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German Pages 127 [173] Year 1991
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 416
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INHALT
Vorbemerkung. Von Werner Beierwaltes ..........................
VII
Einleitung. Von Michael Elsässer ......................................
IX
Literaturverzeichnis ............................................................ XLIII FRIEDRICH SCHLEGEL Transcendentalphilosophie Uena 1800-1801] Einleitung ...............................................................................
3
Nähere Entwicklung des Systems .........................................
32
I. Theil. Theorie der Welt ...................................................
37 Übersicht der Theorie der Welt ... .. .... .. .. .. .... .. ... .. . 40 Vergleichung dieser Lehre mit dem Dogmatismus .. 42
II. Theil. Theorie des Menschen .......................................... [Prinzipien der Moral] ........................... ............... Genetische Darstellung des Ganzen ..................... Prinzipien der Religion ......................................... Einige Bemerkungen über die Prinzipien der Moral und der Religion .. .... .. .... ... ... ... ..... ... ... ... ... ... ... ... . Allgemeine Bemerkungen über das bisher Gesagte .. Kategorien der Religion, wie sie sich äußerlich darstellen und entwickeln .................................. Vergleichung verschiedener Moralsysteme bey den Alten mit unseren Prinzipien ............................ Systematische Darstellung des Ganzen, wobey vorzüglich auf die Prinzipien der Rechtslehre Rücksicht genommen .........................................
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Inhalt
III. Theil der Philosophie. Rückkehr der Philosophie in sich selbst, oder Philosophie der Philosophie ............. 91 Aufstellung der Elemente der Theorie ................. 100 Athenäums-Fragment Nr. 116 ............................................... 107 Erläuterungen zu wesentlichen Gedanken und Begriffen des Textes ............................................................................... 109 Namenregister ........................................................................ 127
VORBEMERKUNG
Michael Elsässer ist am 4. März 1990 im Alter von 48 Jahren ge-
storben. Er hatte sich 1979 an der Universität Freiburg im Fach Philosophie mit einer Arbeit über Friedrich Schlegel habilitiert, die bisher noch nicht publiziert wurde. In Vorlesungen und Vorträgen an verschiedenen Universitäten hat er sich immer wieder mit dem Denken Friedrich Schlegels auseinandergesetzt und es unter anderem auch mit der Tiefenpsychologie, insbesondere C. G.Jungs, in eine sachlich aufschlußreiche Verbindung gesetzt. - An dem vorliegenden Band hat Michael Elsässer bis kurz vor seinem Tode gearbeitet. Sein Manuskript habe ich durchgesehen und in einigen Punkten redigiert. Das Literaturverzeichnis hat J. Zovko zusammengestellt. Renate und Benno Krasehel haben bei der Vorbereitung des Drucks freundlicherweise vielfältig mitgeholfen. Ihnen sei herzlich gedankt. Ich bin sicher, daß Michael Elsässer, wäre ihm die Zeit gegeben gewesen, die Erläuterungen (S. 109ff.) noch erweitert hätte. In der jetzigen Form beziehen sie sich in vielen Aspekten auf diejenigen Partien des Textes der >TranscendentalphilosophieTranscendentalphilosophie< beziehen sich an der ersten Stelle auf die Seiten von KA XII, an der zweiten auf die genannte Körnersehe Einteilung und an der dritten auf die Zeilen innerhalb dieser Abschnitte. 1
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sung zentraler Gedanken von Schlegels philosophischem Ansatz dar. 2 1. Die Schlegel zugesprochene Bedeutung steht im Kontrast zum Be· kanntheitsgrad seines Philosophierens. Während seitens der Literaturwissenschaft das lirerarkritische Werk Schlegels längst zu Buche geschlagen ist, beginnt sich erst allmählich die Erkenntnis durchzusetzen, daß ihm auch ein größeres philosophisches Gewicht zukommt. In erster Linie betrifft seine Wirkung die philosophische Hermeneutik. Da Schlegel in seiner Frühzeit in enger Studienfreundschaft mit dem Theologen Schleiermacher lebte und, wie sich aus Schleiermachers Briefen ersehen läßt, in philosophischen Fragen der führende Kopf war, darf man davon ausgehen, daß der Grundriß der philosophischen Hermeneutik von Schlegel und nicht, wie bisher angenommen, von Schleiermacher stammt. Auch Grundgedanken Diltheys, die das Verhältnis von Individualität, irrationalem Lebensgrund und Geschichte betreffen, finden sich in auffallend ähnlicher Formation bei Schlegel; zudem stammt der Titel »Philosophie des Lebens« von diesem. Das umfängliche Werk Diltheys über das »Leben Schleiermachers« setzt Schlegels philosophische Bedeutung zu Unrecht herab und wird darin möglicherweise durch vordergründige konfessionelle Parteinahme bestimmt. Darüberhinaus ist das Philosophieren Heideggers nachweislich durch den Schlegelsehen Ansatz beeinflußt. 3 Sieht man von den Nachwirkungen Schlegels einmal ab, so artikuliert er auch zu seiner Zeit repräsentativ das romantische Selbstverständnis. Freilich, wenn man auch SeheHing zu den Romantikern zählte, so wäre zweifellos dieser der bedeutendste Theoretiker dieser Epoche. Sein Ansatz weist aber ungleich mehr Affinität zum streng logischen Philosophieren Fichtes und Hegels und weniger Berührungspunkte mit der für die romantische Theorie letztlich typischen, rational unscharfen Denkweise auf, so daß man ihn besser dem deutschen Idealismus zurechnet. Das Urteil P. Kluckhohns, demzufolge Franz von Baader »der Philosoph der Romantik« sei, ist KA Il, Charakteristiken und Kritiken I (1796-1801) hrsg. v. H.Eichner, 1967, 182f. 3 Vgl. hierzu die in Anm. 33 in Aussicht gestellte Arbeit. 2
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von Schlegel her zu relativieren. Zweifellos kommt Baader eine wegweisende wie vermittelnde Stellung für die Romantiker zu. So dürfte der Einfluß, den das theosophische Denken Jakob Böhmes ausgeübt hat, weitgehend durch ihn geleitet worden sein. Ferner ist er der Promotor nichtrational verfahrender Naturphilosophie. In dieser Hinsicht schätzt ihn beispielsweise auch der frühe Schlegel. Jedoch übertrifft dieser Baader hinsichtlich der universalen Programmatik für die romantische Bewegung. Gezielter und - was die Vielfalt der verarbeiteten Einflüsse betrifft - facettenreicher bestimmt Schlegels frühes Philosophieren die Romantik. Gegen den Versuch, Baader als den wichtigsten Philosophen dieser Epoche anzunehmen, spricht zudem dessen prononcierte Katholizität. Zwar trifft sich in diesem Punkt der späte konvertierte Schlegel mit ihm, aber gerade die Konversion wird bei ursprünglich begeisterten Parteigängern Schlegels als ein für dessen Intellektualität tödlicher Fehltritt angesehen. Hieraus läßt sich entnehmen, daß eine konfessionell gebundene Theorie nicht programmatisch für die gesamte romantische Bewegung sein konnte. Baader als spiritus rector Schleiermachers anzunehmen, wäre undenkbar. Schwer fällt allerdings das vernichtende Urteil Hegels über die philosophischen Fähigkeiten Schlegels ins Gewicht: >>In der Nachbarschaft nun der Wiedererweckung der philosophischen Idee eigneten sich ... August Wilhelm und Friedrich von Schlegel, nach Neuern in der Sucht nach Auszeichnung und Auffallendem begierig, von der philosophischen Idee soviel an, als ihre sonst eben nicht philosophischen, sondern wesentlich kritischen Naturen aufzunehmen fähig waren. Denn auf den Ruf spekulativen Denkens kann keiner von beiden Anspruch machen. Sie aber waren es, die sich mit ihrem kritischen Talent in die Nähe des Standpunktes der Idee stellten und sich nun mit großer Parrhesie und Kühnheit der Neuerung, wenn auch mit dürftigen philosophischen Ingredienzien, in geistvoller Polemik gegen die bisherigen Absichtsweisen wendeten und so in verschiedene Zweige der Kunst allerdings einen neuen Maßstab der Beurteilung und der Gesichtspunkte einführten, welche höher als die angefeindeten waren. Da nun aber ihre Kritik nicht von der gründlich philosophischen Erkenntnis ihres Maßstabs begleitet wurde, so behielt dieser Maßstab etwas Unbestimmtes und Schwankendes, so daß sie bald
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zuviel, bald zuwenig taten.«4 Noch schärfer urteilt Hege! in seiner Geschichte der Philosophie über Friedrich Schlegel: »Alles kann es ( = das Subjekt) sich vormachen; es ist aber nur Eitles, Heuchelei und Frechheit. Die Ironie weiß ihre Meisterschaft über alles dieses; es ist ihr Ernst mit nichts, es ist Spiel mit allen Formen.« 5 Gerade diese Beurteilung dokumentiert aber, daß sich in Schlegels Denken ein eigenständiger Zug bemerkbar macht, der sich dem Strom philosophischer Wirkungsgeschichte entgegenstellt und das in unserem Sinn typisch >>Romantische« umreißt. Eine solche Eigenständigkeit geht etwa der philosophischen Konzeption des Novalis ab; diese weist Elemente auf, die Hegelschem Denken verwandt sind. Schlegel hat im Laufe seines Lebens eine äußerlich bemerkenswerte Wandlung vollzogen: er konvertierte zum Katholizismus {1808). Aus dem ursprünglich konfessionell ungebundenen Heißsporn wurde ein ultraorthodoxer Apologet des katholischen Glaubens. Es ist verständlich, daß sich angesichts eines solchen Umbruchs die Auffassung von zwei völlig unvereinbaren Schlegelsehen Ansätzen, unterschieden nach "früh« und »Spät«, einbürgerte. In der Tat ist die nach außen dokumentierte Wendung so einschneidend, daß sich die Suche nach einer sachlichen Kontinuität vor große Probleme gestellt sieht. Der späte Schlegel existiert für die Literaturwissenschaft faktisch überhaupt nicht. Die Probleme der Divergenz sind jedoch grundsätzlich lösbar, und die hermeneutisch unwahrscheinliche Annahme, daß eine Überzeugung im Laufe einer geistigen Biographie spurlos versickern könnte, wird auch hier widerlegt. Die frühe Grundkonzeption hält sich unter dem Mantel dogmatisch orthodoxer Begrifflichkeit durch. Das heißt, daß Schlegel den dem Begriff nach feststehenden dogmatischen Formeln eine eigene, dem sachlichen Gehalt nach der Frühromantik entnommene Auslegung gibt. Dabei verläßt er ohne jedes Bedenken die Bahnen innertheologisch tradierter Interpretation. Er kritisiert diese ohne Scheu vor globalen Pauschalierungen, wenn sie - und das Hege!, Ästhetik, hrsg. v. F. Bassenge, Berlin 1955, I 71 f. Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie 111, Jubiläumsausgabe (H. Glockner) XIX 642. 4
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gilt in praxi für die gesamte theologische Dogmatik - ihrerseits einem ihm mißliebigen philosophischen Ansatz verpflichtet ist. Seine der Intention nach streng rechtgläubige Auslegung des Bestands katholischer Dogmatik ist daher - gemessen an der Tradition innovativ, freilich ohne Bewußtsein für den durch die Originalität erkauften Substanzverlust des Gedankens. Das interpretatorische Vorgehen Schlegels ist von paradigmatischem Wert für die hermeneutische Einsicht, daß sachliche Wirkungsgeschichte und faktische Begriffsgeschichte nicht deckungsgleich sind. Es ist für den Interpreten ein ersprießliches Unterfangen, die Aushöhlung und Umwendung tradierten Gedankenguts bei gleichbleibender Terminologie aufzuspüren. Für die gegenwärtige Theologie müßte es von Interesse sein zu entdecken, wie bestimmte »moderne« Grundüberzeugungen nicht nur Schlegelsehern - und damit romantischem - Geist sachlich entsprechen, sondern auch auf welchen mittlerweile vergessenen Wegen sie positiv belegbar ins Allgemeingut der Theologie gelangten. 2. Die »deutsche Romantik« ist eine Epoche der Geistesgeschichte, die etwa 1795 beginnend, vornehmlich bis zum Ende des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts andauert, aber im Werk vereinzelter bedeutender Vertreter (z.B. Eichendorff) noch die Mitte des Jahrhunderts überdauert. Die richtungsweisende Phase der »Frühromantik«, die in Friedrich Schlegel ihren Protagonisten hat, endet ungefähr 1804. Zäsuren dieser »älteren« Periode sind etwa der Tod von Wackemoder (1798) und Novalis (1801), sowie der Weggang Fr. Schlegels nach Paris (1802) und dessen damit einsetzende Hinwendung zum Katholizismus. Der Begriff »Romantik>romantisch« dasselbe wie »romanisch« und bezog sich auf die Tochtersprachen des Lateinischen wie Italienisch, Spanisch, Portugiesisch. 6 Von hier ausgehend erweiterte sich der Bedeutungsumfang auf die Literaturen eben dieser Sprachen. So kommt es, daß für die deutsche Romantik Dichter aus dem romanischen Sprachraum wie Dante, Boccaccio und Cervantes als paradigmatische Autoren fungieren. Verglichen mit der derzeit verbindlichen, >>klassischen« Form literarischen Schaffens erscheinen jene Dichtungen ungebunden und frei. Aus dem gleichen Grund tritt Shakespeare an die Seite der Romanen: »In Shakespeares Tragödien ist die Form dramatisch der Geist und Zweck romantisch«. »Shakespeare ist das klare Chaos des ewigen Menschen.« 7 Die Ungebundenheit der poetischen Verfahrensweise ist nicht nur ein äußerlich charakteristisches Merkmal romantischer Dichtung, sondern deren Inhalt. In dieser Überzeugung sieht die romantische Bewegung ihre eigene, künstlerisch innovative Funktion. Der Abkehr von der Regel und der Hinwendung zur individuellen »Willkür« entspricht die Abwertung allgemeingültiger Logizität und die Aufwertung der Phantasie. Die »unlogische« Sprunghaftigkeit des Phantasierens aber bringt für die Vernunft unvereinbar Gegensätzliches als gleichwertig hervor. So ist es die Eigentümlichkeit des Romantischen, Freude und Beglückung mit Grauen und Verzweiflung in »phantastischer« Steigerung zusammenzuspannen. Die permanente Irritation des Menschen, die Gewißheit, ungesichert zwischen Seligkeit und Entsetzen zu schweben, bestimmt das Bewußtsein von Grund auf. Unheimliches ist allgegenwärtig, im Glück als Angst vor dem Sturz in den Abgrund, im Leid als Sehnsucht nach dem Glück. Nervöse Angespanntheit, Unruhe, halten das individuelle Selbstbewußtsein besetzt. Es ist das Spezifikum Schlegelsehen Philosophierens, diesen GrundVgl. den Artikel »romantisch« in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Achter Band, bearbeitet v. M. Heyne, Leipzig 1893, Sp. 1155-1157.- E. Ruprecht, Geist und Denkart der romantischen Bewegung, Pfullingen 1986. 7 Schlegel, Philosophische Fragmente, KA XVIII 23, 55; 75, 560. 6
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zug von Romantik auf ein theoretisches Fundament zu stellen. Schlegels Denken macht einsichtig, daß eine Trennung zwischen Romantik als künstlerischer Bewegung und dem Versuch, diese auf einen philosophischen, abstrakten Begriff zu bringen, unmöglich ist. Weder ist Kunst die Nutzanwendung von Theorie, noch diese ein Exzerpt von Kunst. Vielmehr besteht eine ursprüngliche Einheit zwischen künstlerischer Tätigkeit und deren Reflexwerdung. Beide scheinbar verschiedenen Aktivitäten des Bewußtseins sind nach Schlegel nur verschiedene Aspekte derselben Bewegung. Insofern ist im Verhältnis von künsterlischem Hervorbringen und dessen Aufnahme im Rezipienten letztlich keine sachliche Priorität festzustellen. Für die philosophierende Beschreibung des Zusammenspiels von Kunst und deren Theorie bedeutet das, daß auch Philosophie selbst methodisch durch die unbewußte Spontaneität künstlerischen Schaffens mitgeprägt wird. Hieraus erklärt sich, daß das philosophische Werk des Romantikers als Gedanken-Dichtung zu betrachten ist, für die logische Unschärfe und unsystematische Willkür bestimmend werden. Schlegels Philosophieren erhebt den Anspruch, die vorreflexe Wirklichkeit von Kunst unmittelbar im Spiegel des Bewußtseins zu präsentieren und nicht vermittelt durch abstrahierende, vernünftige Reflexion. Solche Kunsttheorie besteht nicht in logisch-abstrakter Distanz neben Kunst, sondern ist deren immanenter Teil. »Ohne Philosophie hat auch der größte Poet oder Philologe Seiten, wo er so eigensinnig dumm und dunkel ist, wie der gemeinste Erdensohn.« 8 Schlegels Philosophieren vollzieht damit eine Gegenbewegung gegen die Hochschätzung von Vernunft innerhalb der Aufklärung und des sich aus dieser entfaltenden deutschen Idealismus. Seine Kritik wendet sich konsequent gegen die Auffassung, daß Rationalität, Logizität, Vernunft uneingeschränkt die höchste Weise bewußter Wirklichkeit bezeichnen. In der »Transcendentalphilosophie« wird der Terminus »Vernunft« noch akzeptiert•, wenngleich er schon dem ' Philosophische Fragmente [Kritik der Philosophie 1797] KA XVTII 40,229. 9 Daß Schlegel in der Beurteilung von »Vernunft« 1799 noch schwankt, zeigt z.B. der Satz aus den »Philosophischen Fragmenten«: »... Ist nicht die Vernunft die Mittlerin zwischen Menschheit und Universum; ihr untergeordnet der Witz und vielleicht die Fantasie?« (KA XVIII 241, 578).
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»Verstand« im Sinne von Verstehen untergeordnet ist. Bereits in der auf die »Transcendentalphilosophie« folgenden Periode der »Kölner Vorlesungen« zieht der Begriff alles in der Philosophie nur denkbare Verabscheuungswürdige auf sich. »Vernunft« behält nun endgültig das Stigma, ein bloßes Zerrbild philosophischen Bewußtseins zu sein. Sie, die der Inbegriff von Rationalität und Logizität ist, taugt nach Schlegel nur für die »Praxis« des alltäglichen Lebens. Innerhalb des Philosophierens kommt ihr kein produktiver Stellenwert zu, sie führt nur in die Irre. In der Konsequenz des philosophischen Vernunftgebrauchs liegt die Erzeugung des »Grundirrtums«, des »Übels aller Übel«, nämlich die Konzeption von >>SubstanZnoch unentschieden< darf man nicht schließen, daß der Wechsel je enden könnte; der »Kampf« wird ewig unentschieden bleiben, obgleich er vom Impetus, eine endgültige Entscheidung zu finden, vorangetrieben wird. »Gut« ist die unendliche Fülle des Bewußtlosen, bzw. die Rückkehr zu diesem; »böse« ist das Verharren bzw. Verharrenwollen der Vernunft in der individuellen Bewußtheit. Natur ist das Tor, durch das die »Agilität« des strukturlosen Universums in das Bewußtsein des Individuums eintritt. Sie hat eine vermittelnde Funktion inne und leistet die aktuale Umwandlung des Strukturlosen ins Strukturierte. 21 Mit ihrem Ursprung, dem Universum, bleibt sie aber durch die Bewußtlosigkeit des von ihr Strukturierten verbunden. Die konkreten Natur-Dinge als solche haben kein Bewußtsein, sind aber gleichwohl wirklich, »real«. »Realität« des Natürlichen vermöchte sich ja nicht aus einem sie konstituierenden Bewußtsein herzuleiten, da sie dadurch ihren eigentümlichen Wirklichkeitscharakter zugunsren uninteressanter Fiktionalität verlöre. Natur als Inbegriff eines vom Bewußtsein lediglich zu entdeckenden Arsenals realer Anlässe für die Konstitution von Bewußtseinsakten wird so zur unerläßlichen Bedingung wirklicher Reflexion. »Real« ist mithin nicht das Universum; dieses ist vielmehr- darin der >substantia infinita Spinozas< formal vergleichbar - Ursprung von strukturierter Realität wie von Bewußtsein. Im eigentlichen Sinne kann unmittelbar nur die Natur »real« genannt werden. Sie ist das realisierte bzw. real - werdende Universum. So findet die Spinozaische Aufwertung des Natürlichen bei Schlegel ihren Niederschlag in dessen Restitution des »Realismus«. Transcendentalphilosophie 79, 201,1 und 104, 262,11 f. Man vergleiche die Ähnlichkeit der Natur-Konzeption Kants im Zusammenhang des Schematismuskapitels in der Kritik der reinen Vernunft B 180f. 20
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»Realismus« als alleinige Erkenntnishaltung vermag jedoch die Starrheit des mechanischen Auflistens von Natur-Dingen nicht zu überwinden und taugt daher nicht zur Erfahrung der »lebendigen« Gottheit. Deren »Leben« erfordert eine angemessene Erkenntnishaltung, die Schlegel im »Idealismus«, d.h. der »Philosophie des Lebens und der Tätigkeit« 22 , verwirklicht sieht. Auf die natürliche Realität muß also die idealistische Einstellung treffen. Philosophieren kann nur in der Vereinigung von »Idealismus« und »Realismus« gelingen, muß also »Theorie« und »Empirie« zugleich sein. Vernünftige Reflexion, die ja nur ideal wäre, scheidet daher ebenso aus wie scholastischer »Dogmatismus«, der zwar die Realität als maßgebende Instanz akzeptierte, dem aber die Fähigkeit zur Vermittlung zwischen dem lebendigen Bewußtsein und den Natur-Dingen fehlte. »Dogmatismus« beansprucht, meta-empirisch naturhafte Realität sicher zu erfassen und täuscht sich darin selbst über seine diesbezügliche Ineffizienz hinweg. Er verfährt nämlich auf seine Art erkenntnistheoretisch ebenso blind wie der reine »Idealismus«, weil er die Gewißheit der Realität naiv in dieser selbst gegeben sieht; er berücksichtigt nicht den für Evidenz notwendigen Bezug zum erkennenden Subjekt. »Empirie« dagegen ist das erkenntnistheoretisch legitimierte Organ für die Erfassung realer Data. Zwar geht ihr die Präzision reiner Idealität ab, und die Stufe subjektiver Gewißheit, die sie zu erreichen vermag, ist allenfalls die diffuser Ahnung, aber sie vermittelt auf eine, der reinen Vernunft nicht durchschaubare Weise die Gewißheit der wirklichen Existenz naturhafter Realität. Schlegel sieht das allein akzeptable, theoretisch-empirische Erkenntnisorgan nicht in der vernünftigen, sondern in der »poetischen Reflexion«. Die Begründung für das Anziehen von Poesie drängt sich ihm durch die Erfahrung des »Mythologischen« auf. Mythologie basiert auf der Kombination natürlicher Elemente, deren Auswahl wie affektive Valenz durch Einbildungskraft und Phantasie dem Individuum geliefert wird. Die Unausweichlichkeit, die das individuelle Bewußtsein gegenüber der Faszination von Phantasiegestalten im Traum wie im Kunstwerk erfährt, ist empirischen Ur22
Rede über die Mythologie, KA II 316, Anm. 11.
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sprungs. Die suggestive Kraft des Poetischen nämlich entspringt der Erinnerung an empirisch Vermitteltes. Es sind natürlich-reale Gestalten, auf die als auf ihre Elemente die künstlerische Phantasie sich in direkter oder symbolischer Form bezieht. Ohne die Möglichkeit, real Gewisses »Zitieren« zu können, kann sich Kunst nicht artikulieren; ohne sinnliche Gewißheit wäre sie also überhaupt nicht. Nun ist aber Kunst ebensosehr ein Erzeugnis selbstreflexiven, lebendigen Bewußtseins wie das rein sinnlicher Gewißheit. Es entspricht ihrem Wesen, originär Empirie und Reflexion zu vereinen. In den Augen Schlegels muß auch Philosophie demnach GedankenDichtung sein. Kunst im allgemeinen und Dichtung im besonderen vollzieht sich daher immer schon - unabhängig von einem seitens der Philosophie angemeldeten Bedürfnis - als »poetische Reflexion«. Reflexion wird hier im ursprünglichen Sinn des Wortes als »Widerspiegelung« aufgefaßt. »Poetisch reflektieren« heißt daher, daß das Universum sich im Bewußtsein des künstlerischen Individuums widerspiegelt. Ihrem wirklichen Ursprung, dem Universum entsprechend ist derartige philosophische Dichtung weder durch reine Idealität noch durch reine Empirie bestimmt, muß also "frei von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben«. 23 Hierdurch erzeugt sich der für Schlegels Begriff »romantischer Poesie« typische oszillierende Habitus der »Ironie«. Satzhaft formulierten Aussagen eignet notwendig eine zur bleibenden Struktur vermittelte Identität. In der Weise von Subjekt, Kopula und Prädikat vermittelt sich jede Aussage zu einem fixierten, gedanklichen Resultat. Darin erstarrt der ursprüngliche, an sich ewig-werdende Impuls göttlicher U niversalität. Um die unumgängliche, begriffliche Fixierung wieder zu verflüssigen, muß ihr eine die Erstarrung sprengende Kraft eingepflanzt werden, welche dem seiner Form nach eindeutig festgelegten Terminus die Nötigung zum Umschlag in sein Gegenteil immanent macht. Das geschieht dadurch, daß der poetisch Reflektierende bewußt eine Dissoziation zwischen Form und Inhalt eines Begriffs herbeiführt. Dieser darf entgegen dem Anschein das nicht unmittelbar aussagen, was der Poet meint. Er muß es verber23
Fragment 116 aus dem »Athenäum«, KA II 182 (vgl. unten S. 107).
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gen und dadurch den Rezipienten zu einem zweiten Reflexionsgang zwingen, in dessen Verlauf ihm das Gemeinte, aber formal nicht Ausgesprochene, aufscheint. Das ist die Verfahrensweise romantischer »Ironie«, die methodisch nie in einem affirmativen Eingeständnis des eigentlich Gemeinten zur Ruhe kommt, sondern wesenhaft immer in der Schwebe bleibt. Ohne systematischen Abschluß ist sie eine unendliche Verfahrensweise poetischer Reflexion. Schlegel drückt das dadurch aus, daß er auf die Spiegelung der Spiegelung, die Reflexion des bereits Reflektierten verweist: »Schweben« heißt, die »Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen«. Das Resultat poetischen Reflektierens ist eine unendlich voranschreitende, eine »progressive Universalpoesie«. Widerspiegelung des Universums, wenn sie gelingen soll, muß so unendlich und systematisch unabgeschlossen sein wie dieses. Daher ist »die romantische Dichtart ... noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann«. 24 Das unendliche Werden bezieht sich aber nicht nur auf die linear zeitlich fortlaufende Reihe einzelner Reflexionen, die wie eine endlose Kette von je für sich endlichen Bewußtseinstatsachen dem Werden des Unendlichen gewissermaßen synchron läuft. Vielmehr impliziert der Gedanke unendlichen Werdens auch eine diachronische Durchdringung von deren Inhalten. Reflektiert wird nicht nur das je neu aus der Unbewußtheit des Universums hervorkommende Phantasma, sondern ebenso das bereits reflektierte. In der Überzeugung, daß dieses Reflektieren die Leistung des göttlichen Universums selbst ist, sieht Schlegel die innovative Kraft seines eigenen Ansatzes gegenüber dem der gesamten philosophischen Tradition. Die philosophisch in die Irre führende Betätigung der Vernunft kann nach seiner Meinung dadurch überwunden werden, daß das individuelle Subjekt sich in seinem Bewußtsein völlig passiv verhält und dem willkürlichen Spiel der Phantasie freien Lauf läßt. Dieses rational ungezügelte Vorgehen erzeugt eine »grenzenlos wachsende Klassizität« 25 • Darin wird die tradierte, klassische Normali24
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Ebd. (Vgl. unten S. 107). Ebd.
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tät zugunsten der Inthronisation der »Willkür des Dichters« überwunden. Die »romantische Dichtart« betrachtet »als ihr erstes Gesetz ... daß die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide«26. Solche »Willkür« ist aber nicht die individuell-subjektive Laune des Poeten, sondern das Vermögen des Universums, aus seiner unendlichen Fülle auswählen zu können. Wenn die Abfolge der individuellen Bewußtseinsakte nicht von vernünftiger Logizität bestimmt wird, sondern von der frei springenden Einbildungskraft, so erscheint sie der Vernunft sinnlos. Vernunft vermag der göttlichen Willkür keine normativen Fesseln anzulegen, sondern muß in Selbstbescheidung die Verfahrensweise des Universums als Selbstoffenbarung der Gottheit akzeptieren. Weil die unendliche Fülle der Gottheit in sich »Chaos« ist, vermag es nur zusammenhanglose, unstrukturierte Bewußtseinstatsachen anzuregen. Seitens des Individuums kann dem Göttlichen nur eine Bewußtseinsform entsprechen, die dessen Strukturlosigkeit so weit wie möglich nahekommt. Um die originäre Tätigkeit des Göttlichen im Bewußtsein des Künstlers zu kennzeichnen, verwendet Schlegel den Begriff »Enthusiasmus«, der seit Platons >>Ion« eben diesen Sachverhalt beschreibt. Die Gottheit selbst ist es, die im Künstler schafft; dessen subjektive Fähigkeiten dienen dem Universum nur als Werkzeug und zwar - auch darin konsequent platonisch - um so effizienter, je mehr die individuelle Bewußtheit des Künstlers ruht. Der Künstler wird zum priesterlichen Vermittler göttlichen Willens; seine Tätigkeit ist »Divination«, Übermittlung der Bedeutung gottgegebener Zeichen. Die zutreffende, weil der Struktur des Universums angemessene Ausdeutung von dessen Wirklichkeit ist »Verstehen«. Nur poetische Reflexion also vermag überhaupt Wirklichkeit verstehend zu erreichen, und insofern rangiert »Verstehen« oder »Verstand« über »Vernunft«, ja bildet geradezu deren Gegenteil. Die Einsicht gegenwärtiger philosophischer Hermeneutik in die Unabschließbarkeit von Verstehensakten hat hier ihren Ursprung. »Verstehen« also gelingt gerade dann, wenn es von vorneherein die Unendlichkeit seines Zieles und daher die eigene Unabschließbarkeit mitreflektiert. 26 Ebd.
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Der Ausgriff eines Bewußtseins auf universale Wirklichkeit, der ein erreichbares, endgültiges Resultat erwartete, wäre kein Verstehensakt, sondern würde dessen Zustandekommen verhindern. Trotz der Endlosigkeit des Verstehens ist dieses aber im einzelnen wie als ganzes ein zutreffendes »Charakterisieren« von Wirklichkeit. Das Charakteristische am Universum ist ja gerade seine Unendlichkeit, worin freilich die bloß ahnende, divinierende Unschärfe der einzelnen Resultate von Verstehensakten begründet liegt. Da nun bei aller Unschärfe im Detail dennoch die wahre Wirklichkeit des Universalen einsichtig und gegenüber der Fehldeutung herkömmlichen Philosophierens unterscheidbar wird, nennt Schlegel den Vorgang des Verstehens auch »Kritisieren« oder »Kritik«. Der Terminus wird wie bei Kant in der ursprünglichen Bedeutung des griechischen Wortes >krineinkrisis< genommen. Dementsprechend fehlt ihm der platte Sinn notorischer Nörgelei; vielmehr besagt er Trennen, Scheiden, Unterscheiden, Richten. Philosophieren vollzieht sich demnach als »poetische ReflexionFragments«, des »Essay«, des »Aphorismus«. Die Unabschließbarkeit fragmentarischer Kritik bedingt auch, daß in ihr keine systembildende Entwicklung aus einfachem Anfang zu methodisch hoher Komplexität stattfindet. Das »Ganze«, die Idee, ist bereits beim Einsetzen der Kritik präsent, da es ohnedies im ständigen Werden begriffen ist, also »nie vollendet>Weltgegenden des Bewußtseins« auf eine un-realistische, nur auf die Subjektivität des Individuums beschränkte Orientierung schließen wollte. Auf Grund 28 29 30
Transcendentalphilosophie 105, 264. Rede über die Mythologie, KA II 318. Philosophie des Lebens, KA X 86, 329.
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der geschilderten gegenseitigen Bedingtheit von Real und Ideal, Unbewußt und Bewußt, meint hier »Bewußtsein« immer schon das Ganze von Wirklichkeit, also seinen komplementären unbewußten Ursprung und seine individuelle Aktuierung. Die Relationen der beiden Gegensätze werden bildhaft als sich kreuzende Diagonalen eines Vierecks vorgestellt. Die erkenntnistheoretische Frucht des Bildes soll die Einsicht sein, daß die in der Form von Gegensatzpaaren zusammengespannte Wirklichkeit einen Koinzidenzpunkt besitzt, eben jenen, der im Bild dem Diagonalenschnittpunkt entspricht. Dieser ist das eigentlich Wesentliche des Individuums, dessen Selbst. Wem es gelingt, auf diesen Punkt Einfluß zu nehmen, ihn zu bewegen, der vermag real die »Welt« zu bewegen. Bewußtlose Realität und bewußte Idealität sind eine in sich differenzierte Einheit. Wie die physikalische, materielle »Welt« vier Weltgegenden aufweist, so auch das Bewußtsein. »Magnetismus« (= auch Hypnose) ist das Bindeglied zwischen der physikalischen und der psychischen Nierheit«. Die Kraft, die die Magnetnadel nach Norden weisen läßt, ist auf reale Weise die gleiche wie die, die auf ideale das Bewußtsein des Individuums aus den Gegensätzen seiner Elemente zur ausgleichenden Einheit bringt. Wenn nun »magnetisch« ( = hypnotisch) wirksame Worte das Bewußtsein auf seine Art zu verändern vermögen, so beeinflussen sie auch die physikalische Welt auf deren Art. Die unverändert sich durchhaltende Konsequenz der Auffassung von der magischen Kraft poetischer Reflexion vollendet sich in der Überzeugung des katholischen Schlegel, daß das Bittgebet zu einer magisch wirksamen Einflußnahme auf den göttlichen Willen fähig sei. 31 4. Hegel hat die Verfahrensweise des sich stringent in einzelnen Gedankenschritten entwickelnden, reinen Denkens »spekulativ« genannt. Man kann die Methode Schlegelsehen Philosophierens kaum treffender charakterisieren als durch die Feststellung, daß sie in diesem Sinne gerade nicht spekulativ ist. Der Sache nach ist diese Eigentümlichkeit in der entschiedenen Ablehnung jeglicher Systematik Philosophische Fragmente, KA XVIII 74, 552: Magie ist »Allmacht im Stande der Erniedrigung«. 31
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festgeschrieben; denn die konsequente Entfaltung von Denkakten ist nichts anderes als systematische Darstellung. Im Kontext des wirkungsgeschichtlichen Vergleichs mit der Philosophie Schellings und Hegels verdient das Philosophieren Schlegels keine nennenswerte Aufmerksamkeit. Namentlich Hegels Denken bildet in puncto spekulativer Effizienz einen konträren Gegensatz. Worin liegt aber demnach die Rechtfertigung, einen faktisch vergessenen, unsystematischen Ansatz ans Licht zu ziehen? Abgesehen von der erhellenden Funktion, welche der Einblick in die theoretische Grundstruktur der Romantik für die gegenwärtige philosophische Hermeneutik sowie Literatur- und Kunstwissenschaft hat, bietet die Beschäftigung mit Schlegel dem philosophischen Systematiker Gelegenheit, die Herkunft und die Standfestigkeit seines eigenen Selbstverständnisses zu überprüfen. Damit ist keineswegs einer bloß akademischen Übung das Wort geredet. Der sattelfeste Systematiker kann zur existentiell relevanten Erfahrung der »Nachtseiten« des Geistes gebracht werden. Auch ein logisch konsequent verfahrendes Bewußtsein stagniert unter Umständen, wenn es im Bewußtsein seines gesicherten Habitus sich nicht immer wieder der Irritation aussetzt, die von dem real Unlogischen, Unbewußten ausgeht. Nun könnte man hiergegen einwenden, daß die Kunst seit jeher diesen Akt der Irritation geleistet habe, und daß spätestens seit Hegels »Ästhetik« diesem Faktum auf philosophisch verläßliche Weise Rechnung getragen worden sei. Kunst als an sich vorreflexives Faktum wird dort auf den rationalen Begriff gebracht, ohne daß sie in ihrer vorreflexiven Eigenständigkeit angetastet oder gar zerstört würde und ohne daß sie ihrerseits die Effizienz reiner Rationalität in Frage stellte. Auch Hegels Philosophieren verfolgt nicht die Absicht, die Unbewußtheit der vorreflexiven Existenz des Kunstwerks an sich als unwirklichen Schein abzutun. Die rational verfahrende Abstraktion tritt aber in Distanz zur Unmittelbarkeit des Unbewußten am Kunstwerk. Das Unbewußte im Sinne des lediglich Noch-nichtGewußten wird in Gewußtes aufgehoben. Die aufhebende Bewußtmachung reduziert es darauf, nur Anstoß für die aktuale Reflexion gewesen zu sein. Schlegel dagegen versucht - darin Schelling verwandt -, die un-
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mittelbare Wirklichkeit des Unbewußten der Kunst in der Reflexion auf diese zu bewahren, ohne sie in distanzierende Abstraktion aufzuheben. Das Unbewußte soll nicht nur ein vorbewußter Anlaß für bewußte Reflexion, sondern deren immanent bleibender, gleichwertiger Bestandteil sein. Die Eigentümlichkeit von Schlegels Denken als Prüfstein für die Sicherheit rationalen Selbstverständnisses liegt also in dem Versuch, die Reflexion auf Kunst im speziellen Fall oder auf Unbewußtes im allgemeinen auf eine nichtrationale Weise zu führen. Wer die mühselige Begriffsklitterung dieses Denkens akzeptiert hat, wird wirksam mit einem Denkhabitus konfrontiert, der sich aus der Quelle freispringender Phantasie speist. Er wird durch die unendlich zerfließende Unmittelbarkeit genötigt zu überprüfen, ob in seiner eigenen begrifflichen Aufhebung des Unbewußten dessen originale Spontaneität, die ja nicht aus dem Bewußtsein stammen kann, wirklich adäquat bewahrt blieb. Wie immer das Resultat der Erkenntnis nach dem Auftauchen aus dem Schlegelsehen Chaos sich artikulieren wird, - die Erfahrung einer mit »unlogischer« Konsequenz durchgeführten Interpretation vorbewußter Wirklichkeit vermag das intellektuelle wie existentielle Selbstverständnis - und sei es e contrario - zu befördern. Versuchen wir den Gedanken von einem geringfügig modifizierten Aspekt her deutlicher werden zu lassen: Wir akzeptieren, ohne daß unsere philosophische Rationalität als solche tangiert werden müßte, die unausweichliche Wirkung romantischer Kunst. Die Affektion, die von der suggestiv präsentierten Unheimlichkeit, der rational nie zu durchschauenden Zusammenspannung von Beglückung und Grauen ausgeht, wird als Anlaß von Reflexion auf den Begriff gebracht und gefährdet insofern dessen Selbstsicherheit nicht. Schlegels philosophischer Zugriff setzt jedoch der Sache nach gezielt an der Stelle an, die von rationalem Philosophieren nicht thematisiert wird. Es ist ein nicht zu leugnendes Faktum, daß romantische Kunst in ihrer Spezifität den Rezipienten in ihren Bann schlägt. Nicht zu leugnen ist daher, daß der für sie wesentliche U rnschlag von genießender Freude in verzweifeltes Grauen auf irgendeine Weise ursprunghaft Realität sein muß, sonst könnte er ja nicht einmal in der Weise künstlerischer Illusion affizieren. Nun vermag reine Rationalität mit ihren eigenen Mitteln und in dem durch sie
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Michael Elsässer
bestimmten Rahmen die Realität von ursprunghaftem und daher der Erzeugung von Affektion fähigem Grauen nicht zu finden. Reine Rationalität kennt nicht das Scheitern. Folglich ist sie als alleiniges Vehikel philosophischen Erkennens ungeeignet, wenn dieser reale Aspekt ursprünglicher »Dunkelheit« in seiner Unmittelbarkeit erfaßt werden soll. An ihre Stelle müßte ein Erkenntnismedium treten, das in sich Rationalität und Irrationalität, Bewußtsein und U nbewußtes gleichwertig vereinigt. Dieses, die »poetische Reflexion«, ist freilich unter streng erkenntnistheoretischer Rücksicht problematisch. Die Problematik leuchtet ein, wenn man Kunst als Paradigma eines umfassenden Allgemeinen sieht. Dies ist das Nicht- oder Nochnicht-Reflektierte, das Noch-nicht-Bewußtgemachte und insofern das »Unbewußte«. Innerhalb rationaler Philosophie kann dem Terminus »unbewußt« nur die Bedeutung des schlechthin Noch-nichtBewußtgemachten, also der begrenzenden Schwelle des Bewußtseins zukommen. Die Wirklichkeit dessen, was jenseits dieser Schwelle liegt, entzieht sich dem Bewußtsein, weil bereits der Versuch, sie bewußt zu machen, ihre Eigentümlichkeit - nämlich unbewußt zu sein- aufhöbe. In dieser sachlichen Notwendigkeit logischer Argumentation sieht Schlegel den Verlust der dem Unbewußten eigenen Realität angelegt und besteht daher radikal auf der Verabschiedung rationaler Reflexion. Wie immer die an deren Stelle tretende »poetische Reflexion>systematisch«, in seinem Denken Philosophie und Tiefenpsychologie zu vereinigen. Der Romantiker strebt danach, innerhalb einer Disziplin, die er »Philosophie« nennt, das an Erkenntnissen zu vereinigen, was für uns an zwei mittlerweile getrennte Disziplinen,- die »geisteswissenschaftlich« operierende Philosophie und die »naturwissenschaftlich-empirisch« zugreifende Tiefenpsychologie, - delegiert wird. Von hierher erklärt sich die dem Logiker auffällige, ausdruckliehe >Systemlosigkeit seines Systems< und der Sinn seiner Maxime: »Alle Resultate der Philosophie sind enthalten in dem einen: daß Theorie und Empirie eins ist, daß sie nicht absolut getrennt werden können.« 32 32
Transcendentalphilosophie KA XII 98, 245,8 ff.
Einleitung
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Es würde im vorliegenden Zusammenhang zu weit führen, die erkenntnistheoretischen Probleme einer solchen These und die Fülle von Mißverständnissen, die dadurch heraufbeschworen werden könnten, auch nur anzudeuten. Die These liefert aber bereits als solche ohne Zweifel einen nützlichen Schlüssel für das Verständnis Schlegels. Wem C. G.Jungs tiefenpsychologische Konzeption von Bewußtsein, U nbewußtem und Individuation geläufig ist, dem wird an manchen Stellen des Schlegelsehen Werks die sachliche Nähe der beiden Ansätze unschwer einleuchten.Jl Wenn man die Kenntnis des »tiefenpsychologischen« Interesses des Romantikers als eine der Interpretation seines Denkens vorausleuchtende Idee gebraucht, so heißt das lediglich, daß dadurch die Motivation für Schlegels Philosophieren plausibler werden kann. Keineswegs ist darin ausgesagt, daß es ihm gelungen wäre, das U nvereinbare zu vereinen und die ursprunghafte Relation des Bewußten und des Unbewußten zu klären. Die zwischenzeitlich erfolgte Trennung zwischen »Theorie« und »Empirie«, Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft, ist im Rekurs auf Schlegel nicht rückgängig zu machen. Vorerst läßt sich auch nicht absehen, welchen Fortschritt Schlegels Versuch im interdisziplinären Dialog bringen wird. Die Annahme allerdings, daß im Ausgang von ihm ein sinnvoller Neuanfang des interdisziplinären Gesprächs sich eröffnen könnte, dies trägt zur Legitimation seiner Wiederentdeckung wesentlich bei.
[Hierzu die zur Publikation vorbereitete Arbeit Michael Elsässers über »Friedrich Schlegels Kritik am Ding«]. 33
LITERATURVERZEICHNIS
1. Texte
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TRANSCENDENTALPHILOSOPHIE. Uena 1800-1801]
EINLEITUNG
Wir Philosophiren - dies ist ein Faktum. Wir fangen also an; wir beginnen mit etwas. Es ist dies ein Streben nach einem Wissen von ganz eigner Art, ein Wissen, das sich auf den ganzen Menschen beziehen soll. Also nicht allein auf das Handeln des Menschen; denn das Handeln ist gleichsam nur ein Pol des Menschen - sondern auch auf das Wissen des Menschen. Es wird dies also ein Wissen des Wissens seyn müßen. Dies wäre gleichsam eine Definition von der Philosophie. Aber sie kann, wenn wir anfangen zu philosophiren, nicht als Leitfaden dienen. Denn wollte ich von dem Satz ausgehen: die Philosophie ist ein Wissen des Wissens, so würde ja da immer ein Wissen vorausgesetzt. Die Philosophie ist ein Experiment, und daher muß jeder, der philosophiren will, immer wieder von vorne anfangen. (Es ist nicht in der Philosophie wie in andern Wissenschaften, daß man das, was andere schon in der Wissenschaft geleistet haben, nimmt, und darauf fortbaut. Die Philosophie ist schon ein für sich bestehendes Ganze, und jeder, der philosophiren will, muß schlechthin vorne anfangen.) I Wir fangen also auch schlechthin an. Die Philosophie soll ein Wissen seyn, und zwar ein absolutesWissen; wir müssen also darnach streben, daß jeder Schritt, den wir thun, nothwendig sey, nichts Hypothetisches enthalte. Die Methode, nach der wir verfahren, wird daher seyn die Methode der Physik oder Mathematik. Nämlich unsere Untersuchungen werden seyn ein Experimentiren, wie in der Physik, oder ein Konstruiren, wie bey der Mathematik. Die Methode dieser Wissenschaften ist durchaus unabhängig, daher sie auch hier angewendet werden muß. Die Logik, als Organon zur Wahrheit, bietet uns den Satz des Wiederspruches, und des zureichenden Grundes dar. Wir gewinnen zwar damit nichts für das Materielle der Wahrheit; aber wir müssen uns doch derselben bedienen bey Aussprechen, Ausdruck dessen, was wir durch Philosophiren finden .. Aber die Quelle der Wahrheit liegt für uns weit höher, als in diesen Sätzen; indem die Skepsis auch diese Sätze in Anspruch nimmt. Auch für die Form können 1uns diese Sätze nicht Gnüge • leisten, wir müssen etwas höheres suchen.
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Transcendentalphilosophie. Jena 1800-1801
Fichte braucht diese Sätze zwar auch in seiner Philosophie, aber in einer solchen Bedeutung, daß sie diese Sätze gar nicht mehr sind. Noch bietet uns die Logik eine Definition von der Wahrheit an, nämlich, die Wahrheit ist: Obereinstimmung der Vorstellung mit dem Gegenstande. Dies sagt nicht mehr und soll auch nicht mehr sagen, als was ein Zeichen sagt von der Sache, die bezeichnet werden soll. PROBLEM I, den Charakter der Philosophie zt~ bestimmen. (Charakter ist etwas anders, als Definition. definitio giebt das genus an, und die dilferentiam specificam; aber das wollen und können wir in der Philosophie nicht; da die dilferentia specifica unendlich seyn würde.) Wenn wir uns aufgeben, den Charakter der Philosophie zu bestimmen, so heißt das nicht, ihn ganz genau bestimmen, dies würde dann definiren seyn; sondern soweit es für unsern Zweck möglich ist. 1
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Aphorismen zum Problem I. I. Aphorismus: Die Philosophie fängt mit Skepsis an. Dies ist ein durchaus negativer Zustand. - Wenn wir die Methode der Mathematik anwenden, und die Philosophie konstruiren wollen, so haben wir hier schon den einen Faktor, nämlich den negativen. Der andere Faktor, der positive, wird seyn Enthusiasmus. Die philosophische Skepsis hat das Eigenthümliche, daß sie sich auch auf den ganzen Menschen bezieht. Und der Enthusiasmus muß eine bestimmte Richtung aufs Wissen haben. 2. Aphorismus: D1e Tendenz der Philosophie geht aufs Absolute. Aber nicht auf ein relativ Absolutes, sondern aufs absolut Absolute. Auch das Absolute theilen wir nach der Methode der Mathematik in zwey Faktoren. Den negativen Faktor finden wir, wenn wir den Gegensatz nehmen von unbedingt, und das ist das Bedingte. Dies hängt gleichsam an einer unendlichen Kette zusammen, deren ursprüngliches oder erstes, so wie jedes Glied schlechthin etwas Einzelnes ist. Das Ursprüngliche heißt auch das I Primitive, und der Gegensatz davon ist Totalität. Ein Wissen von dem Ursprünglichen oder Primitiven giebt uns Prinzipien. Und ein Wissen der Totalität giebt Ideen. Ein Prinzip ist also ein Wissen des Ursprünglichen. Eine Idee ist ein Wissen des Ganzen. Wir sagen Prinzipien statt Grundsätze; denn es könnte ja seyn, daß die Prinzipien nicht Sätze, sondern Fakta wären; so z. B. ist das Prinzip der Fichtischen Philosophie Ich bin Ich nicht ein Satz, sondern ein Faktum. So würde in der Physik das Prinzip des Lebens ein Faktum seyn, wenn (wir nehmen dies nur an) alles Leben aus der Wechselwirkung
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des Wasserstoffs und des Sauerstoffs entstünde. So sagen wir Idee statt Begrift; weil das, was damit bezeichnet werden soll, in einem Begriff, nach der gewöhnlichen Bedeutung, nicht gefaßt werden kann, und gleichsam unbegreiflich ist, nämlich in Absicht des Ausdrucks. Z. B. Nichtich ist gleich I eh. 1 3· Aphorismus: DieMaterie der Philosophie sind Prinzipien und ldeetl. Die Materie der Philosophie ist demnach gefunden. Es entsteht nun die Frage; welches ist die Form der Philosophie? Die Philosophie soll auf den ganzen Menschen gehen, und ein Wissen desselben seyn. Wer nach einem Wissen handelt, der handelt nach einem Zweck, nach Regel pp. Dadurch unterscheidet er sich von dem, der nicht nach einem Wissen handelt. Daß er nach einem Zweck, nach einer Regel handelt, muß er auch ausdrücken; und der Ausdruck ist Konsequenz. Konsequenz setzt Harmonie voraus, und beyde zusammen ist: Einheit1 • Also
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4· Aphorismus: Die Form der Philosophie ist absolute Einheit. Es ist hier etwa nicht die Rede von der Einheit eines Systems; denn diese ist nicht absolut. Sobald etwas System ist, so ist es nicht absolut. Die absolute Einheit wäre etwa ein Chaos von Systemen. I
PROBLEM Il. Den gemeinschaftlichen Mittelpunkt aller Prinzipien 1 und Ideen zu suchen. Dieser gemeinschaftliche Mittelpunkt, den wir suchen, wird etwas seyn müssen, was Prinzip aller Ideen, und Idee aller Prinzipien wäre. Um nun dies zu finden, müssen wir abstralliren von allem, was nicht absolut ist. Dies thun wir aber nicht etwa bloß dadurch, daß wir das, was nicht absolut ist, wegdenken. Nein; wir müssen das konstituiren, was dem entgegengesetzt ist, von dem wir abstrahiren sollen. Wir müssen also das Unendliche schlechthin setzen. Wenn wir nun aber das Unendliche setzen, und dadurch alles aufheben, was ihm entgegengesetzt ist, so bleibt uns doch immer noch etwas, nämlich das Abstrahirende, oder das Setzende. Es bleibt also außer dem Unendlichen noch ein Bewußtseyn des Unendlichen. So ist das Bewußtseyn gleichsam ein Phäno"len bey dem Unendlichen. Und nun haben wir gleichsam die Elemente, die eine Philosophie geben können; es sind nämlich: Bewußtseyn und das Unendliche. I Es s sind dies gleichsam die beyden Pole, um die sich alle Philosophie dreht. Die Fichtische Philosophie geht auf das Bewußtseyn. Die Philosophie des Spinoza aber geht auf das Unendliche. Die Formel für die Fichtische > Konsequenz der
positive Faktor der Einheit. Harmonie der negative.
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Philosophie ist: I eh = I eh. Oder dafür wollen wir sagen Nichtich = I eh. Dies ist wohl besser gesagt, weil so der Satz auch dem Ausdruck nach der allersynthetischste Satz ist. Die Formel für die Philosophie des Spinoza wäre etwa: Wenn man sich unter dem Buchstab a das denkt, was darstellbar ist, und unter x, was nicht darstellbar ist, so: a = x. Hieraus ergeben sich durch Kombination noch zwey Formeln, nämlich Nichtich = x 1 ; und a =Ich.
Die letzte Formel, nämlich a = Ich, ist die Formel unserer Philosophie. Der Satz ist indirekt, und will den Irrthum des Endlichen aufheben, damit das Unendliche von selbst entstehe. Unsere Formel noch von einer positiven Ansicht, lautet ohngefähr e so: das I Minimum des Ich ist gleich dem Maximum der Natur; und das Minimum der Natur ist gleich dem Maximum des Ich. Das heißt, die kleinste Sphäre des Bewußtseyns ist gleich der größten der Natur, et contra. Das Bewußtseyn des Unendlichen im lndividuo ist das Gefühl des Erhabenen. Es liegt dies ganz roh im Individuo. Und dies Gefühl des Erhabenen ist der Enthusiasmus, den wir oben als Faktor der Philosophie gehabt haben. Das Gefühl des Erhabenen soll also zur Wissenschaft erhoben werden.
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Die Elemente der Philosophie sind Bewußtsryn, und das Unendliche. Es sind dies auch die Elemente aller Realität. Realität ist der IndifferenzPunkt zwischen beyden. Nur für das Bewußtseyn hat das Bewußtseyn Realität außer dem Bewußtseyn. Das Bewußtseyn ist nothwendig, weil ich durch ein mögliches Bewußtseyn zugleich ein wirkliches setze; und das ist nothwendig, was durch seine Möglichkeit wirklich ist. Von dem Unendlichen kann man gar nicht abstrahiren. Denn das Unendliche könnte nur das Unendliche vernichten. Das heißt also: Das Unendliche hat Realität für das Bewußtseyn. Das Unendliche kann man nur schlechthin setzen. Das einzige Objekt des Bewußtseyns ist das Unendliche, und das einzige Prädikat des Unendlichen ist Bewußtseyn. I Die beyden Elemente machen eine geschlossene Sphäre, in deren Mitte Realität liegt. Zwischen den beyden Extremen Bewußtseyn und dem Unendlichen m11P Synthesis gedacht werden. Durch Abstrakzion gelangen wir nur zu ihnen, und die Tendenz der A bstrakzion ist synthetisch. Hieraus ergiebt sich für unsere Philosophie 1
Nichtich
= x ist die Formel aller NichtPhilosophie.
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THEOREMA I. ES IST ALLES IN EINEM, UND EINS IST ALLES.
Dies ist das Prinzip aller Ideen, und die Idee aller Prinzipien. Zu diesem Theorem sind wir gekommen, indem wir "on allem abstrahirten, was dem Absoluten entgegengesetzt ist. Wir setzten daher das Unendliche schlechthin; zugleich aber hatten wir auch ein BewuPtseyn des Unendlichen; und dies ists, aus dem aUe Philosophie hervorgeht. Dies Phänomen müssen wir noch etwas näher betrachten. Wenn wirbeydem Menschen vom Wissen und Wollen abstrahiren, und dies müssen wir, weil wir erst ein Wissen dafür suchen, so finden wir I noch etwas, das ist - Gefühle und Bestreben. Wir wollen sehen, u ob wir hier vielleicht etwas Analoges mit dem Bewußtseyn des Unendlichen finden. Zuerst sehen wir auf Gefühle. Denken wir uns alle einzelnen man[ni]chfaltigen Gefühle, die die Veränderungen im menschlichen Leben hervorbringen, hinweg, so bleibt uns ein Gefühl. Dies ist das Gefühl des Erhabenen, und in diesem finden wir Analogie mit dem Bewußtseyn des Unendlichen. Man hat dieses Gefühl erklären wollen'; aber das geht nicht. Es ist das Letzte, Ursprüngliche, was nicht erklärt werden kann. Es ist das was den Menschen von dem Thier unterscheidet. Es liegt nicht in dem Gegenstand. Der Gegenstand mag seyn, welcher er will. Das Gefühl ist einzig; es ist das Ursprüngliche des Menschen. Es hängt nicht von der Kultur ab. Auch bey den wildsten, rohsten Menschen wird es in der höchsten Energie angetroffen. Es entsteht, wenn alle einzelnen, gleichsam kleinen Gefühle mit einem mal aufgehalten werden. I So ist es auch 12 bey den Bestrebungen. Unter den vielen einzelnen Bestrebungen, die das Leben des Menschen mannichfaltig und abwechselnd machen, giebt es eine, die unter den andem allen hervorgeht, dies ist das Streben nach dem Ideal. Dies geht aber nicht aus der Natur, sondern bloß aus der Kultur hervor. Wir wollten das Höchste aufsuchen, was, wenn wir vom Wissen und Wollen abstrahiren, gefunden wird, das Analogie mit dem Bewußtseyn des Unendlichen hat. Wir fanden das Gefühl des Erhabenen und das Streben nach dem Ideal. Wir müssen nun noch höher hinaufsteigen, und sehen, was sich aus diesen beyden für ein gemeinschaftliches Letztes ergiebt, das das Vermittelte zwischen beyden ist. Dies ist ein Sehnen, die Sehnsucht nach dem Unendlichen. Etwas Höheres giebt es im Menschen nicht. • Das Gefühl des Erhabenen bedarf keiner Erklärung. Aber alle andem Gefühle müssen erklärt werden.
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Das Gefühl des Erhabenen ist plötzlich. Es entsteht mit einem mal, und verschwindet I auch wieder so. Nicht so die Sehnsucht nach dem Unendlichen. Sie ist ruhig und ewig. Von dem Ideal unterscheidet sich die Sehnsucht durch das Unbestimmte, das in ihr liegt. Sie ist schlechthin nicht an ein Ideal gebunden, sie bleibt bey keinem Ideal stehen. Das Streben nach dem Ideal ist ganz individuell. Eine Idee, d. h. ein Ganzes bezogen auf das Individuum, giebt ein Ideal. Hat einer Streben nach dem Ideal, und ist dies Streben verbunden mit Sehnsucht nach dem Unendlichen, so wird dieser Sinn haben, d. h. Liebe für alles Ideale. Ist aber bey einem die Sehnsucht nach dem Unendlichen verbunden mit dem Gefühl des Erhabenen, so wird dieser immer dies Gefühl haben wollen, und diesen Zustand sollte man Bildung nennen. (Was man gewöhnlich unter Bildung versteht, ist Kultur oder Politur. Bildung sollte man eigentlich nur von dem obigen Zustand sagen.) 1 Einige Schriften des Plato, vorzüglich der Phaedon ist dazu geeignet, die Sehnsucht nach dem Unendlichen hervorzubringen. So auch noch einige Neuern, z. B. die Schrift Reden iiber die Religion!, deren Verfasser• sich nicht nannte. Die Sehnsucht nach dem Unendlichen muß immer Sehnsucht seyn. Unter der Form der Anschauung kann es nicht vorkommen. Das Ideal läßt sich nie anschauen. Das Ideal wird durch Spekulazion erzeugt. Wir kommen wieder zum Theorem selbst. Es ist: Es ist alles in einem, und eins ist alles. Es ist dies ein Theorem, weil es der Kern aller Theorie ist. Es ist dies der Ausdruck aller Resultate, die wir durch Experimentiren, indem wir das 2te Problem auflösten, gefunden haben. Folgerungen aus diesem Theorem. I
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Aus diesem Theorem folgen vier Axiomata.
I. Axiom: Prinzipien sind der Obergang vom Irrthum zur Wahrheitl.
Alle Realität ist das Produkt entgegengesetzter Elemente. (Man darf nun getrost behaupten, die Naturwissenschaft, sie mag auch so hoch steigen, als sie will, wird keinen höhren Punkt finden, an den sie anknüpft, als den Dualismus. Es ist dies die reinste, höchste Täuschung, und daher das Prinzip der Poesie.) 1 Schleiennacher. ' Auch eine Schrift von Baader. 1 Die Prinzipien gehen aus von den Phänomenen, vom Endlichen, Be-
stimmten.
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Dualität ist der Charakter aller Prinzipien, was die Materie betrift: da nun die beyden UrElernente wieder aus zwey Elementen bestehen, so wird die Form der Prinzipien seyn Quadruplicität. Il. Axiom: Realität ist nur in den Ideen. Identität ist der Charakter der Ideen. Sie sind daher nur Ausdruck, Symbol. Ihre Form wird seyn Triplicität. 1 (Episodisch kann man bemerken: die Methode muß mit Redukzion anfangen. Daher kann ein System nicht mit dem Geiste anfangen, sondern nur mit dem Buchstaben.) Ill. Axiom: Alles Wissen ist symbolisch. Dies Axiom folgt unmittelbar aus dem zten. Die Ideen können nur symbolisch ausgesprochen werden. II Il. Axiom: Alle Wahrheit ist relativ. Weil nämlich alle Wahrheit, nach dem bekannten Spruch, nur in der Mitte liegt. Und dies weil alle Realität in der Mitte liegt. -Die Wahrheit ist ein Produkt aus dem Konflikt der Täuschung. Sie entsteht aus dem Streit homogener I rrthümer.
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Einwürfe. Aber, könnte man wohl einwenden, ist denn das Unendliche nicht selbst eine Erdichtung.' Ist es nicht ein I"thum, oder Täuschung, oder ll·fißverstand? Hierauf antworten wir so: 1Ja, es ist Erdichtung. Aber eine schlechthin nothwcndige Erdichtung. Unser Ich hat die Tendenz, sich dem Unendlichen -zu nähern, und dadurch, daß das Ich gleichsam hinströmt, sich dem Unendlichen zu nähern, können wir nur das Unendliche denken. Aber der I"thum fällt von selbst weg, da wir von uns selbst als Mittelpunkt 1 ausgehen, und auch darauf wieder zurückkommen. Wie kann man da irren? Eine Täuschung kann es auch nicht seyn; denn das Unendliche ist nur eins, man kann es also nicht verwechseln. Für das Misverständniß ist ein großer Spielraum gelassen. Aber Misverständniß setzt doch Wahrheit voraus. Es ist auch nicht der letzte Grund des Wissens ein Glauben. Glauben kann nur da stattfinden, wo wir nicht wissen können, wo die Realität dessen was wir denken nicht ins Bewußtseyn kommen kann. 1 Aus den aufgestellten Axiomen gehen folgende Sätze hervor: Die Philosophie ist unendlich, sowohl intensiv als extensiv. Die Eintheilung der Philosophie ist willkürlich. Der Mittelpunkt unseres Seyns. nicht der Individualität, sondern in der weitesten Sphäre der Vernunft. I
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tB
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Transcendentalphilosophie. Jena 1800-1801 So zerfällt z. B. die Philosophie des Fichte in vier Theile: I.) Die Wissenschaftslehre im Gegensatz 2.) der M fJTalPhilosophie; J.) ReligionsPhilosophie und 4·) N a&urrecht, als Postulate der praktischen Vernunft.
ein
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Das allgemeine Schema der Fichtischen Philosophie wäre demnach
o.
Spinoza hat in seiner Philosophie nur die Einheit. Er fängt mit dem Unendlichen (Gott) an, und endigt auch wieder damit. Das allgemeine Schema seiner Philosophie würde seyn der 0. In der alten griechischen Philosophie findet sich zwar auch Einheit; aber ihre Philosophie ist nie geschlossen, sondern es ist immer wieder auf das Unendliche hingewiesen. 1 Alle diese Eintheilungen werden sich in unserm Schema finden. Aus den Sätzen: die Philosophie ist unendlich; und ihre Eintheilung ist willkührlich, geht hervor, daß das vollendetste System nur Approximazion seyn kann, nicht des Ideals der Philosophie überhaupt, sondern eines jeden eigenen Ideals. (Dies erinnert uns an Geist und Buchstaben eines Systems.) Jedes System fängt mit Redukzion und Analyse an. Redukzion ist die Auflösung einer Komplexion von Phänomenen in einzelne Phänomene. Ist die Philosophie unendlich, so ist auch das Wissen unendlich; und demnach giebt es nur ein Wissen, das philosophische1• Alles Wissen ist philosophisch. Es ist ein untheilbares Ganzes. Aus den Axiomen folgt auch noch, daß auch die Skepsis ewig sey, wie die Philosophie. Aber nicht die Skepsis als System, sondern I in wie fern sie zur Philosophie gehört. Die Idee der Philosophie ist nur durch eine unendliche Progression von Systemen zu erreichen. Ihre Form ist ein Kreislauf. Will wer wissen, wie aus zwey entgegengesetzten Elementen ein Kreis beschrieben werden könnte, der mag sich ohngefähr die Sache so denken: Das Centrum des Kreises ist der positive Faktor, der Radius der negative und der PeripheriePunkt der IndifferenzPunkt. Nun hat der positive Faktor in dem IndifferenzPunkt das Streben, sich mit dem positiven Faktor im Centro zu vereinigen; kraftdes negativen Faktors aber kann er sich dem Centro nicht nähern, sondern wird bloß um das Centrum herumgetrieben. Der Enthusiasmus ist nun das Centrum. Die Skepsis cler Radius. t
Die Philosophie betrachtet die Seele, den Mittelpunkt alles Wissens.
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Der Enthusiasmus muß absolut seyn, d. h. er darf nicht vermindert werden können oder wohl gar verschwinden. 1 Der Radius kann ins Unendliche wachsen. Also auch der Grad des Bewußtseyns, die Skepsis; je mehr sie wächst, desto größer wird die Peripherie, oder Philosophie. Von der Philosophie könnte man sagen, was ein ltaliänischer Dichter von Gott sagte: Die Philosophie ist ein Zirkel, dessen Centrum überall und dessen Peripherie nirgends ist. Was von der Philosophie im Ganzen gilt, gilt auchbeyjedem Theile derselben. Die Philosophie hat es mit dem Bewußtseyn des Unendlichen zu thun; betrachtet sie dies bewußtlos, so steigt sie in die tiefste Tiefe hinab; betrachtet sie es aber mit Bewußtseyn, so steigt sie auf die höchste Höhe, die der menschliche Geist nur erreichen kann. 1 Die Tendenz der Philosophie geht aufs Absolute. Hieraus ergeben sich folgende zwey Artikel für die Philosophie.
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r.) Es soll die Sehnsucht nach dem U11endlichen in allen Menschen entwickelt werden. 2.) Der Schein des Endlichen soll vernichtet werden; und um das zu thun, muß alles Wisse-n in einen revoluzionären Zustand gesetzt werden. Das Bewußtseyn ist eine Geschichte. Die Rückkehr des Bestimmten ins Unbestimmte enthält oder macht aus die verschiedenen Epochen.
[EPOCHEN DES IRRTHUMS.] Epoche I. Das Bewußtseyn auf der einfachsten oder niedrigsten Dignität. Die Empfindung. Will man die Empfindung als Phänomen in seine Faktoren (Elemente) theilen •• 1so ist der positive Faktor (oder Element) die Begierde, das negative Element der Zorn, der IndifferenzPunkt die Furcht. Von dem Mittelpunkt aus gehen unendliche Progressionen. Das Minimum ist der Neid, das Maximum Erstaunen. Das Erstaunen ist die Wurzel des Gefühls des Erhabenen. Es kann etwas sehr Rohes, Stupides seyn. Und vorn Neide geht wohl alles Streben nach dem Ideal aus. • Vgl. S.
zo und N.p.S., 134
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Diese Leidenschaften, Affekte, oder Empfindu-ngen, die wir in der ersten Epoche finden, geben allerdings Irrthurn. (Sie gehen bloß aufs Individuum.) Diese Epoche ist demnach auch eine Epoche des lmhums. Der Irrthurn ist - und dies ist der Charakter der Epoche - daß man die Individua ganz verkennt. Die Kategorien Kausalität, Qualität, Quantität erscheinen reell. 1 Epoche II. Die Anschauung.
Auch dies ist eine Epoche des Imhums. Das spezifische Merkmahl des Irrtbums dieser Epoche ist, daß man verschiedene Sphären vtmiJechseU.
Epoche Ill. Die Vorstellung.
Auch hier findet nur Irrthurn statt. Man denkt bloß formell ohne Realität. Diese Epoche ist aber der Sitz vorn Scheine des Verstandes. Der Irrthurn ist schon ganz theoretisch. Diese Epoche, die letzte des l"thums, koinzidirt nun mit der 1•tn [der1 Epoche[n1 der Wahrheit, die nun folgen.
EPOCHEN DER WAHRHEIT. Epoche I. Die Einsicht.
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Diese Epoche ist der Übergang zur 1 Wahrheit. Sie könnte daher auch die Epoche der Prinzipien heißen. Durch Arnalgarnazion der Epoche der Vorstellung und der Epoche der Einsicht entsteht der Dogmatismus. Er sucht die Realität in dem bloß formellen Denken. Er sucht nur Prinzipien. In der Epoche der Einsickt ist noch ein hoher Grad von Irrthurn, aber sie ist doch schon der Übergang zur Wahrheit. Da diese Epoche auf Prinzipien geht, so strebt sie also nach einem Wissen. Der Charakter dieser Epoche ist Bestimmtheit.
Einleitung
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Epoche li. Die V emunjt. Diese als die 2te Epoche der Wahrheit geht auf die Erkenntniß des Unendlichen. Es ist dies also die Epoche der Ideen. Was auf dieser Epoche gefunden wird, ist positive Wahrheit. Es ist so dies auch I die Epoche der Erkenntniß. Hier ist Idealismus möglich. Der Charakter dieser Epoche ist Klarheit. In dieser Epoche ist noch Irrthum möglich, aber der Irrthum ist bloß Misverständniß, indem man nämlich alles Daseyn beharrlich nennt, und das Thätige verwirft; oder indem man nur Thätigkeit annimmt, und alles Substanzielle verwirft. Mit dieser Epoche scheint die Geschichte des Bewußtseyns geschlossen zu seyn; indem das Bewußtseyn seine höchste Stufe erreicht, so ist es auch, und in so fern ist dies die letzte Epoche. Aber das Ganze ist damit noch nicht geschlossen. Das Bewußtseyn muß wieder in sich selbst zurückkehren, und so erst seine Sphäre beschließen. Es findet daher noch eine Epoche statt. Dies ist die Epoche III. Des V erstandes•.
Diese Epoche ist eine Rückkehr aller Epochen. Hier begreifen wir erst die ganze Welt, das Ganze, was in der Epoche der Vernunft noch nicht der Fall 1 ist. Hier deuten wir erst alles. Der Charakter dieser st Epoche ist daher auch Deutlichkeit. Ein wesentliches Merkmahl dieser Epoche ist, daß sie die Epoche der Symbole ist. Kritik des Idealismus.
Daß es eine Geschichte des menschlichen Verstandes giebt, folgt aus der Dedukzion des Bewußtseyns. Nämlich das Bewußtseyn ist eine Rückkehr des Bestimmten ins Unbestimmte. Die erste Epoche - die Empfindung - ist die Epoche, die an die Thierheit anschließt. Die Epoche der V emunft ist die höchste Epoche. Aber der Kreis ist damit noch nicht geschlossen. Erst mit der Epoche des Verstandes wird der Kreis geschlossen; es ist dies also die höchste Epoche. Der Verstand ist die h!Jchste Vollendung des geistigen und denkenden Verm!Jgens, das was die Alten durch vou~ ausdrückten. Der Verstand ist ein universelles Bewußtseyn, oder ein bewußtes Universum pp. 1
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Transcendentalphilosophie. Jena 1800-1801
Jede Epoche bezeichnet eine gewisse Dignität, auf der das Bewußtseyn, bey der Rückkehr ins Unbestimmte, steht. Die Empfindung ist bloß individuell. Die Anschauung wird schon theoretisch; es wird schon abstrahirt. Noch mehr ist (dies] der Fallbey !11! der Vorstellung. Überhaupt ist zu merken: der lrrthum wird 1 in seinen Epochen immer theoretischer; so wie die Wahrheit immer praktischer. Die Epoche der Einsicht geht aus vom Phänomen, und strebt nach einem Wissen. Da sie nun vom Phänomen ausgeht, so nimmt sie die Kategorien Kausalität, Qualität, Quantität als reell an; eben weil sie vom Endlichen ausgeht. Aber am Ende sieht sie ein, daß sie von etwas Falschem ausgegangen, und so wird der Irrthum vernichtet. Das Streben nach einem Wissen ist ein allgemeiner Dualismus. Der Dualismus geht auf ein Wissen, hingegen der Realismus' will Wahrhtnt haben. Der Dualismus hat es bloß mit der Empirie zu thun; hingegen der Realismus bloß mit der Theorie. Sein Charakter ist Identität; so wie der Charakter des Dualismus Duplicität ist. Im Dualismus sind bloß zwey Thätigkeiten, und keine Substanz. Bey dem Realismus findet sich bloß eine einzige, uniheilbare Substanz. Nun sind der Dualismus und Realismus die beyden Elemente des Idealismus. Der Dualismus ist das •• negative, der Realismus das positive Element. 1Dem I dealismus 2 ist eigentIich entgegengesetzt der Dogmatismus. Er entsteht, wenn die Epoche der Einsicht nicht im Geiste der Wahrheit anfängt. Das was grade das Negative ist, wird für das einzig Reelle genommen, und auf das wahre Reelle wird nicht Rücksicht genommen. Der Dogmatismus geht nun auf das Suchen der Prinzipien. Für ihn treten also die Kategorien als reell ein. Auch er kann zu einer hohen Stufe gebracht werden. Der Dogmatismus, da ihm Prinzipien das Höchste sind, kann zwar diese Prinzipien vereinigen, und sie unter ein Prinzip als das höchste und letzte bringen, aber er kann auch eben so konsequent mehrere Prinzipien als die ersten annehmen; und so, sehen wir, gränzt der Dogmatismus Es ist hier nicht die Rede von einem empirischen Realismus. Dieser Realismus ist ganz transzendent. Er hat es mit dem einen, uniheilbaren Ganzen, dem Unendlichen zu thun. Der Realismus isolirt erscheinend kann nur absolute Skepsis seyn. Er hat gar keinen Gehalt, Inhalt, weil er ein absolut Positives ist, seine Form könnte bloß absolut indirekt oder negativ seyn. 1 Der Idealismus wird immer in Streit liegen mit dem Dogmatismus, weil der Dogmatismus oft mit dem Idealismus zusammenstößt. Unter den Dogmatikern können als Repräsentanten des Systems angesehen werden ]acobi undKanl. 1
Einleitung
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an den Mystizismus. Der Mystizismus glaubt nämlich, daß mehrere Prinzipien als ursprüngliche ihm geoffenbahret seyn. Man sieht aber leicht ein, daß durch die Voraussetzung mehrerer Prinzipien alle Methode getödtet wird. Die Elemente des Dogmatismus sind Empirismus und Egoismus. I Der Dualismus bezieht sich auf die Empirie. Der Realismus geht auf Theorie. Sie verhalten sich wie Geist und Buchstabe1 . Verbindet man nun den Dualismus und die Theorie, so wird eine Wissenschaft entstehen, die nicht von Phänomenen ausgeht, sondern von den Elementen. Dies ist die Mathematik. Sie ist gleichsam ein Dualismus a priori. Die Mathematik soll ausgehen von Elementen, und daraus muß alles übrige produzirt werden. Die Elemente für die Geometrie würden seyn der Punkt (.)und die grade Linie(-). Die Elemente für die Arithmetik wären I und o. Verbindet man aber den Realismus und Empirie, so muß die Wissenschaft, die daraus entsteht, die seyn, die am weitesten von der Mathematik entfernt ist; es wird dies seyn die Historie. Sie ist ein empirischer Realismus. Da aber Realismus hier transcendent ist, so wird diese Historie es nur zu thun haben mit absolut Empirischem. Sie bezieht sich nur auf bv-rw~ bv-rot. I
Der Dualismus geht auf die Elemente. Der Realismus auf die Substanz. Der Charakter des Dualismus ist Duplicität. Der Charakter des Realismus I dentität•. Verbindet man nun wieder die Elemente und die Identität, so daß also die beyden Thätigkeiten identisch müssen gemacht werden, in eins enthalten seyn müssen; so entsteht das, was man Sphäre nennt. Verbindet man aber die Substanz und Duplicität, so entsteht das Individuum. Der Realismus geht auf die Substanz, oder Beharrlichkeit. Der Dualismus auf die Elemente, oder Veränderlichkeit•. Verbindet man nun die Sphäre mit Beharrlichkeit, so entsteht das, was man unter einem Schema versteht. Das Individuum aber mit Veränderlichkeit verbunden, • D u a l i s m u s - Realismus Empirismus-- Theorie E l e m e n t e - - - Substanz Duplicität----- Identität ' Sphäre_ Individuum Veränderlichkeit > -:::::::::Beharrlichkeit
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giebt Bildung oder ein Werden. Schemata sind die Produkte der Mathematik. 1Bildung ist der Inhalt aller Geschichte. Die Beding«ng der Historie ist ein Ideal; es ist das, worauf sie sich bezieht. Die Bedingung der Mathematik ist ein Symbol. (Jene vier Elemente der Mathematik sind Symbole.)
Die Mathematik und die Geschichte sind nun wieder zu betrachten als zwey Elemente, deren IndifferenzPunkt die Physik ist. Physik liegt zwischen der Mathematik und Geschichte. Es wird sich also in ihr das nachweisen lassen, was wir in der Mathematik und Geschichte finden.
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Die Merkmahle der Mathematik sind Schemata, die Bedingungen Symbole. Womit sie es zu thun hat, sind: Sphären. Ihre Methode ist Konstruiren. Geschichte. Die Merkmahle sind: Bildung. Die Bedingung: Ideal. Womit sie es zu thun hat: I ntlividuum. Die Methode: Charakterisiren. 1 Verbindet man nun Schema und Individuum, so entsteht ein Phänomen. Aber Bildung und Sphäre verbunden, giebt die Epoche (Periode). Ferner, verbindet man Ideal und Konstruiren, so erhält man ein approximirentles Konstruire11 oder Experimentiren. Und verbindet man noch Symbol und Charakterisiren, so ist dies dann ein I nterpretiren1 • Alle diese Begriffe passen nun auf die Physik. Es läßt sich daraus leicht einsehen, daß die Physik die höchste unter den Wissenschaften ist, da sie der IndifferenzPunkt der Mathematik und Geschichte ist. So wie der Idealismus im IndifferenzPunkt des Dualismus und Realismus liegt, und Mathematik und Geschichte aus Dualismus und Realismus abgeleitet sind. Auch daraus folgt es schon, was wir oben sagten: 1nämlich die Physik ist die erste der Wissenschatten; weil alle Wissenschaft NaturWissenschaft ist. 'Wir haben also:
Schemata Bildung Sphären:..>Ursprünglichkeit< der vorbewußten, >absoluten Tathandlung< ausgehend nimmt Schlegel Anstoß an der seiner Meinung nach bloß axiomatischen, hypothetischen Formulierung »Grundsatz«. »Daß die Prinzipien nicht Sätze, sondern Fakta« sind, entspricht zwar der Sache nach auch dem Selbstverständnis Fichtes, läßt aber dem Begriff nach in der Tat den Anschein axiomatischer Beliebigkeit zu. Schlegel zeigt auch durch das Beispiel >LebenUrsprünglichen< wichtig ist. Hiermit stimmt die immer wieder gegen Fichte geäußerte Kritik zusammen, derzufolge dessen Philosophie sich lediglich mit leerer Formalität befasse. 6, 9,11-12: Realität ist ... beyden] So wie der Begriff »Realität« hier gebraucht wird, hat er die Bedeutung der bereits mit der »Idealität« vereinigten, also im Sinne des Ideal-Realismus. »Realität« ist hier aus der Perspektive des Fichte'schen Ansatzes formuliert, ohne daß dieser der Sache nach beibehalten wäre. Der bei Fichte herangezogene Begriff des Unendlichen wird von Schlegel immer auch unter dem Aspekt der
Er Iäuterungen
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Spinozaischen substantia infinita verstanden. Aus dieser entspringt die nicht formale, wesenhafte, natürliche Sach-ha!tigkeit des Bewußtseins wie des Unendlichen. Indem die »idealistische«, formale Strukturiertheit des Verhältnisses von bewußtem Subjekt und Unendlichem den methodischen Rahmen abgibt, vollzieht sich innerhalb dessen die Bewußtmachung des Unendlichen als Erkenntnis von Realität. Theorie und Empirie, Ideal und Real sind eine reale Einheit. 6, 9,19-20: Das einzige Objekt des Bewußtseins ist das Unendliche, und das einzige Prädikat des Unendlichen ist Bewußtsein.] Diese Wechselwirkung ist das Verhältnis komplementärer Elemente. »Prädikat« zu sein, bedeutet, daß nur im Bewußtsein (des Individuums) das Unendliche sich aus-sagt, sich entfaltet. Außerhalb dessen, d.h. in sich als dem Unendlichen selbst, ist es nicht Strukturhaft expliziert, es ist vielmehr in der Implikation seiner unendlichen, aber strukturlosen Fülle. 9, 15,11-13: IL Axiom: Realität ... Triplicität] Da »nur für das Bewußtsein ... das Bewußtsein Realität außer dem Bewußtsein hat« (vgl. o. S. 6, 9), kann gesagt werden, daß nur in »Ideen« Realität sei, sie mögen als Bewußtseinstatsachen oder als regulative Prinzipien aufgefaßt sein. Nach Schlegel sind Ideen ideale Realität und ebenso reale Idealität, als Vereinigung von zwei Bereichen ein in sich einheitliches »Ganzes« (vgl. o. S. 8, 13). Als regulatives Prinzip wie als Bewußtseinstatsache ist Idee bleibende Struktur, darin beruht ihr »Charakter« der »Identität«. Nun verbindet Schlegel mit »Identität« die Bedeutung des Starren, unlebendigen Beharrlichen. Weil sie aber wesenhaft zwei an sich nicht »identisch« bleibende, sondern werdende, lebendige Bereiche verklammert, nämlich das überindividuelle Unendliche und das individuelle Bewußtsein, bleibt sie zu diesen in ständigem Abstand, sie ist nur deren »Ausdruck«, deren »Symbol«. Der für Schlegel bis in seine späteste Zeit zentrale Sachverhalt »Symbol« erfüllt gerade diese Funktion, wesenhaft Klammer zu sein. »Triplizität« ist die »Form« der Ideen insofern, als sie an sich (1.) Symbole sind, die (2.) das Bewußtsein und (3.) das Unendliche in der Weise der idealen Realität verbinden.- »Alles Wissen ist symbolisch«, denn »man kann nichts wissen als die Natur« (u. S. 21, 25). Die Natur ist die an sich bewußtlose Gesta!thaftigkeit des Universums, die der formalen Idealität des Bewußtseins die »Realität« seines Inhalts gibt. »Wissen« ist nie reine Formalität, sondern immer Wissen von Etwas, also von Realität. Damit ist aber die reine Idealität der Idee gegeben, welche ihrerseits »symbolisch« ist. - Die Relativität der »Wahrheit« ist ein anderer Ausdruck für die Symbolhaftigkeit der Wahrheit im eben ausgeführten Sinne. 11, 21, 5-6: Die Philosophie ... nirgends ist.] Bezeichnend ist, daß
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Erläuterungen
Schlegel ••Gott« mit »Philosophie« gleichsetzt. Vgl. 10, 19,Anm. 1: »Die Philosophie betrachtet die Seele, den Mittelpunkt alles Wissens.« Der Satz des »Italiänischen Dichters« stammt aus dem mittelalterlichen »Buch der 24 Philosophen« und lautet dort: Deus est sphaera infinita cuius centrum est ubique, circumferentia nusquam. Er beschreibt ein genuin neuplatonisches Philosophem, das die Struktur der Wirklichkeit aufzeigt. Die alles prinziphaft durchgreifende höchste Wirklichkeit, »das Eine«, wird dem Zentrum des Kreises bzw. einer Kugel verglichen. Das eine Zentrum ist der einzige Ursprung der unendlich vielen Punkte der Kreisperipherie bzw. der Kugeloberfläche. Diese werden in ihrem Wesen durch das Zentrum bestimmt. Peripherie kommt dadurch zustande, daß das Zentrum in der Weise des Radius aus sich herausgeht. Diese hervorgehende Bewegung geht jedoch nicht ins Unendliche, sondern wird durch das Rückbezogenbleiben auf den Ursprung begrenzt. Im Peripheriepunkt geschieht die Umkehr in die gegenläufige Bewegung zum Zentrum zurück. Der den Abstand zwischen Zentrum und Peripherie bildende Radius ist also in Wahrheit eine in sich gegenstrebige Bewegung. Der Peripheriepunkt als der Ort, wo die Bewegung des Hervorgangs zur Ruhe kommt und die der Rückkehr beginnt, ist so das ruhende In-sich-Bleiben des aus sich herausgegangenen Zentrums, d.h. er ist als einer unter unendlich vielen, ein vielheitliches Abbild des einen Zentrums. Dies ist auch der theoretische Entwurf der gotischen Rosette. Vgl. dazu den Artikel »Liber XXIV philosophorum: in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, hrsg. von K. Ruh u.a., Bd. V 767 ff. Der dem geometrischen Bild analoge Gedanke ist folgender: Vielheitliehe Wirklichkeit entsteht dadurch, daß die in sich relationslose, absolut einheitliche Wirklichkeit in sich bleibend aus sich herausgeht, so wie eine Quelle sich nicht verströmt, während sie Herausfließen ist. Das Viele entsteht also aus dem Hervorgang des Einen. Die sich vom Einen abwendende Bewegung als solche tendiert ins Unbestimmte, Grenzenlose, daher Unerkennbare, ins Nichts. Wenn aber nicht Nichts, sondern vielheitliehe Wirklichkeit ist, so muß die hervorgehende Bewegung aufgehalten werden. Das geschieht durch das Rückbezogenbleiben auf das Eine. Vielheitliehe Wirklichkeit, die ja nichts anderes als viele einzelne Wirkliche ist, bleibt daher durch die Ähnlichkeit zu ihrem Ursprung, dem Einen, vor dem Untergang im Nichts bewahrt. Das Wesen des vielheitliehen Einzelnen ist es demnach, Abbild des Einen zu sein.
Erläuterungen
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Das Eine im einzelnen Vielen ist dessen wahres Selbst, dessen Wesen, dessen Identität. So kann gesagt werden, daß das Eine als Grund des Vielen in diesem ist. Da nun aber das Viele auch der zeitlich-räumlichen Kategorialität unterliegt, heißt das, daß das Eine (als Grund des vielen Einzelnen) überall ist, wo einzelnes Vieles ist. Dies wäre aber nicht möglich, wenn das Eine als solches unmittelbar in zeitlich-räumlicher Weise existierte. Denn dann könnte es nicht als Ganzes gleichzeitig hier und dort sein. Daher gilt die paradoxe Aussage, »das Eine ist überall, weil es nirgends ist«. Das bedeutet, daß nur per analogiam vom Einen selbst gesagt werden kann, es sei zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort. Jetzt und hier ist es nur als Eines im Vielen, d.h. als dessen Prinzip. In sich selbst, sofern es das reine, relationslose Eine ist, ist es noch nicht einmal Prinzip, weder eines einzelnen Prinzipiierten noch aller Prinzipiierten zusammen; denn Prinzip zu sein, bedeutete bereits wieder Relationalität. Da nun, im geometrischen Bild gedacht, die räumliche Bestimmbarkeit der Peripherie notwendig die Bestimmbarkeit des Ortes des Zentrums einschlösse, muß gesagt werden, die Peripherie sei nirgends. Daß jedoch das prinzipiierende Zentrum wirklich existiert und kein Konstrukt ist, ergibt sich aus der unbezweifelten Existenz des vielheitlieh Existierenden. Dieses wäre überhaupt nicht und wäre nicht begreifbar, wenn es nicht Abbild des in sich einen Grundes wäre. Das heißt, das Zentrum ist überall.* Schlegel zieht den Satz sicherlich ohne nähere Kenntnis des in ihm sich ausdrückenden neuplatonischen Gedankens heran. Die Ähnlichkeit beruht in der äußerlichen Formalität der Kreiskonstitution. 11, 21,9-12: Bewußtseyn des Unendlichen ... kann.] »Bewußtseyn des Unendlichen« ist genitivus objectivus, meint also unser individuelles Bewußtsein vom Unendlichen. Einem streng auch auf sprachliche Klarheit achtenden Philosophieren muß die Annahme einer >bewußtlosen Betrachtung< unmöglich erscheinen. Das Bemühen um das Verständnis Schlegels macht es jedoch erforderlich, die Inkorrektheit zu akzeptieren und durch sie hindurch die Intention des Romantikers zu erkennen. Man erlaßt diese nur, wenn man darin eine Absicht sieht, die für uns mittlerweile durch die Disziplin der Tiefenpsychologie verfolgt wird. Die »tiefste Tiefe«, in * Vgl. zu diesem Problembereich W. Beierwaltes, Identität und Differenz, Frankfurt 1980, bes. 24ff. (Identität in der Differenz) und Denken des Einen, Frankfurt 1985, bes. 38ff. (All-Einheit) und 155ff. (Entfaltung des Einen).
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Erläuterungen
welche die >bewußtlose Betrachtung< hinabsteigt, ist die Natur bzw. das dieser als Ursprung zugrundeliegende Universum. Natur als solche ist bewußtlos, aber real. Das Bewußtsein vermag die Natur unmittelbar nur durch Empirie zu erfassen. Diese ist für sich isoliert genommen zwar Bestandteil der Bewußtseinstätigkeit, aber erst der auslösende Anfang eines identifizierbar reflex gewordenen Bewußtseinsaktes einer poetischen Reflexion. Poetische Reflexion kommt durch die Vereinigung von realer Empirie und idealer Theorie zustande. Aus heutiger Sicht läßt sich sagen, daß die Tiefenpsychologie als die empirische Form der Philosophie Schlegels verstanden werden kann. 16, 38, 1-2: die Physik ist die erste der Wissenschaften ... ist.] Der Gedanke, daß »alle Wissenschaft Naturwissenschaft ist«, leitet sich direkt von Spinoza her, demzufolge cogitatio immer auf extensio, Geist immer auf Natur bezogen ist. Schlegels Aussage muß jedoch demgegenüber in einem modifizierten Sinn verstanden werden. Das »Wissen« der Natur vollzieht sich nicht wie bei dem Platoniker Spinoza in einer Bewegung des Bewußtseins, die kontinuierlich von der Bewußtlosigkeit weg zu reiner, über-rationaler Bewußtheit aufsteigt (imaginatio ratio - intellectus). Schlegels Auffassung von »Wissen>eine Rückkehr des Bestimmten ins Unbestimmte« ist (ebd. 13,31). 17, 39,9-10: Das Bewußtseyn ist die ursprüngliche Reflexion auf das Unendliche, die aber bewußtlos ist.] »Bewußtseyn des Unendlichen« (11, 21) meint nicht wie bei Hege! Selbstreflexion des Absoluten. Vielmehr ist »Bewußtsein« hier als Ermöglichungsgrund individuellen Bewußtseins zu fassen. Die uns als Individuen geläufige Weise des Bewußtseins ist nicht die des überindividuellen Universums. Unser Bewußtsein entspringt aber im Universum als seinem Grund. Insofern kann diesem selbst auch Bewußtsein zugesprochen werden. Der Terminus meint dann freilich jeweils etwas Verschiedenes, einmal das aus der Sicht des Indi-
Erläuterungen
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viduums unbewußte »Bewußtsein« des Universums, zum anderen das individuelle. Zwischen beiden besteht nicht das Verhältnis von Urbild und Abbild im platonischen Sinne. Das individuelle Bewußtsein bildet nicht etwa auf inferiore Weise ein urbildlieh vollendetes Selbstbewußtsein ab, sondern es ist als solches das Bewußtwerden des Bewußtlosen. Universum und Individuum bedingen sich gegenseitig, d.h. das Bewußtsein des Individuums ist die notwendige, endlose Vollendung der Bewegung des Unendlichen. Gerade weil die individuelle Bewußtwerdung nie die unendliche Fülle des Universums adäquat einzuholen, d.h. widerzuspiegeln vermag, gelangt die »Progressivität« des Universums nie zum Zustand endgültiger Vollendung. Das Universum ist nie, sondern wird unendlich. Die Defizienz, die in der Beschränkung individueller Bewußtseinsperspektivität, d.h. in der »Endlichkeit«, liegt, verschafft der unendlichen Fülle einen produktiven Überhang. 19, 44,11-44,12 (vgl. 8,14): »Reflexion« und »Spekulation«: »Analyse ist Bedingung der Reflexion. Abstraktion Bedingung der Spekulation« (19,44, Anm. 1). Der •erläuternde< Charakter der Analyse (vgl. Kant, analytisches Urteil, KrV, B 10-11, B 190-192) erfordert als Betätigungsfeld ein dem denkenden Subjekt von außen Gegebenes. Insofern gilt: »Die Reflexion setzt ein Phänomen voraus« (19, 45,3f.). »Reflexion« richtet sich demnach auf einen Bewußtseinsinhalt, der in Analogie zur Kantschen Auffassung von der subjektiven »Erscheinung« des transsubjektiven »Dings an sich« in einer transsubjektiven Existenz mit-begründet ist. Die »Abstraktion« als solche ist die dem subjektiven Denken immanente Bewegung, die von der transsubjektiven Gegründetheit wegführt und den subjektimmanenten, regulativen Prinzipien, den »Ideen« gehorcht. »Eine Idee, d.h. ein Ganzes bezogen auf das Individuum, gibt ein Ideal« (8, 13,6f.). »Die Materie aller Spekulation ist das Ideal« (19, 45,3). Daß die eigentümliche Seinsweise des »Ideals« nicht die einer realen Wirklichkeit, sondern einer ständig hypothetisch bleibenden Zielsetzung ist, besagt der Satz: »Das Ideal wird durch Spekulation erzeugt« (8, 14,7). Abstraktion als »Bedingung der Spekulation« bestimmt demnach den Gegenstand der Spekulation als die subjektimmanente Prinzipienhaftigkeit des Bewußtseins. Die Formalität des Bewußtseins im Sinne Fichtescher Auffassung des Absoluten ist damit gemeint. »Spekulation« in diesem Sinne ist immanente Selbst-Bespiegelung des Bewußtseins. So wie das transsubjektiv gegründete »Phänomen« zum Anlaß von »Reflexion« wird, so die »Allegorie« zum Anlaß von Spekulation, denn: »Die Allegorie ist die Erscheinung eines Ideals« (19, 45,4). Zur Zeit der Transcendentalphilosophie zeigt sich Schlegel im Gebrauch der Termini
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Erläuterungen
»Allegorie« und »Symbol« unentschieden, deren Bedeutung ist weitgehend identisch (vgl. B. A. Sörensen, Allegorie und Symbol [ = Ars poetica, Texte, Band 16], Frankfurt 1972, 158, Anm. 7). Im Kontext von »Spekulation« besagt der Sachverhalt »Allegorie«, daß sie den wirklichen Anlaß eines Denkakts nicht an sich, sondern auf Grund ihrer Verschlossenheit in ihre eigene »Ganzheit« (vgl. 4, 5,4: »Eine Idee ist ein Wissen des Ganzen«) nur immer in der vermittelnden Form von Allegorie oder Symbol hat. 20-21, Nachtrag 23-25: Der »Nachtrag« enthält Aussagen von höchster Wichtigkeit zur zentralen Problematik Schlegels. Bedauerlicherweise hat sich jedoch in die Darstellung eine irritierende methodische Unschärfe eingeschlichen, die eine echte crux für die Interpretation bildet. Ob diese auf eine Nachlässigkeit in Schlegels Vortrag oder auf eine Ungenauigkeit der Nachschrift des Hörers zurückzuführen ist, läßt sich nicht entscheiden. Das Problem besteht darin, daß Schlegel das »Bewußtseyn und das Unendliche« als die beiden »Elemente der Philosophie« annimmt. »Das Unendliche ist das positive Element, und das Bewußtseyn das Negative {20, 23, Anm. 1). Nun unterscheidet er wiederum im Unendlichen »das Unbestimmte ... also das positive Element« und »das Bestimmte ... das negative Element des Unendlichen« (vgl. 20, 23,7f.: »Das Gegenteil ist das Bestimmte, und dies ist das negative Element des Unendlichen.«) Später unterscheidet er, wahrscheinlich im negativen Element »Bewußtseyn«, die Elemente »Ich und Nichtich«. Die Form der Darstellung zwingt zur Annahme, daß im Unendlichen an sich, also ohne dessen Bezogensein auf das andere »Element« des Bewußtseins, Positives und Negatives unterschieden werden sollen. Nun gilt aber: »es gibt kein Bestimmtes für das Unendliche als das Bewußtseyn« (s. 21, 24, Anm. 2). Das hieße, daß das Bewußtsein als das negative Element zwar mit dem Unendlichen als dem positiven in unaufhebbarer Korrelation steht, sich aber nicht als das negative Element des Unendlichen in diesem befindet. Der Wortlaut des Nachtrags läßt aber an dem ln-Sein des Negativen im Unendlichen keinen Zweifel. Allenfalls ließe sich vermuten, daß in der vorliegenden Form der Niederschrift ein Hinweis auf die genauere Weise der Identität von »Bestimmtem« im Unendlichen und dem »Bewußtseyn« fehlt. Die Schwierigkeit des Textverständnisses wäre aber auch durch eine solche sachliche Interpolation nicht behoben. Man muß die methodische Kluft als unerklärliche bestehen lassen. Die Kenntnis des übrigen Kontextes Schlegelsehen Philosophierens sichert die Richtigkeit der Annahme, daß das »Unendliche« als solches auf Grund seiner Unbegrenztheit unbestimmbar und darin »positiv«
Erläuterungen
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ist, das »Bewußtseyn« dagegen auf Grund seiner negierend verfahrenden definitorischen Bewegung >>negativ«. Je für sich genommen sind beide »Elemente« getrennt. Das Unendliche als solches hat also nichts »Negatives« in sich. Ziel der Philosophie muß es gerade sein, die Trennung von Unendlichem und Bewußtsein in eine Einheit aufzuheben. Unabhängig von dieser methodischen crux steHt sich der Sinn des »Nachtrags« im einzelnen folgendermaßen dar: 20, 23,1 ff.: Bewußtseyn [Bestimmtes als Negatives] Negativ, verneinend ist die bestimmende Funktion insofern, als Bestimmung De-finition ist. Die Angabe des Wesentlichen eines Sachverhalts, dessen Identifikation, ist nur möglich durch Abgrenzung von dem, was er nicht ist. Das Andere wird verneint, damit das, was er selbst ist, erkannt werden kann. In diesem Sinne gilt bereits seit der antiken Logik: omnis determinatio est negatio (alle Bestimmung ist Verneinung). Zentraler Stellenwert kommt der Negation, dem Negieren, ausdrücklich im Philosophieren Hegels zu. Dieser sieht im Negierenkönnen, d.h. im Bestimmenkönnen die Wirklichkeit des reinen Geistes selbst, so daß gesagt werden kann, das Absolute sei das Negative selbst. Freilich wäre Negatives plump mißverstanden, wenn man es im Sinne des notorisch unzufriedenen Geistes, der >Stets verneintpoetischen Reflexion>In der religiösen Sphäre muß einem in der Ansicht des Ganzen die Praxis ganz verschwinden.« Freilich bleibt zu fürchten, daß in der Geschichte genau diese Maxime das Selbstverständnis religiöser Inquisitoren artikulierte, und daß Schlegel seinen Gedanken auch in Reminiszenz an dessen bewiesene »Praktikabilität« formulierte. 77, 196,4-6: Das Endliche ist gar nicht, es ist nur in Beziehung auf das Ganze. Und dieses Ganze ist identisch mit der absoluten Intelligenz, oder mit dem Gedanken der Gottheit.] Die »Idee« ist das »Ganze« insofern, als sie in sich den Zusammenhang des Werdens von Universum zum Individuum und dessen Umkehrung umfaßt, also das »Ganze« des Wechsels von Expansion und Kontraktion ist. »Idee« ist gewissermaßen die Ständigkeit nicht des Seins, sondern des Werdens; dies macht ihre Lebendigkeit aus. Das Endliche, das als solches »gar nicht«, sondern nur »in Beziehung auf das Ganze« ist, ist das Individuum; nur in Relation zum Universum ist es als Bestandteil dieser Relation. Diese selbst ist »das Ganze«. - Die >absolute IntelligenzGedanke der Gottheit< ist nicht als ein in sich vollendetes, zeitfreies Absolutes zu fassen, sondern als die aktuale Relation zwischen individuellem Bewußtsein und universaler Bewußtlosigkeit. >Absolute IntelligenzGedanke der GottheitchaotischNatur als werdende Gottheit«. - »Frei ist man, wenn man Gott macht und dadurch wird man unsterblich. - Gott kann nur geschaffen werden ... Das Universum kann man nicht anschauen und auch nicht schaffen. Es tuts selbst - wohl aber Gott. - Anschauen und Schaffen ist gleich. - Das Universum soll man vergöttern, nicht Gott; denn das hats nötig. Aber anschauen soll man Gott »(Philosophische Fragmente, KA XVIII 330, 74). - »Gott ist selbst die Schöpfung« (ebd. 306, 1349). - Das Universum zu »Vergöttern« heißt, es poetisch zu reflektieren und dadurch eine sukzessive Summe von einzelnen Gottes-Bildern zu erzeugen. Das Anwachsen dieser Summe ist das »Werden der Gottheit«. Konsequent kann es in der Transcendentalphilosophie 57, 142,5f. heißen, daß »das Ganze(= der Natur) ... das Bild oder besser die Geschichte der werdenden Gottheit« sei. Hier wird
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die gegenüber dem Universum als der eigentlichen Gottheit vermittelnde Funktion von Natur deutlich. Vgl. zum Ganzen auch die Einleitung S. XXVIII f. 98, 245,8-12: Alle Resultate ... im weiten Sinn (u. 27, 61,12-16)] Prinzip, das »Wissen des Ursprünglichen«, und Idee, das »Wissen des Ganzen« (vgl. S. 4, 5,2-4), werden als »Theorie« und »Empirie« unterschieden (27, 61,12-16). Beide sind nicht wirklich voneinander zu trennen; in deren Trennung beruht der Irrtum des »Dogmatismus« und in der Vereinigung der Vorzug des »Idealismus« im Sinne Schlegels (102, 255, 13f.), d.i. des »Ideal-Realismus«. Da man nichts wissen kann als die Natur, also alles Wissen »Naturwissenschaft« ist, muß Philosophie >>historisch sein«, weil die Naturwissenschaft »Einsicht in das Ganze« und dieses selbst »die Geschichte der werdenden Gottheit« ist (58 f., 142,4-6). Wissen ist immer individuelles Wissen, und der Vollzug von Individualität ist der Vollzug von Geschichte. Geschichte als »Mittelglied« von Theorie und Empirie aber ist »Realität«; alle Realität ist geschichtliche Realität und nur Geschichte ist real.
NAMENREGISTER
Anselm von Canterbury 120 Aristoteles XXI, 109, 119 (aristotelisch)
Jaspers, K. 120 Jung, C. G. Xlf.
Baader, F. v. X f. Beierwaltes, W. 113*, 122 Boccaccio, G. XIV Böhme, J. XI
Kant, I. XVI, XXII, XXIX,21, XXXIV, XXXV,27, 109f., 115, 119 Kluckhohn, P. X Körner, J. IX,1
Cervantes, M. de
Novalis
XIV
Dante XIV Descartes, R. XXIII Dilthey, W. X Eichendorff,
J. v.
XIII
Fichte, J. G. Xf., XVII, XXIf.,XXV, XXVII, 110, 115, 117 Grimm,
J. u. W.
XIV, 6
Hege!, G. W. F. X-XIII, XVI- XX, XXVII, XXVIII, XXXVIIf., 114, 117, 122 Heidegger, M. X
Xllf.
Parmenides XVI f. Platon XXXIII, 109f. Plotin XXIII Ruprecht, E.
XIV,6
Schelling, F. W. J. X, XXXVIII, 118, 120, 122 Schleiermacher, Fr. Xf. Shakespeare XIV Sörensen, B. A. 116 Spinoza, B. de XXI ff., XXIV ff. XXIX, 111, 114, 117f. Wackenroder, W. H. Wolff, Chr. 110
XIII