dient (Schaal 2004). So entsteht ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen der Gesellschaft und der Regierung, die die Sicherheit ihrer Bürgerinnen garantiert (Grünberg 2014; Schwaabe 2010). Das Vertrauen der Bürger in die Regierung begreift Locke als notwendige Bedingung für das Bestehen eines politischen Systems (Göhler 2002; Schaal 2004; Schwaabe 2010). Gleichzeitig benötigen die Regierung im Allgemeinen und die Polizei im Speziellen das Vertrauen der Bevölkerung, um ihre Arbeit effektiv ausführen zu können (Bradford et al. 2009; Jackson et al. 2012; van Damme 2013). Die Bevölkerung arbeitet mit der Polizei zusammen, indem sie zum Beispiel Straftaten meldet. Untersuchungen zeigen, dass das Anzeigeverhalten von der Schwere des Delikts und der subjektiven Einschätzung der Erfolgsaussichten der polizeilichen Ermittlungen abhängt. Geht also die Bevölkerung davon aus, dass die Erfolgsaussichten polizeilicher Ermittlungen gering sind, kommen Delikte deutlich seltener zur Anzeige (Birkel et al. 2018), wodurch delinquentes Verhalten vermehrt nicht sanktioniert wird (Goudriaan et al. 2006; Murphy 2008). Entsprechend untersuchen verschiedene Autoren, welche Faktoren dazu führen, dass die Bürgerinnen Vertrauen in die Polizei haben. Wie Easton (1965) in seiner Arbeit Politische Unterstützung zeigt, führen nicht einzelne, einmalige Bewertungen der Performanz zu Legitimität und Vertrauen in Institutionen, sondern generelle Akzeptanz und beständige Anerkennung. Der Fokus der Forschung liegt also auf denjenigen Faktoren, die für die generelle Akzeptanz und Anerkennung der Polizei relevant sind. Ein wiederholt in der Literatur genannter Erklärungsfaktor auf der Makroebene ist Demokratie. Cao et al. (2012) zeigten etwa, dass eine u-förmige konvexe Beziehung zwischen Demokratisierungsgrad eines Staates und Vertrauen in die Polizei besteht. In langanhaltend autoritär regierten Staaten wie auch in etablierten und stabilen Demokratien ist das Vertrauen in die Polizei höher als in Transitionsstaaten oder in Ländern mit kurzer Demokratiegeschichte. Weitere Einflussfaktoren auf Vertrauen hat zum Beispiel Ivkovi´c (2008) erforscht, die auf Länderebene diverse Faktoren untersucht hat, zum Beispiel die Grösse der

1

Einleitung

3

Polizei, den Anteil an Frauen in der Polizei, die Polizeistruktur und den Kriminalitätsindex. Letzterer erfasst auch Korruption und hat einen stark negativen Effekt auf Vertrauen in die Polizei. Kääriäinen (2007) untersuchte für Europa den Einfluss von Korruption auf Länderebene. Es zeigt sich, dass öffentliche Korruption einen stark negativen Effekt auf Vertrauen in die Polizei aufweist. Hinzu kommen individuelle Faktoren, wobei besonders ein höheres Alter, weibliches Geschlecht, eine Arbeitstätigkeit und ein allgemeines Sicherheitsgefühl einen positiven Effekt auf Vertrauen in die Polizei haben. Zu teilweise ähnlichen Ergebnissen kommt Boateng (2017) bei seinen Untersuchungen für Afrika. Seine Befunde zeigen auf der Individualebene, dass Personen, die arbeitstätig sind und in einer Stadt wohnen, ein grösseres Vertrauen in die Polizei aufweisen. Dagegen weisen gemäss diesen Untersuchungen ältere Personen sowie Personen mit Viktimisierungserfahrungen ein geringeres Vertrauen in die Polizei auf. Schliesslich hat die allgemeine Angst vor Kriminalität einen negativen Effekt auf Vertrauen in die Polizei. Neben diesen individuellen Faktoren erklären auch länderspezifische Faktoren Vertrauensunterschiede, insbesondere Demokratisierungsgrad und Friedfertigkeit eines Landes. Dagegen hatten bei diesen Untersuchungen Korruption, Terrorismus und Opferraten keinen Einfluss auf Vertrauen in die Polizei. Während die bisher genannten Untersuchungen alle die Makroebene mit einschliessen, fokussieren sich andere Untersuchungen komplett auf die Individualebene. Die Einflussfaktoren auf der Individualebene können dabei in drei Bereiche unterteilt werden: soziodemografische Merkmale, Einstellungen und konkrete Erfahrung mit der Polizei (Cao et al. 2012). Als soziodemografische Merkmale werden vor allem Alter, Bildung und Geschlecht untersucht.3 In den meisten Studien zeigt sich, dass ein höheres Alter ein höheres Vertrauen in die Polizei impliziert (vgl. Afon & Badiora 2016; Ren et al. 2005; Schafer et al. 2003). Auch der Effekt von Bildung wurde intensiv untersucht, wobei die Ergebnisse zum Teil widersprüchlich sind und sowohl positive (vgl. Afon & Badiora 2016; Anderson & Singer 2008; Reisig & Parks 2000) wie auch negative Zusammenhänge (vgl. Gabbidon & Higgins 2009; Schuck et al. 2008) festgestellt wurden. Es gibt auch Studien, die keinen Zusammenhang zwischen Bildung und Vertrauen in die Polizei festgestellt haben (vgl. Cao & Zhao 2005; O’Connor 2008; Payne & Gainey 2007; Ren et al. 2005). Im Hinblick auf das Geschlecht zeigt sich, dass Frauen ein höheres Vertrauen in die Polizei aufweisen als Männer (vgl. Afon & Badiora 2016; Gabbidon & Higgins 2009; Jang et al. 2015; Staubli 2017).

3

Die genauen Mechanismen, wie Vertrauen in die Polizei von individuellen Faktoren beeinflusst wird, werden im Unterabschnitt 2.5.1 «Individuelle Erklärungsfaktoren» diskutiert.

4

1

Einleitung

Bei den individuellen Einstellungen fokussieren sich viele Autoren auf die politische Einstellung4 . Es zeigt sich, dass Personen aus dem politisch linksorientierten Spektrum ein geringeres (vgl. Staubli 2017), Personen aus dem politisch rechtsorientierten Spektrum dagegen ein höheres Vertrauen in die Polizei aufweisen (vgl. Benson 1981). Auch generalisiertes Vertrauen hat einen positiven Einfluss auf Vertrauen in die Polizei (vgl. Grönlund & Setälä 2011; Lühiste 2006; Newton & Norris 2000). Den Einfluss von Korruption haben auf der Individualebene Chang und Chu (2006) für Asien untersucht. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Korruption zu einer Abnahme von Vertrauen führt, wobei nicht nur die Polizei, sondern staatliche Institutionen im Allgemeinen betroffen sind. Konkrete Erfahrungen mit der Polizei implizieren meist Viktimisierung. Es zeigt sich, dass Personen mit einer Erfahrung als Opfer der Polizei weniger vertrauen als Personen ohne solche Erfahrungen (vgl. Afon & Badiora 2016; Jang et al. 2010). Zudem hat eine als fair wahrgenommene Behandlung durch die Polizei einen eindeutig positiven Effekt auf deren Bewertung (vgl. Alalehto & Larsson 2016; Engel 2005; Hough 2012; Hough et al. 2013; Maguire & Johnson 2010; Tyler 2009). Auch Staubli (2017) kommt zum Schluss, dass Vertrauen in die Polizei stark damit zusammenhängt, wie zufrieden jemand mit der geleisteten polizeilichen Arbeit ist. Sie untersuchte prozedurale Fairness und deren Einfluss auf Vertrauen in die Polizei für die Schweiz und weitere europäische Länder. Betrachtet man die individuelle Behandlung durch die Polizei, so spielt auch ein vorhandener Migrationshintergrund eine Rolle. Verschiedene Autoren haben festgestellt, dass Migrantinnen, die augenscheinlich zu einer ethnischen Minderheit gehören, vermehrt in Kontakt mit der Polizei kommen, wobei sie diese Kontakte im Vergleich mit anderen Bevölkerungsgruppen oft negativer erleben (vgl. Bradford et al. 2017; Huebner et al. 2004; Ivkovi´c 2008; Payne & Gainey 2007). Andere Untersuchungen konnten zudem zeigen, dass die Polizei Minderheiten bei Durchsuchungen, Stopps oder Verhaftungen teilweise anders behandelt (vgl. Erez 1984; Jackson et al. 2012; Skogan 2005; Tuch & Weitzer 1997). Schliesslich konnten Bradford et al. (2017) einen Einfluss des Migrationsstatus auf Vertrauen in die Polizei aufzeigen, wenngleich die Studie nur England und Wales analysiert. Die Studie zeigt, dass Migrantinnen eine heterogene Gruppe bilden und sich die erste von der zweiten Migrationsgeneration darin unterscheidet, wie sie die Polizei wahrnimmt. Migranten der ersten Generation bringen der Polizei deutlich mehr Vertrauen entgegen als Nicht-Migranten, während dieser Effekt bei Migrantinnen der zwei-

4

Politische Einstellung und politische Orientierung werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

1.1 Inhalt der Arbeit

5

ten Generation nicht mehr zu beobachten ist. Aufgrund all dieser Befunde hat ein Migrationshintergrund massgeblichen Einfluss auf Vertrauen in die Polizei. Betrachtet man die individuellen Erklärungsfaktoren, die im Zusammenhang mit Vertrauen in die Polizei untersucht werden, so fällt auf, dass kaum eine Studie den Einfluss von Normen und Werten berücksichtigt. Eine der wenigen Studien, die diesen Einfluss systematisch untersuchte, stammt von Morselli et al. (2012). In dieser Studie werden vier Datensätze verglichen, um festzustellen, ob zwischen den Werten nach Schwartz (1992) und Vertrauen in das politische System, die Judikative und die Polizei ein Zusammenhang besteht. Vertrauen in diese drei Institutionen wird dabei zu einem Index summiert. Die Autoren stellen einerseits die Hypothese auf, dass ein ausgeprägter Wert «Sicherheit» von allen Werten den positivsten Effekt auf diesen Index hat. Andererseits formulieren sie die Hypothese, dass ein ausgeprägter Wert «Selbstbestimmung» von allen Werten den negativsten Effekt auf diesen Index aufweist. Den Einfluss der übrigen Werte auf den Index erwarten sie entsprechend der jeweiligen Entfernung der Werte zu diesen beiden Referenzwerten auf der quasizirkulären Wertestruktur. Das bedeutet: Je näher ein Wert beim Wert «Sicherheit» auf dem Wertekreis liegt, umso positiver ist sein Effekt auf den Index. Je näher ein Wert beim Wert «Selbstbestimmung» auf dem Wertekreis liegt, umso negativer ist sein Effekt auf den Index. Dieser Zusammenhang konnte jedoch nur teilweise beobachtet werden. Als zusätzliche Erklärungsfaktoren verwenden die Autoren einen Indikator für die Bemessung des sozioökonomischen Wohlstands und einen für die Qualität der Regierung. Letzterer wurde mit dem Index Worldwide Governance Indicators gemessen, für den die Control of Corruption einen von fünf Indikatoren darstellt (vgl. Kaufmann & Kraay 2019). Die Studie kommt zum Schluss, dass ein höherer sozioökonomischer Wohlstand einen positiven Effekt, eine höhere Korruption einen negativen Effekt auf den Vertrauensindex aufweist.

1.1

Inhalt der Arbeit

Diese Dissertation leistet einen Beitrag zum besseren Verständnis von Vertrauen in die Polizei. Basierend auf verschiedenen theoretischen Ansätzen liegt der Fokus dieser Arbeit auf empirischen Untersuchungen zu verschiedenen Einflussfaktoren. Die Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit lautet: Wie lassen sich Vertrauensunterschiede in die Polizei zwischen Menschen im gleichen Land und zwischen verschiedenen Ländern erklären? Individuelle Werte sind relevante Faktoren für die Beantwortung dieser Frage. Wie bereits erwähnt, wurde bisher der Einfluss von Werten auf Vertrauen in die Polizei kaum untersucht. Dabei ist längst bekannt, dass Werte eine zentrale Rolle für

6

1

Einleitung

das menschliche Verhalten spielen (vgl. Rokeach 1973; Schwartz 1992). Schwartz definiert Werte als «desirable transsituational goals, varying in importance, that serve as guiding principles in the life of a person or other social entity» (1994, S. 21). Die Bedeutung von Werten für das Verständnis von Individuen macht es daher notwendig, Werte als individuelle Erklärungsfaktoren für Vertrauen in die Polizei stärker zu berücksichtigen. Die generelle Akzeptanz und beständige Anerkennung, die für Vertrauen in Institutionen wie die Polizei notwendig ist (vgl. Easton 1965), wird wohl von Werten massgeblich beeinflusst. Aufgrund ihrer Bedeutung existieren verschiedenste Arbeiten und Theorien zu Werten, die ganz unterschiedliche Ansätze verfolgen (vgl. Higgins 2006; Kluckhohn 1951; Perry 1926; Williams 1979). Diese Arbeit verwendet die Wertetheorie nach Schwartz (1992, 2006a, 2012) aus den folgenden Gründen: • Der Wertetheorie nach Schwartz liegt ein Wertesystem zugrunde, das nicht wie etwa bei Rokeach (1973) intuitiv gestaltet worden ist; • die Werte nach Schwartz sind von Einstellungen abgegrenzt, und zwar sowohl konzeptionell wie auch empirisch. Dieser Umstand erlaubt es, Werte als Erklärungsfaktoren für individuelle Einstellungen zur Polizei zu verwenden. Die Wertetheorie nach Schwartz bietet in diesem Punkt einen direkten Vorteil, beispielsweise gegenüber der Wertetheorie von Inglehart (1997); • die Werte nach Schwartz sind auf der individuellen und nicht auf der kulturellen Ebene angesiedelt, zum Beispiel bei Hofstede (2001) oder Inglehart (1997). Individuelle Werte können in einem Land Heterogenität auf der Individualebene erfassen (Magun et al. 2016); • die Werte nach Schwartz werden in verschiedenen internationalen Erhebungen abgefragt und lassen sich darum empirisch erfassen und vergleichen. Nach der Theorie von Schwartz (1992, 2006a, 2012) gibt es auf der Individualebene zehn universelle Werte5 : Benevolenz, Hedonismus, Konformität, Leistung, Macht, Selbstbestimmung, Sicherheit, Stimulation, Tradition und Universalismus. Alle Menschen verinnerlichen diese Werte, wobei sie individuell gewichtet werden. Das Wertesystem konzeptualisiert nicht nur die motivationalen Begründungen dieser Werte, sondern auch die Beziehungen der Werte untereinander. Handlungen, die man aufgrund gewisser Werte ausführt, können gleichzeitig mit anderen Werten in Konflikt stehen. Dadurch entsteht eine quasi kreisförmige Wertestruktur.

5

Schwartz et al. (2012) erweiterten die ursprünglichen zehn auf insgesamt 19 Werte. Eine vertiefte Diskussion ist in Unterabschnitt 4.2.4 «Die Erweiterung der Wertetheorie» zu finden.

1.1 Inhalt der Arbeit

7

Wie eingangs erwähnt, kann davon ausgegangen werden, dass individuelle Gewichtungen von Werten unterschiedliche Vertrauensverhältnisse zur Polizei begründen. Die Polizei kann durch ihre Handlungen und Präsenz gewisse Werte unterstützen, während gleichzeitig Konflikte mit anderen Werten bestehen. Entsprechend untersucht diese Dissertation den Einfluss von Werten auf Vertrauen in die Polizei, wobei anders als etwa bei Morselli et al. (2012) vom Wertesystem unabhängige Hypothesen über die Wirkung einzelner Werte aufgestellt werden. Als weiteren relevanten Faktor untersucht diese Arbeit Korruption und deren Auswirkungen auf Vertrauen in die Polizei. Wie bereits erwähnt, haben schon einige Autorinnen dieses Phänomen untersucht. Korruption führt dazu, dass das gesamtstaatliche System einen negativen Eindruck bei der Bevölkerung hinterlässt, der sich auf die Polizei überträgt. Dadurch sinkt generell das Vertrauen in die Polizei (Dunham & Alpert 2015a; Kääriäinen 2007). Im Unterschied zu anderen Studien untersucht diese Dissertation insbesondere auch Interaktionseffekte zwischen öffentlicher Korruption und individuellen Werten auf Vertrauen in die Polizei. Schliesslich wird der Migrationshintergrund als Erklärungsfaktor für Vertrauen in die Polizei herangezogen. Aktuelle Studien zeigen, dass verschiedene Migrationsgenerationen ein deutlich höheres beziehungsweise geringeres Vertrauen in die Polizei aufweisen als Nicht-Migranten (Bradford et al. 2017). Zudem werden Menschen mit Migrationshintergrund von der Polizei teilweise anders behandelt als Nicht-Migrantinnen (Jackson et al. 2012). Kombiniert mit der Erkenntnis, dass prozedurale Fairness einen wesentlichen Einfluss auf die Einstellung gegenüber der Polizei hat, ergibt sich, dass der Migrationshintergrund ein wichtiger Erklärungsfaktor für Vertrauen in die Polizei ist. Zusätzlich zu diesen Erklärungsfaktoren werden in den Analysen folgende fünf Kontrollvariablen verwendet: Alter, Bildung, generalisiertes Vertrauen, Geschlecht und politische Einstellung.6 Basierend auf diesen Überlegungen, wird in dieser Dissertation eine nationale Fallstudie für die Schweiz mit ländervergleichenden Untersuchungen für Europa und die Welt kombiniert. Bisherige Studien haben sich entweder auf regionale oder lokale Fallstudien fokussiert (vgl. Nix et al. 2015) oder aber Länderunterschiede untersucht (vgl. Hough 2012). Im ländervergleichenden Setting wird mit den beiden folgenden Individualdatensätzen gearbeitet: dem European Social Survey (ESS)7 und dem World Values Survey (WVS). Zudem wird für diese Untersu6

Die Auswahl individueller Kontrollvariablen basiert einerseits auf der relevanten Literatur und andererseits auf deren Verfügbarkeit in den beiden verwendeten Datensätzen. Eine detaillierte Diskussion ist in Abschnitt 7.5 «Kontrollvariablen» zu finden. 7 Alle verwendeten Abkürzungen sind im Abschnitt «Abkürzungsverzeichnis und statistische Parameter» hinterlegt.

8

1

Einleitung

chungen der Corruption Perceptions Index (CPI) von Transparency International (TI) verwendet, um den Kontextfaktor öffentliche Korruption einzubeziehen. Die vertiefte Analyse der Schweiz wird ebenfalls anhand des ESS durchgeführt. Da für die ländervergleichenden Analysen mehrere Individualdatensätze herangezogen und deren Resultate verglichen werden, können zudem die Daten auf Robustheit geprüft sowie Hinweise zur Reliabilität und Validität der Daten der beiden Datensätze gewonnen werden.

1.2

Aufbau der Arbeit

Der Aufbau dieser Arbeit ist in Abbildung 1.1 ersichtlich, wobei die inhaltlichen Abhängigkeiten der einzelnen Kapitel dargestellt sowie die Kapitel nach Vertiefungsgrad eingestuft werden. Es gibt drei Kapitelarten, die im Folgenden aufgeführt werden. • Gesamtbild: Diese Kapitel zeigen den Gesamtansatz der Arbeit. • Vertiefung: Diese Kapitel gewähren vertiefte Einblicke in relevante Bereiche der Arbeit. • Verknüpfungen: Diese Kapitel und Abschnitte ordnen die Vertiefungskapitel in den Gesamtansatz der Arbeit ein. Die Einleitung (Kapitel 1) führt in die Thematik ein, formuliert die Forschungsfrage und erläutert den Inhalt dieser Arbeit. In Teil I der Dissertation werden relevante theoretische Konzepte behandelt. Die drei Theoriekapitel «Vertrauen» (Kapitel 2), «Öffentliche Korruption» (Kapitel 3) und «Individuelle Werte« (Kapitel 4) können unabhängig voneinander gelesen werden. Deren Verknüpfung wird im «Interplay» (Kapitel 5) vollzogen. Die Arbeit beginnt mit Erläuterungen der Phänomene Vertrauen, Institutionenvertrauen und Vertrauen in die Polizei. Zudem wird die Organisation Polizei behandelt, die Aufgaben der Polizei werden aufgezeigt, und das Verhältnis zwischen der Polizei und den Bürgern wird beschrieben (Kapitel 2). Kapitel 3 behandelt öffentliche Korruption. Es zeigt, wie Korruption entsteht, und behandelt allgemeine Ursachen und Folgen von Korruption. Anschliessend stehen die Konsequenzen öffentlicher Korruption im Fokus, um zu verstehen, wie öffentliche Korruption das Vertrauen in die Polizei beeinflusst. Kapitel 4 widmet sich der Theorie individueller Werte. Zuerst werden Werte allgemein besprochen. Dann wird die Wertetheorie nach Shalom H. Schwartz (1992) eingeführt. Anschliessend werden deren Implikationen aufgezeigt.

Korruption (Kapitel 3)

Interplay (Kapitel 5)

Werte (Kapitel 4)

GÜ = Gegenüberstellung Hypothesen und Ergebnisse der jeweiligen Kapitel beeinflussen einen anderen Teil direkter Einfluss innerhalb des gleichen Teils hat bedingt Einfluss

TEIL I THEORIE

Vertrauen (Kapitel 2)

Einleitung (Kapitel 1)

Abbildung 1.1 Schematischer Aufbau der Dissertation

Vertiefung

Verknüpfung

Gesamtbild

Europa (Kapitel 12)

GÜ (12.7)

Fehlende Werte (Kapitel 8)

Datensätze (Kapitel 6) TEIL II METHODOLOGIE

Vergleich (Kapitel 14)

GÜ (14.6)

Schlussfazit (Kapitel 17)

Operationalisierung (Kapitel 7)

Methoden (Kapitel 9)

GÜ (13.7)

Welt (Kapitel 13)

Grenzen u. Ausblick (Kapitel 16)

Empirische Modelle (Kapitel 10)

TEIL III EMPIRIE

Schweiz (Kapitel 11)

GÜ (11.3)

TEIL IV FAZIT

Synthese u. Reflexion (Kapitel 15)

1.2 Aufbau der Arbeit 9

10

1

Einleitung

Das Kapitel «Interplay» (Kapitel 5) verknüpft die für diese Arbeit bedeutenden theoretischen Konzepte. In diesem Kapitel werden die Hypothesen theoretisch hergeleitet und das theoretische Modell präsentiert. Die fünf Kapitel in Teil II – Methodologie vertiefen das methodische Verständnis der Arbeit. Kapitel 6 «Datensätze» diskutiert und reflektiert die drei verwendeten Datensätze ESS, WVS und CPI. Als Nächstes folgt die Operationalisierung in Kapitel 7. Die inhaltlichen Variablen Vertrauen in die Polizei, öffentliche Korruption, individuelle Werte und Migrationshintergrund werden operationalisiert. Die verwendeten Kontrollvariablen schliessen das Kapitel ab. Basierend auf den Datensätzen und den verwendeten Variablen, wird in Kapitel 8 erläutert, wie mit fehlenden Werten umgegangen wird. Das Verfahren zur Behandlung fehlender Werte ist eine multiple Imputation (vgl. Spieß 2010). Die Patterns der fehlenden Werte im ESS (für die Schweiz sowie für Europa) und im WVS (für die Welt) werden präsentiert und diskutiert. Kapitel 9 stellt die Auswertungsmethoden vor, die aufgrund der Forschungsfrage, der verwendeten Daten und deren Operationalisierung ausgewählt wurden. Die erste Hauptmethode ist die Strukturgleichungsanalyse, die wiederum lineare Regression, konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) und Strukturgleichungsmodelle (SEM) umfasst. Die SEM wird verwendet, um in der Schweiz die latenten Strukturen der Werte und deren Einfluss auf Vertrauen in die Polizei zu untersuchen. In diesem Zusammenhang werden auch Messfehler sowie Gruppenvergleiche besprochen. Die zweite Hauptmethode ist die (klassische) Mehrebenenanalyse (MEA), die eine simultane Analyse von Kontext- und Individualdaten ermöglicht und sich gut für Ländervergleiche eignet. Kapitel 10 schliesst den Teil mit einer Erklärung der empirischen Modelle ab. Teil III – Empirie baut auf Teil II – Methodologie auf. Die Kapitel «Die schweizerische Perspektive» (Kapitel 11), «Die europäische Perspektive» (Kapitel 12), «Die globale Perspektive» (Kapitel 13) sowie der Ergebnisvergleich der beiden Individualdatensätze ( Kapitel 14) können unabhängig voneinander gelesen werden. In Kapitel 11 wird die Schweiz als Fallbeispiel präsentiert. Es werden die Mechanismen zwischen den latenten Konstrukten der Werte und dem Vertrauen in die Polizei detailliert betrachtet. Kapitel 12 veranschaulicht die europäischen, Kapitel 13 die globalen Resultate. Die Kapitel sind jeweils folgendermassen aufgebaut: Es wird mit der uni- und bivariaten Statistik begonnen. Anschliessend wird anhand multivariater Verfahren das Vertrauen in die Polizei analysiert. Als Abschluss dieses Teils werden in Kapitel 14 die jeweiligen Resultate der Datensätze ESS und WVS miteinander verglichen. Zehn Länder sind sowohl im

1.2 Aufbau der Arbeit

11

ESS wie auch im WVS enthalten, sodass sich die Ergebnisse in Relation bringen lassen. Die vier Kapitel schliessen jeweils mit einer Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse (Abschnitt 11.3, Abschnitt 12.7, Abschnitt 13.7 und Abschnitt 14.6). Es werden Schlussfolgerungen aus den Resultaten gezogen und im Kontext des jeweiligen Kapitels diskutiert. Diese Gegenüberstellungen bilden die Basis für die Kapitel des Teils IV. Teil IV – Fazit beinhaltet in Kapitel 15 die Synthese und Reflexion. Die Resultate aus dem vorherigen Teil werden verglichen und diskutiert. In diesem Kapitel werden die Hypothesen abschliessend betrachtet und mögliche Erklärungsansätze besprochen. Kapitel 16 zeigt die Grenzen dieser Arbeit auf und gewährt einen Ausblick auf mögliche Forschungsfragen, die sich aus der Arbeit ergeben. Kapitel 17 «Schlussfazit» schliesst die Dissertation ab, indem die einleitend formulierte Forschungsfrage beantwortet, wesentliche Schlussfolgerungen gezogen und entsprechende Implikationen dargelegt werden.

Teil I Theorie

2

Vertrauen

Vertrauen ist ein komplexes soziales Phänomen (Nuissl 2002). Der Vertrauensbegriff wird in den unterschiedlichsten Disziplinen untersucht, wobei es keine einheitliche Betrachtungsweise und kein einheitliches Verständnis dieses Phänomens gibt (Herger 2006; Plötner 1995). In den Wirtschaftswissenschaften spielt Vertrauen beispielsweise vor allem in der Organisations- und Marketingforschung (vgl. North 2009; Osterloh & Weibel 2006) sowie in der Forschung zu Führung (vgl. Schmiedel 2017; Weibler 2016) eine Rolle. Währenddessen geht es für Psychologinnen und Erziehungswissenschaftler vor allem darum, interpersonelles Vertrauen in spezifischen Interaktionssituationen zu erforschen (vgl. Frevert 2002; Grünberg 2014; Rotter 1967). Soziologinnen und Politikwissenschaftler betrachten Vertrauen eingebettet in einen institutionellen Rahmen oder Vertrauen in konkrete Institutionen (vgl. Luhmann 2000 [1968]; Sztompka 2014; Zucker 1986). Die Philosophie erforscht, inwiefern Vertrauen überhaupt relevant für eine Gesellschaft ist und welche moralische Vorstellung sich dahinter verbirgt (vgl. Hartmann 2006; Rüdiger 2008). Die resultierenden Theorien führen dazu, dass Vertrauen auf unterschiedliche Weise klassifiziert werden kann: • über die Analyseebene des Interesses, das heisst auf der Mikroebene (Vertrauen zwischen zwei Individuen), der Mesoebene (Vertrauen in Institutionen) und der Makroebene (Vertrauen zwischen Ländern) (Dederichs 1997); • über das Abstraktionsniveau, das heisst individuelles Vertrauen1 , generalisiertes Vertrauen und institutionelles Vertrauen (Grünberg 2014); 1

Individuelles Vertrauen wird auch als (inter-)personales Vertrauen oder persönliches Vertrauen, teilweise auch als soziales Vertrauen bezeichnet. Der Begriff soziales Vertrauen ist in dieser Arbeit anders belegt (vgl. Unterabschnitt 2.1.2 «Generalisiertes Vertrauen»).

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_2

15

16

2 Vertrauen

• über den Objektbereich, bekannt als horizontale Vertrauensdimension (Vertrauenspartnerinnen sind auf der gleichen Ebene) und vertikale Vertrauensdimension (Vertrauenspartner sind hierarchisch angeordnet, zum Beispiel Bürgerinnen und Bundesrat) (Höhne 2006; Jäckel 1990); • als Ursache, Wirkung, Moderator oder eine Mischung aus diesen drei Möglichkeiten (Evers 2018); • über die Motivation des Vertrauens, das heisst auf Abschreckung basierendes Vertrauen, auf Kalkül basierendes Vertrauen und auf Regeln basierendes Vertrauen (Rousseau et al. 1998). Diese unterschiedlichen Betrachtungsweisen bringen aufgrund ihrer Vielfältigkeit nicht nur Chancen mit sich, sondern bergen auch Herausforderungen. Eine massgebliche Herausforderung stellen die unterschiedlichen Definitionen von Vertrauen in den einzelnen Disziplinen dar – jedoch lässt sich so das Phänomen Vertrauen überhaupt erst aus verschiedenen fachlichen Perspektiven erfassen. Um Vertrauen in die Polizei konkret zu erfassen, wird daher in den folgenden Unterkapiteln aufgezeigt, wie die Psychologie, die Soziologie und die Politikwissenschaften Vertrauen verstehen.

2.1

Der Vertrauensbegriff in der Sozialpsychologie

Vertrauensforschung in der Psychologie zeichnet sich dadurch aus, dass Vertrauen zumeist als isoliertes Phänomen betrachtet und auf das individuelle oder generalisierte Vertrauen reduziert wird (Grünberg 2014). Die Forschung in diesem Bereich lässt sich in drei Hauptbereiche2 unterteilen: • Entwicklungstheorien (vgl. Erikson & Klüwer 2016), • soziale Lerntheorien, die individuelle Elemente einbeziehen (vgl. Rotter 1971), sowie • Handlungs- und Interaktionsansätze, die situative Elemente integrieren (vgl. Deutsch 1976).

2

Inzwischen gibt es Modelle, die alle drei Bereiche miteinander kombinieren (vgl. Schweer 1997).

2.1 Der Vertrauensbegriff in der Sozialpsychologie

2.1.1

17

Individuelles Vertrauen

Misztal (1996, S. 24) definiert individuelles Vertrauen folgendermassen: «Trust means to hold some expectations about future or contingent or to have some believe as to how another person will perform on some future occasion. To trust is to believe that the results of somebody’s intended actions will be appropriate from our point of view. [...] Trust can be said to be based in the belief that the person, who has a degree of freedom to disappoint our expectations, will meet an obligation under all circumstances over which they have control.»

Vertrauen wird Personen entgegengebracht, die man kennt und mit denen man bereits positive Erfahrungen gesammelt hat. Man geht davon aus, dass die Handlungen von Personen, denen man vertraut, für einen selbst förderlich oder zumindest nicht schädlich sind. Diese Erwartungshaltung wird von diversen Autoren beschrieben (vgl. Fuchs et al. 2002; Hardin 1999; Luhmann 2000 [1968]; Offe 1999; Warren 1999). Individuelles Vertrauen ist in komplexen Gesellschaften jedoch keine ausreichende Erklärungsgrundlage für individuelles Handeln. Individuen müssen mit Fremden arbeiten und handeln, mit denen noch keine Erfahrungen zur Bildung von Vertrauen vorhanden sind (Fuchs et al. 2002). Individuelles Vertrauen erklärt daher nicht, warum Menschen Fremden vertrauen (Offe 1999). In der sozialen Lerntheorie wird davon ausgegangen, dass Vertrauen aus Erfahrungen im Rahmen sozialer Interaktionen entsteht. Vertrauen führt zu relativ stabilen, generalisierten Erwartungshaltungen, weshalb sich unterschiedliche Vertrauensniveaus durch individuelle Erfahrungen erklären lassen. Unterschiedliche vertrauensrelevante Erfahrungen werden zu Erwartungsmustern zusammengefasst und auf die jeweils vorliegende Situation übertragen (Petermann & Winkel 2006). Gemäss diesem Ansatz basiert Vertrauen nicht nur auf positiven, sondern auch auf negativen Erfahrungen, die ebenfalls Erwartungshaltungen beeinflussen. Generalisierte Erwartungen entstehen im Kontakt mit der Familie sowie mit Freunden und Kolleginnen, werden aber zum Beispiel auch durch Medien beeinflusst (Grünberg 2014). Generalisierte Erwartungen sind relativ stabil, werden aber durch neue Erfahrungen ergänzt oder angepasst. Besteht unabhängig von einer konkreten Situation Vertrauen, dann spricht man von generalisiertem Vertrauen (Rotter 1967).

18

2.1.2

2 Vertrauen

Generalisiertes Vertrauen

Generalisiertes Vertrauen ist Vertrauen in Fremde. Der Generalized-Trust-Ansatz wird verwendet, um die Mechanismen hinter generalisiertem Vertrauen zu erforschen. Die Hauptargumentation von Vertreterinnen dieses Ansatzes lautet, dass konkrete Erfahrungen mit bekannten Personen generalisiert und auf neue Situationen übertragen werden (Petermann & Winkel 2006). Andere Autoren vermuten eher eine institutionelle Sozialisierung als Basis für generalisiertes Vertrauen (Zürcher 2002). Individuen erkennen die Werte einer Institution, wie etwa der Schule, an und gehen davon aus, dass sich andere Menschen ebenfalls an diesen Werten orientieren. Aufgrund der so geteilten Werte entsteht generalisiertes Vertrauen (Offe 2001; Stolle 2002). Ein Spezialfall generalisierten Vertrauens ist soziales Vertrauen: Vertrauen in Mitbürgerinnen. Eine Erklärung dafür ist der durch Putnam (2000) bekannt gewordene Sozialkapitalansatz. Unter Sozialkapital versteht man in den Sozialwissenschaften Ressourcen, die in sozialen Beziehungen verankert sind. Dabei werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Während es bei Bourdieu (1983) um die individuellen Vorteile durch Teilnahme an Gruppen und Netzwerken geht, konzentriert sich Coleman (1991) auf die positive Wirkung persönlicher Beziehungen. Dabei ist Sozialkapital als sozialstrukturelle Ressource zu verstehen. Putnam (2000) stellt besonders die kollektiven Vorteile durch soziale Netzwerke und darauf aufgebautes Vertrauen sowie Reziprozitätsnormen für Kooperation in den Vordergrund. Es wird angenommen, dass das Sozialkapital und somit auch soziales Vertrauen eine positive Wirkung auf die Leistung und Stabilität eines politischen Systems und dessen Institutionen haben (Fuchs et al. 2002; Gabriel & Kunz 2002; Roßteutscher 2008).3

2.2

Der Vertrauensbegriff in der Soziologie

Sowohl Klassiker der Soziologie (vgl. Durkheim 1988; Weber 1976 [1920]) als auch modernere Soziologen (vgl. Garfinkel 1963; Goffman 1981; Parsons 1965; Schütz 1971) messen dem Phänomen Vertrauen eine grosse Bedeutung zu. Trotzdem gibt es nur wenige systematische soziologische Analysen zu diesem Phänomen.

3

Ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Ansatzes ist, dass Netzwerke eine stabilisierende Wirkung auf die Regierung ausüben. Dagegen sprechen verbrecherische Netzwerke, die den gleichen Aufbau innerhalb der Gesellschaft aufweisen, jedoch nicht als stabilisierende Einheit für das Regierungssystem gelten können (Campana 2016; von Lampe & Johansen 2004).

2.2 Der Vertrauensbegriff in der Soziologie

19

Für Simmel (1992) ist Vertrauen ein Zustand zwischen Wissen und Nicht-Wissen, weil sich Vertrauen auf eine Annahme über das zukünftige Verhalten eines Gegenübers bezieht. Deshalb ist Vertrauen eine der «wichtigsten synthetischen Kräfte innerhalb der Gesellschaft» (Simmel 1992, S. 393). Eine Akteurin benötigt kein Vertrauen, wenn sie schon alle Informationen über das Verhalten ihres Gegenübers besitzt. Besitzt sie hingegen gar keine solchen Informationen, so kann sie auch niemandem vertrauen. Luhmann (2000 [1968]) und Giddens (1995, 1996a, 1996b) brachten das soziologische Verständnis von Vertrauen bedeutend weiter. Beide nehmen an, dass die Welt «als sozial hergestellt verstanden wird, jedwedes Handeln sich unter Bedingungen unvollständigen Wissens vollzieht und eine vollständige individuelle Handlungsautonomie unmöglich ist» (Endreß 2015, S. 29). Sowohl Luhmann als auch Giddens verstehen Vertrauen als über die Zeit veränderlich. Während Giddens (1995) von Modernisierung spricht, verwendet Luhmann (2000 [1968]) den Begriff Zivilisierung. Mit der gesellschaftlichen Veränderung von der Vormoderne zur modernen Gesellschaft veränderte sich das Vertrauensverständnis von individuellem Vertrauen hin zu einem Systemvertrauen (Giddens 1996a, 1996b). Der Grund hierfür ist, dass gesellschaftliche Wandlungsprozesse die Komplexität des Zusammenlebens steigern und zu mehr Unsicherheit führen, sodass neue Mechanismen, wie Systemvertrauen, benötigt werden, um mit dieser Entwicklung umgehen zu können (Endreß 2012). Vertrauen basiert auf Erfahrungen aus der Vergangenheit und wird genutzt, um eine Entscheidung in der Gegenwart zu treffen, die in der Zukunft Konsequenzen haben wird (Luhmann 2000 [1968]). «Aber Vertrauen ist keine Folgerung aus der Vergangenheit, sondern es überzieht die Informationen, die es aus der Vergangenheit besitzt und riskiert eine Bestimmung der Zukunft» (Luhmann 2000 [1968], S. 23). Individuelles Vertrauen4 reichte in vormodernen Gesellschaften aus und wandelte sich mit zunehmender Komplexität in ein Systemvertrauen um, das in hochgradig differenzierten Gesellschaften erforderlich ist, um handlungsfähig zu bleiben (Luhmann 2000 [1968]). Ähnlich wie Luhmann adressiert Giddens (1995) im Rahmen seiner Analyse der «Konsequenzen der Moderne» als Ausgangspunkt den Wandel von vormodernen zu modernen Gesellschaften, wobei Luhmanns Ansatz unter anderem durch Vertrauen in Institutionen und in deren Expertenwissen erweitert wird. In vormoderner Zeit bestanden Vertrauensverhältnisse mehrheitlich aus persönlichen Beziehungen und waren dadurch lokal begrenzt. In modernen Gesellschaften stehen Stabilität und 4

Luhmann (2000 [1968]) verwendet für diese Art von Vertrauen den Begriff «personales Vertrauen».

20

2 Vertrauen

Kompetenz im Vordergrund, die auf der Erfahrung beruhen, dass das System prinzipiell zuverlässig funktioniert und teilweise von Regulierungsinstanzen überprüft wird (Giddens 1995). Vertrauen spart Zeit, Kosten und Wissen ein (Dederichs 1997). Obwohl mit einer Steigerung der Komplexität der Systeme die Notwendigkeit von Systemvertrauen steigt, bleibt das individuelle Vertrauen wichtig. Begegnungen mit Vertreterinnen von Institutionen haben einen Einfluss auf Vertrauen in die jeweilige Institution. Das heisst: Negative Erfahrungen mit Repräsentantinnen können zu einer Abnahme von Vertrauen in deren Institution führen (1995). Zwar unterscheiden sich die Herangehensweisen und Schwerpunkte dieser Theorien, gemeinsam sind ihnen aber die Reduktion von Komplexität und die Schaffung von Sicherheit (Endreß 2015; Evers 2018).

2.3

Der Vertrauensbegriff in der Politikwissenschaft

Die Politikwissenschaften erforschen Vertrauen in politische und staatliche Systeme und deren Institutionen. Vertrauen wird hierbei einerseits als Voraussetzung für die Existenz solcher Systeme untersucht, andererseits wird erforscht, inwiefern Vertrauen dafür sorgt, dass diese Systeme funktionieren (Grünberg 2014; Mishler & Rose 2001). Die Wichtigkeit von Vertrauen wurde schon in Hobbes’ Leviathan 1651 hervorgehoben.5 In dieser berühmten Schrift über den Gesellschaftsvertrag geht es darum, den Naturzustand des Misstrauens zwischen Individuen zu überwinden. Dafür ist es notwendig, dass alle Individuen ihre Macht und ihre Ansprüche abgeben und einem allmächtigen Souverän übertragen. So soll ein gesellschaftlicher Vertrag zwischen allen Individuen entstehen, der ein friedliches Zusammenleben garantiert (Grünberg 2014). Locke zeigte 1689 in Two Treatises of Government (dt: Zwei Abhandlungen über die Regierung) ebenfalls die Bedeutung von Vertrauen für das Funktionieren einer Regierung auf. Vertrauen dient als Vermittler zwischen Individuen mit persönlichen Handlungsfreiheiten und einer Regierung als Garant für die Stabilität der Gesellschaft (Schaal 2004). Damit entsteht ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen der Gesellschaft auf der einen und der Sicherheit garantierenden Regierung auf der anderen Seite (Grünberg 2014; Schwaabe 2010). Vertrauen der Bürger in ihre Regierung erachtet Locke – im Gegensatz zu Hobbes – als notwendig für das Bestehen eines politischen Systems. Seiner Argumentation zufolge müssen die 5

Ebenfalls gehen Autoren wie Machiavelli in Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio (1532) (dt.: Abhandlungen über die ersten zehn Bücher des Titus Livius: Gedanken über Politik und Staatsführung) oder Hegel (1816) auf Vertrauen ein.

2.4 Vertrauen in staatliche Institutionen

21

Bürger das System und die darin formulierten Gesetze als legitim anerkennen, da sie sich nur dann rechtskonform verhalten werden, womit der Gesellschaftsvertrag befolgt wird (Göhler 2002; Schaal 2004; Schwaabe 2010). Dieses Gesellschaftsverständnis führt dazu, dass sich eine demokratische Grundordnung herausbilden kann (Grünberg 2014).6 Obwohl somit schon im 17. Jahrhundert Vertrauen aus einer politikwissenschaftlichen Perspektive betrachtet worden war, begann sich die Forschung erst 1970 für dieses Phänomen zu interessieren, wobei sich das Interesse in den 1990er-Jahren durch den Mauerfall und den Zerfall kommunistischer Regimes weiter verstärkte (Frevert 2002; Hartmann 2001; Höhne 2006; Schaal 2004; Sztompka 1999). Einerseits änderte sich mit dem Ende des Kalten Kriegs die politische Weltordnung fundamental. Diese Veränderung verursachte in verschiedenen Staaten Legitimationskrisen der Regierungen, die es zu überwinden galt (Gabriel & Zmerli 2006). Andererseits entwickelte sich in dieser Zeit die empirische Vertrauensforschung, deren Ziel die Erklärung solcher Phänomene ist. So stand eine Methodik zur Verfügung, um diese Legitimationskrisen wissenschaftlich zu untersuchen und erklären (Schaal 2004). Gemeinhin wird zwischen der horizontalen und der vertikalen Vertrauensdimension unterschieden. Erstere beschreibt Vertrauen zwischen Individuen sowie generalisiertes Vertrauen. Von vertikalem Vertrauen wird hingegen gesprochen, wenn Vertrauen der Bürger in Repräsentanten von Institutionen, in die Institutionen selbst oder in ganze Systeme untersucht wird. Oftmals wird hierfür auch der Begriff «politisches Vertrauen» verwendet (Schäfer 2006, S. 72), das im Folgenden vertieft betrachtet werden soll.

2.4

Vertrauen in staatliche Institutionen

Staatliche Institutionen benötigen Vertrauen, damit sie funktionieren und effektiv arbeiten können (Gamson 1968). Ebenfalls brauchen sie einen gewissen Handlungsspielraum – dieser kann aber nur über längere Zeit beibehalten werden, wenn die Institutionen das Vertrauen bestätigen (Höhne 2006). Wird ein staatliches Institutionengefüge über längere Zeit von den Bürgerinnen unterstützt, führt dies zu seiner Legitimation (Benz 2002; Grünberg 2014; Wagenblass 2004). Anderenfalls ist das Bestehen des Staates nicht auf legitime Weise sichergestellt (Zmerli & van der 6

Die Ausarbeitung des Gesellschaftsvertrags von Locke diente weiteren Autoren wie Hume, Montesquieu oder Kant dazu, sich mit Vertrauen im Rahmen des Gesellschaftsvertrags zu beschäftigen (vgl. Hartmann 2002; Niesen 2002).

22

2 Vertrauen

Meer 2017). Das wiederum bedeutet, dass die Legitimität der Institutionen nicht gewährleistet ist (Chang & Chu 2006). Institutionenvertrauen umfasst vier Kernbereiche: Leitidee, Verfahrensordnung, Performanz sowie kontrollierende Mechanismen. Wird zum Beispiel die Leitidee einer staatlichen Institution nicht mehr anerkannt oder die erwartete Performanz dauerhaft nicht erfüllt, führt dies zu einer Erosion von Vertrauen in diese Institution. Dies bedeutet, dass Vertrauen in die Institution als Ganzes unabhängig vom Verhalten einzelner Repräsentanten abnimmt (Endreß 2015; Evers 2018; Grünberg 2014; Lepsius 1995, 2013a). Wird den Erwartungen wiederholt positiv entsprochen, trägt dies zur Stabilisierung des Gesamtvertrauens bei (Lepsius 1995, 2013a). Wird insbesondere wahrgenommen, dass die Institution die erwartete Performanz liefert und wird diese Wahrnehmung generalisiert, so entsteht Vertrauen in die Institution (Frings 2010; Grünberg 2014). Schon Easton (1965) hat in seiner Arbeit politische Unterstützung beschrieben, dass nicht die aktuelle (und einmalige) Bewertung der Performanz einer Institution, sondern deren grundsätzliche Akzeptanz und beständige Anerkennung zu Legitimität und Vertrauen in die Institution führen. Institutionenvertrauen führt überdies dazu, dass sich Bürger nicht mit der Vertrauenswürdigkeit einzelner Repräsentantinnen einer Institution auseinandersetzen müssen, sondern sich vielmehr auf die internen Entscheidungsprozesse und Kontrollmechanismen verlassen, die die Performanz einer Institution sicherstellen (Jäckel 1990). Institutionen kontrollieren sich selbst, sodass sich die Bürgerinnen nicht mehr darum kümmern müssen (Zintl 2002). Es wird angenommen, dass für eine Demokratie diffuses politisches Vertrauen wichtiger ist als Vertrauen in einzelne Repräsentanten (Walz 1996). Das bedeutet, dass das Vertrauen in die Entscheidungssysteme von Institutionen grösser ist als das mögliche Misstrauen gegenüber Repräsentanten der Institution (Schwan 1990). Institutionenvertrauen bezieht sich somit auf eine Institution als Ganzes und nicht auf die Individuen, die ihr angehören. Es ergibt sich insbesondere aus der Funktionsfähigkeit einer Institution und trägt dadurch zur Komplexitätsreduktion bei (Höhne 2006). Natürlich kommt es auch zu Kontakten mit Repräsentantinnen einer Institution, die einen Einfluss auf das Vertrauen der Bürgerinnen haben können (Lahno 2002). Giddens (1995) nennt persönliche Interaktionen im Kontext von Institutionen auch «Zugangspunkte» (S. 143). Kritiker des Institutionenvertrauens sind der Ansicht, dass nicht Institutionen als Ganzes vertraut wird, sondern stattdessen nur deren Repräsentanten (Sztompka 1995). Zu den internen Kontrollmechanismen, die die Performanz einer Institution sicherstellen sollen, kann ferner Misstrauen gezählt werden. Der Grund liegt darin, dass sich aufgrund von Misstrauen Institutionen für Handlungen rechtfertigen müs-

2.4 Vertrauen in staatliche Institutionen

23

sen und so möglichem Missbrauch vorgebeugt werden kann (Almond & Verba 1965; Höhne 2006). Dies kann wiederum zu einer Steigerung der Akzeptanz einer Institution beitragen (Lepsius 2013a). Es gibt Autoren, die ein bestimmtes Verhältnis von Vertrauen und Misstrauen gegenüber einer Institution in der Bevölkerung als optimal betrachten. Es sei vor allem vorteilhaft, wenn Vertrauen innerhalb der Bevölkerung variiere (Gabriel & Kunz 2002; Wright 1976). Ein kurzfristig reduziertes Vertrauen in eine Institution ist für ein staatliches System nicht gefährlich, da dadurch oftmals Probleme innerhalb des Systems in den Fokus rücken und Verbesserungen vorgenommen werden können, sodass die Institution längerfristig wieder an Vertrauen gewinnt (Höhne 2006). Eine wichtige Eigenschaft von Vertrauen ist sein ambivalenter Charakter – ein zu starkes wie auch ein zu geringes Vertrauen kann negative Konsequenzen haben (Schottlaender 1957). Schliesslich muss fehlendes Institutionenvertrauen analysiert werden. Aufgrund der daraus resultierenden negativen Folgen für das politische System kompensiert die Bevölkerung fehlendes Vertrauen in relevante Institutionen durch andere Mechanismen, die wieder für ein Gefühl von Ordnung und Berechenbarkeit sorgen (Grünberg 2014). Mögliche Kompensationsmechanismen sind etwa Schicksalsergebenheit, geografische Abkopplung (zum Beispiel Ghettoisierung oder Gated Communities), Bestechung oder allfällige Privatisierungsvorhaben (Sztompka 1995, Sztompka 1999). Um zu verhindern, dass es zu einem derartigen Vertrauensverlust kommt, muss eine Institution Eigenschaften wie Berechenbarkeit, Transparenz, Kompetenz und Integrität ausstrahlen (Sztompka 1995). Verlieren Institutionen trotzdem das Vertrauen ihrer Bürger, bedroht dies die Legitimität und Stabilität sowohl einzelner Institutionen als auch des ganzen politischen und staatlichen Systems (Höhne 2006; Mishler & Rose 2005). Basierend auf diesen Betrachtungen, wird in dieser Arbeit unter Vertrauen in Institutionen Folgendes verstanden: «Trust in institutions refers to the faith or support people feel toward various institutions» (Devos et al. 2002, S. 484).7

Basierend auf dem vorliegenden Abschnitt wird im Folgenden das stark auf dem Institutionenvertrauen aufbauende Vertrauen in die Polizei genauer betrachtet.

7

Die Autoren führen dies weiter aus: «If someone trusts an institution, it implies that he or she believes that this collective entity, on the whole, is competent, fulfils its obligations, and acts in responsible ways. Trusting an institution entails having confidence that the institution is reliable, observes rules and regulations, works well, and serves the general interest» (Devos et al. 2002, S. 484).

24

2.5

2 Vertrauen

Vertrauen in die Polizei

Ab dem späten 19. Jahrhundert wurde in den Sozialwissenschaften die Polizei als Untersuchungsgegenstand entdeckt und im Wesentlichen als Instrument für die Umsetzung staatlicher Gewalt angesehen. Das bedeutet, dass die Aufrechterhaltung von Ordnung – wenn nötig mit Gewalt – als eine zentrale Aufgabe des Staates und der Polizei als des ausführenden Organs gesehen wurde (Albrecht & Green 1977). Das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) sind Vorreiter in der Polizeiforschung. Besonders hervorzuheben sind Forschungen aus Chicago (vgl. Rosenbaum et al. 2005; Skogan 2005, 2006). Gleichzeitig mit der Erforschung der Polizei wurde mit der soziologischen Erforschung delinquenten Verhaltens in verschiedenen Nachbarschaften begonnen (Short 2002). Die Polizei ist Teil des gesamtstaatlichen Systems und kann somit als Vertreterin der Regierung betrachtet werden (Fukuyama 1995). Die Studie von Rothstein und Stolle (2008) konnte mit dem Datensatz des WVS (1995–1997) empirisch nachweisen, dass innerhalb politischer Systeme zwischen drei Bereichen unterschieden wird: 1. die klassischen politischen Institutionen mit Parlament, Regierung und Parteien, 2. die Presse, das Fernsehen und der öffentliche Dienst als machtkontrollierende Institutionen und 3. Recht und Ordnung mit den Institutionen Militär, Polizei und Gerichte. Individuelles Vertrauen in politikfernere staatliche Institutionen, zum Beispiel die Polizei, Gerichte oder Behörden, ist nur bedingt von der Parteizugehörigkeit abhängig. Diese Institutionen weisen in der Regel auch ein höheres Institutionenvertrauen auf als beispielsweise Parteien oder die staatliche Exekutive, da sie zumeist klar festgelegte Aufgabengebiete haben und dadurch als berechenbare und somit vertrauenswürdige Institutionen wahrgenommen werden (Redelfs 2005). Besonders für die Polizei ist es wichtig, dass ihr die Bevölkerung Vertrauen entgegenbringt, weil sie der sichtbarste Teil der Staatsinstitutionen ist (Ivkovi´c 2008). Als Teil des gesamtpolitischen Systems ist sie auf die Legitimation und Akzeptanz seitens der Bevölkerung angewiesen, denn sie benötigt das Vertrauen der Bevölkerung, um ihre Arbeit effektiv ausführen zu können (Bradford et al. 2009; Jackson et al. 2012; van Damme 2013). In Demokratien ist diese Legitimation noch wichtiger als zum Beispiel in Diktaturen (Newton & Norris 2000; Sunshine & Tyler 2003; Tyler 2011). Wird die Polizei von der Bevölkerung legitimiert, ist ihre Autorität in der Gesellschaft anerkannt, und sie kann davon ausgehen, dass die Bevölkerung polizeiliche Anweisungen befolgt. Zudem wird die Kooperation der Bürgerinnen mit

2.5 Vertrauen in die Polizei

25

der Polizei realistischer (Hough et al. 2010; Rosenbaum et al. 2005; van Damme 2013), denn die Polizei ist auf die Kooperation der Bürger angewiesen, da die Mehrheit krimineller Taten von diesen angezeigt wird (Goudriaan et al. 2006; Murphy 2008). Ebenso benötigt sie die Mithilfe der Bürger als Zeuginnen und als Informationsquelle bei Opferbefragungen (van Damme 2017). In diversen Kontexten konnte festgestellt werden, dass ein höheres Vertrauen in die Polizei zu weniger Tötungsdelikten führt (Dawson 2017, 2018). In Anlehnung an Easton (1965) wird in dieser Arbeit die Institution der Polizei als Ganzes betrachtet. Somit haben alle Aspekte einen Einfluss auf die Einstellung der Bevölkerung gegenüber der Polizei. Während sich die vorliegende Arbeit auf die grundsätzliche Akzeptanz der Polizei fokussiert, ist es auch möglich, die Zufriedenheit mit spezifischen Bereichen der Polizeiarbeit zu erforschen. Insbesondere in der kriminologischen Ausrichtung werden Bereiche wie die Arbeitsqualität der Polizei in Quartieren untersucht. Ebenso ist die prozedurale Fairness der Polizei ein wichtiges Forschungsgebiet (vgl. Maguire & Johnson 2010; Staubli 2017). Ergebnisse in diesen Bereichen zeigen, dass prozedurale Fairness eine grosse Erklärungskraft für höheres Vertrauen in die Polizei bietet. Das heisst, wenn Bürger polizeilichen Verfahren als fair empfinden – unabhängig vom Ergebnis –, zeigen sie eine positivere Einstellung gegenüber der Polizei (Staubli 2017; Tyler 1990). Thomassen et al. (2014) untersuchten Vertrauen in die Polizei nach dem Terrorakt von Anders Behring Breivik in Norwegen und konnten feststellen, dass es direkt nach dem Ereignis zu einer Zunahme des Vertrauens in die Polizei kam, dieses aber innerhalb eines Jahres wieder auf den Zustand vor dem Attentat zurückging. Deswegen zogen die Autoren den Schluss, dass ein einmaliges Ereignis keine positiven oder negativen Konsequenzen auf Vertrauen in die Polizei hat und langfristig keine Veränderungen bewirkt.

2.5.1

Individuelle Erklärungsfaktoren8

Untersuchungen zu Vertrauen in die Polizei sind vielfältig und widmen sich diversen potenziellen Einflussfaktoren. Die meisten Studien fokussieren sich auf Erklärungsfaktoren auf der Mikroebene (vgl. Cao & Hou 2001; Nix et al. 2015). Dabei sind Erklärungen aus drei Bereichen massgeblich: soziodemografische Merkmale,

8

Die Erklärungsvariablen öffentliche Korruption, individuelle Werte, Migrationshintergrund sowie mögliche Interaktionen werden in diesem Kapitel nicht besprochen, da es sich um Inhaltsvariablen handelt, die später separat betrachtet werden.

26

2 Vertrauen

Einstellungen und erlebte Erfahrungen mit der Polizei (Cao et al. 2012). Im Folgenden werden Faktoren, mögliche Mechanismen sowie empirische Resultate aus anderen Studien beschrieben. Alter Ältere Menschen sind weniger in Kriminaldelikte verwickelt als jüngere. Aufgrund der stärkeren Bindung an eine traditionelle Gesellschaft sind ältere Personen eher bereit, die Polizei zu unterstützen und ihr zu vertrauen (Ivkovi´c 2008). Jüngere Personen sehen die Polizei dagegen oftmals als jene Institution, die ihre persönliche Freiheit limitiert (Reisig & Correia 1997). Auch die häufigeren – negativen – Kontakte mit der Polizei führen zu dieser Vorstellung (Staubli 2017). Resultate verschiedener Studien zum Effekt des Alters auf Vertrauen in die Polizei stützen diese Hypothese (vgl. Afon & Badiora 2016; Cao et al. 1996; Cao et al. 1998; Cheurprakobkit 2000; Correia et al. 1996; Huang & Vaughn 1996; Reisig & Correia 1997; Reisig & Parks 2000; Ren et al. 2005; Schafer et al. 2003; Sims et al. 2002; Weitzer & Tuch 2002). Ausnahmen bilden die Studien von Reisig und Correia (1997) sowie Reisig und Giacomazzi (1998), die keinen Zusammenhang zwischen Alter und Vertrauen in die Polizei feststellen konnten. Bildung Der Effekt von Bildung auf Vertrauen in die Polizei wurde mehrfach vertieft untersucht – mit unterschiedlichen Ergebnissen. Während einige Studien eine positive Beziehung zwischen Bildung und Vertrauen in die Polizei postulieren (vgl. Afon & Badiora 2016; Anderson & Singer 2008; Huang & Vaughn 1996; Reisig & Parks 2000), ermittelten andere auch negative Zusammenhänge (vgl. Gabbidon & Higgins 2009; Schuck et al. 2008; Seligson 2002; Stack & Cao 1998; Weitzer & Tuch 1999) oder überhaupt keinen Zusammenhang (Homer & Kahle 1988). Diese unterschiedlichen Ergebnisse können auf unterschiedliche Handhabung von Stichproben und Forschungsdesigns zurückgeführt werden (Jang et al. 2010). Besser gebildete Menschen erwerben und verarbeiten nicht nur Informationen anders als schlechter gebildete, sondern reagieren auch anders darauf. Dies führt dazu, dass Bürgerinnen Vertrauen abhängig vom Kontext aussprechen oder zurückhalten (Hakhverdian & Mayne 2012). Forschungen haben gezeigt, dass die Ausbildungsdauer mit zunehmender Unterstützung für liberale, moralische Werte wie Gleichheit und Toleranz korreliert (Bobo & Licari 1989; Golebiowska 1995). Besser gebildete Menschen haben mehr kognitive Fähigkeiten, um Faktoren zu identifizieren, die das reibungslose Funktionieren von Regierungsinstitutionen fördern oder untergraben. Dieser Zusammenhang konnte in Europa deutlich aufgezeigt werden (Hakhverdian & Mayne 2012).

2.5 Vertrauen in die Polizei

27

Generalisiertes Vertrauen Generalisiertes Vertrauen erlaubt Menschen, Fremden Vertrauen entgegenzubringen, ohne auf gemeinsame Erfahrungen zurückgreifen zu können. Generalisiertes Vertrauen wurde in verschiedensten Studien als Prädiktor für institutionelles Vertrauen identifiziert (vgl. Grönlund & Setälä 2011; Kaase 1999; Newton & Norris 2000). Der Mechanismus dahinter ist eine Art Spill-over-Effekt. Das heisst, dass höheres generalisiertes Vertrauen auch höheres Vertrauen in Institutionen mit sich bringt (Grönlund & Setälä 2011; Lühiste 2006). Geschlecht Studien, die in verschiedenen Ländern durchgeführt wurden, haben mehrheitlich festgestellt, dass Frauen der Polizei mehr Vertrauen entgegenbringen als Männer (vgl. Afon & Badiora 2016; Gabbidon & Higgins 2009; Jang et al. 2015; Staubli 2017; Weitzer & Tuch 2002). Andere Studien konnten keinen Geschlechtereffekt bestimmen (vgl. Cao et al. 1998; Huang & Vaughn 1996; Reisig & Correia 1997; Reisig & Parks 2000; Sampson & Bartusch 1998; Schuck et al. 2008). Einzelne Studien stellten sogar fest, dass Männer der Polizei mehr Vertrauen entgegenbringen als Frauen (vgl. Hurst & Frank 2000). Mögliche Erklärungen sind unterschiedliche Geschlechterrollen und damit verbundene Sozialisierungsprozesse, die zu unterschiedlichen Erfahrungen mit der Polizei führen. Dies kann sich in einer divergierender Wahrnehmung und einer unterschiedlich starken Unterstützung der Polizei niederschlagen (Ivkovi´c 2008). Die offiziellen Schweizer Kriminalitätsstatistiken (vgl. Bundesamt für Statistik 2018) führen Männer deutlich häufiger als Täter wie auch als Opfer auf – so geraten sie zwangsläufig häufiger in Kontakt mit der Polizei.9 Insbesondere negative Kontakte mindern das Vertrauen in diese Institution signifikant (Correia, Reisig & Lovrich 1996; Ivkovi´c 2008; Reisig & Parks 2000). Politische Orientierung Präferiert eine Person eine Partei oder hat eine bestimmte Einstellung auf der politischen Links-rechts-Skala, führt dies zu entsprechenden Ansichten über Institutionen. Die Ansichten darüber, wie wichtig es ist, soziale Strukturen zu erhalten sowie Recht und Ordnung durchzusetzen, divergieren mit der politischen Positionierung. Befürworterinnen einer rechtsorientierten Politik setzen sich eher für den Erhalt der sozialen Ordnung, des Status quo sowie die Gewährleistung von Sicherheit und Kontrolle ein (Benson 1981). Die Polizei wird als diejenige Akteurin betrach9

Ein Vergleich mit anderen Ländern hat wohl nur eine beschränkte Aussagekraft aufgrund unterschiedlicher Rechtssysteme und dadurch verschieden definierter Tatbestände. Es kann aber zum Beispiel gezeigt werden, dass international mehr Männer als Frauen Tötungsdelikte ausüben (United Nations 2020).

28

2 Vertrauen

tet, die diese Ziele umsetzen kann, sodass rechtsorientierte Personen der Polizei ein höheres Vertrauen entgegenbringen. Staubli (2017) konnte empirisch feststellen, dass linksorientierte Personen geringeres Vertrauen in die Polizei aufweisen als Personen, die sich politisch in der Mitte oder rechts verorten. Söderlund und Kestilä-Kekkonen (2009) zeigten hingegen, dass extrem rechtsorientierte Personen ein deutlich geringeres Vertrauen in die Polizei aufweisen als gemässigte Rechtsorientierte. Die politische Selbsteinschätzung unterliegt neben länderspezifischen Eigenheiten auch der Problematik, dass es auf individueller Ebene unterschiedliche Vorstellungen und Assoziationen gibt, worum es sich bei Links- oder Rechtsorientiertheit handelt (Scholz & Zuell 2012, 2016). Polizeiliche Kontakte Die meisten Untersuchungen von Kontakten zwischen Bürgern und der Polizei zeigen, dass ein positiv wahrgenommener Kontakt mit der Polizei einen positiven Effekt auf das persönliche Vertrauen in die Polizei aufweist, während ein negativ wahrgenommener Kontakt auch negative Auswirkungen hat. Allerdings fallen die Ergebnisse uneinheitlich aus (vgl. Huang & Vaughn 1996; Worrall 1999). Prozedurale Fairness Untersuchungen haben einen positiven Effekt prozeduraler Fairness auf Vertrauen in die Polizei festgestellt (vgl. Alalehto & Larsson 2016; Engel 2005; Hough 2012; Hough et al. 2013; Staubli 2017; Tyler 2009). Viktimisierung Viktimisierung ist ein Konzept der kriminologischen Forschung, das dazu dient, den Prozess des «Zum-Opfer-Machens» beziehungsweise des «Zum-Opfer-Werdens» zu beschreiben (Landwehr 2018). In der Regel beschreiben Studien negative Auswirkungen von Viktimisierung und Angst vor Viktimisierung auf Vertrauen in die Polizei (vgl. Afon & Badiora 2016; Jang 2010; Kusow et al. 1997; Priest & Carter 1999; Staubli 2017). Dagegen konnten Reisig und Giacomazzi (1998) keinen Unterschied zwischen Opfern und Nicht-Opfern feststellen. Weitere individuelle Erklärungsfaktoren Arbeitstätigkeit wirkt sich positiv auf Vertrauen in die Polizei aus (vgl. Cao & Zhao 2005; Kääriäinen 2007). Personen, die einer Religion angehören, vertrauen tendenziell der Polizei mehr als Personen ohne Religionszugehörigkeit (vgl. Schwarzenegger 1992). Auch das Freizeitverhalten beeinflusst das Vertrauen in die Polizei (vgl. Kääriäinen 2007). Untersuchungen, ob das Einkommen einen Einfluss auf Vertrauen in die Polizei ausübt, gelangen zu unterschiedlichen Ergebnissen:

2.5 Vertrauen in die Polizei

29

Reisig und Giacomazzi (1998) konnten keinen Effekt feststellen, Cao et al. (1996) zeigten dagegen auf, dass mit steigenden Einkommen das Vertrauen in die Polizei in der USA zunimmt.

2.5.2

Kontextuelle Erklärungsfaktoren

Neben den vorgestellten individuellen Faktoren berücksichtigen Erklärungsansätze auch Kontextfaktoren. Einer der am intensivsten untersuchten Kontextfaktoren ist der Einfluss von Demokratie auf Vertrauen in die Polizei. Der Demokratisierungsgrad eines Lands hat Einfluss auf Vertrauen in staatliche Institutionen und in die Polizei. Anfänglich ging man davon aus, dass in etablierten stabilen Demokratien der Polizei ein höheres Vertrauen entgegengebracht wird als in jungen Demokratien (Almond & Verba 1965). Neuere Forschungen zeigen aber eine u-förmige konvexe Beziehung zwischen Demokratisierungsgrad und Vertrauen in die Polizei. Sowohl bei langanhaltend autoritären Staaten als auch in etablierten und stabilen Demokratien ist mehr Vertrauen in die Polizei vorhanden als in noch nicht lange demokratisch verfassten Ländern oder Transitionsstaaten. Die Erklärung dafür ist, dass in stabilen Demokratien und in autoritären Staaten eine gewisse Handlungssicherheit besteht, während diese Sicherheit in jungen Demokratien und Transitionsstaaten noch nicht vorhanden ist (Cao et al. 2012). Neben Faktoren auf Länderebene gibt es auch Faktoren auf einer kleinräumigen Ebene. Das eigene Wohnquartier spielt eine Rolle, denn verschiedene Studien konnten feststellen, dass in benachteiligten Quartieren weniger Vertrauen in die Polizei vorhanden ist als anderswo (vgl. Reisig & Parks 2000). Ebenso hat eine erhöhte Kriminalitätsrate in einem Gebiet eine negative Wirkung auf Vertrauen in die Polizei (vgl. Sampson & Bartusch 1998; Wu & Sun 2009). Gleichwohl konnte festgestellt werden, dass kriminelle Handlungen zu differenzieren sind. Tötungsdelikte haben einen klar negativen Effekt auf Vertrauen in die Polizei, während ein Raub kaum Auswirkungen auf das Vertrauensniveau ausübt (Sung 2006). Auch Faktoren, die auf die Polizei selbst bezogen sind, sind von Bedeutung. So hat polizeiliche Kompetenz einen positiven Effekt auf Vertrauen in diese Institution (vgl. Alalehto & Larsson 2016; Nix et al. 2015). Ho und Cho (2016) konnten den positiven Effekt einer effektiven polizeilichen Kommunikation auf das Vertrauen der Bürgerinnen feststellen. Dies zeigt, dass die Einstellung gegenüber der Polizei mit einer überlegten Strategie beeinflussbar ist.

30

2.6

2 Vertrauen

Die Polizei als Organisation10

Dieses Unterkapitel verfolgt das Ziel, ausgewählte Spannungsverhältnisse, denen Polizeiorganisationen ausgesetzt sind, zu erkennen und im Kontext dieser Arbeit zu positionieren. Polizeiorganisationen unterscheiden sich inner- wie zwischenstaatlich. Deshalb liegt der Schwerpunkt dieses Kapitels auf der Schweiz und anderen westlich geprägten Demokratien. Wo dies möglich ist, wird die beschriebene Ausgangslage mit anderen Ländern und Regionen der Welt verglichen. Trotz der Vielfalt an Ausgestaltungsmöglichkeiten von Polizeien gibt es Fragen, die sich jede Polizeiorganisation stellen muss. Die Polizei ist ein Teil des Gewaltmonopols eines modernen Staates und somit eine bürokratische Verwaltungseinheit. Im Weiteren ist sie also auch eine der wenigen Organisationen, die legitim Gewalt einsetzen darf.11 Die Aufrechterhaltung von Ordnung – wenn nötig mit Gewalt – ist eine zentrale Aufgabe jedes modernen Staates. Die Polizei wird dafür als Hauptverantwortliche betrachtet (Albrecht & Green 1977; Dunham & Alpert 2015a, 2015b). Dadurch steht sie im Spannungsverhältnis zwischen alltäglichen Verwaltungsaufgaben und den aussergewöhnlichen Aufgaben, die den Einsatz von Gewalt rechtfertigen (Wilz 2012). In der Schweiz verfügen die Kantone über die Polizeihoheit. Somit sind sowohl Pflichten als auch Rechte der Polizei kantonal geregelt. Deshalb wird auch zum Beispiel die Ausbildung der Polizei innerhalb der Schweiz unterschiedlich gehandhabt. Aus ökonomischen Gründen haben sich viele kleinere Kantone zusammengeschlossen und betreiben gemeinsam Polizeischulen. In der Schweiz sind es sechs an der Zahl, zwei in der Romandie, drei in der Deutschschweiz und eine im Tessin (Wildi & Hagmann 2016). In der Schweiz, aber auch in anderen Ländern sind Polizeikorps auf verschiedenen Staatsebenen angesiedelt. Im föderalistischen System der Schweiz existieren das Bundesamt für Polizei auf Bundesebene,12 Polizeien auf Kantonsebene (Kantonspolizei) sowie Polizeien in Städten und Gemeinden (Stadtpolizei beziehungsweise Gemeindepolizei) (Lehmann 2007).

10

In diesem Unterkapitel wird explizit von Organisationen gesprochen, da hier der juristische und formale Teil der Polizei im Vordergrund steht. 11 Das Militär ist die andere Organisation, die legitim Gewalt anwenden darf. Für eine Abgrenzung der beiden Organisationen wird hier auf Leuenberger (2011) und Werkner (2017) verwiesen. 12 Das Bundesamt für Polizei übernimmt hauptsächlich Koordinationsaufgaben zwischen lokalen und kantonalen Polizeikorps. Daneben verfügt es über limitierte Befugnisse in der eigentlichen Polizeiarbeit.

2.6 Die Polizei als Organisation

2.6.1

31

Aufgaben und Ziele der Polizei

Das Ziel der Polizei besteht darin, für Sicherheit, Ordnung und Ruhe in der Öffentlichkeit zu sorgen. Sie soll Gefahren abwehren und Störungen beseitigen. Dabei handelt es sich um sicherheitspolizeiliche Aufgaben (Wilz 2012). Daneben umfassen «die kriminalpolizeilichen Aufgaben [...] die Verhinderung strafbarer Handlungen, die Feststellung von Straftaten und deren Aufklärung nach Massgabe der StPO [Strafprozessordnung]» (Kantonsrat des Kantons Zürich 2004: PolG. Art 551.1. Abs. 8).13 Die Polizei ist grundsätzlich ein wichtiges Instrument der inneren Sicherheit eines Staates. Dieses Ziel kann sowohl mit präventiven als auch mit repressiven Massnahmen erreicht werden (Kantonsrat des Kantons Zürich 2004: PolG. Art 551.1. Abs. 7). Hier zeigt sich ein weiteres Spannungsfeld, in dem sich moderne Polizeiorganisationen bewegen (Wilz 2012). Der grundsätzliche Handlungsspielraum von Polizeien liegt im Spannungsfeld zwischen präventiven und repressiven Massnahmen. Das Spektrum liegt dabei zwischen der «Orientierung am Schutz der Bürger(innen) und ihrer Rechte (auch gegenüber dem Staat) und dem Schutz des Staates und seiner Institutionen (auch vor den eigenen Bürgerinnen und Bürgern)» (Wilz 2012, S. 122). Die Endpunkte dieses Spektrums der Polizeitätigkeit werden auch high policing und low policing genannt. High policing entstand in Frankreich mit der ersten modernen Polizei. Diese basierte auf dem römischen Recht und ihr Fokus lag auf der Aufrechterhaltung des Staates. Die britische Polizei unter Sir Robert Peel hat als Gegenreaktion auf high policing das Modell des low policing verfolgt. Der Ansatz stellt die Gesellschaft in den Fokus der Polizeiarbeit (Brodeur 1983). Global betrachtet, liegen Polizeiorganisationen zwischen diesen beiden Extrempunkten (Cao & Burton 2006). Wie mit diesem Spannungsfeld konkret umgegangen wird, kann in verschiedenen Bereichen der Polizeiarbeit beobachten werden, zum Beispiel in offiziellen Leitlinien der verschiedenen Polizeikorps, in der Alltagskultur der Arbeit, in geteilten Werten und Normen und in der Ausbildung von Polizeiaspirantinnen. Gerade Ausbildungsstätten sind ein formalisiertes Instrument, um eine standardisierte Mentalität zu generieren, gegebenenfalls zu bewahren oder auch zu verändern (Wildi & Hagmann 2016). Chappell und Lanza-Kaduce (2010) zeigten in ihrer ethnografischen Studie in Nordamerika auf, dass trotz Restrukturierungsmassnahmen die Sozialisation von Instruktorinnen massgeblichen Einfluss auf Polizeiaspiranten hat. Die Polizei sollte sich hin zu einem stärkeren community policing verändern. Dies 13

Es gibt weitere Unterteilungen bei den polizeilichen Aufgaben, zum Beispiel verkehrs- oder seepolizeiliche Aufgaben. Solche spezialisierten Aufgaben sind nicht in allen Polizeikorps vorhanden.

32

2 Vertrauen

wurde jedoch nicht erreicht, wobei die «paramilitärischen-bürokratischen» (S. 187) Strukturen auch durch die erzählte und sozialisierte Kultur der Ausbilder weitergegeben wurde, vor allem indem die Instruktoren Beispiele aus ihrem Polizeialltag verwendeten und gelernte Stereotypen reproduzierten, die nicht dem community policing zugeordnet werden konnten. Die Polizeien, ihre Aufgaben sowie die zugehörigen Ausbildungen sind historisch gewachsen. Für die westeuropäischen Länder kann eine inhaltlich und zeitlich ähnliche Entwicklung festgestellt werden (Wildi & Hagmann 2016). Polizeiähnliche Organisationen sind erst mit der Entstehung von Staaten aufgekommen. Davor gab es die unterschiedlichsten Berufsgruppen, die gewisse sicherheitsrelevante Aufgaben übernahmen, darunter Berufsgattungen wie Vögte, Stadtknechte oder Harschiere14 . Im 18. Jahrhundert entwickelte sich in Frankreich die Gendarmerie, nach deren Vorbild in der Schweiz die Landjägerkorps entstanden. Deren Aufgaben bestanden ausschliesslich darin, Räuberbanden und Bettler zu vertreiben (Schmoll 1990). Mit der Integration der Landjägerkorps in den eidgenössischen Staatenbund wurde aufgrund gesellschaftlichen Drucks die bis dahin disziplinlosen Landjäger systematisch ausgebildet. Als Vorlage für deren Ausbildung diente das Militär. Die Landjäger erhielten ein ausgeprägt militärisches Training (Wildi & Hagmann 2016). Als eines der ersten Länder nahmen die USA 1910 Frauen in ihre Korps auf (Garcia 2016). Nach dem Zweiten Weltkrieg entmilitarisierten sich die Polizeikorps. In der Folge wurden Frauen zum Polizeidienst vielerorts zugelassen (Ebnöther 2010). Ein weiterer Entwicklungsschub bei den Polizeien und deren Ausbildung ist seit den 1990er-Jahren zu beobachten. Neue und komplexere Herausforderungen, zum Beispiel grenzüberschreitende Straftaten oder Cyberkriminalität, führten dazu, dass sich das Aufgabenspektrum der Polizei gewandelt und erweitert hat (Lange 2018). Welche Aufgaben einer Polizeiorganisation zugeschrieben werden, ist unter anderem von ihrer historischen Entwicklung abhängig, die wiederum von gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst wird. Beispiele sind die Technologisierung, Bevölkerungszunahmen oder Urbanisierung (Sälter 2002). Ebenso politische Interessen – zum Beispiel die Schwerpunktsetzung bei der Flüchtlingsthematik – beeinflussen die Entwicklung der Polizei (Wildi 2016). Diese Einflüsse spiegeln sich dann in staatlichen Regulierungen und Gesetzen wider. Als Konsequenz haben sich Spezialisierungen und vielfältiges Expertenwissen innerhalb der Polizeikorps entwickelt (Wildi & Hagmann 2016). 14

Harschiere bezeichnet Bogenschützen als Teil einer militärischen Truppengattung (Ebnöther 2010). In diesem konkreten Zusammenhang bezieht sich das hier verwendete Maskulinum tatsächlich nur auf Männer, da zu dieser Zeit dieser Beruf nur von Männern ausgeführt worden ist.

2.6 Die Polizei als Organisation

2.6.2

33

Polizei: Freund oder Feind?

Ob die Polizei in einer konkreten Situation den Schutz der Bevölkerung über den Schutz des Staates stellt oder die Sicherheit des Staates als wichtiger erachtet, beeinflusst die Grundeinstellung der Bevölkerung ihr gegenüber (Wilz 2012). Abhängig davon, welche Sichtweise vorherrscht, wird die Polizei von der Bevölkerung als Unterstützerin oder als Handlangerin der Regierung betrachtet. Um die Rolle der Polizei in einer Gesellschaft darzustellen, können verschiedene Kennzahlen herangezogen werden. Ein Indikator ist das Pro-Kopf-Verhältnis von Polizistinnen zur Bevölkerung in einem Land. Dies lässt eine gewisse Vergleichbarkeit auch zwischen Ländern zu.15 Bei diesem Vergleich liegt der Median bei 300 Polizeibeamten pro 100 000 Einwohner.16 In der Schweiz liegt diese Zahl bei 219 (Harrendorf & Smit 2010). Rangiert das Verhältnis klar über dem Median, liegt entweder eine hohe Kriminalitätsrate vor oder es wird ein Bedarf an verstärkter Kontrolle über die Bevölkerung gesehen. Der umgekehrte Fall kann damit begründet werden, dass aufgrund der Sicherheit vor Ort nicht so viele Polizisten benötigt werden oder ein Land keine politische Stabilität aufweist und daher keine funktionsfähige Polizei stellen kann. Daher gibt dieses Verhältnis nur bedingt wieder, welche Rolle die Polizei in einem Staat einnimmt. Eine andere Möglichkeit zur Einschätzung der Rolle der Polizei in einem Staat stellt die Political Terror Scale dar (Gibney et al. 2017).17 Sie erfasst Verletzungen der physischen Integrität durch staatliche Akteure. Eine Handlung wird als staatliche Gewaltanwendung erfasst, wenn ein Akteur des Staates eine Gewalthandlung begeht oder befiehlt. Akteure des Staates sind neben der Polizei auch das Militär, die Exekutive oder politische Parteien. Verletzungen der physischen Integrität sind 15

Bei Staaten unter 100 000 Einwohnern oder bei Stadtstaaten sind Verzerrungen wahrscheinlich. Als Extrembeispiele lassen sich hier der Vatikan (130 Polizisten auf 840 Einwohner) und Hongkong mit 445 Polizistinnen auf 100 000 Einwohnerinnen nennen. Des Weiteren entsprechen gewisse Angaben nicht der Realität: Syrien wie auch Venezuela weisen gerade einmal 15 Polizeibeamtinnen auf 100 000 Einwohner auf. Eine weitere Verzerrung liegt in den unterschiedlichen Organisationsstrukturen begründet. In gewissen Ländern nehmen private Sicherheitsfirmen wichtige Aufgaben der inneren Sicherheit wahr. Vor allem dort wird die Anzahl an Personen, die für Sicherheit im Innern sorgen, unterschätzt (Harrendorf & Smit 2010). 16 In dieser Arbeit werden Nachkommastellen wie folgt ausgegeben: keine Nachkommastellen bei natürlichen Zahlen; eine Nachkommastelle bei Prozentangaben; drei Nachkommastellen bei Resultaten der Mehrebenenanalyse; zwei Nachkommastellen bei allen anderen Angaben. Dezimalzahlen werden in dieser Arbeit mit Punkt und nicht mit Komma geschrieben, wie es im Kanton Zürich und somit an der Universität Zürich üblich ist. 17 Für eine detaillierte Daten- und Methodenbeschreibung siehe: http://www. politicalterrorscale.org.

34

2 Vertrauen

Tabelle 2.1 Political Terror Scale Levels 2011 in Anlehnung an Gibney et al. (2017) Es sind nur Länder aufgeführt, welche in dieser Arbeit behandelt werden

2.7 Zusammenfassung

35

Handlungen wie Folter, Tötungen, exzessive (Polizei-)Brutalität, Vergewaltigungen oder politisch motivierte Verhaftungen und Inhaftierungen. Bei den relevanten Gewaltaktionen handelt es sich nicht ausschliesslich um politische Gewalt, sondern auch um monetäre Sanktionen (Wood & Gibney 2010). Tabelle 2.1 teilt die untersuchten Länder auf einer fünfstufigen Skala ein. Die Einteilung basiert auf dem jährlich herausgegebenen Amnesty International Human Rights Report (Gibney et al. 2017). Die vorliegende Einteilung soll einen Eindruck davon geben, wie die Polizei im jeweiligen Land verankert ist. Sind die Länder tendenziell auf den Stufen 1 oder 2 eingeordnet, kann davon ausgegangen werden, dass der Schwerpunkt der Polizei auf dem Schutz der Bevölkerung – auch vor dem eigenen Staat – liegt. Eine Einstufung bei 4 oder 5 bedeutet, dass staatliche Akteure gewalttätige Handlungen gegen die eigene Bevölkerung durchführen und deren physische Integrität verletzen. Hier kann somit davon ausgegangen werden, dass die Sicherheit des Staates über der Sicherheit der Bevölkerung steht.18 Da diese Einordnung auf objektiven Kriterien basiert, kann anhand dieser Einstufung bewertet werden, wie die Bevölkerung die Polizei wahrnimmt.

2.7

Zusammenfassung

Es existieren individuelles Vertrauen zwischen zwei Individuen, generalisiertes Vertrauen zu Fremden und Vertrauen in Institutionen (Grünberg 2014). Die Funktion von Vertrauen kann soziologisch als Reduktion von Komplexität verstanden werden (vgl. Giddens 1996a; Luhmann 2000 [1968]). Staatliche Institutionen benötigen Vertrauen, damit sie funktionieren und effektiv arbeiten können (Gamson 1968). Werden staatliche Institutionen generell über längere Zeit durch die Bürgerinnen unterstützt, legitimiert dies die Institutionen (Benz 2002; Grünberg 2014; Wagenblass 2004). Vertrauen in die Polizei kann als Spezialfall allgemeinen Vertrauens der Bürger in staatliche Institutionen betrachtet werden. Besonders für die Polizei ist es wichtig, dass ihr die Bevölkerung Vertrauen entgegenbringt, weil sie der sichtbarste Teil der Staatsinstitutionen ist (Ivkovi´c 2008). Die Polizei benötigt das Vertrauen der Bevölkerung, um ihre Arbeit effektiv ausführen zu können (Bradford et al. 2009; Jackson et al. 2012; van Damme 2013). Global betrachtet, agieren Polizeiorganisationen zwischen high policing und low policing (Cao & Dai 2006). High policing stellt die Sicherheit des Staates über die Sicherheit der Bürger, low policing vice versa (Brodeur 1983). 18

Es wurde die Korrelation zwischen dieser Einteilung und dem CPI berechnet. Die Korrelation beläuft sich auf r = 0.10 und deutet auf unterschiedliche Konzepte hin.

3

Öffentliche Korruption

Das gesellschaftliche Interesse an Korruption hat in der letzten Dekade stark zugenommen, was auch an grösseren Korruptionsfällen liegt, die medial in das Bewusstsein der Bevölkerung vorgedrungen sind. Beispiele sind die Korruptionsfälle bei der FIFA 2015 (Boudreaux et al. 2016; Wagner 2018) oder der Shell/Eni-Fall 2013 in Nigeria (Hennchen 2015; Hosp & Signer 2018). Korruption ist aber kein Phänomen der Moderne (Kreike & Jordan 2004), sondern existiert schon seit der Antike (Shashkova 2018). Ob eine bestimmte Handlung als Korruption angesehen wird, hängt von der Kultur ab, womit Korruption immer zeitlich und örtlich sozial eingebettet ist (Huntington 2017; Plumpe 2009). Zum Beispiel kann eine Einladung in einer bestimmten Region der Welt als eine soziale Pflicht verstanden werden, anderswo aber als Bestechungsversuch ausgelegt werden. Ein anderes Beispiel ist die damals legale und legitime Ernennung von Robert F. Kennedy zum Aussenminister der Vereinigten Staaten von Amerika durch den damaligen Präsidenten John F. Kennedy, seinen Bruder. Heutzutage wäre dies nicht mehr möglich, würde inakzeptabel erscheinen und als Vetternwirtschaft angesehen werden (Widmer 2017).1 Dass Korruption stets im Kontext einer bestimmten Situation, aus Sicht einer bestimmten Gesellschaft oder einer Wissenschaftsrichtung2 betrachtet wird (Banuri & Eckel 2012; Engels 2006), führt zu einer Definitionsvielfalt des Korruptionsbegriffs (Chabova 2017b). Trotz dieser Vielfalt an Definitionen konnten 1

Auch der 45. Präsident der USA setzt auf wichtigen politischen Positionen Familienmitglieder ein. Dies ist weiterhin legal (Posner 2017). 2 Korruption ist ein interdisziplinäres Phänomen, das vor allem Politikwissenschaftlerinnen (vgl. Rose-Ackerman & Palifka 2016), Soziologinnen (vgl. Graeff 2016), Psychologen (vgl. Litzcke et al. 2012), Juristen (vgl. Bannenberg 2002) und Wirtschaftswissenschaftlerinnen (vgl. Cie´slik & Goczek 2018) untersuchen. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_3

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3

Öffentliche Korruption

Rothstein und Torsello (2013) aufzeigen, dass in unterschiedlichen Kulturen Korruption sehr ähnlich verstanden wird, nämlich als die Umwandlung eines öffentlichen in ein privates Gut. Jedoch bestehen kulturelle Unterschiede hinsichtlich dessen, was als öffentliches beziehungsweise privates Gut angesehen wird. Sobald Korruption in einem Teil der Gesellschaft systematisch praktiziert wird, wirkt sich dies auf die gesamte Gesellschaft aus (Rothstein 2011). Die Folgen von Korruption sind sehr vielseitig und werden mehrheitlich als negativ betrachtet (Wolf 2012).3 Es sind ökonomische, soziale und politische Gesellschaftsbereiche betroffen (Chabova 2017a; Kubbe 2015). Verändert sich ein Gesellschaftssystem aufgrund korrupten Verhaltens, so passen Personen ihr Verhalten innerhalb des Systems an, was in der Regel weiteres korruptes Verhalten bedeutet. Die Anpassung aller Akteure an diese neue Situation kann so einen selbstverstärkenden Effekt herbeiführen (Persson et al. 2013; Rothstein & Stolle 2008). Insbesondere wenn das eigene Umfeld an korrupten Handlungen beteiligt ist und korruptes Verhalten zu einer sozialen Norm wird, werden eigene korrupte Handlungen wahrscheinlicher, weil sie aus individueller Sicht rational erscheinen (Gächter & Schulz 2016; Shalvi 2016). Diese Arbeit folgt hinsichtlich öffentlicher Korruption der Definition von Transparency International (TI): «Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil» (TI 2018). Internationale Organisationen wie die Weltbank verwenden diese Definition und sie ist der aktuelle Standard für ländervergleichende Analysen. TI Schweiz (2008, S. 7) ergänzt die Definition wie folgt: «Annehmen und Anbieten von Geld, Geschenken oder anderen Vorteilen, mit dem Ziel jemanden im Zusammenhang mit seiner geschäftlichen Tätigkeit dazu zu bringen, eine pflichtwidrige Handlung oder einen Vertrauensbruch zu begehen.»

3.1

Formen und rechtliche Aspekte von Korruption

Korruption ist ein Überbegriff für verschiedenste Handlungen und beinhaltet sowohl strafbare wie auch nicht strafbare Handlungen (TI Schweiz 2015). Strafrechtlich ist Korruption schwer fassbar, denn es besteht ein Interesse daran, korrupte Handlungen geheim zu halten, da alle Beteiligten davon profitieren. Das bedeutet, dass der Schaden für Opfer nicht unmittelbar ersichtlich ist (Jositsch 2004). Dies führt dazu, dass korrupte Strafhandlungen kaum aufgedeckt und strafrechtlich verfolgt werden. Im Jahr 2000 wurde im Rahmen eines nationalen Forschungsprogramms in der 3

Obwohl ein breiter Konsens in der Forschungsgemeinde besteht, die Folgen von Korruption als negativ zu betrachten, existieren Ansichten, dass Korruption in spezifischen Situationen positive Folgen haben kann, jedoch bilden diese Ansichten eine klare Minderheit (vgl. Huntington 2006 [1968]; Nye 1967).

3.1 Formen und rechtliche Aspekte von Korruption

39

Schweiz eine Dunkelziffer von 97 Prozent bis 99 Prozent bei korrupten Handlungen geschätzt (Queloz et al. 2000). Eine hohe Dunkelziffer ist nicht nur für die Schweiz denkbar. TI sieht in verschiedensten Bereichen und bei vielen Aktivitäten eine Möglichkeit für korrupte Handlungen, zum Beispiel geheime Absprachen, Amtsmissbrauch, Bestechung, Betrug, Erpressung, illegale Geldflüsse, Geldwäsche, Klientelismus, Lobbying, Patronat, Schmiergelder, Unterschlagung, Veruntreuung, Vetternwirtschaft oder Vorteilsgewährung.4 Einige davon sind strafbare Delikte, zum Beispiel Veruntreuung oder Amtsmissbrauch, andere wie Vetternwirtschaft oder Lobbyismus sind (in der Schweiz) nicht strafbar (TI Schweiz 2015). Sowohl abweichendes Verhalten5 als auch delinquentes Verhalten kann Korruption darstellen. Abweichendes Verhalten verletzt Normen und Werte, die eine Gruppe oder Gesellschaft definiert hat. Werden gültige Regeln missachtet, ist das eine sozial abweichende Handlung (Imhof 2010; Peuckert 2006). Im Gegensatz dazu werden unter delinquentem Verhalten oder Delinquenz Handlungen verstanden, die einen Gesetzesverstoss darstellen. Delinquenz gehört somit zum sozialen Phänomen Kriminalität (Imhof 2010). Die folgenden drei internationalen Konventionen, die durch die Schweiz ratifiziert wurden, sind in vielen anderen Ländern relevant (Stand April 2020): Der Konvention der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über die Bekämpfung von Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr sind bis heute insgesamt 41 Länder beigetreten (OECD 2018).6 Die zweite internationale Konvention ist das Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarats. Dieses klassifiziert nicht nur die aktive Bestechung in- und ausländischer Amtsträger als Straftat, sondern auch die passive Bestechung. Weiter wird Bestechung im Privatsektor als Straftat definiert. Die Konvention wurde von 48 Staaten ratifiziert (Europarat 2019). Die dritte durch die Schweiz ratifizierte Konvention ist jene der Vereinten Nationen: Sie wurde von 186 Ländern ratifiziert (UNCAC 2018).7 Für diese Konvention waren in der Schweiz keine direkten rechtlichen Anpassungen erforderlich, da das Schweizer Rechtssystem die zugehörigen Rechtsgrundlagen schon beinhaltete (TI Schweiz 2015). Im Folgenden werden die nationalen Rechtsgrundlagen der Schweiz im Zusammenhang mit Korruption genauer betrachtet. Ähnliche Gesetze sind auch in anderen – europäischen – Ländern gültig. 4

Detailliertere Informationen unter https://www.transparency.org/glossary. Abweichendes Verhalten wird auch Devianz oder deviantes Verhalten genannt. 6 Dies beinhaltet alle 34 OECD-Mitglieder sowie sieben Nicht-Mitglieder (Argentinien, Brasilien, Bulgarien, Kolumbien, Lettland, Russland und Südafrika) (OECD 2018). 7 Syrien hat diese Konvention unterschrieben, jedoch noch nicht ratifiziert. 5

40

3

Öffentliche Korruption

Das Schweizer Recht differenziert zwischen Korruption im öffentlichen Sektor und Korruption in der Privatwirtschaft.8 Im öffentlichen Sektor wird zwischen aktiver und passiver Bestechung unterschieden. Während bei ersterer jemand einem Amtsträger einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, fordert der Amtsträger bei einer passiven Bestechung einen Vorteil ein oder setzt ihn voraus. Strafrechtlich wird zusätzlich zwischen inländischen und ausländischen Amtsträgerinnen unterschieden (TI Schweiz 2015). Eine ähnliche Form von Korruption bilden Vorteilsgewährung und -annahme. Der Unterschied zur Bestechung besteht darin, dass der Vorteil nicht unmittelbar konkretisiert, sondern während einer zukünftigen Amtsführung erwartet wird. Meist wird dann von «Anfüttern» oder «Klimapflege» gesprochen (Jositsch 2004, S. 374).9 Eine wichtige, jedoch nicht rechtlich relevante Unterteilung differenziert zwischen Korruption auf hoher Regierungsebene (grand corruption) und Alltagskorruption (petty corruption) an der Schnittstelle zwischen einzelnen Bürgerinnen und Beamtinnen. Bei Alltagskorruption handelt es sich meistens um alltägliche Situationen (Kubbe 2015), zum Beispiel um Bestechung von Polizisten bei Verkehrskontrollen oder um Bestechung zwecks einer schnelleren Bearbeitung von Anträgen (Bannenberg 2002; Meyer 2017). Korruption auf hoher Regierungsebene schliesst bereits begrifflich politische Entscheidungsträger ein. Diese Art der Korruption wird oftmals über längere Zeit geplant und strategisch durchgeführt (Kubbe 2015). Sie stellt eine erhebliche Verletzung zentraler Funktionen einer Regierung dar. Besonders diese Art der Korruption kann zu einer breiten Erosion von Vertrauen in eine Regierung führen (Rose-Ackerman 2000). In dieser Arbeit wird Korruption im öffentlichen Sektor (kurz: öffentliche Korruption) untersucht, da es um Vertrauen in eine staatliche Institution geht. Dabei wird nicht zwischen aktiver und passiver Korruption unterschieden und sowohl Alltagskorruption als auch Korruption auf Regierungsebene betrachtet.10

8

In dieser Arbeit wird nicht weiter auf private Korruption eingegangen. Für weitere Informationen dazu wird auf Argandoña (2005) verwiesen. 9 Eine weitere Problematik liegt darin, dass «[..] Vorteile, die im Rahmen des dienstlich Erlaubten oder des sozial Üblichen liegen» (TI Schweiz 2015, S. 19), nicht als Bestechung zählen. «Die Abgrenzung zwischen einer sozial üblichen geschäftlichen Einladung oder einem Geschenk und einem allenfalls korruptionsstrafrechtlich relevanten Vorteil» (TI Schweiz 2015, S. 19) ist oftmals nicht eineindeutig. 10 Einzelne Datenquellen des CPI differenzieren nach aktiver beziehungsweise passiver Korruption beziehungsweise zwischen petty und grand corruption. Da der CPI aber ein zusammengesetzter Index ist, werden diese Unterschiede nicht weiter differenziert.

3.2 Ursachen und Folgen von Korruption

3.2

41

Ursachen und Folgen von Korruption

Nachfolgend werden Ursachen und Folgen von Korruption besprochen. Dabei sind einige Wirkungsrichtungen von Korruption noch unklar und die genauen Mechanismen müssen noch erforscht werden (Jancsics 2014; Treisman 2007). Ebenso sind Wechselwirkungen zwischen Ursachen und Folgen wahrscheinlich. Zum Beispiel kann Ungleichheit – bezogen sowohl auf materielle Ungleichheit oder ungleich verteilte Macht – als Ursache von Korruption verstanden werden, Korruption aber auch zu einer höheren Ungleichheit führen (Husted 1999; Lambsdorff 2006). Die Ursachen von Korruption können vielseitig sein und basieren auf unterschiedlichen Faktoren. Es spielen individuelle Motive sowie der gesellschaftliche und rechtliche Kontext eine Rolle (Ali & Isse 2011). Genauso können institutionelle Rahmenbedingungen einen Einfluss darauf haben, ob es zu korruptem Verhalten kommt und wie dieses genau aussieht (Kubbe 2015).11

3.2.1

Kulturelle Erklärungsfaktoren

Kulturelle Gegebenheiten beeinflussen Korruption. Kulturelle Faktoren sind über einen langen Zeitraum stabil und ihre Veränderung verläuft langsam. Sie sind daher hauptsächlich als Ursachen für Korruption zu verstehen (Rose-Ackerman & Soreide 2011). Zum Beispiel ist besonders in Europa eine kommunistische Vergangenheit ein wichtiger Faktor, da in solchen Ländern Korruption eine lange Tradition hat (Miller et al. 2017; Rose et al. 1998). Die Bevölkerung ist daher der Meinung, dass Korruption immer noch Teil des staatlichen Systems ist und trotz einer Transformation von einem autokratischen zu einem demokratische Staatssystem weiterhin informell aufrechterhalten wird. Dieser Effekt ist vor allem bei jungen Demokratien in Osteuropa zu beobachten (Chabova 2017a; Montinola & Jackman 2002). Generell verläuft der zeitliche Effekt von Demokratisierung auf Korruption somit invers zu einer Sigmoidfunktion12 (Brown et al. 2011). Dementsprechend konnte Treisman (2000) zeigen, dass nicht der Demokratisierungslevel einen Einfluss auf Korruption hat, sondern dass das zunehmende Alter einer Demokratie geringere Korruption bewirkt. Die Analysen von Pellegata (2012) zeigen, dass der Wechsel von 11

Es gibt viele Bemühungen, korruptes Verhalten und Handlungen zu reduzieren. Diese Bemühungen werden oftmals unter dem Schlagwort Antikorruptionsstrategien gesammelt. Einen guten Überblick über Antikorruptionsmassnahmen bietet Wolf (2014). 12 Eine Sigmoidfunktion bildet eine s-förmige Kurve; flach beginnend, relativ steil im mittleren Teil und abflachend zum Schluss. Sie besitzt genau einen Wendepunkt (Weisstein 2009).

42

3

Öffentliche Korruption

einer nicht demokratischen hin zu einer demokratischen Staatsform zuerst zu einer Zunahme von Korruption führt, wobei dieser Prozess aber mit der Zeit invertiert wird und Korruption wieder abnimmt (Manzetti & Wilson 2007; Moreno 2002; Rose et al. 1998). Die Religionszugehörigkeit ist ein weiterer kultureller Faktor, der Korruption beeinflusst (Treisman 2007). Empirische Studien zeigen in protestantisch geprägten Ländern geringere Korruption als in katholischen, muslimischen oder orthodoxen Ländern (La Porta et al. 1999). Erklärt wird diese Beobachtung in Anlehnung an Max Weber (1976 [1920]). In seinem Werk Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus legt Weber dar, dass katholisch, muslimisch oder orthodox erzogene Menschen im Vergleich zu protestantischen Personen engere familiäre Beziehungen pflegen und daher stärker beziehungsorientiert handeln, was als Basis für Korruption betrachtet werden kann. Protestantische Länder sind individualistischer – ein Faktor, der korruptes Verhalten verringert (Della Porta 2000; Treisman 2000).

3.2.2

Weitere Erklärungsfaktoren

Weitere Erklärungsfaktoren für Korruption auf der Makroebene sind etwa die Grösse der Regierung (vgl. Dzhumashev 2014; Montinola & Jackman 2002; O’Connor & Fischer 2011), ethnolinguistische Vielfalt (vgl. Mauro 1995; Treisman 2000), Föderalismus (vgl. Treisman 2000) oder Ölvorkommen (vgl. Arezki & Brückner 2011). Auf individueller Ebene sind die Merkmale Bildung (vgl. Hakhverdian & Mayne 2012), Einkommen (vgl. Dzhumashev 2014; Montinola & Jackman 2002; Paldam 2002; You & Khagram 2005) und Geschlecht (vgl. Alatas et al. 2009; Swamy et al. 2001) zu nennen.

3.2.3

Wirtschaftliche Folgen

Korruptes Verhalten vermindert die Steuereinnahmen eines Staates, sodass die Steuerstabilität nicht mehr gegeben ist. Weiter kann es zu aufgeblähten staatlichen Investitionskosten kommen, da öffentlich ausgeschriebene Projekte an jene Anbieter gehen, die am besten bestochen haben, und nicht an jene, die am kostengünstigsten offeriert haben (Fisman & Svensson 2007; Gupta et al. 2002). Allgemein führt Korruption zu einer Erhöhung der Regierungskosten (Seleim & Bontis 2009). Viele Ökonomen gehen von einem negativen Effekt von Korruption auf das Bruttoinlandsprodukt aus (Gupta et al. 2002; Treisman 2000), wenngleich der Wirkungszusammenhang weitgehend unklar ist. Weiterhin kann argumentiert werden,

3.2 Ursachen und Folgen von Korruption

43

dass ein niedrigeres Bruttoinlandsprodukt zu einer höheren Korruptionsrate führt (Husted 1999; Paldam 2002). Ausländische Finanzhilfe und Investitionen werden durch Korruption gebremst (Cie´slik & Goczek 2018; Wei & Wu 2002), und es konnte gezeigt werden, dass Korruption die wirtschaftliche Entwicklung und den internationalen Handel verzögert (Seleim & Bontis 2009). Schliesslich lässt Korruption die Inflation steigen (Breen & Di Tella 2004; Kubbe 2015; Paldam 2002). All diese Faktoren hemmen das Wirtschaftswachstum (Cie´slik & Goczek 2018; Mauro 1995; Podobnik et al. 2008).

3.2.4

Gesellschaftliche Folgen

Finanzielle Ungleichheit, zum Beispiel gemessen durch den GINI-Koeffizienten, oder soziale Ungleichheit sind mögliche Folgen von Korruption (Gupta et al. 2002; Kubbe 2015). Jedoch ist eine ungleiche Verteilung von Ressourcen ebenfalls ein erklärender Faktor für Korruption (Chabova 2017a; You & Khagram 2005). Solche Ungleichheiten sind oftmals Auslöser von Unruhen in der Bevölkerung, die eine Regierung und deren Institutionen destabilisieren können (Brown et al. 2011; Pellegata 2012). Aufgrund von Korruption werden öffentliche Dienste und öffentliche Güter nicht fair verteilt (Amundsen 1999; Warren 2004). Unfaire Verteilungen können ihrerseits wieder zu korruptem Verhalten führen (Borchert et al. 2000), im Extremfall sogar zu einer Eigenbereicherung von Beamten an öffentlichen Gütern (Stockemer & Sundström 2013; Warren 2004).

3.2.5

Politische Folgen

Korruption untergräbt politische Prozesse (Karahan et al. 2006; Kostadinova 2009). Zum Beispiel wird die Partizipation der Bevölkerung an Wahlen und Abstimmungen beeinträchtigt. Wird ein staatliches System als nicht korrupt wahrgenommen, investieren die Bürgerinnen Zeit in Demokratieprozesse, wobei dieser Aufwand deutlich verringert wird, sobald die Bevölkerung das System als korrupt wahrnimmt (Caillier 2010; Stockemer & Sundström 2013). Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass Politikerinnen vermehrt korrupt werden, da sie nur so eine Chance sehen, gewählt zu werden (Heidenheimer 2017). Wird ein politisches System als korrupt wahrgenommen, nehmen die Interaktionen zwischen Bürgern und gewählten Politikern ab (Wagner et al. 2009). Dies wiederum vermindert das politische Engagement (Stockemer & Sundström 2013).

44

3.2.6

3

Öffentliche Korruption

Staatspolitische Folgen

Korruption ist eine Bedrohung für eine stabile Regierung (Anderson & Tverdova 2003; Chang & Chu 2006; Sandholtz & Koetzle 2000; Warren 2006) und führt zu einem Qualitätsverlust im öffentlichen Sektor (Brown et al. 2011; Pellegata 2012). Das formale Regierungssystem wird beeinträchtigt. Formale Regierungssysteme bestehen aus Regeln und einer Governance (Amundsen 1999; Kubbe 2015). Durch Korruption wird Vertrauen in staatliche Institutionen reduziert oder zerstört (Anderson & Tverdova 2003; Catterberg & Moreno 2006; Chang & Chu 2006; Husted 1999; Kubbe 2015; Linde & Erlingsson 2013; Miller & Listhaug 2005; Mishler & Rose 2001; Morris & Klesner 2010; Richey 2010; Seleim & Bontis 2009; Seligson 2002). Weiter werden staatliche Institutionen und politische Systeme delegitimiert (Borchert 2000; Linde & Erlingsson 2013; Rogge & Kittel 2014; Seligson 2002). Der negative Einfluss von Korruption auf Vertrauen in staatliche Institutionen wurde in Europa Anfang der 2000er-Jahre festgestellt (Anderson & Tverdova 2003; Della Porta 2000) und erst kürzlich erneut bestätigt (Chabova 2017a). Diese Ergebnisse konnten zudem in Lateinamerika (Bargsted et al. 2017; Seligson & Carrión 2002), Asien (Chang & Chu 2006; Rose-Ackerman 2017), Afrika (Bratton 2007) und auch global (Clausen et al. 2011; Morris 2015) bestätigt werden. Grundsätzlich verletzt Korruption somit fundamentale Prinzipien einer Demokratie wie Gleichheit, Transparenz und Gerechtigkeit (Anderson & Tverdova 2003; Basu 2006; Chang & Chu 2006; Dahl 1998 [1971]; Kubbe 2015; Sandholtz & Koetzle 2000; Seligson & Carrión 2002; Warren 2006) und kann sogar zu einer systematischen Manipulation staatlicher Institutionen und Gesetze führen (Amundsen 1999; Kubbe 2015).

3.3

Zusammenfassung

Korruption ist ein Überbegriff für verschiedenste strafbare wie auch nicht strafbare Handlungen (TI Schweiz 2015), deren Formen vielfältig sind. Gesetze versuchen, diesem Phänomen gerecht zu werden und dadurch die mehrheitlich negativen Konsequenzen für Wirtschaft, Gesellschaft oder den Staat einzudämmen. Gesetze können sowohl aufgrund internationaler Konventionen als auch nationaler Bedarfe erlassen werden. Öffentliche Korruption lässt Vertrauen in staatliche Institutionen erodieren. Korruption im öffentlichen Sektor kann aktive und passive Korruption sowie Alltagskorruption oder Korruption auf Regierungsebene umfassen (Kubbe 2015).

4

Individuelle Werte

«The value concept, more than any other, should occupy a central position [...] able to unify the apparently diverse interests of all the sciences concerned with human behavior» (Rokeach 1973, S. 3).

Weil Werte für das menschliche Verhalten eine wichtige Rolle spielen, werden in dieser Arbeit individuelle Werte als Erklärungsvariablen verwendet. In diesem Kapitel wird das grundlegende Verständnis von Werten ausgearbeitet, bevor dieses dann im Kapitel «Interplay» in Verbindung zu Vertrauen in die Polizei gesetzt werden.

4.1

Einführung in Wertetheorien

Werte spielen in den Sozialwissenschaften eine zentrale Rolle (Hitlin & Piliavin 2004; Rohan 2000; Rokeach 1973). Sie sind für verschiedene Disziplinen wichtig, wie etwa die Anthropologie (vgl. Kluckhohn 1951), die Philosophie (vgl. Perry 1926), die Psychologie (vgl. Rokeach 1973) oder die Soziologie (vgl. Williams 1979). Werte können auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden. Auf der Mikroebene geht es zum Beispiel darum, wie Individuen handeln und welche Intentionen ihren Handlungen zugrunde liegen (vgl. Higgins 2006). Auf der Mesoebene kann es hingegen etwa darum gehen, wie es zu einer Internationalisierung sozialer Institutionen kommt (vgl. Rokeach 1973), und auf der Makroebene wird beispielsweise gefragt, auf welche Art Nationen und Kulturen ein gemeinsames Verständnis von Werten besitzen (vgl. Geertz 1973). Individuelle Werte basieren auf individuellen sozialen Erfahrungen. Zugleich werden Werte durch Kulturen geprägt (Knafo et al. 2011). Individuen werden in kulturellen Einrichtungen, zum Beispiel in Bildungs- oder Regierungssystemen, © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_4

45

46

4

Individuelle Werte

sozialisiert, wobei diesen wiederum bestimmte Werte zugrunde liegen (Sagiv & Schwartz 2007). Es existieren verschiedene Ansätze zur Operationalisierung von Werten. Der anthropologische Ansatz zum Beispiel betrachtet Werte als gemeinsames kulturelles Bedeutungssystem (vgl. Hofstede 2001; Keesing 1974; Kuper 2000; Lehman et al. 2004; Rohner 1984). Demnach besitzt jede Kultur ein homogenes Wertesystem, das sich vom Wertesystem anderer Kulturen unterscheidet. Innerhalb einer Kultur besteht ein Konsens darüber, dass die eigenen Werte wichtig sind, wobei verschiedene Kulturen bestimmte Werte unterschiedlich stark gewichten (Fischer & Schwartz 2011). Ein wichtiger Vertreter dieses Ansatzes ist Geert Hofstede. Er ist der Ansicht, dass Werte-Differenzen in Gruppen aufgrund von Geschlecht, Alter, Religion und Beruf entstehen, aber auch ein gemeinsames Denksystem innerhalb einer Nation besteht. Diese nationalen Charakteristika oder eben national cultures, wie er sie nennt, sind Merkmale, die die meisten Einwohner einer Nation auszeichnen, die sich grundsätzlich von den Charakteristika anderer Nationen unterscheiden (Hofstede 1983).1 Eine andere Möglichkeit, Werte zu betrachten, ist eine soziologische Herangehensweise. Sie betrachtet Werte als ein Abbild sozialer Strukturen und des Machtgleichgewichts zwischen Gruppen in einer Gesellschaft (Hitlin & Piliavin 2004). Werte moderieren dann innerhalb einer Nation zwischen einzelnen Individuen und Gruppen (Fischer & Schwartz 2011).

4.1.1

Sozialpsychologischer Werteansatz

Frühe Theoretiker fokussierten sich auf Unterschiede zwischen relevanten menschlichen Charakteristika. Eduard Spranger (1882–1963), Philosoph und Psychologe, war einer der ersten Theoretiker in den Sozialwissenschaften, der ein Wertekonzept erarbeitete. In seinem Konzept existieren sechs Idealtypen von Menschen, die sich aufgrund ihrer allgemeinen Überzeugungen und Lebensgewohnheiten voneinander unterscheiden. Diese Idealtypen sind der Theoretische, der Ökonomische, der Ästhetische, der Soziale, der Politische und der Religiöse (Spranger 1914, 1921).2 1

Andere Autoren betrachten diesen Ansatz durchaus kritisch. Zum Beispiel führen Magun et al. (2016) aus, dass die gesellschaftliche Heterogenität innerhalb einer Nation unterschätzt wird. 2 Der Fokus des Theoretikers liegt darauf, die Wahrheit zu entdecken. Das Ziel dieses Typs ist es, Wissen zu ordnen und zu systematisieren. Für das ökonomische Individuum steht dagegen

4.1 Einführung in Wertetheorien

47

Die Werte dieser Idealtypen bilden ein System, das auf einer endlichen Anzahl allgemein akzeptierter Wertetypen aufgebaut ist. Jede Person verfügt über diese Werte, gewichtet und hierarchisiert sie aber individuell (Spranger 1914, 1921; Vernon & Allport 1931). Vernon und Allport (1931) haben, basierend auf diesen sechs Typen, einen theoretisch fundierten Fragebogen entwickelt. Entscheidungen in verschiedenen Verhaltensszenarien ergeben einen Indikator für die relativen Bevorzugungen von Werten. Der Fragebogen war über lange Zeit ein viel genutztes Instrument zur Erforschung menschlicher Werte (vgl. Allport et al. 1960; Oles & Hermans 2010; Rohan 2000; Vernon & Allport 1931). Milton Rokeach (1918–1988) war ein anderer wichtiger Psychologe in der Wertforschung. In seinem Buch The Nature of Human Values (1973) beschreibt er ein weiteres wichtiges Instrument, um Werte zu messen. Der Rokeach Values Survey umfasst insgesamt 36 Werte, von denen die eine Hälfte Instrumentalwerte und die andere Hälfte Endwerte sind. Instrumentalwerte beziehen sich auf Verhaltensweisen einer Person, zum Beispiel Ehrlichkeit oder Selbstkontrolle. Endwerte werden als Endziele betrachtet und umfassen Dinge wie Vergnügen oder nationale Sicherheit. Die Werteliste wurde intuitiv erstellt und Rokeach nahm an, dass alle 36 Werte für Menschen zentral sind, aber individuelle Rangordnungen bestehen. In Studien mass er diese Rangordnung, indem er die Studienteilnehmerinnen die Werte nach deren Bedeutung als Leitprinzipien in ihrem Leben ordnen liess (Rokeach 1973). Der Rokeach Values Survey stellte ein sehr wichtiges, lange genutztes Messinstrument dar und diente Shalom H. Schwartz als Basis für die Entwicklung seines Werteinstruments. Es gab aber auch Kritik am Rokeach Values Survey. Zum einen konnte Schwartz (1992) keine empirische Unterstützung für die Unterscheidung zwischen End- und Instrumentalwerten finden. Der Hauptkritikpunkt an Rokeachs Methode lautete jedoch, dass die der Methode zugrunde liegenden Werte kein theoretisch fundiertes System bilden und daher in keine Beziehung zueinander gesetzt werden können. Ohne Theorie zur Funktion des zugrunde liegenden Wertesystems einzig der Nutzen einer Sache im Vordergrund. Nur nützliches und praktisches Wissen ist befriedigend. Im Gegensatz dazu sind Harmonie und Form die höchstbewerteten Werte des ästhetischen Typs, der jede einzelne Erfahrung aus der Warte der Symmetrie oder der Passung evaluiert. Der Soziale hat eine Leidenschaft dafür, andere beim Ausschöpfen ihres Potenzials zu unterstützen. Dieser Typ Mensch wird tendenziell an einem altruistischen oder philanthropischen Aspekt von Liebe gemessen. Eine politische Person wird hauptsächlich vom Wert Macht angetrieben. Diese Macht wird verwendet, um andere Menschen zu beeinflussen. Ziel dahinter ist, eine Führungsperson in der Gesellschaft zu sein. Für den religiösen Menschen steht Einheit als Wert im Vordergrund. Diese Personen versuchen, das Universum als Ganzes zu verstehen (Allport et al. 1960; Oles & Hermans 2010; Spranger 1914, 1921; Vernon & Allport 1931).

48

4

Individuelle Werte

ist es nicht möglich, die individuelle Wichtigkeit der Werte und daraus folgende Konsequenzen zu erklären (Rohan 2000; Schwartz 1992).

4.1.2

Werte und andere Konzepte der menschlichen Persönlichkeit

Schwartz (1992, 2006a, 2012) benennt die folgenden sechs Hauptmerkmale individueller Werte, die unabhängig von der verwendeten Definition vorhanden sind (vgl. Allport et al. 1960; Feather 1995; Kluckhohn 1951; Maslow 1959; Morris 1956; Rokeach 1973; Scott 1965; Williams 1979). 1. Werte sind Überzeugungen und miteinander verbunden. Aktivierte Werte sind mit Emotionen gekoppelt. Menschen sind glücklich, wenn ein wichtiger Wert erfüllt wird, während sie sich ärgern, wenn dieser Wert bedroht ist. 2. Werte beziehen sich auf Wunschziele, die zu einer Handlung motivieren. 3. Werte überdauern bestimmte Aktionen oder Situationen und sind stabile Konstrukte. 4. Werte sind Lebensstandards oder Kriterien für das Leben. Werte sind Referenzen für die Beurteilung von Handlungen, Menschen oder Ereignissen. Eine Person benutzt ihre Werte, um zu beurteilen, ob sie etwas tun soll oder nicht. Wie eine Situation von einer Person bewertet wird, hängt von den Konsequenzen für die wichtigen Werte der Person ab. 5. Werte werden von Personen nach ihrer Wichtigkeit sortiert. Diese charakteristische Priorisierung ist individuell und unterscheidet Werte von Normen oder Einstellungen. Gleichwohl können Veränderungen in dieser Priorisierung auftreten, die sich aus persönlichen oder sozialen Umständen ergeben (Knafo et al. 2011; Rokeach 1973; Schwartz & Sagiv 1995). 6. Die relative Wichtigkeit von Werten führt zu einer konkreten Aktion.3 Werte beeinflussen Einstellungen und lösen Verhaltensreaktionen aus.4 Ein Verhalten 3

Nach Fishbein und Ajzen (2011) führen Werte nur indirekt zu konkreten Handlungen. Werte sind Handlungsdeterminanten wie subjektiv wahrgenommenen Restriktionen und normativen Überzeugungen vorgelagert. 4 Dass ein Verhalten oder eine Einstellung Auswirkungen auf Werte hat, ist möglich, besonders bei einer kognitiven Dissonanz. Eine kognitive Dissonanz bedeutet, dass die eigene Handlung nicht im Einklang mit den eigenen Werten steht (Acharya et al. 2018). Untersucht wurde dieses Phänomen unter anderem im politischen Bereich anhand von Bürgerinnen, die ihre Werte gewählten Repräsentantinnen anpassten, die vorgängig nicht ihre Favoriten waren (vgl. Lenz 2012; Levendusky 2010; McCann 1997).

4.2 Individuelle Werte nach Schwartz

49

oder eine Einstellung hat Auswirkungen auf mehr als einen Wert. Werte konkurrieren miteinander. Wenn ein Wert realisiert wird, dann werden andere Werte verletzt und können nicht realisiert werden. Werte gehören zu den abstraktesten Kognitionstypen (Schwartz 1992). Daraus lässt sich ableiten, dass sie in ihrer Anzahl begrenzt sind (Davidov et al. 2008). Je abstrakter eine Kognition, desto resistenter ist sie gegenüber Veränderungen (Bardi et al. 2014). Das bedeutet, dass Werte grundsätzlich die Einstellungen beziehungsweise die Handlungen von Personen beeinflussen und diesen somit vorgelagert sind (Homer & Kahle 1988). Werte unterscheiden sich von Einstellungen, Normen, Charakterzügen, Bedürfnissen oder Überzeugungen wie folgt: • Werte unterscheiden sich von Einstellungen durch ihre zeitliche Stabilität. Sie überdauern spezifische Handlungen und Situationen, sind abstrakter und nicht objektspezifisch. Einstellungen bewerten Objekte als gut oder schlecht, wünschenswert oder unerwünscht. Werte dagegen sind nach ihrer Bedeutung geordnet und eine Grundlage für die Bewertung von Dingen. Sie sind den Einstellungen somit vorgelagert; • Werte unterscheiden sich von Normen, indem sie stabiler sind und sowohl Objekte als auch Situationen überdauern. Normen sind Standards und Regeln für Mitglieder einer Gruppe oder einer Gesellschaft und geben diesen vor, wie sie in bestimmten Situationen handeln sollen. Menschen akzeptieren solche Normen mehr oder weniger, je nachdem wie wichtig ihnen solche sozialen Erwartungen sind; • Charakterzüge sind Beschreibungen wiederkehrenden Verhaltens und Affekts; • der Unterschied zwischen Werten und Bedürfnissen besteht darin, dass Bedürfnisse nur auf biologischen Einflüssen beruhen. Werte gehen über biologische Bedürfnisse hinaus; • Überzeugungen beziehen sich im Gegensatz zu Werten auf die subjektiv empfundene Wahrscheinlichkeit, dass etwas wahr ist (Allport et al. 1960; Hitlin & Piliavin 2004; Schwartz 1992, 2012; Sundberg 2014).

4.2

Individuelle Werte nach Schwartz

Die Wertetheorie von Shalom H. Schwartz ist heute in den Sozialwissenschaften eine der am häufigsten verwendeten Theorien zum Thema Werte.5 Die Theorie wurde 5

Die konzeptionelle und empirische Unterscheidung zwischen Werten und Einstellungen, die in der Wertetheorie nach Schwartz (1992) plausibler als bei Inglehart (1997) vollzogen wird,

50

4

Individuelle Werte

seit den 1990er-Jahren auf unterschiedliche Weise empirisch untersucht. Schwartz und Bilsky (1987) entwickelten ein Wertesystem, in dem jeder Wert auf bestimmten Motivationen beruht. Schwartz definiert Werte als «desirable transsituational goals, varying in importance, that serve as guiding principles in the life of a person or other social entity [..]» (1994, S. 21).

4.2.1

Die zehn fundamentalen Werte

Schwartz (1992, 2006a, 2012) definiert in seiner Theorie die folgenden zehn fundamentalen Werte. Alle Werte werden als universell betrachtet, da sie für jeden Menschen in irgendeiner Weise wichtig sind.6 Schwartz konstatiert «three universal requirements of human existence to which all individuals and societies must be responsive: needs of individuals as biological organisms, requisites of coordinated social interaction, and survival and welfare needs of groups» (1992, S. 4). Alle Werte sind Reaktionen auf mindestens eines dieser drei Grundbedürfnisse. 1. Selbstbestimmung Der Wert Selbstbestimmung bedeutet, dass eigenständiges Denken und Handeln für eine Person essenziell sind. Dem Wert liegen sowohl die organismischen Bedürfnisse Kontrolle und Bestimmung zugrunde (Bandura 1977; Deci 1975) als auch soziale Interaktionen, die zu Autonomie und Unabhängigkeit führen (Kluckhohn 1951; Kohn & Schooler 1983). 2. Stimulation Der Wert Stimulation bedeutet, dass eine Personen Erregung, Neuartiges und ein herausforderndes Leben braucht. Abwechslung und Stimulation sind die organismischen Bedürfnisse, die dazu dienen, dass ein Organismus ein optimales Aktivierungsniveau erreicht (Berlyne 1960). 3. Hedonismus Der Wert Hedonismus bedeutet, dass Genuss und sinnliche Befriedigung für jemanden essenziell sind. Hedonismus beruht auf dem Bedürfnis des Organismus, Genuss ist für die Erklärung von Einstellungen durch Werte elementar. Zudem erfasst der ESS die individuellen Werte nach Schwartz. Diese beiden Umstände führen dazu, dass in dieser Arbeit die Wertetheorie nach Schwartz jener nach Inglehart vorgezogen wird. Für eine genauere Auseinandersetzung mit den beiden Wertetheorien wird hier auf Datler et al. (2013) verwiesen. 6 Beispielsweise ist Religiosität kein universeller Wert, da sie in Gruppen unterschiedlich eingebettet ist (Bilsky & Schwartz 1994).

4.2 Individuelle Werte nach Schwartz

51

und Befriedigung zu erleben. Hedonismus als Wert wird schon von früheren Theoretikern verschiedener Disziplinen diskutiert (vgl. Freud 1933; Williams 1979). 4. Leistung Der Wert Leistung bedeutet, dass jemandem persönlicher Erfolg und soziale Anerkennung aufgrund eigener Kompetenz wichtig sind. Dies wiederum erlaubt den Zugriff auf wichtige Ressourcen und unterstützt soziale Interaktionen und institutionelle Abläufe (Schwartz 1992). 5. Macht Menschen mit einem ausgeprägten Machtwert legen Wert auf Status, Prestige, Kontrolle oder Dominanz über Ressourcen oder Menschen. Damit ähnelt der Wert Macht dem Wert Leistung. Wie Parsons (1951) postulierte, sind Statusunterschiede wesentlich für das Funktionieren einer Gesellschaft. Entsprechend adressiert dieser Wert die beiden Grundbedürfnisse, nämlich koordinierte soziale Interaktionen und funktionierende Gruppen. 6. Sicherheit Unversehrtheit, Harmonie und Stabilität auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene sind Teile dieses Werts. Er basiert somit auf grundlegenden individuellen und gruppenspezifischen Anforderungen (vgl. Kluckhohn 1951; Maslow 1965) und leitet sich aus allen drei Grundbedürfnissen ab. 7. Tradition Der Wert Tradition besagt, dass Bräuche und Ideen der eigenen Kultur oder Religion zu akzeptieren und zu respektieren sind. Symbole, Überzeugungen und Praktiken von Gruppen repräsentieren deren geteilte Erfahrungen und stehen für Solidarität innerhalb der Gruppe und zeigen den Mitgliedern die Bedeutung der Gruppe auf (vgl. Durkheim 1995 [1912]; Parsons 1951). Dem Wert liegt das Grundbedürfnis funktionierender Gruppen zugrunde. 8. Konformität Menschen, bei denen der Wert Konformität ausgeprägt ist, ist es wichtig, sozialen Anforderungen zu entsprechen und soziale Normen nicht zu verletzen. Es ist wichtig, auf die richtige Weise miteinander zu interagieren, damit eine Gruppe handeln und funktionieren kann. Konformitäts- und Traditionswerte sind fest miteinander verbunden, denn sie teilen das gleiche Ziel, nämlich sich sozialen Erwartungen unterzuordnen. Konformität verlangt aber, sich anderen Menschen unterzuordnen,

52

4

Individuelle Werte

während Tradition verlangt, sich abstrakten Symbolen zu unterwerfen (Schwartz 1992). 9. Benevolenz Beim Wert Benevolenz steht das Wohlergehen nahestehender Mitmenschen im Fokus. Das Wohlergehen des engeren sozialen Umfelds soll erhalten oder verbessert werden. Während es beim Wert Konformität darum geht, negative soziale Erfahrungen zu vermeiden, geht mit Benevolenz die intrinsische Motivation einher, positive soziale Erfahrungen zu machen. Die grundlegenden Bedürfnisse sind sowohl das organismische Bedürfnis nach Zugehörigkeit sowie das Überleben der Gruppe (vgl. Kluckhohn 1951). 10. Universalismus Der Wert Universalismus zeichnet sich durch Verständnis, Toleranz und Schutz aller Menschen und der Natur aus. Das Bedürfnis des universalistischen Werts ist, dass sowohl andere Gruppen wie auch andere Individuen überleben, sodass es zu keinen Konflikt aufgrund der Knappheit natürlicher Ressourcen kommt, wodurch das Überleben der eigenen Gruppe sichergestellt wird (Schwartz 1992).

4.2.2

Die Wertestruktur

Zusätzlich zu den zehn Werten erklärt die Theorie von Schwartz (1992, 2006b, 2012) die dynamischen Beziehungen zwischen den Werten. Handlungen zur Verfolgung eines bestimmten Werts haben praktische, psychologische und soziale Konsequenzen und können mit anderen Werten kompatibel sein, aber auch mit diesen in Konflikt stehen. Entsprechend werden die Werte auf einem Kontinuum angeordnet. Je näher zwei Werte auf dem Kontinuum zueinander sind, desto ähnlicher sind die ihnen zugrunde liegenden Motivationen. Je distanzierter zwei Werte sind, desto antagonistischer sind die ihnen zugrunde liegenden Motivationen (Knafo et al. 2011; Schwartz 2006a). Aufgrund dieser nachbarschaftlichen Schwerpunkte ergibt sich eine quasi kreisförmige motivationale Wertestruktur (Abbildung 4.1). Die Motivationen, die benachbarte Werte teilen, sind in Tabelle 4.1 ersichtlich.

4.2 Individuelle Werte nach Schwartz

53

Tabelle 4.1 Wertenachbarn und die zugrunde liegende Motivation in Anlehnung an Schwartz (2012)

54

4.2.3

4

Individuelle Werte

Höhere Werteordnungen

Die zehn Werte bilden Werte erster Ordnung und können angesichts der ihnen zugrunde liegenden Motivationen zusammengefasst werden. Auf diese Weise lassen sich Überschneidungen und Konflikte zwischen Werten einfacher beschreiben. Dabei existieren verschiedene Möglichkeiten, wie die Werte sinnvoll strukturiert werden können. Die Struktur der Werte kann auch als aus vier Werttypen zweiter Ordnung zusammengesetzt betrachtet werden, wobei jeweils zwei, bipolare, konzeptionelle Dimensionen gebildet werden (Abbildung 4.1).

Benevolenz Hedonismus

Konformität Tradition

Macht

Sicherheit

Abbildung 4.1 Zirkuläre Wertestruktur in Anlehnung an Schwartz et al. (2012), adaptiert von Schwartz (1992)

4.2 Individuelle Werte nach Schwartz

55

Diese Dimensionen können als zwei grundlegende menschliche Herausforderungen betrachtet werden (Rohan 2000; Schwartz 1992). Die erste Dimension zweiter Ordnung ergibt sich aus der Kombination von Stimulierung, Selbstbestimmung und Hedonismus auf der einen Seite und der Kombination von Sicherheit, Konformität und Tradition auf der anderen Seite. Diese Dimension wird als Offenheit für Wandel versus Bewahrung bezeichnet. Die zugrundeliegende menschliche Herausforderung ist die Entscheidung, ob dem eigenen Interesse an Unvorhersehbarem und Unsicherem gefolgt oder der Status quo und die Sicherheit, die dieser bietet, erhalten wird (Schwartz 1992). Die zweite Dimension stellt ebenfalls einen Wertetypen-Gegensatz zweiter Ordnung dar, wobei die Werte Macht, Leistung und Hedonismus im Gegensatz zu den Werten Benevolenz und Universalismus stehen. Diese Dimension wird SelbstErhöhung versus Selbst-Überwindung genannt. Der zugrunde liegende Konflikt besteht zwischen dem Streben nach individuellen Errungenschaften und dem Verfolgen persönlicher Interessen auf der einen Seite sowie der Sorge um die Konsequenzen der eigenen Handlungen auf der anderen Seite. Hedonismus ist dabei ein geteilter Wert und gehört zwei Dimensionen zweiter Ordnung an (Lindeman & Verkasalo 2005; Rohan 2000; Schwartz 1992). Die Werte lassen sich auch noch anders zusammenfassen. Benevolenz, Universalismus, Konformität, Tradition und Teile des Wertes Sicherheit weisen einen sozialen Fokus auf. Den Gegenpol bildet der sogenannte persönliche Fokus, wobei die Werte eher dem persönlichen Nutzen dienen. Darunter fallen diese Werte Selbstbestimmung, Stimulation, Hedonismus, Leistung, Macht und Teilaspekte des Wertes Sicherheit (Cieciuch et al. 2014c; Schwartz 2006b, 2012). Eine alternative Aufteilung der quasizirkulären Wertestruktur differenziert zwischen angstfreien oder angstvermeidenden Werten. Erstere sind Universalismus, Benevolenz, Selbstbestimmung, Stimulation und Hedonismus. Angstvermeidend sind Leistung, Macht, Sicherheit, Tradition, Konformität (Cieciuch et al. 2014c; Schwartz 2006b, 2012) (Abbildung 4.1). Abhängig vom Forschungsinteresse lassen sich so die individuellen Werte in unterschiedliche Bereiche einteilen und entsprechend analysieren.

4.2.4

Die Erweiterung der Wertetheorie

Schwartz et al. (2012) verfeinerten die ursprüngliche Theorie, die zehn Werte beinhaltete, in eine mit 19 Werten. In empirischen Untersuchungen konnte immer wieder festgestellt werden, dass Items, die einem bestimmten Wert zugeordnet wurden, entweder Fremdladungen oder eine geringe Korrelation untereinander aufwiesen.

56

4

Individuelle Werte

Dies deutete darauf hin, dass Items teilweise Aspekte messen, die somit nicht zu einem Wert zusammengefasst werden dürfen. Daher wurden die Definitionen und Motivationen, die den Werten zugrunde liegen, neu betrachtet und feiner unterteilt. Insbesondere die bis dahin kaum beachtete Unterscheidung zwischen angstfreien und angstvermeidenden beziehungsweise persönlichen und sozialen Werten wurde stärker berücksichtigt. Anschliessend wurde die verfeinerte Wertetheorie empirisch überprüft. Einzelne theoretisch hergeleitete neue Werte wurden wieder verworfen, da es keine empirischen Belege für sie gab. Die neuen Werte wurden mit einer multidimensionalen Skalierung erneut in eine quasizirkuläre motivationale Struktur gebracht. Diese Justierung der Werte ergänzt die ursprünglichen zehn Werte, widerspricht diesen also nicht (Schwartz et al. 2012). Die erweiterte Wertetheorie konnte in mehreren Ländern empirisch bestätigt werden (vgl. Cieciuch et al. 2014a; Cieciuch et al. 2014b; Schwartz et al. 2017; Schwartz & Butenko 2014).

4.2.5

Die Sinuskurve

Es ist möglich, die Interaktion zwischen Werten und äusseren Variablen in einem sinusförmigen Kurvenverlauf darzustellen. Darin repräsentieren zwei entgegengesetzte Werte die höchsten beziehungsweise niedrigsten Assoziationen zu den äusseren Variablen. Die anderen Werte werden entsprechend ihrer Entfernung vom Maximum und Minimum erwartet (Morselli et al. 2012; Schwartz 1992). Mit folgenden äusseren Variablen wurden solche Sinusoide7 festgestellt: Verhalten und Urteilsvermögen (vgl. Kluckhohn 1951; Rohan 2000; Rokeach 1973; Schwartz 1992), Wahrnehmung von Ereignissen und Situationen (vgl. De Dreu & Boles 1998; Sagiv et al. 2011; van Lange & Liebrand 1989) sowie Einstellungen, Emotionen und individuelle Variablen (vgl. Knafo et al. 2011). Folgende äussere Variablen wurden schon in Beziehung zu Werten untersucht: Religiosität (vgl. Bardi & Schwartz 2003; Knafo et al. 2008; Maio et al. 2009; Sagiv et al. 2011; Saroglou et al. 2004; Verplanken & Holland 2002), zwischenmenschliche Zusammenarbeit (vgl. Schwartz 1996), Geschlecht (vgl. Feather 2004; Prince-Gibson & Schwartz 1998; Schwartz & Rubel 2005; Struch et al. 2002), die Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale (vgl. Roccas et al. 2002), abweichendes Verhalten (vgl. Seddig & Davidov 2018) und Vertrauen in Institutionen (vgl. Devos et al. 2002; Morselli et al. 2015).

7

Bei einem Sinusoid handelt es sich um eine sinusförmige Funktion (Hazewinkel 2002).

4.3 Zusammenfassung

4.3

57

Zusammenfassung

Werte spielen für das menschliche Handeln eine elementare Rolle: Sie leiten uns und beeinflussen unsere Einstellungen. Werte gehören zu den abstraktesten Kognitionstypen (Schwartz 1992), beeinflussen grundsätzlich die Einstellungen beziehungsweise die Handlungen von Personen und sind diesen somit vorgelagert (Homer & Kahle 1988). Nach Schwartz (1992) existieren zehn universelle Werte erster Ordnung – Benevolenz, Hedonismus, Konformität, Leistung, Macht, Selbstbestimmung, Sicherheit, Stimulation, Tradition und Universalismus –, die sich in eine quasi kreisförmige motivationale Wertestruktur bringen lassen, da benachbarte Werte eine ähnliche Motivation aufweisen, während hinter distanzierteren Werten antagonistische Motivationen stehen. Die zehn Werte erster Ordnung lassen sich unterschiedlich gruppieren. Dies führt zu höheren Wertordnungen. Werte lassen sich mit äusseren Variablen in einen sinusförmigen Kurvenverlauf bringen. Die Wertetheorie nach Schwartz (1992) bietet eine ideale Möglichkeit, den Einfluss von Werten auf die Einstellung der Bevölkerung gegenüber der Polizei zu untersuchen.

5

Interplay

In den vorangegangenen drei Theoriekapiteln wurden die Grundlagen gelegt, um die Forschungsfrage «Wie lassen sich Vertrauensunterschiede in die Polizei zwischen Menschen im gleichen Land und zwischen verschiedenen Ländern erklären?» zu bearbeiten. In diesem Kapitel werden die theoretischen Konzepte zusammengebracht und ein theoretisch hergeleiteter Ansatz verwendet, um Hypothesen für die weitere Bearbeitung der Forschungsfrage aufzustellen. Diese Hypothesen werden in Teil III – Empirie getestet. Konkret wird zuerst der Einfluss öffentlicher Korruption, anschliessend der Einfluss individueller Werte auf Vertrauen in die Polizei hergeleitet. Darauf aufbauend, werden aus theoretischen Überlegungen Interaktionen zwischen öffentlicher Korruption und individuellen Werten abgeleitet, die zusätzliche Erklärungen für Vertrauen in die Polizei bieten. Eine Herleitung, wie ein Migrationshintergrund auf Vertrauen in die Polizei wirkt, rundet das Kapitel ab, bevor die erarbeiteten Mechanismen zum theoretischen Modell zusammengeführt werden und eine Übersicht über die Hypothesen gegeben wird.

5.1

Öffentliche Korruption und Vertrauen in die Polizei

Die Polizei stellt den sichtbarsten Teil des Staates dar, weswegen sie besonders oft durch die Bevölkerung bewertet wird (Cheng 2008; Jang et al. 2015; Sherman 1974). Die Polizei kann als Repräsentantin der Regierung gesehen werden. Ist eine Regierung korrupt, so trifft dies wahrscheinlich auch auf die Polizei zu (Dunham & Alpert 2015b; Kääriäinen 2007). In einem solchen Fall wird das allgemeine Vertrauen in die Polizei eher gering sein, denn gerade die Polizei ist für die Durchsetzung formalisierter Normen verantwortlich, und dabei wird Unparteilichkeit ausdrücklich verlangt (Kääriäinen 2007). Viele Studien zeigen, dass Vertrauen – generalisiertes © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_5

59

60

5

Interplay

oder in Institutionen – generiert wird, wenn Personen fair und gleich behandelt werden (Rothstein 2005). Korruption dagegen verletzt die Unparteilichkeit (Uslaner 2006). Durch korrupte Verhaltensweisen büssen staatliche Institutionen Vertrauen der Bürgerinnen und damit ihre Legitimität ein (Kääriäinen 2007). Folglich kann davon ausgegangen werden, dass sich öffentliche Korruption negativ auf Vertrauen in die Polizei auswirkt. Aus diesen Überlegungen lässt sich folgende Hypothese herleiten: HKORR Je mehr öffentliche Korruption in einem Land wahrgenommen wird, desto geringer ist das allgemeine Vertrauen in die Polizei.

5.2

Individuelle Werte und Vertrauen in die Polizei

Erst wenige Studien untersuchten bisher den Zusammenhang zwischen individuellen Werten und Vertrauen in Institutionen. Das Forschungsinteresse von Morselli et al. (2012) lag in der Überprüfung der Frage, ob zwischen den zehn Werten und dem Vertrauen in Institutionen ein Zusammenhang besteht. Das politische System, die Judikative und die Polizei wurden zu einem Index summiert. Den stärksten positiven Zusammenhang vermuteten die Autoren beim Wert Sicherheit und begründeten dies mit den allgemeinen Aufgaben von Institutionen. Sie stellten weiter die Hypothese auf, dass Menschen, denen der Wert Selbstbestimmung wichtig ist, ein geringeres Vertrauen in Institutionen haben. Der Einfluss der restlichen Werte wurde aufgrund der relativen Position der Werte auf der zirkulären Struktur erwartet. Der postulierte Zusammenhang zwischen Werten und Vertrauen in Institutionen konnte jedoch nur teilweise beobachtet werden. Folgende Arbeit baut auf diesen Überlegungen auf und verwendet daher die folgenden vier Werte: «Bewahrung», «Macht», «Selbstbestimmung» und «Universalismus».

5.2.1

Bewahrung

Die allgemeine Funktion von Institutionen besteht darin, Sicherheit, Ordnung und Stabilität in einer Gesellschaft zu schaffen. Die allgemeinen Funktionen einer Institution sind unabhängig davon, ob die Bevölkerung zufrieden mit der Institution ist. Als Kehrseite dieser Stabilitäts-, Ordnungs- und Sicherheitsfunktion werden Handlungsmöglichkeiten durch eben diese Institutionen eingeschränkt und die individuelle Freiheit begrenzt (Gukenbiehl 2006).

5.2 Individuelle Werte und Vertrauen in die Polizei

61

Bewahrung, der Wert zweiter Ordnung, beinhaltet die Werte erster Ordnung, nämlich Sicherheit, Tradition und Konformität (Schwartz 1992), wobei Studien zeigen, dass diese drei Werte erster Ordnung oftmals nicht trennscharf voneinander zu unterscheiden sind (Davidov 2010). Institutionen im Allgemeinen und die Polizei im Speziellen sorgen für soziale Ordnung, persönliche Sicherheit sowie den Schutz des Staates. Aufgrund dieser Aufgaben unterstützt die Polizei die Motivationen, die dem Wert Sicherheit zugrunde liegen. Gleichzeitig verhindert sie Handlungen, die andere Menschen, aber auch Regeln und gesellschaftliche Normen verletzen könnten (Wilz 2012). Dadurch trägt sie dazu bei, dass die eigene Kultur respektiert und die In-Group-Solidarität gestärkt werden. Das wiederum sind die Grundmotivationen von Menschen, denen die Werte Tradition beziehungsweise Konformität wichtig sind (Schwartz 1992). Institutionen im Allgemeinen und die Polizei im Besonderen unterstützen somit die Verwirklichung des Werts Bewahrung. Alle genannten Werte sind relevant für die Erklärung von Vertrauen in die Polizei haben, weswegen der zugehörige Wert zweiter Ordnung verwendet wird. Zusammengefasst wird erwartet, dass Menschen mit einer hohen Ausprägung des Werts Bewahrung ein höheres Vertrauen in die Polizei haben. Die Hypothese lautet entsprechend: HBEWA Je wichtiger der Wert Bewahrung für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.

5.2.2

Selbstbestimmung

Die Kehrseite dieser Überlegungen ist, dass Institutionen Handlungsmöglichkeiten einschränken und die individuelle Freiheit begrenzen (Gukenbiehl 2006). Das bedeutet, dass die Polizei Autonomie und Selbstbestimmung blockiert. Unabhängig zu denken, eigenständig zu handeln, eigene Ziele zu definieren und Neues zu entdecken, sind für Menschen wichtig, bei denen der Wert Selbstbestimmung ausgeprägt ist (Schwartz 1992). Der Wert Selbstbestimmung nimmt den Gegenpol auf dem Wertekreis zum Wert Sicherheit ein. Zudem wird ihm in früheren Studien der höchste negative Effekt auf Vertrauen in Institutionen zugeschrieben (Morselli et al. 2012). Die Annahme ist daher, dass solche Personen weniger Vertrauen in die Polizei haben, weil die Polizei die Befriedigung des Werts Selbstbestimmung blockiert. Das heisst: HSEBE Je wichtiger der Wert Selbstbestimmung für eine Person ist, desto geringer ist deren Vertrauen in die Polizei.

62

5.2.3

5

Interplay

Macht

Die Polizei hat in der Gesellschaft eine Machtposition inne.1 Sie ist eine der wenigen Institutionen, die Gewalt – auch gegen die eigenen Bürgerinnen – einsetzen darf (Wilz 2012). Entsprechend sehen Menschen, denen Dominanz und Kontrolle über Ressourcen wichtig sind, in der Polizei jene Institution, die diese Macht ausleben darf. Das heisst, dass hier von einer Homosozialität im klassischen Sinn gesprochen werden kann. Homosozialität bedeutet, dass man sich mit Akteuren umgeben will, die einem selbst ähnlich sind (Klinger 2014), denn dadurch wird Komplexität reduziert und Vertrauen geschaffen (Luhmann 2000 [1968]). Daraus lässt sich folgende Hypothese formulieren: HMACH Je wichtiger der Wert Macht für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.

5.2.4

Universalismus

Der vierte hier besprochene Wert mit Einfluss auf Vertrauen in die Polizei ist Universalismus.2 Menschen, denen der Wert Universalismus wichtig ist, streben das Wohlergehen aller Menschen an. Toleranz gegenüber allen stellt eine wichtige Motivation hinter dem Wert Universalismus dar. Alle sollen gleich und fair behandelt werden (Schwartz 1992). Die Polizei als Regierungsinstitution hat die Aufgabe, alle Menschen fair und gleich zu behandeln (Sunshine & Tyler 2003; Tyler 2001). Deshalb vertrauen Menschen, denen der Wert Universalismus wichtig ist, der Polizei wohl stärker. Die Polizei beschützt das Wohl aller und behandelt sie fair und gleich, sodass der Wert Universalismus befriedigt wird. Die Hypothese lautet entsprechend: HUNIV Je wichtiger der Wert Universalismus für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.

1

Der Wert Macht ist relevant und relevanter als der Wert Leistung für die Erklärung von Vertrauen in die Polizei, da die Polizei, wie oben bereits beschrieben, auch eine Machtposition einnimmt. 2 Der Wert Universalismus wird dem Wert Benevolenz vorgezogen, da es wohl wichtiger ist, Gleichheit für alle zu untersuchen, die von der Polizei garantiert werden soll, als den Einfluss naher Beziehungen, die durch den Wert Benevolenz abgedeckt werden, zu erfassen.

5.4 Migrationshintergrund und Vertrauen in die Polizei

5.3

63

Interaktionseffekte und Vertrauen in die Polizei

Neben direkten Einflüssen von Werten auf Vertrauen in die Polizei sind auch Interaktionseffekte zwischen öffentlicher Korruption und Werten vorstellbar, insbesondere hinsichtlich der Werte Bewahrung und Universalismus. In korrupten Ländern garantiert die Polizei nicht mehr die Sicherheit aller und verletzt dadurch das Gebot der Gleichbehandlung. Somit wird einerseits der Wert Bewahrung nicht mehr von der Polizei befriedigt und andererseits wird die Wichtigkeit von Fairness und Gleichheit missachtet, die dem Wert Universalismus zugrunde liegt. Daraus lassen sich die folgenden zwei Cross-Level-Interaktionshypothesen formulieren: HKORR×BEWA In Ländern mit hoher öffentlicher Korruption ist der Effekt von Bewahrung auf Vertrauen in die Polizei negativer als in Ländern mit geringer öffentlicher Korruption. HKORR×UNIV In Ländern mit hoher öffentlicher Korruption ist der Effekt von Universalismus auf Vertrauen in die Polizei negativer als in Ländern mit geringer öffentlicher Korruption. Es werden keine Interaktionen zwischen öffentlicher Korruption und dem Wert Macht sowie der Interaktion zwischen öffentlicher Korruption und dem Wert Selbstbestimmung erwartet.

5.4

Migrationshintergrund und Vertrauen in die Polizei

5.4.1

Migrationshintergrund als positiver Einfluss

Diverse Untersuchungen analysieren den Zusammenhang zwischen einem Migrationshintergrund3 und Vertrauen in Institutionen im Allgemeinen und in die Polizei im Speziellen. Röder und Mühlau (2012) zeigten, dass in Europa Migranten der ersten Generation ein signifikant höheres Vertrauen in staatliche Institutionen haben als Nicht-Migrantinnen. Bei Personen der zweiten Migrationsgeneration konnte kein solcher Unterschied festgestellt werden. Eine weitere Studie untersuchte bei Migranten in England und Wales Vertrauen in die Polizei und kam zum Resultat, dass die Aufenthaltsdauer einen direkten Einfluss hat. Personen mit einer kurzen 3

In dieser Arbeit wird explizit nur mit dem Migrationshintergrund und nicht mit dem Konzept der ethnischen Minderheiten gearbeitet. Für den Zusammenhang zwischen ethnischen Minderheiten und Vertrauen in die Polizei sind folgende Studien zu empfehlen: Tyler (2005); Gabbidon und Higgins (2009); Lai und Zhao (2010).

64

5

Interplay

Aufenthaltsdauer weisen signifikant höheres Vertrauen in die Polizei auf als die Vergleichsgruppe der Nicht-Migrantinnen. Dieser Unterschied verringert sich mit der Länge der Aufenthaltsdauer (Bradford et al. 2017). Als mögliche Erklärung, warum Migranten der ersten Generation höheres Vertrauen in die Polizei als die restliche Bevölkerung besitzen, wird eine schlechtere Performanz der Institutionen in den Herkunftsländern vermutet. Die Akkulturation führt dann dazu, dass sich Personen mit Migrationshintergrund mit zunehmender Aufenthaltsdauer der beheimateten Bevölkerung anpassen (Bradford et al. 2017; Röder & Mühlau 2012). Diese Erklärung wird von Nannestad et al. (2013) gestützt. Sie stellten fest, dass vier Bevölkerungsgruppen, die in Dänemark leben, höheres Vertrauen in die Polizei aufweisen als Vergleichsgruppen im jeweiligen Ursprungsland. Bei den untersuchten Gruppen handelt es sich um Türken, Pakistanerinnen, Montenegrinerinnen und Bosnier, wobei zu beachten ist, dass diese vier Länder schlechtere politische Institutionsleistungen als Dänemark aufweisen (Kaufmann & Kraay 2019; vgl. Tabelle 2.1 «Political Terror Scale Levels 2011»).4 Daraus lässt sich folgende Hypothese ableiten: HM1Ga Migrantinnen der ersten Generation vertrauen der Polizei mehr als NichtMigranten.

5.4.2

Migrationshintergrund als negativer Einfluss

Auf der anderen Seite gibt es Mechanismen, die dazu führen können, dass Personen mit Migrationshintergrund von Polizistinnen anders als Nicht-Migranten behandelt werden. Raster und Typisierungen sind für die Arbeit von Polizisten unerlässlich, können aber als Diskriminierungen oder social profiling verstanden werden (Behr 2016).5 4

Ob bei einer Migration in die andere Richtung bei Migrantinnen das Vertrauen in die Polizei geringer ist als im Heimatland, wurde bis anhin nicht untersucht. 5 Der Mix von Stereotypen, Ideen, Erlebnissen und den Polizeikulturen führt zu einer Tradition innerhalb der Polizeiarbeit, die im kollektiven Gedächtnis verbleibt und durch Einstellungen und Überzeugungen sichtbar wird. Wird Diskriminierung durch die Polizei als kollektive Praxis verstanden – und eben nicht als individuelle Pathologie – lässt sich besser verstehen, wie Diskriminierung institutionell verankert ist. Um das grundsätzliche Ziel der Polizei – die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung – zu erreichen, werden die Diskriminierungspraktiken als Selbstverständnis der Institution Polizei in der täglichen Polizeiarbeit angewendet (Behr 2016).

5.4 Migrationshintergrund und Vertrauen in die Polizei

65

Aufgrund dieser Raster und Typisierungen haben Migranten, die augenscheinlich zu einer ethnischen Minderheit gehören, vermehrt Kontakt mit der Polizei, wobei diese Kontakte im Vergleich mit anderen Bevölkerungsgruppen häufig negativer erlebt werden (Bradford et al. 2017; Huebner et al. 2004; Ivkovi´c 2008; Payne & Gainey 2007). Verschiedene Untersuchungen konnten zum Beispiel zeigen, dass die Polizei Minderheiten teilweise anders als Nicht-Migranten bei Durchsuchungen, Stopps oder Verhaftungen behandelt (Erez 1984; Jackson et al. 2012; Skogan 2005; Tuch & Weitzer 1997). Geiger-Oneto und Phillips (2003) zeigten an einer USamerikanischen Universität mit sehr heterogener Studentenschaft, wer welche Erfahrungen mit der Polizei gemacht hat und wer eher Drogen mit sich führte. Während afroamerikanische und lateinamerikanische Männer häufiger als weisse Männer kontrolliert wurden, hatten letztere am häufigsten Drogen bei sich. Unter diesem Aspekt lassen sich weitere empirische Studien einordnen, die einen negativen Effekt eines Migrationshintergrunds auf Vertrauen in die Polizei feststellen (vgl. Rosenbaum et al. 2005; Schafer et al. 2003; Semukhina & Reynolds 2014). Dabei ist besonders prozedurale Fairness wichtig für die Polizei. Wird eine Interaktion mit der Polizei als fair wahrgenommen, führt dies zu höherem Vertrauen in die Polizei. Ist dagegen die prozedurale Fairness nicht gegeben, verliert die Polizei Vertrauen und büsst an Legitimation ein (Tyler 2001, 2005).6 Zum Beispiel führt eine erhöhte Präsenz der Polizei in Gegenden mit einem höheren Migrationsanteil dazu, dass Migranten den Kontakt mit der Polizei oftmals als willkürlich und nicht fair ansehen, was wiederum zu einem Vertrauensverlust führt (Taylor et al. 2015). Dieser negative Effekt kann schon bei Migranten der ersten Generation, aber auch erst im Laufe der Zeit auftauchen. Das heisst, dass der negative Effekt stärker wird und Personen der zweiten Migrationsgeneration der Polizei ebenfalls signifikant weniger vertrauen als Nicht-Migrantinnen. Es kann aber auch bedeuten, dass der anfänglich positive Effekt der ersten Generation verschwindet. Daraus lassen sich folgende Hypothesen generieren: HM1Gb Migrantinnen der ersten Generation vertrauen der Polizei weniger als Nicht-Migranten. HM2G Migranten der zweiten Generation vertrauen der Polizei weniger als NichtMigrantinnen.

6

Prozedurale Fairness ist zwar eine wichtige eigenständige Erklärungsvariable für Vertrauen in die Polizei, jedoch nicht in allen verwendeten Datensätzen vorhanden. Deshalb muss auf sie verzichtet werden.

66

5.5

5

Interplay

Theoretisches Modell

Die entwickelten Hypothesen lassen sich im folgenden theoretischen Modell zusammenfassen (Abbildung 5.1). öffentliche Korruption

Kontextebene Individualebene

Bewahrung

Selbstbestimmung Universalismus 1. Migrationsgeneration

2. Migrationsgeneration

HMACH

HSEBE HUNIV HM1G HM2G

Vertrauen in die Polizei

Macht

HBEWA

Kontrollvariablen Abbildung 5.1 Theoretisches Modell

HKORR Je mehr öffentliche Korruption in einem Land wahrgenommen wird, desto geringer ist das allgemeine Vertrauen in die Polizei. HBEWA Je wichtiger der Wert Bewahrung für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei. HKORR×BEWA In Ländern mit hoher öffentlicher Korruption ist der Effekt von Bewahrung auf Vertrauen in die Polizei negativer als in Ländern mit geringer öffentlicher Korruption. HMACH Je wichtiger der Wert Macht für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei. HSEBE Je wichtiger der Wert Selbstbestimmung für eine Person ist, desto geringer ist deren Vertrauen in die Polizei.

5.5 Theoretisches Modell

67

HUNIV Je wichtiger der Wert Universalismus für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei. HKORR×UNIV In Ländern mit hoher öffentlicher Korruption ist der Effekt von Universalismus auf Vertrauen in die Polizei negativer als in Ländern mit geringer öffentlicher Korruption. HM1Ga Migrantinnen der ersten Generation vertrauen der Polizei mehr als Nicht-Migranten. HM1Gb Migrantinnen der ersten Generation vertrauen der Polizei weniger als Nicht-Migranten. HM2G Migranten der zweiten Generation vertrauen der Polizei weniger als Nicht-Migrantinnen.

Teil II Methodologie

6

Datensätze

In diesem Kapitel werden in dieser Arbeit die verwendeten Datensätze vorgestellt, beurteilt und in Relation zueinander gesetzt.

6.1

European Social Survey

Der ESS ist eine «academically-driven multi-country survey» (ESS 2012b), der im Zweijahresrhythmus erhoben wird. 2002/2003 wurde die erste Erhebung, 2018/2019 die neunte Welle durchgeführt. Die drei Hauptziele des ESS (2012b) sind 1. Inhalt Das Monitoring von Veränderungen öffentlicher Einstellungen und Wertehaltungen innerhalb Europas erheben 2. Methodologie Bessere Methoden für ländervergleichende Befragungen entwickeln und testen 3. Zeitreihe Eine Zeitreihe von Sozialindikatoren in Europa zu spezifischen Themen – zum Beispiel Demokratie oder Familienarbeit – entwickeln und erheben Die Gesamtpopulation des ESS sind Personen ab 15 Jahren, wohnhaft in einem privaten Haushalt in einem der teilnehmenden Länder. Grundsätzlich können alle Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_6.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_6

71

72

6

Datensätze

europäischen Länder teilnehmen, jedoch sind nicht alle Länder bei jeder Erhebungswelle dabei (ESS 2012b).

6.1.1

Stichprobe des European Social Survey

In dieser Arbeit werden die ESS-Daten der Welle 6, erhoben im Jahr 2012, verwendet (ESS 2012a). In dieser Welle sind, wie in Abbildung 6.1 ersichtlich, 29 Länder enthalten: Albanien, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Israel, Italien, Kosovo, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Russland, Schweden, die Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, die Ukraine, Ungarn, das Vereinigte Königreich und Zypern (ESS 2012b).

Blau schattierte Länder (hell und dunkel) wurden untersucht (eigene Darstellung, erstellt mit mapchart.net.)

Abbildung 6.1 Europakarte der Länder, die Teil der 6. ESS-Welle sind

6.2 World Values Survey

73

Die Auswahl der Stichprobe muss folgende Eigenschaften haben: • Die Stichprobe muss für Personen ab 15 Jahren, die in den privaten Haushalten des jeweiligen Landes ansässig sind, repräsentativ sein – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrer Sprache; • die Individuen werden in jeder Phase streng zufällig ausgewählt; • eine Quotenauswahl ist zu keinem Zeitpunkt zulässig; • alle Länder müssen mindestens eine effektiv erzielte Stichprobe von 1500 Personen aufweisen. Länder mit weniger als zwei Millionen Einwohnerinnen benötigen eine Stichprobe von mindestens 800 Individuen (ESS 2019a).

6.1.2

Erhebungsablauf des European Social Survey

Für den ESS gibt es methodische Vorgaben für eine bessere Standardisierung der Erhebungswerte und somit für eine bessere Vergleichbarkeit der Länderergebnisse. Es sind Fragebogen in zahlreichen Sprachen notwendig. Zum Teil wird in einem Land in mehr als einer Sprache befragt, in der Schweiz beispielsweise wird der Fragebogen auf Deutsch, Italienisch und Französisch benötigt. Die Ausgangssprache des Fragebogens ist British Standard English. Die Fragebogen werden anschliessend von den nationalen Teams in die entsprechenden Landessprachen übersetzt. Dazu wird die TRAPD-Methode verwendet, die die Schritte Übersetzung (Translation), Überprüfung (Review), Beurteilung (Adjudication), Vortests (Pretesting) und Dokumentation (Documentation) umfasst (ESS 2019b). In einigen Ländern werden vor den Interviews Informationsbriefe versendet, um eine höhere Akzeptanz der Umfrage und dadurch eine bessere Abdeckung der Zielstichprobe zu erreichen. Die Datensammlung muss mittels Face-to-Face ComputerAssisted Personal Interviews durchgeführt werden. Die Interviewer werden für die Befragungen geschult und erhalten in den meisten Ländern pro erfolgreich durchgeführtes Interview eine Entschädigung. Dagegen werden zum Beispiel in Norwegen die Interviewer unabhängig von der Anzahl der durchgeführten Interviews nach Zeitaufwand bezahlt (ESS 2012a).

6.2

World Values Survey

Der WVS legt seine Schwerpunktthemen so fest, dass er ein besseres Verständnis für den Wandel von Überzeugungen, Werten und Motivationen auf der Welt ermöglicht. Der WVS wurde schon in rund 100 Ländern erhoben. Gewisse Fragen werden in jeder Welle gestellt, andere jedoch nur sporadisch oder gar einmalig (WVS 2019b).

74

6

Datensätze

Der WVS wurde zwischen 1981 und 1984 erstmals durchgeführt. Die zweite Welle wurde von 1990 bis 1994 realisiert. Seither wurden die darauffolgenden Wellen ohne Unterbrechung erhoben (WVS 2019b).

6.2.1

Erhebungsablauf und Stichprobe des World Values Survey

In dieser Arbeit wird mit WVS-Daten der Welle 6 gearbeitet, die im Zeitraum von 2010 bis 2014 erhoben wurde (Inglehart et al. 2014).1 Die Stichprobe muss in den meisten Ländern mindestens 1200 Interviews umfassen. Sie muss für jedes Land für Personen ab 18 Jahren, die in privaten Haushalten leben, repräsentativ und unabhängig von der Nationalität oder Sprache sein. Wenn möglich sollten Stichproben zufällig ausgewählt werden. Die Haupterhebung sollte mit einem Face-to-Face-Interview durchgeführt werden, wobei die Antworten sowohl auf Papier als auch mithilfe der Computer-Assisted-Personal-InterviewsMethode erfasst werden können (WVS 2019a).2 Die Befragung findet in verschiedenen Sprachen statt, sodass der Fragebogen in die benötigten Sprachen übersetzt werden muss. Teilweise wird er dann für die Überprüfung zurück ins Englische übersetzt – jedoch nicht in allen Ländern. In den meisten Ländern wird der Fragebogen in einem Pretest überprüft (WVS 2019a).

1

In dieser Welle war die Schweiz nicht Teil der Population. Für die Durchführung des WVS existieren kaum standardisierte Abläufe. Dies wird unter anderem daran ersichtlich, dass die Stichproben sehr unterschiedlich ausgewählt werden und gewisse Standardfragen länderübergreifend nicht gestellt werden. Ebenso existiert keine Dokumentation zu einem standardisierten Vorgehen. Während zum Beispiel Deutschland eine sehr ausführliche Dokumentation bereitstellt (vgl. Ipsos Public Affairs 2013), ist in den meisten Ländern bereits die Basisdokumentation lückenhaft, sodass kaum nachvollzogen werden kann, wie die Befragung durchgeführt wurde, wie die Schulung der Interviewer vorgenommen wurde und ob es Anreize für eine Teilnahme gab. Weiter werden scheinbar keine kritischen Überprüfungen der Daten vorgenommen, jedenfalls werden solche nicht dokumentiert. Schliesslich existieren kaum methodische Untersuchungen über die Validität und Reliabilität der Messinstrumente des WVS. Es wird in Kauf genommen, dass es keinen einheitlichen Standard bei der Befragung und der Dokumentation gibt, um den WVS in möglichst vielen Ländern zu erheben. Trotzdem sind Länder aus der SSA-Region stark untervertreten.

2

6.2 World Values Survey

6.2.2

75

Einteilung in sieben Weltregionen

Um Gemeinsamkeiten zwischen einzelnen Ländern aufzudecken, werden die Länder für diese Arbeit nicht nur einzeln untersucht,3 sondern auch – in Anlehnung an die Weltbank – in sieben Weltregionen eingeteilt.4 Während die Weltbank Nordamerika und Lateinamerika inklusive Karibik in zwei Weltregionen unterteilt, werden in dieser Arbeit diese Länder zu einer Weltregion zusammengefasst, weil die USA das einzige nordamerikanische Land in dieser WVS-Welle sind. Europa wird als eine Weltregion betrachtet, um hier einen Vergleich mit den Resultaten des ESS zu erhalten. Die Weltregion Nahost und Nordafrika (MENA – Middle East & North Africa) wird übernommen.5 Während die Weltbank Südasien als eigene Weltregion definiert, werden in dieser Arbeit Süd- und Zentralasien zu einer Weltregion zusammengefasst. Sowohl Subsahara-Afrika (SSA) als auch Ostasien und die Pazifikländer werden wie bei der Weltbank als zwei Weltregionen betrachtet. In dieser Arbeit werden 54 Länder analysiert. In Abbildung 6.2 ist ersichtlich, welche Länder verwendet werden und welcher Weltregion sie zugeteilt sind. China, Jordanien, Katar, Kuwait, Singapur und Südkorea mussten aus der Analyse ausgeschlossen werden, da in diesen Ländern die politische Orientierung der Bürger nicht erfragt werden konnte. China begründet das damit, dass diese Frage zu sensitiv sei (WVS 2013). In Kuwait geht die Begründung ebenfalls in diese Richtung, wobei die Frage offiziell untersagt wurde (WVS 2014). In Jordanien, Singapur und Südkorea gibt es keine offizielle Begründung für das Fehlen der Frage.

3

Die untersuchten Länder sind in alphabetischer Reihenfolge: Ägypten, Algerien, Argentinien, Armenien, Aserbaidschan, Australien, Bahrain, Brasilien, Chile, Deutschland, Ecuador, Estland, Georgien, Ghana, Hongkong, Indien, Irak, Japan, Jemen, Kasachstan, Kirgisistan, Kolumbien, Libanon, Libyen, Malaysia, Marokko, Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Nigeria, Pakistan, Palästina, Peru, Philippinen, Polen, Ruanda, Rumänien, Russland, Schweden, Simbabwe, Slowenien, Spanien, Südafrika, Taiwan, Thailand, Trinidad und Tobago, Tunesien, Türkei, Ukraine, Uruguay, Usbekistan, Vereinigte Staaten von Amerika, Weissrussland und Zypern. 4 Weitere Informationen sind auf der Website der Weltbank zu finden: https://datahelpdesk. worldbank.org/knowledgebase/articles/906519-world-bank-country-and-lending-groups. 5 Während Israel in der Einteilung der Weltbank zur MENA-Region gezählt wird, wird es in dieser Arbeit zu Europa gezählt, da Israel im ESS involviert ist. Da jedoch Israel im WVS Welle 6 nicht befragt wurde, hat diese Einteilung wiederum keinen Einfluss auf die Resultate.

Abbildung 6.2 Weltkarte der verwendeten Länder nach Weltregionen

6

Eigene Darstellung, erstellt mit mapchart.net.

76 Datensätze

6.4 Corruption Perceptions Index

6.3

77

Vergleich der verwendeten Individualdatensätze

Im Folgenden werden die beiden Individualdatensätze ESS und WVS miteinander verglichen.6 Für diese Arbeit wurden Befragungswellen in ähnlichen Zeiträumen ausgewertet, um überhaupt einen validen Vergleich durchführen zu können. Eine grundsätzliche Kritik an Individualerhebungen liegt in der Problematik der selbst berichteten Einschätzung, die zu einer Über- oder Untertreibung im Antwortverhalten und so zu einer allgemeinen Verzerrung führen kann (Morris 2011). Soziale Erwünschtheit könnte ein Grund für Verzerrungen sein. Dabei wäre vor allem eine systematische Verzerrung – zum Beispiel aufgrund des Landes oder des Geschlechts – nicht zielführend (Cao & Burton 2006; Morris 2011). Eine weitere Schwierigkeit bei Ländervergleichen ist die Messinvarianz, womit gemeint ist, dass unter den verwendeten Termini überall das Gleiche verstanden wird. Messinvarianz ist nötig, um Aussagen über Länder hinweg zu vergleichen. Ist dies nicht gegeben, können erhebliche Standardfehler auftreten, die wiederum Variablen als nicht signifikant erscheinen lassen können (Hox 2002). Zehn Länder wurden sowohl im WVS als auch im ESS befragt: Deutschland, Estland, Niederlande, Polen, Russland, Schweden, Slowenien, Spanien, Ukraine und Zypern. Auf der Basis der Resultate dieser Länder lassen sich die beiden verwendeten Datensätze auf der aggregierten Länderebene vergleichen.7

6.4

Corruption Perceptions Index

Der CPI ist ein zusammengesetzter, länderspezifischer Indikator für wahrgenommene Korruption im öffentlichen Sektor oder bei Beamten und Politikern. Der Index wird aus verschiedenen korruptionsbasierten Daten reputabler Institutionen gebildet (TI 2011a).8

6

Es wurde keine Gewichtung der Daten vorgenommen. Während dies beim ESS eine valide Option darstellt und verschiedene Gewichtungsvariablen existieren (vgl. ESS 2014), gibt es beim WVS keine solchen Gewichtungsvariablen. Damit die Daten der beiden Datensätze übereinstimmend behandelt werden, wurde vollständig auf eine Gewichtung verzichtet. 7 Eine präzise Analyse dieser zehn europäischen Länder erfolgt in Kapitel 14 «Vergleich der Resultate beider Individualdatensätze». 8 Für weiterführende Informationen ist die Website TI zu empfehlen: https://www. transparency.org/.

78

6.4.1

6

Datensätze

Erhebungsablauf und Stichprobe des Corruption Perceptions Index

Der in dieser Arbeit verwendete Datensatz ist der CPI 2011 (TI 2011b), der im Jahr 2011 insgesamt 183 Länder umfasste. Die Daten für den CPI 2011 stammen aus 17 Datenquellen und wurden von 13 Organisationen erhoben und bereitgestellt. Ein Land wird erst dann in den Index aufgenommen, wenn mindestens drei Datenquellen vorhanden sind.9 Bei den Quellen handelt es sich um eine Mischung aus Wirtschaftsumfragen, Risikoanalysen und Daten von Länderexperten internationaler Institutionen (TI 2011a). In Abbildung 6.3 sind die in dieser Arbeit verwendeten Länder entsprechend ihrem CPI-Wert eingefärbt. Die Berechnung des globalen CPI-Werts erfolgt in mehreren Schritten: 1. Die Daten werden pro Datenquelle summiert. Sind für ein Land mehrere Fragen pro Quelle vorhanden, wird der Mittelwert verwendet; 2. Standardisierung der Daten; 3. Bildung eines Durchschnittswerts anhand aller vorhandenen Datenquellen; 4. Schätzung eines Daten-Unsicherheitsmasses (TI 2011a).

6.4.2

Kritik am Corruption Perceptions Index

Der CPI wird seit 1995 jährlich erhoben und deckt weltweit einen Grossteil der Länder ab. Seine Standardisierung macht ihn für die vergleichende Forschung zu einem fruchtbaren Instrument und die Verwendung mehrerer Quellen minimiert den totalen Messfehler (Charron, Lapuente & Rothstein 2013). Jedoch ist die Anzahl der verwendeten Quellen je nach Land sehr unterschiedlich, was dazu führen kann, dass die Indizes in besser entwickelten Ländern reliabler sind, da eine grössere Anzahl Quellen für die Berechnung des CPI-Werts herangezogen wird (Golden & Picci 2005). Der CPI ist ein Index für die wahrgenommene Korruption. Eine Kritik daran lautet, dass die wahrgenommene Korruption nicht der tatsächlichen Korruption entspricht (Rose & Peiffer 2015). Bei zusammengesetzten Korruptionsindizes wird zudem die Kritik angebracht, dass sie gängige Vorannahmen reproduzieren und nicht der Realität entsprechen (Donchev & Ujhelyi 2014; Treisman 2007). Diese These wird durch die Beobachtung gestützt, dass sich der CPI über die Zeit in den 9

Die Tabelle mit der Übersicht über die möglichen und verwendeten Datenquellen pro Land ist im elektronischen Zusatzmaterial ersichtlich.

Abbildung 6.3 Weltkarte mit den CPI-Werten Nur Länder, die in dieser Arbeit verwendet wurden, sind dargestellt

Eigene Darstellung, erstellt mit mapchart.net.

6.4 Corruption Perceptions Index 79

80

6

Datensätze

einzelnen Ländern kaum verändert, was aber auch daran liegen kann, dass Korruption kaum Veränderungen unterliegt (Fazekas, Tóth & King 2013). Weiter wird hinterfragt, ob die Befragung von Experten internationaler Institutionen ein valides Instrument für die Erfassung von Korruption darstellt (Heywood 1997). Bei der Verwendung solcher Expertendaten besteht etwa das Problem, dass es keine Transparenz darüber gibt, wie diese Daten entstehen und gewichtet werden. Weiter besteht die Gefahr, dass die Bewertungen von Expertinnen auf deren Erfahrungen beruhen, somit vermehrt Vergangenes integrieren und so der aktuellen Situation nicht gerecht werden (Charron, Lapuente & Rothstein 2013; Mungiu-Pippidi 2016; Treisman 2000). Weil zusammengesetzte Indikatoren auf der Makroebene angesiedelt sind, können diese schliesslich nicht herangezogen werden, um interindividuelle Variationen innerhalb eines Lands zu erklären (Montinola & Jackman 2002). Ein grundsätzliches Problem ist zudem, dass keine einheitliche Definition von Korruption existiert. Folglich werden in den Datensets des CPI verschiedenste Dinge als Korruption verstanden und erfasst. Das Spektrum geht zum Beispiel von Korruption auf höchster Regierungsebene bis zu Alltagskorruption einzelner Beamtinnen. Gleichzeitig wird aber in gewissen Datenerhebungen ausschliesslich nach Bestechung gefragt. Diese stellt jedoch nur eine bestimmte Art von Korruption dar (Chabova 2017b).

6.4.3

Andere mögliche Korruptionsdatensätze

Neben dem CPI kommen weitere Datenquellen für eine Operationalisierung von Korruption infrage, wobei diese Datenquellen in drei Typen unterteilt werden können: • zusammengesetzte Indizes, • Meinungsdatensätze auf Mikroebene, die Erfahrungen mit Korruption festhalten, • Meinungsdatensätze auf Mikroebene, die nach der Wahrnehmung von Korruption fragen (Chabova 2017b). Der Control of Corruption Index 10 , ebenfalls ein zusammengesetzter Datensatz, wäre eine alternative Datengrundlage für diese Arbeit gewesen, da sowohl für den erfragten Zeitraum als auch für die allermeisten Länder entsprechende Daten vorhanden sind. Der Control of Corruption Index wird von der Weltbank erhoben und 10

Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Control of Corruption Index wird an dieser Stelle auf Kaufmann, Kraay und Mastruzzi (2004) verwiesen.

6.4 Corruption Perceptions Index

81

umfasst bis zu 31 Datenquellen, die nicht nur auf Expertenerfahrungen beruhen, sondern auch auf Bevölkerungsumfragen. Ein weiterer wichtiger Unterschied zum CPI liegt darin, dass der Control of Corruption Index die Quellen gewichtet, während beim CPI alle Datenquellen gleichwertig behandelt werden (Chabova 2017b). Chabova (2017b) hat für europäische Länder die Korrelationen zwischen den beiden Indizes untersucht und zeigt, dass extrem hohe Korrelationen zwischen den Indizes bestehen. So konnten für die Jahre 1996 bis 2014 Pearson-Korrelationswerte zwischen r = 0.95 und r = 0.99 festgestellt werden. Trotz teilweise unterschiedlich starker Zusammenhänge zwischen einzelnen Ländern zeigen beide Indizes übereinstimmende Tendenzen und sind weitestgehend austauschbar. Die Entscheidung für den CPI und gegen den Control of Corruption Index basiert auf der Tatsache, dass der CPI der ältere der beiden Indizes ist. Insbesondere für Europa hätten weitere Datensätze zur Messung von Korruption verwendet werden können: • Die Wahrnehmung von Korruption auf der Mikroebene wurde in folgenden repräsentativen Meinungserhebungen zumindest einmal erfragt: Eurobarometer, ESS11 , Global Corruption Barometer, International Social Survey Programme und WVS12 haben alle die Wahrnehmung von Korruption erhoben. Der Hauptvorteil dieser Art der Befragung liegt darin, dass es sich um Mikrodaten handelt. Jedoch besteht die Gefahr, dass die Antworten – zum Beispiel durch mediale Einflüsse – verzerrt werden (Chabova 2017b). • Ebenfalls fragten Eurobarometer, ESS, Global Corruption Barometer und International Social Survey Programme nach individuellen Erfahrungen mit Bestechung. Der Vorteil dieser Frage liegt klar in der Erfragung realer Erfahrungen, wobei die Problematik einer Antwortverzerrung grösser als in anderen Erhebungsarten ist, da es sich bei Korruption um eine soziale Handlung im Dunkelfeld handelt und das Antwortverhalten nicht dem tatsächlichen Ausmass entspricht. Zudem wurde in diesen Umfragen ausschliesslich nach Bestechung gefragt, die wiederum nur ein Teilbereich der Korruption ist (Chabova 2017b).

11

Wahrgenommene individuelle Korruption wurde im ESS in Welle 5 erfragt und konnte daher für diese Arbeit nicht berücksichtigt werden. 12 Wahrgenommene individuelle Korruption wurde im WVS in Welle 2 erfragt und konnte daher für diese Arbeit nicht berücksichtigt werden.

7

Operationalisierung

Im Folgenden werden die Operationalisierungen der verwendeten Variablen besprochen:1 zunächst die abhängige Variable «Vertrauen in die Polizei», anschliessend die Makrovariable «Öffentliche Korruption», gefolgt von den vier individuellen Werten. Die Operationalisierung des Migrationshintergrunds wird vor der Operationalisierung der Kontrollvariablen dargelegt.

7.1

Vertrauen in die Polizei

Im ESS wird Vertrauen in die Polizei mit einer Frage auf einer 11er-Skala erfragt. Die Frageformulierung lautet: «Bitte sagen Sie mir, wie Sie persönlich Ihr Vertrauen in die folgenden Institutionen [...] auf einer Skala von 0 bis 10 einstufen würden. 0 bedeutet, dass Sie in eine Institution überhaupt kein Vertrauen haben, 10 steht für Ihr volles Vertrauen.» Im WVS wird Vertrauen in die Polizei zwar ebenfalls mit nur einer Frage, aber auf einer 4er-Skala erhoben: «Nun nenne ich Ihnen einige Namen von Institutionen. Sagen Sie mir, ob Sie sehr viel, ziemlich viel, wenig oder überhaupt kein Vertrauen in die jeweils genannten Institutionen haben [...] Die Polizei.» Die Frage wurde für die Analyse in dieser Arbeit recodiert, damit wie im ESS das höchste Vertrauen dem höchsten Wert entspricht. 1 Die dazugehörige Operationalisierungstabelle befindet sich im elektronischen Zusatzmaterial.

Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_7.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_7

83

84

7

Operationalisierung

Da Vertrauen in Institutionen über Länder hinweg konsistent gleich verstanden wird (vgl. Listhaug & Wiberg 1998; Mishler & Rose 1997; Zmerli & Newton 2008), lassen sich Länder anschliessend miteinander vergleichen. Besonders in Europa beziehungsweise anhand des ESS - zeigt sich eine metrische und skalare Invarianz zwischen den Ländern (Schaap & Scheepers 2014). Im WVS sowie im ESS wurde die Variable «Vertrauen in die Polizei» nur mit einer Frage erhoben, wobei eine mehrdimensionale Erhebung wünschenswert gewesen wäre. Dadurch hätten Facetten, zum Beispiel die Arbeitsqualität der Polizei in einer bestimmten Stadt oder die Interaktionen zwischen Polizei und Bevölkerung, abgedeckt werden können. Jedoch haben verschiedene Studien eine hohe Korrelation zwischen dem allgemeinen Vertrauen in die Polizei und der Zufriedenheit mit spezifischen Tätigkeiten bezüglich der Polizei nachgewiesen (Brandl et al. 1994; Cao & Hou 2001). Daher ist die eine Frage in beiden Erhebungen aussagekräftig.

7.2

Öffentliche Korruption

Um öffentliche Korruption zu erfassen, wurde in dieser Arbeit der CPI 2011 verwendet. Der CPI bietet die Möglichkeit, die meisten Länder in Bezug auf die wahrgenommene Korruption zu beurteilen. Der CPI wird als Wert zwischen 0.00 (höchste Wahrnehmung von Korruption) und 10.00 (geringste Wahrnehmung von Korruption) angegeben. Der CPI wird pro Land angegeben, weswegen es sich um eine Kontextvariable handelt. Für alle in dieser Arbeit betrachteten Länder konnte ein CPI-Wert in die Analyse einbezogen werden. Die einzige Ausnahme bildet Palästina, da für dieses Territorium im Jahr 2011 kein CPI-Wert vorliegt. Um Palästina trotzdem in die Analyse einzubeziehen, wurde der Mittelwert der Jahre 2003 bis 2005 verwendet, da dies die aktuellsten vorliegenden Daten sind (The Global Economy 2019). Es wurden keine weiteren Anpassungen an CPI-Werte vorgenommen.

7.3

Individuelle Werte

Der Schwartz Value Survey beinhaltet 57 Einzelwerte, die jeweils die zehn postulierten motivationalen Ziele repräsentieren sollen. Die Befragten schätzen diese Werte als Leitprinzipien auf einer 9er-Skala ein, wobei 7 «äusserst wichtig» bedeutet, 0 für «nicht wichtig» steht und –1 als «nicht mit meinen Werten vereinbar» gewichtet wird (Schmidt et al. 2007). Der Schwartz Value Survey wurde in verschiedenen Samples und Ländern validiert (vgl. Boehnke et al. 1998; Fischer & Schwartz 2011;

7.3 Individuelle Werte

85

Fontaine et al. 2008; Schmidt et al. 2007; Schwartz 1992; Schwartz & Rubel 2005), wobei er von Befragten oftmals als eine intellektuelle Herausforderung beschrieben wurde, sodass andere Arten von Messinstrumenten entwickelt wurden (Schwartz et al. 2001). Es existieren heute diverse Messmethoden, um die Werte nach Schwartz zu erfassen. Der Portraits Value Questionnaire (PVQ) ist eine dieser Messmethoden. Er besteht aus verbalen Porträts von 40 Menschen. Dabei werden indirekt über jedes Porträt bestimmte Bereiche eines einzelnen Werts abgefragt. Die Porträts beschreiben unterschiedliche Ziele, Wünsche oder Erwartungen, wodurch sich Bewertungen der individuellen Werte ergeben (Davidov 2008), die Werte aber nicht direkt genannt werden. Die Fragen werden abhängig vom Geschlecht der zu befragenden Person formuliert. Dass die Fragen aus mehreren Teilen zusammengesetzt sind und sich dadurch Doppelfragen ergeben, mindert die Datenqualität nicht (Schwartz 2003). Die Befragten geben jeweils an, wie ähnlich sie einer porträtierten Person sind. Zudem wurde die Skalierung so verändert, dass nur verbale Antworten und keine Zahlen mehr verwendet werden. Schliesslich beansprucht die Beantwortung des PVQ deutlich weniger Zeit. Die beiden Messinstrumente wurden gegeneinander getestet und als valide beurteilt (Schmidt et al. 2007; Schwartz 2001). Der PVQ wurde ebenfalls in diversen Studien getestet und verwendet (vgl. Beckers, Siegers und Kuntz 2012; Beierlein et al. 2012). Die Fragebatterie sowohl im ESS als auch im WVS basiert auf dem 40-Itemlangen PVQ (Schwartz 2001). Für beide Erhebungen wurde aber die Anzahl der Items reduziert. Während die Version im ESS aus 21 Items besteht und somit die zehn Werte jeweils über zwei Items erfasst (eine Ausnahme stellt der Wert Universalismus dar, der mit drei Items abgefragt wird), besteht die gekürzte Version im WVS nur aus zehn Items, sodass jeder Wert über ein Item bestimmt wird. Die internale, die Test-Retest-Reliabilität sowie die Konvergenz-, die Diskriminanz- und die Konstruktvalidität wurden für den PVQ-21 für den ESS getestet und als gut befunden (Schwartz 2001). Alle Werte stimmen in Einleitungstext überein. Dies trifft auch auf die Skalierung sowohl im ESS wie auch im WVS zu. • Im ESS lautet der Einleitungstext: «Im Folgenden beschreibe ich kurz einige Personen. Hören Sie den Beschreibungen aufmerksam zu. Entscheiden Sie jedesmal, ob Ihnen die Person sehr ähnlich, ähnlich, etwas ähnlich, nur ein kleines bisschen ähnlich, nicht ähnlich oder überhaupt nicht ähnlich ist.» • Im WVS wurde folgende Frageformulierung verwendet: «Ich beschreibe Ihnen nun einige fiktive Personen und möchte Sie bitten, mir anhand dieser Liste anzu-

86

7

Operationalisierung

geben, ob die jeweilige Person Ihnen vollkommen ähnlich, sehr ähnlich, ziemlich ähnlich, etwas ähnlich, kaum ähnlich oder gar nicht ähnlich ist.» Dadurch entsteht für beide Erhebungen eine 6er-Skala, die für die weiteren Analysen recodiert wurde, sodass eine höhere Ähnlichkeit einem höheren Wert auf der Skala entspricht. Zur Mittelwertberechnung in den folgenden Analysen musste mindestens ein Item gültig beantwortet worden sein. In Übereinstimmung mit anderen empirischen Studien, wird bei beiden Erhebungen angenommen, dass zumindest eine partielle metrische Invarianz gegeben ist, wenngleich dies aufgrund der Anzahl Items pro Wert nicht überprüft werden kann (vgl. Davidov et al. 2008; Davidov 2010; Schwartz et al. 2001). In dieser Arbeit wird nur eine Auswahl an Schwartz-Werten analysiert. Die Auswahl basiert auf theoretischen Überlegungen.2 Die verwendeten Werte sind Konformität, Macht, Selbstbestimmung, Sicherheit, Tradition und Universalismus. Für eine bessere Trennschärfe zwischen den verwendeten Werten werden diese auf der zweiten Werteordnung (Offenheit für Wandel versus Bewahrung, Selbst-Überwindung versus Selbst-Erhöhung) aggregiert und analysiert (Davidov 2010; Davidov & Beuckelaer 2010). Die Aggregation der Werte führt dazu, dass die drei Werte erster Ordnung Konformität, Sicherheit und Tradition im Wert zweiter Ordnung Bewahrung vereint werden. Damit werden in dieser Arbeit vier Werte verwendet und analysiert: Bewahrung, Wert zweiter Ordnung, sowie die Werte Macht, Selbstbestimmung und Universalismus. Die drei letztgenannten sind Werte erster Ordnung, stehen in dieser Arbeit aber auch für die Werte zweiter Ordnung, nämlich Offenheit für Wandel, Selbst-Erhöhung und Selbst-Überwindung zweiter Ordnung, da keine weiteren dazugehörigen Werte verwendet werden.

7.3.1

Bewahrung

Der Wert Bewahrung ist ein Wert zweiter Ordnung und wird als Mittelwert der Werte erster Ordnung Konformität, Sicherheit und Tradition berechnet. Entsprechend wird er über sechs ESS-Items ermittelt. Die Fragen der sechs Items lauten wie folgt:

2

Für eine vertiefte theoretische Diskussion vgl. Abschnitt 5.2: «Individuelle Werte und Vertrauen in die Polizei».

7.3 Individuelle Werte

87

• «Er/Sie glaubt, dass die Menschen tun sollten, was man ihnen sagt. Er/Sie denkt, dass Menschen sich immer an Regeln halten sollten, selbst dann, wenn es niemand sieht.» (Bewa1)3 • «Es ist ihm/ihr wichtig, sich immer richtig zu verhalten. Er/Sie möchte vermeiden irgendetwas zu tun, von dem die Leute sagen könnten, dass es falsch ist.» (Bewa2) • «Es ist ihm/ihr wichtig, in einer sicheren Umgebung zu leben. Er/Sie vermeidet alles, was seine/ihre Sicherheit gefährden könnte.» (Bewa3) • «Es ist ihm/ihr wichtig, dass der Staat seine/ihre persönliche Sicherheit vor allen Bedrohungen gewährleistet. Er/Sie will einen starken Staat, der seine Bürger verteidigt.» (Bewa4) • «Es ist ihm/ihr wichtig, zurückhaltend und bescheiden zu sein. Er/Sie versucht, die Aufmerksamkeit nicht auf sich zu lenken.» (Bewa5) • «Tradition ist ihm/ihr wichtig. Er/Sie versucht, sich an die Sitten und Gebräuche zu halten, die ihm/ihr von seiner/ihrer Religion oder Familie überliefert wurden.» (Bewa6) Beim WVS wird ebenfalls der Mittelwert aus den drei Werten Konformität, Sicherheit und Tradition verwendet. Die Fragen der drei Items lauten wie folgt: • «Sie (Er) will immer das Richtige tun und es vermeiden, bei anderen anzuecken.» (Konf) • «Sie (Er) meidet alles, was gefährlich ist, und bevorzugt eine sichere Umgebung.» (Sich) • «Sie (Er) achtet Traditionen, die sie (er) von ihrer (seiner) Familie oder Kirche gelernt hat.» (Trad) Durch die Kombination der drei Werte (Konformität, Sicherheit und Tradition) wird ein stärkerer Fokus auf die höhere Wertordnung Bewahrung gelegt, in der es darum geht, den Status quo und die Sicherheit aufrechtzuerhalten (Schwartz 1992). Diese Zusammenlegung ist theoretisch wie empirisch untermauert. Im theoretischen Modell liegen die Werte Konformität und Tradition im gleichen Sektor des Wertekreises. Sie teilen sich das gleiche Ziel, nämlich sich sozialen Erwartungen unterzuordnen (Schwartz 1992). Ebenfalls wurde in verschiedenen empirischen Studien - insbesondere mit ESS-Daten - festgehalten, dass Tradition und Konformität nicht trennscharf auseinandergehalten werden können und es deshalb sinnvoll ist,

3

Im Klammertext wird jeweils die in den statistischen Analysen verwendete Variablenbezeichnung angegeben.

88

7

Operationalisierung

beide in einem Wert zu vereinen (Beckers, Siegers & Kuntz 2012; Davidov 2008; Davidov et al. 2014a).

7.3.2

Macht

Der Wert Macht wird im ESS durch die folgenden beiden zwei Items erfragt. • «Es ist wichtig für ihn/sie, reich zu sein. Er/Sie möchte viel Geld haben und teure Sachen besitzen.» (Mach1) • «Es ist ihm/ihr wichtig, von anderen respektiert zu werden. Er/Sie will, dass die Leute tun, was er/sie sagt.» (Mach2) Im WVS wird die folgende Frage für die Erhebung des Werts Macht verwendet. • «Sie (Er) möchte wohlhabend sein, viel Geld besitzen und sich teure Dinge leisten.» Während in beiden Fragebogen nach dem Besitz von Geld und teuren Dingen gefragt wird, adressiert der ESS zusätzlich die Dimension der Macht über andere Personen.

7.3.3

Selbstbestimmung

Der Wert Selbstbestimmung wird im ESS durch zwei, im WVS durch eine Frage bestimmt. In beiden Fragebogen wird gefragt, wie wichtig es ist, neue Ideen zu entwickeln und Dinge auf eine eigene Weise zu tun. Im ESS wird zusätzlich nach der Unabhängigkeit des Individuums gefragt. Im ESS werden die folgenden beiden Fragen gestellt: • «Es ist ihr wichtig, neue Ideen zu entwickeln und kreativ zu sein. Er/Sie macht Sachen gerne auf seine/ihre eigene originelle Art und Weise.» (ESS: Sebe1) • «Es ist ihm/ihr wichtig, selbst zu entscheiden, was er/sie tut. Er/Sie ist gerne frei und unabhängig von anderen.» (ESS: Sebe2)

7.4 Migrationshintergrund

89

Im WVS wird die folgende Frage gestellt, um den Wert Selbstbestimmung zu erfassen: • «Es ist ihr (ihm) wichtig, neue Ideen zu entwickeln, kreativ zu sein und Dinge auf ihre (seine) eigene Weise zu tun.» (WVS)

7.3.4

Universalismus

Der Wert Universalismus wird im ESS mittels dreier Fragen erhoben: • «Er/Sie hält es für wichtig, dass alle Menschen auf der Welt gleich behandelt werden sollten. Er/Sie glaubt, dass jeder Mensch im Leben gleiche Chancen haben sollte.» (Univ1) • «Es ist ihm/ihr wichtig, Menschen zuzuhören, die anders sind als er/sie. Auch wenn er/sie anderer Meinung ist als andere, will er/sie sie trotzdem verstehen.» (Univ2) • «Er/Sie ist fest davon überzeugt, dass die Menschen sich um die Natur kümmern sollten. Umweltschutz ist ihm/ihr wichtig.» (Univ3) In zwei Fragen geht es um die Gleichbehandlung aller Menschen und in der dritten Frage um die Bedeutung des Umweltschutzes. Obwohl in aktuellen Studien deutlich gezeigt werden konnte, dass Letzterer eine eigene Dimension darstellt (Cieciuch et al. 2014b), kann diese Frage in dieser Arbeit nicht separat betrachtet werden, da im WVS einzig eine Frage nach der Bedeutung der Umwelt für den Wert Universalismus verwendet wird. Da diese Frage eine andere Bedeutung als die Gleichbehandlung aller Menschen hat, wird sie in der Analyse gesondert betrachtet. Die Frage lautet folgendermassen: • «Sich um die Natur und um die Umwelt zu kümmern, ist ihr (ihm) wichtig.»

7.4

Migrationshintergrund

Ein Migrationshintergrund wurde in dieser Arbeit folgendermassen operationalisiert: Falls mindestens ein Elternteil nicht im Land geboren worden war, in dem eine Person befragt wurde, so wurde ihr ein Migrationshintergrund attestiert. Die Operationalisierung berücksichtigt daher den kulturellen Hintergrund stärker als

90

7

Operationalisierung

den Geburtsort. Waren beide Elternteile im Land, das die Befragung durchführte, geboren, hatte aber eine Auslandsgeburt stattgefunden, wurde dieser biografische Umstand bewusst nicht als Migrationshintergrund gewertet. Für die Bestimmung der Migrationsgeneration wurde folgende Operationalisierung gewählt: Personen mit Migrationshintergrund wurden in zwei Kategorien unterteilt. War die befragte Person im Ausland geboren worden, so galt sie als Migrantin erster Generation. Hatte die Geburt im Aufenthaltsland stattgefunden, so galt sie als Migrant zweiter Generation. Für die restliche Population wurde kein Migrationshintergrund vermerkt (vgl. Alders 2001).4 Im WVS wurde die Frage nach einem Migrationshintergrund in folgenden Ländern nicht gestellt: Japan, Palästina und Spanien. In folgenden Ländern haben weniger als fünf Prozent der Befragten einen Migrationshintergrund: Ägypten, Brasilien, Chile, Georgien, Ghana, Irak, Jemen, Kirgisistan, Kolumbien, Libyen, Malaysia, Marokko, Nigeria, Peru, Philippinen, Polen, Rumänien, Russland, Südafrika, Thailand, Tunesien und Usbekistan. Australien und Hongkong haben den Geburtsort der Befragten nicht erhoben. Daher konnte keine Unterscheidung bezüglich Migrationsgeneration gemacht werden. Für diese beiden Länder wurden alle Personen mit Migrationshintergrund der zweiten Generation zugeordnet.5

7.5

Kontrollvariablen

In dieser Arbeit werden fünf Kontrollvariablen verwendet: Alter, Bildung, generalisiertes Vertrauen, Geschlecht und politische Orientierung. Die Auswahl ist bedingt durch die Verfügbarkeit der Kontrollvariablen in den Datensätzen. Zudem zeigen die Ergebnisse früherer Studien einen Einfluss dieser Variablen auf Vertrauen in die Polizei.6 Es wurde keine Kontrollvariable auf der Makroebene verwendet. Diese 4

In der Schweiz waren Ende 2017 2.1 Millionen Menschen ohne Schweizer Bürgerrecht wohnhaft. Das heisst, der Ausländeranteil entsprach etwa 25.1 Prozent (Schweizerische Bundeskanzlei 2018). Menschen mit Migrationshintergrund sind davon zu unterscheiden. Das Bundesamt für Statistik (2019) definiert Personen mit einem Migrationshintergrund folgendermassen: eine Person, die als Migrantin in die Schweiz eingewandert ist, deren direkte Nachkommen in der Schweiz geboren, aber deren Eltern im Ausland geboren worden sind. Personen mit Migrationshintergrund sind somit beim Bundesamt für Statistik leicht anders definiert als in dieser Arbeit. 5 Es wurde überprüft, ob das Vorhandensein der Frage nach einem Migrationshintergrund einen inhaltlichen Unterschied macht. Da die inhaltlichen Ergebnisse stabil sind, wurde die Frage für die Analyse der WVS-Daten beibehalten. 6 Viktimisierung ist eine wichtige Erklärungsvariable für Vertrauen in die Polizei. Obwohl sie in beiden Datensätzen vorhanden ist, wurde von ihrer Verwendung abgesehen. Der ESS

7.5 Kontrollvariablen

91

Limitierung folgt aus der beschränkten Anzahl Länder im ESS. Mehrere Kontextvariablen sind für eine MEA mit 29 Ländern nicht zu empfehlen (McNeish 2017).7

7.5.1

Alter

Sowohl im ESS als auch im WVS wurde nach dem Geburtsjahr gefragt. Anschliessend wurde daraus das Alter berechnet. In der Stichprobe des ESS gibt es Personen im Alter zwischen 14 und 102. Im WVS rangiert das Alter der befragten Person zwischen 18 und 99 Jahren.8 Für die weitere Analyse wurde das Alter in Kategorien eingeteilt: 15- bis 17-Jährige (nur ESS), 18- bis 30-Jährige, 31- bis 45-Jährige, 46bis 60-Jährige (die Referenzkategorie) und über 60-Jährige.

7.5.2

Bildung

Um die Daten miteinander vergleichen zu können, wurde auf die Internationale Standardklassifizierung für Bildung (ISCED 2011) zurückgegriffen. Diese Klassifizierung mit Skalenwerten von 0 bis 8 und deren Bedeutungen sind in Tabelle 7.1 dargestellt.9 Für die Analyse wurden aus der Variable Bildung drei Dummy-Variablen erstellt. Dabei wurden die Klassifikationen ISCED 0 bis 2 als geringe Bildung, ISCED 3 bis 4 als mittlere Bildung und ISCED 5 bis 8 als höhere Bildung codiert. Die mittlere Bildung bildet die Referenzkategorie. Beim ESS wurden 186 Personen aufgrund ihrer Angaben aus dem Datensatz ausgeschlossen. Die Antwortkategorie der Variable Bildung lautete «andere» und konnte daher nicht mit der vorgegebenen Klassifizierung in Einklang gebracht werden.10 Durch die multiple Imputation (vgl. Kapitel 8 «Umgang mit fehlenden Werfragt hier nur nach Einbrüchen oder Körperverletzungen, was eine extreme Einschränkung darstellt und keine weiteren Unterscheidungen zulässt. 7 Die Resultate haben zusätzlich gezeigt, dass in den Berechnungen die erklärte Varianz auf der Makroebene durch die Hinzunahme von Korruption massiv steigt. Eine zweite Kontextvariable ist somit auch aus empirischer Sicht nicht notwendig. 8 Dennoch gibt es auch im WVS in spezifischen Stichproben Personen unter 18 Jahren. Diese wurden aus der Stichprobe entfernt, da sie nicht zur definierten Grundgesamtheit gehören. 9 Für die Bedeutung in der Schweiz ist die Übersicht des Bundesamts für Statistik (2015) geeignet. Für allgemeine Informationen zum ISCED ist die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (2012) zu konsultieren. 10 Die Mehrzahl der 186 Personen stammt aus dem Vereinigten Königreich (N = 73), Israel (N = 34) und Deutschland (N = 25); es konnte kein Muster erkannt werden.

92

7

Operationalisierung

Tabelle 7.1 ISCED-Klassifikation und ihre Bedeutung

ten») wären diese Personen in eine reproduzierende Struktur gebracht worden, die auf diese Individuen jedoch gar nicht zutrifft. Die Einteilung gemäss Tabelle 7.1 ermöglicht einen Vergleich zwischen einzelnen Ländern. Dennoch ist die Bildungspolitik länderspezifisch und kann einen Einfluss auf die Verbreitung der Bildungsabschlüsse haben. Entsprechend deutet eine höhere Bildungsquote in einem Land nicht zwingend auf besser gebildete Menschen hin (Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung 2014).

7.5.3

Generalisiertes Vertrauen

Rotter (1967) entwickelte die Interpersonal Trust Scale, um das Persönlichkeitsmerkmal Vertrauen zu messen. Dieses Instrument wird in der sozialpsychologischen Forschung eingesetzt, um Menschen auf einer Skala von «vertrauensvoll» bis hin zu «misstrauisch» einzuordnen. Ist ein Mensch tendenziell vertrauensvoll, so schreibt er fremden Menschen und Organisationen grundsätzlich eine gewisse Vertrauenswürdigkeit zu (Evans 2016). Neben der Interpersonal Trust Scale liegen andere Verfahren zur Erfassung des generalisierten Vertrauens vor. Eine typische, in den bekanntesten sozialwissen-

7.5 Kontrollvariablen

93

schaftlichen Fragebogen11 erhobene Frage lautet, wie hoch das Vertrauen in Fremde ist (Nannestad 2008). Generalisiertes Vertrauen wird im ESS wie folgt erfragt: «Gehen Sie in der Regel davon aus, dass man den meisten Menschen trauen kann, oder sind Sie eher der Meinung, dass man nicht vorsichtig genug sein kann? 0 bedeutet hier, dass man nicht vorsichtig genug sein kann, 10, dass man den meisten Menschen trauen kann.» Im WVS wird generalisiertes Vertrauen auf einer dichotomen Antwortskala gemessen. Die Frage dazu lautet: «Würden Sie ganz allgemein sagen, dass man den meisten Menschen vertrauen kann, oder dass man da gar nicht vorsichtig genug sein kann?» Diese Frage wurde für die weiteren Analysen umgepolt. Dabei bildet die Antwort «man kann nicht vorsichtig genug sein» die Referenzkategorie. Im ESS und WVS zielen diese ähnlichen Fragen darauf ab, generalisiertes Vertrauen zu erfassen. Obwohl solche Fragen weit verbreitet sind, gibt es Diskussionen hinsichtlich ihrer Validität und Eindimensionalität. Dabei geht es hauptsächlich um die Wortwahl der Fragen, bei der nicht klar wird, wessen Vertrauen in welcher Situation und unter welchen Umständen adressiert wird (Delhey, Newton & Welzel 2011; Hardin 2006). Generalisiertes Vertrauen und Vertrauen in die Polizei korrelieren miteinander, jedoch ist die Richtung der Abhängigkeit unklar (vgl. Kääriäinen & Sirén 2011; Kaase 1999; Newton & Norris 2000; Rothstein & Stolle 2008).

7.5.4

Geschlecht

Das Geschlecht wurde sowohl im ESS als auch im WVS mit Mann und Frau codiert. Mann ist jeweils die Referenzkategorie.

7.5.5

Politische Einstellung

Die Frage nach der politischen Orientierung wird in beiden Erhebungen ähnlich gestellt. Beim ESS handelt es sich um diese Frage: • «In der Politik spricht man manchmal von ‹links› und ‹rechts›. Wo auf der Skala würden Sie sich selbst einstufen, wenn 0 für links steht und 10 für rechts?»

11

Neben ESS und WVS kann der American General Social Survey (https://gss.norc.org/) genannt werden.

94

7

Operationalisierung

Beim WVS lautet die Frage nach der politischen Selbsteinschätzung so: • «In der Politik spricht man von rechts und links. Wie würden Sie ganz allgemein Ihren eigenen politischen Standort beschreiben: Wo auf dieser Skala würden Sie sich selbst einstufen? 1 Links - 10 Rechts.» Da beim ESS eine 11er-Skala, beim WVS aber eine 10er-Skala vorliegt, unterscheidet sich die Kategorisierung leicht. Beim ESS wurde 0 bis 4 als politisch links, 5 als politische Mitte und 6 bis 10 als politisch rechts kategorisiert. Beim WVS wurde 1 bis 4 als politisch links, 5 und 6 als Mitte und 7 bis 10 als politisch rechts eingestuft. Die politische Mitte wird als Referenzkategorie verwendet. Folgende Länder wurden aus dem WVS ausgeschlossen, da die Frage nicht gestellt worden war: China, Jordanien, Katar, Kuwait, Singapur und Südkorea.12

12

Es wurde überprüft, ob es zu unterschiedlichen Resultaten führt, wenn diese Frage verwendet wird oder nicht. Es konnte festgestellt werden, dass signifikante Unterschiede entstehen, sodass diese Frage nicht aus der Befragung entfernt werden konnte.

8

Umgang mit fehlenden Werten

Fehlende Werte stellen sozialwissenschaftliche Untersuchungen vor grosse Herausforderungen. Empirische Datensätze sind oftmals unvollständig, da befragte Personen Fragen nicht beantworten können oder wollen (Grund et al. 2018). Technische Fehler, zum Beispiel eine falsche Filterung, können ebenfalls fehlende Werte verursachen. Es gibt unterschiedliche Ansätze, um mit fehlenden Werten umzugehen. Während Brown (2006) Variablen, die weniger als 5.0 Prozent fehlende Werte aufweisen, als unproblematisch ansieht, ist für Tabachnick und Fidell (2007) die Struktur fehlender Werte ausschlaggebend. Fehlende Werte können anhand der Entstehung fehlender Daten klassifiziert werden. Dabei wird zwischen drei Varianten unterschieden: • Missing completely at random, • Missing at random, • Missing not at random (Tabachnick & Fidell 2007). Im ersten Fall (Missing completely at random) treten fehlende Werte vollständig zufällig auf und sind somit unabhängig von der Variablen selbst oder anderen Variablen. Im zweiten Fall (Missing at random) hängen fehlende Werte von der beobachteten, aber nicht von der zu untersuchenden Variablen ab. Im dritten Fall (Missing not at random) entsteht das Fehlen der Information aufgrund der Variable, die die fehlenden Werte aufweist (Little & Rubin 2019). Für die Behandlung fehlender Werte wird in der vorliegenden Arbeit grundsätzlich das Muster Missing completely at random oder Missing at random angenommen. Techniken für den Umgang mit fehlenden Werten sind vielfältig und haben sich über die Zeit weiterentwickelt. Eine Möglichkeit ist der listenweise Fallausschluss, eine andere Option die Imputation fehlender Werte, zum Beispiel mit dem Modus © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_8

95

96

8

Umgang mit fehlenden Werten

oder dem arithmetischen Mittelwert. Multiple Imputationen stellen eine weitere Technik dar. Sie werden inzwischen gegenüber dem listenweisen Fallausschluss bevorzugt (Enders 2010, Little & Rubin 2019, Schafer & Graham 2002). Unabhängig davon, welche Methode schliesslich verwendet wird, muss berücksichtigt werden, dass der Anteil fehlender Werte nicht zu hoch sein darf, weil ansonsten die imputierten Modelle eine zu grosse Gewichtung in der Analyse einnehmen. Multiple Imputationen werden für bis zu 30.0 Prozent fehlender Werte konzipiert (Spieß 2010). In dieser Arbeit werden multiple Imputationen verwendet.1 Damit der imputierte Datensatz für die weitere Analyse hinreichend valide ist, müssen plausible Imputationen für die fehlenden Werte generiert werden. Bei der multiplen Imputation werden für jeden fehlenden Wert mehrere plausible Imputationen mit den BayesAnsatz erzeugt. Dabei basiert die Erzeugung der imputierten Werte auf der MarkovChain-Monte-Carlo-Methode – der praktischen Umsetzung des Bayes-Ansatzes. Die zu imputierenden Werte werden durch Simulationsmethoden auf der Basis anderer Parameter erzeugt. Nach einer ausreichenden Anzahl Iterationen konvergieren diese Verteilungen in zunehmendem Masse. Je grösser die Anzahl Iterationen, desto besser die Schätzung. Durch mehrmaliges Wiederholen des Prozederes entstehen mehrere neue Datensätze, die anschliessend zusammengeführt werden. Im resultierenden Datensatz sind alle fehlenden Werte imputiert und vorhanden (Spieß 2010).2 Als Vorbereitung für die Analysen wurden die fehlenden Werte untersucht und über sogenannte Patterns3 beschrieben (Pillinger 2013), um herauszufinden, ob bestimmte Variablen oder die Konstellation bestimmter Variablen zu einer Erhöhung fehlender Werte führen.4

1

In dieser Arbeit wurde ausschliesslich mit multiplen Imputationen gearbeitet, um in allen Analysen mit den gleichen Daten arbeiten zu können, obwohl es für die SEM auch die Möglichkeit der Full-Information-Maximum-Likelihood-Verfahren gibt (vgl. Schafer & Graham 2002). 2 In der vorliegenden Arbeit wurde das R-Software-Package Hmisc für die multiple Imputation verwendet (Harrell 2019). 3 Als Muster oder Pattern wird in dieser Arbeit das Antwortverhalten von Individuen auf einer aggregierten Ebene verstanden. Theoretisch sind (Anzahl Items)2 Patterns möglich. 4 Das Generieren der Missing-Patterns erfolgte mit dem Programm MLwiN (Charlton et al. 2017). Die Patterns wurden anschliessend in Excel ausgewertet.

8.1 ESS-Patterns: Schweiz

8.1

97

ESS-Patterns: Schweiz

Es gibt acht Missing-Patterns für die Schweiz. Tabelle 8.1 listet jene Muster auf, die bei mehr als 1.0 Promille der Schweizer Stichprobe (N = 1493) auftreten. Tabelle 8.1 Übersicht der grössten Missing-Patterns in der Schweiz

In der Schweiz wurde einzig die Frage nach der politischen Einstellung in mehr als 5.0 Prozent der Fälle nicht beantwortet. Insgesamt beantworteten 89 Personen diese Frage nicht. Die restlichen Patterns liegen zwischen 1.0 Promille und 5.0 Promille. Nur dreimal wurde die Frage zum Vertrauen in die Polizei nicht beantwortet. Insgesamt wurde diese Frage achtmal unbeantwortet gelassen. Ein fehlender Wert bei der Bildungsfrage ist insgesamt dreimal vorgekommen und bildet das drittgrösste Pattern. Der Wert Selbstbestimmung wurde zweimal als einzige Frage und zweimal in Kombination mit der politischen Orientierung nicht beantwortet. Die Werte Bewahrung, Macht und Selbstbestimmung sowie die Kontrollvariablen Alter, generalisiertes Vertrauen und Geschlecht weisen keine fehlenden Werte auf. Der Migrationshintergrund konnte in zwei Fällen und in einem Fall zusammen mit der Frage nach der politischen Einstellung nicht codiert werden.

98

8.2

8

Umgang mit fehlenden Werten

ESS-Patterns: Europa

Es gibt 108 aktive Missing-Patterns im ESS, die in dieser Analyse auftreten. Die Tabelle 8.2 listet jene Muster auf, die in über 1.0 Promille der Stichprobe auftreten. Tabelle 8.2 Übersicht der grössten Missing-Patterns in Europa

Das einzige Muster, das in über 10.0 Prozent der Fälle auftritt, ist die Frage zur politischen Orientierung. Insgesamt wurde die Frage 8181 Mal nicht beantwortet. Die Ukraine weist mit 41.2 Prozent die meisten fehlenden Werte in diesem Sample auf, gefolgt vom Kosovo (37.4 %), Portugal (30.6 %), Slowenien (30.0 %), Litauen (28.7 %), Russland (27.7 %) und Zypern (27.3 %). Bulgarien (22.1 %), Estland (18.7 %), Ungarn (17.4 %), Italien (16.5 %), das Vereinigte Königreich (16.2 %), Polen (15.2 %), Irland (13.4 %), Tschechien sowie die Slowakei mit je 10.8 Prozent und schliesslich Albanien (10.5 %) weisen zwischen 10 und 25 Prozent fehlende Werte auf. Die Länder Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, die Niederlande, Norwegen und Schweden weisen Missing-Patterns von maximal 5.0 Prozent auf. Die nächsten zwei relevanten Patterns entstanden entweder bei der Frage nach Vertrauen in die Polizei oder zusätzlich in Kombination mit der politischen Einstellung. Beide Muster liegen zwischen 0.5 Prozent und 1.0 Prozent. Die Frage nach Vertrauen in die Polizei wurde von insgesamt 814 Personen nicht beantwortet. Vor allem wurde diese Frage in Bulgarien, Litauen, Russland und in der Ukraine

8.3 WVS-Patterns: Welt

99

nicht beantwortet (je um 4.0 %). Es zeigt sich, dass die Fragen zu den vier Werten Bewahrung, Macht, Selbstbestimmung und Universalismus oftmals entweder komplett oder gar nicht beantwortet wurden. 226 Personen haben alle Fragen zu ihren Wertehaltungen unbeantwortet gelassen. 75 Personen haben zusätzlich keine Angaben zur politischen Einstellung gemacht. Insgesamt wurde die Frage nach dem Wert Selbstbestimmung (523-mal) am häufigsten nicht beantwortet, gefolgt von den Fragen nach den Werten Macht (485-mal) und Universalismus (454-mal). Im Wert Bewahrung zusammengefasste Fragen wurden 424-mal nicht beantwortet. In Albanien und Italien (je um 4.0 %), ebenso in Israel (3.2 %) und Ungarn (2.0 %) wurden diese Fragen am häufigsten nicht beantwortet. In insgesamt 344 Fällen konnte der Migrationshintergrund nicht festgestellt werden. Einzig in Tschechien mit über 3.0 Prozent fehlenden Werten wurde die entsprechende Frage vermehrt nicht beantwortet. Die Frage zum generalisierten Vertrauen wurde von insgesamt 220 Personen nicht beantwortet, wobei 103 Personen nur diese Frage nicht beantwortet haben. In keinem Land wurde diese Frage vermehrt nicht beantwortet. In 178 Fällen musste das Item Bildung als fehlender Wert codiert werden. Die Frage zum Geschlecht weist insgesamt 17 fehlende Werte auf und ist dabei in Patterns von über 1.0 Promille nicht vorgekommen (daher auch nicht in Tabelle 8.2 aufgeführt).

8.3

WVS-Patterns: Welt

Insgesamt konnten 217 Muster fehlender Werte im WVS festgestellt werden. Dabei wurden nur die relevanten Variablen analysiert: Vertrauen in die Polizei, die vier Werte (Bewahrung, Macht, Selbstbestimmung und Universalismus), Migrationshintergrund, Alter, Bildung, generalisiertes Vertrauen, Geschlecht und politische Orientierung. Tabelle 8.3 stellt einen Auszug der Patterns dar und zeigt jene mit über 1.0 Promille Missings. Die Frage nach der politischen Einstellung führte zu den meisten fehlenden Antworten. Insgesamt haben 13 536 Personen diese Frage nicht beantwortet. Werden die fehlenden Werte pro Land untersucht, lassen sich auch hier Unterschiede feststellen: Algerien (54.6 %), Armenien (41.4 %), Georgien (30.9 %), Jemen (74.8 %), Libanon (30.3 %), Libyen (33.8 %), Marokko (82.6 %), Russland (41.1 %), Slowenien (35.3 %), Trinidad und Tobago (43.8 %), Tunesien (40.6 %) und

100

8

Umgang mit fehlenden Werten

Tabelle 8.3 Übersicht der grössten Missing-Patterns in der Welt

Usbekistan (59.0 %) zeigen in der Beantwortung der politischen Einstellung über 30.0 Prozent Missings.5 Das zweithäufigste Pattern ist jenes, in dem die Angabe zu einem allfälligen Migrationshintergrund fehlt.6 Insgesamt wurde diese Frage bei 4.3 Prozent der Gesamtstichprobe nicht beantwortet. 5

Die Frage nach der politischen Einstellung ist in sozialwissenschaftlichen Forschungen dafür bekannt, einen hohen Anteil fehlender Werte zu generieren. 6 Dies lässt sich insbesondere dadurch erklären, dass Japan, Pakistan und Spanien die Frage nach dem Migrationshintergrund nicht gestellt haben, sodass diese Länder bei dieser Frage als vollständig fehlend aufgeführt sind. Für die weitere Analyse wurde die Variable imputiert. Grundsätzlich lebt in diesen Ländern ein grösserer Anteil an Migranten der zweiten Generation.

8.3 WVS-Patterns: Welt

101

Beim nächsten Pattern fehlender Werte wurde die Frage nach dem generalisierten Vertrauen nicht beantwortet. Dies tritt bei über 1.0 Prozent der Gesamtstichprobe auf. Irak (6.2 %), Japan (7.3 %), Libanon (9.8 %), Libyen (5.8 %), Palästina (10.8 %), Russland (6.0 %), Türkei (5.2 %), Ukraine (6.5 %), Uruguay (9.5 %) und Weissrussland (7.6 %) weisen mehr als 5.0 Prozent Missings auf. Das letzte Pattern mit über 1.0 Prozent fehlender Werte ist die kombinierte NichtBeantwortung der Fragen nach dem Migrationshintergrund und der politischen Orientierung. Insgesamt fehlt diese Kombination bei 836 Personen. Die folgenden Patterns sind bei mehr als 0.5 Prozent der Gesamtstichprobe vertreten. 514 Personen haben lediglich die Frage nach ihrem höchsten Bildungsabschluss nicht beantwortet. Hier fällt besonders Australien mit 417; fehlenden Antworten auf, dies sind 28.0 Prozent der australischen Stichprobe.7 In den restlichen Ländern wurde diese Frage mehrheitlich beantwortet. Die Frage nach Vertrauen in die Polizei wurde insgesamt von 1713 Personen nicht beantwortet. Davon haben 455 nur diese Frage unbeantwortet gelassen. Folgende Länder weisen bei dieser Frage zwischen 5.0 Prozent und 10.0 Prozent fehlender Antworten auf: Algerien, Japan, Libyen, Marokko, Palästina und Polen. Im Jemen haben knapp über 10.0 Prozent der Personen diese Frage nicht beantwortet. Nachfolgend werden jene Patterns aufgeführt, bei denen einzelne oder mehrere Fragen zu individuellen Werten der Befragten unbeantwortet blieben. Insgesamt haben 2788 Personen die Frage zum Wert Selbstbestimmung, 2402 Personen jene nach dem Wert Macht nicht beantwortet. 1140 Personen weisen fehlende Werte für den Wert Bewahrung auf. 1713 Personen haben die Frage nach dem Wert Universalismus nicht beantwortet. Betrachtet man die Patterns, fällt auf, dass bei drei Patterns stets sämtliche Wertefragen gleichzeitig nicht beantwortet wurden. Dies lässt den Schluss zu, dass Befragte tendenziell entweder sämtliche Wertefragen beantworten oder diesen Teil vollständig auslassen – analog zum Antwortverhalten in Europa. So liegen in Chile wie auch in Indien, Tunesien und Marokko bei all diesen Werten mehr als 5.0 Prozent Missings vor. In Algerien, Japan und im Jemen sind es zwischen 5.0 und 11.0 Prozent bei den Werten Selbstbestimmung und Macht. Russland hat beim Wert Selbstbestimmung 16.7 Prozent fehlende Werte ebenso wie beim Wert Macht 23.9 Prozent. Die Niederlande, Rumänien und Usbekistan haben beim Wert Selbstbestimmung zwischen 5.0 und 7.0 Prozent fehlende Werte. Einzig die Kombination der Fragen zum Migrationshintergrund und generalisiertem Vertrauen führt noch zu einem Pattern von über 0.1 Prozent.

7

Die Gründe dafür, dass Australien eine solch hohe Anzahl fehlender Werte aufweist, konnten nicht eruiert werden.

102

8

Umgang mit fehlenden Werten

Die Frage nach dem Geschlecht wurde insgesamt 35-mal nicht beantwortet und ist nicht in Patterns von über 1.0 Promille vorgekommen. Das Alter weist keine fehlenden Werte auf. Es gibt jedoch auch Länder ohne beziehungsweise mit nur sehr wenigen fehlenden Werten in den verwendeten Variablen. So haben in Malaysia und Ägypten gerade einmal eine respektive drei Personen die Frage nach dem Vertrauen in die Polizei nicht beantwortet, bei allen anderen Fragen gibt es in diesen beiden Ländern gar keine Missings. Ebenfalls gibt es in Ghana, Kasachstan, Nigeria, Ruanda und Simbabwe keine fehlenden Werte. Das heisst, in vier der fünf untersuchten Länder aus SSA liegen keine fehlenden Werte in den verwendeten Variablen vor.

9

Methoden

Dieses Kapitel beschreibt die für diese Arbeit relevanten Analysemethoden, nämlich Strukturgleichungs- und Mehrebenenanalysen. Der erste Teil des Kapitels widmet sich der Strukturgleichungsanalyse, wobei zunächst die zugrunde liegenden Methoden der linearen Regression und der CFA behandelt werden. Danach behandelt das Kapitel die Spezifika der SEM und diskutiert anschliessend Gruppenvergleiche und Gütekriterien. Der letzte Teil des Kapitels geht dann auf die MEA ein.

9.1

Strukturgleichungsanalyse

Strukturgleichungsanalysen umfassen diverse Analysetechniken, wie (konfirmatorische) Faktorenanalysen, multiple Regressionen oder Varianzanalysen. Sie zählen zu den datenprüfenden Analysemethoden, was bedeutet, dass ein Hauptzweck die Überprüfung inhaltlicher Hypothesen ist.1

1

Grundsätzlich verwendet man die folgenden drei Arten von Modellprüfungen. Bei der strikt konfirmatorischen Prüfung wird ein Modell geprüft, wobei die zugehörigen Hypothesen entweder angenommen oder verworfen werden. Bei der konfirmatorischen Prüfung von Modellen werden mehrere, alternative Hypothesen gegeneinander getestet und die am besten passenden verwendet. Schliesslich wird bei der modellgenerierten Anwendung das theoretische Anfangsmodell schrittweise der Datenstruktur angepasst, um einen Kompromiss zwischen theoretischen Überlegungen und empirischer Datenstruktur zu finden. Entscheidend ist dabei, dass alle Modellmodifikationen begründet werden können. Diese schrittweise Anpassung eines Anfangsmodells an die empirische Datenstruktur ist die in sozialwissenschaftlichen Untersuchungen am häufigsten verwendete Variante (Reinecke 2002) – sie wird auch in dieser Arbeit verwendet. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_9

103

104

9.1.1

9

Methoden

Lineare Regression

Regressionen dienen dazu, eine Beziehung zwischen einer abhängigen und einer oder mehreren unabhängigen Variablen zu analysieren. Je nach Skalenniveau der abhängigen Variable und deren Struktur wird eine andere Art der Regression verwendet.2 Dadurch ist der Anwendungsbereich von Regressionen sehr vielfältig. Um sinnvolle Resultate zu erhalten, sind aber theoretische Vorüberlegungen notwendig (Backhaus et al. 2008). In dieser Arbeit werden lineare Regression verwendet, da angenommen wird, dass die abhängige Variable Vertrauen in die Polizei metrisch skaliert ist.

9.1.2

Konfirmatorische Faktorenanalyse

Faktorenanalysen haben zum Ziel, die Komplexität eines Modells zu reduzieren, indem latente Konstrukte identifiziert werden, auf denen mehrere Indikatoren des Modells beruhen. Dadurch können Indikatoren zusammengefasst werden, was zu einer Reduktion der Komplexität eines Modells führt. Man unterscheidet zwischen explorativen und konfirmatorischen Faktorenanalysen. Während explorative Faktorenanalysen keine Annahmen über das finale Modell machen und daher vollständig auf einer datengetriebenen Analyse basieren, steht bei einer CFA die Überprüfung eines theoretischen Modells im Vordergrund. Das theoretische Modell der CFA ist in der SEM (vgl. Unterabschnitt 9.1.3) als Messmodell bekannt (Reinecke 2002). In dieser Arbeit wird einzig die CFA mit reflektivem Charakter verwendet (Weiber & Mühlhaus 2010).3 Die latenten Konstrukte, die durch solche Messmodelle identifiziert werden, können entweder mittels Single Item (Global Item) oder multipler Items gemessen werden. Die Erhebung eines Global Items ist in der Regel kostengünstiger, rascher zu realisieren und die Probandinnen lassen der einzelnen Frage eine höhere Aufmerksamkeit zukommen, zeigen also auch geringere Ermüdungserscheinungen. Dagegen eignet sich das Konzept der multiplen Items besonders für die Datenverarbeitung besser, weil Messfehler berücksichtigt werden können, fehlende Werte ein kleineres Problem darstellen sowie Reliabilität und Validität einfacher zu prü2

Eine Übersicht über 15 Regressionsmethoden ist unter https://www.listendata.com/2018/ 03/regression-analysis.html verfügbar. 3 Neben reflektiven existieren auch formative Messmodelle, auch Indizes genannt. Die Indikatoren eines formativen Messmodells ergeben mit Linearkombinationen den Index (Weiber & Mühlhaus 2010).

9.1 Strukturgleichungsanalyse

105

fen sind (Weiber & Mühlhaus 2010). Diese Arbeit verwendet eine Mischung aus Global Items und Konstrukten mit multiplen Items. Die CFA unterstützt zudem beim Umgang mit Messfehlern. Sozialwissenschaftliche Messungen besitzen zufällige Messfehler. Jeder Messwert besteht aus einem «wahren »und aus weiteren zufälligen Einflüssen. Die Varianz von Indikatoren kann in den Effekt der zu messenden latenten Variable und einen zufälligen Teil, den sogenannten Messfehler, unterteilt werden. Je grösser der systematische Effekt der latenten Variablen ist (R2 ), umso reliabler ist das Messinstrument. Im Gegensatz dazu kommt es zu Verzerrungen, wenn der Anteil der Messfehler an der Varianz zunimmt. Messfehler sind zum Beispiel vom Befragungskontext der Umfrage abhängig. Dabei kann sowohl das Wetter wie auch eine mediale Berichterstattung Einfluss nehmen. Ausserdem können Messfehler infolge von Verständnisproblemen oder als Folge von Codierungsfehlern auftreten (Werner et al. 2016). Um Messfehler nicht nur durch Schätzungen zu erhalten, bietet die CFA die Möglichkeit zu überprüfen, wie verschiedene Items auf verschiedene latente Konstrukte laden. Idealerweise lädt ein Item nur auf einen Faktor, und es bestehen keine sogenannten Fremdladungen. Lädt ein Item auf mehrere latente Konstrukte, besteht möglicherweise ein Messfehler (Arzheimer 2016). Um die Messfehler pro Konstrukt messen zu können, sind mindestens drei Items notwendig, damit genügend Freiheitsgrade4 zur Schätzung der Messfehler vorhanden sind. Die Untersuchung von Messfehlern ist für die Analyse der Schweizer Daten relevant. Dabei werden die beiden Konstrukte Bewahrung und Universalismus einzeln geprüft, mit einer simultanen CFA alle Konstrukte gleichzeitig getestet und auf Fremdladungen überprüft.

9.1.3

Strukturgleichungsmodelle

Die Verwendung eines SEM ist sinnvoll, wenn latente Konstrukte in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden sollen. Es werden diverse Mess- und Strukturmodelle unterschieden. Das Strukturmodell beschreibt die Beziehung zwischen latenten Konstrukten, die Strukturgleichung beschreibt die Korrelation beziehungsweise die Kausalität zwischen diesen latenten Konstrukten (Backhaus et al. 2008).

4

Als Freiheitsgrade wird die Anzahl der Werte genannt, die sich aus der Differenz zwischen ermittelnden und empirischen Informationen ergibt (Reinecke 2014).

106

9

Methoden

In dieser Arbeit wird das SEM für die vertiefte Analyse der Beziehung der vier Wertekonstrukte zueinander (Bewahrung, Macht, Selbstbestimmung und Universalismus) verwendet. Zudem wird damit die Beziehung zwischen den vier Werten und Vertrauen in die Schweizer Polizei untersucht.

9.2

Gruppenvergleiche und Modellgüte

9.2.1

Gruppenvergleiche und Messungsinvarianzen

Vergleiche zwischen Gruppen werden im sozialwissenschaftlichen Kontext immer wichtiger. Für Gruppenvergleiche können sowohl die CFA wie auch die SEM verwendet werden. Für Gruppenvergleiche ist es wichtig zu überprüfen, ob über die verschiedenen Gruppen hinweg die Items der Umfrage gleich verstanden werden. Aufgrund kultureller, sprachlicher oder anderer Faktoren ist dies nicht zwingend der Fall (Arzheimer 2016). Es gibt unterschiedliche Definitionen, wie strikt eine solche Invarianz über Gruppen hinweg sein muss. Davidov (2009) unterscheidet drei Möglichkeiten: 1. Die konfigurale Invarianz besteht dann, wenn die Modellstruktur über die Gruppen hinweg identisch ist. Dies beinhaltet, dass Items über die Gruppen hinweg nur auf einen Faktor laden, die Faktoren trennbar sind und dasselbe Vorzeichen aufweisen; 2. die metrische Invarianz setzt zusätzlich zur konfiguralen Invarianz identische Faktorenladungen voraus; 3. die skalare Invarianz setzt identische Mittelwerte über die Gruppen hinweg voraus. Erst dadurch lassen sich die absoluten Werte vergleichen und inhaltliche Aussagen treffen. Es gibt eine Vielzahl an Studien, die die Werte nach Schwartz im ESS auf Invarianz sowohl über Kulturen als auch über die Zeit hinweg überprüft haben (vgl. Billiet 2003, Cieciuch et al. 2018, 2014a, Davidov et al. 2014b, Kim et al. 2012, Steinmetz et al. 2009). Sie kommen zum Schluss, dass die zehn separaten Werte zu viele Fremdladungen verursachen und somit keine ausreichende Trennschärfe vorhanden ist. Zur Lösung dieser Schwierigkeit können problematische Wertkombinationen zusammengefasst werden. Dabei hat es sich als sinnvoll herausgestellt, die Werte zweiter Ordnung zu verwenden. So entsteht über die verschiedenen ESS-Wellen

9.2 Gruppenvergleiche und Modellgüte

107

hinweg und auch zwischen Ländern zumeist die gewünschte Invarianz (Davidov 2010, Davidov, & Beuckelaer 2010).5 Partielle Invarianz stellt eine weniger strenge Variante von Invarianz dar. Dabei werden pro Faktor über die Gruppen hinweg mindestens zwei Items fixiert, sodass ihre Ladungen über die Gruppen hinweg gleich sind. Die restlichen Items sind weiterhin frei schätzbar (Byrne et al. 1989, Steenkamp & Baumgartner 1998). Aber auch partielle Invarianz ist mitunter schwierig zu erreichen, weil zum Beispiel Wertefragen länderspezifisch verstanden werden (Marsh et al. 2018, Sokolov 2018). Eine weitere Lockerung stellt die approximierte Messinvarianz dar, bei der mit einem Bayes-Ansatz geschätzt wird (vgl. Davidov et al. 2015, Muthén & Asparouhov 2013, 2018, van de Schoot et al. 2012). Cieciuch et al. (2018) konnten mit dieser Schätzmethode zeigen, dass über die ESS-Wellen 1–6 für alle Länder für die Werte zweiter Ordnung Offenheit für Wandel und Selbst-Erhöhung die Annahme der Invarianz zutrifft. Für die beiden anderen Werte zweiter Ordnung, nämlich Selbst-Überwindung und Bewahrung, konnte die Invarianz für einen Grossteil der Länder gezeigt werden. Nicht nur Werte müssen auf Invarianz getestet werden, sondern auch das Konstrukt Vertrauen in die Polizei. Schaap und Scheepers (2014) untersuchten die Invarianz von Vertrauen in die Polizei in Europa anhand der ESS-Daten. Grundsätzlich ist Vertrauen in die Polizei über die Länder hinweg invariant und ein Ländervergleich somit möglich.6

9.2.2

Modellgüte

Die Modellgüte bewertet, wie gut das gewählte Modell zu den zu modellierenden Daten passt. Dafür gibt es globale Modell-Fit-Indizes, die das ganze Modell beurteilen, wie auch Indizes, die für Modellvergleiche herangezogen werden. Die Vielzahl existierender Fit-Indizes macht es notwendig, eine Auswahl zu treffen (Arzheimer 2016).7 Als globaler Modell-Fit-Index wird in dieser Arbeit der Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA) verwendet, der die Diskrepanz zwischen den Daten 5

Für eine genauere Betrachtung, wie sich die Länder zwischen Welle 1 und 2 verhalten, sei auf Davidov (2008) verwiesen, für einen Vergleich zwischen Welle 2 und 3 auf Davidov (2010). 6 Es ist aber zu bemerken, dass ausserhalb Europas kaum Untersuchungen dieser Invarianzen existieren. 7 Für einen umfassenden Überblick über Vor- und Nachteile einzelner Indizes sei auf Schermelleh-Engel, Moosbrugger und Müller (2003) sowie Reinecke (2014) verwiesen.

108

9

Methoden

und dem Modell misst, wobei die Freiheitsgrade des Modells und der Stichprobenumfang mitberücksichtigt werden. Der Wertebereich liegt zwischen 0 (das Modell passt perfekt zu den Daten) und 1 (das Modell entspricht den Daten überhaupt nicht). Als Richtwerte gilt ein Wert ≤ 0.05 als kleine Abweichung und damit gutes Modell, ein Wert zwischen 0.05 und 0.08 als mittlere bis grosse Abweichung und eine Abweichung ≥ 0.08 als zu gross (Brown & Coulter 1983, Reinecke 2014). Da die Irrtumswahrscheinlichkeit angibt, wie wahrscheinlich eine Ablehnung der Null-Hypothese ein Fehlentscheid wäre, sollte die dazugehörige Irrtumswahrscheinlichkeit möglichst gross ausfallen. Sie wird mit pclose angegeben. Für Modellvergleiche werden zumeist χ 2 -Differenzentests verwendet.8 Eine wichtige Voraussetzung dafür stellt die hierarchische Abhängigkeit zwischen den Modellen dar. Das heisst, dass das eine Modell ein Spezialfall des anderen ist – sogenannte nested models. Eine nicht signifikante Differenz der χ 2 -Werte der beiden Modelle bedeutet, dass das restriktivere Modell verwendet werden kann, da sich die Modelle nicht signifikant voneinander unterscheiden (Reinecke 2014). Weil der χ 2 -Wert ein absoluter Fit-Index ist, wird jeweils auch die Anzahl der Freiheitsgrade (df) genannt. Es gibt eine Vielzahl ähnlicher Indizes, die auf χ 2 -Differenzentests basieren. Ein Beispiel ist der Comparative Fit Index (CFI), der die Modellkomplexität, verglichen mit dem Null-Modell, gewichtet. Ein CFI-Wert ≥ 0.95 wird als eine gute Modellanpassung verstanden, ein Wert > 0.90 als akzeptabel (Hu & Bentler 1995).

9.3

Mehrebenenanalyse

MEA erlauben es, komplexe reale Strukturen adäquater als herkömmliche Methoden zu modellieren. Insbesondere können hierarchische Abhängigkeiten besser abgebildet werden (Field 2009). Eine MEA ermöglicht eine gleichzeitige Analyse von Individual- und Kontextdaten. Der Vorteil einer MEA gegenüber einer Regression besteht insbesondere darin, dass gruppierte und eingebettete Datenstrukturen berücksichtigt werden (Duncan & Jones 2000). Bei einer MEA sind Merkmale auf einer unteren Ebene in Einheiten einer höheren Ebene eingebettet. Theoretisch lassen sich so endloss viele Ebenen und Einbettungen abbilden. Zum Beispiel sind Menschen in Familien eingebettet, die wiederum in einer bestimmten Gemeinde wohnen, die sich in einer bestimmten Region befindet. Ein anderes Beispiel sind Branchen, die unterschiedliche Firmen umfassen, die wiederum in Teams gegliedert sind, bestehend aus mehreren Personen – und 8

In AMOS wird dies als Cmin bezeichnet.

9.3 Mehrebenenanalyse

109

diese Personen besitzen alle individuelle Merkmale. Allerdings müssen die höheren Einheiten eine genügend hohe Fallzahl aufweisen9 , um Koeffizienten schätzen zu können (McNeish 2017, Meuleman & Billiet 2009).10 Eine MEA basiert auf der Annahme, dass die Elemente innerhalb einer Einheit eine grössere Ähnlichkeit aufweisen als Elemente unterschiedlicher Einheiten. Wird keine MEA angewendet, so besteht die Gefahr eines ökologischen Fehlschlusses (ecological fallacy). Der gegenteilige, individualisierte Fehlschluss (atomistic fallacy) geht mit dem Problem der Verzerrung von Standardfehlern und Koeffizienten einher (Diez Roux 2002). Das technische Vorgehen bei einer MEA besteht aus dem schrittweisen Hinzufügen von Variablengruppen. In Anlehnung an Hox (Hox 2002) werden in dieser Arbeit die Modelle, wie in Tabelle 9.1 dargestellt, aufeinander aufgebaut. Der Ausgangspunkt ist das sogenannte Null-Modell, das einzig aus Konstanten besteht. Anhand dieses Modells wird die Varianzzerlegung zwischen den Ebenen berechnet. Individuen bilden dabei die Individualebene, Länder stellen die Makroebene dar. Anhand dieser Varianzzerlegung zeigt sich, auf welcher Ebene wie viel zu erklären ist. Die darauf aufbauenden Modelle werden schrittweise komplexer. Interaktionsterme können zu Multikollinearitätsproblemen führen, weshalb die Prädiktoren zentriert werden (Tabachnick & Fidell 2007). Eine Zentrierung um den Gesamtmittelwert (grand mean); führt dazu, dass die Kompositionseffekte kontrolliert werden können (Enders & Tofighi 2007).11 Es wird mit einer z-Standardisierung gerechnet, damit die Effektstärken verglichen werden können.

9

Über die Mindestanzahl an Fällen auf höheren Ebenen gibt es aktuell keinen Konsens. Stegmueller (2013) untersuchte die Auswirkungen verschiedener Fallzahlen, wobei er feststellte, dass komplexere Modelle grundsätzlich mehr Fälle benötigen. Konkret sind Ergebnisse etwa ab 20 Fälle relativ robust. Weiterhin stellte er fest, dass eine geringe Fallzahl zu Verzerrungen in den Standardfehlern führen kann, sodass dies für Analysen mitberücksichtigt werden muss. 10 Grundsätzlich ist es möglich, Mehrebenen-Strukturgleichungsmodelle zu realisieren, wobei aber eine genügend grosse Fallzahl auf höheren Ebenen nötig ist. Diese Fallzahl konnte in dieser Arbeit mit den verfügbaren Daten nicht erreicht werden. Für die MEA wurde ein Index der vier individuellen Werte additiv berechnet und verwendet. 11 Eine andere Variante ist die Zentrierung um den Gruppenmittelwert (group mean), dabei werden Variablenbeziehungen innerhalb der Gruppe modelliert (vgl. Hummelsheim et al. 2014).

110

9

Methoden

Tabelle 9.1 Ablaufschema zur schrittweisen Berechnung der MEA

Modell

Bedeutung

Modell 0

Null-Modell

Modell 1

Modell 0 + vier individuelle Werte

Modell 2

Modell 1 + Migrationshintergrund

Modell 3

Modell 2 + Kontrollvariablen

Modell 4

Modell 3 + Länder, die Ausreisser sind, 1 werden als fixierte Effekte behandelt.

Modell 5

Modell 4 + Korruption (Makrovariable)

Modell 6

Modell 5 + Cross-Level-Interaktionen (falls vorhanden)

1

Dieses Vorgehen wird von Jones und Subramanian (2017) sowie Langford und Lewis (1998) empfohlen.

Das Grundmodell, auch gemischtes Modell genannt, besitzt folgenden Gleichungsaufbau und entspricht in dieser Arbeit jeweils dem Modell 5 (ohne Ausreisser und Interaktionseffekte):   Vertrauen in die Polizeii j = β0 + u 0 j + e0i j Intercept + β1i j Bewahrungi j + β2i j Machti j + β3i j Selbstbestimmungi j + β4i j Universalismusi j + β5i j 1. Migrationsgenerationi j + β6i j 2. Migrationsgenerationi j + β7i j Alter(15−17)i j + β8i j Alter(18−30)i j + β9i j Alter(31−45)i j + β10i j Alter(60+)i j + β11i j Bildung(gering)i j + β12i j Bildung(hoch)i j + β13i j Genderi j + β14i j Generalisiertes Vertraueni j + β15i j Politische Orientierung(links)i j + β16i j Politische Orientierung(rechts)i j + β17 j CPI2011 j

9.5 Statistikprogramme

9.4

111

Kausalitätsproblematik

Kausalitätsanalysen können nur mit Experimenten (vgl. Imai et al. 2011, Rutter 2007) und/oder Paneldaten (vgl. Heise 1970) erzeugt werden. Dennoch wird in dieser Arbeit der CPI den beiden Individualdatensätzen vorgelagert, um den zeitlichen Aspekt zu berücksichtigen, daraus eine klare zeitliche Abfolge zu erzeugen und die wahrgenommene Korruption als Ursache zu behandeln. Individuelle Werte gehören zu den abstraktesten Kognitionstypen (Schwartz 1992), und je abstrakter eine Kognition ist, desto resistenter zeigt sie sich gegenüber Veränderungen (Bardi et al. 2014). Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass individuelle Werte die Einstellungen beziehungsweise Handlungen von Personen beeinflussen. Werte sind somit Einstellungen vorgelagert (Homer & Kahle 1988). In Feldexperimenten konnte gezeigt werden, dass die Manipulation von Wertorientierungen eine Änderung der dazugehörigen Einstellungen bewirkt (Rokeach 1968, Rokeach & BallRokeach 1989). Darum wird in dieser Arbeit eine Kausalität von individuellen Werten auf die Einstellungsvariable «Vertrauen in die Polizei»modelliert. Ebenfalls stellt der Migrationshintergrund ein der Einstellung «Vertrauen in die Polizei»vorgelagertes Merkmal dar.

9.5

Statistikprogramme

Für die statistischen Auswertungen wurden diverse Programme und Pakete (Packages) verwendet. SPSS 22 wurde für die Datenbereinigung und den Grossteil der Berechnungen genutzt. AMOS 25 wurde für die CFA und das SEM mit Daten der Schweiz verwendet. Die MEA wurde mit dem Statistikprogramm MLwiN (Charlton et al. 2017) analysiert, das ebenfalls für die Untersuchung der fehlenden Werte und das Generieren von Missing-Patterns benutzt wurde (vgl. Pillinger 2013). Das Statistikprogramm R, Version 1.2.1335 (R Core Team 2019) wurde für die Imputation der fehlenden Werte und die Berechnung von Omega verwendet. Die Imputation der fehlenden Werte ist mit dem Package Hmisc (Harrell 2019) berechnet worden und das Package Psych (Reevelle 2018) wurde für die Berechnung von Omega eingesetzt.

Empirische Modelle

10

Im Folgenden werden die empirischen Modelle gezeigt, mit denen in dieser Arbeit gearbeitet wird. Zum besseren Verständnis werden zwei empirische Modelle präsentiert: ein SEM für die Schweiz und die MEA für die europäischen und globalen Analysen. Das Modell in Abbildung 10.1 zeigt die vier individuellen Wertkonstrukte (Bewahrung, Macht, Selbstbestimmung und Universalismus) und ihre jeweiligen Items, verbunden durch ihre jeweiligen Faktorenladungen (λ1 bis λ13 ). Zudem sind die Korrelationen zwischen diesen vier Wertkonstrukten ersichtlich (1 bis 6 ). Die Regressionskoeffizienten der vier Wertkonstrukte und der Kontrollvariablen hinsichtlich Vertrauen in die Polizei sind ebenfalls dargestellt (β1 bis β14 ). Obwohl Vertrauen in die Polizei nur mit einem Global Item (Trust) gemessen wird, wird dies ebenfalls als ein latentes Konstrukt behandelt. Die drei Migrationsgenerationsgruppen werden in dieser Analyse für den Gruppenvergleich verwendet.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_10

113

Universalismus

Selbstbestimmung

Macht

Bewahrung

Φ2

Φ6

Φ5

Φ4

Φ1

Φ3

β4

β3

β2

β1

(31–45) Alter (61+)

Alter (15–17) Alter (18–30) Alter

β5 - β8

(hoch)

Bildung (gering) Bildun

β9 - β10

Vertrauen in die Polizei

Geschlecht

β12

Vertrauen Polizei (Trust)

general. Vertrauen

β11

λ14

(rechts)

pol. Orientierung Pol.(links) Orientierun

β13 - β14

Abbildung 10.1 Empirisches Modell Schweiz. Die Korrelationen zwischen den Werten und den Kontrollvariablen wurden der Übersichtlichkeit halber weggelassen

λ13

λ12

λ11

λ10

λ9

λ8

λ7

λ6

λ5

λ4

λ3

λ2

λ1

10

Univ3

Univ2

Univ1

Sebe2

Sebe1

Mach2

Mach1

Bewa6

Bewa5

Bewa4

Bewa3

Bewa2

Bewa1

114 Empirische Modelle

10

Empirische Modelle

115

öffentliche Korruption

Kontextebene Individualebene

Bewahrung

Selbstbestimmung Universalismus 1. Migrationsgeneration

2. Migrationsgeneration Alter Bildung generalisiertes Vertrauen Geschlecht

Vertrauen in die Polizei

Macht

politische Orientierung

Abbildung 10.2 Empirisches Modell – europäische und globale MEA

Abbildung 10.2 zeigt das empirische Modell für die MEA. Auf der Individualebene sind die inhaltlichen vier individuellen Werte, die Migrationsgenerationen wie auch die Kontrollvariablen dargestellt. Auf der Makroebene wird öffentliche Korruption verwendet. Ebenfalls sind die theoretisch hergeleiteten zwei Cross-LevelInteraktionen dargestellt. Dieses Modell wird für den europäischen und globalen Ländervergleich eingesetzt.

Teil III Empirie

Die schweizerische Perspektive

11

In dieser Arbeit dient die Schweiz als Fallbeispiel, um die Mechanismen zwischen den vier Werten einerseits wie auch den vier Werten und Vertrauen in die Polizei andererseits besser zu verstehen. Zusätzlich werden drei Gruppen miteinander verglichen: Personen ohne Migrationshintergrund, Migrantinnen der ersten und Migranten der zweiten Generation. Zuerst werden in diesem Kapitel relevante Eckdaten der Schweiz präsentiert. Anschliessend wird ein SEM schrittweise aufgebaut. Jeder Schritt wird zuerst mit dem gesamten Schweizer Datensatz gerechnet, anschliessend wird der Gruppenvergleich durchgeführt. Die gewonnenen Erkenntnisse fliessen jeweils in die nächsten Schritte ein. Das Ziel der Untersuchung sind Aussagen über den Zusammenhang zwischen individuellen Werten und Vertrauen in die Polizei. Korruption spielt hier eine untergeordnete Rolle, da kaum objektive Kennzahlen auf Nicht-Länderebene vorhanden sind. Dennoch wird am Schluss des Kapitels Korruption in der Schweiz diskutiert und mit den Ergebnissen in Zusammenhang gebracht.

11.1

Hintergrund und Kontext

Der Binnenstaat Schweiz liegt in Mitteleuropa und hat eine Landfläche von knapp 42 000 Quadratkilometern. In der Schweiz leben 8.5 Millionen Menschen. Der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund beläuft sich auf 37.2 Prozent, davon sind 30.0 Prozent Migranten der ersten Generation und 7.2 Prozent Migrantinnen Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_11.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_11

119

120

11

Die schweizerische Perspektive

der zweiten Generation (Bundesamt für Statistik 2019).1 Die Schweiz ist seit Ende des 19. Jahrhunderts ein Immigrationsland (Nguyen 2017). Die vielen Grenzregionen, die zentrale Lage innerhalb Europas und die geringe Grösse des Landes begünstigen den Immigrationscharakter der Schweiz (Vuilleumier 2015). Die Schweiz ist ein republikanisch verfasster Bundesstaat mit Elementen der direkten Demokratie und einem ausgeprägten Föderalismus. Der Föderalismus zeigt sich daran, dass die Schweiz 26 Kantone und über 2200 Gemeinden besitzt. Die Gemeinden und Kantone besitzen eine hohe Aufgabenautonomie. Die Kantone sind verantwortlich für das Bildungs- und Spitalwesen, die Steuern, Teile der Infrastruktur und auch für die Polizei (Schweizerische Bundeskanzlei 2018). Jeder Kanton besitzt eine eigene Kantonspolizei, und es existieren über 300 Gemeindepolizeien mit zum Teil weniger als zehn Polizistinnen pro Posten (Bundesamt für Polizei fedpol 2015).2 Daraus folgt, dass nicht von der Schweizer Polizei gesprochen werden kann, sondern von einer Summe diverser Polizeien gesprochen werden muss. Trotz dieser Vielfalt an Polizeikorps liegt die Vermutung nahe, dass es für den Bürger in den meisten Situationen irrelevant ist, welche Polizei nun genau eine bestimmte Aufgabe wahrnimmt, da es sich im Grossen und Ganzen um dieselben Arbeiten handelt. Im Bereich der Migration sind dagegen die Gesetze stärker auf Bundesebene angesiedelt, und die zugehörigen Gesetze auf Kantons- und Gemeindeebene dürfen diesen Bundesgesetzen nicht widersprechen. Bezüglich der aktuellen Migrationspolitik sind folgende Entscheide für diese Arbeit relevant: der Entscheid, Personenfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union (EU) dem Kontingentsystem vorzuziehen, und die Einführung der Personenfreizügigkeit mit den EU-Staaten in der Schweiz (Staatssekretariat für Wirtschaft 2017).3 Das heisst, dass, auch wenn die Personenfreizügigkeit die Immigration in die Schweiz vereinfacht, dies nur Personen aus den EU/EFTA-Staaten betrifft.4 Für die restlichen Staaten gibt es 1

Das Bundesamt für Statistik definiert Personen mit Migrationshintergrund anders als diese Arbeit. Die Operationalisierung und eine Erläuterung der Unterschiede finden sich in Abschnitt 7.4: «Migrationshintergrund». Menschen aus Italien, Deutschland, Portugal und Frankreich bilden die grössten Gruppen mit Migrationshintergrund (Schweizerische Bundeskanzlei 2018). 2 Für eine Beschreibung der Ausbildungssituation von Polizisten in der Schweiz sei auf Unterabschnitt 2.6.1: «Aufgaben und Ziele der Polizei» verwiesen. 3 Bedingungen und Ablauf der Personenfreizügigkeit unter www.newsd.admin.ch/newsd/ message/attachments/48985.pdf. 4 Bei der EFTA handelt es sich um die Europäische Freihandelsassoziation. Mitglieder sind die Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz (Staatssekretariat für Wirtschaft 2019).

11.1 Hintergrund und Kontext

121

in beschränktem Masse Ausnahmen, besonders für Spezialistinnen und Führungskräfte (Staatssekretariat für Migration 2018). In diesem Kapitel wird mit Daten des ESS gearbeitet.5 Es sind 1493 Personen aus der Schweiz befragt worden, davon 939 Personen beziehungsweise 62.9 Prozent ohne Migrationshintergrund, 332 (22.3 %) aus der ersten Generation und 219 (14.7 %) aus der zweiten Migrationsgeneration.6 Drei Personen (0.2 %) konnten keiner Kategorie zugeordnet werden.7 10

9

Vertrauen in die Polizei

8

7.10

7.40 7.01

7

6

5

4

3

2

1

0

ohne Migrationshintergrund

1. Generation*

2. Generation

= mittleres Vertrauen in der Schweiz * = Die erste Migrationsgeneration unterscheidet sich signifikant von den beiden anderen Gruppen (p < 0.05).

Abbildung 11.1 Vertrauen in die Schweizer Polizei in Abhängigkeit vom Migrationsstatus

5

Weitere Angaben zum Datensatz sind in Abschnitt 6.1: «European Social Survey» zu finden. Eine Analyse mit dem WVS war nicht möglich, da die Schweiz in der relevanten Welle nicht in der Population enthalten war. 6 Eine tabellarische Übersicht mit allen weiteren deskriptiven Zahlen befindet sich in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial. 7 In dieser Arbeit sind für die deskriptiven Analysen fehlende Werte nicht ersetzt worden. Fehlende Werte wurden zum Teil inhaltlich reflektiert. Bi- und multivariate Analysen sind mit einem vollständigen Datensatz durchgeführt worden, wobei fehlende Werte anhand einer multiplen Imputation ersetzt wurden (vgl. Kapitel 8: «Umgang mit fehlenden Werten»). Eine detaillierte Betrachtung der fehlenden Werte für die Schweiz erfolgt in Abschnitt 8.1: «ESSPatterns: Schweiz».

122

11

Die schweizerische Perspektive

Das mittlere Vertrauen in die Polizei liegt in der Schweiz bei 7.16 auf einer Skala von 0 («überhaupt kein Vertrauen») bis 10 («volles Vertrauen»). In Abbildung 11.1 wird in Abhängigkeit vom Migrationshintergrund Vertrauen in die Polizei weiter aufgeschlüsselt. Migrantinnen der ersten Generation weisen auf eine Skala ein Vertrauen von 7.40 in die Polizei auf. Dieser Wert liegt signifikant höher als in den beiden anderen Gruppen. Die Berechnung wurde mit einem t-Test durchgeführt. Das Vertrauen von Nicht-Migranten und das Vertrauen von Migrantinnen der zweiten Generation unterscheiden sich nicht signifikant. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass in der Schweiz das Vertrauen in die Polizei sehr gross ist.

11.2

Multivariate Analysen

In diesem Teil der Arbeit wird der Einfluss individueller Werte auf Vertrauen in die Polizei genauer untersucht, um die dahinterliegenden Mechanismen besser zu verstehen. Die im Folgenden erläuterten Modelle bauen jeweils aufeinander auf. Sie werden in zwei Bereiche aufgeteilt: die CFA mit den Messmodellen und das SEM mit den Strukturmodellen. Die Modelle werden jeweils mit der gesamten schweizerischen Stichprobe und anschliessend im Gruppenvergleich anhand der drei Migrationsgruppen berechnet. Die Resultate werden folgendermassen dargestellt: Mit der gesamten Schweizer Stichprobe gerechnete Modelle werden mit standardisierten Koeffizienten ausgegeben und die Modelle, für die Gruppenvergleiche berechnet werden, mit nicht standardisierten Koeffizienten, um die Resultate über die Gruppen hinweg analysieren zu können.

11.2.1 Konfirmatorische Faktorenanalyse Abbildung 11.2 stellt das Modell 1A, das Modell 1B und das Modell 2 dar – die Messmodelle. In einem ersten Schritt werden die zwei Messmodelle der Werte Bewahrung (Modell 1A) und Universalismus (Modell 1B) separat getestet,8 anschliessend alle Wertekonstrukte mit einer simultanen CFA geprüft (Modell 2). In Tabelle 11.1 sind die Faktorenladungen der Modelle 1A, 1B und 2 für den gesamten schweizerischen Datensatz (CH) und für den Gruppenvergleich (GV) abgebildet. 8

Die separate Überprüfung der beiden anderen Konstrukte (Macht und Selbstbestimmung) ist nicht möglich, da diese jeweils nur mit zwei Items gemessen werden. Für die Überprüfung werden jedoch mindestens drei Items benötigt (vgl. Unterabschnitt 9.1.2: «Konfirmatorische Faktorenanalyse»).

11.2 Multivariate Analysen

123

Bewa1

Bewa2

λ1 λ2

Bewa3

λ3

Bewa4

λ4 λ5

Bewa5

Bewahrung

λ6

Φ1

Bewa6

Modell 1A Φ2

λ15 Mach1

λ7 λ8

Macht Φ3

Mach2 Φ4 Sebe1

λ9 λ10

Sebe2

Univ1 Univ2

Selbstbestimmung

Φ5 Φ6

λ11 λ12 λ13

Universalismus

Univ3 Modell 1B

Modell 2

λn = Faktorenladungen, Φn = Korrelationen – – – = empirische Modifikationen im Verlauf des Prozesses Auf die Darstellung von Messfehlern wird zugunsten einer besseren Übersicht verzichtet. Die Bedeutung der Items kann Anhang A: «Operationalisierungstabelle» im elektronischen Zusatzma terial entnommen werden.

Abbildung 11.2 Übersicht der CFA-Modelle 1A, 1B und 2

124

11

Die schweizerische Perspektive

Als Erstes wurde das Modell 1A für das latente Konstrukt Bewahrung gemessen (Abbildung 11.2: Modell 1A). Im Modell ohne Gruppenvergleich laden die Faktoren zwischen 0.46 und 0.69; dies deutet auf gute Ladungen hin (Tabelle 11.1: Modell 1A: CH). Für einen Gruppenvergleich ist die metrische Invarianz gegeben (df = 10; Cmin = 8.63; ρ = 0.57; unter der Annahme, dass das Ausgangsmodell korrekt spezifiziert ist) und die Modellgüte ist ebenfalls gut (Tabelle 11.1: Modell 1A: GV). Es wird daher angenommen, dass die Items über die Gruppen hinweg genügend ähnlich verstanden werden. Tabelle 11.1 Ergebnisse der CFA-Modelle 1A, 1B und 2, gesamte Schweiz (CH) und im Gruppenvergleich (GV)

Für den Faktor Universalismus (Abbildung 11.2: Modell 1B), bestehend aus drei Items, zeigt sich für die gesamte Schweiz, dass die Ladungen gut und ähnlich sind (Tabelle 11.1: Modell 1B: CH). Im Gruppenvergleich zeigt die Gruppe der Migranten der zweiten Generation die niedrigsten Faktorenladungen; die Items laden nur

11.2 Multivariate Analysen

125

zwischen 0.39 und 0.48 (nicht dargestellt). Diese Ladungen reichen allerdings nach Brown (2015) aus. Es zeigt sich, dass für einen Gruppenvergleich die metrische Invarianz gegeben ist (df = 18; Cmin = 8.12; ρ = 0.09; unter der Annahme, dass das Ausgangsmodell korrekt spezifiziert ist). Die Modellgüte ist ebenfalls gut (Tabelle 11.1: Modell 1B: GV). Der nächste Schritt besteht darin, alle Werte gleichzeitig zu überprüfen, also eine sogenannte simultane CFA durchzuführen (Abbildung 11.2: Modell 2). Wird der gesamte schweizerische Datensatz verwendet, ist die Modellgüte akzeptabel (Tabelle 11.1: Modell 2: CH). Dennoch wurde das Modell angepasst. Der Modifikationsindex deutet auf eine Fremdladung zwischen dem latenten Konstrukt Macht und dem Item Bewa5 hin.9 Durch diese Modifizierung verbessert sich die Modellgüte merklich. Die Korrelationen zwischen folgenden Konstrukten sind signifikant positiv (ρ > 0.001): Bewahrung und Macht, Bewahrung und Universalismus, Macht und Selbstbestimmung sowie Selbstbestimmung und Universalismus. Die Korrelation zwischen Bewahrung und Macht ist am stärksten. Diese signifikanten Korrelationen lassen sich durch die relative Nähe der Werte auf der quasizirkulären Wertestruktur erklären (Abbildung 4.1). Darüber hinaus gibt es keine weiteren signifikanten Korrelationen zwischen Werten. Im Gruppenvergleich zwischen Nicht-Migranten, Migrantinnen der ersten und der zweiten Generation wird ersichtlich, dass die ursprünglich konfigurale Invarianz nicht gegeben ist. In der Gruppe der Migrantinnen der zweiten Generation kann keine Lösung gefunden werden. Die Entfernung des Items Sebe2 führt zur Berechnung der Modelle innerhalb der Gruppen.10 Dadurch konnte nicht nur eine konfigurale, sondern auch eine metrische Invarianz identifiziert werden (df = 18; Cmin = 21.09; ρ = 0.24; unter der Annahme, dass das Ausgangsmodell korrekt spezifiziert ist). Alle Items laden auf den jeweiligen latenten Faktor signifikant. Die Fremdladung des latenten Konstrukts Macht auf das Item Bewa5 lädt als einzige negativ. 9

Item Bewa5 hat sich schon in der separaten Konstruktprüfung als nicht ideal erwiesen; es fokussiert auf ein bescheidenes und zurückhaltendes Leben – man will keine Aufmerksamkeit auf sich lenken –, während die Items im Faktor Macht eher den gegenteiligen Fokus haben. Einerseits will man teure Sachen besitzen und dies auch zeigen, andererseits will man den Menschen sagen, was sie tun sollen, will also Aufmerksamkeit erhalten. Dadurch lässt sich die starke negative Fremdladung erklären. 10 Es wurde versucht, den problematischen Faktor in zwei separate Konstrukte zu teilen. Dieses Vorgehen führte zwar kurzfristig zu einer Lösung, jedoch konnte mit Aufnahme der Kontrollvariablen in das Modell wiederum die Gruppe der Migranten der zweiten Generation nicht berechnet werden. Eine Erklärung könnten die relativ geringe Fallzahl dieser Gruppe sowie die schiefe Verteilung der Antwortskala innerhalb dieser Gruppe bieten.

126

11

Die schweizerische Perspektive

11.2.2 Strukturgleichungsmodelle Aufbauend auf dem entwickelten Modell, wird die endogene Variable Vertrauen in die Polizei in das Modell aufgenommen (Abbildung 11.3: Modell 3). Im finalen Modell sind die Kontrollvariablen ebenfalls berücksichtigt (Abbildung 11.3: Modell 4). Während es im vorherigen Teil um die Resultate der CFA ging, liegt der Schwerpunkt im Folgenden auf dem SEM. Tabelle 11.2 listet die Resultate aus Modell 3 und Modell 4 auf, wobei zwischen den Resultaten mit der gesamten Schweizer Stichprobe und denjenigen aus den Gruppenvergleichen unterschieden wird.

Modell 4 Modell 3

Bewahrung β1

Macht

Selbstbestimmung

β2

Vertrauen in die Polizei

β3

λ14

Vertrauen Polizei

β4

Universalismus

β5 - β8

Alter (15–17) Alter (18–30) Alter

β9 - β10

Bildung (gering) Bildun

β11

general. Vertrauen

(hoch)

β12

Geschlecht

β13 - β14

pol. Orientierung Pol.(links) Orientierun (rechts)

(31–45) Alter (61+)

λn = Faktorenladungen, βn = Regressionskoeffizienten Auf die Darstellung von Messfehlern wird zugunsten einer besseren Übersicht verzichtet. Die Bedeu tung der Items kann der Operationalisierungstabelle Anhang A im elektronischen Zusatzmaterial ent nommen werden.

Abbildung 11.3 Übersicht der SEM-Modelle 3 und 4

Die Ergebnisse und die Modellgüte des SEM mit den gesamten Daten der Schweiz sind in Tabelle 11.2: Modell 3: CH ersichtlich. Die Korrelationen zwischen den latenten Wertekonstrukten bleiben robust. Es zeigt sich, dass nur der Wert Bewahrung einen signifikanten Effekt auf das Vertrauen in die Polizei hat: Schweizer, die den Wert Bewahrung als wichtig erachten, vertrauen der Polizei signifikant mehr. Die restlichen drei Koeffizienten zwischen den Wertekonstrukten

11.2 Multivariate Analysen

127

und dem Vertrauen in die Polizei sind nicht signifikant. Die Modellgütemasse zeigen erneut, dass dieses Modell geeignet ist. Die drei Gruppen sind in Modell 3 invariant. Sowohl die Faktorenladungen (df = 18; Cmin = 21.15; ρ = 0.27; unter der Annahme, dass das Ausgangsmodell korrekt spezifiziert ist) als auch die Regressionskoeffizienten konnten über alle Gruppen gleichgesetzt werden (df = 8; Cmin = 1.84; ρ = 0.99; unter der Annahme, dass das metrische Modell korrekt spezifiziert ist). Ergebnisse und Modellgüte sind in Tabelle 11.2: Modell 3: GV ersichtlich.11 Von den vier Regressionskoeffizienten, die von den latenten Wertekonstrukten zum latenten Konstrukt Vertrauen in die Polizei zeigen, ist einzig Bewahrung signifikant. Dieser Koeffizient beläuft sich auf β = 0.65 (ρ < 0.05). Personen, denen der Wert Bewahrung wichtig ist, besitzen ein höheres Vertrauen in die Polizei. Die anderen drei Beziehungen weisen keine signifikanten Koeffizienten auf. Die nächste Erweiterung des Modells (Abbildung 11.3: Modell 4) besteht in der Verwendung der Kontrollvariablen (Alter, Bildung, generalisiertes Vertrauen, Geschlecht und politische Orientierung). Über die Gruppen hinweg bleiben die Resultate metrisch invariant (df = 18; Cmin = 25.53; ρ = 0.11; unter der Annahme, dass das Ausgangsmodell korrekt spezifiziert ist), und sogar die Regressionskoeffizienten können über die Gruppen hinweg fixiert werden (df = 28; Cmin = 31.24; ρ = 0.19; unter der Annahme, dass das metrische Modell korrekt spezifiziert ist). Tabelle 11.2 listet die Koeffizienten für die gesamte Schweiz (Modell 4: CH) und für den Gruppenvergleich (Modell 4: GV). Die Resultate zwischen dem Gesamtmodell und den Gruppenvergleichen bleiben sehr robust und werden daher im Folgenden summiert beschrieben. Das Konstrukt Bewahrung zeigt weiterhin einen signifikant positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Durch Hinzunahme der Kontrollvariablen wird der Effekt des Konstrukts Macht signifikant, der Effekt ist negativ gerichtet. Sowohl das Konstrukt Selbstbestimmung als auch das Konstrukt Universalismus üben keinen signifikanten Effekt auf das Vertrauen in die Polizei aus. Ein weiterer Unterschied zwischen der Berechnung mit dem gesamtschweizerischen Sample und dem Gruppenvergleich zeigt sich beim Alter. Im Gruppenvergleich hat das Alter in zwei Kategorien einen signifikanten Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Die jüngste Altersklasse der 15- bis 17-Jährigen vertraut der Polizei signifikant mehr als das Referenzalter der 46- bis 60-Jährigen. Die ältesten

11

Die Modifikationsvorschläge zeigen einzig bei der Gruppe ohne Migrationshintergrund geringfügige Modifikationen, die aber nicht berücksichtigt werden, da die Modellgüte genügend gut ist. Ausserdem können die Modifikationen theoretisch nicht erklärt werden.

128

11

Die schweizerische Perspektive

Personen (61 Jahre und älter) vertrauen dagegen der Polizei weniger als das Referenzalter der 46- bis 60-Jährigen.12

Tabelle 11.2 Ergebnisse zu den SEM-Modellen 3 und 4 – Schweiz

12

In der Schweizer Stichprobe befinden sich gerade einmal 54 Personen in der Kategorie der 15- bis 17-Jährigen. Daher sind Ergebnisse aus dieser Alterskohorte mit Vorsicht zu interpretieren.

11.3 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

129

Bildungsunterschiede haben in der Schweiz in keiner Gruppe einen signifikanten Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Jedoch konnte im gesamtschweizerischen Datensatz ein leichter, positiver Effekt einer höheren Bildung auf das Vertrauen in die Polizei beobachtet werden. Ein höheres generalisiertes Vertrauen führt insofern zu signifikante stärkerem Vertrauen in die Polizei, als das Vertrauen in Fremde auf Vertrauen in Institutionen übertragen wird. Frauen vertrauen der Polizei signifikant mehr als Männer. Politisch rechts orientierte Personen vertrauen der Polizei stärker als Personen aus der politischen Mitte. Personen aus dem linken politischen Lager unterscheiden sich nicht von jenen der Mitte.

11.3

Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

Tabelle 11.3 gewährt eine Übersicht über die empirischen Daten aus dem finalen Modell 4 sowie aus dem Mittelwertsunterschied für die drei Migrationsgruppen. Die Resultate werden hier den theoretisch hergeleiteten Hypothesen gegenübergestellt und anschliessend diskutiert. Die Hypothese HBEWA «Je wichtiger der Wert Bewahrung für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei» wird empirisch unterstützt. Das Konstrukt Bewahrung hat einen robusten, signifikanten und positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Sicherheit, den Traditionen folgen und konform bleiben – diese Aspekte spielen für Menschen, denen der Wert Bewahrung wichtig ist, eine grosse Rolle. Die Polizei hilft, die Bedeutung des Wertes zu bewahren, weil der Status quo beibehalten wird. Daher vertrauen diese Menschen der Polizei stärker. Menschen, denen der Wert Bewahrung wichtig ist, stellen die Polizei kaum infrage. Die Polizei geniesst beinahe blindes Vertrauen und kann auf die Unterstützung von Menschen, denen der Wert Bewahrung wichtig ist, zählen. Die Polizei ist für Sicherheit und Ordnung zuständig. Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass der Wert Bewahrung, der die Werte Sicherheit und Konformität beinhaltet, klar positiv auf Vertrauen in die Polizei wirkt. Dieser Effekt bleibt unter Berücksichtigung von Kontrollvariablen robust. Dagegen zeigt die empirische Analyse, dass es nicht, wie theoretisch erwartet, zu einem höheren Vertrauen in die Polizei führt, wenn der Wert Macht jemandem wichtig ist, vielmehr tritt der gegenteilige Effekt ein. Ist in der Schweiz der Wert Macht also jemandem wichtig, vertraut diese Person der Polizei weniger. Personen, denen Dominanz über Ressourcen nicht wichtig ist, nehmen nicht wahr, dass die Polizei ihre Machtposition missbrauchen könnte. Daher steigt deren Vertrauen in

130

11

Die schweizerische Perspektive

Tabelle 11.3 Übersichtstabelle Hypothesen und empirische Resultate des finalen SEM: Schweiz

11.3 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

131

die Polizei. Für jene Personen, denen der Wert Macht jedoch wichtig ist, besteht ein Vertrauensverlust, weil sie in der Polizei nicht, wie erwartet, jene Institution sehen, die in der Schweiz genügend Macht einsetzt und ihre Machtposition angemessen ausübt. So kann der theoretisch erwartete soziale Homogenitätseffekt nicht wirken. Für den Wert Selbstbestimmung konnte keine signifikante Beziehung festgestellt werden. Aufgrund der vorgenommenen Modifikationen wird das latente Konstrukt Selbstbestimmung nur noch mit einem Item berechnet. Dabei geht es um die Entwicklung neuer Ideen und darum, kreativ zu sein und Handlungen auf eigene Weise zu realisieren. Dieser Wert wird von der Schweizer Polizei nicht eingeschränkt beziehungsweise daran zeigt sich die Wichtigkeit für jemanden, kreativ zu sein, und zwar unabhängig vom Vertrauen in die Polizei. Der Wert Universalismus übt keinen Effekt auf das Vertrauen in die Polizei aus. Dies könnte an dessen fehlender Varianz liegen. In der Schweiz besitzt Universalismus für praktisch alle Menschen eine sehr hohe Bedeutung.13 Migrantinnen der ersten Generation weisen ein signifikant höheres Vertrauen als Nicht-Migranten auf. Dagegen unterscheiden sich die beiden Gruppen Nicht-Migrantinnen und Migranten der zweiten Generation nicht voneinander. Auch innerhalb Europas ist die Schweiz politisch und wirtschaftlich stabiler als andere europäische Länder, was das höhere Vertrauen begründet (The World Bank 2019). Dadurch haben Personen, die in die Schweiz migrieren, ein grundsätzlich höheres Vertrauen in die staatlichen Institutionen und in die Polizei als eine Vertreterin derselben. Dagegen sind Migranten der zweiten Generation an die Schweizer Verhältnisse assimiliert, und es besteht kein signifikanter Unterschied mehr gegenüber NichtMigranten. Die Resultate legen nahe, dass auch eine hohe kulturelle und soziale Homogenität zwischen Nicht-Migrantinnen und Migrantinnen besteht, da die Mehrheit der Migranten aus EU/EFTA-Staaten stammt, mehrheitlich sogar aus den direkten Nachbarländern (Schweizerische Bundeskanzlei 2018). Eine solche Homogenität lässt sich insofern politisch erklären, als die Schweiz eine strikte Migrationspolitik verfolgt. Dies ist besonders bei der Integration von Migrantinnen sichtbar (Staatssekretariat für Migration 2018). Bei den Kontrollvariablen sind folgende Gründe für die gefundenen Ergebnisse möglich: • Das im Vergleich zur Referenzgruppe leicht negative Vertrauen der über 65Jährigen hat möglicherweise mit der Fichenaffäre von 1989 zu tun. Im Jahr 13

Der Mittelwert liegt bei 5.05 auf einer Skala von 1 bis 6 mit einer Standardabweichung von 0.66. Es handelt es um eine linksschiefe, steile Verteilung.

132

11

Die schweizerische Perspektive

1989 wurde bekannt, dass die Schweizer Bundespolizei aus Angst vor subversiven Strömungen während des Kalten Krieges über Jahrzehnte etwa 900 000 Personen und Organisationen bespitzelte. Entsprechend sank das Vertrauen in die Bundespolizei, insbesondere bei der Generation, die in dieser Zeit teilweise selbst fichiert worden war. Dieser Effekt war auch 20 Jahre nach der Fichenaffäre bei dieser Alterskategorie noch feststellbar (Kreis 2009; Tribelhorn 2014). • Generalisiertes Vertrauen erlaubt Menschen, Fremden Vertrauen entgegenzubringen, ohne dabei auf gemeinsame Erfahrungen zurückgreifen zu können. Der Mechanismus dahinter ist eine Art Spill-over-Effekt. Das heisst, dass ein höheres generalisiertes Vertrauen auch ein höheres Vertrauen in Institutionen mit sich bringt (Grönlund & Setälä 2011; Lühiste 2006). Diese Beziehung konnte in den Daten der Schweiz repliziert werden. • In der Schweiz sind Männer häufiger Täter oder Opfer von Straftaten (Bundesamt für Statistik 2018). Der damit einhergehende Kontakt – oftmals negativ konnotiert – beeinflusst auch die Wahrnehmung der Polizei und senkt das Vertrauen. Frauen haben zumeist eine andere Sozialisation durchlaufen, was mit einem Verhalten einhergeht, das seltener Kontakt mit der Polizei mit sich bringt (Ivkovi´c 2008). Daher vertrauen Frauen der Polizei signifikant mehr als Männer. • Politisch rechts orientierte Personen setzen einen grösseren Schwerpunkt auf die Erhaltung des Status quo sowie auf die Gewährleistung von Sicherheit (Benson 1981). Die Polizei als jene Institution, die für die Sicherheit im Innern zuständig ist, geniesst daher einen grösseren Zuspruch – und dies schlägt sich in einem höheren Vertrauen in die Polizei nieder. Eine differenziertere empirische Betrachtung öffentlicher Korruption für die Schweiz ist mangels objektiver Zahlen kaum möglich und wurde darum nicht in die SEM miteinbezogen. Der CPI-Wert lag 2011 in der Schweiz bei 8.80 auf einer Skala von 0.00 bis 10.00. Dies zeigt, dass die wahrgenommene Korruption sehr gering ist (TI 2011a). TI Schweiz (2012), die Korruption in der Schweiz vertieft analysiert und diskutiert, sieht aber gewisse Bereiche mit Verbesserungspotenzial, darunter das Lobbying und die Transparenz bei der Parteifinanzierung. Lobbying gehört zum politischen System und erfüllt eine wichtige Funktion. Ein Informationsaustausch zwischen der Gesellschaft, Unternehmungen und anderen nicht-staatlichen Organisationen mit Vertretern der Regierung ist das Ziel. Man will eine möglichst hohe Akzeptanz bei vielen Akteuren sichern und dadurch Entscheidungen tragfähig machen. Wird das Lobbying benutzt, um demokratische Prozesse auszuhebeln, gefährdet das die Demokratie. Die Schweiz hat im Vergleich zu anderen europäischen Ländern besonders in puncto Offenlegung der Interessenverbindungen eine schlechtere Bewertung erhalten, zum Beispiel von TI. Zudem lässt die feh-

11.3 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

133

lende Transparenz der Parteifinanzierung die Schweiz im europäischen Vergleich sehr schlecht dastehen. Die Schweiz ist das einzige europäische Land, das keine gesetzliche Regelung für die Offenlegung der Parteifinanzierung kennt (Biscaro & Biedermann 2019). Das Problem liegt in der Gefahr, dass bei der Parteifinanzierung – ob nun für bestimmte Abstimmungen oder Personenwahlen – eine Beeinflussung durch Grossspender wahrscheinlich ist (TI Schweiz 2012). Eine Studie zeigt, dass Geld einen Einfluss auf die Bekämpfung von Sachvorlagen haben kann (Caroni 2009). Gleichzeitig wurde festgestellt, dass zwischen Befürwortern und Gegnern von Abstimmungen die Verteilung der finanziellen Mitteln ungleich ist. Dadurch werden ausgewogene Diskussionen der Argumente und unverzerrte Meinungsbildungsprozesse gefährdet (Hermann & Nowak 2012). Die Resultate aus der vertieften Untersuchung mit Daten aus der Schweiz zeigen erstens, dass eine metrische Invarianz zwischen den drei Gruppen (ohne Migrationshintergrund, Migranten der ersten Generation und Migrantinnen der zweiten Generation) besteht. Die Items werden dementsprechend ausreichend ähnlich verstanden. Im Weiteren zeigt die Analyse, dass gewisse Items für die Berechnung der Werte – zumindest in der Schweiz – nicht nur einem latenten Konstrukt zugeordnet werden können, sondern sogar Fremdladungen bestehen. Ebenso zeigt sich die Problematik von wenigen Items für die Konstruktion latenter Werte. Um diese Mechanismen besser zu verstehen, wurde im Fallbeispiel der Schweiz eine CFA durchgeführt. Die Schweiz wird also gesondert betrachtet, um mögliche Wirkungen der Werte auf das Vertrauen in die Polizei festzustellen. In den nächsten Kapiteln werden die Werte-Konstrukte als Index behandelt. Zudem wurden in diesem Kapitel die drei Migrationsgruppen verglichen, um Mechanismen in den noch darzustellenden ländervergleichenden Untersuchungen erkennen und beschreiben zu können.

Die europäische Perspektive

12

Die Analyse für Europa wurde mit Daten aus 29 Ländern1 durchgeführt.2 Zuerst werden alle relevanten Variablen deskriptiv und bivariat beschrieben3 , bevor die multivariaten Resultate präsentiert werden. Das Ziel dieses Kapitels besteht darin, einen Überblick über die europäischen Länder zu geben. Der Schwerpunkt liegt auf der Erforschung des Vertrauens in die Polizei, und es wird gezeigt, welche Faktoren auf welche Weise das Vertrauen in die Polizei beeinflussen.

12.1

Vertrauen in die Polizei

Das Vertrauen in die Polizei liegt im europäischen Gesamtmittelwert bei 5.69 auf einer 11er-Skala (0.00 bedeutet «überhaupt kein Vertrauen», 10.00 bedeutet «volles 1 Die

Länder in alphabetischer Reihenfolge: Albanien, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Israel, Italien, Kosovo, Litauen, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Russland, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ukraine, Ungarn, Vereinigtes Königreich und Zypern. 2 In dieser Arbeit sind fehlende Werte für die deskriptiven Analysen nicht ersetzt worden. Sie wurden zum Teil inhaltlich reflektiert. Bi- und multivariate Analysen werden mit einem vollständigen Datensatz durchgeführt. Hier wurden fehlende Werte anhand einer multiplen Imputation ersetzt (vgl. Kapitel 8: «Umgang mit fehlenden Werten»). 3 Eine tabellarische Übersicht mit allen deskriptiven Zahlen befindet sich in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial. Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_12.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_12

135

136

12

Die europäische Perspektive

Vertrauen ») mit einer Standardabweichung von 2.76. Die Streuung der Mittelwerte der in dieser Arbeit untersuchten europäischen Länder ist sehr unterschiedlich ausgeprägt (Abbildung 12.1). In Finnland ist das Vertrauen in die Polizei mit einem Wert von 8.10 von allen untersuchten Ländern am höchsten. In Dänemark (7.95), Island (7.81), der Schweiz (7.16) und Norwegen (7.15) ist das Vertrauen in die ländereigene Polizei mit Werten zwischen 7 und 8 ebenfalls hoch. In den meisten der restlichen Länder liegt der Wert zwischen 5 und 7 – dies bedeutet, dass die Einwohner der Polizei weniger stark vertrauen. In Italien (6.10), Belgien (6.12), den Niederlanden (6.04), dem Vereinigten Königreich (6.51), Irland (6.66), Schweden (6.72) und Deutschland (6.84) liegen die Werte über 6 und somit immer noch über dem Mittelwert der Skala.

Die verwendeten Länderabkürzungen sind in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt.

Abbildung 12.1 Vertrauen in die Polizei in Europa

Im Gegensatz dazu befindet sich die Ukraine am unteren Ende des Spektrums mit einem Wert von 2.04. In diesem Land gibt es somit praktisch kein Vertrauen in die dortige Polizei. In Russland (3.49), Bulgarien (3.52) und der Slowakei (4.15) hat die Bevölkerung ebenfalls ein geringeres Vertrauen in die Polizei. In all diesen

12.2 Wahrgenommene Korruption

137

Ländern ist das Vertrauen nicht normalverteilt – sowohl in Bulgarien als auch in der Ukraine ist die niedrigste Kategorie «überhaupt kein Vertrauen» die häufigste Antwort. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass zum Beispiel die Verteilung für die Ukraine eine Schiefe von 1.14 und eine Kurtosis von 0.57 aufweist. Russland und die Slowakei sind ebenfalls rechtsschief, der Modus des Vertrauens in die Polizei liegt jedoch beim Wert 5.00, also im Mittelbereich.

12.2

Wahrgenommene Korruption

Der CPI 2011 weist eindeutige Unterschiede zwischen den europäischen Ländern auf (Abbildung 12.2). Je geringer der CPI-Wert auf einer Skala von 0.00 bis 10.00 ist, umso höher ist die wahrgenommene Korruption in diesem Land – und vice versa. Der durchschnittliche CPI-Wert liegt bei den untersuchten Ländern bei 6.16. FI DK SE NO NL CH IS DE GB IE BE FR EE CY ES ⌀ Europa PT SI IL PL LT HU CZ SK IT BG AL XK RU UA

9.40 9.39 9.30 8.99 8.89 8.80 8.27 8.05 7.78 7.54 7.49 7.01 6.35 6.27 6.23 6.16 6.10 5.87 5.81 5.48 4.75 4.56 4.37 3.97 3.91 3.33 3.05 2.85 2.45 2.30

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

wahrgenommene Korruption

Die verwendeten Länderabkürzungen sind in Anahng B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt.

Abbildung 12.2 Wahrgenommene Korruption in Europa

138

12

Die europäische Perspektive

In der Ukraine (CPI: 2.30), in Russland (CPI: 2.45) und im Kosovo (CPI: 2.85) ist die wahrgenommene Korruption am höchsten. Ähnlich sieht die Lage in den südosteuropäischen Länder wie Albanien (CPI: 3.05) und Bulgarien (CPI: 3.33) aus. Am niedrigsten ist die wahrgenommene Korruption in den skandinavischen Ländern wie Finnland (CPI: 9.40), Dänemark (CPI: 9.39) und Schweden (CPI: 9.30). Gleich darauf folgen Norwegen (CPI: 8.99) und die Niederlande (CPI: 8.89). Die Korrelation zwischen dem aggregierten Vertrauen in die Polizei auf Landesebene und dem CPI je Land beträgt r = 0.94 (ρ < 0.01) – dieses Ergebnis ist allerdings angesichts der kleinen Fallzahl von nur 29 Ländern mit der gebotenen Zurückhaltung zu betrachten. In Ländern mit einer geringen wahrgenommenen Korruption ist das Vertrauen in die Polizei entsprechend hoch – umgekehrt ist bei einer hohen wahrgenommenen Korruption das Vertrauen in die Polizei gering.

Die verwendeten Länderabkürzungen sind in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt.

Abbildung 12.3 Wahrgenommene Korruption und Vertrauen in die Polizei in Europa

12.3 Individuelle Werte

139

Bildet man das aggregierte Vertrauen in die Polizei und die wahrgenommene Korruption im zweidimensionalen Raum ab und unterteilt diesen in gleich grosse 3-mal-3-Segmente ein, lassen sich die Länder in Gruppen zusammenfassen (Abbildung 12.3). Die Ukraine befindet sich im Segment mit einer hohen wahrgenommenen Korruption und einem niedrigen Vertrauen in die Polizei. Im Segment mit hoher wahrgenommener Korruption und mittlerem Vertrauen in die Polizei sind die Länder Albanien, der Kosovo und Russland vertreten. Bulgarien liegt an der Grenze zum Segment mit mittlerer wahrgenommener Korruption und mittlerem Vertrauen in die Polizei. Insbesondere Albanien, Italien und der Kosovo weisen ein höheres Vertrauen in die Polizei auf, als man dies aufgrund ihres CPI-Werts annehmen könnte. Das Segment mittlerer wahrgenommener Korruption bei mittlerem Vertrauen in die Polizei umfasst Estland, Israel, Italien, Litauen, Polen, Portugal, die Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern. Ein mittleres Vertrauen in die Polizei und eine gleichzeitig geringe Korruptionswahrnehmung findet sich in Belgien, Frankreich, Irland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich. Irland liegt an der Grenze zum Sektor mit hohem Vertrauen. Dänemark, Deutschland, Finnland, Island, Norwegen, Schweden und die Schweiz befinden sich im letzten Segment (niedrige wahrgenommene Korruption und hohes Vertrauen in die Polizei).

12.3

Individuelle Werte

Abbildung 12.4 zeigt die Verteilung der Resultate der vier individuellen Werte (Bewahrung, Macht, Selbstbestimmung und Universalismus) in den europäischen Ländern. Grundsätzlich weist der Wert Universalismus die grösste Bedeutung in Europa auf, gefolgt vom Wert Bewahrung und dem Wert Selbstbestimmung. Der Wert Macht wird als unwichtigster Wert betrachtet. Die Skala reicht von 1.00 («überhaupt nicht ähnlich wie ich») bis 6.00 («sehr ähnlich wie ich»). Neben der unterschiedlichen Verteilung der Werte über die europäischen Länder ist auch die Heterogenität innerhalb der Länder gross. Magun et al. (2016) zeigten, dass Personen eines bestimmten Landes eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufweisen, bestimmten Werten eine höhere Bedeutung zuzuweisen als andere. Aufgrund der Heterogenität innerhalb der Länder besitzen jedoch immer mehrere Werte eine hohe Wahrscheinlichkeit. Andererseits konnte gezeigt werden, dass sich die Länder untereinander in ihren Mustern unterscheiden.

12

Abbildung 12.4 Individuelle Werte Bewahrung, Macht, Selbstbestimmung und Universalismus in Europa, geordnet nach Summe der vier Werte

140 Die europäische Perspektive

12.3 Individuelle Werte

141

12.3.1 Bewahrung Personen, denen Bewahrung wichtig ist, möchten den Status quo und die Handlungssicherheit von Institutionen und Traditionen bewahren. Der Wert Bewahrung weist nur eine geringe Streuung um den europäischen Mittelwert (4.47) auf.4 In Island (3.90) ist dieser Wert am unwichtigsten, in Zypern hingegen (4.87) am zweitwichtigsten. Nur im Kosovo (5.13) ist der Wert für die Bevölkerung noch wichtiger.

12.3.2 Macht Macht ist ein Wert, der einen starken Fokus auf individuelle Errungenschaften und persönliche Interessen legt. Status, Prestige, Kontrolle sowie Dominanz über Ressourcen und andere Menschen sind bedeutsam für Menschen, die diesen Wert hoch gewichten. Verglichen mit den anderen Werten, spielt Macht innerhalb der vier Werte die geringste Rolle für die Menschen in Europa. Der europäische Mittelwert liegt bei 3.51. In Frankreich (2.74) ist der Wert am unwichtigsten, während der Wert im Kosovo (4.36) am wichtigsten ist, gefolgt von Russland (4.16). Auffällig ist, dass die Menschen im Kosovo und in Russland den Wert Macht viel stärker gewichten als die Bewohner anderer Länder. Der Wert Macht hat eine grössere Bedeutung in weniger egalitären Ländern (Albrecht & Frankenberger 2010).5

12.3.3 Selbstbestimmung Selbstbestimmung bedeutet, dass eigenständiges Denken und Verhalten für Personen wichtig sind. Selbstbestimmung ist als Wert in Europa wichtig. In der Ukraine (4.09) und in Litauen (4.10) ist dieser Wert am tiefsten ausgeprägt, direkt danach folgt Bulgarien (4.26). Am wichtigsten ist Selbstbestimmung in der Schweiz (5.02), danach im Kosovo und in Zypern (je 4.99).6 Im europäischen Mittel liegt der Wert Selbstbestimmung bei 4.63. 4

Die Reliabilität des Konstrukts wurde anhand von Omega beurteilt (vgl. Trizano-Hermosilla & Alvarado 2016). Es zeigt sich, dass sich die sechs Items gut für das Konstruieren des Werts Bewahrung eignen und einen hohen Reliabilitätswert (ω = 0.72) aufweisen. 5 Es kann keine Reliabilität des Konstruktes aufgrund der zu geringen Anzahl an Items angegeben werden. 6 Es kann keine Reliabilität des Konstruktes aufgrund der zu geringen Anzahl an Items angegeben werden.

142

12

Die europäische Perspektive

12.3.4 Universalismus Universalismus bedeutet, dass Verständnis, Toleranz und das Wohl aller Menschen im Vordergrund stehen. Der Wert Universalismus ist in Europa stark ausgeprägt (4.85), die Spannweite liegt zwischen Litauen mit 4.11 und Italien, Kosovo und Slowenien mit je 5.18.7 Die starke Ausprägung dieses Werts zeigt sich daran, dass in jedem einzelnen Land in Europa, für das die Untersuchung durchgeführt wurde, Universalismus der wichtigste der vier untersuchten Werte ist.

12.3.5 Aggregierte individuelle Werte Im Folgenden wird mit den aggregierten individuellen Werten gerechnet, das heisst, dass Aussagen darüber getroffen werden, wie die allgemeine Wertehaltung in einem Land Einfluss auf das Vertrauen in die Polizei hat. Die Unterschiede der Wichtigkeit der einzelnen aggregierten Werte werden umso kleiner, je geringer das Vertrauen in die Polizei in einem Land ist. Umgekehrt werden die Unterschiede der Wichtigkeit der einzelnen aggregierten Werte umso grösser, je stärker das Vertrauen in die Polizei ist. Die Streuung der vier aggregierten Werte eines Landes nimmt mit zunehmendem Vertrauen in die Polizei zu. Es ist der aggregierte Wert Macht, der zu dieser Streuungszunahme führt. Ein aufschlussreiches Bild zeigt sich, wenn die Korrelationen zwischen dem Vertrauen in die Polizei und den vier Werten betrachtet werden. Für die einzelnen Länder aggregiert korrelieren die Werte Macht mit r = −0.70 (ρ < 0.01) und Bewahrung mit r = −0.55 (ρ < 0.01) signifikant negativ mit dem aggregierten Vertrauen in die Polizei. Die negative Korrelation zwischen dem Vertrauen in die Polizei und dem aggregierten Wert Macht rührt unter anderem daher, dass in Ländern mit autoritären Regierungen der Polizei weniger vertraut wird (Kääriäinen 2007). Gleichzeitig wird der Wert Macht in diesen Gesellschaften stärker gewichtet als in egalitären Gesellschaften (Albrecht & Frankenberger 2010). Der Wert Selbstbestimmung korreliert mit r = 0.43 (ρ < 0.05) signifikant positiv mit dem aggregierten Vertrauen in die Polizei. Schliesslich gibt es auf aggregiertem Länderlevel keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Wert Universalismus und dem Vertrauen in die Polizei (r = 0.24). Die Korrelationsmasse zwischen den vier Werten und dem Vertrauen in die Polizei lassen sich in einer Kurve darstellen. Dabei wird das Vertrauen in die Polizei als 7

Die Konstruktüberprüfung von Universalismus mithilfe von Omega zeigt anhand des über alle Länder ermittelten Werts von ω = 0.67, dass das Konstrukt nur mittelmässig reliabel ist.

12.3 Individuelle Werte

143

externe Variable verwendet, sodass ein Sinusoid8 entsteht. Abbildung 12.5 illustriert die entstehende Kurve. Der aggregierte Wert Selbstbestimmung bildet den höchsten positiven, der aggregierte Wert Macht den tiefsten negativen Korrelationspunkt. Da die Werte in einer zirkulären Anordnung stehen, wird eine solche Beziehung in der Wertetheorie von Schwartz postuliert und erwartet (vgl. Unterabschnitt 4.2.5: «Die Sinuskurve »). Insbesondere die aggregierten Werte von Universalismus und Selbstbestimmung korrelieren mit r = 0.80 stark (ρ < 0.01), wobei auch die Werte Universalismus und Bewahrung (r = 0.50; ρ < 0.01) sowie die Werte Macht und Bewahrung (r = 0.66; ρ < 0.01) positiv korrelieren. Die restlichen Korrelationen zwischen den Werten Selbstbestimmung und Macht sowie Universalismus und Macht sind jeweils negativ und nicht signifikant.9 Die Korrelation zwischen den aggregierten Werten Bewahrung und Selbstbestimmung ist ebenfalls nicht signifikant. Die Art der Korrelationen lässt sich durch die Nähe oder Distanz auf dem Wertespektrum

Nj = 29; die aggregierten Korrelationen zwischen dem Vertrauen in die Polizei und den Werten Bewahrung, Selbstbestimmung und Universalismus sind signifikant.

Abbildung 12.5 Sinuskurve anhand der aggregierten Korrelationen zwischen den vier Werten und dem Vertrauen in die Polizei in Europa

8

Bei einem Sinusoid handelt es sich um eine sinusförmige Funktion (Hazewinkel 2002). Da hier jedoch mit den aggregierten Werten gerechnet wurde, gilt N = 29. Die Resultate sind also aufgrund der kleinen Fallzahl mit Vorsicht zu interpretieren.

9

144

12

Die europäische Perspektive

erklären. Werte wie Universalismus und Bewahrung stehen beieinander, während Universalismus und Macht antagonistisch angeordnet sind.

12.4

Migrationshintergrund

Sämtliche Länderstichproben enthalten einen Anteil an Personen mit Migrationshintergrund, also Personen, die über mindestens einen im Ausland geborenen Elternteil verfügen. Am geringsten ist der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund mit 2.5 Prozent in Bulgarien, während etwa Belgien in seiner Stichprobe einen Anteil von 23.7 Prozent aufweist. Abbildung 12.6 zeigt den summierten Anteil an Personen mit einem Migrationshintergrund. Dabei werden Migranten der ersten und der zweiten Generation gestapelt dargestellt. In Albanien (0.4 %) gibt es in der Stichprobe am wenigsten Migrantinnen der ersten Generation, in Israel (31.2 %) die meisten. In Finnland (1.6 %) gibt es in der Stichprobe am wenigsten Migrantinnen der zweiten Generation und wiederum in Israel (38.1 %) die meisten. AL HU SK PL FI PT XK IS IT LT CZ RU CY DK ES NL ⌀ Europa NO IE SI DE GB UA FR SE BE EE CH IL

2.5 2.7 3.5 4.2 4.5 4.6 4.3 4.1 6.0 2.7 2.3 4.3 9.7 6.3 10.6 7.6 8.5 11.7 12.1 7.8 9.3 10.9 7.0 9.8 12.1 13.1 16.0 22.3 31.2

0.0

2.3 3.6 4.1 2.7 6.4 6.8 5.7 1.8 5.2 1.7 7.4 7.5 4.4 4.3 9.3 9.1 8.7 13.0 12.6 10.3 10.5 19.6 14.7 38.1

10.0

20.0

30.0

1. Migrationsgeneration

40.0

50.0

60.0

2. Migrationsgeneration

Anteil an Personen mit Migrationshintergrund [%]

Die verwendeten Länderabkürzungen und die präzisen Zahlen sind in Anhang B: «Deskriptiv Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt. Für Länder mit absolute Migrationsanteil unter 5.0 Prozent wurde nur die summierte Angabe aller Migrantinnen aufgeführt.

Abbildung 12.6 Migrationsgeneration in Europa

70.0

12.4 Migrationshintergrund

145

Wenige Länder weisen in ihren Stichproben einen deutlich höheren Anteil an Personen mit Migrationshintergrund der ersten und zweiten Generation als andere auf. So verfügen etwa 35.6 Prozent der Befragten aus Estland über einen Migrationshintergrund – hierbei handelt es sich mehrheitlich um Personen russischer Abstammung. Dies lässt sich mit Estlands Geschichte sowie seiner Abhängigkeit von Russland beziehungsweise der jahrzehntelangen Integration und der Sowjetunion erklären (Saar et al. 2017). Ebenso sind unter den Befragten aus der Schweiz (37.0 %) und aus Israel (69.3 %) bedeutend mehr Personen mit Migrationshintergrund als in den übrigen europäischen Ländern. Während die Schweiz seit Ende des 19. Jahrhunderts ein Immigrationsland ist (Nguyen 2017), handelt es sich bei Israel um einen jungen, 1948 unter besonderen Bedingungen gegründeten Staat. Daher verfügt ein Grossteil der Bevölkerung über einen Migrationshintergrund.

Die verwendeten Länderabkürzungen sind in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt. Nur Länder mit einem Anteil von mindestens 5.0 Prozent pro Migrationsgenerationsgruppe sind hier aufgeschlüsselt. * = Gruppen weisen signifikanten Unterschied gegenüber der Referenzgruppe (= ohne Migrationshintergrund) auf.

Abbildung 12.7 Vertrauen in die Polizei nach Migrationsgenerationen, geordnet nach Vertrauen in die Polizei (Total)

146

12

Die europäische Perspektive

In Abbildung 12.7 wurde das Vertrauen in die Polizei nicht nur nach Ländern, sondern auch nach Migrationsgeneration getrennt aufgeschlüsselt. Es werden nur jene Länder und Gruppen mit einem Anteil von über 5.0 Prozent Migranten gezeigt. Migrantinnen der ersten Generation vertrauen der Polizei in Deutschland, der Schweiz und in Zypern signifikant mehr, während bei dieser Gruppe in Belgien, Estland und den Niederlanden das Vertrauen signifikant niedriger als bei NichtMigranten ist. In Dänemark, Frankreich, Irland, Israel, Italien, Norwegen, Russland, Slowenien, Spanien, der Ukraine und im Vereinigten Königreich bestehen keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Migranten der zweiten Generation vertrauen der Polizei in Deutschland, Estland und den Niederlanden weniger als Nicht-Migranten. Es konnte kein Unterschied in folgenden Ländern festgestellt werden: Belgien, Frankreich, Israel, Litauen, Russland, Slowenien, Tschechien, Ukraine und Vereinigtes Königreich.

12.5

Kontrollvariablen

12.5.1 Alter Die Teilnehmer der Stichproben weisen eine relativ gleichmässige Verteilung über die verschiedenen Alterskategorien auf. In Belgien, Frankreich, Portugal und im Vereinigten Königreich zeigt sich ein leicht höherer Anteil älterer Personen im Datensatz, während sich in Albanien, Island, Israel, im Kosovo und in Russland ein leicht höherer Anteil Jüngerer in der Stichprobe befindet. Insgesamt liegt der Mittelwert über die gesamte Stichprobe bei 48.30 Jahren.

12.5.2 Bildung Abbildung 12.8 illustriert für jedes der 29 untersuchten Länder das Bildungsniveau der Teilnehmerinnen.10 Der Anteil derjenigen, die über ein geringes Bildungsniveau verfügen, variiert stark zwischen den Ländern. Den höchsten Anteil an Personen mit geringem Bildungsniveau weisen Portugal (70.3 %) und Spanien (60.2 %) auf, den geringsten Anteil Deutschland (15.4 %), Israel (16.0 %), Russland (12.6 %), 10

Das Äquivalent in der Schweiz ist folgender Zusammenhang: Geringe Bildung bedeutet, einen Abschluss der Sekundarstufe I zu besitzen. Mittlere Bildung bedeutet, einen Sekundarstufe-II-Abschluss oder einen post-sekundären, nicht tertiären Abschluss zu haben. Als hohe Bildung werden tertiäre Ausbildungen gezählt (Bundesamt für Polizei fedpol 2015). Für genauere Informationen siehe Kapitel «Operationalisierung» den Unterabschnitt 7.5.2: «Bildung».

12.5 Kontrollvariablen

147

die Slowakei (14.1 %), Tschechien (13.5 %) und die Ukraine (14.6 %) mit weniger als 20.0 Prozent der befragten Personen. Die grössten Anteile an Personen mit hohem Bildungsabschluss weisen Dänemark (31.7 %), Israel (29.8 %), Norwegen (32.7 %) und Russland (31.9 %) mit einem Drittel der Stichprobe auf, wohingegen in Albanien (11.9 %), Frankreich (15.7 %), Irland (17.9 %), Italien (18.9 %), im Kosovo (9.2 %), in Portugal (9.1 %), in der Slowakei (17.0 %), Slowenien (16.6 %), Tschechien (13.1 %) und Ungarn (15.6 %) weniger als 20.0 Prozent der Befragten über einen hohen Bildungsabschluss verfügen.

Die verwendeten Länderabkürzungen sind in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt.

Abbildung 12.8 Bildungsabschlüsse in Europa, geordnet nach berechnetem Mittelwert (in %)

12.5.3 Generalisiertes Vertrauen Das mittlere generalisierte Vertrauen in Europa liegt bei 4.91 auf einer Skala von 0.00 («man kann nicht vorsichtig genug sein ») bis 10.00 («man kann den meisten Menschen trauen »), die zeigt wie stark die Bevölkerung eines Lands fremden Personen Vertrauen entgegenbringt. In Abbildung 12.9 ist das generalisierte Vertrauen der untersuchten europäischen Länder abgebildet.

148

12

Die europäische Perspektive

Albanien (3.01) weist das geringste generalisierte Vertrauen auf, während in den skandinavischen Ländern Dänemark (6.98), Norwegen (6.70) und Finnland (6.58) das höchste generalisierte Vertrauen vorherrscht. Direkt danach folgend Island und Schweden mit je 6.01. Es zeigt sich, dass die Bevölkerung der nordischen Länder das höchste generalisierte Vertrauen aufweist, während die Menschen vieler Länder Südost- und Südeuropas weniger Vertrauen in Fremde setzen.

Die verwendeten Länderabkürzungen sind in in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt.

Abbildung 12.9 Generalisiertes Vertrauen in Europa

12.5.4 Geschlecht Norwegen weist mit 52.8 Prozent den höchsten Männeranteil in der Stichprobe auf, gefolgt von Schweden (51.3 %) und Dänemark (50.5 %). In Deutschland (50.3 %) und Island (50.1 %) wurden ebenfalls etwas mehr Männer als Frauen befragt. In den restlichen Ländern finden sich mehr Frauen in der Stichprobe – in Portugal (60.4 %), Russland (61.7 %) und in der Ukraine (63.2 %) machen Frauen sogar über 60.0 Prozent der Befragten aus. In Russland und in der Ukraine entspricht dies in etwa dem tatsächlichen Anteil der Geschlechter in der Bevölkerung, da es

12.5 Kontrollvariablen

149

in diesen Ländern mehr Frauen als Männer gibt (United Nations 2017). Mögliche Gründe liegen in einer Kombination demografischer Aspekte. Während des Zweiten Weltkriegs kam es zu einem hohen Verlust männlicher Soldaten. Eine geringere Lebenserwartung von Männern gegenüber Frauen führt konsequenterweise zu einer Überproportion älterer Frauen. Die kürzere Lebenserwartung von Männern wird durch einen wesentlich höheren Alkoholkonsum und daraus entstehende tödliche Krankheiten sowie Unfälle erklärt. Schliesslich weisen Männer in Russland eine höhere Selbsttötungsrate als Frauen auf (Bota 2018).

12.5.5 Politische Orientierung Abbildung 12.10 zeigt die politische Einstellung der Befragten, aufgeschlüsselt nach Ländern. In Estland, im Kosovo, in Polen, Russland, Ungarn und in der Ukraine bezeichnen sich jeweils unter 20 Prozent der befragten Personen als politisch links-

Die verwendeten Länderabkürzungen sind in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt.

Abbildung 12.10 Politische Einstellung in Europa, geordnet nach linksorientierten Menschen (in %)

150

12

Die europäische Perspektive

orientiert. Dagegen bezeichnen sich in Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden, Spanien, der Slowakei und in Tschechien jeweils über 30 Prozent der Befragten als politisch links orientiert. Demgegenüber sind die Befragten besonders in den Niederlanden (43.3 %), in Finnland (44.7 %) sowie in Norwegen (48.6 %) und Israel (49.1 %) politisch rechts eingestellt. Auffallend bei der Frage nach der politischen Einstellung ist auch der Anteil an Personen, die diese Frage nicht beantworten konnten oder wollten. Während dieser Anteil in Belgien (3.3 %), Dänemark (3.9 %), Finnland (4.6 %), den Niederlanden (3.8 %) und in Norwegen (1.3 %) bei weniger als 5.0 Prozent liegt, steigt er in Litauen (28.7 %), Portugal (30.6 %), Russland (27.7 %) und Slowenien (30.0 %) auf knapp ein Drittel der befragten Personen an. Im Kosovo und in der Ukraine haben sogar 37.4 Prozent respektive 41.2 Prozent der befragen Personen die Frage nicht beantwortet.

12.6

Multivariate Analysen

12.6.1 Lineare Regression Für ein vertieftes Verständnis der Daten wurden ebenfalls lineare Regressionen berechnet, und zwar sowohl über alle Länder-Samples zusammen als auch für jedes einzelne Land. Das Vertrauen in die Polizei ist dabei die abhängige Variable; die erklärenden Variablen sind die vier Werte Bewahrung, Macht, Selbstbestimmung und Universalismus sowie die weitere Inhaltsvariable Migration. Zusätzlich wurden als Kontrollvariablen Alter, Bildung, generalisiertes Vertrauen, Geschlecht und politische Orientierung verwendet. In Tabelle 12.1 sind die Resultate der linearen Regression aufgelistet, die über alle Länder-Samples kombiniert berechnet wurden. Die Werte Bewahrung, Selbstbestimmung und Universalismus weisen einen signifikant positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei auf, während Macht einen signifikant negativen Effekt zeigt. Die Inhaltsvariable zum Migrationshintergrund wurde in Personen aus der ersten und zweiten Migrationsgeneration (= Dummies) unterteilt: Diese wurden mit Personen ohne Migrationshintergrund (= Referenzkategorie) verglichen. Über das gesamte europäische Sample hinweg zeigen Personen aus der ersten Migrationsgeneration ein signifikant höheres Vertrauen in die Polizei als Nicht-Migranten. Die Effektrichtung dreht jedoch bei Personen aus der zweiten Migrationsgeneration, die der Polizei signifikant weniger vertrauen. Bei den Kontrollvariablen zeigt sich, dass sowohl die jüngeren als auch die älteren Studienteilnehmerinnen im Vergleich zur Referenzkategorie der 46- bis 60-Jährigen

12.6 Multivariate Analysen

151

Tabelle 12.1 Einfluss von Werten, Migrationshintergrund und Kontrollvariablen auf das Vertrauen in die Polizei – Europa (lineare Regression)

152

12

Die europäische Perspektive

ein signifikant grösseres Vertrauen in die Polizei setzen. Einzig die 18- bis 30Jährigen weisen keinen signifikanten Vertrauensunterschied zur Referenzkategorie auf. Personen mit einer geringen Bildung haben ein signifikant grösseres Vertrauen in die Polizei als die Referenzkategorie der Personen mit mittlerer Bildung. Personen mit hoher Bildung weisen im Vergleich mit der Referenzkategorie keinen signifikanten Unterschied beim Vertrauen in die Polizei auf. Das generalisierte Vertrauen weist einen signifikant positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei auf. Männer haben ein leicht erhöhtes, aber doch signifikant höheres Vertrauen in die Polizei als Frauen. Im Vergleich mit Personen, die sich zur politischen Mitte zählen, vertrauen Personen, die sich politisch links positionieren, der Polizei signifikant leicht weniger. Personen, die sich politisch rechts positionieren, vertrauen der Polizei dagegen signifikant sehr viel stärker als Personen, die sich zur politischen Mitte zählen. Die erklärte Varianz in diesem Modell liegt bei 12.7 Prozent. Die länderweise berechneten linearen Regressionen zeigen beträchtliche Unterschiede. Der Wert Bewahrung weist in den meisten Ländern einen signifikant positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei auf. Ausnahmen bilden Albanien, Estland, Portugal, die Slowakei, Slowenien und die Ukraine, in denen kein signifikanter Effekt ermittelt werden konnte. Es fällt auf, dass es sich eher um Länder aus Osteuropa handelt. Je wichtiger der Wert Bewahrung für eine Person ist, umso mehr vertraut diese der Polizei. Der Wert Macht weist dagegen in den meisten Ländern keinen signifikanten Effekt auf das Vertrauen in die Polizei auf. Für Albanien und Deutschland besteht jedoch ein signifikant positiver Effekt. Insbesondere für Albanien kann somit vermutet werden, dass die Homosozialität greift. Eine starke Ausprägung des Wertes Macht bedeutet, dass es Personen mit einem derartigen Werteprofil wichtig ist, anderen Menschen sagen zu können, was sie zu tun haben. Für diese Personen ist die Polizei die verkörperte Institution des Werts Macht. Sie besitzt die Legitimität, anderen Personen sagen zu dürfen, was sie zu tun haben. In Deutschland ist dieser Effekt nicht robust. Abhängig davon, welche Variablen verwendet werden, ist die Beziehung signifikant oder nicht. Für Bulgarien, Estland, Irland, Italien, Polen, die Schweiz und das Vereinigte Königreich besteht ein signifikanter negativer Effekt. In diesen Ländern wird nicht wahrgenommen, dass die Polizei ihre Machtposition missbrauchen würde, sodass Personen, denen der Wert Macht weniger wichtiger ist, der Polizei mehr vertrauen. Der Wert Selbstbestimmung weist für Albanien, Estland, Finnland, Frankreich, Island, Italien, Norwegen, Portugal, Russland, Ungarn und das Vereinigte Königreich einen signifikant negativen Effekt auf. Diese Beziehung wurde auch erwartet.

12.6 Multivariate Analysen

153

Die theoretische Erwartung lautete, dass die Polizei als Institution die individuelle Unabhängigkeit einschränkt. Mit Ausnahme von Tschechien (signifikant positiv) hat der Wert Selbstbestimmung in keinem weiteren Land einen signifikanten Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Nach der sogenannten samtenen Revolution und unter dem Einfluss des damaligen Präsidenten, der Wertvorstellungen wie Frieden, Gerechtigkeit und Gleichheit propagierte (Danis et al. 2011), wurde die Polizei in eine den Bürger in den Mittelpunkt stellende Institution umstrukturiert (Crow et al. 2004). Dies erklärt, weswegen die tschechische Polizei die Verwirklichung der Werte Selbstbestimmung und Universalismus unterstützt. Der Wert Universalismus weist in den wenigsten Ländern einen signifikanten Effekt auf das Vertrauen in die Polizei auf. In Estland, Portugal und Tschechien gibt es einen signifikant positiven Effekt, während in Italien ein signifikant negativer Einfluss auf das Vertrauen in die Polizei vorliegt. Der Wert Universalismus ist für Italienerinnen sehr wichtig. Zudem war die Polizei besonders Ende des 20. und anfangs des 21. Jahrhunderts in Italien bekannt dafür, sich mit dem organisierten Verbrechen abzusprechen oder sogar für solche Organisationen zu arbeiten (Ruggiero 2010). Dies könnte zu einem deutlich negativeren Effekt geführt haben. Migranten der ersten Generation weisen nur in Estland11 ein niedrigeres Vertrauen in die Polizei gegenüber Personen ohne Migrationshintergrund auf, während diese Generation in der Schweiz und in Zypern ein höheres Vertrauen in die Polizei setzt. In den restlichen Ländern konnte kein Unterschied gegenüber NichtMigrantinnen gefunden werden. Entweder besteht kein signifikanter Unterschied zwischen Personen ohne Migrationshintergrund und jenen aus der zweiten Generation, oder er ist negativ. Der negative Effekt trifft auf folgende Länder zu: Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Tschechien und das Vereinigte Königreich.12 In Bulgarien hat die älteste Generation der über 61-Jährigen ein signifikant grösseres Vertrauen in die Polizei als die Kontrollgruppe (46- bis 60-Jährige). Im Kosovo, in Schweden und Zypern setzen die über 60-Jährigen signifikant weniger Vertrauen in die Polizei als die Kontrollgruppe. In Zypern haben zudem die 18- bis 46-Jährigen weniger Vertrauen in die Polizei als die Kontrollgruppe. Dagegen haben die jüngeren Generationen in Bulgarien, im Kosovo, in Norwegen, Schweden und der Ukraine signifikant mehr Vertrauen in die Polizei als die 46- bis 60-Jährigen. 11

In Estland ist die Variable gleichmässig verteilt. Dass das Vertrauen in die Polizei unabhängig von der Generation bei Migranten niedriger ist, kann wiederum durch Estlands Geschichte sowie seine Abhängigkeit von Russland erklärt werden (Saar et al. 2017). 12 Der Migrationshintergrund ist in der Gruppe sehr schief verteilt. In gewissen Ländern sind fast keine Migrantinnen in der Stichprobe, daher sind diese Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren.

154

12

Die europäische Perspektive

Personen mit einem geringeren Bildungsstand weisen in Belgien, Irland, Island, den Niederlanden und in Norwegen signifikant weniger Vertrauen in die Polizei auf als Personen mit mittlerem Bildungsgrad. Im Kosovo und in der Ukraine haben dagegen Personen mit einem geringeren Bildungsstand ein signifikant höheres Vertrauen in die Polizei. Eine höhere Bildung hat einen signifikant positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei in Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, den Niederlanden und in Zypern. Das generalisierte Vertrauen übt in allen Ländern einen signifikanten, positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei aus. Frauen vertrauen in Albanien, Dänemark, Litauen, Norwegen, Russland, der Schweiz, Slowenien, Ungarn, der Ukraine und im Vereinigten Königreich der Polizei signifikant stärker, als Männer dies tun. In Estland, Finnland, Frankreich und im Kosovo ist Vertrauen in die Polizei dagegen bei Männern signifikant höher als bei Frauen. Personen, die sich politisch links positionieren, haben in Albanien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Irland und Portugal ein signifikant geringeres Vertrauen in die Polizei als Personen, die sich zur politischen Mitte zählen. Einzig in Italien setzen linksorientierte Personen ein signifikant höheres Vertrauen in die Polizei als jene aus der politischen Mitte. Personen, die sich politisch rechts positionieren, haben in Albanien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, der Schweiz, Spanien, Ungarn, im Vereinigten Königreich und in Zypern ein signifikant grösseres Vertrauen in die Polizei.

12.6.2 Mehrebenenanalyse Im Folgenden werden die Resultate aus der MEA präsentiert. Für diese Auswertung wurde das Modell schrittweise durch Variablengruppen erweitert. In Tabelle 12.2 sind die einzelnen Modelle und deren Resultate ersichtlich. Das Modell 0 beinhaltet einzig die Konstanten. Dieses Modell zeigt, dass Unterschiede sowohl auf der Individual- als auch auf der Länderebene zu suchen sind, um Vertrauen in die Polizei erklären zu können. Die Signifikanz beider Varianzen ist offensichtlich. Die Intra-Klassen-Korrelation liegt bei 0.239. Knapp 24 Prozent der Varianz sind auf der Länderebene zu finden, 76 Prozent auf der Individualebene. Modell 1 bestimmt den Effekt der vier Werte auf das Vertrauen in die Polizei. Die Werte Bewahrung und Universalismus haben einen signifikant positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei, während die Werte Macht und Selbstbestimmung einen signifikant negativen Effekt aufweisen. In diesem Modell hat der Wert Bewahrung den insgesamt stärksten Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Personen, denen

0.004

0.022 ***

0.196 ***

0.704 ***

0.063 ***

6.6 % 17.3 %

0.9 % −5.5 %

0.066

0.005

0.004

0.200 ***

0.8 % −5.1 %

0.250 ***

0.004 0.004

0.002 0.022 ***

0.218

0.747 ***

0.005

0.028 ***

0.052

0.004

0.004

0.004

0.004

0.019 ***

− 0.013 **

0.004 0.004

0.006

0.004

0.036 ***

0.004

− 0.022 ***

0.005

0.004 0.004

0.005

.082

− 0.005

0.010 *

− 0.019 *** − 0.028 ***

0.089 ***

.020

Modell 3 Koef S.E.

0.250

0.249 *** 0.066

0.004 0.004

− 0.010 * − 0.024 ***

0.748 *** 0.005

0.005

0.022 ***

0.004 0.004

− 0.015 ** − 0.025 ***

0.021 *** 0.005

0.005

.093

− 0.015 *** 0.004 − 0.025 *** 0.004

.019

Modell 2 Koef S.E.

0.072 ***

.093

0.072 *** 0.005

.020

Modell 1 Koef S.E.

0.089 ***

.013

6.6 % 41.4 %

0.165

0.139 ***

0.704 ***

− 0.256 **

0.063 ***

− 0.013 **

0.022 ***

0.200 ***

0.002 0.022 ***

0.028 ***

0.019 ***

0.006

0.036 ***

− 0.022 ***

− 0.005

0.010 *

0.037

0.004

0.074

0.004

0.004

0.004

0.004

0.004 0.004

0.005

0.004

0.004

0.004

0.004

0.004

0.005

0.004 0.004

0.005

.069

Modell 4 Koef S.E.

− 0.019 *** − 0.028 ***

Quelle: ESS-6 Ni = 54 487; Nj =29 RK = Referenzkategorie; Koef = Koeffizienten; S.E. = Standardfehler Multiple Imputation wurde verwendet, um mit fehlenden Werten umzugehen. Alle Effekte sind z-standardisiert. (Quasi-)Metrische Variablen sind am Geamtmittelwert zentriert. Signifikanzniveau: * 0.01 < p < 0.05, ** 0.001 < p < 0.01, *** p < 0.001

.021 .091 Konstante Werte Bewahrung Macht Selbstbestimmung Universalismus Migrationshintergrund (RK: ohne Migrationshintergrund) 1. Generation 2. Generation Kontrollvariablen Alter gruppiert (RK: 46−60) 15−17 18−30 31−45 61+ Bildung (RK: Mittlere) geringe hohe generalisiertes Vertrauen Geschlecht (RK: Mann) politische Einstellung (RK: Mitte) Links Rechts Ukraine (Dummy) Kontextvariable geringere Korruptions− wahrnehmung Cross-Level-Interaktion geringere Korruptionswahrnehmung × Bewahrung geringere Korruptionswahrnehmung × Universalismus Varianzkomponenten 0.754 *** 0.005 Residual-Varianz (e0) 0.237 *** 0.062 Residual-Konstante (u0) 0.239 Intra-Klassen-Korrelation Erklärte Varianz % Verringerung e0 % Verringerung u0

Modell 0 Koef S.E.

Tabelle 12.2 Ergebnisse der europäischen MEA, abhängige Variable: Vertrauen in die Polizei

6.6 % 86.5 %

0.043

0.032 ***

0.008

0.004

0.035

0.344 ***

0.704 ***

0.038

0.004

0.004

0.004

0.004

0.004 0.004

0.005

0.004

0.004

0.004

0.004

0.004

0.005

0.004 0.004

0.005

.033

− 0.135 ***

0.063 ***

− 0.013 **

0.022 ***

0.200 ***

0.002 0.022 ***

0.028 ***

0.019 ***

0.006

0.036 ***

− 0.022 ***

− 0.005

0.010 *

− 0.018 *** − 0.028 ***

0.089 ***

.017

Modell 5 Koef S.E. 0.034

0.004

0.021 ***

6.6 % 86.5 %

0.043

0.032 ***

0.009

0.004

0.004

0.002

0.704 ***

0.035

0.038

0.004

0.004

0.004

0.004

0.004 0.004

0.005

0.004

0.004

0.004

0.004

0.004

0.005

0.004 0.004

0.005

0.344 ***

− 0.138 ***

0.063 ***

− 0.014 **

0.021 ***

0.199 ***

0.002 0.022 ***

0.028 ***

0.019 ***

0.006

0.036 ***

− 0.022 ***

− 0.005

0.011 *

− 0.017 *** − 0.027 ***

0.091 ***

.016

Modell 6 Koef S.E.

12.6 Multivariate Analysen 155

156

12

Die europäische Perspektive

dieser Wert wichtiger ist, haben ein grösseres Vertrauen in die Polizei. Dagegen zeigen Personen, denen die Werte Macht oder Universalismus wichtiger ist, ein geringeres Vertrauen in die Polizei. Modell 2 nimmt für die Erklärung des Vertrauens in die Polizei zusätzlich Migration als Variable auf. Dabei wird unterschieden, ob eine Person eine Migrantin der ersten oder der zweiten Generation ist. Es zeigt sich, dass beide Generationen gegenüber Nicht-Migranten ein signifikant geringeres Vertrauen in die Polizei aufweisen. Modell 3 erweitert Modell 2 um die Einflüsse der Kontrollvariablen Alter, Bildung, generalisiertes Vertrauen, Geschlecht und politische Einstellung. Durch Hinzunahme dieser Kontrollvariablen verliert der Wert Universalismus seine Erklärungskraft, bleibt aber noch signifikant positiv,13 während die Effekte der Werte Bewahrung, Macht und Selbstbestimmung stärker werden. Ebenso verschwindet der Effekt bei Migranten aus ersten Generation; das heisst, sie vertrauen gleichermassen wie Personen ohne Migrationshintergrund. Der Effekt von Migrantinnen aus der zweiten Generation bleibt hingegen robust. Das Alter wurde in fünf Kategorien eingeteilt, wobei die Referenzkategorie die 46- bis 60-Jährigen sind. Die jüngste Alterskategorie der 15- bis 17-Jährigen vertraut der Polizei stärker als die Referenzkategorie. Die 18- bis 30-Jährigen zeigen keinen signifikanten Unterschied bezüglich des Vertrauens in die Polizei im Vergleich mit der Referenzkategorie. Ebenso ist das Vertrauen der 31- bis 45-Jährigen in die Polizei signifikant stärker als bei den 46- bis 60-Jährigen. Schliesslich ist auch das Vertrauen der über 60-Jährigen in die Polizei höher als bei der Referenzkategorie. Dies bedeutet, dass das Alter eine wichtige Rolle für die Erklärung des Vertrauens in die Polizei spielt. Gebildete zeigen ein signifikant stärkeres Vertrauen in die Polizei als Personen mit mittlerem Bildungsniveau. Personen mit einer niedrigeren Bildung unterscheiden sich dagegen in Bezug auf das Vertrauen in die Polizei nicht signifikant von den Personen mit mittlerem Bildungsniveau.14 Generalisiertes Vertrauen hat einen signifikanten, stark positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. In der Tat weist generalisiertes Vertrauen in diesem Modell 13

Bei einer schrittweisen Hinzunahme der Kontrollvariablen wird ersichtlich, dass das generalisierte Vertrauen für diese Veränderung verantwortlich ist. Eine mögliche Erklärung ist, dass der Wert Universalismus Verständnis, Toleranz und Schutz für das Wohl aller Menschen beinhaltet und generalisiertes Vertrauen das Vertrauen in Fremde misst. Die Korrelation zwischen dem Wert Universalismus und dem generalisierten Vertrauen ist r = 0.04. Während diese Korrelation in den meisten Ländern positiv ist, fällt sie im Kosovo, in der in Slowakei, Slowenien und Tschechien signifikant negativ aus. 14 Wird eine geringe Bildung als Referenzkategorie verwendet, unterscheiden sich diejenigen mit hoher Bildung signifikant positiv.

12.6 Multivariate Analysen

157

den stärksten Effekt auf das Vertrauen in die Polizei auf. Je höher das generalisierte Vertrauen ist, umso höher ist das Vertrauen in die Polizei. Die Variable Geschlecht zeigt Folgendes: Frauen vertrauen der Polizei signifikant mehr als Männer. Eine linke politische Positionierung hat einen knapp signifikanten, negativen Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Das heisst, dass diese Personengruppe der Polizei weniger als Personen aus der politischen Mitte vertraut. Dagegen hegen politisch rechtsorientierte Personen ein signifikant stärkeres Vertrauen in die Polizei als Personen aus der politischen Mitte.15 Die Ukraine kann als Ausreisser betrachtet werden, da sie nicht mit der restlichen Datenstruktur erklärt werden kann. Daher wird für Modell 4 die Ukraine als fixierter Effekt behandelt (vgl. Jones & Subramanian 2017, Langford & Lewis 1998). Durch diese Modifikation verringert sich die Residual-Konstante merklich – auf das Modell 0 bezogen um knapp über 41.4 Prozent. Die restlichen Effekte bleiben grundsätzlich robust. Aufgrund historischer Gründe und der Entwicklung der ukrainischen Polizei lässt sich diese Abweichung erklären: Die ukrainische Polizei führte im Jahr 2015 eine radikale Strukturreform durch. Bis dahin war die Struktur der Polizei seit der Zeit der Sowjetunion praktisch unverändert geblieben. Die Hauptaufgabe der Polizei – als Instrument der Ministerien und des Staates – war klar auf den Schutz des Staates und nicht der Bürgerinnen ausgerichtet (Beck et al. 2016). Ebenso ist die hohe Bestechlichkeit von Polizisten in der Ukraine bekannt. Vor der Umstrukturierung 2015 war die Polizei korrupt, ineffizient und genoss nur sehr wenig Vertrauen seitens der Bevölkerung (Sohryu 2015). Dadurch unterscheidet sich die Ukraine von den übrigen Ländern in Europa erheblich (Peacock & Cordner 2016). Modell 5 nimmt die Kontextvariable der wahrgenommenen Korruption auf. Der Effekt dieser Variable ist sehr stark – eine geringere Korruptionswahrnehmung in einem Land führt zu einem grösseren Vertrauen in die Polizei. Die erklärte Varianz verringert sich im Vergleich zu Modell 0 um über 86.5 Prozent, im Vergleich zu Modell 4 um über 40 Prozent. Die Intra-Klassen-Korrelation liegt in diesem Modell bei 0.043. Das heisst, kontrolliert mit allen verwendeten Variablen sind 4.3 Prozent der Varianz zwischen den Ländern zu finden, 95.7 Prozent in der Varianz zwischen den Personen. Anders gesagt: Zwei zufällig ausgewählte Personen aus demselben Land haben einen Korrelationswert im Vertrauen in die Polizei von 0.043. 15

Wird bei der politischen Einstellung linksorientiert als Referenzkategorie verwendet, wird der signifikante Unterschied zur politisch rechten Orientierung noch stärker und ist hochsignifikant (0.077, ρ < 0.001).

158

12

Die europäische Perspektive

Das finale Modell 6 wurde um zwei Cross-Level-Interaktionen ergänzt: einerseits um die Interaktion zwischen der wahrgenommenen Korruption und dem Wert Universalismus. Wenn also Personen Universalismus als gleich wichtig erachten, sich aber in Ländern mit unterschiedlicher Korruptionswahrnehmung befinden, unterscheidet sich auch das Vertrauen in die Polizei. Die Bedeutung von Universalismus steigt in Ländern, in denen die wahrgenommene Korruption geringer ist, stärker an als in Ländern, in denen die Korruptionswahrnehmung höher ist. Andererseits zeigt die Cross-Level-Interaktion zwischen der wahrgenommenen Korruption und dem Wert Bewahrung keinen signifikanten Effekt.16 Die Effekte der verwendeten Variablen sind auch in diesem Schlussmodell robust.17

12.7

Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

In Tabelle 12.3 sind die theoretischen Überlegungen, die sich formal in den Hypothesen wiederfinden, den empirischen Resultaten aus der linearen Regression der gesamten Stichprobe beziehungsweise der MEA gegenübergestellt. Korruption hat einen starken und robust negativen Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Diese Hypothese wird von den Daten somit gestützt. In Ländern mit niedrigerer wahrgenommener Korruption steigt das Vertrauen in die Polizei. Eine niedrige wahrgenommene Korruption stabilisiert das ganze Staatssystem und führt zur Legitimation. Dieser Befund lässt sich in bestehende empirische Arbeiten einbetten (vgl. Chang & Chu 2006, Ivkovi´c 2008, Kääriäinen 2007). Je wichtiger der Wert Bewahrung für jemanden ist, desto mehr vertraut diese Person auch der Polizei. Die theoretischen Überlegungen dazu konnten sowohl in den linearen Regressionen als auch in der MEA wiedergefunden werden. Das heisst, Menschen, denen der Wert Bewahrung wichtig ist, sehen in der Polizei jene Institution, die für Sicherheit und Kontrolle der Einhaltung sozialer Normen verantwortlich ist – und diese Verantwortung auch wahrnimmt. Dagegen konnte die Interaktion zwischen der wahrgenommenen Korruption und dem Wert Bewahrung nicht bestätigt werden, da kein signifikanter Effekt vorhanden 16

Die beiden anderen Cross-Level-Interaktionen zwischen der wahrgenommenen Korruption und den Werten Macht beziehungsweise Selbstbestimmung konnten weder theoretisch noch empirisch dargelegt werden. Darum werden sie weder tabellarisch aufgeführt noch inhaltlich diskutiert. 17 Es wurde ebenfalls mit einem Datensatz ohne die drei Länder Estland, Israel und Schweiz gerechnet, da diese eine sehr hohe Migrationsquote aufweisen. Die Ergebnisse bleiben robust, deshalb wird hier auf eine vertiefte Diskussion verzichtet.

12.7 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

159

Tabelle 12.3 Übersichtstabelle Hypothesen und empirische Resultate – europäische Perspektive Hypothese

HKORR

Je mehr öffentliche Korruption in einem Land wahrgenommen wird, desto geringer ist das allgemeine Vertrauen in die Polizei.

HBEWA

Je wichtiger der Wert Bewahrung für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.

linReg

MEA ✔



In Ländern mit hoher öffentlicher KorrupHKORR × tion ist der Effekt von Bewahrung auf Vertrauen in die Polizei negativer als in LänBEWA dern mit geringer öffentlicher Korruption.



n. s.

HMACH

Je wichtiger der Wert Macht für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.

×

×

HSEBE

Je wichtiger der Wert Selbstbestimmung für eine Person ist, desto geringer ist deren Vertrauen in die Polizei.

×



HUNIV

Je wichtiger der Wert Universalismus für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.





HKORR ×

In Ländern mit hoher öffentlicher Korruption ist der Effekt von Universalismus auf Vertrauen in die Polizei negativer als in Ländern mit geringer öffentlicher Korruption.

UNIV

HM1Ga

Migrantinnen der ersten Generation vertrauen der Polizei mehr als Nicht-Migranten.

HM1Gb

Migrantinnen der ersten Generation vertrauen der Polizei weniger als Nicht-Migranten.

HM2G

Migranten der zweiten Generation vertrauen der Polizei weniger als Nicht-Migrantinnen.





n. s.

n. s.





LinReg = Ergebnisse der linearen Regression ✔ = theoretische Hypothese und empirische Resultate stimmen überein; n. s. = empirische Resultate sind nicht signifikant; × = die empirischen Resultate liefern einen gegenteiliger Befund zu den theoretischen Hypothesen

160

12

Die europäische Perspektive

ist. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass europäische Länder eine geringere Streuung öffentlicher Korruption aufweisen. Der Wert Macht hat einen signifikant negativen Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Dies kann sowohl in der linearen Regression als auch in der MEA festgestellt werden. Personen, denen der Wert Macht sehr viel bedeutet, haben also weniger Vertrauen in die Polizei. Diese Beziehung konnte schon mit Schweizer Daten festgestellt werden. Für Europäerinnen ist der Wert Macht weniger wichtig. Die Polizei wird in Europa so wahrgenommen, dass sie die ihr anvertraute Macht nicht missbraucht. Das führt dazu, dass Personen, denen der Wert Macht nicht wichtig ist, der Polizei mehr vertrauen. Im linearen Gesamtmodell ist der Effekt des Werts Selbstbestimmung auf Vertrauen in die Polizei positiv gerichtet. Zu berücksichtigen ist, dass bei der Untersuchung der länderspezifischen linearen Regressionen in elf Ländern der erwartete negative Effekt gefunden wurde. In 17 Ländern wurde keine Signifikanz festgestellt und einzig in Tschechien konnte ein positiver Effekt ermittelt werden; dieser ist durch die historische, politische und soziale Vergangenheit zu erklären (vgl. Crow et al. 2004). In der MEA findet die aufgestellte Hypothese Unterstützung. Je wichtiger der Wert Selbstbestimmung für eine Person ist, desto höher ist deren Vertrauen in die Polizei. Die theoretische Überlegung dahinter erwartet, dass die Polizei die Handlungen von Individuen einschränkt. Dadurch wird die intrinsische Motivation an Neuheit gestört, die dem Wert Selbstbestimmung zugrunde liegt. Bewertet eine Person den Wert Universalismus als wichtig, vertraut diese Person der Polizei auch mehr. Theoretisch wurde diese Beziehung erwartet, weil eine derartige Person die Gleichheit aller wichtig findet und die Polizei bei der Umsetzung dieses Werts unterstützt. Zu bemerken ist, dass die Hinzunahme der Kontrollvariable generalisiertes Vertrauen den Effekt dieses Werts in den Analysen mindert. Die Polizei wird als jene Institution wahrgenommen, die Menschen gleich und fair behandelt – dies ist die hinter dem Wert Universalismus liegende Motivation. Die empirischen Resultate der Cross-Level-Interaktion zwischen öffentlicher Korruption und dem Wert Universalismus stützen die Hypothese, dass in Ländern mit hoher öffentlicher Korruption der Effekt von Universalismus geringer auf das Vertrauen in die Polizei ist als in Ländern mit tiefer öffentlicher Korruption. Das bedeutet, dass der Wert Universalismus in Ländern mit niedrigerer wahrgenommener Korruption stärker auf das Vertrauen in die Polizei wirkt. Die Ergebnisse mit den aggregierten individuellen Werten zeigen eine negative Korrelation zwischen den Werten Bewahrung und Macht mit dem Vertrauen in die Polizei. Die Werte Selbstbestimmung und Universalismus dagegen zeigen einen positiven Zusammenhang mit dem Vertrauen in die Polizei. Obwohl auf der individuellen Ebene eine höhere Wichtigkeit des Werts Bewahrung einen positiven

12.7 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

161

Effekt auf die interessierende Variable aufweist, bringen Gesellschaften mit insgesamt konservativeren Einstellungen auch ein geringeres Vertrauen in die Polizei mit sich. Gleichzeitig ist der Wert Macht in diesen Gesellschaften stärker akzeptiert als in egalitären Ländern (Albrecht & Frankenberger 2010). Das Merkmal der Migrationsgruppe der ersten Generation zeigt in der linearen Regression einen positiven Effekt auf Vertrauen in die Polizei. In der MEA dagegen unterscheidet sich diese Gruppe nicht von Personen ohne Migrationshintergrund. Besonders bei dieser Generation ist der Unterschied der politischen Stabilität zwischen Herkunfts- und Zielland entscheidend (Nannestad 2008). Dadurch lässt sich der unterschiedliche Befund erklären. Migranten der zweiten Generation vertrauen der Polizei signifikant weniger als Nicht-Migrantinnen – dieser Befund konnte sowohl in der linearen Regression mit der gesamten Stichprobe als auch in der MEA festgestellt werden. Dies deutet darauf hin, dass keine Assimilation der Migranten stattfindet und auch Migranten der zweiten Generation ihre eigene Behandlung negativer wahrnehmen als Nicht-Migrantinnen. Sowohl in der linearen Regression als auch in der MEA zeigt das Alter folgende Tendenz: Sowohl die jüngeren Alterskohorten als auch die ältesten Teilnehmerinnen haben ein grösseres Vertrauen in die Polizei als die Referenzkategorie der 45- bis 60Jährigen. Dass die ältere Bevölkerung ein höheres Vertrauen in die Polizei aufweist, zeigt sich auch in anderen Studien (vgl. Afon & Badiora 2016; Cao et al. 1998; Cheurprakobkit 2000; Correia et al. 1996; Reisig & Parks 2000; Ren et al. 2005; Schafer et al. 2003; Weitzer & Tuch 2002). Der Grund ist darin zu suchen, dass ältere Menschen weniger in Kriminalitätsdelikte involviert sind als jüngere und deswegen auch weniger negative Kontakte mit der Polizei aufweisen. Wie schon in der Schweiz beobachtet werden konnte, besitzen Jüngere auch in Europa ein grösseres Vertrauen in die Polizei als die Referenzaltersgruppe. Die 45- bis 60Jährigen bildeten zur Zeit des Kalten Kriegs die soziale Friedensbewegung, die in erster Linie Kriege verhindern und oder beenden wollte und daher antimilitaristisch eingestellt war (Rüdig 1988). Daraus entstand eine skeptischere Haltung gegenüber staatlichen Akteuren, die Gewalt anwenden dürfen – und folglich büsst auch die Polizei bei dieser Generation Vertrauen ein. Der Bildungseffekt zeigt einen Richtungswechsel von der linearen Regression zu den Ergebnissen der MEA. In der linearen Regression ist ein negativer Effekt zu beobachten, wonach höhere Bildung geringeres Vertrauen in die Polizei bewirkt. In der MEA ist der Effekt positiv. Besser gebildete Menschen erwerben und verarbeiten nicht nur Informationen anders als schlechter gebildete, sondern auch ihre Reaktion auf diese Informationen ist eine andere. Dies führt dazu, dass Bürgerinnen das Vertrauen abhängig vom Kontext aussprechen oder zurückhalten. Besser gebildete Menschen sind eher in der Lage festzustellen, warum Regierungsinstitutionen gut

162

12

Die europäische Perspektive

beziehungsweise schlecht funktionieren (Hakhverdian & Mayne 2012). In Europa ist somit der Kontext dafür entscheidend, welchen Effekt die Bildung ausübt. Das generalisierte Vertrauen hat einen positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Dieser Befund fügt sich in frühere Untersuchungen ein (vgl. Grönlund & Setälä 2011, Kaase 1999, Newton & Norris 2000). Der Effekt des Geschlechts auf das Vertrauen in die Polizei ist nicht robust. In der linearen Regression der Einzelländer zeigt sich, dass Frauen in neun Ländern der Polizei signifikant mehr vertrauen. In vier Ländern vertrauen die Männer signifikant mehr und in den restlichen 16 Ländern besteht kein Unterschied zwischen den Geschlechtern. Berechnet mit der MEA, vertrauen Frauen der Polizei signifikant stärker. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass in Europa kein robuster Effekt vorhanden ist. Je rechter eine Person politisch eingestellt ist, umso höher ist ihr Vertrauen in die Polizei. Rechtsorientierte Personen setzen einen grösseren Schwerpunkt auf die Gewährleistung von Sicherheit und die Einhaltung sozialer Normen. Da die Polizei für diese Aspekte verantwortlich zeichnet, geniesst sie bei diesen Personen ein höheres Vertrauen.

Die globale Perspektive

13

Die Analyse des WVS wurde mit 54 Ländern durchgeführt.1 Das Ziel dieses Kapitels besteht darin, einen Überblick über die globale Lage zu geben. Wie sieht das Vertrauen in die Polizei aus, wenn man es global betrachtet? Welche Unterschiede lassen sich zwischen den einzelnen Ländern und Weltregionen beobachten? Zuerst werden die uni- und bivariaten Statistiken präsentiert,2 anschliessend die multivariaten Resultate gezeigt und diskutiert.

13.1

Vertrauen in die Polizei

Das mittlere Vertrauen in die Polizei beträgt, global betrachtet, 2.57 auf einer Skala von 1.00 («überhaupt kein Vertrauen») bis 4.00 («sehr viel Vertrauen») (Abbildung 13.1). In Pakistan ist das Vertrauen mit einem Mittelwert von 1.79 am geringsten, gefolgt von den drei lateinamerikanischen Ländern Argentinien mit 1.93, Mexiko 1

Die Samplebeschreibung ist in Kapitel Abschnitt 6.2: «World Values Survey» nachzulesen. 2 Eine tabellarische Übersicht mit allen weiteren deskriptiven Zahlen befindet sich in Anhang B: «Deskriptive Übersicht»im elektronischen Zusatzmaterial. In dieser Arbeit sind für die deskriptiven Analysen fehlende Werte nicht ersetzt worden. Fehlende Werte wurden zum Teil inhaltlich reflektiert. Bi- und multivariate Analyse sind mit einem vollständigen Datensatz analysiert worden. Hier werden anhand einer multiplen Imputation fehlende Werte ersetzt (vgl. Kapitel 8: «Umgang mit fehlenden Werten»). Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_13.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_13

163

164

13

Die globale Perspektive

Die verwendeten Länderabkürzungen sind in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt.

Abbildung 13.1 Vertrauen in die Polizei nach Weltregionen

13.2 Wahrgenommene Korruption

165

mit 1.98 und Peru mit 2.00. Das grösste Vertrauen in die Polizei wird in Usbekistan mit 3.37 gemessen.3 Direkt danach folgt von Australien mit 3.12 und Neuseeland mit 3.08. Es wird deutlich, dass es regionale Unterschiede gibt. Die Länder in Ostasien und in der Pazifikregion vertrauen der Polizei grundsätzlich stärker als Menschen in anderen Weltregionen. Die Länder in der Weltregion Amerika, mit Ausnahme der USA und Chile, besitzen wenig Vertrauen in ihre Polizei. Die Staaten der anderen Weltregionen bilden kein klares Muster.

13.2

Wahrgenommene Korruption

Der CPI 2011 weist eindeutige Unterschiede in den untersuchten Ländern auf (Abbildung 13.2). Je geringer der Wert der wahrgenommenen Korruption auf der Skala von 0.00 bis 10.00 ist, umso höher ist die wahrgenommene Korruption in diesem Land. Ein hoher Wert steht entsprechend für eine geringe Wahrnehmung von Korruption. Der durchschnittliche CPI-Wert in den untersuchten Ländern beträgt 4.34. Schweden (CPI: 9.30) und Neuseeland (CPI: 9.46) sind die beiden einzigen Länder in der Stichprobe, die einen CPI-Wert von über 9.00 erreicht haben – somit ist in diesen beiden Ländern die wahrgenommene Korruption vergleichsweise am geringsten. Japan (CPI: 8.04), Deutschland (CPI: 8.05), Hongkong (CPI: 8.39), Australien (CPI: 8.84) und die Niederlande (CPI: 8.89) erreichten CPI-Werte zwischen 8.00 und 9.00. Die meisten der untersuchten Länder haben einen CPI-Wert zwischen 2 und 4. Das Ende der Rangliste bilden der Irak (CPI: 1.80) und Usbekistan (CPI: 1.62). In diesen Ländern ist die wahrgenommene Korruption eher hoch. Länder aus den Weltregionen Europa, Amerika sowie Ostasien und Pazifik befinden sich tendenziell am Ende der Rangliste, die wahrgenommene Korruption ist dort gering. Die Länder aus der MENA-Region befinden sich am anderen Ende des Spektrums; diese Länder besitzen eine oftmals höhere wahrgenommene Korruption. Bahrain bildet eine Ausnahme mit einem CPI-Wert von 5.1. Dies ist im Vergleich 3

Usbekistan weist im Vergleich zu allen Ländern ein sehr hohes Vertrauen auf. Ein wichtiger Erklärungsansatz in diesem Zusammenhang ist soziale Erwünschtheit. Usbekinnen sind loyal zum Staat und zu Personen in Machtpositionen. Sozialwissenschaftliche Forschungen in diesem Land thematisieren dies (vgl. Veldwisch 2008). Eine weitere Erklärung, warum sich Usbekistan von anderen autoritären Ländern in dieser Weltregion unterscheidet, lässt sich an der dortigen Kultur festmachen. Usbekistan war schon immer ein zentralisierter Staat mit einem zentral-autoritären Staatsverständnis, während andere Länder in dieser Weltregion kaum ein so starkes Zentralstaatsverständnis aufweisen (Hiro 2011).

166

13

Die globale Perspektive

Die verwendeten Länderabkürzungen sind in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt.

Abbildung 13.2 Wahrgenommene Korruption nach Weltregionen

Abbildung 13.3 Wahrgenommene Korruption und Vertrauen in die Polizei nach Weltregionen

Die verwendeten Länderabkürzungen sind in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt.

13.2 Wahrgenommene Korruption 167

168

13

Die globale Perspektive

zu anderen Ländern in dieser Weltregion eher hoch und deutet auf eine geringere wahrgenommene Korruption hin. Die Korrelation zwischen der wahrgenommenen Korruption und dem Vertrauen in die Polizei beläuft sich auf r = 0.51 und ist hoch signifikant (ρ < 0.001). Je stärker Korruption wahrgenommen wird, umso geringer ist das Vertrauen in die Polizei. Umgekehrt geht eine weniger wahrgenommene Korruption mit einem hohen Vertrauen in die Polizei einher. Wird Usbekistan als Ausreisser aus dieser Korrelationsberechnung ausgeschlossen, steigt die Korrelationsstärke weiter an. Zwischen wahrgenommener Korruption und dem Vertrauen in die Polizei besteht dann ein Zusammenhang von r = 0.61, der hoch signifikant ist (ρ < 0.001). Kontrolliert innerhalb der Weltregionen, ist der Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Korruption und dem Vertrauen in die Polizei ebenfalls positiv gerichtet und gemäss Daten klar vorhanden. Wie in Abbildung 13.3 dargestellt, spielen Ausreisser, zum Beispiel Usbekistan (UZ), insofern eine wichtige Rolle, als die Weltregion Süd- und Zentralasien einen negativen Zusammenhang dieser beiden Variablen aufweist. In Usbekistan ist das Vertrauen in die Polizei, verglichen über alle Länder, am höchsten, die wahrgenommene Korruption aber ebenfalls sehr hoch.4

13.3

Individuelle Werte

Im Folgenden werden die Bedeutung der einzelnen individuellen Werte in den untersuchten Ländern und die sich daraus ergebende Verteilung kurz beschrieben (Abbildung 13.4).5 Die Frage nach der Ähnlichkeit mit einer fiktiven Person mit idealisierten Wertevorstellungen wird mit einer Skala von 1 («gar nicht ähnlich») bis 6 («vollkommen ähnlich») codiert. Dabei sollten sich die befragten Personen mit fiktiven Personen in Relation setzen. In den Ländern der Weltregion SSA sind alle vier individuellen Werte wichtiger als in anderen Ländern. Japan und mit einem gewissen Abstand auch die Niederlande liegen dagegen am anderen Ende des Spektrums und weisen grundsätzlich die tiefsten Werteausprägungen auf. Die Länder der Weltregion Ostasien und Pazifik geben im Mittel eine geringere Bedeutung der Werte an. Die europäischen Länder haben ebenfalls eine geringere Summe aller Werte. Neben der Weltregion SSA 4

Eine weitere Einschränkung liegt in der geringen Anzahl an Ländern pro Weltregion begründet. 5 Die Tabelle der Mittelwerte und deren Standardabweichungen von den vier Werten Bewahrung, Macht, Selbstbestimmung und Universalismus pro Land sind in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial ersichtlich.

Abbildung 13.4 Individuelle Werte Bewahrung, Macht, Selbstbestimmung und Universalismus nach Weltregion, geordnet nach Summe der vier Werte

13.3 Individuelle Werte 169

170

13

Die globale Perspektive

kommt auch in der Weltregion MENA den Werten grundsätzlich mehr Bedeutung zu.6

13.3.1 Bewahrung Der Wert Bewahrung wird mit drei Items berechnet.7 Die Bedeutung von Bewahrung wird in Japan mit 3.24 am geringsten bewertet, während dem Wert in Libyen mit 5.23 die höchste Wichtigkeit zugesprochen wird. In Ländern aus der SSA-Region und der MENA-Region wird Bewahrung tendenziell als wichtiger als beispielsweise in europäischen Ländern bewertet.

13.3.2 Macht Bei der Bedeutung des Werts Macht zeigen sich zwischen den untersuchten Ländern grosse Unterschiede. Während die Japanerinnen diesem Wert mit 2.07 die geringste Bedeutung zuschreiben, spielt der Wert Macht in Ländern aus SSA eine wichtige Rolle und wird etwa in Nigeria mit 4.95 bewertet. Im Vergleich mit den anderen Werten wird er mit Ausnahme von Bahrain und Ruanda in allen Ländern als unwichtigster Wert angesehen.

13.3.3 Selbstbestimmung Japan spricht auch dem Wert Selbstbestimmung mit 3.36 die geringste Bedeutung zu. In Nigeria ist der Wert Selbstbestimmung mit 5.30 dagegen am wichtigsten. Selbstbestimmung wird in den folgenden Ländern, verglichen mit den anderen Werten, am bedeutendsten angesehen: Argentinien, Bahrain, Kirgisistan, Nigeria, Pakistan, Ruanda, Schweden und Südafrika. 6

Hier handelt es sich um eine deskriptive Beschreibung der Werte. Eine Aussage darüber, ob die Konstrukte über die Kulturen invariant sind, wird nicht getroffen. Daher ist unbekannt, ob die Konstrukte gleich verstanden werden oder nicht. Somit wäre ein unterschiedliches Antwortverhalten abhängig vom kulturellen Kontext möglich. Das bedingt, dass keine Aussage darüber getroffen werden kann, warum gewisse Länder (wie Japan oder auch die Länder in der Weltregion SSA) ein anderes Antwortverhalten aufweisen als die restlichen Länder. 7 Die Reliabilität des Konstrukts wurde anhand von Omega beurteilt (vgl. Trizano Hermosilla & Alvarado 2014). Der Reliabilitätswert beläuft sich auf (ω = 0.67).

13.3 Individuelle Werte

171

13.3.4 Universalismus Der Wert Universalismus zeichnet sich durch eine geringe Streuung hinsichtlich seiner Bedeutung in den untersuchten Ländern aus. Der tiefste Wert ist mit 3.67 für Japan erreicht. Direkt danach folgem die Niederlande (3.90), Kasachstan (3.97) und Ruanda (3.98). Kolumbien hat mit 5.26 den höchsten Wert.

13.3.5 Aggregierte individuelle Werte Trägt man die Korrelationen der einzelnen Werte mit einer externen Variable – in diesem Fall mit dem Vertrauen in die Polizei – auf einer Achse ab, sollte eine sinuskurvenähnliche Abbildung entstehen, ein sogenannter Sinusoid (vgl. Unterabschnitt 4.2.5: «Die Sinuskurve»). Die Reihenfolge entsteht, indem die Werte aufgrund ihrer Anordnung im zirkulären Wertekreis auf einer Achse abgetragen werden. In Abbildung 13.5 sind die Sinusoide für alle Weltregionen insgesamt und pro Weltregion ersichtlich. Der Sinusoid über alle Länder zeigt für die Werte Bewahrung und Selbstbestimmung die höchsten Korrelationspunkte, während sich die niedrigste Korrelation zwischen dem Vertrauen in die Polizei und dem Wert Macht einstellt.8 Die Weltregion Amerika zeigt beim Wert Macht den positiven und beim Wert Universalismus den negativen Scheitelpunkt. Europa zeigt hingegen einen anderen Sinusoid. Hier bildet der Wert Selbstbestimmung das positive und der Wert Bewahrung das negative Maximum. Die Weltregion Ostasien und Pazifik hat ebenfalls beim Wert Selbstbestimmung ihr positives Maximum, jedoch beim Wert Macht ihren Tiefpunkt. Die MENA-Region wiederum hat beim Wert Macht ihr Maximum und beim Wert Universalismus ihr Minimum. Süd- und Zentralasien sowie die SSARegion zeigen den gleichen Sinusoid, jedoch bewegt sich jener der SSA-Region nur im negativen Bereich der Korrelationen. Das heisst, alle vier Werte korrelieren negativ mit Vertrauen in die Polizei. Es zeigt sich somit auch in diesen Korrelationen, dass in den Weltregionen unterschiedliche Beziehungen zwischen den untersuchten Werten und dem Vertrauen in die Polizei bestehen.

8

Keine der Korrelationen ist signifikant, insbesondere wegen der geringeren Fallzahl. Daher sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren. Sie deuten Tendenzen an, wie die Beziehungen der vier Werte und des Vertrauens in die Polizei in den sechs Weltregionen gelagert sind.

Abbildung 13.5 Sinuskurven der Korrelationen zwischen den vier Werten und dem Vertrauen in die Polizei nach Weltregionen

13

Die verwendeten Länderabkürzungen sind in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt.

172 Die globale Perspektive

13.5 Kontrollvariablen

13.4

173

Migrationshintergrund

Abbildung 13.6 zeigt den Anteil der Personen mit Migrationshintergrund, und zwar aufgeschlüsselt nach Generationen und Land. Gewisse Länder weisen keine Migranten in der Stichprobe auf, so zum Beispiel Russland mit 0.0 Prozent. Andere Länder besitzen einen Anteil von über 30.0 Prozent an Migrantinnen. Angeführt wird diese Rangliste durch Australien mit 40.7 Prozent Migranten.9 Danach folgt Hongkong mit 37.0 Prozent sowie Trinidad und Tobago mit 28.3 Prozent. Es zeigt sich weiter, welche Länder mehrheitlich Personen aus der ersten beziehungsweise zweiten Generation in der Stichprobe aufweisen10 oder ob diese beiden Gruppen ausgeglichen sind. Indien hat einen Anteil von 11.4 Prozent Migrantinnen der zweiten Generation, aber nur 0.4 Prozent der ersten Generation in der Stichprobe. Pakistan zeigt eine ähnliche Verteilung mit 0.9 Prozent in der ersten Generation und 21.7 Prozent in der zweiten Generation.11

13.5

Kontrollvariablen

Im Folgenden werden die verwendeten Kontrollvariablen Alter, Bildung, generalisiertes Vertrauen, Geschlecht und politische Einstellung beschrieben.

13.5.1 Alter Das Durchschnittsalter der Umfrageteilnehmer variiert beachtlich zwischen den Ländern. In Ghana liegt das Durchschnittsalter bei knapp 30.92 Jahren. Ähnlich verhält es sich in weiteren SSA-Ländern und Ländern aus der MENA-Region. In den anderen Weltregionen liegt das Durchschnittalter deutlich höher. In Europa sowie 9

Australien und Hongkong haben keine Angaben zur Generationszugehörigkeit der Migration gemacht, daher wurden diese beiden Länder in der Grafik blau-gestreift eingefärbt. Dies repräsentiert den Gesamtanteil an Migrantinnen ohne Unterteilung in die Generationen. 10 Für die Länder Japan, Palästina und Spanien gibt es ursprünglich keine Angaben über den Migrationshintergrund. Diese Länder sind in der Analyse enthalten, da die Berechnung aufgrund der multiplen Imputation mit einem vollständigen Datensatz durchgeführt wurde. Grundsätzlich befindet sich in diesen Ländern ein grösserer Anteil an Personen der zweiten Migrationsgeneration. 11 Es wird von einem Vergleich zwischen den Migrationsgenerationen abgesehen, da kaum ein Land eine genügend hohe Fallzahl in beiden Migrationsgenerationen aufweist, um Unterschiedstests durchzuführen.

174

13

Die globale Perspektive

Für Länder, die insgesamt einen Anteil von Migrationshintergrund in der Bevölkerung bis 5.0 Prozent besitzen, wurden die Werte summiert ausgegeben.

Abbildung 13.6 Migrationsgeneration

13.5 Kontrollvariablen

175

der Weltregion Ostasien und Pazifik sind die befragten Menschen im Durchschnitt über 40 Jahre alt. In Japan ist der durchschnittliche Teilnehmer 50.74, in Neuseeland 51.44, in den Niederlanden 53.34 und in Australien 53.86 Jahre alt.

13.5.2 Bildung In Abbildung 13.7 sind die Anteile der möglichen Bildungsabschlüsse je Land angegeben. In Algerien, Indien, Jemen, Ghana, Marokko, Pakistan, Thailand, Tunesien und Uruguay weisen über 50.0 Prozent der befragten Personen ein niedriges Bildungsniveau auf. Dagegen verfügen die meisten Befragten aus Argentinien, Armenien, Aserbaidschan, Bahrain, Chile, Estland, Georgien, Japan, Kasachstan, Kirgisistan, Kolumbien, Libanon, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, den Niederlanden, Nigeria, Palästina, Peru, Rumänien, Russland, Schweden, Simbabwe, Slowenien, Südafrika, Ukraine, Usbekistan, den USA und Weissrussland über ein mittleres Bildungsniveau. In Australien haben knapp über 40.0 Prozent der Bevölkerung ein hohes Bildungsniveau.

13.5.3 Generalisiertes Vertrauen Auf den Philippinen haben gerade einmal 2.8 Prozent der befragten Personen geantwortet, dass den meisten Menschen vertraut werden könne. In Brasilien, Ecuador, Georgien, Ghana, Kolumbien, Malaysia, Peru, Rumänien, Simbabwe, Trinidad und Tobago sowie in Zypern denken dies ebenfalls weniger als 10.0 Prozent der Befragten. In Deutschland und Jemen12 steigt dieser Wert auf 40 Prozent und in Australien und Neuseeland auf über 50 Prozent. In den Niederlanden und in Schweden werden die Höchstwerte mit dieser Frage erreicht. 64.8 Prozent beziehungsweise 67.4 Prozent der befragten Personen glauben, dass man den meisten Menschen vertrauen könne.

12

Sudo (2017) stellte fest, dass generalisiertes Vertrauen nicht nur in stabilen Demokratien hoch, sondern auch in autoritären Staaten unter bestimmten Bedingungen möglich ist. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass die Gesellschaft Homogenität aufweist, besonders hinsichtlich solcher Merkmale, die der Führungselite wichtig sind (zum Beispiel Religion, Sprache, gemeinsame Traditionen). In solchen Situationen wirkt das generalisierte Vertrauen anders als in Demokratien; es wird hauptsächlich auf die In-Group beschränkt. Diese Situation trifft im Jemen zu, in diesem Kontext kann das relativ hohe generalisierte Vertrauen verstanden werden.

176

13

Die globale Perspektive

Die verwendeten Länderabkürzungen sind in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt.

Abbildung 13.7 Bildungsabschlüsse nach Weltregionen gruppiert

13.5 Kontrollvariablen

177

13.5.4 Geschlecht Der Frauenanteil unter den Befragten variiert zwischen 42.2 Prozent für Indien und 67.8 Prozent in Ägypten. Im Vergleich zu Zensusstatistiken zeigt sich, dass Frauen in den meisten der hier erhobenen Länder überproportional vertreten sind.13

13.5.5 Politische Orientierung In Abbildung 13.8 sind die politischen Orientierungen der Befragten in den untersuchten Ländern nach Weltregionen abgebildet. Am meisten politisch links orientierte Befragte weisen Spanien (37.6 %) und Uruguay (41.3 %) auf. In Bahrain (53.3 %), Ghana (36.5 %), Irak (41.8 %), Kirgisistan (51.5 %), Libanon (34.5 %), Mexiko (41.1 %), den Niederlanden (33.0 %), Nigeria (39.2 %), Pakistan (68.6 %), Palästina (30.6 %), Philippinen (47.4 %), Südafrika (40.2 %), Schweden (35.0 %), Trinidad und Tobago (25.1 %) sowie in der Türkei (42.2 %) gaben die meisten Befragten an, zur politischen Rechten zu gehören. In den übrigen Ländern verorten sich die meisten Befragten in der politischen Mitte. Interessant ist die Betrachtung der fehlenden Werte bei dieser Variablen, denn Jemen (74.8 %), Marokko (82.6 %), Russland (41.1 %), Trinidad und Tobago (43.8 %), Tunesien (40.6 %) sowie Usbekistan (59.0 %) weisen hier mehr als 40.0 Prozent fehlende Antworten auf. Dagegen gibt es Länder mit maximal 0.1 Prozent oder gar keinen fehlenden Werte zu dieser Frage; dazu gehören Ägypten, Aserbaidschan, Ghana, Kasachstan, Malaysia, Nigeria, Pakistan, Ruanda und Simbabwe.14

13

Für Vergleichsdaten über den proportionalen Anteil an Frauen an der Bevölkerung nach Ländern wurden Daten der Weltbank verwendet: https://databank.worldbank.org/data/source/ gender-statistics# (aufgerufen am: 31.01.2020). Es wurde gegen eine Gewichtung entschieden, da nicht nur das Geschlecht hätte gewichtet werden müssen. Dazu kommt, dass für viele Länder keine Angaben zur realen Situation vorliegen. 14 Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit den fehlenden Werten sei auf das Kapitel 8: «Umgang mit fehlenden Werten»verwiesen.

178

13

Die globale Perspektive

Die verwendeten Länderabkürzungen sind in Anhang B: «Deskriptive Übersicht» im elektronischen Zusatzmaterial aufgeschlüsselt.

Abbildung 13.8 Politische Einstellung nach Weltregionen gruppiert

13.6 Multivariate Analysen

13.6

179

Multivariate Analysen

13.6.1 Lineare Regression Die Resultate der linearen Regressionen sämtlicher Länder zusammen sowie jeder Weltregion separat sind in Tabelle 13.1 wiederzufinden. In den durchgeführten Regressionen ist das Vertrauen in die Polizei jeweils die abhängige Variable und wird anhand der vier individuellen Werte (Bewahrung, Macht, Selbstbestimmung und Universalismus), des Migrationshintergrunds, aufgeteilt in die erste und zweite Generation, sowie der fünf Kontrollvariablen (Alter, Bildung, generalisiertes Vertrauen, Geschlecht und politische Einstellung) erklärt. Sowohl über die Weltregionen als auch in allen Weltregionen im Einzelnen – mit Ausnahme der Region SSA – zeigt der Wert Bewahrung einen signifikant positiven Effekt. Personen, die dem Wert Macht mehr Bedeutung zusprechen, vertrauen insgesamt auch in den Weltregionen Amerika und MENA stärker der Polizei. In Europa lässt sich hier ein negativer Einfluss feststellen. Diese Resultate sind auch in der Schweiz feststellbar. Europäerinnen, denen der Wert Macht wichtig ist, nehmen die Polizei als Institution wahr, die ihre Macht nicht genügend einsetzt. Dies führt dazu, dass die Homosozialität nicht wirkt und das Vertrauen in die Polizei sinkt. Der Wert Selbstbestimmung hat über die gesamte Stichprobe hinweg sowie in Amerika und SSA einen signifikant negativen Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. In Europa weist er einen leichten, wenngleich signifikant positiven Einfluss auf die abhängige Variable auf. Der Wert Universalismus spielt global und in allen Weltregionen ausser Europa eine Rolle, um das Vertrauen in die Polizei zu erklären. Mit Ausnahme der Weltregion Amerika, die einen negativen Einfluss aufzeigt, übt Universalismus einen positiven, signifikanten Effekt aus. Gemäss der globalen linearen Regression vertrauen Migrantinnen der ersten Generation der Polizei signifikant mehr als Personen ohne Migrationshintergrund. Dieser Effekt kann aber in keiner der Weltregionen reproduziert werden, vielmehr ist dieser Effekt nicht signifikant. Diese Diskrepanz entsteht vermutlich durch die viel höhere Erklärungskraft der globalen linearen Regression. Ebenso zeigt sich, dass Migranten der zweiten Generation ein höheres Vertrauen in die Polizei aufweisen als Nicht-Migranten. Dieser Effekt tritt in den Weltregionen Europa sowie Ostasien und Pazifik zutage. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass jüngere Personen der Polizei signifikant weniger vertrauen als ältere. Die Ausnahme ist insofern Europa, als sich hier bei den 46- bis 60-Jährigen das geringste Vertrauen feststellen lässt. In den Weltregio-

***

**

***

***

− 0.14 *** (0.02) 0.14 *** (0.02) 0.31 *** (0.02) 0.02 (0.02) − 0.07 ** (0.02) 0.04 * (0.02) 0.04 13 670

− 0.05 *** (0.01) 0.06 *** (0.01) 0.02 81 139

− 0.18 *** (0.02) − 0.12 *** (0.02) 0.07 ** (0.03)

0.08 (0.06) − 0.04 (0.03)

0.08 (0.01) 0.02 (0.01) − 0.02 (0.01) − 0.03 (0.01)

1.19 *** (0.05)

0.01 (0.01) 0.01 (0.01) 0.24 *** (0.01) 0.03 *** (0.01)

− 0.07 *** (0.01) − 0.04 *** (0.01) 0.09 *** (0.01)

Quelle: WVS-6; Multiple Imputation; B–Koeffizienten (Standardfehler) abhängige Variable: Vertrauen in die Polizei Signifikanzniveau: * 0.01 < p < 0.05, ** 0.001 < p < 0.01, *** p < 0.001

korr. R2 N

Rechts

***

***

***

***

0.07 ** (0.02) 0.04 ** (0.01)

0.03 (0.00) 0.01 (0.00) − 0.01 (0.00) 0.02 (0.00)

1.26 *** (0.02)

Amerika

0.03 (0.02) 0.06 *** (0.01) 0.03 19 547

0.20 *** (0.02) − 0.01 (0.02) 0.25 *** (0.01) 0.06 *** (0.01)

0.06 ** (0.02) 0.06 ** (0.02) 0.09 *** (0.02)

0.05 (0.03) 0.10 *** (0.02)

0.03 *** (0.01) − 0.02 *** (0.00) 0.01 * (0.01) 0.00 (0.01)

1.23 *** (0.04)

Europa

− 0.10 ** (0.03) 0.08 *** (0.02) 0.03 12 859

0.06 ** (0.02) − 0.09 ** (0.03) 0.12 *** (0.02) 0.03 (0.02)

− 0.04 (0.02) − 0.07 ** (0.02) 0.11 ** (0.04)

0.04 (0.10) 0.07 (0.05)

0.11 *** (0.01) 0.02 ** (0.01) − 0.01 (0.01) 0.04 *** (0.01)

0.84 *** (0.06)

MENA

− 0.10 *** (0.02) 0.09 *** (0.02) 0.02 9 781

0.10 *** (0.02) 0.04 (0.04) 0.05 (0.03) 0.00 (0.02)

0.00 (0.03) 0.02 (0.03) 0.06 (0.05)

− 0.12 (0.10) 0.07 (0.04)

0.00 (0.01) 0.01 (0.01) − 0.03 *** (0.01) 0.06 *** (0.01)

1.18 *** (0.05)

SSA

0.01 (0.02) 0.03 (0.02) 0.02 14 633

− 0.14 *** (0.02) − 0.08 ** (0.02) 0.11 *** (0.02) 0.01 (0.02)

− 0.03 (0.02) − 0.01 (0.02) 0.01 (0.03)

− 0.03 (0.06) − 0.04 (0.03)

0.03 ** (0.01) 0.01 (0.01) 0.01 (0.01) 0.06 *** (0.01)

1.18 *** (0.05)

Süd- u. Zentralasien

− 0.05 * (0.02) 0.11 *** (0.02) 0.05 10 649

0.02 (0.02) − 0.11 *** (0.02) 0.25 *** (0.02) 0.04 * (0.02)

− 0.06 ** (0.02) − 0.05 * (0.02) 0.10 *** (0.02)

0.05 (0.04) 0.08 ** (0.02)

0.03 ** (0.01) 0.01 (0.01) 0.00 (0.01) 0.03 *** (0.01)

1.45 *** (0.04)

Ostasien und Pazifik

13

Links

generalisiertes Vertrauen (RK = nein) Geschlecht (RK = Mann) politische Einstellung

hohe

geringe

Bildung

61+

31−45

18−30

Kontrollvariablen Alter gruppiert (RK: 46−60)

2. Generation

1. Generation

Migrationshintergrund (RK = ohne Migrationshintergrund)

Universalismus

Selbstbestimmung

Macht

Bewahrung

Werte

Konstante

Welt

Tabelle 13.1 Einfluss von individuellen Werten, Migrationshintergrund und Kontrollvariablen auf das Vertrauen in die Polizei global (lineare Regression)

180 Die globale Perspektive

13.6 Multivariate Analysen

181

nen SSA sowie Süd- und Zentralasien bestehen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Eine geringere Bildung führt in Amerika sowie in Süd- und Zentralasien zu einem negativen Einfluss auf das Vertrauen in die Polizei. Während in Amerika eine höhere Bildung, anders als eine mittlere Bildung, einen positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei ausübt, vertrauen besser gebildete Personen in Süd- und Zentralasien wiederum weniger der Polizei als die Referenzkategorie der Personen mit einem mittleren Bildungsabschluss. In Europa, in der MENA-Region und in SSA vertrauen Personen mit einem geringeren Bildungsabschluss der Polizei stärker als die Referenzkategorie. Höher gebildete Personen in der MENA-Region wie auch in Ostasien und Pazifik vertrauen der Polizei signifikant weniger als die Personen mit einem mittleren Bildungsabschluss in diesen Weltregionen. Tendenziell zeigt die Weltregion Amerika, besonders die USA, einen positiven Effekt bei der Bildung. Studien zeigen, dass in den USA das Vertrauen in die Polizei vor allem unter weissen Menschen hoch ist, während es bei Afroamerikanern oder bei Menschen mit hispanischem Hintergrund viel geringer ausfällt (Brown & Benedict 2002; Pew Research Center 2019). Da die Effekte über die Weltregionen hinweg divers sind, sind sie nicht signifikant. Generalisiertes Vertrauen hat in allen Weltregionen einen signifikanten, teils stark positiven Einfluss auf das Vertrauen in die Polizei. Eine Ausnahme stellt die SSAWeltregion dar, für die kein Zusammenhang zwischen generalisiertem Vertrauen und Vertrauen in die Polizei festgestellt werden kann. Frauen setzen grundsätzlich ein grösseres Vertrauen in die Polizei. In den Weltregionen SSA sowie Süd- und Zentralasien unterscheiden sich die Geschlechter nicht hinsichtlich des Vertrauens in die Polizei. Politisch links eingestellte Befragte vertrauen global und in Amerika, in der MENA-Region, in SSA sowie in Ostasien und der Weltregion Pazifik der Polizei signifikant weniger, während in allen Weltregionen die politisch Rechtsorientierten ein signifikant höheres Vertrauen aufweisen – mit Ausnahme von Süd- und Zentralasien. Über alle Modelle hinweg rangieren die erklärten Varianzen um 5.0 Prozent. Das heisst, dass die verwendeten Variablen Vertrauen in die Polizei nur geringfügig erklären.

13.6.2 Mehrebenenanalyse Tabelle 13.2 listet die Resultate aus der MEA. Für die Auswertung wurde das Modell schrittweise durch Variablengruppen erweitert.

0.884 *** 0.004 0.122 *** 0.024 0.121

0.048

S. E. 0.049

0.8 % − 4.9 %

0.877 *** 0.004 0.128 *** 0.025 0.127

0.075 *** 0.004 0.007 * 0.004 − 0.006 0.004 0.031 *** 0.004

− 0.006

S. E.

Modell 1 Koef

0.9 % − 5.7 %

0.876 *** 0.004 0.129 *** 0.025 0.128

− 0.026 0.041 − 0.109 0.023 0.105

− 0.026 *** 0.004 0.041 *** 0.004

1.9 % − 0.8 %

0.867 *** 0.004 0.123 *** 0.024 0.124

0.004 0.004 0.038 0.003 0.043

2.0 % 19.7 %

0.866 *** 0.004 0.098 *** 0.019 0.102

*** *** ** *** *

0.004 0.004 0.004 0.003

0.011 − 0.011 0.076 0.019

0.004 0.004 0.004 0.003

0.010 − 0.011 0.076 0.018

** ** *** ***

− 0.010 * 0.004 − 0.010 * 0.004 0.026 *** 0.004

− 0.010 * 0.004 − 0.010 * 0.004 0.026 *** 0.004 ** ** *** ***

− 0.012 *** 0.003 0.001 0.003

0.043

0.067 *** 0.004 0.011 ** 0.004 − 0.002 0.004 0.031 *** 0.004

− 0.004

− 0.012 *** 0.003 0.001 0.003

0.048

− 0.012 *** 0.003 0.001 0.003

− 0.006

S. E.

Modell 4 Koef

0.068 *** 0.004 0.011 ** 0.004 − 0.002 0.004 0.032 *** 0.004

0.049

S. E.

Modell 3 Koef

0.075 *** 0.004 0.007 0.004 − 0.007 0.004 0.031 *** 0.004

− 0.006

S. E.

Modell 2 Koef 0.033

*** *** ** *** ***

** ** *** ***

0.004 0.004 0.030 0.003 0.034

0.004 0.004 0.004 0.003

2.0 % 51.6 %

0.866 *** 0.004 0.059 *** 0.011 0.064

0.198 *** 0.033

− 0.026 0.041 − 0.088 0.023 0.139

0.011 − 0.011 0.076 0.019

− 0.010 * 0.004 − 0.009 * 0.004 0.026 *** 0.004

− 0.012 *** 0.003 0.001 0.003

0.068 *** 0.004 0.011 ** 0.004 − 0.002 0.004 0.031 *** 0.004

− 0.010

S. E.

Modell 5 Koef 0.033

*** *** ** *** ***

** ** *** ***

0.004 0.004 0.030 0.003 0.034

0.004 0.004 0.004 0.003

0.004 0.004

2.0 % 51.6 %

0.866 *** 0.004 0.059 *** 0.011 0.064

− 0.011 **

0.011 **

0.199 *** 0.033

− 0.026 0.041 − 0.088 0.023 0.139

0.011 − 0.011 0.076 0.019

− 0.010 * 0.004 − 0.010 * 0.004 0.025 *** 0.004

− 0.012 *** 0.003 0.001 0.003

0.067 *** 0.004 0.011 ** 0.004 − 0.001 0.004 0.032 *** 0.004

− 0.008

S. E.

Modell 6 Koef

0.033

*** *** ** *** ***

** ** *** ***

0.004 0.004 0.030 0.003 0.034

0.004 0.004 0.004 0.003

0.004

− 0.014 **

2.1 % 51.6 %

0.865 *** 0.004 0.059 *** 0.011 0.064

− 0.020 *** 0.004

0.004

− 0.009 *

0.013 *** 0.004

0.194 *** 0.034

− 0.025 0.041 − 0.088 0.021 0.140

0.011 − 0.011 0.076 0.018

− 0.009 * 0.004 − 0.009 * 0.004 0.025 *** 0.004

− 0.012 *** 0.003 0.001 0.003

0.066 *** 0.004 0.008 * 0.004 − 0.003 0.004 0.032 *** 0.004

− 0.011

S. E.

Modell 7 Koef

13

Quelle: WVS-6; Ni = 81 139; Nj = 54 RK = Referenzkategorie; Koef = Koeffizienten; S. E. = Standardfehler Multiple Imputation wurde verwendet, um mit fehlenden Werten umzugehen. Alle Effekte sind z–standardisiert und alle (quasi-)metrischen Variablen sind am Gesamtmittelwert zentriert. Signifikanzniveau: * 0.01 < p < 0.05, ** 0.001 < p < 0.01, *** p < 0.001

geringere Korruptionswahrnehmung × Universalismus geringere Korruptionswahrnehmung × Macht geringere Korruptionswahrnehmung × Selbstbestimmung Varianzkomponenten Residual-Varianz (e0) Residual-Konstante (u0) Intra-Klassen-Korrelation Erklärte Varianz % Verringerung e0 % Verringerung u0

Cross-Level-Interaktionen geringere Korruptionswahrnehmung × Bewahrung

geringere Korruptionswahrnehmung

Konstante − 0.004 Werte Bewahrung Macht Selbstbestimmung Universalismus Migrationshintergrund (RK: ohne Migrationshintergrund) 1. Generation 2. Generation Kontrollvariablen Alter gruppiert (RK: 46 – 60) 18 – 30 31 – 45 61+ Bildung (RK: Mittlere) geringe hohe generalisiertes Vertrauen Geschlecht (RK: Mann) politische Einstellung (RK: Mitte) Links Rechts Pakistan (Dummy) × Selbstbestimmung (Interaktion) Usbekistan (Dummy) Kontextvariable

Koef

Modell 0

Tabelle 13.2 Ergebnisse der globalen MEA, abhängige Variable: Vertrauen in die Polizei

182 Die globale Perspektive

13.6 Multivariate Analysen

183

Modell 0 verdeutlicht, dass Vertrauen in die Polizei weder nur ein individuelles noch ausschliesslich ein Phänomen auf Länderebene darstellt. Die Intra-Klassen-Korrelation beträgt 0.121. Dies bedeutet, dass 12.1 Prozent der Erklärung auf der Länderebene und 87.9 Prozent auf der Individualebene zu finden sind. Modell 1 verwendet die vier Werte auf der Individualebene als Erklärung für Vertrauen in die Polizei. Der Wert Bewahrung weist mit 0.075 die stärkste Erklärungskraft auf, gefolgt vom Wert Universalismus mit 0.031. Macht weist ebenfalls einen positiven und signifikanten Wert auf. Das heisst, Personen, die dem Wert Macht eine höhere Bedeutung zuschreiben, haben mehr Vertrauen in die Polizei. Modell 2 ist eine Erweiterung des Modells 1 um den Migrationshintergrund, aufgeteilt nach er ersten und zweiten Generation. In diesem Modell zeigt sich, dass Migrantinnen aus der ersten Generation der Polizei signifikant weniger vertrauen als Nicht-Migranten. Personen mit einem Migrationshintergrund der zweiten Generation weisen keine signifikanten Unterschiede im Vertrauen in die Polizei gegenüber Nicht-Migrantinnen auf. Modell 3 ergänzt Modell 2 um die verwendeten Kontrollvariablen auf Individualebene. Die Werte Bewahrung, Macht und Universalismus bleiben signifikant und haben einen positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Der Wert Selbstbestimmung hat weiterhin keinen Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Auch der Effekt des Migrationshintergrund bleibt robust. Das Alter wurde in vier Kategorien eingeteilt und so in die Analyse einbezogen. Als Referenzkategorie gelten die 46- bis 60-Jährigen. Sowohl die 18- bis 30-Jährigen als auch die 31- bis 45-Jährigen vertrauen der Polizei signifikant weniger. Die über 60-Jährigen hingegen vertrauen der Polizei signifikant stärker. Das heisst, je älter jemand ist, umso höher ist dessen Vertrauen in die Polizei.15 Der geringe Bildungsstand zeigt gegenüber der Referenzkategorie «mittlere Bildung» einen positiven, signifikanten Einfluss. Inhaltlich heisst das, dass Personen mit niedrigerer Bildung der Polizei stärker vertrauen. Höher Gebildete dagegen vertrauen der Polizei signifikant weniger. Personen, die Fremden Vertrauen entgegenbringen, also ein hohes generalisiertes Vertrauen aufweisen, haben einen um 0.076 höheren Wert hinsichtlich des Vertrauens in die Polizei als jene Personen, die kein ausgeprägtes generalisiertes Vertrauen haben. Bei der Variable Geschlecht sieht es folgendermassen aus: Frauen haben ein signifikant höheres Vertrauen in die Polizei als Männer.

15

Wird eine andere Alterskategorie als Referenz verwendet, zeigt sich, dass sich die 18- bis 30-Jährigen nicht signifikant von den 31- bis 45-Jährigen unterscheiden.

184

13

Die globale Perspektive

Ebenso unterscheiden sich Personen nach ihrer politischen Orientierung. Politisch Linksorientierte vertrauen der Polizei signifikant weniger als die Referenzgruppe der politischen Mitte. Dagegen vertrauen die Rechtsorientierten der Polizei signifikant stärker. Die Intra-Klassen-Korrelation beträgt in diesem Modell noch 0.124. Für das Modell 4 wurden die beiden Länder Usbekistan und Pakistan als fixierte Effekte behandelt (vgl. Jones & Subramanian 2017; Langford & Lewis 1998). Beide Länder sind hier Ausreisser und können nicht mit der restlichen Datenstruktur erklärt werden. Während dies bei Usbekistan schon im Zusammenhang der wahrgenommenen Korruption und des Vertrauens in die Polizei bei der bivariaten Statistik angezeigt wurde, ist Pakistan erst bei der MEA als Ausreisser erkannt.16 Die beiden Länder befinden sich jedoch an unterschiedlichen Enden des Kontinuums des Vertrauens in die Polizei. Dies zeigt sich auch daran, dass sich für Pakistan ein signifikant negativer Effekt auf das Vertrauen in die Polizei, hingegen für Usbekistan ein signifikanter und stark positiver Effekt zeigt. Ebenso ist es sinnvoll, eine Interaktion zwischen Pakistan und dem Wert Selbstbestimmung zu modellieren. Pakistanerinnen, die Selbstbestimmung als sehr wichtig erachten, vertrauen der Polizei bedeutend mehr. Der Kaschmirkonflikt zwischen Pakistan und Indien um die Vorherrschaft in der Region Kaschmir hat weitreichende Folgen, insbesondere für Pakistan. Die Vermutung besteht, dass für Pakistaner Selbstbestimmung im Kontext dieser Situation zu verstehen ist. Zudem sind Polizei und Militär in Pakistan eng miteinander verflochten, und es gibt keine klaren Abgrenzungen zwischen diesen beiden Institutionen. Daher lässt sich vermuten, dass Personen, denen Selbstbestimmung wichtig ist, die Polizei als eine jener Institutionen sehen, die die Interessen Pakistans vertritt (vgl. Reetz 2000). Die Verringerung der Residualkonstante ist durch diese beiden Länderdummies um knapp 20 Prozent verbessert worden. Die Intra-Klassen-Korrelation beträgt nach Zunahme der beiden Variablen noch 0.102. Modell 5 enthält zusätzlich die Kontextvariable der wahrgenommenen Korruption. Eine niedrigere wahrgenommene Korruption lässt das Vertrauen um knapp 0.20 standardisierte Punkte steigen. Es ist der stärkste Effekt im ganzen Modell. Die Werte und der Migrationshintergrund haben sich nur unwesentlich verändert. Die Werte Bewahrung, Macht und Universalismus wirken weiterhin positiv auf das Vertrauen in die Polizei. Jemand mit Migrationshintergrund der ersten Generation vertraut der Polizei stärker als Nicht-Migranten. Migranten aus der zweiten Generation weisen kein von der Referenzkategorie verschiedenes Vertrauen in die Polizei 16

Eine mögliche Erklärung könnte das extrem niedrige Vertrauen der Bürgerinnen in die Polizei sein. Vertrauen in die Polizei weist in Pakistan einen Mittelwert von 1.80 (auf einer Skala von 1 bis 4) auf. Die Schiefe beträgt 0.89 und die Kurtosis – 0.18.

13.7 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

185

auf. Auch der Wert Selbstbestimmung ist weiterhin nicht signifikant. Die Kontrollvariablen sind ebenso konstant geblieben. Einzig die beiden Länder Usbekistan und Pakistan haben sich verändert. Pakistan hat einen schwächeren, aber immer noch signifikant negativen Effekt, während Usbekistan nochmals in der Effektstärke ansteigt. Das heisst, nach Kontrolle der wahrgenommenen Korruption ist Usbekistan eine noch grössere Ausnahme von den restlichen Ländern. Modell 5 hat eine Verringerung der Varianz zum Ausgangsmodell (Modell 0) von 51.6 Prozent. Davon entsprechen über 30 Prozent allein der wahrgenommenen Korruption. Modell 6 nimmt zusätzlich die beiden theoretisch hergeleiteten Cross-Level-Interaktionen in die Modellierung auf. Die Interaktion zwischen geringerer wahrgenommener Korruption und dem Wert Bewahrung ist positiv signifikant. Das heisst, der Effekt des Werts Bewahrung auf das Vertrauen in die Polizei ist stärker in Ländern mit geringerer Korruption. Die Interaktion zwischen einer geringeren wahrgenommenen Korruption und dem Wert Universalismus ist negativ und signifikant. Das heisst, in Ländern, in denen die Korruption höher ist, steigt die Bedeutung des Werts Universalismus stärker als in Ländern, in denen Korruption als kaum vorhanden wahrgenommen wird. In solchen Ländern haben Menschen, denen der Wert Universalismus wichtig ist, ein schwächeres Vertrauen in die Polizei. Modell 7 ist das Endmodell und integriert die beiden Cross-Level-Interaktionen zwischen geringerer wahrgenommener Korruption und jeweils den Werten Macht beziehungsweise Selbstbestimmung.17 Es zeigt sich, dass beide Interaktionen einen negativen Effekt aufweisen. Die restlichen Effekte bleiben jeweils robust. Eine Erklärung für die Interaktion zwischen Korruption und dem Wert Macht kann darin liegen, dass in korrupten Ländern die Bevölkerung die Vermutung hat, dass ihr Land von und für wenige Personen geführt wird. Somit vertraut die Bevölkerung der Polizei weniger, weil sie annimmt, dass diese Institution einzig der Elite dient. Diese Argumentation lässt sich auch in die Konflikttheorie einbetten (Priest & Carter 1999).

13.7

Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

Die Ergebnisse aus der linearen Regression und der MEA werden im Folgenden verglichen und diskutiert. Dafür wird in Tabelle 13.3 eine Übersicht über die Hypothe17

Die Hinzunahme der Cross-Level-Interaktionen in zwei Schritten ist damit zu begründen, dass in Modell 6 jene Variablen aufgenommen worden sind, die theoretisch begründet sind. Modell 7 beinhaltet auch noch die beiden anderen Cross-Level-Interaktionen, da diese Signifikanzen aufweisen, jedoch theoretisch nicht erwartet worden sind.

186

13

Die globale Perspektive

sen und deren Unterstützung beziehungsweise Nichtunterstützung durch die empirischen Analysen der globalen linearen Regression und das Schlussmodell der MEA gegeben. Eine höhere wahrgenommene Korruption führt, wie theoretisch erwartet, zu einem geringeren Vertrauen in die Polizei. Dieser Effekt ist robust und in der MEA der stärkste Erklärungsfaktor. Die Hypothese HKORR erhält dadurch empirische Unterstützung. In Ländern, in denen öffentliche Korruption stärker wahrgenommen wird, sinkt das Vertrauen in die Polizei. Dieser durch öffentliche Korruption begründete Vertrauensverlust kann zu einem Legitimationsproblem nicht nur für die Polizei, sondern für das ganze Staatssystem führen. Diese Befunde lassen sich in bestehende Untersuchungen einreihen (vgl. Chang & Chu 2006; Ivkovi´c 2008; Kääriäinen 2007). Je wichtiger der Wert Bewahrung für eine Person ist, umso höher ist das Vertrauen in die Polizei. Die empirischen Resultate beider Methoden zeigen dieses Ergebnis und stützen somit die aufgestellte Hypothese. Die Polizei ist jene Institution, die sowohl für Sicherheit und Ordnung als auch für die Kontrolle der Einhaltung sozialer Normen verantwortlich ist. Dies sind die Motivationen hinter dem Wert Bewahrung. Die Cross-Level-Interaktion zwischen der Makrovariable und dem Wert Bewahrung konnte durch die Daten ebenfalls bestätigt werden. In Ländern mit hoher öffentlicher Korruption ist der Effekt des Werts Bewahrung geringer auf das Vertrauen in die Polizei als in Ländern mit tiefer öffentlicher Korruption. Es kann davon ausgegangen werden, dass in Ländern, in denen eine höhere wahrgenommene Korruption vorherrscht, die Polizei öffentliche Güter wie Sicherheit nicht mehr für alle bereitstellen kann und sich die im Wert Bewahrung vereinigten Motivationen daher nicht vollständig entfalten können. Ebenso weisen Personen, die den Wert Macht stärker gewichten, ein höheres Vertrauen in die Polizei auf als Personen, denen dieser Wert nicht so wichtig ist. Somit konnte auch diese Hypothese H M AC H bestätigt werden. Im globalen Kontext wirkt die Homosozialität zwischen den Menschen, denen der Wert Macht wichtig ist, und deren Wahrnehmung der Polizei als jene Institution, die eine Machtposition innehat. Die Polizei als Verkörperung des Werts Macht steht daher in positivem Zusammenhang mit Macht. In der globalen linearen Regression konnte der postulierte Zusammenhang zwischen dem Wert Selbstbestimmung und dem Vertrauen in die Polizei gefunden werden. Es fällt jedoch auf, dass nur die Weltregionen Amerika und SSA signifikant und negativ gerichtet sind. In Europa hat der Wert Selbstbestimmung sogar einen signifikant positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Dieser Befund konnte schon in der mit den ESS-Daten berechneten linearen Regression gefunden werden. In den übrigen Weltregionen hat der Wert Selbstbestimmung keinen Einfluss auf

13.7 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

187

Tabelle 13.3 Übersichtstabelle Hypothesen und empirische Resultate – globale Perspektive

Hypothese

HKORR

Je mehr öffentliche Korruption in einem Land wahrgenommen wird, desto geringer ist das allgemeine Vertrauen in die Polizei.

HBEWA

Je wichtiger der Wert Bewahrung für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.

linReg

MEA ✔



In Ländern mit hoher öffentlicher KorrupHKORR × tion ist der Effekt von Bewahrung auf Vertrauen in die Polizei negativer als in LänBEWA dern mit geringer öffentlicher Korruption.





HMACH

Je wichtiger der Wert Macht für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.





HSEBE

Je wichtiger der Wert Selbstbestimmung für eine Person ist, desto geringer ist deren Vertrauen in die Polizei.



n. s.

HUNIV

Je wichtiger der Wert Universalismus für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.





HKORR ×

In Ländern mit hoher öffentlicher Korruption ist der Effekt von Universalismus auf Vertrauen in die Polizei negativer als in Ländern mit geringer öffentlicher Korruption.

UNIV

HM1Ga

Migrantinnen der ersten Generation vertrauen der Polizei mehr als Nicht-Migranten.

HM1Gb

Migrantinnen der ersten Generation vertrauen der Polizei weniger als Nicht-Migranten.

HM2G

Migranten der zweiten Generation vertrauen der Polizei weniger als Nicht-Migrantinnen.

×





×

n. s.

LinReg = Ergebnisse der linearen Regression ✔ = theoretische Hypothese und empirische Resultate stimmen überein; n. s. = empirische Resultate sind nicht signifikant; × = die empirischen Resultate liefern einen gegenteiliger Befund zu den theoretischen Hypothesen

188

13

Die globale Perspektive

das Vertrauen in die Polizei. Auch in der globalen MEA existiert kein signifikanter Effekt des Werts Selbstbestimmung auf das Vertrauen in die Polizei. Dies lässt sich dadurch erklären, dass im WVS der Wert Selbstbestimmung mit nur einem Item erfragt wird. Es handelt sich dabei um das Item, das danach fragt, wie bedeutend es sei, kreativ zu sein und neue Ideen zu entwickeln. Wie schon im Schweizer Sample ist die Wichtigkeit, kreativ zu sein, unabhängig vom Vertrauen in die Polizei. Die Resultate aus der globalen Regression und der MEA für den Wert Universalismus zeigen einen positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei. Menschen, denen der Wert Universalismus wichtiger ist, haben auch ein höheres Vertrauen in die Polizei. Obwohl dies die aufgestellte Hypothese unterstützt, muss die Restriktion, dass im WVS der Wert Universalismus einzig mit der Variable, die nach dem Schutz der Umwelt fragt, erhoben worden ist, genannt werden. Bei dem Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und Vertrauen in die Polizei zeigt sich ein inkonsistentes Bild. In der linearen Regression haben Personen mit Migrationshintergrund aus der ersten Generation ein höheres Vertrauen in die Polizei als Nicht-Migranten, sodass die Hypothese H M1Ga empirische Unterstützung erfährt. Personen aus der zweiten Migrationsgeneration haben eine positive Einstellung gegenüber der Polizei und vertrauen der Polizei mehr als NichtMigranten. Die Resultate der MEA zeichnen hingegen ein anderes Bild: Während Migrantinnen der ersten Generation der Polizei weniger vertrauen und daher die alternative Hypothese H M1Gb unterstützt wird, zeigen Personen der zweiten Generation keinen signifikanten Unterschied gegenüber Personen ohne Migrationshintergrund. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass durch die Kontrolle des kontextuellen Hintergrunds ein differenziertes Bild entsteht. Jedoch ist aufgrund der Datenlage zu erwarten, dass die Standardfehler die Ergebnisse verzerren. Es zeigt sich folgende Tendenz: Je älter jemand ist, desto höher ist dessen Vertrauen in die Polizei. Diese Beziehung kann in der MEA wie auch in den linearen Regressionen festgestellt werden. Der Befund steht im Einklang mit anderen Untersuchungen (vgl. Afon & Badiora 2016; Cao et al. 1998; Cheurprakobkit 2000; Correia, Reisig & Lovrich 1996; Reisig & Parks 2000; Ren et al. 2005; Schafer et al. 2003; Weitzer & Tuch 2002). Jüngere Personen kommen tendenziell häufiger und negativer in Kontakt mit der Polizei (vgl. Reisig & Correia 1997). Dies führt zu einem niedrigeren Vertrauen. Eine Ausnahme bildet die Weltregion Europa, wo sowohl die Jüngeren als auch die Älteren der Polizei mehr als die Referenzkategorie der 45- bis 60-Jährigen vertrauen. Dieser Befund zeigt sich auch schon mit ESS-Daten. Der Effekt von Bildung ist in der linearen Regression sowie in der MEA negativ. Eine höhere Bildung führt zu einem tieferen Vertrauen in die Polizei. Besonders in der MEA deutet somit dieser Befund darauf hin, dass diejenigen mit höherer Bildung

13.7 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

189

beurteilen, ob die Regierungsinstitutionen, unter anderem die Polizei, funktionieren, wie sie sollten. Gibt es Faktoren, die die Grundfunktion der Polizei verhindern – zum Beispiel öffentliche Korruption – führt das zu einem tieferen Vertrauen in die Polizei (Hakhverdian & Mayne 2012). In diesem Kontext bedeutet dies, dass besser gebildete Personen der Polizei weniger vertrauen. Vor diesem Hintergrund lassen sich auch die zum Teil unterschiedlichen Befunde der einzelnen Weltregionen in den linearen Regressionen besser einordnen. Generalisiertes Vertrauen erlaubt es Menschen, Fremden Vertrauen entgegenzubringen, ohne auf gemeinsame Erfahrungen zurückgreifen zu können. Der Mechanismus dahinter ist eine Art Spill-over-Effekt. Das heisst, dass ein höheres generalisiertes Vertrauen auch ein höheres Vertrauen in Institutionen mit sich bringt. Diese angenommene Beziehung konnte bestätigt werden und ihr Befund lässt sich in bestehende Forschungen einbetten (vgl. Grönlund & Setälä 2011; Lühiste 2006; Newton & Norris 2000). Frauen vertrauen, global betrachtet, der Polizei stärker als Männer. Männer kommen häufiger in Kontakt mit der Polizei – ob als Täter oder Opfer – und solche Erfahrungen können zu einem negativen Bild führen, sich also in einem geringeren Vertrauen niederschlagen (Ivkovi´c 2008). Je rechter eine Person politisch eingestellt ist, umso höher ist ihr Vertrauen in die Polizei. Rechtsorientierte Personen setzen einen gewichtigeren Schwerpunkt auf die Gewährleistung von Sicherheit und die Einhaltung sozialer Normen. Die Polizei ist verantwortlich dafür, dass die Sicherheit gewährleistet ist und soziale Normen eingehalten werden, sodass sie bei diesen Personen ein grösseres Vertrauen geniesst. Der Befund, dass linksorientierte Personen der Polizei weniger vertrauen, deutet sich schon bei Staubli (2017) an.

14

Vergleich der Resultate beider Individualdatensätze

In zehn europäischen Ländern1 wird sowohl der ESS als auch der WVS durchgeführt. Die geografische Lage der Länder ist über ganz Europa verteilt. In diesem Kapitel werden diese zehn Länder genauer betrachtet und die Ergebnisse der zwei Befragungen miteinander in Vergleich gesetzt. Dies gewährt einen Einblick in die beiden Datensätze.

14.1

Vertrauen in die Polizei

Vertrauen in die Polizei wurde in den Erhebungen mit unterschiedlichen Skalen erfragt. Deshalb wird hier nur die Rangordnung der Länder verglichen (Tabelle 14.1). Tabelle 14.1 Rangordnung Vertrauen in die Polizei tiefstes Vertrauen

höchstes Vertrauen

ESS

UA

RU

CY

PL

SI

ES

EE

NL

SE

DE

WVS

UA

RU

SI

PL

ES

NL

CY

SE

EE

DE

DE = Deutschland, EE = Estland, NL = Niederlande, PL = Polen, RU = Russland, SE = Schweden, SI = Slowenien, ES = Spanien, UA = Ukraine, CY = Zypern

1

Das sind: Deutschland, Estland, die Niederlande, Polen, Russland, Schweden, Slowenien, Spanien, Ukraine und Zypern. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_14

191

192

14

Vergleich der Resultate beider Individualdatensätze

Während in beiden Datensätzen die Extrema übereinstimmen, ist die Rangordnung der Länder dazwischen unterschiedlich. Besonders fällt auf, dass Zypern gemäss den ESS-Daten relativ wenig Vertrauen in die Polizei aufweist, während die WVS-Daten Zypern in der oberen Hälfte verorten.

14.2

Individuelle Werte

In beiden Datensätzen2 sind die vier Werte (Bewahrung, Macht, Selbstbestimmung Universalismus) auf der gleichen Skala erfragt worden. Abbildung 14.1 zeigt die entsprechenden Ländermittelwerte. Bei Bewahrung fällt einerseits auf, dass Slowenien im ESS an zweiter Stelle steht, während es sich im WVS im Mittelfeld bewegt. Andererseits wurde diese Frage in den Niederlanden sehr unterschiedlich beantwortet. Während im ESS der Mittelwert 4.2 ist, liegt er im WVS bei 3.5. Der Wert Macht zeigt im WVS über alle Länder hinweg einen niedrigeren Mittelwert als im ESS. Während dieser im WVS ausser in Deutschland und Russland zwischen 2 und 3 liegt, rangiert der Mittelwert im ESS in allen Ländern über 3. Der Wert Selbstbestimmung zeigt besonders in den Niederlanden ein unterschiedliches Bild. Im ESS befindet sich der Mittelwert in der oberen Hälfte, im WVS auf dem vorletzten Rang. Im WVS ist für die Niederländerinnen, verglichen mit den anderen Ländern, der Wert Universalismus der unwichtigste. Im ESS liegen die Niederlande im Mittelfeld. Gleichermassen ändert sich die relative Position von Deutschland in den beiden Datensätzen. Im ESS bewegt sich Deutschland in der oberen Hälfte. Das heisst, der Wert Universalismus ist, verglichen mit den anderen Ländern, wichtiger, während Deutschland im WVS im unteren Bereich des Spektrums liegt. Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Anzahl der Items pro Konstrukt zwischen den beiden Datensätzen variiert. Dies kann Einfluss auf die Verteilung nehmen.3

2

In dieser Arbeit sind für die deskriptiven Analysen fehlende Werte nicht ersetzt worden. Fehlende Werte wurden zum Teil inhaltlich reflektiert. Bi- und multivariate Analyse sind mit einem vollständigen Datensatz analysiert worden. Hier werden anhand einer multiplen Imputation fehlende Werte ersetzt (vgl. Kapitel 8: «Umgang mit fehlenden Werten»). 3 Für detailliertere Informationen bezüglich der Operationalisierung der Konstrukte siehe Abschnitt 7.3: «Individuelle Werte».

Abbildung 14.1 Mittelwerte der vier individuellen Werte Bewahrung, Macht, Selbstbestimmung und Universalismus im Vergleich, jeweils aufsteigend geordnet (ESS)

14.2 Individuelle Werte 193

194

14.3

14

Vergleich der Resultate beider Individualdatensätze

Migrationshintergrund

Tabelle 14.2 schlüsselt die prozentualen Angaben der Personen mit Migrationshintergrund nach Generation auf.

Tabelle 14.2 Anteile der Personen mit Migrationshintergrund, aufgeschlüsselt nach Migrationsgeneration DE

EE

NL

PL

RU

SE

SI

ES

1

UA

CY

ESS 1. Gen

2.3

16.0

7.6

0.6

4.3

12.1

7.8

10.6

7.0

9.7

WVS 1. Gen

5.3

8.4

10.9

0.9

0.0

4.5

3.3

4.2

4.9

ESS 2. Gen

6.8

19.6

7.4

3.9

5.7

10.3

9.3

13.0

1.8

WVS 2. Gen

7.8

12.6

10.0

2.7

0.0

12.1

6.9

5.0

10.6

1.7

1. Gen = 1. Generation; 2. Gen = 2. Generation DE = Deutschland, EE = Estland, NL = Niederlande, PL = Polen, RU = Russland, SE = Schweden, SI = Slowenien, ES = Spanien, UA = Ukraine, CY = Zypern 1 Spanien hat die Frage nach einem Migrationshintergrund im WVS nicht erfragt.

In Russland gibt es im WVS keine Personen mit Migrationshintergrund. In Schweden und Zypern gibt es im ESS mehr Personen mit Migrationshintergrund der ersten Generation als mit einem Migrationshintergrund der zweiten Generation. Dies ist im WVS gerade umgekehrt. Spanien hat im WVS den Migrationshintergrund nicht erfragt.

14.4

Kontrollvariablen

Die Kontrollvariablen zeigen im aggregierten Vergleich, dass beim Geschlecht eine gute Übereinstimmung zwischen den beiden Datensätzen besteht, wenngleich das Verhältnis zwischen den Geschlechtern in beiden Datensätzen divergiert (Frauen sind im WVS tendenziell übervertreten). Bildung weist mit r = 0.70 eine mittelmässige Korrelation auf, ebenso das Alter mit einer Korrelation von r = 0.64. Die politische Orientierung weist ebenfalls eine niedrige Korrelation auf. Im WVS ist die

14.6 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

195

Stichprobe vermehrt politisch rechtsorientiert.4 Besonders auffallend ist die unterschiedliche Verteilung der fehlenden Werte in der Ukraine. Während die fehlenden Werte der politischen Orientierung im ESS bei 41.2 Prozent liegen, sind es im WVS 0.0 Prozent.

14.5

Lineare Regression

Tabelle 14.3 zeigt in den linearen Regressionen ebenfalls ein leicht unterschiedliches Bild zwischen den Datensätzen. Während der Wert Bewahrung in beiden Regressionen nicht signifikant ist und der Wert Macht in beiden Datensätzen einen negativen Effekt auf das Vertrauen in die Polizei ausübt, vertrauen gemäss ESS Personen, die die Werte Selbstbestimmung und Universalismus als wichtig bewertet haben, der Polizei signifikant stärker. Diese Effekte sind beim WVS nicht zu finden. Im ESS und WVS zeigen Migrantinnen der ersten Generation ein signifikant höheres Vertrauen in die Polizei. Der Effekt von Migranten der zweiten Generation unterscheidet sich in den Ergebnissen der Datensätze. Im ESS zeigen Migranten der zweiten Generation ein signifikant geringeres Vertrauen in die Polizei als jeweils Personen ohne Migrationshintergrund, während Migranten der zweiten Generation im WVS ein signifikant höheres Vertrauen in die Polizei aufweisen. Die Kontrollvariablen sind relativ robust über die Datensätze hinweg; eine Ausnahme bildet das Geschlecht. Im ESS haben Männer ein deutlich stärkeres Vertrauen in die Polizei als Frauen. Im WVS ist es gerade umgekehrt: Frauen besitzen hier ein signifikant höheres Vertrauen in die Polizei als Männer.

14.6

Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

In der Tabelle 14.4 sind die Hypothesen und die Ergebnisse aus diesem Kapitel dargestellt. Weil keine MEA durchgeführt werden konnte, sind keine Aussagen zu Korruption und Cross-Level-Interaktion möglich. Bei den Hypothesen zu den vier Werten (Bewahrung, Macht, Selbstbestimmung und Universalismus) zeigt einzig der Wert Universalismus mit Daten des ESS eine Unterstützung der aufgestellten Hypothese. Personen, denen der Wert Universalismus wichtig ist, vertrauen der Polizei mehr. Das unterschiedliche Ergebnis kann 4

Auf die Signifikanz wird hier verzichtet, da N = 10. Es handelt sich hier einzig um einen Einblick in die Stichprobenverteilung der beiden untersuchten Individualdatensätze.

196

14

Vergleich der Resultate beider Individualdatensätze

Tabelle 14.3 Lineare Regressionen ESS und WVS im Vergleich

Konstante

2.16 ***

(0.16)

0.03

1.44 ***

(0.04)

Werte (0.03)

− 0.00

(0.01)

− 0.43 ***

(0.02)

− 0.04 ***

(0.01)

Selbstbestimmung

0.26 ***

(0.02)

0.01

(0.01)

Universalismus

0.34 ***

(0.03)

0.00

(0.01)

Bewahrung Macht

Migrationshintergrund (RK: kein Migrationshintergrund) 1. Generation

0.18 **

(0.07)

0.07 *

(0.03)

2. Generation

− 0.17 **

(0.07)

0.11 ***

(0.03)

(0.06)

0.05 *

(0.02)

Kontrollvariablen Alter gruppiert (RK: 46− 60) 15−17

0.57 ***

(0.12)

18−30

− 0.01

31−45

0.08

(0.05)

0.03

(0.02)

61+

0.11 *

(0.05)

0.10 ***

(0.02)

0.37 ***

(0.05)

0.14 ***

(0.02)

(0.05)

0.02

(0.02)

0.29 ***

(0.01)

0.27 ***

(0.01)

− 0.17 ***

(0.04)

0.06 ***

(0.01)

Bildung (RK: Mitte) geringe hohe generalisiertes Vertrauen Geschlecht (RK: Mann)

− 0.04

politische Einstellung (RK: Mitte) Links

0.06

(0.05)

0.05 **

(0.02)

Rechts

0.46 ***

(0.04)

0.02

(0.02)

korr. R N

2

0.13

0.04

19 809

14 906

Quelle: ESS-6, WVS-6; Multiple Imputation; abhängige Variable: Vertrauen in die Polizei B-Koef = B-Koeffizient; S. E. = Standardfehler Signifikanzniveau: * 0.01 < p < 0.05, ** 0.001 < p < 0.01, *** p < 0.001

14.6 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

197

Tabelle 14.4 Übersichtstabelle Hypothesen und empirische Resultate des Vergleichs der Resultate zweier Datensätze Hypothese

HKORR

Je mehr öffentliche Korruption in einem Land wahrgenommen wird, desto geringer ist das allgemeine Vertrauen in die Polizei.

HBEWA

Je wichtiger der Wert Bewahrung für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.

linReg ESS

linReg WVS

n. s.

n. s.

In Ländern mit hoher öffentlicher KorrupHKORR × tion ist der Effekt von Bewahrung auf Vertrauen in die Polizei negativer als in LänBEWA dern mit geringer öffentlicher Korruption.

HMACH

Je wichtiger der Wert Macht für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.

×

×

HSEBE

Je wichtiger der Wert Selbstbestimmung für eine Person ist, desto geringer ist deren Vertrauen in die Polizei.

×

n. s.

HUNIV

Je wichtiger der Wert Universalismus für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.



n. s.

HKORR ×

In Ländern mit hoher öffentlicher Korruption ist der Effekt von Universalismus auf Vertrauen in die Polizei negativer als in Ländern mit geringer öffentlicher Korruption.





×

×

UNIV

HM1Ga

Migrantinnen der ersten Generation vertrauen der Polizei mehr als Nicht-Migranten.

HM1Gb

Migrantinnen der ersten Generation vertrauen der Polizei weniger als Nicht-Migranten.

HM2G

Migranten der zweiten Generation vertrauen der Polizei weniger als Nicht-Migrantinnen.

LinReg = Ergebnisse der linearen Regression ✔ = theoretische Hypothese und empirische Resultate stimmen überein; n. s. = empirische Resultate sind nicht signifikant; × = die empirischen Resultate liefern einen gegenteiliger Befund zu den theoretischen Hypothesen

198

14

Vergleich der Resultate beider Individualdatensätze

sehr gut darin begründet sein, dass im WVS der Wert Universalismus einzig mit der Frage nach der Umwelt gemessen wird. Der Wert Macht dagegen ist sowohl mit Daten des ESS als auch mit Daten des WVS signifikant, zeigt aber den gegensätzlichen Befund zur aufgestellten Hypothese: Personen, denen die Dominanz über Ressourcen weniger wichtig ist, haben ein höheres Vertrauen in die Polizei. Diese Resultate sind mit den restlichen Resultaten in Europa kongruent. Der Wert Macht spielt in Europa eine untergeordnete Rolle. Wahrscheinlich wird die Polizei in Europa nicht als Institution wahrgenommen, die ihre Machtposition missbraucht. Daher steigt das Vertrauen in die Polizei bei jenen, denen der Wert Macht weniger wichtig ist. Der Wert Selbstbestimmung zeigt zwei unterschiedliche Resultate – dies abhängig davon, ob er mit dem ESS oder dem WVS berechnet worden ist. Das WVSResultat zeigt keine signifikanten Beziehungen. Dieses Ergebnis konnte schon im gesamten WVS und auch in der Analyse der Schweiz festgestellt werden. Hier wird nur mit einem Item gerechnet, das die Bedeutung der Kreativität in den Vordergrund stellt. Dies ist unabhängig von der Einstellung gegenüber der Polizei. Berechnet mit dem ESS, ist die Beziehung wider theoretischer Erwartung positiv. Dieses Resultat konnte auch schon in der linearen Regression im gesamten ESS-Sample festgestellt werden. Der Wert Bewahrung spielt bei dieser Analyse für die Erklärung des Vertrauens in die Polizei keine Rolle. Dieser Befund unterscheidet sich von den vorherigen Befunden aus Berechnungen mit den gesamten Datensätzen ESS und WVS. Es wird vermutet, dass in diesem Subsample die Erklärungskraft des Werts Bewahrung angesichts der deutlich geringeren Fallzahl als in den jeweiligen Gesamtdatensätzen zu schwach ist. In beiden Analysen konnte festgestellt werden, dass Migranten der ersten Generation der Polizei stärker vertrauen als Personen ohne Migrationshintergrund. Ein Vergleich der Daten der beiden Datensätze veranschaulicht unterschiedliche Verteilungen in der Stichprobe bezüglich des Migrationshintergrunds. Unter diesem Aspekt lassen sich die diversen Ergebnisse der beiden linearen Regressionen verstehen. Die Altersverteilung ist über die beiden Datensätze ähnlich. Die Resultate zeigen tendenziell ein inhaltlich übereinstimmendes Bild, so wie in den linearen Regressionen mit den gesamten ESS- und WVS-Daten berechnet. Generalisiertes Vertrauen weist wie schon in den anderen Analysen einen positiven Effekt auf das Vertrauen in die Polizei auf. Der Effekt des Geschlechts entspricht demjenigen in den linearen Regressionen in den jeweiligen Gesamtdatensätzen. Frauen im WVS vertrauen der Polizei mehr als Männer, während Frauen im ESS das geringere Vertrauen in die Polizei aufweisen.

14.6 Gegenüberstellung der Hypothesen und der Ergebnisse

199

Eine Ausnahme stellt die politische Einstellung im WVS dar. Hier weisen politisch links orientierte Personen ein ebenfalls höheres Vertrauen in die Polizei auf. Wahrscheinlich liegt dies an der Variable politische Einstellung und an den fehlenden Werten, die diese Frage mit sich bringt.5 Ebenso enthält die WVS-Stichprobe einen deutlich höheren Anteil an Personen, die sich als politisch rechts einstufen. Das Ziel dieses Kapitel bestand darin, Resultate zweier Datensätze zu vergleichen. Somit spielen nicht die inhaltlichen Resultate die wichtigste Rolle, sondern die Erkenntnis, dass die Ergebnisse abhängig vom gewählten Datensatz variieren können. In Kapitel 15 «Synthese und Reflexion» wird vertieft auf mögliche Gründe eingegangen.

5

Für eine genauere Diskussion der fehlenden Werte wird hier auf Kapitel 8 «Umgang mit fehlenden Werten» und Abschnitt 8.3 «WVS-Patterns: Welt» verwiesen.

Teil IV Fazit

Synthese und Reflexion

15

Dieses Kapitel vergleicht und diskutiert die Resultate der empirischen Analysen (vgl. Teil III Empirie). Zuerst werden in der Synthese und Interpretation die einzelnen Ergebnisse einander gegenübergestellt und kritisch eingeordnet. Anschliessend werden die Resultate unter Berücksichtigung der spezifischen Eigenschaften der Individualdatensätze und Analysemethoden reflektiert. Tabelle 15.1 fasst die getesteten Hypothesen und die Ergebnisse der Mehrebenenanalysen, der linearen Regressionen (über die zehn Länder, die in beiden Individualdatensätzen vertreten sind) und des Strukturgleichungsmodells zusammen.

15.1

Synthese und Interpretation

Öffentliche Korruption erklärt auf der Makroebene Unterschiede im Vertrauen in die Polizei (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HKORR ). Die empirischen Resultate zeigen für die unterschiedlichen Stichproben eindeutig, dass eine geringere wahrgenommene Korruption zu höherem Vertrauen in die Polizei führt. Anders formuliert: Ist in einer Gesellschaft öffentliche Korruption ein Problem, hat dies negative Auswirkungen auf die Beziehung der Bevölkerung zur Polizei. Die aufgestellte Hypothese HKORR wird bekräftigt und untermauert Resultate anderer Studien (vgl. Ivkovi´c 2008; Kääriäinen 2007). Korruption führt also dazu, dass die Bevölkerung der Polizei, die wohl auch als Teil des Staates gesehen wird, weniger vertraut, wodurch deren Legitimation erodiert. Gleichzeitig wird es für die Polizei schwieriger, ihre Aufgaben effektiv und effizient zu erfüllen, da sie dafür auf die Kooperation der Bevölkerung angewiesen ist. Diese Wechselwirkung erklärt wohl, warum die negativen Effekte von Korruption so stark sind.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_15

203

204

15

Synthese und Reflexion

Tabelle 15.1 Übersicht der Resultate – Synthese Hypothese Kapitelverweis:

MEA ESS

MEA WVS

RV ESS

RV WVS

CH ESS*

10.6.2

11.6.2

12.5

12.5

10.3

n. s.

n. s.



HKORR

Je mehr öffentliche Korruption in einem Land wahrgenommen wird, desto geringer ist das allgemeine Vertrauen in die Polizei.





HBEWA

Je wichtiger der Wert Bewahrung für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.





n. s.



In Ländern mit hoher öffentlicher KorrupHKORR × tion ist der Effekt von Bewahrung auf Vertrauen in die Polizei negativer als in LänBEWA dern mit geringer öffentlicher Korruption.

HMACH

Je wichtiger der Wert Macht für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.

×



×

×

×

HSEBE

Je wichtiger der Wert Selbstbestimmung für eine Person ist, desto geringer ist deren Vertrauen in die Polizei.



n. s.

×

n. s.

n. s.

HUNIV

Je wichtiger der Wert Universalismus für eine Person ist, desto grösser ist deren Vertrauen in die Polizei.







n. s.

n. s.

In Ländern mit hoher öffentlicher Korruption ist der Effekt von Universalismus auf Vertrauen in die Polizei negativer als in Ländern mit geringer öffentlicher Korruption.



×

HM1Ga

Migrantinnen der ersten Generation vertrauen der Polizei mehr als Nicht-Migranten.

n. s.







HM1Gb

Migrantinnen der ersten Generation vertrauen der Polizei weniger als Nicht-Migranten.

n. s.



HM2G

Migranten der zweiten Generation vertrauen der Polizei weniger als Nicht-Migrantinnen.



n. s.



×

n. s.

HKORR × UNIV

RV = Vergleich der Resultate zwischen ESS und WVS von 10 Ländern; CH = Schweiz; * = Die Berechnung innerhalb der Schweiz wurde nur mit dem ESS durchgeführt, da die Schweiz nicht im WVS in dieser Welle war. ✔ = theoretische Hypothese und empirische Resultate stimmen überein; n. s. = empirische Resultate sind nicht signifikant; × = die empirischen Resultate liefern einen gegenteiliger Befund zu den theoretischen Hypothesen

15.1 Synthese und Interpretation

205

Ein weiteres Ergebnis der Analysen ist der positive Effekt des Werts Bewahrung auf Vertrauen in die Polizei (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HBEWA ). Menschen, denen der Wert Bewahrung wichtig ist, weisen ein höheres Vertrauen in die Polizei auf. Dieser Befund ist in beiden MEA klar zu sehen (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HBEWA , Spalten MEA ESS und MEA WVS), und auch in der SEM für die Schweiz ist dieser Effekt erkennbar.1 Global, europäisch und schweizweit unterstützen Menschen, denen der Wert Bewahrung wichtig ist, die Polizei. Die Polizei ist für Sicherheit und Ordnung zuständig, und es ist daher nachvollziehbar, dass der Wert Bewahrung, der die Werte Sicherheit und Konformität beinhaltet, klar positiv auf Vertrauen in die Polizei wirkt. Aus der Theorie wurde ein Interaktionseffekt zwischen öffentlicher Korruption und dem Wert Bewahrung hergeleitet (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HKORR×BEWA ). Die Annahme ist, dass in korrupten Ländern der Wert Bewahrung einen weniger starken Effekt auf Vertrauen in die Polizei ausübt als in Ländern mit geringerer wahrgenommener Korruption. Während sich im ESS kein solcher Interaktionseffekt zeigt, kann dieser Effekt im WVS festgestellt werden. Eine mögliche Erklärung ist, dass im WVS zwischen den Ländern grössere Unterschiede bezüglich Vertrauen in die Polizei, öffentlicher Korruption und der Wichtigkeit des Werts Bewahrung bestehen. Dagegen sind beim ESS die Streuungen dieser Variablen geringer. Folglich zeigt sich ein signifikanter Interaktionseffekt nur im WVS. Grundsätzlich vertrauen Personen der Polizei, denen der Wert Universalismus wichtig ist (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HUNIV ). Da die Sicherstellung von Gleichbehandlung und Fairness eine Kernaufgabe der Polizei darstellt, ist dieses Ergebnis nicht erstaunlich. Es fällt aber in der europäischen MEA auf, dass das generalisierte Vertrauen die Erklärungskraft von Universalismus etwas abschwächt. Dies konnte ebenfalls in den linearen Regressionen über die zehn europäischen Länder festgestellt werden, die in beiden Individualdatensätzen vertreten sind. In der linearen Regression des WVS ist dagegen der Effekt des Werts Universalismus nicht signifikant (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HUNIV , Spalten RV WVS). Dies ist insofern erstaunlich, als, wie oben erwähnt, das Interesse am Wohle aller, das für den Wert Universalismus charakteristisch ist, hohes Vertrauen in die Polizei erwarten lässt. Eine mögliche Erklärung ist, dass im WVS zur Messung des Werts Universalismus nur jenes Item verwendet wird, das den Schutz für die Umwelt einbezieht. Es ist einerseits durchaus vorstellbar, dass der Schutz der Umwelt und das Wohl aller eine ähnliche Motivationsbasis aufweisen. Zudem ist es denkbar, dass Personen, denen die Umwelt wichtig ist, der Polizei ein stärkeres Vertrauen entgegenbringen, 1

Eine Ausnahme besteht in den linearen Regressionen über die zehn europäischen Länder, die in beiden Datensätzen vorhanden sind. Dort können keine entsprechenden Effekte festgestellt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Effekte in den Subsamples zu schwach sind.

206

15

Synthese und Reflexion

weil diese auch umweltbezogene Gesetze durchsetzt. Andererseits deckt der Schutz der Umwelt nur einen Teil des Werts Universalismus ab. Entsprechend ist auch in der MEA des WVS der (signifikante) Effekt des Werts Universalismus mit Vorsicht zu betrachten (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HUNIV , Spalten MEA WVS). In der Schweiz ist schliesslich für keine Gruppe der positive Effekt von Universalismus auf Vertrauen in die Polizei signifikant (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HUNIV , Spalten CH ESS). Dies liegt wohl daran, dass dieser Wert in der Schweiz grundsätzlich sehr ausgeprägt ist und innerhalb der Gesellschaft kaum Varianz aufweist. Die Daten des ESS zeigen für Europa, dass der Wert Universalismus einen zusätzlichen positiven Effekt auf Vertrauen in die Polizei hat, wenn die wahrgenommene Korruption in einem Land gering ist. Anders ausgedrückt: Die MEA mit Daten des ESS stützt die Hypothese HKORR×UNIV (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HUNIV , Spalte MEA ESS). Wie bereits erwähnt, sehen wohl Menschen, denen der Wert Universalismus wichtig ist, in der Polizei jene Institution, die die Gleichbehandlung aller sicherstellt und für den Schutz aller verantwortlich ist. Dagegen ist in korrupteren Ländern das Prinzip der Gleichbehandlung, das dem Wert Universalismus zugrunde liegt, verletzt. Ein ausgeprägter Wert Universalismus hat daher in korrupten Ländern kaum einen Effekt auf Vertrauen in die Polizei. Solange Korruption als hoch wahrgenommen wird, ist es für die Polizei irrelevant, ob eine Person dem Wert Universalismus grosse Bedeutung zumisst oder nicht. Im Unterschied zum ESS zeigt sich im WVS ein leicht negativ signifikanter Effekt bezüglich der Interaktion zwischen dem Wert Universalismus und öffentlicher Korruption (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HKORR×UNIV , Spalte MEA WVS). Wenn die wahrgenommene Korruption in einem Land gering ist, hat der Wert Universalismus einen leicht negativen Effekt auf Vertrauen in die Polizei. Dieser Effekt bleibt auch durch die Hinzunahme der zwei ebenfalls festgestellten Cross-LevelInteraktionen zwischen öffentlicher Korruption und dem Wert Macht beziehungsweise dem Wert Selbstbestimmung robust. Die Ursache für diesen Effekt ist wohl erneut die Tatsache, dass der WVS den Wert Universalismus relativ ungenau ausschliesslich über die Frage nach der Wichtigkeit der Umwelt misst. Die Aussage, dass Personen der Polizei skeptisch gegenüberstehen, denen die Umwelt wichtig ist, hat je nach Kontext durchaus eine gewisse Plausibilität. Der Wert Macht muss im europäischen sowie im globalen Kontext separat betrachtet werden (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HMACH ). Im globalen Kontext weist er einen signifikant positiven Effekt auf Vertrauen in die Polizei auf (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HMACH , Spalte MEA WVS); die Hypothese HMACH wird gestützt. Die Vermutung liegt nahe, dass die Machtposition der Polizei von Menschen generell gutgeheissen wird, denen der Wert Macht wichtig ist.

15.1 Synthese und Interpretation

207

In Europa zeigt sich aber genau der gegenteilige Befund. Der Wert Macht ist hier weniger wichtig, und Personen, für die der Wert nicht wichtig ist, vertrauen der Polizei stärker. Vermutlich wird in europäischen Ländern angesichts des herrschenden Demokratieverständnisses die Polizei als essenzieller Teil des politischen Systems betrachtet, wobei sie insbesondere weder ihre eigene Machtposition missbraucht noch zulässt, dass andere ihre Machtposition missbrauchen. Dies führt in der Folge wohl dazu, dass in allen europäischen Kontexten der Wert Macht einen signifikant negativen Einfluss auf Vertrauen in die Polizei aufweist. Wie oben erwähnt, zeigt sich in den Daten des WVS eine signifikante CrossLevel-Interaktion zwischen öffentlicher Korruption und dem Wert Macht. In korrupten Ländern schwächt sich der positive Effekt des Werts Macht auf Vertrauen in die Polizei ab. Eine mögliche Erklärung für diese Interaktion ist, dass in korrupten Ländern der Grossteil der Bevölkerung das Land im Interesse einer Elite geführt sieht. Daher vertraut sie der Polizei weniger, weil sie vermutet, dass die Polizei im Interesse dieser Elite handelt. Diese Argumentation lässt sich auch in die Konflikttheorie einbetten (vgl. Priest & Carter 1999). Die Hypothese HSEBE besagt, dass Personen ein geringeres Vertrauen in die Polizei aufweisen, denen der Wert Selbstbestimmung wichtig ist. Der Grund hierfür ist, dass die Polizei die Handlungsmöglichkeiten von Akteuren einschränken und dadurch den Wert Selbstbestimmung blockieren kann. Die MEA, die mit Daten des ESS gerechnet wurde, stützt die Hypothese HSEBE (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HSEBE , Spalte MEA ESS). Die MEA, die mit Daten des WVS gerechnet wurde, sowie die SEM konnten bezüglich der Hypothese HSEBE keine Signifikanz feststellen. Tendenziell geniesst die Polizei also weniger Unterstützung von Menschen, denen eigenständiges Denken und eigene Handlungen wichtig sind. Betrachtet man den Einfluss des Migrationshintergrunds auf Vertrauen in die Polizei, so zeigen sich in Europa signifikante Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Migrationsgeneration. Grundsätzlich besteht ein Vertrauensverlust von der ersten zur zweiten Migrationsgeneration. Die erste Migrationsgeneration zeigt im Vergleich mit Nicht-Migrantinnen ein mindestens so grosses, wenn nicht gar grösseres Vertrauen in die Polizei (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HM1G ). Dagegen vertraut die zweite Migrationsgeneration im Vergleich zu Nicht-Migranten der Polizei tendenziell weniger stark (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HM2G ). In der Schweiz wird dieser Effekt besonders deutlich. Das Vertrauen der ersten Migrationsgeneration in die Polizei ist signifikant höher als bei Nicht-Migranten (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HM1Ga , Spalte CH ESS). Dieses grössere Vertrauen verschwindet aber vollständig bei Migrantinnen der zweiten Generation, sodass zu Nicht-Migrantinnen kein Vertrauensunterschied mehr besteht (vgl. Tabelle 15.1: Zeile HM2G , Spalte CH ESS). Der Grund für diesen Effekt ist wohl, dass in die

208

15

Synthese und Reflexion

Schweiz kommende Migrantinnen die Schweiz als politisch sehr stabil und als Land mit sehr geringer Korruption einschätzen, insbesondere im Vergleich mit ihrem Herkunftsland. Entsprechend vertrauen sie der Polizei stärker als NichtMigranten. Dagegen kennt die zweite Migrationsgeneration vor allem die Situation in der Schweiz und macht dieselben Erfahrungen mit der Polizei wie Personen ohne Migrationshintergrund. Zu den Kontrollvariablen können folgende Aussagen getroffen werden: • Je älter jemand ist, desto höher ist sein Vertrauen in die Polizei. Dies liegt wohl daran, dass jüngere Menschen oftmals Grenzen ausloten und daher öfter in einen negativen Kontakt mit der Polizei kommen. Somit liegt es nahe, dass ihr Vertrauen in die Polizei schwächer ausgeprägt ist. Dieser Befund lässt sich in bestehende Forschungsergebnisse einbetten (vgl. Afon & Badiora 2016; Ren et al. 2005). In Europa zeigt sich aber auch, dass die Jüngeren ein höheres Vertrauen in die Polizei besitzen als die Referenzkategorie der 45- bis 60-Jährigen. Dies lässt sich in allen europäischen Untersuchungen in dieser Arbeit feststellen. Eine mögliche Begründung ist, dass die 45- bis 60-Jährigen ein geringeres Vertrauen in die Polizei aufweisen als die restlichen Alterskohorten. Diese Generation war zur Zeit des Kalten Kriegs Teil der sozialen Friedensbewegung, die Kriege verhindern und beenden wollte und sich daher kritisch gegen das Militär stellte (Rüdig 1988). Daraus entwickelte sich eine allgemeine Skepsis gegenüber staatlichen Akteuren, die Gewalt anwenden dürfen. Von dieser Skepsis ist auch die Polizei betroffen. Ein Spezialfall sind die über 60-Jährigen in der Schweiz, deren Vertrauen in die Polizei signifikant geringer ausfällt als bei der Referenzkategorie. Eine mögliche Erklärung ist, dass diese Generation in der Schweiz aufgrund des Fichenskandals 1989 das Vertrauen in die Polizei teilweise verloren hat. Die Erfahrung, dass die eigene Polizei ihre Bürgerinnen bespitzelt hat und Fichen angelegt wurden, war ein so grosser Machtmissbrauch, dass sich bei der betroffenen Generation das Vertrauen in die Polizei auch nach über 25 Jahren nicht komplett erholt hat (Kreis 2009; Tribelhorn 2014). • Bildungseffekte müssen im Kontext des jeweiligen Lands betrachtet werden. Ein als korrupt wahrgenommenes Umfeld führt tendenziell dazu, dass besser Ausgebildete der Polizei weniger Vertrauen entgegenbringen. Umgekehrt vertraut diese Gruppe in einem weniger korrupten Umfeld der Polizei stärker. Besser gebildete Menschen erwerben und verarbeiten Informationen anders als schlechter gebildete und ihre Reaktion fällt entsprechend anders aus. Diese Befunde lassen sich in bestehende Ergebnisse einbetten (vgl. Hakhverdian & Mayne 2012).

15.2 Reflexion

209

• Ein höheres generalisiertes Vertrauen führt in jeder getesteten Situation zu einem grösseren Vertrauen in die Polizei und bedeutet, dass auch ein höheres Institutionenvertrauen zu erwarten ist. Es findet ein sogenannter Spill-over-Effekt statt (vgl. Grönlund & Setälä 2011; Lühiste 2006). • Frauen vertrauen, global betrachtet, der Polizei stärker als Männer. Das Bild in Europa ist aber heterogen. In neun der 29 untersuchten Länder haben Frauen das grössere Vertrauen in die Polizei, wohingegen in vier Ländern die Männer der Polizei stärker vertrauen. In den übrigen 16 Ländern gibt es keinen nennenswerten Geschlechterunterschied. Unterschiedliche Geschlechterrollen und Sozialisationsprozesse erklären wohl diese Resultate (vgl. Ivkovié 2008). • Die Befunde zeigen, dass politisch rechtsorientierte Personen der Polizei mehr Vertrauen entgegenbringen als politisch linksorientierte Personen. Dieser Befund wird durch frühere Untersuchungen bestätigt (vgl. Staubli 2017). Je rechter eine Person politisch eingestellt ist, umso höher ist ihr Vertrauen in die Polizei. Rechtsorientierte Personen setzen einen grösseren Schwerpunkt auf die Gewährleistung von Sicherheit und die Einhaltung sozialer Normen, was dazu führt, dass die Polizei ein höheres Vertrauen geniesst (Benson 1981).

15.2

Reflexion

Wie in den vorangegangenen Abschnitten dargelegt, gibt es für den ESS und den WVS teilweise unterschiedliche Ergebnisse. Im Folgenden werden mögliche Gründe dafür aufgezeigt: • Während der ESS nur Länder aus Europa beinhaltet, enthält der WVS auch Länder aller anderen Kontinente. Der WVS bildet somit diversere geschichtliche und politische Kontexte ab, wohingegen der ESS das homogenere Datensample darstellt. • Die Stichprobenziehung unterscheidet sich zwischen den beiden Datensätzen. Der WVS ist auf Personen ab 18 Jahren beschränkt, während am ESS Personen ab 15 Jahren teilnehmen können. Im Gegensatz zum ESS sind im WVS Frauen deutlich übervertreten. Auch kann davon ausgegangen werden, dass Personen mit Migrationshintergrund im WVS unterrepräsentiert sind. Mögliche Gründe für die Unterrepräsentation von Migrantinnen im WVS sind die Erreichbarkeit dieser Bevölkerungsgruppen, Sprachbarrieren sowie politische Gründe. Beispielsweise verfügen viele Migranten über keinen festen Wohnsitz, weswegen sie nicht für die Stichprobe berücksichtigt werden (vgl. de Genova 2013). Die gleichen Herausforderungen bestehen grundsätzlich auch für den

210









2

15

Synthese und Reflexion

ESS, wobei aber europäische Länder tendenziell bessere Staatsstrukturen aufweisen. Der ESS kann dadurch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen besser berücksichtigen. Der Erhebungszeitraum für eine Welle des WVS beträgt bis zu vier Jahre. Diese Zeitspanne ist relativ lang, sodass in den Daten aufgrund diverser Faktoren Verzerrungen entstehen können. Als Beispiel kann hier der «Arabische Frühling» genannt werden, der Ende 2012 begonnen hat. Es ist anzunehmen, dass in dieser Phase der politischen Unruhe die Bevölkerung der MENA-Region ihre Einstellung zur Polizei verändert hat (Robbins 2015), sodass sich in den Daten des WVS-6 (2010–2014) aufgrund dieser Entwicklungen bei gewissen Ländern Verzerrungen ergeben können. Die Übersetzungen, die für die Erhebung vorgenommen werden, bergen die Gefahr, dass Fragen unterschiedlich aufgefasst werden. Da Übersetzungen eine potenzielle Fehlerquelle darstellen (vgl. Davidov & Beuckelaer 2010), versuchen die Übersetzerinnen für den ESS mit der TRAPD-Methode2 Übersetzungsfehler zu minimieren. Im Gegensatz dazu ist die Übersetzung für den WVS nicht standardisiert – teilweise wird ins Englische rückübersetzt, teilweise ein Pretest vorgenommen. Vor allem aber lässt sich für den WVS nicht immer nachvollziehen wie der Übersetzungsprozess verlief. Die beiden Individualdatensätze unterscheiden sich bei der Dokumentation und der Überprüfung der Datenqualität. Während die Dokumentationen beim ESS strukturiert sowie transparent sind und einem hohen Qualitätsstandard entsprechen, ist dies für den WVS nicht immer der Fall. Zum Beispiel kann oftmals nicht nachvollzogen werden, warum in einem Land eine bestimmte Frage des WVS nicht gestellt wurde. Ebenso kann nicht nachvollzogen werden, inwiefern Anreize für die Teilnahme am WVS vorhanden waren und wie die Entlöhnung der Interviewer stattfand. Die in dieser Arbeit für die Analysen verwendeten Items unterscheiden sich zum Teil in der Frageformulierung, den Antwortskalen und in der Position innerhalb des Fragebogens. Dies kann zu Verzerrungen führen (vgl. van de Walle & van Ryzin 2011). Besonders für die Indexierung der vier Werte ist dieser Aspekt von Bedeutung, da neben der Frageformulierung auch die Anzahl der Items pro Wert variiert. Im ESS sind es jeweils mindestens zwei Items pro Wert, während im WVS für die meisten Werte ein Item verwendet wird.

Die TRAPD-Methode umfasst die Schritte Übersetzung (Translation), Überprüfung (Review), Beurteilung (Adjudication), Vortests (Pretesting) und Dokumentation (Documentation) (ESS 2012b).

15.2 Reflexion

211

Nicht nur die unterschiedlichen Datensätze, sondern auch die verschiedenen analytischen Methoden bewirken abweichende Resultate (vgl. Presser & Blair 1994). Die Hauptunterschiede der Methoden sind die folgenden: • Die MEA ist die einzige Methode, die Makrovariablen berücksichtigt, wodurch sich Cross-Level-Interaktionen modellieren lassen. Aufgrund der Makrovariablen können sich Effekte auf der individuellen Ebene verändern. • Die SEM versucht, bezogen auf die Schweiz die Beziehung zwischen den Items und den latenten Konstrukten abzubilden. Dadurch entsteht ein besseres Verständnis über die Beziehungen zwischen den Werten, und auch Fremdladungen können so abgebildet werden. • In der SEM wurde der Migrationshintergrund als Gruppierungsvariable verwendet und nicht wie für die anderen Methoden als Erklärungsvariable, sodass dieses Modell leicht abweichend aufgebaut ist. Dadurch können Migranten der ersten und zweiten Generation sowie Nicht-Migrantinnen besser miteinander verglichen werden. Vor dem Hintergrund der oben aufgeführten Unterschiede zeigen sich folgende Resultate als robust, da sie für beide Individualdatensätze und gegebenenfalls verschiedene Analysemethoden repliziert werden konnten: • Der negative Einfluss von Korruption auf Vertrauen in die Polizei ist unabhängig vom Datensatz und der Analysemethode sehr robust. • Im europäischen Setting hat der Wert Macht ebenfalls eine sehr robuste Beziehung zu Vertrauen in die Polizei. Eine grössere Bedeutung führt zu niedrigerem Vertrauen in die Polizei. Global weist der Wert Macht den postulierten positiven Effekt auf Vertrauen in die Polizei auf. • Der Wert Universalismus hat – falls signifikant – einen positiven Effekt auf Vertrauen in die Polizei. Hier macht sich aber klar die Kontrollvariable generalisiertes Vertrauen bemerkbar, die eine noch robustere und höhere positive Erklärungskraft für Vertrauen in die Polizei bietet. • Der Wert Bewahrung hat – wenn signifikant – einen positiven Effekt auf Vertrauen in die Polizei.

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Synthese und Reflexion

• Obwohl die einzelnen Resultate variieren, zeigt sich, dass das Vertrauen in die Polizei von der ersten zur zweiten Migrationsgeneration abnimmt. Die erste Migrationsgeneration vertraut der Polizei grundsätzlich gleich stark oder stärker als Nicht-Migranten. Dagegen vertraut die zweite Migrationsgeneration der Polizei grundsätzlich gleich oder weniger stark als Nicht-Migrantinnen. Die restlichen Befunde können aufgrund der variierenden Ergebnisse nicht abschliessend beurteilt werden.

Grenzen und Ausblick

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Basierend auf der vorangegangenen Synthese und Reflexion (vgl. Kapitel 15), zeigt nun dieses Kapitel die Grenzen der vorliegenden Arbeit auf und gibt einen Ausblick auf weiterführende Fragestellungen. Diese Arbeit fokussiert sich auf die Untersuchung verschiedener Einflussfaktoren auf Vertrauen in die Polizei. Vertrauen in andere staatliche Institutionen und Akteure, wie die Regierung, die Justiz oder das Militär, wird nicht explizit untersucht. Es liegt aber die Vermutung nahe, dass sich die Resultate zumindest teilweise übertragen lassen. Genauere Untersuchungen in diese Richtung stellen somit eine naheliegende Fortführung der in dieser Arbeit aufgeworfenen Fragestellungen dar. Dadurch würden die in dieser Arbeit gewonnenen Resultate zudem auf Robustheit geprüft, und es entstünde ein umfassenderes Verständnis von Vertrauen in staatliche Institutionen. Allerdings müssten dafür zuerst weitere empirische Untersuchungen in diesem Bereich stattfinden. Aufgrund fehlender Daten war es in dieser Arbeit nämlich nicht möglich, die Polizei hinsichtlich Vertrauen mit anderen Institutionen zu vergleichen, die ebenfalls legal Gewalt anwenden dürfen, zum Beispiel das Militär. Das Vorhandensein entsprechender Daten stellt eine Grundvoraussetzung für die oben genannten, weiterführenden Untersuchungen dar. Eine weitere Fragestellung, die im Rahmen dieser Arbeit nicht betrachtet werden konnte, ist, ob sich Unterschiede in Vertrauen in die Polizei abhängig von der politischen Ausrichtung der amtierenden Regierung zeigen. Um diese Fragestellung zu untersuchen, wäre eine MEA mit drei Ebenen ein geeignetes Modell. Das bedingt allerdings methodisch, dass auf allen drei Ebenen genügend Fälle vorhanden sind, um die Ebenen berechnen zu können. Da die Anzahl der Länder im ESS schon an der unteren Grenze für eine MEA mit zwei Ebenen rangierte, konnte somit keine dritte Ebene integriert werden.

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Grenzen und Ausblick

Die Polizei ist in dieser Arbeit als homogene Institution behandelt worden, was angesichts komplexer und sich wandelnder Aufgaben sowie heterogener Organisationsstrukturen eine Vereinfachung darstellt (Lange 2018). Diese Vereinfachung darf aber für die Zwecke dieser Arbeit als zulässig gelten1 – die allgemeine Fragestellung vermittelt einen guten Eindruck der generellen Einstellung und des Vertrauens der Gesellschaft gegenüber der Polizei als Ganzes. Eine weitere Grenze dieser Arbeit ist, das Länder als homogene Einheiten bezüglich Einflussfaktoren und Vertrauen in die Polizei betrachtet werden. Eine feingliedrige Untersuchung der einzelnen Länder, beispielsweise hinsichtlich verschiedener Regionen oder sozialer Gruppierungen, war aufgrund fehlender Daten nicht möglich. Entsprechend ergeben sich Fragestellungen, die Vertrauen in die Polizei (und in weitere Institutionen) entlang unterschiedlicher, länderspezifischer Dimensionen untersuchen. Magun et al. (2016) zeigten beispielsweise, dass Werte (in dieser Arbeit ein wichtiger Einflussfaktor auf Vertrauen in die Polizei) innerhalb von Ländern unterschiedlich gewichtet werden. Eine Vorgehensweise, die diese Dimensionen individuell betrachtet, hätte komplexe Analysen mit Wertetypen als unabhängige Variablen zur Folge (vgl. Rudnev 2011). Schliesslich sollten Werte einen prominenteren Platz in der Erforschung von Institutionenvertrauen im Allgemeinen und Vertrauen in die Polizei im Speziellen einnehmen, umso mehr, da systematische und wissenschaftliche Wertetheorien vorhanden sind. Bis anhin existieren nur wenige Arbeiten, die sich in diesen Themenbereichen mit Werten auseinandersetzen. In dieser Arbeit wurde das Phänomen Korruption ausschliesslich über die wahrgenommene Korruption untersucht. Um aber Korruption umfassender zu verstehen, müsste auch die erlebte Korruption mitberücksichtigt werden. Zudem lag der Fokus ganz allgemein auf Korruption im öffentlichen Sektor, während Korruption, die spezifisch die Polizei betrifft, nicht Gegenstand der Untersuchung war. Für diese Arbeit war die Untersuchung erlebter Korruption nicht möglich, da der untersuchte Zeitraum sowie die verwendeten Datensätze diese Option nicht boten. Für zukünftige Forschung sollte erlebte Korruption mit der Polizei verstärkt untersucht werden. Für diese Arbeit wurde ausschliesslich öffentliche Korruption als Makrovariable verwendet. Dabei existieren weitere Makrovariablen, die einen Einfluss auf Vertrauen in die Polizei ausüben, etwa wirtschaftliche Faktoren, zum Beispiel die Ungleichheitssituation in einem Land oder der Demokratisierungsgrad. Der Grund, 1

In diversen Studien konnte festgestellt werden, dass eine hohe Korrelation zwischen allgemeiner Einstellung zur Polizei und der Einstellung zu spezifischen Aufgaben der Polizei besteht. Ein Beispiel hierfür ist die Arbeit von Cao und Hou (2001). Zudem sind differenzierte Aufgabenbereiche der Polizei in keinem der beiden Individualdatensätze abgebildet.

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Grenzen und Ausblick

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weswegen diese weiteren Makrovariablen nicht berücksichtigt wurden, ist auch hier die bereits erwähnte Restriktion im Hinblick auf eine genügend hohe Fallzahl pro Modellebene (vgl. Raudenbush & Bryk 2010). Eine weitere mögliche Kontrollvariable wäre die Berichterstattung der Medien zu polizeirelevanten Themen gewesen, da die mediale Berichterstattung die Wahrnehmung der Polizei durch die Bevölkerung beeinflussen kann. In dieser Arbeit konnte jedoch keine solche Kontrollvariable verwendet werden, da nicht für alle der untersuchten Länder verlässliche Daten zur Verfügung stehen. Neben individuellen Werten können auch weitere individuelle Merkmale einen Einfluss auf Vertrauen in die Polizei haben, zum Beispiel Motive oder Handlungsrestriktionen. Ebenso spielt erlebte prozedurale Fairness eine wichtige Rolle in der Vertrauensforschung (vgl. Jackson & Bradford 2010; Staubli 2017; Tyler 2011). Diese Variablen konnten in den Untersuchungen nicht berücksichtigt werden, da sie in den verwendeten Datensätzen nicht verfügbar sind. Zukünftige Studien sollten neben Personen mit Migrationshintergrund auch weitere Minderheiten und deren Erfahrungen mit der Polizei berücksichtigen. Im Rahmen dieser Arbeit zeigte sich anhand teilweise gegenläufiger Effekte, dass Vertrauen in die Polizei im Kontext von Minderheiten ein komplexes Thema ist und eingehender untersucht werden sollte (vgl. Taylor et al. 2015). Während in der Schweiz eine SEM durchgeführt wurde, sind die europäischen und globalen Daten ausschliesslich anhand einer MEA untersucht worden. Leider war es nicht möglich, eine MEA innerhalb der Schweiz durchzuführen, da kaum Daten zu Korruption auf Kantonsebene vorhanden sind und die vorhandenen keine MEA rechtfertigen. Zudem war es angesichts zu geringer Fallzahlen nicht möglich, eine Mehrebenen-Strukturgleichungsanalyse durchzuführen. Eine solche Anpassung würde die Gelegenheit bieten, sowohl individuelle Wertstrukturen als auch unterschiedliche Kontexte zu berücksichtigen. Schliesslich wurde in dieser Arbeit lediglich auf Querschnittsstudien zurückgegriffen. Für eine empirische Kausalitätsprüfung wäre es aber notwendig, sich verschiedener Experimente (vgl. Imai et al. 2011; Rutter 2007) und/oder Paneldaten (vgl. Heise 1970) zu bedienen. Die zeitliche Abfolge beziehungsweise das kontrollierte Setting würde dann Kausalitätsaussagen zulassen. Um dennoch die in dieser Arbeit vermutete kausale Wirkung von Werten und Korruption auf Vertrauen in die Polizei untersuchen zu können, wurde wie folgt vorgegangen: Einerseits wurden Daten des CPI verwendet, die vor den beiden Individualdatensätze erhoben wurden, andererseits wird die theoretische Annahme gemacht, dass individuelle Werte Einstellungen beeinflussen, weil sie zu den abstraktesten Kognitionstypen gehören (vgl. Schwartz 1992). Aufgrund dieses Umstands erlauben die Daten weder eine empirische Überprüfung dieses unterstellten Zusammenhangs noch eine genauere Beschreibung seiner Wirkungsrichtung.

Schlussfazit

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Die vorliegende Arbeit möchte zu einem besseren Verständnis der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Polizei beitragen. Die Forschungsfrage der Arbeit lautet dementsprechend: Wie lassen sich Vertrauensunterschiede in die Polizei zwischen Menschen im gleichen Land und zwischen verschiedenen Ländern erklären? Die Polizei ist eine wichtige gesellschaftliche Akteurin, und die Befunde zeigen grosse Unterschiede in der Beziehungen der Bevölkerung zur Polizei, sowohl innerhalb einzelner Länder wie auch zwischen untersuchten Ländern. Weil die Polizei eine repräsentative Aufgabe für das gesamte Staatssystem wahrnimmt, ist es entsprechend wichtig, dass die Bevölkerung der Polizei vertraut. Vertraut die Bevölkerung der Polizei, so dient dies der staatlichen Funktionsfähigkeit und trägt gleichzeitig zur Komplexitätsreduktion bei (vgl. Höhne 2006; Luhmann 2000 [1968]). Ist dagegen nur ein geringes oder gar kein Vertrauen in die Polizei vorhanden, so ist auch die Legitimation des gesamtstaatlichen Systems gefährdet. Einer der deutlichsten Befunde dieser Arbeit ist, dass öffentliche Korruption einen stark negativen Effekt auf Vertrauen in die Polizei ausübt. Korruption führt zu einer Erosion des Vertrauens und untergräbt das staatliche System, was gleichzeitig mit einem Verlust an staatlicher Legitimation einhergeht. Für Staaten ist es daher elementar, das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei zu erhalten und daher Korruption in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig sind auch Polizeikorps angesprochen, die Beziehung zwischen ihnen und den Bürgerinnen positiv zu gestalten und zu verbessern. Es ist daher für die Polizei wichtig, ihr Selbstverständnis zu reflektieren, um ihre Beziehung zur Bevölkerung zu verstehen. Versteht nämlich die Polizei ihre Arbeit als low policing, so stehen die Bürger im Mittelpunkt. Wird die Polizeiarbeit als high policing verstanden, so steht die Sicherheit des Staates im Fokus. Beide Ansätze führen zu einer jeweils unterschiedlichen polizeilichen Alltagspraxis (Brodeur 1983; Cao & Dai 2006; Wilz 2012), wobei unterschiedliche Werte angesprochen oder blockiert © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Pfister, Vertrauen in die Polizei, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35425-1_17

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Schlussfazit

werden. Das gezielte Ansprechen von Werten ist besonders in Ländern mit einer geringen Korruption vielversprechend, um die Beziehung zwischen der Polizei und der Bevölkerung positiv zu gestalten. Um das Verhältnis zur Bevölkerung zu verbessern, ist es wichtig, dass staatliche Institutionen die verschiedenen individuellen Werte gezielt bedienen. Stellt die Polizei die Bewahrung von Traditionen (Wert Bewahrung) in den Fokus, oder sollen alle gleichbehandelt (Wert Universalismus) werden? Solche Entscheidungen führen dazu, dass gewisse Werte stärker angesprochen oder aber blockiert werden. Ein konkretes Beispiel ist die aktuelle Diskussion über die Überwachung im öffentlichen Raum, die einen direkten Einfluss auf Personen hat, denen Selbstbestimmung wichtig ist. Ein solcher Eingriff könnte nämlich als Beschneidung eigener Handlungsoptionen gesehen werden. Die Ergebnisse in dieser Arbeit veranschaulichen zudem, dass ein Migrationshintergrund die Wahrnehmung der Polizei massgeblich beeinflusst. Migrantinnen der ersten Generation beurteilen die Polizei im Zielland. Diese Beurteilung basiert auf den Verhältnissen in ihrem Herkunftsland. Dadurch kann es zu einer verzerrten Wahrnehmung der Polizei im Zielland kommen, sodass Migrantinnen der ersten Generation ein deutlich höheres Vertrauen in die hiesige Polizei aufweisen. Dieser Effekt wandelt sich aber mit der Zeit, und schon die nachfolgende Migrationsgeneration weist im Vergleich mit Nicht-Migranten ein gleich grosses oder sogar geringeres Vertrauen in die Polizei auf. Zudem beeinflussen vermutlich konkrete Erfahrungen mit der Polizei die Wahrnehmung von Migrantinnen, wobei positive Begegnungen mit der Polizei das Vertrauen von Migranten in die Polizei stärker werden lässt als bei Nicht-Migranten. Dagegen beeinflussen negative Begegnungen zwischen Polizistinnen und Migrantinnen deren Vertrauen im Vergleich mit NichtMigrantinnen negativer. Weil die Polizei auch diesen Kontext aktiv gestalten kann, ist sowohl die entsprechende Sensibilisierung der Polizei wie auch eine verbesserte Informationslage der Migrantinnen wichtig. Die theoretischen und sachlogischen Überlegungen zeigen, dass der Einfluss eines Migrationshintergrunds komplex ist und die Beziehung zur Polizei vielschichtig sein kann. Die empirischen Resultate spiegeln diese komplexe Beziehung wider. Es zeigt sich, dass es wichtig ist, den Migrationshintergrund zu berücksichtigen, aber auch weitere Faktoren, wie die politische Situation im Herkunftsland oder im Zielland. Ebenso zeigt sich, dass die individuellen und gesellschaftlichen Hintergründe der Migration besser verstanden werden müssen.

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