Technikgeschichte: Eine Einführung in ihre Konzepte und Forschungsergebnisse 3515094237, 9783515094238

Die Technikgeschichte gehört zu den aufstrebenden historischen Teildisziplinen. Dieser Band bietet allen, die sich für d

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German Pages 264 [265] Year 2009

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Table of contents :
INHALT
EINLEITUNG
1. DIE TECHNIK UND DIE TECHNIKGESCHICHTE IM SYSTEM DER WISSENSCHAFTEN
1.1 DER MENSCHHEITSGESCHICHTLICHE STELLENWERT DER TECHNIK
1.2 DIE TECHNIK IN DEN WISSENSCHAFTEN
1.3 TECHNIKWISSENSCHAFTEN
1.4 NATURWISSENSCHAFTEN
1.5 SOZIALWISSENSCHAFTEN
1.5.1 Soziologie
1.5.2 Politologie
1.5.3 Ökonomie
1.6 GEISTESWISSENSCHAFTEN
1.6.1 Philosophie
1.6.2 Ethnologie und Volkskunde
1.6.3 Geschichte
1.6.4 Technikgeschichte
2. THEORIEN DER TECHNIKGESCHICHTE
2.1 TECHNIKBEGRIFF
2.2 INVENTION UND INNOVATION
2.3 INNOVATIONSSYSTEME UND INNOVATIONSKULTUREN
2.4 TECHNIKSTILE UND TECHNIKKULTUREN
2.5 TECHNIKDETERMINISMUS
2.6 TECHNIKFOLGEN UND TECHNIKGENESE
2.7 SOZIALE KONSTRUKTION DER TECHNIK
2.8 VERMITTLUNGEN ZWISCHEN TECHNIK UND GESELLSCHAFT
2.8.1 Pfadabhängigkeit und Momentum
2.8.2 Große technische Systeme und Netzwerke
2.8.3 Struktur-Akteurs-Theorien
2.9 FORTSCHRITT UND MODERNISIERUNG
2.10 REVOLUTION UND EVOLUTION
3. DIE TECHNIK IM 19. UND 20. JAHRHUNDERT
3.1 TECHNIK IN DER INDUSTRIEGESELLSCHAFT
3.1.1 Die Industrielle Revolution in Großbritannien
3.1.2 Die Baumwolle und die Textilindustrie
3.1.3. Steinkohle und Stahl
3.1.4 Maschinenwelten und Produktionssysteme
3.1.5 Transport- und Kommunikationsrevolutionen
3.1.6 Technologietransfer – Industrialisierung – Globalisierung
3.1.7 Krieg und Technik
3.1.8 Der Ingenieur
3.2 TECHNIK IN DER KONSUMGESELLSCHAFT
3.2.1 Die Wurzeln des Wohlstands
3.2.2 Diversifizierung der energetischen Basis
3.2.3 Die Stadt als Technotop
3.2.4 Mobilität und Massenmotorisierun
3.2.5 Massenmedien
3.2.6 Ungewisse Zukünfte: Technik – Umwelt – Konsum
3.3 LERNEN AUS DER TECHNIKGESCHICHTE?
BIBLIOGRAPHIE
SACH- UND PERSONENREGISTER
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Technikgeschichte: Eine Einführung in ihre Konzepte und Forschungsergebnisse
 3515094237, 9783515094238

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Wolfgang König

Technikgeschichte Eine Einführung in ihre Konzepte und Forschungsergebnisse

Wirtschaftsgeschichte Franz Steiner Verlag

Grundzüge der modernen Wirtschaftsgeschichte - 7

Wolfgang König Technikgeschichte

GRUNDZÜGE DER MODERNEN WIRTSCHAFTSGESCHICHTE ———————————————————

Herausgegeben von Toni Pierenkemper Band 7

Wolfgang König

Technikgeschichte Eine Einführung in ihre Konzepte und Forschungsergebnisse

Franz Steiner Verlag 2009

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-09423-8

Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungs­bestän­digem Papier. © 2009 by Franz Steiner Verlag, Stuttgart. Druck: Printservice Decker & Bokor, Bad Tölz Printed in Germany

INHALT Einleitung .................................................................................................

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften .................................................................................. 1.1 Der menschheitsgeschichtliche Stellenwert der Technik ......... 1.2 Die Technik in den Wissenschaften .......................................... 1.3 Technikwissenschaften ............................................................. 1.4 Naturwissenschaften ................................................................. 1.5 Sozialwissenschaften ................................................................ 1.5.1 Soziologie ....................................................................... 1.5.2 Politologie ...................................................................... 1.5.3 Ökonomie ....................................................................... 1.6 Geisteswissenschaften .............................................................. 1.6.1 Philosophie ..................................................................... 1.6.2 Ethnologie und Volkskunde ............................................ 1.6.3 Geschichte ...................................................................... 1.6.4 Technikgeschichte ..........................................................

9 9 14 17 20 23 24 26 29 32 33 36 38 44

2. Theorien der Technikgeschichte ........................................................ 2.1 Technikbegriff ........................................................................... 2.2 Invention und Innovation .......................................................... 2.3 Innovationssysteme und Innovationskulturen .......................... 2.4 Technikstile und Technikkulturen ............................................. 2.5 Technikdeterminismus .............................................................. 2.6 Technikfolgen und Technikgenese ............................................ 2.7 Soziale Konstruktion der Technik ............................................ 2.8 Vermittlungen zwischen Technik und Gesellschaft .................. 2.8.1 Pfadabhängigkeit und Momentum ................................. 2.8.2 Große technische Systeme und Netzwerke .................... 2.8.3 Struktur-Akteurs-Theorien ............................................. 2.9 Fortschritt und Modernisierung ................................................ 2.10 Revolution und Evolution .........................................................

49 52 57 64 67 71 76 79 85 86 90 94 100 103

3. Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert ........................................... 3.1 Technik in der Industriegesellschaft ......................................... 3.1.1 Die Industrielle Revolution in Großbritannien ............... 3.1.2 Die Baumwolle und die Textilindustrie .......................... 3.1.3 Steinkohle und Stahl .......................................................

109 110 110 126 134

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Inhalt

3.1.4 Maschinenwelten und Produktionssysteme ................... 3.1.5 Transport- und Kommunikationsrevolutionen ............... 3.1.6 Technologietransfer – Industrialisierung – Globalisierung ................................................................ 3.1.7 Krieg und Technik .......................................................... 3.1.8 Der Ingenieur .................................................................. 3.2 Technik in der Konsumgesellschaft .......................................... 3.2.1 Die Wurzeln des Wohlstands .......................................... 3.2.2 Diversifizierung der energetischen Basis ....................... 3.2.3 Die Stadt als Technotop .................................................. 3.2.4 Mobilität und Massenmotorisierung .............................. 3.2.5 Massenmedien ................................................................ 3.2.6 Ungewisse Zukünfte: Technik – Umwelt – Konsum ..... 3.3 Lernen aus der Technikgeschichte? ..........................................

139 146 157 165 169 173 173 178 184 191 200 211 216

Bibliographie ............................................................................................ 227 Sach- und Personenregister ...................................................................... 261

EINLEITUNG Die Technikgeschichte ist eine relativ junge historische Teildisziplin.1 Wie bei allen neuen Disziplinen wurde die Herausbildung der Technikgeschichte begleitet von einem intensiven institutionellen und theoretisch-methodologischen Selbstfindungsprozess. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass sich die Technikgeschichte institutionalisiert und in der deutschen Wissenschaftslandschaft etabliert hat, dass eine nicht unerhebliche Gruppe von Wissenschaftlern sich als Technikhistoriker versteht und diese sich durch ein diffuses Set theoretischer Positionen und Fragestellungen leiten lässt. Dies bedeutet keine Homogenität, sondern eher eine Pluralität innerhalb eines gemeinsamen Bezugsrahmens. In der folgenden Einführung in die Konzepte und Forschungsergebnisse der Technikgeschichte geht es um diesen gemeinsamen Bezugsrahmen und die in ihm vorfindlichen pluralen Auffassungen. Dahinter steht die Überzeugung, dass jede Disziplin durch gemeinsame Institutionen und Werte zusammengehalten wird, aber auch das Bekenntnis zu methodischem Pluralismus und Eklektizismus. Das letztere ist kein Plädoyer für Beliebigkeit. Es meint vielmehr, dass sich über unterschiedliche empirische und theoretische Herangehensweisen unter Anführung von Gründen streiten, aber nicht mit Anspruch auf allgemeine Verbindlichkeit entscheiden lässt. In diesem Sinne referiere ich in der Technikgeschichte und in den Nachbardisziplinen gehandelte Ansätze, unterziehe sie aber auch einer kritischen Betrachtung. Das Buch wendet sich zunächst an alle, die einen Einstieg in die Technikgeschichte oberhalb des Anfängerniveaus suchen oder ihre Vorstellungen zur Technikgeschichte kritisch überprüfen wollen: an Studierende höherer Semester, an in der Technikgeschichte wissenschaftlich Arbeitende, an Historiker anderer Spezialisierungen und an Angehörige anderer Disziplinen, die Informationen über die Technikgeschichte suchen. Der Ehrgeiz geht dahin, für die wichtigsten technikgeschichtlichen Fragen grundlegende Informationen und Anregungen bereit zu stellen und durch die zitierte weiterführende Literatur vertiefende Nachforschungen zu ermöglichen. Indem der Blick über die Disziplin Technikgeschichte hinaus auf allgemeine Konzepte der Technikforschung gerichtet wird, sollte die Einführung auch für Ingenieure, Ökonomen, Innovationsforscher, Techniksoziologen, Technikphilosophen und Vertreter anderer Nachbardisziplinen von Interesse sein.

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Ein Abriss der Entwicklung der Technikgeschichtsschreibung wird weiter unten gegeben. S. u. S. 44–48.

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Einleitung

Den konzeptionellen Vorgaben der Reihe folgend, integriert die Arbeit historisch-empirische und theoretisch-methodologische Ausführungen. Sie gliedert sich in vier Teile. Der erste Teil „Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften“ geht davon aus, dass die Technik kein Monopol einer Disziplin oder Disziplingruppe darstellt. Er vermittelt einen Einblick in die disziplinären Perspektiven, unter denen Technik betrachtet wird. Dabei wird zwar keine Vollständigkeit angestrebt, aber jedenfalls sind alle großen Disziplingruppen vertreten sowie die Einzeldisziplinen, von denen die Technikgeschichte am meisten profitiert hat. Es wird deutlich, dass von einer interdisziplinären Technikforschung kaum die Rede sein kann. Besonders die systematischen Disziplinen tendieren dazu, sich wechselseitig voneinander abzuschotten. Im Vergleich dazu besitzt die Technikgeschichte eine relativ große Aufgeschlossenheit gegenüber von außen kommenden theoretisch-methodischen Anregungen. Insgesamt kann man wohl eher von asymmetrischen Tauschbeziehungen zwischen den Disziplinen als von Interdisziplinarität sprechen. Bei dem zweiten Teil, den „Theorien der Technikgeschichte“, handelt es sich um die zentralen Kapitel des Buches.2 Ich entwickle darin kein eigenes Theoriegebäude, sondern stelle die Konzepte vor, welche in der Technikgeschichte verbreitet sind bzw. der Technikgeschichte gute Dienste leisten könnten. Meine kritischen Anmerkungen dazu gehen davon aus, dass alle angeführten Konzepte sich in spezifischen Kontexten als wertvoll erweisen können, aber auch jeweils Begrenzungen aufweisen und theoretische Kosten verursachen. Ein didaktisches Ziel besteht darin, zu einer reflektierteren Verwendung theoretischer Konzepte anzuhalten. Der dritte Teil „Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert“ gibt einen knappst möglichen Überblick zur technischen Entwicklung von der Industriellen Revolution bis zur Gegenwart. Er konzentriert sich auf die klassischen Industrieländer, insbesondere auf Großbritannien, die Vereinigten Staaten und Deutschland. Sein Ziel besteht darin, in der – wie alle Wissenschaften – durch Spezialisierung geprägten Technikgeschichte die großen Entwicklungstendenzen in extremer Kürze herauszuarbeiten. Dabei müssen notwendigerweise einzelne Innovationen und Innovatoren in den Hintergrund treten. Insbesondere verweist dieser historisch-empirische Teil auf technikgeschichtliche Standardwerke und neuere Literatur, von der aus sich wiederum die aktuelle spezielle Forschungsliteratur erschließen lässt. Abschließend geht es im vierten Teil „Lernen aus der Technikgeschichte“ um den Sinn und Wert historischer Betrachtungen überhaupt. Exemplifiziert werden diese allgemeinen Reflexionen an den möglichen Beiträgen, welche historische Forschungen zur Technikfolgenabschätzung und zur Technikbewertung leisten können. 2

Die Prämissen, welche diesem zweiten Teil zugrunde liegen, werden unten ausführlicher vorgestellt. S. u. S. 49–52

1. DIE TECHNIK UND DIE TECHNIKGESCHICHTE IM SYSTEM DER WISSENSCHAFTEN 1.1 DER MENSCHHEITSGESCHICHTLICHE STELLENWERT DER TECHNIK3 Der Philosoph Hans Poser beginnt seinen Einführungsbeitrag für einen Sammelband „Herausforderung Technik“ mit der Aussage: „Kaum etwas prägt unser Leben so sehr wie die Technik …“.4 Hierfür liefert er eine individualhistorische Begründung: Das Leben beginne und ende im Krankenhaus. Das Krankenhaus ist für Poser eine Art soziotechnische Großmaschine; bei der Geburt und dem Tod spielen technische Gerätschaften eine wichtige Rolle. In nicht wenigen Fällen – so ließe sich das Argument ausbauen – folgt auf die Geburt der Brutkasten und vor dem Tod steht die Intensivstation. Und auch in der Zeit zwischen Gynäkologie und Geriatrie hat der Mensch ständig mit Technik zu schaffen. Die individualhistorische Begründung kann durch eine gattungshistorische ergänzt werden. Auch Anfang und Ende der Gattung Homo dürften mit der Technik in Zusammenhang stehen. Der französische Anthropologe André Leroi-Gourhan weist mit dem Begriffspaar „Hand und Wort“, das heißt mit Metaphern für Technik und Sprache, darauf hin, dass sich vor allem diese beiden Kandidaten dafür eignen, die Herausbildung und Entwicklung des Menschen bis hin zum Homo sapiens zu erklären.5 Und die im Laufe der Geschichte gewaltig vermehrte technische Verfügungsmacht hat die Möglichkeit geschaffen, dass der Mensch gerade wegen seiner Technik wieder von der Erde verschwinden wird. Der Stellenwert der Technik für die Menschheitsgeschichte lässt sich also schwerlich überschätzen. Philosophen, Anthropologen und manchmal auch Historiker haben diese menschheitsgeschichtliche Funktion und die weltgestaltende Kraft der Technik vielfach betont. Einen markanten Ausdruck finden sie in der Identifizierung der „Neolithischen Revolution“ und der „Industriellen Revolution“6 als den beiden wichtigsten menschheitsgeschichtlichen Umbruchzeiten und der Hervorhebung des Stellenwerts der Technik in ihnen. Ergänzend lässt sich begründen, dass sich in der Gegenwart ähnliche epochale Veränderungen vollziehen. 3 4 5 6

Das Kapitel greift auf meinen Beitrag zurück: König, Menschheitsgeschichte. Poser, Herausforderung, S. 13. Leroi-Gourhan, Hand. Auf die theoretischen Probleme des Revolutionsbegriffs gehe ich weiter unten S. 103f. ein.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

Im Folgenden skizzierte ich diese Veränderungen und die Bedeutung der Technik hierfür unter dem Begriff der „Kultur“.7 Kultur steht dabei für die Gesamtheit der menschlichen Hervorbringungen in einer bestimmten Zeit und in einem bestimmten Raum, bezeichnet also eine raumzeitliche Totalität.8 Damit wird Kultur zum allgemeinsten Allgemeinbegriff der Menschheitsgeschichte. Der Nachteil eines derart umfassenden Kulturbegriffs ist seine fehlende Spezifik. Sein Vorteil liegt darin, dass er normative Vorentscheidungen über Wert oder Unwert der jeweiligen Kulturbereiche vermeidet und eine hohe Flexibilität für synchrone und diachrone Vergleiche zwischen verschiedenen Kulturen besitzt.9 Der weite Kulturbegriff erfordert eine Binnendifferenzierung. Die übliche, aus der Ethnologie stammende, ist die zwischen sozialer, geistiger und materieller Kultur. Soziale, geistige und materielle Kultur bilden in üblichen Betrachtungsweisen disjunkte Mengen. So wird unter soziale Kultur die Art und Weise des menschlichen Zusammenlebens subsumiert, unter geistige Kultur Sprache und Kunst und unter materielle Kultur der Umgang mit den natürlichen Ressourcen und die Technik. Eine solche Zuordnung leuchtet ein, ist anschaulich und besitzt heuristischen Wert. Es lassen sich aber Zweifel anmelden, ob sie der in der gesellschaftlichen Praxis anzutreffenden Integration von Sozialem, Geistigem und Materiellem gerecht wird. Das Soziale, Geistige und Materielle ließe sich auch als drei Dimensionen begreifen, welche jedwedem Handeln innewohnen. Auf die Technik bezogen: (1) Technik lässt sich als soziale Institution interpretieren, welche menschliche Interaktionen regelt. Man denke z.B. an technische Einrichtungen zur Regelung des Verkehrs, von Straßen bis zu Ampelanlagen. (2) Technik lässt sich als Ergebnis geistig-kreativen Schaffens verstehen sowie als mentale und intellektuelle Aneignung durch die Nutzer. (3) Und Technik lässt sich als Stoffwechsel von Mensch und Natur, als materielle Aneignung der naturalen Welt begreifen. Ein solch umfassender, in Soziales, Geistiges und Materielles differenzierter Kulturbegriff kann als heuristisches Schema dienen, um die großen Umbrüche der Menschheitsgeschichte zu analysieren: das Neolithikum, die Industrialisierung und unsere Gegenwart. Die „Neolithische Revolution“ interpretierte man früher in eher technisch verengter Weise, welche weder der Totalität der Veränderungen noch der Bedeutung der Technik gerecht wurde. Man leitete ihn von archäologischen Funden neuartiger, nämlich geschliffener und durchbohrter, Steinwerkzeuge ab. Heute bezeichnet man mit „Neolithischer Revolution“ stattdessen den sich etwa zwischen 7000 und 3000 v. 7

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Dies ist natürlich ein viel weiterer Kulturbegriff als jener der „Kulturgeschichte“, welcher zur Zeit in der Geschichtswissenschaft Konjunktur hat. Vgl. Reckwitz, Transformation, bes. S. 64ff. Vgl. hierzu zum Beispiel Meyers Enzyklopädisches Lexikon. Mannheim u.a. 9. Aufl. 1975, Stichwort „Kultur“ und die dort angegebene Literatur. Vgl. König, Kulturvergleich.

1.1 Der menschheitsgeschichtliche Stellenwert der Technik

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Chr. abspielenden Übergang vom nomadischen Dasein zur Sesshaftigkeit. Dieser Übergang vom Jäger und Sammler zum Dorf- und Stadtbewohner war begleitet von gravierenden Veränderungen aller kulturellen Teilbereiche. Die Sesshaftigkeit ermöglichte Ackerbau und Viehzucht. Für den Ackerbau entstanden schwerere und leistungsfähigere Gerätschaften, wie der durch Tiere gezogene Hakenpflug. Das dauerhafte Verweilen an einem Ort erhöhte den Erfolg beim Züchten von Pflanzen und Tieren. Dies kam nicht nur der Ernährung zugute. Geeignetere pflanzliche Fasern aus Flachs oder Hanf sowie Wolle von Schafen und Ziegen dienten zur Herstellung von Kleidung. Auf dem Gewichtswebstuhl wurden mit der Handspindel gesponnene Fäden zu Geweben verarbeitet, welche gegenüber den vorher verwendeten Häuten und Fellen überlegene Trageeigenschaften aufwiesen. Sesshafte Menschen besaßen die Möglichkeit, über lange Zeit empirische Erfahrungen mit den an den jeweiligen Wohnsitzen vorkommenden Rohstoffen zu sammeln. Fortschritte bei der Verarbeitung der Rohstoffe hingen von nicht allzu oft vorkommenden Zufällen ab oder sie gingen aus der zeitaufwändigen Methode von Versuch und Irrtum hervor. So wurden im Neolithikum erstmals Tongefäße gefertigt, Erze verhüttet und Gläser hergestellt. Gefäße aus Ton dienten als Gebrauchsgeschirr und der Vorratshaltung, aus Bronze entstanden Waffen und Werkzeuge, und Glas wurde vor allem zu Kunstgegenständen verarbeitet. Das Zusammenleben in immer größeren Siedlungen schuf Regelungserfordernisse. Die Menschen sollten sich in ihrem privaten Umfeld entfalten, gleichzeitig aber die Nachbarn und die Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit nicht beeinträchtigen. Besondere Abstimmungserfordernisse traten in Flussund Wasserbaukulturen auf, wo Dämme und Kanäle zu bauen und zu unterhalten waren. Die Benutzung von Wasserwegen sowie Bewässerungsarbeiten verlangten Absprachen zwischen den Beteiligten. In solchen Kulturen entstanden hierarchische Strukturen, Rechtssysteme und Herrschaftsformen, d.h. die politische und soziale Differenzierung nahm zu. Parallel hierzu wuchs die funktionale Arbeitsteilung zwischen den Städten und Reichen, zwischen Stadt und Land sowie zwischen den städtischen Handwerken. Der Handel profitierte von der Erfindung des Rades und des Wagens. Als Höhepunkt der geistigen Entwicklungen entstand seit der Mitte des 4. Jahrtausend in Sumer und in Ägypten die Schrift. Sie diente in erster Linie als Herrschaftsmittel sowie der Kommunikation der Eliten. Schriftliche Aufzeichnungen dokumentierten Einnahmen und Ausgaben der Städte. Sie bewahrten die Gründungsmythen der Reiche und die Leistungen der Herrscher für die Nachwelt, fixierten die Gesetze und ermöglichten eine politische Kommunikation im eigenen Territorium und über die Grenzen hinweg. In der Neolithischen Revolution bildeten sich differenzierte sesshafte Gesellschaften heraus, in der Industriellen Revolution wurde eine beispiellose gesellschaftliche Dynamik in Gang gesetzt. Seit dem späten 18. Jahrhun-

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

dert entwickelte sich Großbritannien von einem Agrarstaat zu einem Industriestaat. Parallel hierzu setzte ein noch nie da gewesenes Wachstum der Bevölkerung ein. Die britische Industrialisierung wurde zum Modell für einen Transformationsprozess, der im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts zahlreiche andere Länder und Regionen erfasste. Den Kern des Industriesystems bildete die in Fabriken mit Hilfe von Maschinen stattfindende rationelle Massenproduktion. Die damit erzielte Verbilligung von Gütern und Dienstleistungen mündete langfristig in die Konsum- und Wohlstandsgesellschaft. Die zentrale stoffliche Ressource dieses Wandels war die Steinkohle. Die Zeit vor der Industrialisierung bezeichnete der Wirtschaftshistoriker Werner Sombart dagegen als „hölzernes Zeitalter“. Holz bildete über Jahrtausende den mit Abstand wichtigsten Werkstoff und Energierohstoff. Der Energieträger Steinkohle ersetzte das Holz nicht nur bei der Beheizung der Wohnungen, sondern auch in zahlreichen gewerblichen Prozessen. So sorgte Steinkohle für die Verbilligung von Eisen und Stahl und initiierte deren Aufstieg als massenhaft verwendete Werkstoffe. Steinkohle entwickelte sich zum wichtigsten Grundstoff der Chemieindustrie, aus dem Farben, Pharmazeutika und vieles mehr gewonnen wurde. Die vorindustriellen Gesellschaften waren – aus Not, aber auch aus Überzeugung – mehr auf Subsistenz denn auf Wachstum hin orientiert. Die Theoretiker der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft propagierten diese dagegen als überlegenes System der Bedürfniserfüllung und Wohlstandssteigerung. Mit der Durchsetzung des Marktes ging eine allgemeine Mobilisierung der Gesellschaft einher. Die aufstrebende Klasse des Bürgertums verdrängte langfristig den Adel, und demokratische Staatsformen lösten monarchische ab. Die soziale Mobilisierung wurde von einer räumlichen begleitet. Die Mehrzahl der Menschen zog vom Land in die Stadt. Millionen wanderten aus den armen in die reichen Länder. Verkehrstechniken wie Eisenbahn, Dampfschiff und Telegraph erleichterten diese neue Mobilität. Die Zeit seit den industriellen und politischen Revolutionen lässt sich auch als Zeitalter der Massen interpretieren, welche zunehmend als Gestalter der Geschichte auftraten. Auch Veränderungen der geistigen Kultur erschienen jetzt vorwiegend in Gestalt von Massenphänomenen. Erziehung wurde als öffentliche Aufgabe definiert. Die allgemeine Schulpflicht drängte den Analphabetismus zurück. Die erweiterte Lesefähigkeit bildete die Basis für neue Formen der Massenkommunikation. Deren wichtigste Träger waren zunächst die Printmedien, insbesondere die Zeitung, die sich an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auch Arbeiterhaushalte leisten konnten. Der Verbilligung des gedruckten Wortes lag das industrielle Maschinensystem zugrunde, bestehend aus Papier-, Setz- und Druckmaschinen. Befinden wir uns heute in einer ähnlich revolutionären Umbruchphase? Und kann das benutzte heuristische Kulturschema bei ihrer Identifizierung und Interpretation helfen? Offensichtlich befinden wir uns in einer Zeit gra-

1.1 Der menschheitsgeschichtliche Stellenwert der Technik

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vierender Veränderungen der Strukturen der Industriegesellschaft. Der Hinweis mag genügen, dass heute nur noch kleine Teile der Bevölkerung im industriellen Sektor arbeiten. Die Industrie schrumpft heute in ähnlichem Umfang wie die Landwirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert, ohne dass auf beide Verzicht geleistet werden könnte. Es ist ebenso offensichtlich, dass bislang kein überzeugender Begriff zur Charakterisierung des sich abspielenden epochalen Wandels zur Verfügung steht. Das hier vorgeschlagene triadische heuristische Kulturschema vermeidet von vornherein einseitige begriffliche Zuspitzungen. Die materielle Kultur der Gegenwart ließe sich kennzeichnen durch die Begriffe Akkumulation und Differenzierung. Die industrielle Entwicklung hat die Menschen mit einer historisch beispiellosen Menge hoch differenzierter Güter und Dienstleistungen ausgestattet. Deren Akkumulation bereichert das Leben, beinhaltet aber auch psychologische und ökologische Herausforderungen und wirft die ökonomische Frage der Sättigung auf. Dabei setzen weniger die verfügbaren Geldmittel Grenzen, sondern mehr das nicht erweiterbare Zeitbudget der Individuen. Jedenfalls gilt in einer entwickelten Konsumgesellschaft und auf einem differenzierten Käufermarkt das Saysche Theorem nicht mehr, dass sich jedes Produkt seinen Markt schaffe. Die sich ausdifferenzierende Welt der Güter und Dienstleistungen fußt technisch-wissenschaftlich auf einem sich dynamisch vermehrenden Reservoir an Werkstoffen sowie energetischen und informationellen Lösungen. Zwischen den erweiterten Möglichkeiten kundenspezifischer Einzellösungen und den Kostenvorteilen der Massenprodukte schafft sich der Markt ständig in Veränderung befindliche Gleichgewichte. Individualisierung und Globalisierung lassen sich als komplementäre Tendenzen der sozialen Kultur verstehen. Statistische Belege für die Individualisierung liefert die Entwicklung der Haushaltsgrößen mit den qualitativen Stationen der Großfamilie, der Kleinfamilie und heutzutage der Dominanz der Single-Haushalte jedenfalls in den Großstädten. Soziale Beziehungen werden zunehmend nicht mehr auf Dauer angelegt, sondern als sich überschneidende und ständig umgruppierende Netzwerke. Technisch gestützt wird diese Entwicklung durch die Kommunikations-, die Unterhaltungs- und die Haushaltstechnik. Globalisierung als Tendenz der sozialen Kultur meint weniger die in der Öffentlichkeit im Vordergrund des Interesses stehende ökonomische Globalisierung. Noch wichtiger ist, dass aus globalen und lokalen Elementen ein Patchwork neuartiger kultureller Lebensformen entsteht. Hierunter fallen z.B. die vielfältigen ethnischen und regionalen Küchen in den Großstädten, die Elemente unterschiedlicher Kulturen vereinigenden Kleidungsmoden, die Addition von Nahausflügen und Fernreisen, die räumliche Distanzen ignorierenden medialen Unterhaltungsangebote und vieles andere mehr. Roland Robertson hat für diese Integration des Globalen und Lokalen den Begriff der

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

Glokalisierung geprägt.10 Als weitere Dimension der Globalisierung verlieren die Nationalstaaten an Bedeutung. Auf lange Sicht wird dies durch übernationale und globale Institutionen kompensiert werden müssen. Die Gutenberg-Galaxis, die Welt des gedruckten Worts, ist dabei, ihre Dominanz zu verlieren. Medien wie Film, Rundfunk, Fernsehen und das Internet belegen schon längst größere Teile des Zeitbudgets. Wie sich auch immer die Informations- und Kommunikationstechniken im Einzelnen entwickeln werden, sie werden eine Renaissance der Mündlichkeit und Bildlichkeit mit sich bringen. Die erweiterten Möglichkeiten der Generierung von Bildern vergrößern deren Stellenwert in der Kommunikation. Das maschinelle Verstehen und Erzeugen von Sprache steigert die Bedeutung der Mündlichkeit. All dies wirkt bereits heute auf die Schriftlichkeit in Form einer Denormierung zurück. Die Vertreter der Welt Gutenbergs interpretieren dies – durchaus kurzschlüssig und aus einer historisch reduzierten Perspektive – als Kulturzerfall. Die Folgerungen und Aufgaben, die sich aus den Veränderungen der geistigen Kultur ergeben, sind jedoch viel komplexer. Es gilt zu neuen Verbindungen von Text, Bild und Ton zu gelangen, welche die spezifischen Vorteile der jeweiligen Ausdrucksformen nutzen.

1.2 DIE TECHNIK IN DEN WISSENSCHAFTEN Die Technik war und ist im System der Wissenschaften immer explizit oder implizit präsent, jedoch veränderte sich vielfach ihr Ort und ihre Bewertung. So bereitete es den mittelalterlichen Wissenschaftssystematikern noch sichtlich Schwierigkeiten, die Artes mechanicae inner- oder außerhalb des Wissenschaftssystems zu platzieren. In der frühen Neuzeit wurde in der Naturwissenschaft der Anspruch formuliert, die Technik mit den eigenen Arbeiten zu erfassen oder jedenfalls die Grundlagen für technische Anwendungen zu schaffen. Die im 18. Jahrhundert im Rahmen der Kameralwissenschaften entstehende Technologie wiederum beschränkte sich weitgehend auf die Sammlung und Verwaltung technischen Wissens und klammerte dessen Weiterentwicklung aus. Weder die Naturwissenschaften noch die kameralistische Technologie wurden den Ansprüchen der nachholenden Industrialisierung gerecht. Vor diesem Hintergrund erfolgte im 19. Jahrhundert die Institutionalisierung und der Ausbau der Technikwissenschaften als neue Disziplingruppe. Aber selbst bei den Technikwissenschaften dauerte es etwa ein halbes Jahrhundert, bis sie praxisrelevant wurden. Ihre praktischen Erfolge erkauften die Technikwissenschaften allerdings mit einer konzeptionellen Eingrenzung ihres Gegenstandsbereichs. Sie konzentrierten sich auf die Struktur und Funktion der 10 Robertson, Globalization.

1.2 Die Technik in den Wissenschaften

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Technik und klammerten deren Entstehungs- und Verwendungszusammenhänge aus. Den von den Technikwissenschaften außen vor gelassenen Raum des Beziehungsgeflechts von Technik, Kultur und Gesellschaft besiedelten im Laufe des 20. Jahrhunderts die Geistes- und Sozialwissenschaften. Sie taten dies allerdings sehr zögerlich – aufgrund auch heute noch nachwirkender disziplinärer Leitbilder wie „reine Wissenschaft“ oder „Idealismus versus Materialismus“, sowie dominierender zentraler Themenfelder wie „Kapital und Arbeit“ oder „Macht und Herrschaft“. So entstand erst in den letzten Jahrzehnten – mannigfaltige historische Vorläufer ausgeklammert – eine relevante sozialund geisteswissenschaftliche Technikforschung. Heute ist die Technik in allen wissenschaftlichen Disziplinen in mehr oder weniger großem Umfang präsent, und zwar einerseits als Arbeitsmittel und andererseits als Untersuchungsgegenstand. Experimentelle Wissenschaften hängen wesentlich von der technischen Ausstattung ihrer Labore ab. Für die Naturwissenschaften formulieren neuere theoretische Arbeiten, dass – so die schwache Fassung – die Labortechnik die Grenzen dafür setzt, was von den Forschern herausgefunden werden kann, oder – so die starke Fassung –, die Forschungsergebnisse weitgehend determiniert.11 Aber auch in den Sozial- und Geisteswissenschaften lassen sich zahlreiche Fragen ohne technische Hilfe, man denke an leistungsfähige Rechner, nicht mehr beantworten. Und selbst geisteswissenschaftliche Traditionalisten denken darüber nach, in welcher Weise das Schreiben auf dem Computer die Inhalte beeinflusst. Die Technikwissenschaften sind die einzige große Wissenschaftsgruppe, für welche die Technik das zentrale Thema darstellt. In anderen Disziplinen bildet sie einen Gegenstand unter anderen: So geht es in den Naturwissenschaften um in der Technik wirkende Naturgesetzlichkeiten, in der Nationalökonomie um den Beitrag technischer Innovationen zum wirtschaftlichen Wachstum, in der Psychologie um den Beitrag der Alltagstechnik zu psychischen Störungen, in der Literaturwissenschaft um Technik als belletristisches Sujet, in der Musikwissenschaft um die Instrumentierung und die Musikwiedergabe usw. usw. Das Gemeinsame besteht darin, dass diese Disziplinen ihre spezifischen Fragestellungen an die Technik herantragen. Daneben gibt es eine Reihe geistes- und sozialwissenschaftlicher Subdisziplinen, welche sich die Technik zum Gegenstand gemacht haben, wie die Technikgeschichte, die Technikphilosophie, die Techniksoziologie, das Technikrecht usw. Der Grad der Verselbständigung und Institutionalisierung dieser „Bindestrich-Disziplinen“, ihr Stellenwert in den Mutterwissenschaften

11

Vgl. als instruktiver Überblick zu neuen Fragen der Wissenschaftsforschung: Hentschel, Historiographische Anmerkungen.

16

1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

und ihre historische Orientierung sind sehr unterschiedlich. Hierauf wird später noch zurückzukommen sein. Eine Reihe prominenter Schemata und Begriffe dient der Ordnung der historisch gewordenen Disziplinenvielfalt. Bleibenden Einfluss besitzt die These der „Zwei Kulturen“, welche der britische Chemiker Charles P. Snow 1959 in einem Vortrag formulierte.12 In erweiterter und präzisierter Form besagt sie, dass sich die Angehörigen der technisch-naturwissenschaftlichen Welt sowie der geistes- und sozialwissenschaftlichen weder verstehen noch schätzen. Die von Snow vorgenommene Grenzziehung dürfte die Weltsicht und den Habitus der meisten Wissenschaftler immer noch in angemessener Weise wiedergeben, wiewohl die Zahl der Grenzgänger beträchtlich gewachsen ist. Jedenfalls mutet es eher als ein Pfeifen im Walde an, wenn manche Wissenschaftler die behauptete Dichotomie als „Snow von gestern“ abtun.13 Die Wirkmächtigkeit der Snowschen These zeigt sich auch darin, dass der Soziologe Wolf Lepenies mit dem Begriff der „Drei Kulturen“ auf Differenzen zwischen den Sozial- und den Geisteswissenschaften hingewiesen hat.14 Der Philosoph Walther Zimmerli zählt sogar „vier Kulturen“ auf: die Geistes-, Sozial-, Natur- und Technikwissenschaften.15 Die von Zimmerli vorgeschlagene Klassifikation zeichnet sich dadurch aus, dass sie den zentralen Gegenstand der jeweiligen Wissenschaftsgruppe benennt. Das Gleiche gilt für die – allerdings wesentlich grobere – Gliederung des Wissenschaftssystems in Natur- und Kulturwissenschaften. Die Wissenschaftsklassifikationen unterscheiden sich entweder – graduell – nach der Feinheit der vorgenommenen Unterteilung oder – prinzipiell – nach den herangezogenen Kriterien. So bezieht sich die Unterscheidung zwischen Erkenntnis- und Handlungswissenschaften auf die dominierenden Zielsetzungen der beiden Wissenschaftsgruppen. Wenn ich mich im Folgenden der „klassischen“ Gliederung Natur-, Technik-, Geistes- und Sozialwissenschaften anschließe, so stehen dahinter Opportunitätserwägungen. Sie dürfte auch heute noch die häufigste Verwendung finden und besitzt zur groben Orientierung eine hinreichende Trennschärfe. Gemäß gängiger Interpretationen erklären die Naturwissenschaften die ungestaltete sowie die vom Menschen gestaltete Natur, indem sie die zu Grunde liegenden Gesetzlichkeiten herausarbeiten. Die Technikwissenschaften erkunden Regelhaftigkeiten vorhandener und möglicher Technik. Die Geisteswissenschaften bemühen sich um das Verständnis und die Interpretation der Ergebnisse geistigen Schaffens mit einem Schwerpunkt auf Texten. Und die

12 13 14 15

Snow, The Two Cultures. H. Weinrich nach Janich, Konstruktivismus, S. 16. Lepenies, Die drei Kulturen. Zimmerli, Ingenieurausbildung, S. 14, spricht zwar von „vier Kulturen“, arbeitet diese Wissenschaftsklassifikation aber nicht weiter aus.

1.3 Technikwissenschaften

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Sozialwissenschaften arbeiten Interaktionen und Wirkungszusammenhänge in gesellschaftlichen Ordnungssystemen heraus. Unterhalb der Ebene der vier großen Disziplingruppen strebe ich weder eine umfassende noch eine systematische Behandlung der Disziplinen und Teildisziplinen an, die sich mit Technik beschäftigen. Meine Auswahl zielt vielmehr auf jene, in denen die Technik, besonders die historische Technik, einen relevanten Stellenwert besitzt und welche substanziell zur Technikforschung und Technikdiskussion beigetragen haben. Manche dieser Subdisziplinen verfolgen einen mehr holistischen, manche einen mehr atomistischen Ansatz. Die Relativierung ergibt sich daraus, dass es sich bei Holismus und Atomismus um Idealtypen bzw. um regulative Ideen handelt. Weder lässt sich Ganzheit erfassen, noch lassen sich die Dinge auf ihre letzten Grundbestandteile zurückführen. In der Technikforschung finden sich mehr holistische Ansätze in der Technikphilosophie, der Allgemeinen Technologie, der Technikgeschichte und der Techniksoziologie. Die Technikphilosophie erhebt den Anspruch, das Wesentliche an der Technik zu erfassen; die Allgemeine Technologie den einer übergreifenden Wissenschaft der Technik;16 die Technikgeschichte will die gesamte historische Technik in ihren relevanten Facetten behandeln; und die Techniksoziologie geht von einer umfassenden gesellschaftlichen Prägung der Technik aus. Die Orientierung an traditionellen Disziplinen wird denen nicht gefallen, die prinzipielle Kritik an der disziplinären Verfasstheit des Wissenschaftssystems üben und stattdessen eine Orientierung an Problemen einfordern. Nun wäre es leicht zu zeigen, dass sich diese Forderung durchaus mit eigenen disziplinären Scheuklappen verträgt. Wichtiger ist, dass es sich bei der post-disziplinären Wissenschaft um eine – wie ich meine: notwendige und fruchtbare – Utopie handelt, dieses Buch aber zunächst die realen Orte der Wissenschaft aufsucht. Dagegen werde ich mich bei der späteren Behandlung der „Theorien der Technikgeschichte“ bemühen, die disziplinären Orientierungen zu überwinden.

1.3 TECHNIKWISSENSCHAFTEN Anfänge der Technikwissenschaften17 sind mindestens in den alten Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens zu finden. Auch ließe sich seit dieser Zeit eine Tradition einerseits der theoretischen Mechanik und andererseits der Systematisierung der praktischen Technik rekonstruieren. Seit dem 17. Jahrhundert erfolgte dann die Vermittlung theoretischen technischen Wissens und praktischer technischer Fertigkeiten an Schulen. Solche Schulen ver16 S. u. S. 56 17 Als knapper Überblick s. König in Banse u.a., Erkennen, S. 24–37 und die dort angegebene Literatur.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

sorgten vor allem den Staat mit Militär-, Bau- und Bergbauingenieuren. Im frühen 19. Jahrhundert kamen technische Schulen für die Ausbildung von Ingenieuren für Industrie und Gewerbe dazu. Das zentrale, anlässlich der Gründungen formulierte Ziel: mit Hilfe der Absolventen die nachholende Industrialisierung zu beschleunigen, erreichten die technischen Schulen – von Ausnahmen abgesehen – allerdings nur sehr bedingt und mit zeitlicher Verzögerung. Erst in der Zeit der Hochindustrialisierung, seit den 1880er Jahren, nahm die Industrie Absolventen der höheren technischen Schulen, die sich in Deutschland jetzt Technische Hochschulen nannten, mit großer Bereitschaft auf. Bis etwa 1860 bemühten sich die jungen Technikwissenschaften vor allem um eine Systematisierung der technischen Praxis. Sie suchten die der vorhandenen Technik zu Grunde liegenden Regelhaftigkeiten herauszuarbeiten und diese damit lehrbar zu machen. Die Zeit danach bis etwa 1890 prägte eine Tendenz zur Theoretisierung. Das Ziel bestand darin, die Technik durch ein kohärentes und konsistentes System mathematisch formulierter physikalischer Gesetze und Regeln zu beschreiben. Dies gelang zwar ansatzweise, aber die Ergebnisse hatten häufig wenig Relevanz, da sie von der praktischen Technik abgehoben waren. Die dagegen vorgebrachte Kritik führte zu einer grundlegenden Umgestaltung der Technikwissenschaften. Seit der Jahrhundertwende bauten die Technischen Hochschulen ihre Laboreinrichtungen aus, und die Technikwissenschaften entwickelten sich zu experimentellen Erfahrungswissenschaften. Naturwissenschaftliches und mathematisches Wissen behielt seine Bedeutung, wurde aber bei der technikwissenschaftlichen Modellbildung an die Versuchsergebnisse und die Erfahrungen der Praxis rückgekoppelt. Damit erreichten die Technikwissenschaften methodische Eigenständigkeit und kamen ihrem Ziel näher, einen Beitrag zur Technikgestaltung zu leisten. Im 19. Jahrhundert huldigten die Technikwissenschaften dem Leitbild des Konstrukteurs. Sie erzeugten und vermittelten Wissen, das für die Konstruktion von Maschinen benötigt wurde. Im Laufe des 20. Jahrhunderts kamen weitere Leitbilder und Wissensbestände hinzu: für die Forschung und Entwicklung, die Produktion und das Marketing. Das Zielsystem für die technische Gestaltung fächerte sich auf und integrierte auch Werte wie Umweltund Sozialverträglichkeit. Neue technische Gebiete wie die Kerntechnik, die Raumfahrt oder die Biotechnologie reicherten das Fächerspektrum an. Und leistungsfähige Rechner gestalteten Forschung und Lehre um. Die Rechner kamen bei statistischen Auswertungen zum Einsatz, bei aufwendigen Berechnungen, beim Entwerfen von Maschinen und bei Simulationen. In der um 1800 eine Blüte erlebenden kameralistischen Technologie hatte es durchaus Ansätze für eine wissenschaftliche Durchdringung des Problemkreises Technik und Gesellschaft gegeben. Als sich die Technikwissenschaften im Laufe des 19. Jahrhunderts mehr und mehr an den Leitdisziplinen

1.3 Technikwissenschaften

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Physik und Mathematik orientierten, sonderten sie die gesellschaftlichen Bezüge der Technik aus ihrem Aufgabenbereich aus. Dies galt eine Zeitlang auch für die ökonomischen Zusammenhänge, welche später teilweise wieder in die Technikwissenschaften zurückgeholt wurden. Darüber hinausgehende Konzepte einer integrativen Behandlung von Technik und Wirtschaft scheiterten. Andere geistige und gesellschaftliche Elemente der Technik fanden höchstens ad hoc Eingang. Damit deckten und decken die Technikwissenschaften mit der strukturellen und funktionalen Gestaltung technischer Sachsysteme einen zentralen Bereich der Technikforschung ab, belassen aber grundlegende Fragen der Technikentstehung und Technikverwendung anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Dagegen verfolgt die „Allgemeine Technologie“ den Anspruch einer Technik und Gesellschaft integrierenden Metatheorie.18 Der Begriff „Technologie“ schließt an die um 1800 veröffentlichten Arbeiten des kameralistischen Ökonomen Johann Beckmann (1739–1811) an. Die seit den späten 1970er Jahren von Autoren wie Horst Wolffgramm19 und Günter Ropohl20 ausgearbeitete „Allgemeine Technologie“ griff auf systemtheoretische und systemtechnische Ansätze zurück. Die als gesellschaftliches Phänomen interpretierte Technik sollte systematisch über Begriffe, Klassifikationen, Methoden und Theorien erschlossen werden.21 Bislang zeigten sich allerdings die Technikwissenschaftler an dem Angebot wenig interessiert.22 Nicht viel besser sieht es mit dem ebenfalls auf der Basis des Konzepts propagierten allgemeinbildenden Technikunterricht aus. Einen solchen Unterricht gibt es zur Zeit nur in wenigen Schulformen, und die Allgemeine Technologie konkurriert hierbei mit anderen didaktischen Ansätzen. Der im 19. Jahrhundert von Ingenieurwissenschaftlern verfolgte erweiterte Technikbegriff bot durchaus Raum für historische Reflexionen. Die Ingenieurprofessoren beschäftigten sich mit der Geschichte ihrer eigenen Disziplin und stellten vielfältige Bezüge zur Kulturgeschichte her. Dagegen entzog die mit der Zeit stattfindende Orientierung an der Physik und der Mathematik sowie der Übergang von eine mehr reaktiven Technikbetrachtung zu einer mehr antizipativen Technikgestaltung der Technikgeschichte innerhalb der Technikwissenschaften den Boden. Das Vergangene schien für die zukunftsorientierten Forschungs- und Entwicklungsaufgaben keine Bedeutung mehr zu besitzen.

18 Vgl. die neueren Arbeiten: Banse/Reher, Fortschritte; Ropohl in: Banse u.a., Erkennen, S. 331–41. 19 Wolffgramm, Allgemeine Technologie. 20 Ropohl, Systemtheorie; in 2. Auflage unter dem Titel: Allgemeine Technologie. 21 Vgl. die Aufzählung der „Kernthemen“ bei Ropohl in: Banse u.a., Erkennen, S. 338. 22 Eine Ausnahme stellt Günther Spur dar: Spur, Zum Selbstverständnis, S. 50f.; Spur, Technologische Innovationen, S. 34.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

Der Technikgeschichte blieben Nischen in der Ingenieurwelt erhalten – allerdings weniger im akademischen Bereich. Vielmehr wurde die Technikgeschichte den Ingenieurvereinen angegliedert, wo sie nicht zuletzt der gesellschaftlichen Aufwertung der Technik und der Ingenieure diente.23 Seit den 1960er Jahren übernahmen dann die Historiker die Technikgeschichte, reformierten sie, etablierten sie an den Universitäten und bauten sie aus. In den Technikwissenschaften selbst werden systematische technikgeschichtliche Fragen kaum mehr gestellt. Dies schließt nicht aus, dass vereinzelt Dissertationen entstehen, die technikwissenschaftliche Ansätze an historischem Material erproben. Und es schließt nicht aus, dass sich die Technikwissenschaften von Fall zu Fall – meist anlässlich von Jubiläen – ihrer Tradition vergewissern. Die inzwischen im Rahmen der Geschichtswissenschaft angesiedelte Technikgeschichte bleibt allerdings für nicht wenige Fragestellungen auf technikwissenschaftliches Wissen angewiesen. Die selbst eine große Heterogenität besitzenden Technikwissenschaften können dieses natürlich nicht in geschlossener Form zur Verfügung stellen. Es muss vielmehr ad hoc problembezogen aktiviert bzw. erzeugt werden. Hierbei können technisch-historische Doppelqualifikationen oder Kooperationen zwischen Historikern und Ingenieuren hilfreich sein, aber vielfach sind die Technikhistoriker auf Eigeninitiative und auf die Erweiterung ihres technischen Wissens verwiesen.

1.4 NATURWISSENSCHAFTEN Der Begriff der „Naturwissenschaften“ suggeriert eine Einheitlichkeit, was in mehrerlei Hinsicht der Relativierung bedarf. So ist die Abgrenzung zu den Kulturwissenschaften weniger scharf, als es bei oberflächlicher Betrachtung erscheinen mag. In der Regel haben es heute die Naturwissenschaften mit einer vom Menschen überformten oder umgestalteten Natur zu tun. Die Biologie hat zu berücksichtigen, dass der Mensch zu einem zentralen Element der Evolution geworden ist. Die Chemie beschäftigt sich kaum noch mit Naturstoffen, sondern mit Synthesen, d.h. im Verständnis mancher Techniktheoretiker: mit Technik.24 Die Physik untersucht naturale Effekte in technischen Gegenständen und Systemen. Und darüber hinaus hat es heute selbst eine Physik der Atmosphäre mit den Resultaten menschlicher Aktivitäten zu tun. Dann steht der Begriff „Naturwissenschaften“ für eine ansehnliche disziplinäre Vielfalt, für welche unterschiedliche Gliederungen vorgeschlagen worden sind. Früher markierte man mit dem Begriff „exakte Naturwissen23 S. u. S. 44f. 24 So Rumpf, Gedanken, S. 5f. Es ist denn auch alles andere als eine Überraschung, wenn Chemiehistoriker die Chemie als frühe „Technoscience“ entdecken: vgl. z.B. Klein, Technoscience.

1.4 Naturwissenschaften

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schaften“ vor allem die Physik als prototypische Gesetzes- und Erklärungswissenschaft – sowie jene Disziplinen, die sich am Leitbild der Physik orientierten. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde diese vermeintliche Exaktheit der Physik jedoch in vielerlei Hinsicht relativiert. Der Begriff „Lebenswissenschaften“ hob den Unterschied zwischen belebter und unbelebter Natur hervor. Und eine Reihe von Naturwissenschaften wie die Biologie und die Geologie zeichnen sich durch einen historischen Charakter aus. Viele Naturwissenschaftler sahen früher – und manche sehen dies wohl auch heute noch so – in der Technik primär eine angewandte Naturwissenschaft und verwandten dies als rhetorische Figur zur gesellschaftlichen Legitimation ihres Faches. Eine solche aus der begrenzten Perspektive einer Disziplin herrührende Interpretation der Technik ignoriert, dass naturwissenschaftliche Erkenntnisse in der Regel keine unmittelbare Anwendung in der technischen Praxis finden. Sie bedürfen der Ausarbeitung und der Integration in erweiterte technische, ökonomische und soziale Zusammenhänge. Manchmal dauert es Jahre und Jahrzehnte, bis sich naturwissenschaftliche Entdeckungen in neuen Techniken niederschlagen. An diesem langwierigen Prozess sind zahlreiche Angehörige weiterer Wissenschaften beteiligt, aber auch Nicht-Wissenschaftler, wie Ingenieure, Unternehmer, Manager und Politiker. Es liegt auf der Hand, dass der Begriff der „Anwendung“ dabei ganz unterschiedliche Bedeutungen gewinnen kann. In der Perspektive der Naturwissenschaften ist es entscheidend, dass sich naturwissenschaftliche Entdeckungen – in welcher Weise und wann auch immer – in technischen Entwicklungen wiederfinden lassen. In der Perspektive der Technikforschung geht es darum, wann man von einer gesellschaftlichen Integration technischer Innovationen sprechen kann und welche Akteure und Gegebenheiten daran beteiligt waren. Eine umgekehrte Betrachtungsperspektive nehmen Wissenschaftsforscher ein, die den technischen Charakter der Naturwissenschaften hervorheben. Sie verweisen darauf, dass bereits die ältere, aber erst recht die moderne Wissenschaft ohne Laborausrüstung, Messinstrumente und Datenverarbeitungsanlagen schwerlich auskommt. Das reicht vom einfachen Thermometer bis zu – von manchen als größte Maschinen der Welt apostrophierten – Anlagen zur Erzeugung hochenergetischer Teilchen. Konstruktivistische bzw. instrumentalistische Positionen sehen einen Einfluss der Experimentaltechnik auf die wissenschaftlichen Ergebnisse. Die Labortechnik determiniere zumindest den Möglichkeitsraum für die wissenschaftliche Erkenntnis, oder – so eine weiter gehende Interpretation – sie determiniere die Wissenschaft selbst. Zugespitzt: Der Wissenschaftler untersuche nicht die Natur, sondern sein Labor; die Physik werde zu einer modifizierten Technikwissenschaft.25 Gegen solche zugespitzten Positionen wird argumentiert, dass die Laborar25 So Grunwald in: Banse u.a., Erkennen, S. 212.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

beit immer auch Unerwartetes hervorbringe, welches seinen Grund nicht in der Labortechnik habe.26 Die in der Wissenschaftsforschung durchgeführten „Laborstudien“ zielten aber nicht nur auf den technischen, sondern auch auf den sozialen Charakter der Laborarbeit.27 Sie arbeiteten heraus, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse und deren Präsentation in der Scientific Community aus einer Interaktion der am Forschungsprozess Beteiligten hervorgingen. Kulturalistische Ansätze der Wissenschaftsforschung erweiterten den von den Laborstudien betrachteten Kontext und betonten die Einbindung der Wissenschaft und der Wissenschaftler in die Kultur- und Lebenswelt.28 Mit dem Begriff „Technoscience“ wird eine starke Analogie zwischen Wissenschaft und Technik formuliert oder – darüber hinausgehend – deren Zusammenwachsen und zunehmende Ununterscheidbarkeit behauptet.29 Begründungen verweisen u.a. auf den Produktionscharakter der Wissenschaft. Dabei wird allerdings ignoriert, dass der Produktion der Technik und der Produktion der Wissenschaft unterschiedliche Ziele zugrunde liegen. In den Naturwissenschaften geht es primär um Erkenntnis mit dem Ziel einer Profilierung innerhalb der Scientific Community, in der Technik um Gestaltung mit dem Ziel einer wirtschaftlichen Verwertung. Die jeweiligen Prioritäten schlagen sich in einem unterschiedlichen Habitus der Wissenschaftler und der Techniker nieder. Die hier vorgenommene Entgegensetzung von Wissenschaft und Technik schließt nicht aus, dass die ohnehin fließenden Übergangsbereiche zwischen beiden größer werden und dass die Zuordnung von Gebieten wie der Biotechnologie schwer fällt.30 Es sind besonders die unterschiedlichen Zielsysteme, die es angeraten erscheinen lassen, Wissenschaft und Technik weiterhin als eigenständige, wenn auch eng gekoppelte gesellschaftliche Sphären zu betrachten.31 Der engen Kopplung liegen nicht zuletzt gemeinsame Leitbilder wie Rationalität und Präzision zugrunde. Die Technikgeschichte hat von der älteren und früher akademisch institutionalisierten Wissenschaftsgeschichte vielfach profitiert. Beide Teildisziplinen pflegten seit etwa 1900 fruchtbare institutionelle und inhaltliche Kooperationen. Spannungen ergaben sich in erster Linie aus dem von manchen Wissenschaftshistorikern vertretenen Anspruch, die Technik – da diese ja angewandte Naturwissenschaft sei – mit abzudecken. Die nach akademischer

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Vgl. Rheinberger, Experimentalisierung. Eine klassische Studie ist: Knorr-Cetina, Fabrikation. Janich, Konstruktivismus. Vgl. zu Technoscience das als klassische geltende Werk: Latour, Science; sowie Felt/ Nowotny/Taschner, Wissenschaftsforschung, S. 184–86; Strübing, Von ungleichen Schwestern; Hard/Jamison; Hubris. 30 Vgl. zur Biotechnologie Karafyllis, Biofakte; Karafyllis, Hybride; Ropohl, Wider die Entdinglichung; Ropohl, Biotechnik. 31 Vgl. Weingart, Stunde.

1.5 Sozialwissenschaften

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Anerkennung strebenden Technikhistoriker konnten darin die Gefahr sehen, dass die Technikgeschichte quasi überflüssig würde. Mit der universitären Verankerung der Technikgeschichte seit den 1960er Jahren verlor diese Institutionalisierungskonkurrenz an Schärfe. Bestehen blieben die oben angesprochenen fundamentalen Fragen nach den Wechselbeziehungen zwischen Naturwissenschaft und Technik, insbesondere die nach dem technischen Charakter der modernen Naturwissenschaft sowie nach den naturwissenschaftlichen Grundlagen der modernen Technik. In der Technikgeschichtsschreibung geht es vor allem um den Beitrag der Naturwissenschaften zu technischen Innovationen.32 Die Partialperspektive der Naturwissenschaftsgeschichte überzeichnete meist diesen Anteil. Umgekehrt birgt die zunehmende kulturgeschichtliche Orientierung der Technikgeschichte die Gefahr, dass der Innovationsbeitrag der Naturwissenschaftsgeschichte von vornherein ausgeblendet wird. Der Beitrag der Naturwissenschaften zu technischen Innovationen wird fälschlicherweise manchmal mit der Verwissenschaftlichung der Technik gleichgesetzt. Das Konzept der Verwissenschaftlichung der Technik hat jedoch das gesamte Wissenschaftssystem zu berücksichtigen, insbesondere die Technikwissenschaften. Dabei darf einerseits nicht vergessen werden, dass Technik in der Technikgeschichtsschreibung nicht nur die Entstehung, sondern auch die Verwendung der Technik meint. Die Technikverwendung jedoch ist weit weniger verwissenschaftlicht als die Technikentstehung. Und andererseits bedarf der vage Begriff der „Verwissenschaftlichung“ einer Präzisierung: Ich habe vorgeschlagen, darunter die Dominanz antizipativer Theorie in Erfindungs-, Entwicklungs- und Konstruktionsprozessen zu verstehen – und nicht einfach einen mehr oder weniger relevanten Anteil der Wissenschaften an der Technikgenese.33

1.5 SOZIALWISSENSCHAFTEN „Sozialwissenschaften“ wird hier weit verstanden und bezieht alle Disziplinen mit ein, die sich auf einer höheren Generalisierungsebene mit gesellschaftlichen Verhältnissen beschäftigen. Die Grenze zu den Geisteswissenschaften ist – wie im Fall der Geschichte – fließend. Vielfach finden sich unter dem Dach einer Disziplin mehr geistes- oder mehr sozialwissenschaftliche Richtungen. In solchen nicht eindeutigen Fällen lehnt sich meine Zuordnung an übliche Konventionen der Wissenschaftsklassifikation an. Unter den sozialwissenschaftlichen Disziplinen gehe ich nur auf die Soziologie und die Ökonomie ein, weil die Technikgeschichte in größerem Umfang auf dort ent-

32 Vgl. hierzu die aktuellen Auseinandersetzungen um den Artikel von Forman, Primacy. 33 Vgl. hierzu König, Technikwissenschaften, S. 297–323.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

wickelte Theorien zurückgegriffen hat. Andere sozialwissenschaftliche Gebiete wie die Rechtswissenschaften werden hier ausgespart.34 Grundsätzlich ist zwar alles einer rechtlichen Beurteilung zugänglich und juristische Teilgebiete wie das Patent-, Umwelt- oder Datenschutzrecht sind mittel- oder unmittelbar aus der technischen Entwicklung hervorgegangen. Es bleibt aber zweifelhaft, ob sie sich unter dem Begriff des Technikrechts zusammenfassen lassen und ob die Technik tatsächlich neue rechtliche Probleme konstituiert oder nur eine Anwendung und Anpassung überkommener Rechtsgrundsätze erfordert. 1.5.1 Soziologie35 Mindestens seit der Industriellen Revolution war der Stellenwert der Technik so augenscheinlich, dass er schwerlich von den zeitgenössischen Gesellschaftstheoretikern übersehen werden konnte. Dies gilt auch für soziologische Klassiker wie Karl Marx (1818–1883), Émile Durkheim (1858–1917) und Max Weber (1864–1920). Für Marx bildete die Technik eine besonders bewegliche Produktivkraft und damit ein wichtiges Element gesellschaftlichen Wandels. Durkheim verortete die Technik unter seinen „sozialen Tatsachen“. Und für Max Weber gehörte die Technik in den Kontext der Rationalisierung, ein Begriff, mit dem er die grundlegenden Tendenzen der Moderne zusammenfasste. Marx, Durkheim und Weber widmeten der Technik also keine eigenständigen Betrachtungen, sondern sie bezogen sich im Zusammenhang umfassender Geschichts- und Gesellschaftstheorien auf sie. Auf die Klassiker zurückgreifend, bestimmte die sich herausbildende akademische Disziplin Soziologie die kollektiven menschlichen Beziehungen als ihren zentralen Gegenstand und suchte ihm mit Hilfe von Begriffen wie „Klasse“, „Schicht“ oder „Gruppe“ eine Ordnung zu geben. Dabei gehörte es zu den soziologischen Prämissen, Soziales durch Soziales zu erklären. Die Technik ließ sich in dieses Schema einpassen, wenn man sie als soziales Konstrukt unter anderen begriff. Die Frage nach den Spezifika der Technik trat demgegenüber in den Hintergrund. Eine Reihe moderner Soziologen sieht das Spezifikum der Technik in ihrer Materialität,36 was jedoch der Mehrzahl der Fachvertreter Schwierigkeiten bereitet.

34 Zur Technik in den Rechtswissenschaften: Kornblum, Technik. 35 Besonders profitiert habe ich bei den Überlegungen zu diesem Kapitel von Huisinga, Theorien, S. 177– 250; Rammert, Technikvergessenheit; Rammert, Was ist Technikforschung? Strübing, Von ungleichen Schwestern; Joerges, Technik – das Andere; Degele, Einführung; Fohler, Techniktheorien, S. 235–63. 36 So Joerges, Prosopoietische Systeme; Braun/Joerges, Technik, S. 36–39.

1.5 Sozialwissenschaften

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Auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tauchte die Technik im Kontext soziologischer Großtheorien auf. Hierzu gehörte in den 1950er und 1960er Jahren die Technokratiedebatte.37 Sie knüpfte an den zentralen soziologischen Themenkomplex „Macht und Herrschaft“ an und markierte die Macht der technischen Experten bzw. die Eigendynamik einer entfesselten Technik als Signa einer neuen Epoche. Sozialwissenschaftliche Modernisierungstheorien bezogen sich auf den menschheitsgeschichtlichen Übergang von traditionalen in moderne Gesellschaften.38 Wenig verwunderlich unterlag dabei die Bestimmung der Moderne beträchtlichen Veränderungen. Die Technik wurde – in der Tradition Max Webers – meist unter die Kategorie „Rationalisierung“ subsumiert. In seiner großen in den 1970er Jahren vorgelegten dualistischen Gesellschaftsinterpretation machte Jürgen Habermas die fundamentale Unterscheidung zwischen „Arbeit und Interaktion“, „zweckrationalem und kommunikativem Handeln“ sowie „System und Lebenswelt“.39 Dabei platzierte er die Technik in das zu überwindende bzw. zurückzudrängende Reich von Arbeit, Zweckrationalität und System. Von den mehr empirisch ausgerichteten Bindestrich-Soziologien befasste sich vor allem die Industriesoziologie mit der Technik. Den Industriesoziologen fiel es nicht schwer, an die Beschäftigung der Klassiker mit Arbeit und Kapital anzuschließen. In der Bundesrepublik profitierte die Industriesoziologie zunächst von der Restitution und dem Aufstieg der industriellen Gesellschaft, danach von ihrem Niedergang. Das zentrale industriesoziologische Thema bildeten die Arbeitsbeziehungen in den industriellen Unternehmungen. Ähnlich wie die Betriebswissenschaftler bezogen die Industriesoziologen dabei die Technik als endogene Variable in ihre Arbeiten mit ein. Das institutionelle Gewicht der Industriesoziologie trug wesentlich dazu bei, dass sich eine Techniksoziologie erst spät entfalten konnte und dass Themen wie Technik und Kultur sowie Technik, Alltag und Konsum erst mit zeitlicher Verzögerung Eingang in das techniksoziologische Themenfeld fanden. Zudem liegt die Interpretation nahe, dass die Abgrenzung der Techniksoziologie von der Industriesoziologie dazu beitrug, dass sie längere Zeit die ökonomische Dimension der Technik vernachlässigte. Eine bis zur Gegenwart zentrale Frage der Techniksoziologie ist die nach dem Wechselverhältnis von Technik und Gesellschaft – oder genauer gesagt: zwischen dem gesellschaftlichen Teilsystem Technik und anderen gesellschaftlichen Teilsystemen. Ein techniksoziologischer Pionier wie Hans Linde (1913–1993) legte noch in den 1970er Jahren den Schwerpunkt auf die technische Verfasstheit der Gesellschaft.40 Linde arbeitete heraus, wie Sachen so37 Vgl. hierzu Ellul, Technique; Schelsky, Mensch; Koch/Senghaas, Texte; Lenk, Technokratie. 38 S. u. S. 101f. 39 Habermas, Technik; Habermas, Theorie. 40 Linde, Sachdominanz; vgl. Linde, Soziale Implikationen.

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ziale Verhältnisse begründen, so die Wohnung das Verhältnis von Mieter zu Vermieter. Der sich im Laufe der 1980er Jahre institutionalisierenden „neuen Techniksoziologie“ ging es dagegen um die gesellschaftliche Verfasstheit der Technik.41 Theoretisch ließ sie sich dabei vor allem von der Wissenschaftssoziologie anregen, übersah allerdings eine Zeitlang die fundamentalen Unterschiede zwischen wissenschaftlichen und technischen Zielsetzungen. Die empirisch ausgerichteten Techniksoziologen beschäftigten sich mit den technischen Dimensionen der Krisen der Industrie- und Arbeitsgesellschaft sowie dem Aufstieg der jeweils „neuen Technologien“. Dies ging so weit, dass der „Computer“ – und die mit ihm verbundenen Veränderungen – zur Leittechnik der Techniksoziologie wurde. Die Technikgeschichte bezog die meisten ihrer theoretischen Interpretamente aus der Techniksoziologie – sowie aus der Ökonomie. Dem stand nicht entgegen, dass das aus der Techniksoziologie kommende Angebot sehr heterogen und teilweise gegensätzlich ausgerichtet war. So spiegelten die gehandelten techniksoziologischen Theoreme disziplinäre Dualismen wider, wie zwischen Handlungs- und Strukturtheorie sowie zwischen Technikdeterminismus und Sozialkonstruktivismus. Allerdings übernahmen die Technikhistoriker in der Regel nur die Grundstruktur techniksoziologischer Theorieangebote und ließen sich auf zahlreiche Differenzierungen gar nicht erst ein. Dem lag wohl die Erfahrung zugrunde, dass generelle Schemata eine größere Flexibilität besaßen und damit historischen Kontingenzen und Indeterminiertheiten besser gerecht wurden als spezielle. Die von Techniksoziologen erarbeiteten historischen Fallstudien empfanden die Technikhistoriker häufig als unbefriedigend. Sie bemängelten eine unzureichende Materialgrundlage und eine gewaltsame Anpassung der Fälle an die jeweilige Theorie. Fasst man die historische und aktuelle Vielfalt der soziologischen Beschäftigung mit Technik zusammen, so lassen sich meines Erachtens zwei Richtungen unterscheiden: Die Hauptrichtung integriert die als mehr oder weniger wichtig erachtete Technik in bereits vorhandene soziologische Modelle. Dabei dominiert ein weiter Technikbegriff als zielgerichtetes, zweckhaftes Handeln. Eine Nebenrichtung behandelt Technik als gesellschaftliches Phänomen sui generis und sieht deren Spezifität vor allem in ihrer Materialität.

1.5.2 Politologie Im Unterschied zur Soziologie bildet die Technik in der Politologie ein ganz nachrangiges Forschungsfeld.42 Innerhalb der zentralen Themenfelder der 41 Einstiege eröffnen: Degele, Einführung; Weyer, Techniksoziologie. 42 Vgl. hierzu die Überblicke: Teusch, Freiheit, S. 86–94 u. 496–99; Grande, Politik; Mai, Die politische Verantwortung.

1.5 Sozialwissenschaften

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Politikwissenschaft, dem politischen System und den Formen politischer Herrschaft, hätte nur das Thema „Technokratie“ einen wichtigen Platz beanspruchen können; dieses war aber von den Soziologen besetzt. Ebenso war die Technik in anderen traditionellen politologischen Teilgebieten, wie politische Ideen, Parteien, Wahlen, Bürokratie und Verbände, schwer unterzubringen. Dazu kam, dass sich die Interessen der Politologen in erster Linie auf den Staat richteten – und nicht wie bei den Soziologen auf die Gesellschaft. Dabei stellte sich die grundsätzliche sowohl empirische wie normative Frage, ob der Staat überhaupt als technikpolitischer Akteur agieren könne und ob man ihn als solchen verstehen wolle. Die empirische Frage: Ist die Technik überhaupt einer politischen Steuerung zugänglich? fand durchaus unterschiedliche Antworten. Negative konnten eine (relative) Autonomie der Technik postulieren, oder sie konnten auf die Vielzahl der in die Technikentwicklung involvierten individuellen und kollektiven Akteure verweisen. Auch auf die normative Frage nach der Wünschbarkeit einer Techniksteuerung wurden historisch – und politikwissenschaftlich – ganz unterschiedliche Antworten gegeben. Der real existierende Sozialismus und der Neoliberalismus können als zwei Extreme historischer Antworten gewertet werden. Für den Sozialismus bildete die Technikentwicklung, sowohl ideologisch wie wirtschaftspraktisch begründet, eine zentrale Staatsaufgabe. Liberale Gesellschaften dagegen vertrauten bei der Technikgestaltung weitgehend auf die Marktkräfte. Eventuell notwendig werdende technikpolitische Aufgaben delegierten sie vielfach an „private Regierungen“, wie an Kammern, Verbände oder technisch-wissenschaftliche Vereine. In den letzten Jahrzehnten empfohlene Partizipationsmodelle der Technikgestaltung implizieren ebenfalls eine technikpolitische Zurückhaltung des Staates. Die Politologie betrachtete die Technik in erster Linie instrumentell. Technik wurde als Mittel zur Erreichung – übergeordneter – politischer Ziele angesehen, wie militärische Macht, wirtschaftliches Wachstum, Schutz der Umwelt usw. In der Geschichte trat der Staat tatsächlich in ganz unterschiedlichem Umfang und in ganz unterschiedlicher Weise als Akteur der Technikgestaltung in Erscheinung. Den größten Einfluss übte er – von den frühesten staatlichen Organisationsformen an – auf die militärische Technik aus. Die militärische Rüstung fraß bis in die jüngste Zeit den bei weitem größten Teil der Staatshaushalte. Mit dem Aufstieg des modernen Territorialstaats seit der frühen Neuzeit kam zur Rüstung die staatliche Sorge für die Verkehrsinfrastruktur dazu. Im 18. Jahrhundert ließen sich aus den Theorien des Merkantilismus und Kameralismus weitere staatliche Aufgaben der Technikförderung ableiten, welche im Interesse der nationalen Wirtschaft waren. Die Lehren des Liberalismus minimierten dagegen die staatlichen technikpolitischen Aktivitäten. Bereits im 19. Jahrhundert schienen allerdings bei der Infrastruktur und der Daseinsvorsorge immanente Grenzen des Manchesterkapitalismus

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auf. So engagierte sich in Deutschland der Staat nach einer kurzen Zeit der Zurückhaltung wieder beim Bau von Eisenbahnen und anderen Verkehrssystemen. Und die Städte übernahmen in großem Umfang die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die Bereitstellung von Gas und Strom und den Nahverkehr. In der Bundesrepublik Deutschland teilten sich der Bund, die Länder und die Gemeinden die staatlichen technikpolitischen Kompetenzen.43 Ebenso nahmen mehrere Ministerien technikpolitische Aufgaben wahr. Seit der Gründung des Ministeriums für Atomfragen 1955, das seit 1962 die Forschung in seinen wechselnden Namen führte, wurde Technik- oder Technologiepolitik mehr und mehr als Forschungspolitik interpretiert. Damit wurde sie als Analyse von Regierungshandeln Gegenstand eines kleinen Teilbereichs der Politikwissenschaft. Die bundesdeutsche Politik suchte in den ersten Nachkriegsjahrzehnten die Technikentwicklung über Investitionen in als zentral erachteten Forschungsfeldern zu steuern. Die erste Stelle nahmen hierbei die Kernenergie, Computer und Mikroelektronik sowie die Luft- und Raumfahrt ein. Wichtige Instrumente der staatlichen Technikpolitik waren die Gründung von Großforschungseinrichtungen44 und Bundesämtern, die Ressortforschung und breiter gestreute Forschungsprogramme. Zumindest der direkten Projekt- und Programmförderung stellt die politikwissenschaftliche Technikforschung ein vernichtendes Zeugnis aus.45 Sie verweist auf das Scheitern der in der Bundesrepublik zunächst favorisierten Reaktorlinien, des Schwerwasserreaktors, des Hochtemperaturreaktors und des Schnellen Brüters; die deutsche Kerntechnik übernahm schließlich stattdessen den amerikanischen Leichtwasserreaktor. Und sie stellt fest, dass die deutsche Forschungspolitik das proklamierte Ziel nicht erreichte, eine leistungsfähige nationale Datenverarbeitungsindustrie zu schaffen. Als positive Ausnahme unter diesen Geschichten technikpolitischen Scheiterns wird manchmal der Airbus genannt.46 Zweifellos kann der Airbus als industriepolitischer Erfolg Europas gewertet werden; streiten lässt sich über die Effizienz der nicht unerheblichen hierfür eingesetzten staatlichen Mittel.

43 Instruktive Überblicke zur bundesdeutschen Technologiepolitik, welche aber nur teilweise aus der Politikwissenschaft hervorgegangen sind, bieten: Stucke, Institutionalisierung; Bräunling, Ansätze; Meyer-Krahmer, Einfluß; Schroeder, Struktur; Krieger, Technologiepolitik; Weingart/Taubert, Wissensministerium; Wieland, Neue Technik, S. 47ff. 44 Vgl. hierzu die Reihe „Studien zur Geschichte der deutschen Großforschungseinrichtungen“. 45 So Klodt, Wettlauf, S. 110; Grande, Politik, S. 187; Krieger, Technologiepolitik, S. 247. 46 Vgl. zum Airbus: Kirchner, Geschichte.

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1.5.3 Ökonomie In den Wirtschaftswissenschaften lassen sich mehr formale und mehr historische Ansätze unterscheiden. In der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg steht die Klassik und die Neoklassik für die mehr formalen und die Historische Schule der Nationalökonomie für die mehr historischen. Schlagwortartig kann man die Unterschiede in gegensätzlichen Begriffspaaren zusammenfassen: Die Historische Schule lehnte sich mehr an die Sozial- und Geschichtswissenschaften an, die klassischen Schulen mehr an die Naturwissenschaften und die Mathematik. Die Historische Schule behandelte das wirtschaftliche Geschehen in seiner Historizität, die klassischen Schulen suchten dagegen nach zeitinvarianten Gesetzen und Regeln. Die Historische Schule arbeitete mehr empirisch und qualitativ, die klassische und neoklassische Schule mehr theoretisch und quantitativ. Die Historische Schule orientierte sich mehr am Staat, die Klassik und Neoklassik mehr am Markt. Und für unseren Kontext von zentraler Bedeutung: Die Historische Schule behandelte die Technik mehr als endogenen Faktor, die Neoklassik mehr als exogenen. Diese holzschnittartige Gegenüberstellung soll die Gegensätzlichkeit der beiden Schulen charakterisieren und einen genaueren Blick auf den jeweiligen Stellenwert der Technik vorbereiten. Die Historische Schule bildete die ökonomische Ausprägung des das 19. Jahrhunderts bestimmenden Historismus, der die Geschichte zum grundlegenden wissenschaftlichen Thema und Erklärungsprinzip machte.47 Die Historische Schule der Nationalökonomie betrachtete die Wirtschaft als historischen Prozess und suchte ihn als Abfolge von Stufen der wirtschaftlichen Entwicklung zu beschreiben. Damit hatten sich die historisch orientierten Nationalökonomen mit der Vielfalt des historischen und wirtschaftlichen Geschehens auseinanderzusetzen und standen vor dem Problem, unter den Faktoren der wirtschaftlichen Entwicklung eine Auswahl vorzunehmen, diese zu gewichten und in ihre erklärenden Beschreibungen zu integrieren. Dabei gelangten die einzelnen Autoren zu ganz verschiedenen expliziten oder impliziten Modellen. Die Technik ließ sich in diesen Modellen schwerlich ignorieren, nahm aber einen recht unterschiedlichen Stellenwert ein. Um dies nur beispielhaft an einem Vertreter der Historischen Schule, an Werner Sombart (1863–1941), vorzuführen:48 Sombart verfolgte eine idealistische Geschichtskonzeption, die entscheidende Triebkraft der wirtschaftlichen Entwicklung bildete für ihn die jeweilige „Wirtschaftsgesinnung“, wie das Streben nach standesgemäßem Unterhalt in der vorkapitalistischen Zeit und der Erwerbssinn im Kapitalismus. Unterhalb dieser obersten Erklärungs47 Zur Historischen Schule vgl. Lindenlaub, Richtungskämpfe; Winkel, Die deutsche Nationalökonomie; Grimmer-Solem, Rise. 48 Zur Technik in Sombarts Werk: König, in Hubig u.a., Nachdenken, S. 359–63; Meyer, Zwischen Ideologie.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

ebene ging Sombart ausführlich auf die Technik sowohl als Determinante wie als Determinandum von Wirtschaft und Gesellschaft ein, maß ihr aber jedenfalls eine nachrangige Bedeutung bei. Die technische Entwicklung untergliederte Sombart in die beiden Großepochen der vorindustriellen empirisch-organischen sowie der industriellen wissenschaftlich-anorganischen Technik. Die klassische Schule der Nationalökonomie kann man mit Adam Smiths (1723–1790) „Wealth of Nations“ (1776) beginnen lassen und über Thomas Robert Malthus (1766–1834) und David Ricardo (1772–1823) bis zu John Stuart Mills (1806–1873) „Principles of Political Economy“ (1848) fortführen. Das zentrale Thema der klassischen Ökonomen bildete das wirtschaftliche Wachstum und der daraus entstehende Wohlstand. Bereits Smith erklärte Wachstum und Wohlstand daraus, dass das Wirtschaftssubjekt, der homo oeconomicus, in freier Konkurrenz mit anderen seine individuellen Interessen verfolge. In späterer Zeit arbeiteten die neoklassischen Ökonomen diese Prämisse zur Grenznutzentheorie aus. Die nationalökonomischen Klassiker bezogen drei als entscheidend angesehene Produktionsfaktoren in ihre Modelle ein, nämlich Kapital, Arbeit und Boden.49 Es mag – besonders bei den späteren Autoren – überraschen, welch geringen Stellenwert Technik und Industrialisierung in den Werken einnahmen. Als dynamische wirtschaftliche Kräfte wurden sie von den klassischen Autoren entweder ganz ignoriert oder zumindest falsch eingeschätzt. Konkret äußerte sich dies z.B. darin, dass die Klassiker sich nur auf biotische Rohstoffe und Energieträger bezogen – und darin Begrenzungen für die wirtschaftliche Entwicklung erblickten –, nicht aber auf mineralische. Seit dem späten 19. Jahrhundert wurden die Grundannahmen der Klassik durch die Vertreter der Neoklassik zu mathematisch-ökonometrischen Modellen ausgearbeitet. Darin nahmen die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit eine zentrale Position ein, während der „klassische“ Produktionsfaktor Boden in den Hintergrund trat; spätere Ökonomen griffen ihn in modifizierter Form, als natürliche Ressourcen oder Natur und Umwelt, wieder auf. Daneben enthielten die Modelle einen nicht genauer aufgeschlüsselten Residualfaktor, dessen wichtigster Bestandteil die Technik war. Das Problem bestand unter anderem darin, dass der technische Fortschritt – wie auch andere Elemente des Residualfaktors – nicht direkt gemessen und damit nicht in differenzierter Weise in die quantitativen Modellen integriert werden konnte. Dass dies unbefriedigend war, zeigten Rechnungen, welche für das wirtschaftliche Wachstum einen enormen Stellenwert des Residualfaktors auswiesen. Daraus entstehende Konzepte, technische Veränderungen entweder unter den Faktor Arbeit oder unter den Faktor Kapital zu subsumieren, überzeugten nicht.

49 Darstellungen und Kritiken des nationalökonomischen Mainstreams sind zahlreich. In Bezug auf die Technik habe ich besonders profitiert von: Huisinga, Theorien, S. 129–67 u. 253–62; Schmid, Rationales Verhalten.

1.5 Sozialwissenschaften

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Die um die Jahrhundertwende in der Ingenieurwelt institutionalisierte Technikgeschichte nahm Anregungen aus der Historischen Schule der Nationalökonomie auf. Die Klassik und die Neoklassik – und damit der nationalökonomische Mainstream – hatten der Technikgeschichte dagegen wenig zu bieten. Dies änderte sich in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer erneuten wirtschaftswissenschaftlichen Konjunktur historistischer Modelle. An erster Stelle sind hier die Arbeiten Joseph Schumpeters (1883–1950) über Innovationen und Konjunkturzyklen zu nennen.50 Sie reichten zwar bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück, wurden aber erst in den 1950er und 1960er Jahren breiter rezipiert. Schumpeter verband die Mikroebene der Unternehmen mit der volkswirtschaftlichen Makroebene und bot damit Antworten für ein grundlegendes historiographisches Problem an. Die Technikgeschichte übernahm aus der ökonomischen Innovationstheorie (technische) Innovationen als zentrales Thema. Sie erweiterte damit ältere erfindungsgeschichtliche Ansätze und gewann Anschluss an allgemeine sozialwissenschaftliche Trends. Die quantitative Herleitung und Plausibilisierung der Schumpeterschen Konjunkturzyklen interessierte die Technikhistoriker weniger. Jedoch entsprachen die Konjunkturzyklen ohnehin sozioökonomischen Umbruchzeiten, die bislang unter allgemeinen Schlagworten wie industrielle Revolution51 oder konkreten wie Mobilisierung oder Elektrifizierung und Chemifizierung Behandlung gefunden hatten. Überhaupt erfolgte die akademische Institutionalisierung der Technikgeschichte in den 1960er und 1970er Jahren in engem Zusammenhang mit der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Dies geht schon daraus hervor, dass einige der neuen Professuren Technik-, Wirtschafts- oder Sozialgeschichte verbanden; eine Reihe der Erstberufenen entstammte ohnehin der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Den Hauptgegenstand der neuen Technikgeschichte bildete die industrielle Technik. Damit ergaben sich von vornherein enge Beziehungen zur Unternehmensgeschichte und zur volkswirtschaftlich ausgerichteten Wirtschaftsgeschichte. Darüber hinaus nahmen die Technikhistoriker Anregungen aus der Betriebswirtschaftslehre, den Arbeitswissenschaften und der Industriesoziologie auf. In der Zwischenkriegszeit betätigten sich die aus der Ingenieurwelt kommenden Technikhistoriker als Verfasser von Firmengeschichten. Im Unterschied zur späteren von Wirtschaftshistorikern betriebenen Unternehmensgeschichtsschreibung stellten sie die produktionstechnische Ausstattung der Unternehmen und die von ihnen erzeugten Produkte in den Mittelpunkt. Auf einem wesentlich höheren systematischen Niveau wurden solche Fragestellungen in der Nachkriegszeit von Unternehmenshistorikern fortgeführt. Besonders die von amerikanischen Autoren wie Alfred D. Chandler, David A.

50 S. u. S. 60f. 51 S. u. S. 104.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

Hounshell und Philip Scranton52 angestoßenen Diskussionen um den Aufstieg und die Grenzen der Massenproduktion vermittelten der Technikgeschichtsschreibung fruchtbare Anregungen. Weitere theoretische Anregungen kamen um 1980 von Vertretern der evolutorischen Ökonomik wie Kenneth E. Boulding, Richard R. Nelson, Sidney G. Winter und Giovanni Dosi.53 Gegenüber den zeitinvarianten Modellen der ökonomischen Klassik und Neoklassik verwiesen sie auf die Bedeutung der Geschichte für das wirtschaftliche Geschehen. Sie betrachteten das unternehmerische Handeln als Lernprozess und hoben dabei mit Begriffen wie „Pfadabhängigkeit“ die Bedeutung von Routinen und Traditionen hervor.54 Im Zentrum ihrer Ausarbeitungen stand die Technik. Dies gilt im Prinzip auch für das ebenfalls aus den Wirtschaftswissenschaften kommende Konzept der (nationalen) Innovationssysteme.55 Allerdings wird hier das in einem Unternehmen, in einer Region oder in einer Nation vorhandene technische Wissen und Können in einen wesentlich erweiterten Kontext gestellt. Seit den 1980er Jahren reduzierte sich die Bezugnahme der Technikhistoriker auf die Wirtschaftswissenschaften und die Wirtschaftsgeschichte. Dies hing mit der forcierten Rezeption sozialwissenschaftlicher Techniktheorien zusammen sowie der Hinwendung zu den neuen Themenfeldern Technikverwendung und Technikkonsum. Dabei bezogen sich die Technikhistoriker seit den 1990er Jahren auch auf kulturwissenschaftliche und kulturgeschichtliche Ansätze. Dies eröffnet erneut Kooperationsmöglichkeiten mit der Wirtschaftsgeschichte, in welcher ebenfalls kulturgeschichtliche und konsumgeschichtliche Ansätze in Vorschlag gebracht werden.56

1.6 GEISTESWISSENSCHAFTEN Der Begriff der „Geisteswissenschaften“ enthält eine Reihe von Problemen, welche nicht zuletzt daherrühren, dass er häufig einer Abgrenzung zu den Naturwissenschaften dient.57 Diese Abgrenzung kann sich auf den Gegenstand, die Methode oder das Verhältnis beider Wissenschaften beziehen. So wird vielfach die Natur als Gegenstand der Naturwissenschaften, der Geist bzw. seine Hervorbringungen als Gegenstand der Geisteswissenschaften benannt. Dies bereitet für Geisteswissenschaften wie die Literatur- oder die 52 Chandler, The Visible Hand; Hounshell, From the American System; Scranton, Endless Novelty. 53 S. u. S. 105f. 54 S. u. S. 86f. 55 S. u. S. 64–67. 56 Vgl. z. B. Berghoff, Konsumpolitik; Walter, Geschichte; Berghoff, Wirtschaftsgeschichte. 57 Vgl. Oexle, Naturwissenschaft, bes. S. 118ff.; Kjorup, Humanities, bes. S. 69ff.

1.6 Geisteswissenschaften

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Sprachwissenschaften keine Schwierigkeiten. Problematischere Konsequenzen hat dieses Verständnis jedoch für die Philosophie, die Geschichte, die Ethnologie und die Volkskunde, welche im folgenden Überblick im Zentrum der Betrachtung stehen. Für sie impliziert „Geist“ als wissenschaftlicher Gegenstand eine starke idealistische Vorentscheidung. Letzten Endes wird nämlich dadurch die Welt bzw. das historische Geschehen als geistiges Produkt interpretiert.58 Eine Abgrenzung aufgrund der Methode weist den Naturwissenschaften die Aufgabe des Erklärens zu, den Geisteswissenschaften die des Beschreibens oder Verstehens. Das Problem dieser Zuschreibung liegt darin, dass die genannten methodischen Vorgehensweisen miteinander verschränkt sind bzw. sich wechselseitig voraussetzen. Ebenso wenig befriedigen Vorschläge, welche den Geisteswissenschaften Funktionen wie Kompensation59 oder Orientierung zuschreiben, welche eine Dominanz der technisch-naturwissenschaftlichen Welt bereits voraussetzen. Der Begriff der „Geisteswissenschaften“ ist also enorm durch solche Bestimmungen und Zuschreibungen belastet. Dies dürfte der Grund dafür sein, dass er zunehmend durch „Kulturwissenschaften“ ersetzt wird. In meiner Darstellung wird „Geisteswissenschaften“ als gängige Konvention beibehalten, ohne dass die darin enthaltenen semantischen Implikationen für die weiteren Ausführungen grundlegende Bedeutung besitzen.

1.6.1 Philosophie Wohl keine andere geisteswissenschaftliche Disziplin hat der Technik einen so großen Stellenwert zugeschrieben wie die Philosophie.60 In allen Zeiten bildete die Technik einen wichtigen Gegenstand des Philosophierens. Dies begann bereits in der griechischen Antike, wobei das griechische Wort „techné“ allerdings eine weitere, umfassendere Bedeutung besaß. Seit der Hochindustrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts intensivierte sich die philosophische Technikdiskussion. Seitdem avancierte die Technik zu einem der zentralen Gegenstände des Philosophierens über den Menschen.

58 Das sich daran anschließende, aber nicht deckungsgleiche Problem, dass wir die Welt und die Geschichte nur durch unseren Geist erfassen können, möchte ich an dieser Stelle ausklammern. 59 Marquard, Über die Unvermeidlichkeit. 60 Vgl. zur Technikphilosophie: Rapp, Technik; Teusch, Freiheit, S. 97–104; Huning, Begriff; Huning, Technikbegriff; Irrgang, Technischer Fortschritt; Irrgang, Philosophie; Fischer, Technikphilosophie; Hubig u.a., Nachdenken; Fohler, Techniktheorien.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

Nach dem Zweiten Weltkrieg, besonders seit den 1970er Jahren, erfuhr die Technikphilosophie verstärkt eine Institutionalisierung. In Deutschland hatte sich der Verein Deutscher Ingenieure schon vorher zu einem Zentrum der technikphilosophischen Diskussion entwickelt.61 Eine Reihe von Universitäten richtete technikphilosophische Professuren ein. Mehrere philosophische Weltkongresse sowie weitere nationale Kongresse widmeten sich technikphilosophischen Fragen. Technikphilosophische Reihen und Zeitschriften wurden gegründet, wie die amerikanische „Research in Philosophy and Technology“. Insgesamt ist die Technikphilosophie in ähnlichem Umfang institutionalisiert wie die Technikgeschichte. Ihre Integration in die Philosophie dürfte aber die der Technikgeschichte in die Geschichtswissenschaft übertreffen. Dies lässt sich auf den unterschiedlichen Stellenwert der Technik in den beiden Mutterdisziplinen zurückführen. Die beträchtliche Bedeutung der Technik in der Philosophie verdeutlicht die lange Liste großer Philosophen, die sich mit der Technik beschäftigt haben.62 Dabei kann man bei Aristoteles beginnen und über Karl Marx, Arnold Gehlen, Martin Heidegger und viele andere bis zu Jürgen Habermas fortschreiten. Philosophische Interpretationen der Welt, des Lebens und des Menschen kommen schwerlich ohne Bezugnahme auf die Technik aus. So sehen manche Philosophen in der Technik den Inbegriff menschlicher Existenz und menschlichen Handelns, andere begreifen die Technik als entscheidendes Mittel der Welterschließung, wieder andere behandeln Technik als Schicksal des Menschen. Die klassischen systematischen Teilgebiete der Philosophie, Ontologie, Anthropologie, Ethik und Epistemologie, sind auf Reflexionen über die Technik verwiesen bzw. lassen sich umgekehrt auf die Technik beziehen. Ähnliches gilt für weitere philosophische Teilgebiete wie Geschichts-, Gesellschafts- und Kulturphilosophie oder die Ästhetik. Die Ontologie stellt die Frage nach dem Sein – in unserem Zusammenhang: nach dem Sein des Menschen bzw. der Technik. Ontologische Technikinterpretationen bewegen sich zwischen den Polen einer Betonung des Mittel- bzw. Werkzeugcharakters der Technik sowie einer Behauptung einer relativen Autonomie der Technik. Darüber hinaus existieren wertende Wesensbestimmungen, welche der Technik häufig einseitige positive oder negative Funktionen für das Dasein oder die Entwicklung des Menschen zuschreiben. Die Anthropologie fragt nach dem Wesen des Menschen. Eine in unserem Zusammenhang besonders relevante Antwort bestimmt den Menschen als Techniker, als homo faber. Diese Bestimmung geht über die ursprüngliche des handwerklichen Schaffens hinaus und bezieht das technische und wissenschaftliche Handeln und – wenn man einen weiten Technikbegriff verwendet – weitere geistige Entäußerungen des Menschen mit ein. Mit seiner Technik

61 Vgl. König, Zu den theoretischen Grundlagen. 62 Vgl. Hubig u.a., Nachdenken.

1.6 Geisteswissenschaften

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– so die Botschaft – gestaltet der Mensch die Welt und – über zahlreiche Rückkopplungen – auch sich selbst. Die Technik kann mit Begriffen wie „Organprojektion“ (Gisbert Kapp) oder „Organverstärkung“ und „Organersatz“ (Arnold Gehlen) aus der Natur des Menschen heraus erklärt werden. Die Ethik fragt nach dem rechten Leben. Auf unser Thema bezogen, heißt das: Welche Technik brauchen wir und wie gehen wir mit der Technik um. Diese schon immer vorhandene Frage hat aufgrund der gewachsenen technischen Handlungsmacht der Menschen und den als immer gravierender empfundenen Technikfolgen eine zunehmende Bedeutung erhalten. Ein Versuch, die ethische Frage für die Technik zu operationalisieren, stellt die Technikfolgenabschätzung oder Technikbewertung dar.63 In Bezug auf Technik ergeben sich spezifische Probleme der Zuschreibung von Verantwortung. Technik entsteht in einem gesellschaftlichen Prozess, an dem zahlreiche individuelle und kollektive Akteure – im Extremfall: wir alle – beteiligt sind. Das klassische philosophische Konzept der Verantwortung bezieht sich aber auf Individuen. Es ist zu überprüfen, ob und auf welche Weise es sich auf Institutionen und Kollektive übertragen lässt. Die Epistemologie untersucht die Möglichkeiten des Wissens. Dabei weist das technische bzw. technikwissenschaftliche Wissen eine Reihe von Spezifika auf.64 Zumindest in einer seiner Ausprägungen, als Gestaltungswissen, richtet es sich auf die Zukunft, es beschreibt gewissermaßen einen Möglichkeitsraum für technische Funktionen. Darüber hinaus entstammen die Bestandteile technischen und technikwissenschaftlichen Wissens ganz unterschiedlichen Quellen: den Naturwissenschaften und anderen Disziplinen, technikwissenschaftlichen Experimenten, der technischen Praxis usw. Diese Wissenselemente werden in den Technikwissenschaften in Form von Modellen zusammengeführt. Die Beziehungen zwischen der Technikgeschichte und der Technikphilosophie sind nicht unproblematisch. In der Philosophie geht es meistens um das Grundsätzliche und Allgemeine, in der Geschichte vielfach um das Konkrete und Individuelle. Die Philosophen neigen zu zeitinvarianten Aussagen, die Historiker arbeiten allenfalls mit raumzeitlich bestimmten Theorien mittlerer Reichweite. Werden diese disziplinären Orientierungen akzeptiert, dann können sich Technikgeschichte und Technikphilosophie jedoch wechselseitig befruchten.

63 S. u. S. 76–78. 64 Vgl. hierzu Banse u.a., Erkennen.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

1.6.2 Ethnologie und Volkskunde Die Ethnologie und die Volkskunde weisen hinsichtlich der Entwicklung ihres Verhältnisses zur Technik große Gemeinsamkeiten auf. Die Ursprünge der Ethnologie oder Völkerkunde65 liegen in der Begegnung der Europäer mit anderen Völkern. Die europäische Erkundung und Kolonialisierung der Welt konfrontierte die Wissenschaftler mit einer Vielzahl fremder Kulturen. Den größten Reiz auf die Forscher übten dabei „primitive“, das heißt schriftlose, Kulturen aus. Das Fehlen einer Schrift forderte die Forschung in besonderer Weise heraus. Die Ethnologen kompensierten die fehlenden schriftlichen Zeugnisse durch die Entwicklung besonderer Methoden. Eine paradigmatische Bedeutung gewann die teilnehmende Beobachtung: Die Ethnologen bemühten sich so intensiv wie möglich in das Leben der zu untersuchenden Völkerschaften einzutauchen und zeichneten die dabei gemachten Erfahrungen und Beobachtungen auf. Weitere Informationen wurden durch Befragungen gewonnen. Der teilnehmenden Beobachtung schrieben die Ethnologen das Potenzial zu, die Differenz zwischen Forschungssubjekt und Forschungsobjekt zu überbrücken. Die Ethnologen sollten gewissermaßen die Perspektive der indigenen Völker einnehmen. Eine Fortsetzung – jetzt aber über den Leisten des linguistic turn geschlagen – fand dieser methodologisch problematische Anspruch in späterer Zeit in Clifford Geertz’ (1926–2006) „dichter Beschreibung“.66 Im Laufe des 19. Jahrhunderts erfuhr die Ethnologie eine Musealisierung und Akademisierung. Die Präsentation ethnologischer Sammlungen in Museen verlieh den technischen Objekte zunehmende Bedeutung. Die Museen standen vor der Aufgabe, sie zu systematisieren und gegebenenfalls in die herrschenden Lehren von den Entwicklungs- oder Kulturstufen einzuordnen. Dagegen betrachtete die geisteswissenschaftlich ausgerichtete akademische Ethnologie die Museen und ihre technischen Sammlungen mit distanzierter Geringschätzung. Damit ging eine Verengung des für die Ethnologie zentralen Begriffs der Kultur einher. Unter „Kultur“ wurde in der Ethnologie eigentlich eine Totalität verstanden, die man in geistige, materielle und soziale Kultur untergliederte. Mit der Zeit trat das Geistige mehr und mehr in den Vordergrund, und das Soziale und Materielle wurde auf seine symbolische Bedeutung reduziert. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte die Ethnologie eine Reihe wesentlicher Transformationen. Zum einen ging sie aufgrund der Dekolonialisierung und Modernisierung ihres Untersuchungsobjekts, den „primitiven“ Völkerschaften, verlustig. Sie reagierte darauf, indem sie die Modernisierung selbst, die Begegnung der Kulturen und die eigene Kultur zu 65 Besonders profitiert habe ich bei der Abfassung dieses Abschnittes von Sokoll, Kulturanthropologie. 66 Geertz, Dichte Beschreibung.

1.6 Geisteswissenschaften

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neuen Forschungsgegenständen machte. In diesem Zusammenhang kam es zu einer Renaissance der materiellen Kultur.67 So widmete sich die Technikethnologie intensiv dem Umgang mit technischen Dingen und ihren soziokulturellen Zusammenhängen und wies darüber hinaus auf die Bedeutung der „Körpertechniken“ hin. Wie die Ethnologen das „Primitive“ in der exotischen Fremde aufspürten, so suchte die Volkskunde68 das „Ursprüngliche“ zuhause und fand es – zumindest in Form von Relikten – im Bauerntum und im alten Handwerk. Die Moderne, einschließlich der Technik, wurde mit diesem Ansatz, welcher leicht in Zivilisationskritik münden konnte, von vornherein ausgeklammert. Unter das „Ursprüngliche“ fielen auch die landwirtschaftlichen und handwerklichen Arbeitsgeräte. Sie bildeten den Gegenstand der minder angesehenen Sachkultur- bzw. Geräteforschung. Der Kern der Volkskunde war sprachwissenschaftlich orientiert; zu ihren Themen gehörten. Dialekte, Mythen und Märchen. Die Orientierung auf das „Ursprüngliche“ musste dazu führen, dass der rezente Untersuchungsbereich der Volkskunde ständig schrumpfte; die Volkskunde war auf dem Weg zu einer rein historischen Wissenschaft. Vor diesem Hintergrund erhob sich seit etwa 1960 Kritik an dem statischen Ansatz der Volkskunde und ihrer Ausblendung der Modernisierungsprozesse. Die daraus entstehende neue Volkskunde machte die Alltagskultur der Moderne und ihre Veränderungen ausdrücklich zum Thema. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis diese Umorientierung auch den Umgang mit technischen Dingen erfasste. Damalige Pionierstudien behandelten Maschinisierungsprozesse in der Industrie und in der Landwirtschaft, aktuelle Forschungen untersuchen z.B. den Umgang der Jugendlichen mit dem Internet. Wurde Technik anfangs in der Tradition sprach- und kulturwissenschaftlicher Ansätze als „Objektivation von Ideen-, Werte-, und Vorstellungssystemen“ interpretiert,69 so gerieten später mehr und mehr auch die Handlungsdimension und die technischen Praxen in den Blick. Der Umgang mit der modernen Technik ist heute Thema einer ganzen Reihe wissenschaftlicher Disziplinen: der zeitgeschichtlich orientierten Technikgeschichte, der modernen Ethnologie und Volkskunde, – die teilweise unter Bezeichnungen wie Europäische Ethnologie firmiert –, in Teilen auch der Kulturwissenschaft70 und der Medienwissenschaft71. Besonders zwischen der Ethnologie und der Technikgeschichte existieren dabei Ansätze frucht-

67 Vgl. Hahn, Materielle Kultur; Flitsch, Technik – und die in beiden Publikationen angegebene Literatur. 68 Besonders profitiert habe ich von Scharfe, Technik; Beck, Umgang. 69 Vgl. Beck, Umgang, S. 146ff.. 70 Vgl. Großklaus, Technikforschung; Heinz, Von Generalisten. 71 Vgl. Schildt, Jahrhundert; Faulstich, Einführung.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

barer Kooperationen.72 Sie untersuchen teilweise den gleichen Gegenstand, wenden aber schwerpunktmäßig verschiedene Methoden an. Die Technikethnologen arbeiten mehr mit teilnehmender Beobachtung und Befragungen, die Technikhistoriker werten mehr schriftliche Quellen aus und analysieren manchmal die technischen Objekte selbst.

1.6.3 Geschichte Die – sogenannte Allgemeine73 – Geschichtswissenschaft entwickelte eine wechselhafte, aber nie eine intensive Beziehung zur Technik.74 Bei einer Reihe von Aufklärungshistorikern erlebte die Technik eine positive Würdigung und breitere Behandlung. Dahinter stand das Fortschrittsdenken der Aufklärung, ihr Vertrauen in die Vernunft und die schöpferischen Fähigkeiten des Menschen.75 Seit dem 17. Jahrhundert wurden Verstand, Vernunft und Fortschritt eng mit Wissenschaft und Technik verkoppelt. Erst im 20. Jahrhundert erfuhr die damit begründete Fortschrittsideologie eine wesentliche Relativierung und teilweise Umkehrung. In der Aufklärung flossen Fortschrittsdenken, Wissenschaftsgläubigkeit und Nützlichkeitsstreben zu der Überzeugung zusammen, dass man aus der Geschichte lernen könne. Vor diesem Hintergrund schrieb der Göttinger Historiker August Ludwig von Schlözer (1735–1809), der mit Johann Beckmann, dem Begründer der Technologie, befreundet war, der Technik einen größeren Stellenwert zu als den traditionellen Themen der politischen Geschichte. Schlözers Lob galt jenen Historikern, welche „die Erfindung des Feuers und Glases“ stärker gewichteten als „die Balgereien der Spartaner mit den Messeniern, so wie die der Römer mit den Volskern“.76 Im 19. Jahrhundert wurde die Technik dagegen weitgehend aus der Geschichtsschreibung verbannt. Dabei wirkten Neuhumanismus und Nationalgeschichtsschreibung zusammen. Der Neuhumanismus rückte das „Geistige“ in den Mittelpunkt und nahm die als Verkörperung des Materialismus interpretierte Technik höchstens noch als Bedrohung zeitloser kultureller Werte wahr. Die Nationalgeschichtsschreibung konzentrierte sich auf die ereignis72 Vgl. z.B. das Themenheft „Technik im chinesischen Alltag“ der Zeitschrift Technikgeschichte 75 (2008), Heft 2. 73 Hier wird das „Allgemeine“ deswegen relativiert, weil Geschichte immer nur unter bestimmten Aspekten und Perspektiven geschrieben werden kann. Wenn man von „Allgemeiner“ Geschichtswissenschaft spricht, dann kann sich dies nur auf den jeweiligen Mainstream der Geschichtsschreibung beziehen. Es handelt sich also um disziplinäre Konventionen, d.h. das „Allgemeine“ ist einer allgemeinen theoretischen Begründung nicht fähig. 74 Überblicke hierzu bieten Rüsen, Technik; Gleitsmann, Technik. 75 Vgl. Rohbeck, Fortschrittstheorie. 76 Zitiert nach Gleitsmann, Technik, S. 111.

1.6 Geisteswissenschaften

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geschichtlich dargebotenen „Haupt- und Staatsaktionen“, auf Regierende, Kriege, Schlachten, Bündnisse, Verträge usw. Aus der neuhumanistisch-nationalgeschichtlichen Einheitsfront brachen nur wenige Außenseiter aus. Hierzu gehörte Karl Lamprecht (1856–1915) als wichtigster Vertreter einer sich als Gegenbewegung zur dominierenden politischen Geschichtsschreibung verstehenden Kulturgeschichtsschreibung.77 Lamprecht präsentierte seine Geschichtsauffassung in einer 15-bändigen „Deutschen Geschichte“ (1891–1909). Er nahm Anregungen aus der Sozialpsychologie auf und konzipierte Geschichte als Abfolge sozialpsychologisch charakterisierter Kulturstufen. Sein dabei verwendeter zentraler Begriff „Volksseele“ bezeichnete eine Art nationales Kollektivbewusstsein; heute könnte man von „Mentalitäten“ sprechen. Ein Ergänzungsband in Lamprechts Hauptwerk, „Zur jüngsten deutschen Vergangenheit“ (1903), widmete sich der Trias Wirtschaft, Naturwissenschaft, Technik. Die dort präsentierten sozialpsychologischen Wirtschaftsstufen leitete er aus der zunehmenden Arbeitsteilung ab, insbesondere dem Auseinandertreten von Produktion („Bedürfnis“) und Konsumtion („Genuß“). Die Technikgeschichte betreibenden Ingenieure dürften mit dieser Grundstruktur wenig anzufangen gewusst haben.78 Sie zeigten sich aber hoch zufrieden, dass ein bekannter Historiker in seinem Werk der Technik einen großen – und wie sie meinten: angemessenen – Raum gegeben hatte. So wurde Lamprecht 1913 zur Hauptversammlung des Vereins Deutscher Ingenieure eingeladen und hielt dort einen Hauptvortrag.79 Erst eine ganze Generation später behandelte mit Franz Schnabel (18871966) ein weiterer Historiker die Technik in ähnlichem Umfang. In seiner vierbändigen „Deutschen Geschichte des 19. Jahrhunderts“ widmete Schnabel den dritten Band dem Themenbereich „Erfahrungswissenschaften und Technik“ (1934). Schnabel legte seinem Werk zwar einen umfassenden, alle menschlichen Hervorbringungen einschließenden Kulturbegriff zugrunde, setzte aber selbst geistesgeschichtliche – heute könnte man sagen: teilweise diskursgeschichtliche – Schwerpunkte. So behandeln die technikgeschichtlichen Teile zwar technische Innovationen wie die Dampfmaschine und die Eisenbahn; den roten Faden aber bilden die Auseinandersetzungen zwischen den Gruppierungen, welche die Industrie und Technik gestalten und vorantreiben, und denjenigen, welche die negativen Folgen der technisch-industriellen Entwicklung betonen und fürchten. Den Skeptikern und Pessimisten gilt Schnabels Sympathie. Dies hindert ihn jedoch nicht daran, die überragende historische Bedeutung der Technik zu konstatieren. In der deutschen Frühindustrialisierung hätten sich bürgerlicher Liberalismus und technischindustrielle Entwicklung wechselseitig bedingt, was Schnabel auf die be77 Vgl. zu Lamprecht: Schorn-Schütte, Karl Lamprecht. 78 Vgl. Matschoß, Technik; Gleitsmann, Technik, S. 123–25. 79 Lamprecht, Technik.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

rühmte Formel „Konstitution und Maschine“ bringt.80 Langfristig sei die Technik zur „wichtigste(n) Bahnbrecherin auf dem Wege zur Demokratisierung der abendländischen Kultur“ geworden. Lamprecht und Schnabel waren Ausnahmen in einer Geschichtsschreibung, die sich an den zentralen Themen Staat und Nation abarbeitete. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg zeigten relevante Teile der deutschen Geschichtswissenschaft eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber der Technik.81 Führende Fachvertreter wie Theodor Schieder (1908–1984)82 und Werner Conze (1910–1986)83 hoben den Stellenwert der Technik für historische Veränderungsprozesse hervor. So bezeichnete Conze den „technischen Zivilisationsprozeß“ als entscheidende weltgeschichtliche Kraft seiner Gegenwart. Auf Historikertagen – so in Duisburg 1962 – wurden technikgeschichtliche Sektionen organisiert. Insbesondere aber richteten die Technischen Hochschulen und Universitäten seit den 1960er Jahren technikgeschichtliche Professuren innerhalb der Geschichtswissenschaft ein.84 Die Ingenieur-Technikhistoriker der Zwischenkriegszeit waren den zeitgenössischen Leitbildern der Geschichtswissenschaft gefolgt, indem sie Erfindungs-Ereignisse und die „Großen Männer“ der Technik in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt hatten. In der Nachkriegszeit profitierte die Technikgeschichte vom Aufstieg der Strukturgeschichte. Die Strukturgeschichte distanzierte sich von der Ereignisgeschichte und rückte historische Kollektive, wie Klassen und Schichten, und anonyme Kräfte, wie den Raum oder Mentalitäten, ins Zentrum der Geschichte. Der von der Strukturgeschichte vorgenommene Rückgriff auf die Schule der Annales erbrachte Hinweise, dass es sich bei der Technik um eine solch relevante Strukturgröße handelte. So hatte Fernand Braudel vielfach auf die Bedeutung der „materiellen Kultur“ hingewiesen85; Marc Bloch hatte dem „Antritt und Siegeszug der Wassermühle“ (1935) eine eigenständige Untersuchung gewidmet.86 Tatsächlich sahen die Technikhistoriker in der Strukturgeschichte ein hinreichend offenes und flexibles Angebot, welches es ihnen ermöglichte, den Einfluss der strukturellen Größe Technik auf historische Veränderungsprozesse herauszuarbeiten.87 In Deutschland erfuhr die Strukturgeschichte eine Fortsetzung und Konkretisierung vor allem in Gestalt der „Sozialgeschichte“ und der „Histo-

80 Die Zitate bei Schnabel, Deutsche Geschichte, Bd. 3, S. 239f. u. 434. 81 Vgl. hierzu Weber/Engelskirchen, Streit. 82 Schieder, Strukturen, S. 288ff.; vgl. das Zitat Schieders bei Gleitsmann, Technik, S. 129. 83 Conze, Strukturgeschichte; vgl. Weber/Engelskirchen, Streit, S. 201–07. 84 S. u. S. 46f. 85 Braudel, Civilisation. 86 Bloch, Antritt. 87 Vgl. Ludwig, Technikgeschichte.

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rischen Sozialwissenschaft“. Sie erhoben den Anspruch, historische Totalität und deren maßgebliche Faktoren und Zusammenhänge besser zu erfassen als andere Ansätze. Die Sozialgeschichte knüpfte an soziologische Klassiker wie Karl Marx und Max Weber an und interpretierte Geschichte vor allem als Auseinandersetzung und Interaktion von Klassen. Die Historische Sozialwissenschaft spannte unter dieser Leitidee ein größeres Panorama von Fragen auf, wie soziale Ungleichheit, Industrialisierung, Konjunkturen und Krisen, die Bevölkerungsentwicklung, die Geschichte der Bildung, die Familiengeschichte usw. Die Technikgeschichte forderte Reinhard Rürup in den 1970er Jahren auf, „Teil einer historischen Sozialwissenschaft“ zu werden.88 Inhaltlich standen die Technikhistoriker den angesprochenen Themenfeldern durchaus aufgeschlossen gegenüber, fühlten aber ihre eigenen Arbeiten nicht angemessen gewürdigt und wollten sich institutionell nicht vereinnahmen lassen.89 Inzwischen hat die Historische Sozialwissenschaft in Hans-Ulrich Wehlers monumentaler „Deutscher Gesellschaftsgeschichte“ (1987–2008) eine beispielhafte Ausarbeitung erfahren.90 Unter Berufung auf Max Weber nennt Wehler Wirtschaft, Herrschaft und Kultur als die drei großen Säulen seiner Darstellung. Dabei weist er die Technik – in eher konventioneller Weise – dem Bereich Wirtschaft zu. Auch ansonsten ist das als Leistung eines Einzelnen bewundernswerte Werk in vielerlei Hinsicht konventionell. Dies gilt für den Zentralbegriff „Klasse“, den Wehler für geeignet hält, mehr als zwei Jahrhunderte deutscher Geschichte zu strukturieren. Und dies gilt für die Dominanz politökonomischer Strukturen, wodurch vielfach Themenfelder der alten Politischen Geschichte – wenn auch strukturgeschichtlich gewendet – aufgegriffen und fortgesetzt werden. Unter „Kultur“, der dritten Säule seiner Darstellung, behandelt Wehler vor allem Kirche, Bildung, Kommunikation und Vereine. Seit den 1970er Jahren wandten sich in der Geschichtswissenschaft neue Strömungen gegen die Struktur- und Sozialgeschichte. Hierzu gehörte eine „Mikrogeschichte“, welche individuellen und lokalen Erfahrungen, die ansonsten in den großen anonymen Strukturdynamiken der Zeit untergingen, Ausdruck und Geltung verschaffen wollte.91 Hierzu gehörte eine Alltagsgeschichte, welche die Lebenswelt der Menschen nicht von vornherein in politischen oder sozialen Großbewegungen aufgehen lassen wollte. Und hierzu gehörte schließlich auch die Konsumgeschichte, welche die Menschen in ihren Bedürfnissen, Wünschen und Konsumhandlungen ernst nahm und in ih88 Rürup, Geschichtswissenschaft, S. 84. 89 Vgl. die Rezensionen von Hausen/Rürups „Moderner Technikgeschichte“ durch Treue in Technikgeschichte 44 (1977), S. 66–68, und Ludwig in Archiv für Sozialgeschichte 16 (1976), S. 670–75; vgl. König, „Moderne“ Technikgeschichte. 90 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. 91 Vgl. z.B. Gribaudi/Schlumbohm, Mikrogeschichte; Medick, Entlegene Geschichte?

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

nen nicht nur willenlose Opfer der kapitalistischen Produzenten sah.92 Die Entstehung und den Aufstieg dieser Forschungskonzepte förderten Einseitigkeiten und dogmatische Verhärtungen der Sozialgeschichte. Allerdings lassen sich Erfahrungen, Alltag und Konsum durchaus auch unter sozial-, wirtschafts- oder auch technikgeschichtlichen Fragestellungen behandeln. Überhaupt darf bezweifelt werden, ob es möglich ist, eine grundsätzliche Überoder Unterlegenheit subdisziplinärer Perspektiven und Themenfelder zu begründen. Höchstens lassen sich die konkreten historischen Arbeiten auf dem Kontinuum zwischen Allgemeinem und Individuellem in der Geschichte verorten, wobei beide wechselseitig aufeinander angewiesen sind. Dies hieße, dass sowohl eine rein aus der Makroperspektive dargebotene Strukturgeschichte wie eine Mikrogeschichte konzeptionelle Defizite aufwiesen.93 Die sich seit den 1980er Jahren herausbildende „Neue Kulturgeschichte“ stilisierende sich als große Gegenbewegung zur Struktur-, Sozial- und Gesellschaftsgeschichte.94 Sie bestimmte sich also einerseits negativ durch Abgrenzung, andererseits, indem sie sich in die Tradition von Autoren wie Michel Foucault (1926–1984) oder Pierre Bourdieu (1930–2002) stellte, und schließlich durch die Aufzählung kulturgeschichtlicher Themenfelder, wie Symbole, Begriffe und Diskurse, Mentalitäten, Alltag, Frauen und Geschlecht usw. Es ist offensichtlich, dass solche heterogenen Aufzählungen zwar Defizite der traditionellen Geschichtswissenschaft benennen, aber noch kein wissenschaftliches Konzept begründen. Dazu kommt die unterschiedliche Verwendung des Begriffs „Kultur“ in den Wissenschaften. Bei aller Vielfalt lässt sich dabei die Dominanz zweier Kulturbegriffe konstatieren. Einerseits bezieht sich „Kultur“, z.B. in der Anthropologie und Ethnologie, auf die Gesamtheit der menschlichen Hervorbringungen in Raum und Zeit. Und andererseits bezieht sich „Kultur“, z.B. in der Kulturwissenschaft und meist auch in der Geschichtswissenschaft, auf symbolische Bedeutungen und deren Werthintergrund. „Kultur“ im ersten Sinne, als großer Allgemeinbegriff, zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität, aber gleichzeitig durch eine fehlende Spezifität aus. Immerhin kann er dazu dienen, kulturhistorische Vergleiche zu organisieren.95 Kultur als Symbol, Bedeutung und Wert enthält starke und problematische idealistische Vorentscheidungen, mit denen materialistische Geschichtsinterpretationen von vornherein eliminiert werden.

92 Vgl. König, Kleine Geschichte – und die dort angegebene Literatur. 93 Vgl. u. S. 94ff. 94 Vgl. die weit verbreiteten Einführungen: Daniel, Kompendium; Burke, Was ist Kulturgeschichte? Tschopp, Kulturgeschichte. Zur geschichtswissenschaftlichen Diskussion um die Kulturgeschichte: Mergel/Welskopp, Geschichte; Daniel, Clio. 95 Vgl. König, Kulturvergleich.

1.6 Geisteswissenschaften

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Im Unterschied zur Kulturwissenschaft96 hat die „Neue Kulturgeschichte“ bislang wenig zur Technik zu sagen.97 Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die Technik von vornherein unter Materialismusverdacht steht. Umgekehrt spielte „Kultur“ in der älteren Technikgeschichtsschreibung der Ingenieure eine wichtige Rolle. Die Ingenieure lenkten mit Hilfe des Begriffs „Kultur“ das Augenmerk auf die geistigen und künstlerischen Elemente des technischen Schaffens als Teil einer Strategie der gesellschaftlichen Emanzipation der Berufsgruppe. Es mag mit dieser wenig zur Identifikation einladenden Tradition zusammenhängen, dass sich die neue Technikgeschichte bislang kaum systematisch mit den Angeboten der neuen Kulturgeschichte beschäftigt hat. Die wenigen Ausnahmen greifen bei der Bestimmung des Forschungsfelds ebenfalls zum Mittel der Aufzählung. So spricht Mikael Hard von interpersonellen Beziehungen und kulturellen Differenzen, von Wahrnehmung, Erfahrungen und Gefühlen sowie von Bedeutung, Symbol und Diskurs; außerdem geht es bei ihm um Rhetorik, Vorstellungen, Werte und Normen.98 An anderer Stelle ist – systematischer – von einer diskursiven Ebene mit Bedeutungen, Grammatik und Sprache die Rede, einer organisatorischen mit Bewegungen, Institutionen, Regeln und Gesetzen sowie einer praktischen mit Verhalten und Identitäten, Routinen, Prozeduren und Sitten.99 Die Technikgeschichte hat – dies dürften die wenigen Beispiele gezeigt haben – die großen Diskussionen in der Geschichtswissenschaft aufgegriffen. Umgekehrt dürfte dies eher weniger der Fall sein. Jedenfalls ist die Bilanz des auch in der Gegenwart noch nicht abgeschlossenen Prozesses der Integration der Technikgeschichte in die Geschichtswissenschaft durchaus ambivalent. Die – so ihr Selbstverständnis – historische Teildisziplin Technikgeschichte nimmt in der Geschichtswissenschaft weiter eine Randposition ein und weist besonders institutionell ein hohes Maß an Selbstbezüglichkeit auf. Ihre wissenschaftlichen Ergebnisse werden bislang durch das Fachgebiet Geschichte nur unzureichend rezipiert.100 Ein markantes Beispiel hierfür sind die auf dem Markt befindlichen Einführungen in das Studium der Geschichtswissenschaft.101 Es mag noch angehen, dass von diesen nur eine Minderheit die Technikgeschichte erwähnt. Erschreckend ist aber, dass in diesen in der Regel ein völlig veralteter Diskussions- und Forschungsstand geboten wird.

96 Böhme u.a., Orientierung, S. 164–79. 97 Es ist bezeichnend, dass im Sachregister des Readers: Tschopp, Kulturgeschichte, das Stichwort Technik nicht auftaucht. 98 Hard, Zur Kulturgeschichte, bes. S. 25. 99 Hard/Jamison, Hubris, S. 14. 100 Vgl. hierzu die von Eisenstein, Druckerpresse, S. 3f., in ihrem Epoche machenden Werk an die Adresse der Historiker gerichteten mahnenden Worte. 101 Diesem Urteil liegt eine 2008/09 vorgenommene Auswertung von 25 Einführungen zugrunde.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

Anscheinend ist bei der geschichtswissenschaftlichen Rezeption der Technik mit einem mehrere Generationen dauernden Prozess zu rechnen. Diesen Rezeptionsprozess dürfte es erleichtern, wenn sich die Technikhistoriker selbst in historischen Lexika und Reihenwerken sowie in Handbüchern präsentieren. Anfänge und Beispiele hierfür bilden der „Neue Pauly“, das „Lexikon des Mittelalters“ und die „Enzyklopädie der Neuzeit“,102 die Propyläen Technikgeschichte103 und die technikgeschichtlichen Bände in der „Enzyklopädie Deutscher Geschichte“104 und in den „Basistexten Geschichte“105. 1.6.4 Technikgeschichte106 Die historische Entwicklung der Technik geriet im Laufe des 18. Jahrhunderts verstärkt ins Blickfeld.107 Für die Vertreter von Aufklärung und Rationalismus bildete die Technik ein wichtiges Element des menschlichen Fortschritts, welches es zu erfassen und zu vermitteln galt. Dem diente zum Beispiel die didaktisch angelegte Darstellung der Gewerbe und Industrien in der „Encyclopédie“ (1751–1780) Denis Diderots (1713–1784) und Jean le Rond d’Alemberts (1717–1783). Ebenso standen utilitaristische Motive hinter dem technologischen Interesse des deutschen Kameralismus. So schlug der Göttinger Begründer der Technologie, Johann Beckmann (1739–1811), in seinem „Entwurf der allgemeinen Technologie“ (1806) vor, die Herstellungsverfahren verschiedener Gewerbe in praktischer Absicht zu systematisieren. In seinen „Beyträgen zur Geschichte der Erfindungen“ (5 Bde., 1780–1805), in denen er auch den gesellschaftlichen Kontexten technischen Handelns nachging, wollte er einen „Erfahrungsschatz“ für Gegenwart und Zukunft bewahren. Letzten Endes blieben diese Ansätze Episode. Mit dem Vordringen wirtschaftsliberaler Gedanken spaltete sich die Kameralwissenschaft in Disziplinen auf wie Nationalökonomie, Finanz- und Staatswissenschaft; die Technologie geriet ins Abseits bzw. wurde in modifizierter Form in die Technikwissenschaften überführt. Ausgehend von der mechanischen und der chemischen Technologie entstand im 19. Jahrhundert das sich stark ausdifferenzierende System der Technikwissenschaften. An den Polytechnischen Schulen und Technischen Hochschulen gehörte es zum guten Ton, in Vorlesungen und Lehrbüchern auch die 102 103 104 105 106

Vgl. Popplow, Technik, S. 212. König, Propyläen Technikgeschichte. Kleinschmidt, Technik. König, Basistexte Technikgeschichte. Dieses Kapitel ist – in wenig modifizierter Form – entnommen aus: König, Technikgeschichte, S. 231–34; dort findet sich weitere Literatur; vgl. als zusätzlicher neuer Überblick: Gleitsmann, 500 Jahre. 107 Troitzsch, Zu den Anfängen.

1.6 Geisteswissenschaften

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Geschichte des eigenen Fachs in Wissenschaft und Industrie anzusprechen. Dabei kam es durchaus zu Reflexionen über die sozioökonomischen Kontexte der technischen Entwicklung. Besaßen die Technikwissenschaftler allerdings ein originäres technikgeschichtliches Forschungsinteresse, so bemühten sie sich häufig, vermeintliche sachlogische innertechnische Entwicklungen herauszuarbeiten, wie bei Getrieben die Entwicklung vom Reibschluss zum Formschluss oder von der linearen zur rotativen Bewegung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gaben sich die Technikwissenschaften empirische Forschungseinrichtungen, intensivierten ihre Kontakte zur Industrie und bildeten eine zunehmende Zahl an Industrieingenieuren aus. Je praxis- und zukunftsorientierter die Ingenieurwissenschaften wurden, desto mehr verloren sie an der Technikgeschichte das Interesse. Oder genauer gesagt: Im Prozess der Spezialisierung lagerten sie die Technikgeschichte als eine Art randständige Subdisziplin aus.108 In den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg entstanden technikgeschichtliche Monographien, lexikalische Nachschlagewerke und Periodika. 1903 wurde das Deutsche Museum in München gegründet, 1918 das Technische Museum in Wien. Ein Zentrum der Technikgeschichte bildete sich im Verein Deutscher Ingenieure. An der Maschinenbauabteilung der Technischen Hochschule Berlin wurde 1909 der erste technikgeschichtliche Lehrauftrag an einer deutschen Hochschule eingerichtet – für „Geschichte der Maschinentechnik“. Die Ingenieure betrieben Technikgeschichte sowohl mit kulturgeschichtlichen wie mit technisch-pragmatischen Intentionen.109 Indem sie Technik als Teil der Kultur interpretierten, distanzierten sie sich von der neuhumanistischen Abwertung der Technik als bloße Zivilisation. Die mit Hilfe der Technikgeschichte zu erzielende Traditionsbildung erschien ihnen als probates Mittel zur gesellschaftlichen Emanzipation der technischen Intelligenz. Die kulturgeschichtliche Perspektive verlangte, auf die Zusammenhänge von Technik, Kultur und Gesellschaft einzugehen sowie auf die Ursachen und Auswirkungen der technischen Entwicklung. Allerdings wurden entsprechende programmatische Bekundungen in der Praxis der Technikgeschichtsschreibung höchstens in Ansätzen eingelöst. Mit der technisch-pragmatischen Begründung unterwarfen sich die Technikgeschichte betreibenden Ingenieure den Zielsetzungen der Technikwissenschaften. Die Technikgeschichte sollte Gesetzmäßigkeiten der technischen Entwicklung ergründen und auf diese Weise die technische Forschung anleiten. Frühere technische Lösungen könnten wieder Bedeutung gewinnen und durch die Technikgeschichte in Forschung und Entwicklung eingespeist werden.

108 König, Programmatik. 109 Zweckbronner, Bedeutung, S. 21f.; König, Auffassungen.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

Die Technikgeschichte der Ingenieure wurde in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg nur unwesentlich ausgebaut, dominierte aber bis in die 1960er Jahre. Danach löste sie eine in erster Linie von ausgebildeten Historikern vertretene Technikgeschichte ab. Dies ging mit einem enormen und bis in die Gegenwart andauernden Institutionalisierungsschub einher.110 Hierzu gehörte die Einrichtung technikgeschichtlicher Professuren – allerdings ausschließlich an Universitäten mit technikwissenschaftlichen Fächern. Seit 1965 erschien die vom Verein Deutscher Ingenieure herausgegebene Zeitschrift Technikgeschichte wieder – mit der Zielsetzung, ihren Gegenstand „in die Darstellung der allgemeinen Geschichte einzuordnen“. Die neue historische Teildisziplin wurde in Form von Sektionen und Einzelvorträgen auf den Historikertagen präsentiert. Sie partizipierte an Förderprogrammen von Wissenschaftsstiftungen. Besondere Verdienste um das Fach erwarb sich die Volkswagenstiftung mit einem sieben Jahre laufenden Schwerpunkt. Neben zahlreichen kleinen entstanden mehrere große Technikmuseen, welche insbesondere die Arbeitswelt zu ihrem Thema machten. Zu diesen zählen das Museum für Verkehr und Technik in Berlin, heute Deutsches Technikmuseum, das Baden-Württembergische Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim, das Museum für Arbeit in Hamburg und die beiden Industriemuseen im Rheinland und in Westfalen. Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum profilierte sich durch die Dokumentation und Erforschung technischer Denkmale. Solche jetzt mit der Bezeichnung „Industriearchäologie“ belegten Aktivitäten reichten bis in die Zwischenkriegszeit zurück. Die deutsche Technikgeschichte war in der Nachkriegszeit in die internationale Scientific Community integriert. Die größte Bedeutung für die fachliche Kommunikation besaßen das International Committee for the History of Technology (ICOHTEC) sowie die amerikanische Society for the History of Technology (SHOT), welche seit 1992 auch Tagungen außerhalb der Vereinigten Staaten durchführte. Die deutschen Technikhistoriker gaben sich 1990 mit der Gesellschaft für Technikgeschichte (GTG) eine eigenständige wissenschaftliche Organisation. In der Zeit vorher hatten sie sich im Verein Deutscher Ingenieure (VDI) oder in der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik engagiert. Die Gründe für den Institutionalisierungsschub seit den 1960er Jahren sind vielfältig. Anfangs erhofften sich manche von der Technikgeschichte eine Legitimation der gerade in den Nachkriegsjahren besonders ertragreichen technisch-ökonomischen Entwicklung. In den ökonomischen und ökologischen Krisenjahren der 1970er Jahre rechneten sowohl Fürsprecher wie Kritiker der Industriegesellschaft mit argumentativer Unterstützung von historischer Seite. Die Technikgeschichte profitierte davon, dass sich das geschichtswissenschaftliche Interesse von der politischen Ereignisgeschichte 110 Weber/Engelskirchen, Streit.

1.6 Geisteswissenschaften

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zur Strukturgeschichte verschob. In die Ingenieurcurricula wurden nichttechnische, aber die Technik thematisierende geistes- und sozialwissenschaftliche Lehrveranstaltungen aufgenommen. Und nicht zuletzt schufen der allgemeine Wohlstand und die gefüllten Kassen der öffentlichen Hand Spielräume für den Auf- und Ausbau der neuen Fachrichtung. Die seit den 1960er Jahren entstehende Technikgeschichte der Historiker wurde von ihnen als historische Teildisziplin interpretiert. Diese Selbstbestimmung erfolgte im Bewusstsein, dass die Hauptströmungen der Geschichtswissenschaft die Technik lange Zeit ignoriert hatten.111 Zu den wenigen Ausnahmen gehörte Franz Schnabel, der die Technik 1934 zusammen mit den Naturwissenschaften in einem Band seiner vierbändigen „Deutschen Geschichte im neunzehnten Jahrhundert“ (1929–1937) behandelt hatte. Schnabel bot eine Art Geistes- und Diskursgeschichte der Technik. Wie Schnabel spürte auch der am Deutschen Museum tätige Friedrich Klemm (1904–1983) den geistigen Ursprüngen der Technik nach, die er vor allem in den Naturwissenschaften fand. Klemms 1954 erschienene und später in veränderten Fassungen wieder aufgelegte Technikgeschichte war eine der ersten Gesamtdarstellungen, die der engeren Zunft der Technikhistoriker entstammte. Schnabels wie auch Klemms Technikdarstellungen wurden von manchen damals auch als „Kulturgeschichte“ bezeichnet. Im Institutionalisierungsschub der Technikgeschichte seit den 1960er Jahren wurden andere Schwerpunkte gesetzt, ausgedrückt in den Lehrstuhlbezeichnungen, welche die Technikgeschichte mit der Sozial-, Wirtschafts- oder Naturwissenschaftsgeschichte verbanden. Der Kombination mit der Naturwissenschaftsgeschichte lag die Vorstellung von Technik als angewandter Naturwissenschaft zugrunde. Konsequenterweise wurden alle entsprechenden Professuren mit Naturwissenschaftshistorikern besetzt. Bei der Berufung anderer Professuren kam es bei der Frage, ob Technikhistoriker eine ingenieurwissenschaftliche und/oder eine historische Vorbildung besitzen sollten, zu professionalistischen Auseinandersetzungen. Zweifellos indizierten diese auch technische Kompetenzdefizite der ersten Generation der akademischen Technikhistoriker. Die Herausbildung spezifischer fachlicher Standards, sowohl methodischer wie inhaltlicher Art, drängte solche Diskussionen später in den Hintergrund. Im Vordergrund stand jetzt nicht mehr die Vorbildung, sondern die technikhistorische Leistung. Die Fülle und die Qualität der in den letzten Jahrzehnten entstandenen technikhistorischen Arbeiten hätte jedoch schwerlich allein aus der kleinen historischen Teildisziplin Technikgeschichte erwachsen können. Technikgeschichte ist heute kein Monopol einer organisierten Scientific Community mehr; technikhistorische Fragestellungen finden sich vielmehr auch in

111 Gleitsmann, Technik.

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1. Die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften

Arbeiten nicht der Subdisziplin Technikgeschichte angehörender Historiker, Ethnologen und Soziologen.

2. THEORIEN DER TECHNIKGESCHICHTE Die Technikgeschichte entwickelte sich also im Laufe der letzten ein oder zwei Jahrhunderte zur wissenschaftlichen Disziplin.112 Die ersten Anfänge liegen in der Zeit um 1800 in der „Technologie“ als Teil der Kameralwissenschaften sowie in den frühen Ingenieurwissenschaften. Um 1900 setzte ein von Ingenieurhistorikern betriebener Institutionalisierungsschub ein – mit der Publikation technikgeschichtlicher Monographien, Nachschlagewerken und Zeitschriften sowie der Gründung von Museen und wissenschaftlichen Gesellschaften. Technikgeschichtliche Professuren wurden in der Bundesrepublik an Universitäten erst in den 1960er Jahren eingerichtet. Die Vertreter der akademischen Technikgeschichte kamen aus der Geschichtswissenschaft und interpretierten ihr Fach als historische Teildisziplin. Außer die technischen Artefakte und Sachsysteme nahmen sie jetzt auch verstärkt deren Entstehungs- und Verwendungszusammenhänge in den Blick. Zu den ersten Aufgaben der jungen historischen Teildisziplin Technikgeschichte gehörte es, den Umfang des Untersuchungsgegenstands Technik zu klären und Anschluss an die Fragestellungen der zeitgenössischen Geschichtswissenschaft zu finden. Dabei ging es durchaus um theoretische Fragen – wenn auch auf einem wenig elaborierten Niveau. Dies hing nicht zuletzt damit zusammen, dass damals die Theoriediskussion auch in der Geschichtswissenschaft eine nachrangige Bedeutung besaß. Die großen Auseinandersetzungen zwischen Ereignis- und Strukturgeschichte, zwischen Politikgeschichte und Sozialgeschichte, zwischen Historischer Sozialwissenschaft sowie Alltags- und Kulturgeschichte, welche die Theoriediskussion nachhaltig befruchteten, standen erst noch bevor. Die Reserve, mit welcher die meisten Historiker theoretischen Fragen begegneten, hing mit dem dominierenden Selbstverständnis zusammen: Die Geschichtswissenschaft – so die verbreitete Auffassung – befasste sich mit dem Einmaligen, Individuellen, Speziellen, die Theorie mit dem Sich-Wiederholenden, Allgemeinen, Generellen. Der in den Wissenschaften gängige Theoriebegriff orientierte sich am Leitbild der Naturwissenschaften sowie der formalisierten und mathematisierten Sozialwissenschaften, wie der Nationalökonomie. In erster Linie bezog er sich auf Gesetzesaussagen und deren prognostischen Anspruch. Dagegen verwiesen die Historiker zu Recht auf die Kontingenz des historischen Geschehens, das heißt auf die Offenheit und 112 Vgl. zur Geschichte der Technikgeschichtsschreibung: König/Schneider, Die technikhistorische Forschung; Weber/Engelskirchen, Streit; Staudenmaier, Technology’s Storytellers, sowie die dort angegebene Literatur.

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2. Theorien der Technikgeschichte

Indeterminiertheit der Geschichte. Die Geschichtswissenschaft benötigte einen im Vergleich zu den „Gesetzeswissenschaften“ schwächeren Theoriebegriff. Der beliebte Verweis auf „Theorien mittlerer Reichweite“ empfahl zeitlich und räumlich eingeschränkte Generalisierungen und Typisierungen. Eine weitere Schwierigkeit im Verhältnis Geschichtswissenschaft und Theorie stellte die historische Wissenschaftssprache dar.113 Eine theoretische Sprache verlangt Termini, d.h. durch die Scientific Community festgelegte eindeutige Begriffe. Dagegen bedient sich die Geschichtswissenschaft zur Beschreibung und Erklärung des vielfältigen historischen Geschehens der Allgemeinsprache. Deren Flexibilität, Assoziationsreichtum und Unschärfen erweisen sich in der Geschichtsschreibung eher als Stärke denn als Schwäche. Mit ihrer Sprache befindet sich die Geschichtsschreibung mehr auf der Seite von Kunst und Literatur, mit ihrer Methodik, ihren Institutionalisierungs- und Kommunikationsformen mehr auf der Seite der Wissenschaft. Die vielleicht größte theoretische Herausforderung der Geschichtswissenschaft – und auch der Technikgeschichte – besteht in dem Doppelcharakter der Geschichte als Handeln und Geschehen. Einerseits beruht jegliches historische Geschehen auf dem Handeln der Menschen. Andererseits wäre es aussichtslos, historisches Geschehen ausschließlich als Akkumulation individueller und kollektiver Handlungen rekonstruieren zu wollen. Mehr noch: In vielen Fällen entsprechen die Handlungsergebnisse nicht den Intentionen der Akteure. Vielmehr empfinden die meisten Menschen zu Recht die „große“ Geschichte als anonymes, ihnen auferlegtes Geschehen, dem sie mehr oder weniger passiv ausgeliefert sind. Der skizzierte Doppelcharakter legt es nahe, Geschichte theoretisch sowohl als Handlung wie als Struktur zu konzipieren.114 Ebenso wie die Geschichtswissenschaft übernahm die Technikgeschichte einen großen Teil ihrer theoretischen Konzepte anderen Wissenschaften. Die in der Technikgeschichte dominierende Bestimmung ihres Gegenstands: nämlich die technischen Sachsysteme in ihren Entstehungs- und Verwendungszusammenhängen, entstammte der „Allgemeinen Technologie“ Günter Ropohls.115 Die Wirtschaftswissenschaften lieferten mit der „Innovation“ einen der Grundbegriffe der Technikentwicklung und mit den „Innovationssystemen“ eine darüber hinausgehende Generalisierung. Der Begriff der „Pfadabhängigkeit“ betonte die Wirkmächtigkeit vergangener technisch-wirtschaftlicher Entscheidungen für die weitere Entwicklung. Die meisten der von der Technikgeschichte rezipierten theoretischen Konzepte besaßen ihren Ursprung in der Soziologie. Dies gilt vor allem für die – scheinbare – Dichoto113 Vgl. zur Sprache der Geschichtswissenschaft: Faber, Theorie, S. 147–64; Schwemmer, Handlung, bes. S. 21ff.; Mommsen, Sprache. Meine eigenen Überlegungen hierzu habe ich niedergelegt in: König, Kulturvergleich, S. 418–20. 114 S. u. S. 94–100. 115 S. u. S. 56.

2. Theorien der Technikgeschichte

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mie von Technikdeterminismus und Sozialer Konstruktion der Technik, welche insbesondere die amerikanische Technikgeschichtsschreibung lange Zeit beeinflusste. Eine Reihe von Versuchen, den Dualismus von Struktur und Handlung zu überwinden, griff auf soziologische Ansätze zurück, wie auf Anthony Giddens’ „Theory of Structuration“. Die Technikhistoriker übernahmen die genannten und andere Konzepte, prüften sie auf ihre historische Brauchbarkeit und modifizierten sie gegebenenfalls, entsprechend ihren disziplinären Anforderungen.116 Als Ergebnis solcher kritischen Aneignungen unterbreiteten sie Revisionsvorschläge. Hierzu gehört die unter dem Stichwort „Innovationskultur“ vorgeschlagene Erweiterung des Konzepts der „Innovationssysteme“. Und hierzu gehört die Revision der „Sozialen Konstruktion der Technik“, die einer Neuformulierung gleichkommt. Darüber hinaus legten die Technikhistoriker selbst Konzepte vor, die teilweise von den Sozialwissenschaften aufgegriffen und weiterentwickelt wurden. Als besonders erfolgreich erwies sich dabei der amerikanische Technikhistoriker Thomas P. Hughes, dessen konzeptionelle Begriffe „technological style“, „momentum“, „networks“ und „large technical systems“ weite Verbreitung und Anwendung fanden. Im Folgenden entwickle ich keine eigene kohärente und konsistente Theorie der Technikgeschichte. Dies würde starke Vorentscheidungen voraussetzen und notwendigerweise zu Einseitigkeiten führen. Stattdessen lasse ich mich mehr von pragmatischen Überlegungen leiten. Ich befasse mich insbesondere mit Begriffen und Konzepten, welche in der Technikgeschichte – und zwar in erster Linie in der englisch- und der deutschsprachigen – rezipiert und angewandt wurden. Die Auswahl erfolgt also nach dem praktischen Nutzen der Konzepte für technikgeschichtliche Fragestellungen und Darstellungen. Nützlich in diesem Sinne sind insbesondere Konzepte, die sich mit Hilfe der zur Verfügung stehenden historischen Quellen auch einlösen lassen. Dabei erweist sich der jeweilige Grad an Konkretheit und Komplexität als wichtiges Kriterium. Viele Konzepte sind für die technikgeschichtliche Anwendung entweder zu komplex oder zu wenig konkret. Indirekt kann man dies daraus entnehmen, dass die Technikhistoriker sie, ihren Bedürfnissen entsprechend, modifizieren. Allerdings weisen die technikgeschichtlichen Bedürfnisse selbst eine große Bandbreite auf. Eine Reihe theoretischer Konzepte eignet sich gut für die Anleitung von Fallstudien, eine andere eher für Gesamtdarstellungen. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass die Technikgeschichte konzeptionell bislang besser für die Durchführung von Fallstudien auf der Mikro- und Mesoebene gerüstet ist als für übergreifende Darstellungen auf der Makroebene. Ebenso hat sich die Technikgeschichte bislang zu wenig mit der Frage befasst, wie sich Mikro-, Meso- und Makroebene aufeinander beziehen lassen. 116 Vgl. z.B. den knappen Überblick: Parayil, Models.

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2. Theorien der Technikgeschichte

Die folgende Zusammenstellung umfasst also Konzepte unterschiedlicher Zielsetzung, die sich teilweise ergänzen, aber auch miteinander konkurrieren oder sich ausschließen. Ich bemühe mich – wenn es auch manchmal schwer fällt –, den einzelnen Ansätzen gerecht zu werden. Dabei lasse ich mich von der Überzeugung leiten, dass die meisten Konzepte in spezifischen Zusammenhängen gute Dienste leisten können – hierfür aber jeweils ein Preis zu entrichten ist, indem jeweils wichtige Aspekte ausgeschlossen werden oder unterbelichtet bleiben. Eine derartige konzeptionelle Liberalität schließt natürlich Kritik – auch solche in deutlichen Worten – nicht aus. Meines Erachtens besteht in der Technikgeschichte ein gravierendes Defizit hinsichtlich der kritischen Diskussion konzeptioneller Ansätze.117 Technikgeschichtliche Konzepte verbreiten sich eher in Form von Gefolgschaftssystemen denn als kritische Aneignung. Nicht wenige Technikhistoriker suchen Anschluss an bestimmte Schulen oder Zeitschriften bzw. nationale Scientific Communities, argumentative Prüfungen bleiben dagegen nachrangig. In anderen Worten: Die soziale Seite der Wissenschaft triumphiert über die kognitive und argumentative. Mit diesem Buch möchte ich einen Beitrag zur Umkehr dieser Tendenz leisten. 2.1 TECHNIKBEGRIFF118 Die antiken Begriff „techne“ und „ars“ sowie das im Hochmittelalter auftauchende „ingenium“ bezeichneten einen weiten Bereich menschlicher Fähigkeiten und Hervorbringungen.119 Insbesondere markierten sie noch keine Trennung zwischen dem, was wie heute technisches oder künstlerisches Schaffen nennen.120 Die Unterscheidung zwischen Technik als rationale Ziele verfolgende, planvolle Gestaltung nützlicher Dinge und Kunst als ästhetischen Kriterien genügendes zweckfreies Schaffen entstand erst in einem langen Prozess, der von der Renaissance bis in die Zeit um 1900 reichte. Am besten lässt sich dieser Prozess am Beispiel der Herausbildung und Differenzierung des vorwiegend für die ästhetische Form zuständigen Architekten und des für die technische Funktion zuständigen Bauingenieurs nachvollziehen. So wurden in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert sowohl private Architekturakademien und Bauschulen für den Hochbau gegründet als auch staatliche Schulen für die Ausbildung von Ingenieuren – insbesondere für die Kriegstechnik und die Verkehrsinfrastruktur. Während die Architek117 Ausnehmen möchte ich hiervon nur die Diskussion um die „Social Construction of Technology“ (SCOT) in der englischsprachigen Technikgeschichte. S. u. S. 79–85. 118 Das Folgende entstammt meinem Beitrag: König, Technik – Der Gegenstand, ist aber dort wesentlich ausführlicher ausgeführt. 119 Vgl. hierzu neuerdings Kaiser/König, Geschichte, und die dort angegebene Literatur. 120 Vgl. hierzu Gamm, Artefakte.

2.1 Technikbegriff

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turschulen den Schönen Künsten einen zentralen Stellenwert einräumten, orientierten sich die Ingenieurschulen vor allem an der Mathematik und den Naturwissenschaften. Die deutschen Polytechnischen Schulen und Technischen Hochschulen bildeten sowohl Bauingenieure wie Architekten aus – seit den 1870er Jahren allerdings meist in getrennten Abteilungen. Die herrschenden Spannungen zwischen Technik und Kunst im Bereich des Bauens dokumentiert die 1900 durch Hermann Muthesius (1861–1927) vorgetragene Forderung, die Architektur aus den Technischen Hochschulen herauszulösen – und damit der Kunst zurückzugeben.121 Im späten 19. Jahrhundert bildeten sich neben den „Ingenieur- und Architektenvereinen“, welche die staatlichen Baubeamten vertraten, lokale Architektenvereine, die sich 1903 zum überregionalen „Bund Deutscher Architekten“ (BDA) zusammenschlossen. Auf lange Sicht gelang es den im BDA vereinigten Architekten, ihre Interpretation der Hochbauten als – in erster Linie – künstlerische Werke in Politik und Öffentlichkeit zu verankern. Die Ingenieure und die Ingenieurwissenschaften entwickelten dagegen im Laufe des 19. Jahrhunderts ein spezifisches Selbstverständnis.122 Sie stilisierten sich als Sachwalter des rationalen Kalküls in der Technik Die ästhetische expressive Gestaltung der technischen Dinge wurde entweder als überflüssig abgetan oder in die Randbereiche der Architektur bzw. später des Designs ausgelagert. Die für den Ingenieurberuf reklamierte Rationalität und Wissenschaftlichkeit schienen am ehesten die Mathematik und die Naturwissenschaften zu garantieren. Allerdings folgte im späten 19. Jahrhundert der Abgrenzung von der Kunst auch eine Abgrenzung von den Naturwissenschaften. Einzelne Ingenieurprofessoren arbeiteten dabei die fundamentalen Unterschiede zwischen naturwissenschaftlicher Erkenntnis und technikwissenschaftlicher Gestaltung heraus. Die Ingenieure – so der Anspruch – verfolgten bei der Gestaltung und Optimierung der Technik durchwegs praktische Ziele. Die Zielbestimmungen übernahmen sie weitgehend aus der Wirtschaft; die dahinter stehenden wertbeladenen Vorentscheidungen wurden üblicherweise akzeptiert. Damit konzentrierten sich die Ingenieurwissenschaften auf die technischen und wirtschaftlichen Strukturen und Funktionen der Technik; die normativen Kontexte nahmen sie als gegeben hin. Mathematik, Naturwissenschaften und Kunst blieben jedoch weiterhin in der Legitimation der Technik und der Technikwissenschaften präsent. Die Ingenieure und Ingenieurwissenschaftler suchten sich deren gesellschaftliches Image und Prestige zunutze zu machen. Die Mathematik und die Naturwissenschaften lieferten ihnen den Nimbus der Exaktheit; die Kunst jenen der Kreativität. Am deutlichsten floss beides bei der Gründung des „Deut121 Pump-Uhlmann, Architektur- und Bauingenieurwesen, S. 239f. 122 Vgl. hierzu Braun, Methodenprobleme; König, Künstler, und die dort angegebene Literatur.

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2. Theorien der Technikgeschichte

schen Museums von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik“ im Jahre 1903 zusammen. Aber auch in der Folgezeit legten die Ingenieure Wert darauf, dass das technische Schaffen dem künstlerischen und dem naturwissenschaftlichen gleichwertig sei. Die Gründung des Deutschen Museums bildete ein wichtiges Element in dem großen um 1900 einsetzenden Institutionalisierungsschub der Technikgeschichte, der weitgehend von Ingenieuren getragen wurde. Im Zuge der Ausdifferenzierung der Ingenieurwissenschaften entwickelte sich die Technikgeschichte gewissermaßen zu einer technikwissenschaftlichen Randdisziplin, die sich denn auch teilweise den Anforderungen der Technikwissenschaften unterwarf. Die Technikgeschichte wollte einen Beitrag zur aktuellen Technikentwicklung leisten – durch erneute Prüfung der Brauchbarkeit alter Lösungen und durch Herausarbeitung zeitinvarianter technischer Prinzipien. Es ist wenig verwunderlich, dass die Technikgeschichte der Ingenieure ihren Technikbegriff weitgehend aus den Ingenieurwissenschaften übernahm. Sie stellte die „Sachtechnik“ in den Mittelpunkt – ohne dass dieser Begriff damals bereits gebräuchlich war. In den technikgeschichtlichen Publikationen dominierte die Entwicklung technischer Geräte und Verfahren; eine Reihe von Arbeiten präsentierte umfangreiche, auch heute noch wertvolle Genealogien von Maschinentypen. Im Rahmen einer in die Technikgeschichte integrierten Firmengeschichtsschreibung thematisierte man vor allem die Produktion der Technik; die Konsumtion stand demgegenüber weit zurück. Der im Verein Deutscher Ingenieure tätige Conrad Matschoß (1871– 1942), der führende Vertreter dieser frühen Technikgeschichte, schloss sich ganz der um die Jahrhundertwende stattfindenden praxeologischen Wende in den Ingenieurwissenschaften an.123 Er lehnte die Auffassung von Technik als angewandter Naturwissenschaft ab und benannte wirtschaftlichen Erfolg und massenhafte Verbreitung technischer Erzeugnisse als Relevanzkriterien technischer Entwicklung. Programmatisch ging Matschoß über den ingenieurwissenschaftlichen Technikbegriff hinaus, indem er die Ursachen wie die Folgen der Technik als integrale Bestandteile der Technikgeschichte wertete. Aber gerade diese zukunftsweisenden Grenzüberschreitungen löste er in seiner historiographischen Praxis nur unzulänglich ein. Die Ursachen der technischen Entwicklung waren vor allem in Gestalt der Taten der „Großen Ingenieure“ präsent,124 die Folgen vor allem im Verweis auf die mit Technik realisierten Produktivitätssteigerungen und den daraus resultierenden Wohlstand. Seit den 1960er Jahren wurde die Technikgeschichte der Ingenieure durch eine Technikgeschichte der Historiker abgelöst. Die neue Generation der Technikhistoriker bemühte sich, den Gegenstand und das Selbstverständnis

123 Vgl. König, Programmatik. 124 Matschoß, Große Ingenieure.

2.1 Technikbegriff

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der Technikgeschichte als historische Teildisziplin zu bestimmen und sich dabei von der älteren Technikgeschichte abzugrenzen.125 Insbesondere suchte sie den Anschluss an allgemeine historische Themen. Die ältere Technikgeschichte hatte sich auf das Individuelle des technischen Geschehens konzentriert – auf Personen, Erfindungen und andere Erkenntnisse. Die neue Technikgeschichte suchte dagegen nach Erklärungen für den technischen Strukturwandel und fand sie in mannigfaltigen sozioökonomischen Kontexten. Im Unterschied zu anderen technikbezogenen Sozial- und Kulturwissenschaften nahm die Technikgeschichte keine spezielle soziologische, politische oder wirtschaftliche Betrachtungsperspektive ein, sondern strebte nach einer holistischen Integration disziplinärer Perspektiven mit Blick auf den Geschichtsverlauf. Trotz der – sicher auch unter professionalistischen Gesichtspunkten erfolgten – Abgrenzung gegen die Ingenieurwissenschaften forderten die meisten der neuen Technikhistoriker eine wechselseitige Bezugnahme oder eine Integration der jeweiligen Fragestellungen. Auch die neue Technikgeschichte übernahm den Technikbegriff teilweise von den Ingenieuren. Auch bei ihnen standen die technischen Sachsysteme im Mittelpunkt. Allerdings dehnten sie den zur Erklärung herangezogenen Kontext aus. Sie betrachteten die Abfolge der Artefakte nicht mehr nur als Ergebnis technischer Entwicklungsarbeiten, sondern analysierten wirtschaftliche, politische und soziale Einflüsse. Die bereits von den Ingenieurhistorikern geforderte Untersuchung der Ursachen und Folgen technischen Wandels wurde wesentlich breiter angegangen. Ebenso weitete die neue Technikgeschichte die produktionsgeschichtlichen Ansätze der älteren aus. Sie fragte nach der Entwicklung der Arbeitsmittel, der Arbeitsorganisation, der Arbeitsbedingungen, der Berufsgruppen der Ingenieure und Arbeiter sowie der Wissenschaft. Die zentralen Fragen wurden aus damaligen Leitdisziplinen wie der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, der Historischen Sozialwissenschaft und der Industriesoziologie übernommen. Die Produktionsperspektive entsprach vorherrschenden marxistischen und neomarxistischen Interpretationen des Wirkens der Produktivkräfte. In universalhistorischer Betrachtung entsprang sie Denkweisen, die sich in Mangelgesellschaften im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet hatten, in denen es darum ging, durch Produktion die Subsistenz zu sichern und Wachstum zu erzielen. Aus heutiger Sicht erweiterte die neue Technikgeschichte den Forschungsgegenstand in den 1960er und 1970er Jahren auf produktive Weise. In anderer Hinsicht behielt sie eine problematische ingenieurwissenschaftliche Einschränkung bei: Technikverwendung und Konsumtion gerieten nicht ins Blickfeld, oder sie fanden nur als Folge des Produktionssystems Erwäh-

125 Z.B. Hausen/Rürup, Moderne Technikgeschichte; Troitzsch/Weber, Methodologische Überlegungen; Ludwig, Entwicklung; Troitzsch/Wohlauf, Technik-Geschichte.

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2. Theorien der Technikgeschichte

nung. Tatsächlich rückte erst die entwickelte Konsumgesellschaft mit ihrem Käufermarkt und ihrer historisch beispiellosen Ausstattung an Gütern und Dienstleistungen den Stellenwert der Konsumtion ins wissenschaftliche Bewusstsein. Besonders die amerikanische und die englische Geschichtswissenschaft entdeckten in den 1980er Jahren den Konsum als Themenfeld. Die deutsche Technikgeschichtsschreibung begann – zur gleichen Zeit wie die amerikanische – um 1990 das Zusammenspiel von Produktion und Konsumtion als neues Paradigma der Technikgeschichte zu propagieren und in Darstellungen umzusetzen.126 Produktion und Konsumtion der Technik stehen in einem engen Wechselverhältnis.127 Die Konsumtion bildet das Ziel der Produktion. Die Produzenten haben von vornherein die Verwendung ihrer Erzeugnisse und Angebote im Blick. Sie lassen sich von den Erfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen in der Konsumsphäre leiten. Im Hinblick auf den Gebrauch statten die Produzenten ihre Produkte mit Eigenschaften aus, welche deren Verwendung bis zu einem gewissen Grad determinieren. Allerdings halten sich die Konsumenten nicht immer an dieses den Produkten mitgegebene Programm und gebrauchen sie stattdessen auf eigensinnige Weise. Diese eigensinnigen Verwendungsweisen wirken wieder auf die Produkte zurück; die Produzenten passen die Produkte der Konsumtion an. In seiner Grundlegung einer interdisziplinären „Allgemeinen Technologie“ betonte der Technikphilosoph Günter Ropohl bereits 1979 das komplementäre Zusammenwirken von Produktion und Konsumtion im Prozess der Technikgenese.128 In der neuesten Fassung lautet seine Begriffsbestimmung:129 „Technik umfasst (a) die Menge der nutzenorientierten, künstlichen, gegenständlichen Gebilde (Artefakte oder Sachsysteme), (b) die Menge menschlicher Handlungen und Einrichtungen, in denen Sachsysteme entstehen, und (c) die Menge menschlicher Handlungen, in denen Sachsysteme verwendet werden.“ Ropohl will mit seinem Technikbegriff keine Realdefinition geben, sondern eine Sprachverwendungsregel. Die deutsche Technikgeschichte griff diese weitgehend auf. Sie entspricht im Großen und Ganzen dem in der amerikanischen Technikgeschichte gebräuchlichen Technikbegriff, ist aber präziser gefasst. So ist in der amerikanischen Technikgeschichte die Rede von „technology in context“130 oder von „design ambient contextual approach“.131 Der Vorteil der skizzierten Technikbegriffe liegt in ihrer großen Allgemeinheit und Offenheit. Sie beinhalten keine starken Vorentscheidungen, wie 126 127 128 129 130 131

Radkau, Technik; König, Problem; König, Propyläen Technikgeschichte. Dieser Zusammenhang wird ausführlich behandelt in: König, Geschichte, S. 15–32. Ropohl, Systemtheorie. Ropohl, Allgemeine Technologie, S. 31; vgl. Ropohl in Banse u.a., Erkennen, S. 44f. So z.B. Cutcliffe, In Context. Staudenmaier, Technology’s Storytellers, S. 201.

2.2 Invention und Innovation

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Technik wertend zu interpretieren sei. Darin unterscheiden sie sich von funktionalistischen Technikbegriffen, welche der Technik von vornherein eine spezifische Funktion in einem größeren soziokulturellen Zusammenhang zuweisen.132 Darin wird Technik z.B. als anthropologische Notwendigkeit interpretiert, als Organprojektion, als Mittel der Naturbeherrschung, als Element der Kultur oder Zivilisation, als symbolischer Ausdruck von Wertsystemen, als gesellschaftliche Produktivkraft, als Medium der Kommunikation. Allein die Vielfalt der funktionalistischen Technikbegriffe und ihrer plakativen Ausformulierungen weist darauf hin, dass es sich dabei um hoch generalisierte Abstraktionen und aspekthafte Interpretationskonstrukte handelt. Die Technikgeschichtsschreibung im 20. Jahrhundert lässt sich demnach als eine Entwicklung in drei Schritten begreifen. Die um 1900 einen institutionellen Durchbruch erlebende Technikgeschichte der Ingenieure konzentrierte sich – ich benutze hier die durch Günter Ropohl eingeführten Begriffe – auf die Struktur und Funktion der Artefakte oder technischen Sachsysteme. Die Technikgeschichte der Historiker erweiterte dies seit den 1960er Jahren durch Einbeziehung der Entstehungszusammenhänge und seit etwa 1990 durch Einbeziehung der Verwendungszusammenhänge.

2.2 INVENTION UND INNOVATION In der älteren Technikgeschichte der Ingenieure besaß die Invention, die Erfindung,133 einen großen Stellenwert. Inventionen ließen sich als Ursprung der Technik stilisieren oder als kreative Leistungen der „Großen Männer der Technik“. Der emphatische Begriff der „Kreativität“ assoziierte das technische Schaffen mit der „Creatio“ Gottes, der Erschaffung der Welt. Er eröffnete den Ingenieuren Anschlussmöglichkeiten an den für andere Bereiche der Kultur geschaffenen Geniekult oder an Heroentheorien. Im Unterschied zu den Technikhistorikern zeigten sich Wirtschafts- und Sozialhistoriker besonders an den patentierten Erfindungen interessiert. Die Patente stellten Massenquellen dar, die Aufschlüsse über die technische Konkurrenzfähigkeit der Volkswirtschaften und den Wandel der gesellschaftlichen Nachfrage versprachen. Unter Erfindung wird die erstmalige Beschreibung einer neuen Technik verstanden.134 Dabei kann es sich um eine verbale oder zeichnerische Darstellung handeln, um ein Realmodell oder um einen Prototypen. Eine Erfin132 Eine reiche Auswahl funktionalistischer Technikbegriffe findet sich in: Hubig u.a., Nachdenken. 133 Zur Erfindung: Machlup, Erfindung; Banse/Müller, Johann Beckmann, und darin besonders Ropohl, Philosophie. 134 Dies vor allem nach Ropohl, Allgemeine Technologie, S. 259; Ropohl in: Banse u.a., Erkennen, S. 106f.

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dung enthält nicht nur Angaben über die Struktur und Funktion des Artefakts, sondern enthält immer auch Vorstellungen über mögliche Verwendungen. Ein Patent schreibt das juristische Urheberrecht des Erfinders an seiner Erfindung fest.135 Nach deutschem Recht sind Erfindungen patentfähig, wenn sie den Kriterien Neuheit, Fortschritt, Erfindungshöhe (über den Stand der Technik hinaus) und Brauchbarkeit entsprechen. Die Kreativitätspsychologie beschreibt mit Begriffen wie Perzeption, Konzeption und Konstruktion oder auch Präparation, Inkubation, Illumination und Verifikation Phasen des erfinderischen Problemlösens.136 Zunächst geht es also bei der Erfindung um das Erfassen und die Aufbereitung eines Problems. Daran setzt die Lösungssuche an. Und schließlich wird die Erfindungsidee ausgearbeitet und überprüft. Das Problem der Technikgeschichte besteht darin, dass es die Quellen meistens nicht zulassen, die einzelnen Phasen der Erfindung präzise zu erfassen und voneinander zu trennen. Überlieferte Erfindungsgeschichten sind häufig unter bestimmten Interessen konstruiert und teilweise zur Legende verklärt. Bei dieser Sachlage ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Technikgeschichte wenig zur Psychologie des Erfindens beigetragen hat und wenig von ihr profitiert. Systematische Betrachtungen des Erfindens arbeiten meist mit Typisierungen.137 So lässt sich nach dem Gegenstand zwischen Produkt- und Verfahrenserfindung unterscheiden. Auf den Ingenieurschriftsteller Max Eyth (1836–1906) geht eine weitere Unterscheidung nach der Zweckhaftigkeit zurück: Funktionserfindungen stellen das Mittel für einen bislang nicht realisierten Zweck bereit; Strukturerfindungen beschreiben ein neues Mittel für einen bereits realisierten Zweck; und Übertragungserfindungen verwenden ein bereits bekanntes Mittel für einen anderen, bereits realisierten Zweck. Solche und weitere Typisierungen unterstützen die Technikhistoriker bei der Einordnung individueller Erfindungen. Es wäre zu fragen, ob es im Geschichtsverlauf Verschiebungen zwischen den Typen gegeben hat und was dies für die Technikentwicklung bedeutet. Intuitionistische Konzepte verweisen auf „Eingebungen“, „Inspirationen“ oder „Geistesblitze“. Hinter derartige Erklärungen kann in der Regel nicht zurückgegangen werden. Höchstens ließen sich Eigenschaften erfinderischer Persönlichkeiten bestimmen, wie ein besonders ausgeprägtes Assoziationsvermögen. Solche Konzepte entziehen sich von vornherein dem Zugriff des Historikers. Dagegen sind die Historiker in der Lage, die Gruppe der Erfinder sozial- und wissensgeschichtlich zu analysieren. So ist es für die Inter135 Vgl. Banse/Müller, Johann Beckmann, S. 14; Ropohl, Allgemeine Technologie, S. 259f.; Dahmann/Zohlnhöfer, Erfindungen, S. 143. 136 Vgl. Csikszentmihalyi, Kreativität; Weisberg, Creativity; Lindner, Mehrfacherfindungen, S. 89f.; Ropohl, Allgemeine Technologie, S. 267f.; Basalla, Evolution, S. 23; Kornwachs, Bedingungen, S. 287ff. 137 Ropohl, Allgemeine Technologie, S. 263f.; vgl. Mokyr, Evolution, S. 69–73.

2.2 Invention und Innovation

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pretation der britischen Industriellen Revolution von Bedeutung, in welchem Umfang die Erfinder der neuen Techniken aus dem Handwerk, der Wissenschaft oder aus dem fachfremden Bürgertum kamen. Die Technikgeschichte hat verschiedentlich darauf hingewiesen, dass nicht wenige Erfindungen des 18. und 19. Jahrhundert von Fachfremden und Außenseitern und nicht von Experten stammten. Die gängige Erklärung lautet, dass die Fachleute so sehr in spezifischen Denktraditionen befangen waren, dass ihnen der Gedanke des Neuen versperrt blieb.138 Im Laufe des 20. Jahrhunderts nahm die Bedeutung von Erfindungen Einzelner ab und die der – vor allem in Unternehmen getätigten – Kollektiverfindungen zu.139 Erklärt wird dies mit steigenden Ansprüchen an das Erfindungswissen und zunehmendem Aufwand bei der Ausarbeitung, Patentierung und Vermarktung der Erfindungen. Rationalistische Konzepte suchen die Entstehungsbedingungen des Erfindens – analog zur Innovationstätigkeit – mehr auf der Angebotsseite oder mehr auf der Nachfrageseite. Nach der angebotstheoretischen Richtung erwachsen Erfindungen aus dem Stand des technischen Wissens und Könnens sowie aus der systematischen Suche nach Neuem. Günstige Bedingungen, wie soziale Anerkennung und finanzielle Belohnung, fördern die Erfindungstätigkeit. Ganz in diesem Sinne charakterisierte Thomas Alva Edison (1847– 1931) Erfinden als 1 % Inspiration und 99 % Transpiration. Die amerikanische Geschichtsschreibung verbindet üblicherweise den politischen und wirtschaftlichen Aufstieg der Vereinigten Staaten nach dem Bürgerkrieg unter anderem mit der Breite des Erfindungswesens, welches zu einer Art Volkssport geworden sei. Die Patentgesetzgebung steht und fällt mit der Prämisse, dass die darin enthaltenen Belohnungen die Zahl der Erfindungen vermehre. An sich hemmen Patente die Verbreitung technischer Innovationen;140 aber volkswirtschaftlich sollen die dadurch entstehenden Verluste durch eine gesteigerte Erfindungstätigkeit überkompensiert werden. Die rationalistischen Konzepte lenken also den Blick weg von der Erfindung an sich und stattdessen auf die dem Erfinden förderlichen Bedingungen. Eine andere Schule interpretiert Erfindungen als Folge wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Nachfrage. Soziologen und Ökonomen wie Seabury Colum Gilfillan (1889–1987) und Jacob Schmookler (1918–1967) bemühten sich quantitativ nachzuweisen, dass wirtschaftliches Wachstum eher Ursache als Folge von Patenten gewesen sei.141 Ein gewisser Stand des technischen Wissens und Könnens vorausgesetzt, entstünden Erfindungen quasi automatisch, sobald ein Bedürfnis nach ihnen vorhanden sei. Eine solche Auffassung

138 Eine klassische Fallstudie hierzu ist: Hounshell, Elisha Gray. 139 Vgl. Kranakis, European Patent-System, S. 700. 140 Mensch, Das technologische Patt, S. 225ff., sieht im Patentsystem eine „Bremse des technischen Fortschritts“. 141 Gilfillan, Sociology; Schmookler, Invention; vgl. McGee, Making Up Mind.

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schränkt natürlich den Stellenwert der Erfindungen und Patente für die technische Entwicklung beträchtlich ein. Ein in der Technikgeschichte weit verbreitetes Phänomen sind Mehrfacherfindungen.142 Erfindungen werden von verschiedenen Personen an unterschiedlichen Orten unabhängig voneinander gemacht. Die Mehrfacherfindungen sprechen gegen intuitionistische Erklärungen des Erfindens, können aber sowohl angebotsorientiert wie nachfrageorientiert erklärt werden. Angebotstheorien leiten Erfindungen aus einem ähnlichen Stand des technischen Wissens und Könnens ab, Nachfragetheorien aus einer ähnlichen wirtschaftlichen Nachfrage oder ähnlichen gesellschaftlichen Bedürfnissen. Die Zahl der erteilten Patente dient häufig als Indikator für die technischwissenschaftliche Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Allerdings relativiert es die Bedeutung dieses Indikators, dass nur ein Bruchteil der erteilten Patente zu marktfähigen Produkten führt. Erfindungen und Patente stellen demnach eine notwendige, aber keine hinreichende Erklärung für die Dynamik der technischen Entwicklung dar. Darin dürfte der wichtigste Grund liegen, dass die „Erfindung“ in der Technikgeschichte keinen zentralen Stellenwert mehr einnimmt bzw. in den Begriff der „Innovation“ aufgegangen ist. „Innovation“ – verstanden in einem weiteren Sinne – umfasst die Invention, d.h. die Erfindung, die Innovation im engeren Sinne, d.h. die Entwicklung bis zur Marktreife, und die Diffusion, d.h. die Verbreitung am Markt.143 Der Begriff hat sich durch die Arbeiten Joseph Schumpeters (1883–1950) zunächst in den Wirtschaftswissenschaften und später darüber hinaus verbreitet. Schumpeter grenzte die Innovation scharf von der Invention ab, welche „keine wirtschaftlich bedeutungsvolle Wirkung“ hervorbringe.144 In Innovationen sah er dagegen den „fundamentale(n) Antrieb, der die kapitalistische Maschine in Bewegung setzt und hält“.145 Schumpeter subsumierte allerdings unter „Innovation“ nicht nur technische, sondern auch soziale und organisatorische Innovationen. Für das Innovationsgeschehen bot er eine personalistische Erklärung an. Unternehmer und Manager kombinierten Innovationen in Prozessen „schöpferischer Zerstörung“ zu neuen wirtschaftlichen Lösungen. Innovationen zeichneten für die Dynamik des Konkurrenzkapitalismus verantwortlich. Allerdings erwartete Schumpeter für die Zeit nach

142 Lindner, Mehrfacherfindungen. 143 Vgl. zur Innovation in der Technikgeschichte: Schumpeter, Konjunkturzyklen; Pfetsch, Innovationsforschung; Mensch, Das technologische Patt; Themenheft Technikgeschichte 45 (1978), Heft 2 „Innovation im 15./16. und im 19. Jahrhundert als technikgeschichtliches Problem“; Jamison, Technology’s Theorists; Braun-Thürmann, Innovation; Blättel-Mink, Kompendium; Fagerberg u.a., The Oxford Handbook of Innovation, und die dort angegebene Literatur. 144 Schumpeter, Konjunkturzyklen, S. 91. 145 Schumpeter, Kapitalismus, S. 137.

2.2 Invention und Innovation

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dem Zweiten Weltkrieg, dass der Konkurrenzkapitalismus an sein Ende gelangen werde. Die Invention spielte also bei Schumpeter, wie später auch in der Technikgeschichte, keine große Rolle mehr. Die Innovation im engeren Sinne, die Entwicklung einer Neuerung bis zur Marktreife, siedelte die Technikgeschichtsschreibung in erster Linie in den Unternehmen an. Die Unternehmen antizipieren dabei, soweit es ihnen ihre beschränkte Perspektive erlaubt, die Nutzungsvorstellungen der Kunden. Sie statten die Produkte und Verfahren gewissermaßen mit einem Programm aus, welches die Verwendung bis zu einem bestimmten Grad determiniert. Die Diffusion, die Verbreitung am Markt, hängt in erster Linie von der Kaufneigung der Kunden ab, aber auch von der Marktmacht und dem Marketing der Unternehmen.146 Die Verbreitung der Technik über die Zeitachse verläuft häufig in Form einer logistischen Funktion, einer S-Kurve: Das neue Produkt dringt auf dem Markt nur langsam vor, da es zunächst kommuniziert werden muss;147 mit der Zeit erhöht sich die Verbreitungsgeschwindigkeit, um dann wieder abzunehmen; schließlich nähert sich die Marktdurchdringung asymptotisch der Sättigung. In der Realität weist dieses ideale Verlaufsschema zahlreiche Varianten auf:148 Die Diffusion kann langsamer oder schneller vonstatten gehen (was sich in der Steilheit der Kurve zeigt); die Sättigung erfolgt auf unterschiedlichen Niveaus; der Kurvenverlauf ist durch vielerlei Einflüsse „gestört“, z.B. Verlangsamungen aufgrund der allgemeinen Konjunkturentwicklung oder Beschleunigungen aufgrund von Produktverbesserungen. Dem klassischen Innovationsschema, Invention, Innovation (im engeren Sinn) und Diffusion, sind später weitere Phasen hinzugefügt worden. In manchen Fällen wird der Invention die Kognition vorausgestellt, „eine Erkenntnis zuvor unbekannter Naturerscheinungen und Naturgesetze“.149 Die Diffusion kann in Stagnation einmünden oder letztlich zum Verschwinden des Produkts führen. Maßnahmen des Recycling oder der Entsorgung werden ergriffen. Die Phasen in ihrer Gesamtheit werden auch als „Produktlebenszyklus“ beschrieben und mit Begriffen wie Geburt, Wachstum, Reife, Stagnation, Zerfall belegt.150 Nur aus der Ex-post- und aus der Vogelperspektive lässt sich das Innovationsschema als linearer, von einem Stadium zum nächsten voranschreitender zielgerichteter Ablauf beschreiben. Tatsächlich kommt es im Innovationsprozess zu zahlreichen Rückkopplungen: Bei der Entwicklung zur Marktreife treten Schwierigkeiten auf, die durch erfinderische Forschung sowie Neu146 147 148 149 150

Vgl. Wejnert, Integrating Models. Everett/Rogers, Communication. Sahal, Patterns, S. 77ff. Ropohl, Allgemeine Technologie, S. 258f. Vgl. Staudenmaier, Technology’s Storytellers, S. 194f.; Ropohl in Banse u.a., Erkennen, S. 100–05.

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2. Theorien der Technikgeschichte

und Weiterentwicklungen zu beseitigen gesucht werden. Erst auf dem Markt werden Schwächen der Produkte offenbar, welche Überarbeitungen oder komplette Revisionen verlangen, usw. usw. Der Innovationsprozess lässt sich auch als kontinuierlicher Selektionsprozess beschreiben: In jeder Phase erfolgen Auswahlentscheidungen unter zahlreichen Alternativen, und nicht wenige der favorisierten Lösungen und Zwischenlösungen werden verworfen. Schließlich gelangt nur ein kleiner Teil der Innovationen auf den Markt, und nur ein kleiner Teil fährt dort wirtschaftliche Gewinne ein. Das Interesse der ökonomischen Innovationsforschung richtete sich in erster Linie auf erfolgreiche Neuerungen; denn nur diese ließen sich als Basiselemente wirtschaftlichen Wachstums interpretieren. Allerdings erweiterten die Innovationsforscher ihre Betrachtung sukzessive, ausgehend vom inventorischen und innovatorischen Geschehen im Unternehmen bis zur Rezeption der Technik am Markt und den dahinter stehenden gesellschaftlichen Kräften.151 Die Konzentration der ökonomischen Forschung auf erfolgreiche Innovationen ist durchaus legitim, solange nicht unterstellt wird, dies sei der einer inneren Logik folgende Normalfall. Noch problematischer wird es, wenn suggeriert wird, Innovation ließe sich als linearer Prozess von der Grundlagenforschung bis zum Markterfolg planen.152 Das Phasenmodell der Innovation besitzt also von vornherein eingeschränkte Aussagekraft. Es besitzt eine Bedeutung als plakatives deskriptives Schema, seine Erklärungsleistung ist dagegen gering.153 Größeres Erklärungspotenzial besitzt die vergleichende Betrachtung erfolgreicher und gescheiterter Innovationen. Es war nicht zuletzt die Technikgeschichte, welche in den letzten beiden Jahrzehnten den Blick auf das Scheitern als Normalfall des innovatorischen Geschehens gelenkt hat.154 Schätzungen besagen, dass etwa 90 % der angedachten und angegangenen Neuerungen nicht bis zur Marktreife gelangen bzw. keinen Erfolg auf dem Markt haben. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Kriterien für Erfolg und Misserfolg Interpretationskonstrukte darstellen und „Markt“ ganz unter151 Vgl. zum sogenannten “linear model”: Braun-Thürmann, Innovation, S. 30ff.; Godin, The Linear Model. 152 Reste dieses Denkens finden sich noch in den in der amerikanischen Technikgeschichte gebräuchlichen Phasenbegriffen Invention, Development, Diffusion. Der Begriff Development entstammt Research and Development, suggeriert also, Innovationen entstünden ausschließlich oder vorwiegend in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Unternehmen. Staudenmaier, Technology’s Storytellers, S. 38f. u. 49. 153 Das Innovationsmodell wurde – unberechtigterweise – zu einem der Buhmänner des Sozialkonstruktivismus (so bei Pinch/Bijker, The Social Construction, S. 411; Degele, Einführung, S. 62f.). In analoger Weise wurde die Technikgeschichte einer – abzulehnenden – „Technikgeschichte der Sieger“ geziehen (vgl. hierzu König, Technik, S. 255f.). 154 Vgl. Braun, Failed Innovations; Gooday, Rewriting the Book; Bauer, Gescheiterte Innovationen: hieraus die angeführten Gründe für das Scheitern.

2.2 Invention und Innovation

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schiedlich bestimmt werden kann – man denke nur an staatliche Investitionen und Rüstungsgüter. Die Gründe für das „Scheitern“ sind vielfältig und umfassen eine überlegene konkurrierende Technik, technische Entwicklungsprobleme, Fehleinschätzungen hinsichtlich des Marktes, ungünstige Rahmenbedingungen, mangelnde Unterstützung, die Ungunst der Zeit usw. Ein weiterer fruchtbarer Ansatz stellt die Typisierung von Innovationen dar. Dabei wird unterschieden zwischen – Produkt- und Prozessinnovationen: Die Identifizierung als Produkt- oder als Prozessinnovation ist kontextabhängig. So kann ein Unternehmen einen neuen Motor als Produktinnovation auf den Markt bringen; ein anderes Unternehmen benutzt den Motor als Prozessinnovation, um den Produktionsapparat zu modernisieren.155 – Basis- und Verbesserungsinnovationen:156 Basisinnovationen schaffen neue Gewerbe- und Industriezweige, Verbesserungsinnovationen bleiben im Rahmen des existierenden technischen Systems. Manchmal ist zusätzlich von Schlüsselinnovationen die Rede; diese, z.B. die Mikroelektronik, gestalten zahlreiche Anwendungsfelder um. – Innovationen vom Indifferenz-, Kooperations- und Konkurrenztyp:157 Die Typisierung stellt Innovationen in der Diffusionsphase in größere Marktzusammenhänge. Der Indifferenztyp bietet neue, konkurrenzlose Lösungen; der Kooperationstyp wirkt mit vorhandenen technischen Lösungen zusammen; der Konkurrenztyp158 hat sich gegen vorhandene technische Lösungen durchzusetzen. – Angebots- und nachfrageorientierte Innovationen:159 Angebotsorientierte Innovationen gehen häufig aus der Erfindertätigkeit oder aus Forschung und Entwicklung hervor, ohne dass schon ausgearbeitete Nutzungsvorstellungen existieren. Nachfrageorientierten Innovationen liegen allgemein bekannte gesellschaftliche Bedürfnisse zugrunde; das Problem besteht darin, hierfür brauchbare technische Lösungen zu finden. Bei all diesen Typen handelt es sich um Idealtypen, d.h. sie kommen in der Realität nicht in reiner Form vor.160 Reale Innovationen beinhalten immer Elemente mehrerer Idealtypen; sie lassen sich dennoch klassifizieren als eher dem einen oder dem anderen Idealtyp zugehörig. Die Idealtypen besitzen heuristischen Wert. Sie stehen für typische Muster des Innovationsprozesses.

155 Nach Tunzelmann, Technology, S. 12f. 156 Besonders plakativ unterschieden durch Mensch, Das technologische Patt. 157 König, Nutzungswandel; in dem Aufsatz sind bei der Drucklegung ein paar Zeilen verschwunden, was zu Sinnentstellungen geführt hat. 158 Vgl. z.B. Braun, Gas. 159 Vgl. Ropohl, Allgemeine Technologie, S. 286–91; Braun-Thürmann, Innovation, S. 31–35. 160 Deswegen gehen Dosi, Technological Paradigms, S. 148–51, und zahlreiche Epigonen mit ihrer Kritik an Ansätzen des demand-pull und des supply-push gänzlich fehl.

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2. Theorien der Technikgeschichte

So können Produktinnovationen ein dynamisches Verhalten des Unternehmens anzeigen, Prozessinnovationen eine mehr sicherheitsorientierte Strategie. Basisinnovationen können weitgehende Wirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft verursachen, Verbesserungsinnovationen bestehende Strukturen festigen. Mit Hilfe der Begriffe Indifferenz, Kooperation und Konkurrenz lässt sich die Dynamik technischer Märkte rekonstruieren. Nachfrage- und angebotsinduzierte Innovationen unterscheiden sich üblicherweise durch die Höhe der Investitionen und die Diffusionsgeschwindigkeit. Die Idealtypen helfen also, Fragen an die konkreten Innovationen heranzutragen und diese unter bestimmten Gesichtspunkten zu interpretieren. Innovationen stellen gewissermaßen Mikroeinheiten der technischen Entwicklung dar. Sie besitzen für die Technikgeschichte und die Technikforschung bleibende Bedeutung. Allerdings stellt sich die moderne Forschung die Aufgabe, den Beitrag der direkt oder indirekt beteiligten Akteursgruppen am innovativen Geschehen herauszuarbeiten und dieses in größere gesellschaftliche Zusammenhänge einzuordnen.

2.3 INNOVATIONSSYSTEME UND INNOVATIONSKULTUREN Die Begriffe „(nationales) Innovationssystem“ und „Innovationskultur“ stellen die „Innovation“ in einen größeren Zusammenhang.161 Bemühungen, das Innovationsgeschehen in einer Nation und damit deren Innovationsfähigkeit zu beschreiben, lassen sich mindestens bis auf den deutschen Nationalökonomen Friedrich List (1789–1846) zurückführen162 und durchziehen das gesamte 19. und 20. Jahrhundert. Einen systematischeren Anlauf – jetzt unter dem Label „nationale Innovationssysteme“ – unternahmen vor allem englische und dänische Ökonomen seit den 1980er Jahren. Motiviert wurde dies durch die Diskussion um Wachstumsschwächen der westlichen Volkswirtschaften – besonders im Vergleich zur aufstrebenden Industrienation Japan. Mehr als die klassische Innovationsökonomie eines Joseph Schumpeter konzentrierte sich die neue Forschungsrichtung auf technische Innovationen, denen man die entscheidende Rolle für das Wirtschaftswachstum in modernen Volkswirtschaften zuschrieb. Damit setzte sie sich explizit von der ökonomischen Neoklassik ab, die fortdauernde Schwierigkeiten hatte, den technischen Fortschritt in ihren mathematisierten Modellen unterzubringen. Um 1990 drang das Konzept in den politischen Raum vor. Entscheidende Bedeu161 Zum Thema u.a.: Lundvall, National Systems; Nelson, National Innovation Systems; Freeman/Soete, Economics, bes. S. 295–315; Niosi u.a., National Systems of Innovations; Wengenroth, Vom Innovationssystem; Nelson, Technology; Werle, Institutionelle Analyse; Sharif, Contributions; Fagerberg u.a., The Oxford Handbook of Innovation, bes. S. 179ff.; Reith u.a., Innovationskultur; Albert/Laberge, Legitimation. 162 Vgl. Winkel, Die deutsche Nationalökonomie, S. 69–81.

2.3 Innovationssysteme und Innovationskulturen

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tung gewann dabei die OECD, die Indikatoren für die Messung der nationalen Innovationskraft entwickelte.163 Das Konzept der nationalen Innovationssysteme entwickelte sich also von einem Werkzeug der wissenschaftlichen Analyse zu einem politischen Handlungsinstrument, welches die Überwindung der konstatierten Wachstumsschwächen versprach. Wie die traditionelle Innovationstheorie gingen die Vertreter der neuen Richtung davon aus, dass Innovationen in Unternehmen entstünden. Im Unterschied zu ihren Vorgängern betonten sie jetzt aber die Einbindung der Unternehmen in größere systemische Zusammenhänge. So verwiesen sie auf die staatliche Technologiepolitik und die Kooperationsbeziehungen der Firmen mit Zulieferern und Kunden. Als zentrale Faktoren für Innovation und Wachstum identifizierten die Innovationsökonomen „Wissen“ und „Lernen“.164 Üblicherweise dominierten in Unternehmen Routinen – sowohl in der Produktion von Altem wie beim Umgang mit Neuem. Innovationen müssten sich in bestehende Strukturen einpassen oder gegen zur Beharrung neigende institutionelle Kräfte durchsetzen. Im Mittelpunkt der Betrachtung standen zunächst die industriellen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Später erweiterte sich die Perspektive auf das gesamte nationale Wissenschafts- und Bildungssystem: auf die universitäre und außeruniversitäre Forschung sowie auf die schulische und die Hochschulbildung. Schwerpunkte lagen dort, wo der Staat als politischer Gestalter wirkte. Damit schrieb man ihm die zentrale Verantwortung für die Überwindung der Wachstumsschwächen zu. In der sich anschließenden akademischen Ausformulierung wurde das Konzept der nationalen Innovationssysteme immer komplexer. Das Unternehmen wurde jetzt in ein Netzwerk industrieller und gesellschaftlicher Beziehungen gestellt.165 Der Markterfolg wurde gleichermaßen durch Konkurrenz wie durch Kooperation erklärt. Als Bedingungen unternehmerischen Handelns und nationaler Wettbewerbsfähigkeit thematisierten die Forscher die politischen Strukturen, die Banken und den Kapitalmarkt, das Rechtssystem, die Wirtschaftsverfassung, die sozialen Beziehungen, die Technikakzeptanz, das Konsumentenverhalten sowie kulturelle Werte und Normen166. Die „nationalen Innovationssysteme” entwickelten sich zu einem umfassenden Konzept und blieben offen für Erweiterungen: „One way of specifying ,system’ is to include in it all important economic, social, political, organizational, institutional, and other factors that influence the development, diffusion, and use of innovations. Potentially important determinants cannot be excluded a priori …”.167 163 Vgl. Smith, Measuring Innovation; Reith u.a., Innovationskultur, S. 99ff.; Albert/Laberge, Legitimation. 164 Lundvall, National Systems. 165 Z.B. Porter, Nationale Wettbewerbsvorteile; vgl. Franke, Netzwerke. 166 Dies besonders in Edquist, Systems of Innovation. 167 Edquist, Systems of Innovation, S. 14.

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2. Theorien der Technikgeschichte

Die durchgeführten empirischen Arbeiten bezogen sich auf verschiedene Länder.168 Allerdings waren die dabei benutzten Kategorien für systematische Vergleiche zu heterogen. Die meisten Untersuchungen behandelten die Größe des Landes, seine Ausstattung mit natürlichen Ressourcen, das Wohlstandsniveau, die Industriestruktur, die Exportorientierung, den Rüstungsetat sowie die Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Eine Reihe von Arbeiten verwies auf die große Stabilität nationaler Innovationssysteme. So sei das deutsche System in den vergangenen 150 Jahren in den Grundzügen unverändert geblieben.169 Solche Aussagen unterstreichen die große Bedeutung wirtschafts- und technikhistorischer Forschung für eine Ausarbeitung und Überprüfung des Konzepts. Diese hätte dann allerdings dessen zeit- und disziplingebundenen Schwächen zu überwinden. Kritiker haben in Frage gestellt, dass auf der Makroebene der Nationalstaat die richtige Einheit für die Analyse innovatorischer Dynamik sei. So kann man aus historischer Perspektive darauf verweisen, dass sich der große Umbruch der Industrialisierung zunächst in Regionen vollzog. Und aus einer aktuellen und zukunftsgerichteten Perspektive lässt sich die Globalisierung anführen, welche eine Internationalisierung des innovativen Geschehens mit sich bringt. Allein schon die Polarität der beiden Perspektiven legt die Antwort nahe, dass es unangebracht sei, a priori einen wirtschaftspolitischen Raum für die Untersuchung von Innovationssystemen zu privilegieren. Die gleiche Legitimität besitzen Vorschläge, Branchen oder Technologien mit Hilfe des Konzepts der Innovationssysteme zu betrachten. Es sollte also nicht von vornherein ausgeschlossen werden, nationale, regionale, lokale, globale, branchen- oder technologiespezifische Innovationssysteme zu untersuchen. Solche Überlegungen haben tendenziell dazu geführt, das Epitheton „national“ bei „Innovationssystemen“ zu streichen. Bei der Anwendung und Weiterentwicklung des Konzepts der Innovationssysteme sollten aber seine nicht unerheblichen Schwächen im Blick behalten werden. Die Stärke des Systembegriffs liegt in seiner universellen Anwendbarkeit. Ein „System“ lässt sich darstellen durch seine Elemente und die Beziehungen zwischen den Elementen. Zur Operationalisierung bedarf es der Bestimmung der Systemgrenzen: was gehört zu dem System und was nicht, sowie der Konkretisierung der in die Beschreibung aufgenommenen Elemente und Beziehungen. Eine solche Operationalisierung und Konkretisierung wurde bei den „Innovationssystemen“ allenfalls ansatzweise vorgenommen. In methodisch reflektierten vergleichenden Arbeiten wäre sie jedoch unabdingbar.170 Das Konzept der nationalen Innovationssysteme spiegelt eine spezifische raumzeitliche Problemlage der Wirtschaftspolitik wider und enthält eine 168 Z.B. Nelson, National Innovation Systems, mit Studien zu 14 Ländern. 169 Grupp u.a., Das deutsche Innovationssystem. 170 Vgl. König, Kulturvergleich.

2.4 Technikstile und Technikkulturen

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Reihe unausgesprochener Prämissen. Hinter ihm steht das Modell der entwickelten konkurrenzkapitalistischen Industrieländer. Es lässt sich schwerlich auf Staatswirtschaften oder Entwicklungsländer anwenden. Es ist angebots- und nicht nachfrageorientiert. Zu bezweifeln ist, ob es für die Beschreibung komplexerer Gesellschaften – welche von manchen als Dienstleistungsgesellschaften bezeichnet werden – geeignet ist.171 In der Dienstleistungs-, Konsum-, Freizeit- oder Erlebnisgesellschaft – wie auch immer man sie nennen möchte – gelten andere Innovations- und Wachstumsbedingungen als in der Industriegesellschaft. Werbung und Marketing erhöhen ihren Stellenwert gegenüber der Produktion. Die Konsumenten und ihre kulturellen Werthaltungen gewinnen an Bedeutung im Vergleich zu den Unternehmen. Zwar enthalten bereits die älteren Arbeiten Hinweise auf den Stellenwert von Werten und Normen für das innovative Geschehen. In den quantitativen Ausarbeitungen des Modells tauchen sie jedoch nicht mehr auf – aus dem einfachen Grund, weil sie weniger gut zu messen sind. Jüngst hat die Forschung erneut unter dem Stichwort „Innovationskulturen“ die Integration von Werten, Normen und symbolischen Bedeutungen in das Konzept der Innovationssysteme angemahnt.172 Die Forderung erscheint berechtigt, vermehrt jedoch die bei der Operationalisierung bestehenden Schwierigkeiten. Eine weitere Prämisse des Konzepts besteht darin, dass Wissen und Wissenschaft die entscheidenden Innovationsfaktoren darstellten, was populären Vorstellungen einer „Wissensgesellschaft“ entspricht. Zwar dürfte die grundsätzliche Bedeutung von Wissen und Wissenschaft in unserer Zeit und darüber hinaus: in den vergangenen Jahrhunderten nicht bestritten werden. Bei dem Konzept der Innovationssysteme kommt es jedoch in hohem Maß auf den Faktorenmix und dessen Gewichtung an. Historische und aktuelle Studien haben jedenfalls Zweifel an der behaupteten Korrelation zwischen staatlichen Forschungs- und Bildungsausgaben und dem Wirtschaftswachstum geweckt.173 Überhaupt sieht es so aus, als habe das Konzept der Innovationssysteme das Steuerungsvermögen staatlicher Technologiepolitik bei weitem überschätzt. 2.4 TECHNIKSTILE UND TECHNIKKULTUREN174 Auf den ersten Blick scheint es sich bei „Technikstilen“ und „Technikkulturen“ um analoge Begriffe zu „Innovationssystemen“ und „Innovationskul171 Diese Kritik ist am prononciertesten vorgetragen worden von Wengenroth, Vom Innovationssystem. 172 Wengenroth, Vom Innovationssystem; Wieland, Innovationskultur. 173 Fox/Guagnini, Education; Wengenroth, Vom Innovationssystem. 174 Ausführlicher bin ich auf die Konzepte „Technikstil“ und „Technikkultur“ eingegangen in König, Künstler; vgl. außerdem Glotzbach, Technikstil, S. 73ff.

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2. Theorien der Technikgeschichte

turen“ zu handeln. Auf den zweiten treten – bei zweifellos vorhandenen Verwandtschaftsbeziehungen – deutliche Unterschiede hervor. Das Konzept des Innovationssystems entstand im Kontext der Nationalökonomie mit Blick auf die jeweilige Gegenwart – zunächst der 1980er Jahre und dann der Zeit danach. Die Konzepte des Technikstils und der Technikkultur wurden im Kontext der Technikgeschichte von vornherein mit Blick auf die Vergangenheit entwickelt. Sie erhoben im Unterschied zum „Innovationssystem“ nicht den Anspruch, das technologiepolitische Handeln anzuleiten und die Technikentwicklung zu steuern. Und schließlich unterschieden sich die Konzepte hinsichtlich der Behandlung von Statik und Dynamik in Technik und Gesellschaft. „Technikstil“ und „Technikkultur“ zielten integrativ sowohl auf den Stand wie auf den Wandel der Technik. Mit „Innovationssystem“ dagegen suchte man Erkenntnisse zur Dynamisierung der Innovationstätigkeit zu gewinnen und anzuwenden. Das Konzept des Technikstils stammt von dem amerikanischen Technikhistoriker Thomas P. Hughes.175 Hughes kennzeichnet damit das schon lange bekannte und beschriebene Phänomen einer unterschiedlichen Ausformung der Technik bei annähernd gleichem Stand des technischen Wissens und Könnens. Er gibt folgende Definition: “Technological style can be defined as the technical characteristics that give a machine, process, device, or system a distinctive quality.”176 Die technischen Eigenheiten werden erzeugt durch “cultural factors”, welche die Technik damit zu einem “cultural artifact” machen. “Among the cultural factors are geographical, economic, organizational, legislative, contingent historical, and entrepreneurial conditions.” Hughes fasst den Begriff „Technikstil“ also ähnlich weit wie die Ökonomen „Innovationssystem“. Die Vorteile des Konzepts liegen erstens darin, dass es den Blick auf die Struktur und Funktion der technischen Artefakte lenkt und damit auf den Kern des Untersuchungsgegenstands der Technikforschung. Zweitens bezeichnet es Technik eindeutig als soziokulturelles Phänomen. Und drittens verweist es auf Eigenarten und Differenzen innerhalb der Technik und fordert damit zu erklärenden Vergleichen auf. Der Stilbegriff beinhaltet jedoch auch eine Reihe von Nachteilen, die es ratsam erscheinen lassen, ihn zurückhaltender als bislang zu verwenden. Bei Hughes bezeichnet „Technikstil“ Variationen von technisch Gleichartigem. Das global verfügbare technische Wissen und Können führt zu im Prinzip gleichen Lösungen, welche nur, entsprechend den jeweiligen soziokulturellen Bedingungen, eine variante regionale und nationale Ausformung erfahren. Damit enthält „Technikstil“ Reste eines problematischen Technikdeterminismus. Das Phänomen wird ausgeklammert, dass andersartige soziokulturelle 175 Hughes, Networks; Hughes, Regional Technological Style; Hughes, Evolution, S. 68– 70. Beispielhafte Anwendungen des Konzepts: Hughes, Networks; Heymann, Geschichte; Heymann, Signs. 176 Hughes, Networks, S. 405.

2.4 Technikstile und Technikkulturen

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Bedingungen auch zu ganz verschiedenen technischen Lösungen führen können, welche wenig miteinander gemein haben. Der Einwand ließe sich durch Umdefinition und modifizierte Verwendung des Konzepts entkräften. Weitere Probleme liegen in der Konnotation und Semantik des Stilbegriffs selbst. Wiewohl er mittlerweile auch in anderen Kultur- und Sozialwissenschaften heterogene Verwendung findet,177 besitzt der Stilbegriff seinen klassischen Ort in der Kunst- und Literaturwissenschaft und ist durch diese geprägt. Einerseits bezieht er sich dort auf das Expressive in Kunst und Literatur, die spezifische „Handschrift“ eines Künstlers oder einer Kunstrichtung; das Instrumentelle tritt dagegen in den Hintergrund. In der Technik wären die Gewichte anders zu setzen, ist doch der Begriff des instrumentellen Handelns – wenn vielleicht auch nicht ganz zu Recht – mit technischem Handeln gleich gesetzt worden. Andererseits wird der Stilbegriff in Kunst- und Literaturwissenschaft häufig vom Individuum oder von Gruppen von Individuen und ihrer künstlerischen Freiheit her entwickelt. Dies lässt sich auch auf Erfinder und Entwicklungsgruppen übertragen. Geht es aber um die Entstehung von Technik in regionalen oder nationalen Größenordnungen, dann erweisen sich solche individualistischen Konzepte als wenig brauchbar. Die Differenz zwischen den kunstwissenschaftlichen Implikationen des Stilbegriffs und seiner technikgeschichtlichen Brauchbarkeit tritt besonders in den Fällen hervor, in denen „Stil“ zur Kennzeichnung individueller, handwerklicher Gestaltung polemisch gegen Industrialismus und Massenproduktion ins Feld geführt wurde und wird – ein im 19. Jahrhundert und bis zur Gegenwart weit verbreiteter Topos antitechnischer Kulturkritik. Der Verdacht liegt nahe, dass der Stilbegriff in der Technikgeschichtsschreibung auch deshalb so positiv aufgenommen wurde, weil man hoffte, mit seiner Hilfe die antitechnische Kulturkritik zu unterlaufen. Die technikgeschichtliche Rezeption des Stilbegriffs wäre somit eine weitere Facette der Bestrebungen der „technischen Welt“, ihre soziale Anerkennung von Seiten der etablierten Kulturen von Kunst und Literatur durch Anpassung voranzutreiben. Der Begriff „Technikkultur“ sucht die kunstgeschichtlich inspirierten Konnotationen des Stilbegriffs zu vermeiden.178 Er lehnt sich an den Kulturbegriff einer modernen Anthropologie an, die unter Kultur die Gesamtheit der menschlichen Hervorbringungen innerhalb eines bestimmten Raumes und in einer bestimmten Zeit versteht.179 Damit verfolgt er einen holistischen Ansatz – im Unterschied zur „Innovationskultur“ mit ihrer Beschränkung auf Werte und Normen. Der Begriff „Technikkultur“ zielt also nicht auf das Be177 Vgl. z.B. Gumbrecht/Pfeiffer, Stil. 178 König, Künstler, bes. S. 220ff. 179 Vgl. z.B. Meyers Enzyklopädisches Lexikon. Mannheim, Wien, Zürich, 9. Aufl., 1975, Stichwort „Kultur“ und die dort angegebene Literatur; einen wesentlich engeren Kulturbegriff benutzt Vogelsang, Einfluß.

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2. Theorien der Technikgeschichte

sondere, sondern auf das Allgemeine, nicht auf einzelne Techniken, sondern auf die Gesamtheit der Technik, nicht auf lokale oder firmenspezifische Ausprägungen der Technik, sondern auf regionale und – in hochindustrialisierten Ländern mit ihrem nivellierten technischen Niveau – auf nationale oder sogar übernationale Charakteristika. „Technikkultur“ betont die funktionalen Zusammenhänge zwischen Technik und anderen gesellschaftlichen Bereichen, welche die Technikentwicklung wesentlich bestimmen. Der Begriff „Technikstil“ könnte – folgt man diesem differenzierenden Vorschlag – weiter benutzt werden, um die Ergebnisse des Technikentstehungsprozesses, das heißt die Struktur und Funktion technischer Objekte, zu kennzeichnen. Der Begriff „Technikstil“ besäße also im Vergleich zur „Technikkultur“ mehr beschreibenden als erklärenden Charakter. Die Technikgeschichtsschreibung hat bislang vor allem regionale180 und nationale181 Technikstile bzw. Technikkulturen herausgearbeitet. So hat man für die an den Grenzen der Zivilisation stattfindende technische Erschließung der Natur den Begriff „frontier style technologies“ vorgeschlagen.182 Vergleiche zwischen der deutschen und der amerikanischen Technikentwicklung in der zweiten Hälfte des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nennen unter anderem folgende Charakteristika: In der deutschen Technikkultur waren Unternehmen insbesondere dann erfolgreich, wenn es ihnen gelang, neues Wissen in marktfähige Investitionsgüter umzusetzen. Der daraus hervorgehende Technikstil zeichnete sich durch sein technisches Niveau und seine Qualität aus, durch Energie- und Materialeffizienz, aber häufig auch durch einen hohen Preis. In der amerikanischen Technikkultur erzielten die Unternehmen dagegen die größten Erfolge mit in rationeller Massenproduktion gefertigten kostengünstigen Konsumgütern für den Binnenmarkt. Die Qualität war der Nachfrage angepasst, Energie- und Materialsparen spielte keine Rolle. Die markanten Unterschiede zwischen beiden Technikstilen werden erklärt durch spezifische Technikkulturen – als Ergebnis der jeweiligen Ausstattung mit natürlichen Ressourcen, der unterschiedlichen Faktorkosten – insbesondere der Lohnkosten –183 sowie der Nachfrage. Mit den Begriffen „Technikstil“ bzw. „Technikkultur“ wird der Zusammenhang zwischen der Technik und ihrer sozialen und naturalen Umgebung beschrieben bzw. erklärt. Im Allgemeinen wird dabei die Grundidee der „angepassten Technologie“ („appropriate technology“) verfolgt.184 Das heißt, die vorfindliche Technik wird als Ergebnis einer Anpassung an ihre Umgebung erklärt. Darüber hinaus wäre es aber auch möglich, die Rückwirkung 180 181 182 183 184

Hughes, Regional Technological Style; Hughes, Networks. Radkau, Technik, bes. S. 21–40; König, Künstler; Fickers, Politique, S. 351ff. Cronin, Northern Visions. Vgl. hierzu als klassische Arbeit: Habakkuk, American and British Technology. Vgl. hierzu als klassische Arbeit: Schumacher, Rückkehr; sowie Long/Oleson, Appropriate Technology.

2.5 Technikdeterminismus

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der Technik auf ihre Umgebung zu thematisieren185 bzw. Wechselwirkungsmodelle für das Verhältnis von Technik und Gesellschaft zu entwerfen.

2.5 TECHNIKDETERMINISMUS Deterministische Positionen in der Technikforschung beinhalten ganz unterschiedliche Aussagen.186 Um hier nur die Extreme zu kennzeichnen: In einer starken Fassung kann Technikdeterminismus meinen, dass eine autonome Technik die Entwicklung der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit bestimmt. In einer schwachen Fassung meint Technikdeterminismus, dass die Technik gesellschaftliche Entwicklungen mit beeinflusst, dass Technik also gesellschaftliche Wirkungen besitzt. Die starke Fassung dürfte heutzutage kaum mehr vertreten werden, die schwache kaum zu bestreiten sein. Es kommt also auf Nuancierungen und Zwischentöne an. Lange Zeit dominierten allerdings in der Auseinandersetzung um den Technikdeterminismus radikale Standpunkte. Der Vorstellung einer umfassenden Wirkmächtigkeit der Technik lag der vor allem in der Aufklärung geschaffene Fortschrittsbegriff zugrunde. Technik konnte als wesentliches Element eines Fortschritts begriffen werden, der sich mit geschichtlicher Notwendigkeit Bahn brechen werde. Umgekehrt interpretierten später Kulturkritiker die Geschichte als Niedergangs- und Zerfallsprozess. Besonders seit den 1980er Jahren distanzierte sich die sozialwissenschaftliche Technikforschung explizit von solch fundamentalen Geschichts- und Technikinterpretationen. Stattdessen betonte sie die gesellschaftliche Gestaltbarkeit und die Steuerbarkeit der technischen Entwicklung. Dabei schoss sie jedoch teilweise über das Ziel hinaus, indem sie Zerrbilder des Technikdeterminismus entwarf oder an die Stelle eines radikalen Technikdeterminismus einen ebenso radikalen Sozialdeterminismus setzte. „Technikdeterminismus“ wurde dabei als diskriminierendes Etikett benutzt, welches eine differenzierte Diskussion der einzelnen Positionen gar nicht mehr zuließ. Hilfreich für eine erwünschte differenzierende Auseinandersetzung mit dem Technikdeterminismus ist die Unterscheidung zwischen einem genetischen oder nomologischen und einem konsequenziellen Determinismus187 sowie der Interpretation der Auswirkungen der Technik als spezielle oder all185 Wie z.B. Hecht, Radiance, für den Einfluss der Technik auf die französische Gesellschaft. 186 Vgl. hierzu als ausführlichste und differenzierteste Abhandlung: Teusch, Freiheit; außerdem: Staudenmaier, Technology’s Storytellers, S. 134ff.; Smith/Marx, Does Technology Drive History; dort insbesondere Bimber, Three Faces; Scranton, Determinism; Huisinga, Theorien, S. 213ff.; Ropohl, Zur Kritik; Ropohl, Konstruktion; Degele, Einführung, S. 28ff.; Werle, Institutionelle Analyse, S. 324–28. 187 Ropohl, Technisierung, S. 193–96; Bimber, Three Faces.

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2. Theorien der Technikgeschichte

gemeine. Der genetische oder nomologische Technikdeterminismus drückt sich in der Verwendung von Begriffen wie Autonomie, Selbstbezüglichkeit, Gesetzmäßigkeit oder innere Logik der technischen Entwicklung aus. Damit kann gemeint sein, dass die technische Entwicklung – unabhängig von soziokulturellen Einflüssen – einem bestimmten Programm folgt, in welchem also die Zukunft der Technik wie der Gesellschaft bereits festgelegt ist. Eine solche Position muss sich die Frage nach ihren verborgenen Prämissen gefallen lassen. Tatsächlich lässt sich der genetische Technikdeterminismus ohne die metaphysische Begründung der Technik in der Natur oder in einem schöpferischen Gott schwerlich rechtfertigen. Außerdem wird verkannt, dass die Technik nicht nur eine Möglichkeit, sondern vielfältige Möglichkeiten für die weitere technische und gesellschaftliche Entwicklung eröffnet. Größeren Ertrag erbringt der konsequenzielle Technikdeterminismus, versteht man ihn als Hinweis nimmt, dass in der Technik jeweils nicht alles, sondern nur bestimmtes möglich ist. Jede neue Technik besitzt einerseits technische Voraussetzungen und erschließt andererseits bestimmte weitere technische Möglichkeiten. So ist ein Elektromotor kaum vorstellbar ohne Wissen um den Zusammenhang zwischen Elektrizität und Magnetismus und ohne das Vorhandensein metallischer Leiter. Und der Elektromotor wiederum rückt zahlreiche neuartige Anwendungen im Verkehrswesen oder als Maschinenantrieb in den Blick. Innovationen in einem Technikbereich können zudem Innovationen in einem anderen befruchten.188 Produktinnovationen ziehen Verfahrensinnovationen nach sich – und umgekehrt. In großen technischen Systemen kann die Veränderung eines Elements die Anpassung anderer erfordern. Man kann also durchaus von einer inneren Logik der technischen Entwicklung sprechen – vorausgesetzt, man missversteht diese nicht als zwingend. Protagonisten einer innertechnischen Logik können auf die Inkrementalität der meisten Innovationen und auf das Phänomen der Parallelerfindungen verweisen.189 Diese Beispiele demonstrieren, dass neue Technik immer auf alter basiert. Der in diesem Zusammenhang gemachte Vorschlag, die innere Logik nur auf die Invention zu beziehen und die gesellschaftlichen Einflüsse auf die Innovations- und Diffusionsphase zu beschränken, überzeugt nicht. Er übersieht auf der einen Seite die Antizipation der späteren Phasen durch die Erfinder und auf der anderen Seite den auch in Entwicklungs- und Verbreitungsprozessen stattfindenden Anschluss an Bewährtes. Die von einer Reihe Technikhistoriker erstellten technischen Genealogien von Maschinen und Verfahren190 machen also durchaus techniktheoretischen Sinn, sofern man sie richtig interpretiert: Sie dokumentieren nicht etwa ge188 Vgl. Ropohl, Allgemeine Technologie, S. 288f.; Ropohl, Konstruktion, S. 44f. 189 Vgl. Staudenmaier, Technology’s Storytellers, S. 140ff.; Lindner, Mehrfacherfindungen 190 Daumas, Histoire; Basalla, Evolution.

2.5 Technikdeterminismus

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setzmäßige Verläufe der Technikentwicklung, sondern eine kontingente Entwicklung im Rahmen dessen, was jeweils technisch möglich war und nahe lag. Indirekt werden damit auch Grenzen der sozialen Konstruktion der Technik markiert.191 Der konsequenzielle Technikdeterminismus verfolgt im Vergleich zum genetischen bzw. nomologischen einen viel bescheideneren Ansatz. Er weist darauf hin, dass Technik Folgen hat oder – anders gesprochen – Wirkungen zeitigt.192 Dabei kann es sich um (oben bereits behandelte) technische Folgen handeln oder um gesellschaftliche und kulturelle. Eine besondere Bedeutung besitzen dabei die unerwarteten Folgen. Sie lassen sich schlecht in Modelle intentionalen Handelns integrieren. Stattdessen muss man auf die Eigenschaften der jeweiligen Technik Bezug nehmen. Technik ist in den genannten Fällen also eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung soziokultureller Entwicklung. Darüber hinaus erweitert die Technik die Handlungsmöglichkeiten der Akteure, schränkt sie aber auch ein. Häufig wird hierfür der nicht sehr glückliche Begriff „Sachzwang“ benutzt. Tatsächlich wirkt die Technik nicht als unabdingbarer Zwang, sondern verändert die Handlungsbedingungen.193 So ist die Nutzung des Flugzeugs als Verkehrsmittel mit zahlreichen Zwängen verbunden. Unter Umständen lässt sich jedoch auf andere Verkehrsmittel ausweichen oder auch auf die eine oder andere Reise verzichten. Der zunehmende Autoverkehr unterbindet zwar das Spielen auf der Straße, belässt aber die Möglichkeit, nach Ersatzlösungen wie Spielplätzen zu suchen oder Spielstraßen auszuweisen. Hinter scheinbaren Sachzwängen verbergen sich häufig soziale Zwänge. Das in der Technikforschung am weitesten verbreitete – wenn auch in seinem empirischen Gehalt falsche – Beispiel stellen die „Brücken des Robert Moses“ dar.194 Es besagt, der Baustadtrat von New York, Robert Moses (1888–1981), habe in den 1930er Jahren die Brücken auf Long Island absichtlich so niedrig bauen lassen, dass öffentliche Busse nicht verkehren konnten. Moses habe damit die Parks und Strände der Insel für die wohlhabenden Weißen reserviert; für die auf Busverbindungen angewiesenen Schwarzen wurden sie unerreichbar. Der vermeintliche Sachzwang der niedrigen Brücken sei also tatsächlich ein rassistischer sozialpolitischer Zwang.

191 S. u. S. 82ff. 192 Vgl. u. S. 76ff. 193 Teusch, Freiheit, S. 499–503 u. passim, argumentiert mit guten Gründen gegen den Begriff „Sachzwang“; allerdings ist der statt dessen vorgeschlagene Begriff der „Sachgesetzlichkeit“ auch nicht besser. 194 Das Beispiel wurde durch Winner, Do Artifacts Have Politics, in der Technikforschung prominent. Vgl. hierzu Joerges, Brücken.

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2. Theorien der Technikgeschichte

Eine mehr allgemeine Exemplifizierung von „Sachzwängen“ thematisiert den Zusammenhang zwischen Produktion und Konsumtion.195 Im Herstellungsprozess würden die Produkte mit einem Programm ausgestattet, dem sich die Konsumenten – mehr oder weniger – zu unterwerfen hätten. Bei dieser vermeintlichen „Herrschaft der Sachen“ handele es sich aber tatsächlich um eine „heimliche Herrschaft der Sachproduzenten“.196 Dahinter stünden nicht unbedingt Intentionen der Produzenten, sondern es zeigten sich unbeabsichtigte Nebenfolgen der arbeitsteiligen Gesellschaft. Der Konsument erkaufe sich die mit der Technik verbundenen erweiterten Handlungsmöglichkeiten durch eine sachvermittelte Fremdbestimmung, welche auf längere Sicht das Handeln prägen könne und in ihrem Ursprung nicht mehr wahrgenommen werde. Diese auf Günter Ropohl zurückgehende Darstellung ist instruktiv für die Demystifizierung des „Sachzwangs“. Allerdings müsste der zu einseitig skizzierte Wirkungszusammenhang zwischen Produktion und Konsumtion zu einem Wechselwirkungsmodell weiterentwickelt werden. Kommen wir zu den Auswirkungen der Technik. Hier hatte ich die Unterscheidung zwischen speziellen und allgemeinen Technikfolgen vorgeschlagen. Hinsichtlich der Existenz spezieller wird es wohl kaum zu Differenzen kommen. Jedwede Technik beeinflusst in kleinerem oder größerem Umfang ihre technische, soziale oder kulturelle Umgebung. Allerdings wird es im Einzelnen schwer fallen, die Auswirkungen eindeutig entweder den strukturellen und funktionalen Merkmalen des Sachsystems Technik oder den sozialen Entstehungs- oder den Verwendungszusammenhängen zuzuordnen. Unterschiedliche Auffassungen bestehen dagegen hinsichtlich der allgemeinen Auswirkungen der Technik. Eine Position besagt, dass die Technik in ihrer Gesamtheit zur wichtigsten gesellschaftsbildenden Kraft geworden ist. Entsprechende Theorien von Hans Freyer (1878–1969), Jacques Ellul (1912– 1994) oder Langdon Winner besagen die Existenz „einer „technischen“ und „technisierten“ Gesellschaft, d.h. rationalisierter, effizienzorientierter sozialer Gebilde, die von der Technik materiell und ideell zutiefst geprägt sind, die von Technik, technischen Kategorien und einem (technisch verkürzten) Fortschrittsdenken dominiert werden und sich in eine ständig neue Anpassungsleistungen erfordernde und Sachzwänge hervorbringende existentielle Abhängigkeit von funktionierenden und expandierenden technischen Systemen gebracht haben.“197 Solche Ansätze – so Ulrich Teusch – widersprächen nicht einer Interpretation der Technik als gesellschaftliches Phänomen.198 Allerdings sei in ihnen die technische Dimension des Gesellschaftlichen dabei, die anderen gesellschaftlichen Dimensionen zu dominieren, was man mit 195 196 197 198

Vgl. Ropohl, Systemtheorie, S. 218–20; vgl. hierzu o. S. 55f. Ropohl, Allgemeine Technologie, S. 303 u. passim. Teusch, Freiheit, S. 135. So Teusch, Freiheit, S. 481ff.

2.5 Technikdeterminismus

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dem Begriff der „Technisierung der Gesellschaft“ ausdrücken könne. Der Prozess der Technisierung sei außer Kontrolle geraten und entwickle sich aufgrund einer ihm inhärenten Eigendynamik weiter. „Das technische System ist fraglos das Ergebnis (wie auch immer intendierter) menschlicher Handlungen, doch es wird als Ganzes, als Prozeß von niemandem gesteuert, beherrscht oder kontrolliert; ebenso wenig ist es zu selbstregulativem Verhalten fähig.“199 Es sei dahingestellt, ob man für diese Position den Begriff „Technikdeterminismus“ verwenden möchte.200 Sie zeichnet eine kontingente, zukunftsoffene soziotechnische Dynamik, d.h. letzten Endes den allgemeinen Prozess der Menschheitsgeschichte. Die Entwicklung der Menschheit war schon immer mit einer nicht zu steuernden, nicht zu beherrschenden und nicht zu kontrollierenden Technikentwicklung verschränkt. Was sich im Verlauf der Geschichte geändert hat, ist die tatsächliche und im Bewusstsein der Menschen verankerte Handlungsmacht gegenüber der Natur. In vormodernen Zeiten fühlten sich die Menschen von der Natur abhängig und bedroht; die Technikentwicklung diente vor allem der Sicherung und Erweiterung der menschlichen Handlungsmöglichkeiten. In der Moderne erschien die Natur als weitgehend domestizierte Verfügungsmasse; die Technik dagegen wurde ambivalent wahrgenommen, einerseits als Garant eines hohen Kulturniveaus, andererseits als Bedrohung gesellschaftlicher und kultureller Integrität. Kulturkritiker wie Hans Freyer entwickelten daraus die These eines „technologischen Imperativs“: Der Mensch strebe danach alles, wozu er technisch in der Lage sei, auch zu realisieren.201 Es lässt sich zusammenfassen, dass der Begriff des „Technikdeterminismus“ einer genaueren Bestimmung bedarf. Die grundlegenden Schwierigkeiten liegen darin, dass Mensch und Gesellschaft mit der Technik verschränkt sind, wie die Technik mit Mensch und Gesellschaft. Das Technische ist vom Sozialen also nur analytisch zu trennen Solche analytischen Unterscheidungen sind wertvoll, weil sie weiterführende Erklärungsdimensionen eröffnen. Der Stellenwert des „Technikdeterminismus“ für die Historiker hängt zudem von der Betrachtungsperspektive ab.202 Auf der Mikroebene fällt es leicht, technische Entwicklungen aus dem Handeln der Beteiligten, der Akteure, abzuleiten. Aber auch hier dürfen Wirkungen der Technik nicht ausgeklammert werden. Betrachtungen auf der Makroebene dagegen kommen ohne strukturelle Erklärungen, welche letztlich in geschichtsphilosophischen Interpretationen wurzeln, nicht aus. Eine menschheitsgeschichtlich unverzichtbare strukturelle Erklärungsgröße stellt die Technik dar. 199 Teusch, Freiheit, S. 493. 200 Teusch selbst spricht von technozentrischen Positionen im Unterschied zu soziozentrischen Positionen. 201 Freyer, Theorie, S. 167. 202 Vgl. Teusch, Freiheit, S. 133; Misa, Retrieving Sociotechnical Change.

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2. Theorien der Technikgeschichte

2.6 TECHNIKFOLGEN UND TECHNIKGENESE Der Technikdeterminismus – sowohl in seinen starken wie in seinen schwachen Fassungen – geht von der Existenz von Technikfolgen aus. Bemühungen, sich den Folgen technischer Entwicklungen zu vergewissern, reichen weit in die Geschichte zurück, haben aber zur Gegenwart hin deutlich zugenommen. Eine geistesgeschichtliche Voraussetzung der Reflexion über Technikfolgen und Techniksteuerung bildete der im 17./18. Jahrhundert in der Wissenschaftlichen Revolution und in der Aufklärung entstandene Glaube an die Machbarkeit der Welt.203 Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden dann systematische Methoden für die Erkundung der technischen Zukunft und deren Folgen für die Gesellschaft entwickelt. Einen weiteren Aufschwung erlebten die Technikfolgenabschätzung, Technikbewertung und Technology Assessment genannten Ansätze seit den 1970er Jahren.204 Der Hintergrund bestand darin, dass die Überzeugung, die technische Entwicklung werde letztlich positive Ergebnisse zeitigen, verloren gegangen war. Der entscheidende Umschwung resultierte aus der ökologischen Krise, dem Bewusstwerden der mit technischem Fortschritt und wirtschaftlichem Wachstum verbundenen Umweltschädigungen und -zerstörungen. In Zukunft – so die Intention – wollte man von vornherein wissen, welche negativen Folgen mit der technischen Entwicklung verbunden seien und wie man diesen entgegenarbeiten könne. Der Verlust des Fortschrittsvertrauens und die ökologische Krise mündeten in eine Intensivierung der gesellschaftlichen Technikdiskussion und der sozialwissenschaftlichen Technikforschung sowie in eine Institutionalisierung der Technikfolgenabschätzung durch die politischen Entscheidungsinstanzen. Die größte Aufmerksamkeit fand die Gründung des Office of Technology Assessment (OTA) beim amerikanischen Kongress im Jahr 1972. Wenig später begann die politische Diskussion um eine analoge Einrichtung beim Deutschen Bundestag. Hier dauerte es zwei Jahrzehnte bis zu einer Institutionalisierung 1990/1993, dagegen wurde das amerikanische OTA wenig später, 1995, wieder geschlossen. Unabhängig von der Frage der parlamentarischen Institutionalisierung hat die Technikfolgenabschätzung ihren politischen, öffentlichen und wissenschaftlichen Stellenwert bis zur Gegenwart bewahrt. Damit ist bereits angedeutet, dass es sich bei der Technikfolgenabschätzung oder Technikbewertung um ein Konzept mit vielfältigen Ansprüchen und Konkretisierungen handelt. Im weitesten Sinne kann man darunter den öffentlichen Diskurs über die technische Entwicklung fassen, also – allgemein formuliert – die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen. In einem engeren Sinne das Bemühen um

203 Vgl. Koselleck, Vergangene Zukunft, passim; Conze, Die prognostische Bedeutung. 204 Vgl. hierzu Grunwald, Technikfolgenabschätzung, und die dort angegebene Literatur.

2.6. Technikfolgen und Technikgenese

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eine Vorausschau der technisch-gesellschaftlichen Entwicklung, welche systematisch vorgeht und wissenschaftliche Methoden einsetzt. Auf einer mittleren Ebene liegt die Aufbereitung wissenschaftlicher Ergebnisse als Basis für politische Entscheidungen. Technikbewertung ist also notwendigerweise sowohl deskriptiv wie normativ. Sie arbeitet mit wissenschaftsgestützten Argumenten, bezieht sich aber auch auf Werte und Interessen. Sie kann der Legitimation, aber auch der Kritik technischer und technikpolitischer Vorhaben dienen. Den Prozess der Technikbewertung kann man zusammenfassend in folgende Schritte untergliedern:205 – die möglichst vorausschauende Analyse technischer Entwicklungen, – die Abschätzung der Folgen dieser technischen Entwicklungen für Umwelt und Gesellschaft, – die Beurteilung der Folgen in Bezug auf gesellschaftliche Ziel- und Wertsysteme sowie – die Ausweisung von Handlungsmöglichkeiten und gegebenenfalls die Ableitung von Handlungsempfehlungen für gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Institutionen. Für die Durchführung dieses Programms besitzt die Technikbewertung mittlerweile ein beeindruckendes Methodenarsenal. Die beiden bleibenden grundlegenden Schwierigkeiten bestehen in einer angemessenen Repräsentation unterschiedlicher Wertstandpunkte und politischer Positionen und dass sich die Zukunft nur bedingt vorhersehen lässt. Dem trägt die Technikbewertung unter anderem durch den Entwurf möglicher Zukünfte Rechnung, was der Offenheit der Geschichte und der Wertgebundenheit technischen Handelns gerecht wird. Die Frage liegt nahe, welches Interesse die zukunftsorientierte Technikfolgenabschätzung oder Technikbewertung in der vergangenheitsorientierten Technikgeschichte beanspruchen kann.206 Eine Gemeinsamkeit liegt darin, dass es in beiden Ansätzen um technischen Wandel und dessen gesellschaftliche Folgen geht. Technikfolgen gehören zu den traditionellen Themen der Technikgeschichte. In historischen Arbeiten ist die Zukunft immer auf zweierlei Weise präsent: als unbekannte Zukunft der jeweiligen Zeitgenossen und als bekannte des zurückblickenden Historikers. Bereits in den 1970er Jahren entstand in den USA der Gedanke, diese doppelte Präsenz der Zukunft in technikhistorischen Arbeiten für das Technology Assessment fruchtbar zu machen.207 Das Ergebnis bestand im Konzept des „Retrospective Technology Assessment“. Historiker untersuchen die Entwicklung einer Technik und deren Folgen für Umwelt und Gesellschaft und 205 Nach Verein Deutscher Ingenieure, VDI 3780. 206 Vgl. u. S. 221–25. 207 Vgl. König, Retrospective Technology Assessment; Segal, Assessing; Andersen, Historische Technikfolgenabschätzung.

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2. Theorien der Technikgeschichte

vergleichen diese mit den Erwartungen der Zeitgenossen. Es sei dahingestellt, ob solche historischen Untersuchungen tatsächlich – wie erhofft – das methodische Instrumentarium des Technology Assessment bereichern können. Zumindest sensibilisiert die „Rückblickende Technikbewertung“ die Technikforscher für Probleme und Grenzen der Zukunftsschau.208 Umgekehrt erinnert die Technikbewertung die Technikhistoriker nachdrücklich an die Technikfolgen als Gegenstand historischer Forschung. Gegen das Konzept der Technikbewertung wurden in den 1980er Jahren sowohl theoretische wie praktische Kritikpunkte vorgetragen. Ein radikaler Konstruktivismus lehnte das Konzept der Technikfolgen grundsätzlich als technikdeterministisch ab. Ein gemäßigter Konstruktivismus empfand es als unbefriedigend, weil es kaum Spielräume für die politische Steuerung der Technik beließ: Die Technikfolgenabschätzung ging von einer mehr oder weniger fertigen Technik aus und wies der Politik die Funktion eines Reparaturbetriebs für unerwünschte Folgen zu. Damit markierte die Kritik ein grundsätzliches Dilemma der Technikfolgenabschätzung: Setzte sie mit ihren Untersuchungen in einem frühen Stadium der Technikentwicklung an, waren die Folgen höchst unsicher; setzte sie in einem späten Stadium an, war die Technik kaum noch zu verändern. Die Technikbewertung reagierte auf diese konstruktive Kritik auf zweierlei Weise: Sie verwandte verstärkt normative Ansätze. Diese gehen von gesellschaftlichen Zielen aus und fragen, mit welcher Technik sie sich am besten erreichen lassen. Und zweitens wurde die Technikfolgenabschätzung zunehmend als Prozess organisiert. Die Untersuchungen setzen möglichst früh in der Entstehungsphase einer neuen Technik ein und werden parallel zur Entwicklung der Technik revidiert und fortgeschrieben. Als Reaktion und Kritik an der Technikfolgenabschätzung entstand in der Bundesrepublik in den 1980er Jahren das Konzept der „Technikgenese“.209 Es nahm Anregungen aus dem Ansatz des „Social Construction of Technology“210 auf und suchte dem politischen Anspruch einer Techniksteuerung gerecht zu werden. Das Programm der Technikgenese zielte auf eine ganzheitliche Betrachtung des Innovationsprozesses, die empirischen Arbeiten konzentrierten sich auf die Entstehungsphase, in welcher die Technik als noch gestaltbar eingeschätzt wurde. Eine Konkretisierung erfolgte in erster Linie auf der Mikroebene in Form historischer Fallstudien. Dabei gingen die Autoren in für die damalige Techniksoziologie ungewöhnlich ausführlicher 208 S. u. S. 221–25. 209 Vgl. die Darstellungen des Konzepts durch Dierkes, Technikgenese (1987); Dierkes, Technikgenese (1997); Rammert, Technikgenese; Kritische Betrachtungen dazu durch König, Technik; Ropohl, Allgemeine Technologie, S. 293–96; Ropohl, Konstruktion, S. 36–39; Hellige, Von der programmatischen; Teusch, Freiheit, S. 126–28; Weyer, Technik. 210 S. u. S. 79–85.

2.7 Soziale Konstruktion der Technik

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Weise auch auf technische Strukturen und Funktionen ein. Allerdings wurde die Entwicklung der Technik in erster Linie als ein durch Macht und Interessen bestimmter Aushandlungsprozess interpretiert, strukturelle Gesichtspunkte fanden weniger Beachtung. Kritiker aus der Technikgeschichte warfen der Technikgenese unter anderem einen unangemessenen Umgang mit historisch varianten technischen Restriktionen vor („technischer Voluntarismus“) und eine Vernachlässigung wirtschaftlicher Bedingungen („ökonomische Blindheit“). Die Technikfolgenabschätzung und die Technikgenese sind hier als legitime, aber einseitige Konzepte vorgestellt worden. Bei der Technikgenese besteht die Einseitigkeit in der Konzentration auf die Frühphase von Innovationen und in der Interpretation der Technik als Determinandum; bei der – ursprünglichen – Technikfolgenabschätzung in der Konzentration auf eine eher späte Phase von Innovationen und in der Interpretation der Technik als Determinante. Bringt man die beiden Ansätze zusammen, lassen sich fruchtbare Anregungen für eine ganzheitliche Technikforschung gewinnen.211

2.7 SOZIALE KONSTRUKTION DER TECHNIK Das von dem holländischen Techniksoziologen Wiebe E. Bijker und dem englischen Wissenschaftssoziologen Trevor J. Pinch entwickelte Konzept der „Social Construction of Technology“ (SCOT) besitzt eine spezifische Vorgeschichte. Es handelt sich um die weitgehende Übertragung eines für die Naturwissenschaften entwickelten Ansatzes auf die Technik. In den 1970er Jahren formulierten Wissenschaftssoziologen an den Universitäten Edinburgh und Bath ein Programm, welches die Naturwissenschaften als soziales und historisches Unternehmen interpretierte.212 Ihnen ging es nicht um die in theoretischen Arbeiten bislang im Mittelpunkt stehenden Fragen wissenschaftlicher Wahrheit oder Gültigkeit, sondern um den Prozess der wissenschaftlichen Arbeit. Dabei behandelten sie als richtig oder als falsch geltende wissenschaftliche Aussagen in gleicher Weise („Symmetrieprinzip“). Sie arbeiteten in Fallstudien heraus, wie die Wissenschaftlergruppen experimentelle Ergebnisse unterschiedlich interpretierten und einen Konsens aushandelten, welche Daten in welcher Weise in die Veröffentlichungen der Forschungsergebnisse aufzunehmen seien. Die Untersuchungen konzentrierten sich auf kleinere wissenschaftliche Arbeitsgruppen und deren Interaktion im Rahmen größerer Scientific Communities. Gesellschaftliche 211 Vgl. hierzu Constant, Cause. 212 Bijker und Pinch bezogen sich besonders auf die Arbeiten von Collins, Stages, u. Collins, Sociology; vgl. als differenzierte, aber auch polemische Auseinandersetzung mit der Sozialen Konstruktion der Wissenschaft: Hacking, Was heißt ‚soziale Konstruktion’?

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2. Theorien der Technikgeschichte

Einflüsse auf die Wissenschaft wurden weniger thematisiert, aber als Desiderate weiterer Forschung benannt. Trevor J. Pinch wirkte an der Universität Bath an der Ausarbeitung des Konzepts der sozialen Konstruktion der Wissenschaft mit. In die Kooperation mit Wiebe E. Bijker brachte er also das wissenschaftssoziologische Konzepts ein, Bijker seine Kenntnisse der Techniksoziologie und Technikgeschichte. Der 1984 veröffentlichte erste programmatische Aufsatz der beiden übertrug das Konzept der sozialen Konstruktion der Wissenschaft nahezu eins zu eins auf die Technik.213 Pinch exemplifizierte es an der Physik der Sonne, Bijker am Fahrrad. Der Aufsatz enthielt eine ganze Serie von Analogien zwischen Wissenschaft und Technik. Sowohl die „scientific facts“ wie die „technological artefacts“ wurden als sozial konstruiert beschrieben. Den zahlreichen Interpretationsmöglichkeiten experimenteller wissenschaftlicher Ergebnisse entspreche die Vielfalt technischer Entwicklungsoptionen. Gescheiterte und erfolgreiche technische Innovationen sollten analog zu als falsch oder richtig erachteten wissenschaftlichen Theorien behandelt werden. Bei der Thematisierung der sozialen Gruppen wiesen die Verfasser dagegen auf kleine Unterschiede hin: Die wissenschaftssoziologischen Arbeiten befassten sich in erster Linie mit einem „Core-Set“ in der Wissenschaft, Bijker betonte dagegen die größere Zahl der an der Technikentwicklung beteiligten relevanten Gruppen. Die „relevanten sozialen Gruppen“ konstituierten sich über die gleiche Bedeutungszuschreibung für die Technik. Die Begriffe „interpretative flexibility“ und „closure“ waren ebenfalls der sozialen Konstruktion der Wissenschaft entlehnt. „Interpretative flexibility“ meinte einerseits unterschiedliche Bedeutungszuschreibungen für die materiell gleiche Technik. So war das Hochrad für die sportlichen jungen Männer ein „Macho-bicycle“, für Ältere und die Frauen dagegen ein unsicheres Rad. Andererseits bezog sich „interpretative flexibility“ auch auf ganz unterschiedliche Fahrradkonstruktionen. „Closure“, der Prozess der Schließung einer wissenschaftlichen oder technischen Entwicklung, lief nach Meinung der Autoren in der Wissenschaft und Technik etwas unterschiedlich ab: In der Wissenschaft erfolgte er üblicherweise in rhetorischer Form – als Überredung der Kontrahenten; in der Technik als Umdefinition des Problems. Für die Technik wurde ebenso wie für die Wissenschaft eine spätere Erweiterung des Untersuchungskontexts als notwendig erachtet. Der programmatische Aufsatz rief ein quantitativ beträchtliches, aber inhaltlich tendenziell eher kritisch-ablehnendes Echo hervor. Im Laufe eines guten Jahrzehnts erschienen Dutzende längerer kritischer Beiträge,214 auf welche Bijker und Pinch wiederum mit Gegenreden und Modifikationen des Konzepts reagierten. Danach ebbte die Diskussion ab. Hier können nur die 213 Pinch/Bijker, The Social Construction. 214 Z.B. Russell, The Social Construction; Mackay/Gillespie, Extending; Winner, Upon Opening; Williams/Edge, The Social Shaping.

2.7 Soziale Konstruktion der Technik

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meines Erachtens wichtigsten Einwände in gebotener Kürze referiert werden. Die Übertragung des Konzepts von der Wissenschaft auf die Technik hätte eigentlich einer ausführlichen Begründung bedurft. Pinch und Bijker entzogen sich dieser Aufgabe jedoch auf wenig überzeugende Weise215 und öffneten damit eine Flanke, in welche zahlreiche Kritiker hineinstießen.216 Sie machten auf zahlreiche Unterschiede zwischen Wissenschaft und Technik aufmerksam, was eine simple Übertragung verbiete. Der allgemeinste Einwand gestand zu, dass das Konzept der sozialen Konstruktion der Wissenschaft geeignet sei, eine fruchtbare Diskussion in der Wissenschaftsforschung in Gang zu setzen. In der Naturwissenschaft sei schließlich die Vorstellung weit verbreitet, die gesetzmäßige Ordnung der Natur stehe unveränderlich fest und harre nur der „Entdeckung“ durch die Wissenschaftler. Die wissenschaftlichen Ergebnisse seien also von sozialen Einflüssen unabhängig. Für die Technik – so die Kritiker – laufe das Konzept dagegen ins Leere; es formuliere nur eine Trivialität. Technik könne nur als Werk des vergesellschafteten Menschen verstanden werden; sie sei auch nie anders interpretiert worden. Pinch und Bijker hätten also eine allgemeine Grundüberzeugung nur mit einem neuen Begriff belegt. Wie ein Nachklang zu diesem Einwand mutet das jüngst bekundete Erstaunen an, dass ein sich als antitechnizistisch verstehendes Konzept zur technizistischen Metapher „Konstruktion“ gegriffen habe.217 Tatsächlich stellte diese Metapher für die Naturwissenschaft eine antinaturalistische Provokation dar, für die Technik dagegen einen Technizismus, welcher der sozialkonstruktivistischen Programmatik widersprach. Schwierigkeiten bereiteten den Kritikern Bijkers und Pinchs Bestimmung der jeweils „relevanten sozialen Gruppen“.218 Dabei war es weniger von Bedeutung, dass das Fehlen der einen oder anderen angemahnt wurde. Schwerer wog die Zirkularität bei der Bestimmung der sozialen Gruppen und der Technik. Denn einerseits sollten die Gruppen die Technik durch Bedeutungszuschreibungen „konstruieren“, andererseits konstituierten sie sich über eben diese Bedeutungszuschreibungen. In der Sprache der Logik ausgedrückt, hieß dies, dass die Folge der Ursache gleichzeitig eine Ursache der Folge war. Ein Sozialwissenschaftler beklagte, dass das Interesse der Sozialkonstruktivisten mit dem „closure“, der Schließung der Technikentwicklung, ende.219 Damit 215 Pinch/Bijker, The Social Construction, S. 400–02. 216 Vgl. hierzu Russell, The Social Construction, bes. S. 336f.; Winner, Upon Opening, bes. S. 365; Hacking, Was heißt ‚soziale Konstruktion’? S. 68; Joerges, Prosopoietische Systeme, S. 234ff.; Strübing, Von ungleichen Schwestern, S. 68. 217 So Paulitz, Engendering, S. 103 u. 107. 218 Vgl. hierzu Russell, The Social Construction, S. 334f.; König, Railways, S. 103; Huisinga, Theorien, S. 232; Raymund Werle in Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 49 (1997), S. 831–33, hier S. 833; Neil Pollack u. Chris Stokes in EASST Review 15 (1996). 219 So Weyer, Technik, S. 20.

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konzentrierten sie sich einseitig auf die Entstehungs- und Entwicklungsphase der Technik und klammerten die Diffusionsphase, also die gesellschaftlich relevanteste, aus. Das Konzept bezog sich zunächst ausschließlich auf die Mikro- und Mesoebene der technischen Entwicklung, behandelte also Personen und Gruppen; die Makroebene der Gesellschaft blieb ausgespart. In analoger Weise standen Artefakte und nicht komplexere technische Systeme im Zentrum der Betrachtung.220 Kritiker vermuteten, dass sich an einfachen Artefakten leichter Kontroversen darstellen ließen als an unübersichtlichen Systemkonfigurationen.221 Die soziale Konstruktion der Technik fungierte als eine Art Legitimationsinstanz und Handlungsanweisung für die Anfertigung von Fallstudien.222 Die Kritik vermisste denn auch jegliche Strukturperspektive.223 Explizit und offensiv grenzte sich der Sozialkonstruktivismus vom Technikdeterminismus ab – ohne auf dessen vielfältiges Bedeutungsspektrum einzugehen.224 Für die konkrete Umsetzung hieß dies, dass die Technik als Determinante der gesellschaftlichen Entwicklung – aber auch der technischen – keinerlei Beachtung fand.225 Stattdessen postulierten die Protagonisten eine weitgehende soziale Gestaltbarkeit der Technik, was ihnen Vorwürfe eines sozialen Reduktionismus, Determinismus und Voluntarismus eintrug.226 Die soziale Konstruktion der Technik entstand als soziologisches und nicht als historisches Konzept. Ihre Vertreter hantierten zwar mit historischen Fallstudien, behandelten aber die jeweilige Zeit quasi als geschichtslose Gegenwart. Die dabei als relevant erachteten sozialen Gruppen agierten, als gäbe es keinerlei ihre Handlungen und Handlungsmöglichkeiten beeinflussende soziale oder technische Traditionen. Technikhistoriker mussten dies als unbefriedigend empfinden. Gegenpositionen waren in vielfacher Ausfertigung seit langer Zeit präsent – so in dem berühmten Diktum von Karl Marx: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorge220 Dies wurde von Bijker, Social Construction (2001), S. 15524 auch zugegeben und didaktisch begründet. 221 Braun/Joerges, Technik, S. 14. 222 Tatsächlich übernahm sie in „Technology and Culture“, der Zeitschrift der amerikanischen Society for the History of Technology, genau diese Funktion. 223 Vgl. hierzu Russell, The Social Construction, bes. S. 334–43; Winner, Upon Opening, S. 370f.; Dolata, Unternehmen Technik, S. 85–87; Teusch, Freiheit, S. 236f.; Huisinga, Theorien, S. 233. 224 Vgl. o. S. 71–75. 225 Vgl. hierzu die später selbst gegenüber dem modifizierten Konzept noch gemachten kritischen Bemerkungen von Richard R. Nelson, Rez. Bijker, Of Bicycles, in Research Policy 26 (1997); Jeffrey L. Meikle, Rez. Bijker, Of Bicycles, in Technology and Culture 37 (1996), S. 854. 226 So Law, Technology, S. 129; Hughes, Technological Momentum, S. 103f.; König, Technik, passim.

2.7 Soziale Konstruktion der Technik

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fundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden.“227 Das Zitat enthält einen Hinweis, wie sich Traditionen selbst in die handlungslastige Konzeption der sozialen Konstruktion hätten einführen lassen, nämlich als Hinterlassenschaft der toten Akteure.228 Wiebe E. Bijker und Trevor J. Pinch reagierten auf die umfängliche Kritik mit zahlreichen Erwiderungen.229 Dabei akzeptierten sie viele Kritikpunkte und benutzten sie zur schrittweisen Modifikation ihres Konzepts. Einen gewissen Abschluss fand dieser Prozess in Bijkers 1995 erschienenem Buch „Of Bicycles, Bakelites, and Bulbs“. Im Folgenden skizziere ich die Modifikationen und Revisionen des Konzepts vor allem auf der Grundlage dieses Buches. Seine Schwäche – dies sei vorausgeschickt – besteht darin, dass es konzeptionelle Überlegungen und Fallstudien auf problematische Weise verzahnt. Die aus älteren Studien übernommenen Fallstudien illustrieren nämlich immer nur einzelne Aspekte des Konzepts. Im Ergebnis heißt dies, dass das Konzept in seiner Totalität bislang weder in dem Buch noch an anderer Stelle exemplifiziert wurde. „Of Bicycles“ bietet eine umfassendere Beschreibung der „relevanten sozialen Gruppen“ und bezieht dabei Produzenten, Mediatoren und Konsumenten der Technik ein. Das Buch geht darauf ein, dass die Gruppen im Prozess der Technikentwicklung nicht etwa stabil bleiben, sondern dass sie sich umformieren und dass neue hinzutreten. Ein längeres Kapitel – unter anderem angeregt durch die Diskussion um Michel Foucaults Machtbegriff – thematisiert die Definitions- und Handlungsmacht der beteiligten Akteursgruppen. Das Phänomen des „closure“ wird flexibilisiert. Die Schließung bringt die Technikentwicklung nicht mehr definitiv ans Ende, sondern sie kann wieder aufgebrochen werden, und die Gestaltung der Technik kann neue Dynamik gewinnen. Mit dem – allerdings recht diffusen – Begriff des „technological frame“ stellt Bijker die Akteure in einen größeren Kontext.230 In einer Fallstudie beschreibt er „technological frame“ als „combination of the explicit theory, tacit knowledge, general engineering practice, cultural values, prescribed testing procedures, devices, material networks, and systems used in a community.“231 Die „technological frames” werden ausgehend von den Gruppen und ihrer

227 Marx, Karl u. Engels, Friedrich: Werke (MEW). Bd. 8, Berlin 1969 (zuerst 1852), S. 115. 228 Vgl. hierzu MacKenzie/Wajcman, The Social Shaping, S. 7; Mackay/Gillespie, Extending, S. 700. 229 Vgl. Bijker, The Social Construction; Bijker, Sociohistorical Technology Studies; Bijker, Of Bicycles; Pinch, The Social Construction; Kline/Pinch, Users; Bijker, Social Construction. 230 Erstmals eingeführt in Bijker, The Social Construction of Bakelite. 231 Bijker/Law, Shaping Technology, S. 301.

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2. Theorien der Technikgeschichte

Interaktion entwickelt. Die Akteure können mehreren „frames“ angehören und besitzen jeweils einen unterschiedlichen Grad der Einbindung („inclusion“). Die „frames“ können also in diesen frühen Fassungen des Konzepts schwerlich als von den Akteuren relativ unabhängige Strukturen interpretiert werden. In „Of Bicycles“ vollzieht Bijker jedoch – unter Berufung auf Anthony Giddens232 – eine artistische Wende und bezeichnet sie als technisches Handeln ermöglichende und begrenzende Strukturen. Außerdem führt Bijker den neuen Begriff des „sociotechnical ensemble“ ein. „Sociotechnical ensemble“ bezeichnet den Untersuchungsgegenstand der Technikforschung, nämlich sowohl die Gesellschaft wie die Technik. Beide seien untrennbar miteinander verbunden und entwickelten sich in Form einer „Koevolution“.233 Mit dieser Erweiterung des Konzepts – so Bijker – würden Sozialkonstruktivismus und Technikdeterminismus miteinander versöhnt. Damit gelangte die Ausarbeitung der „Social Construction of Technology“ an ein überraschendes Ende. Angetreten, dem angeblich dominierenden Technikdeterminismus das überlegene Konzept des Sozialkonstruktivismus entgegenzusetzen, landet Bijker bei einer – allerdings unzureichend ausgearbeiteten – Integration. Es bleibt dem Leser überlassen, ob er dies als Weiterentwicklung oder als Widerruf des Konzepts begreifen möchte. Unabhängig davon weist das in „Of Bicycles“ vorgestellte Modell weiterhin Defizite auf. Zwischen dem Stellenwert und der Behandlung der Akteure und jener der Strukturen bestehen dramatische Ungleichgewichte. Und das Konzept des „technological frame“, welches in dem Modell nicht nur allgemein die Strukturen repräsentiert, sondern auch die Technik und die historische Tradition, ist viel zu diffus, um die ihm auferlegte gewaltige Last schultern zu können. Welche Bedeutung kommt der „Social Construction of Technology“ heute noch zu? Das Konzept kann als Mahnung verstanden werden, den komplexen gesellschaftlichen Ursprüngen einzelner Techniken detailliert nachzugehen. Ganz in diesem Sinne nahm Wiebe Bijker später den theoretischen Anspruch des Konzepts teilweise zurück und bezeichnete es als heuristisches Prinzip.234 Für die Anfertigung von Fallstudien wird es in diesem Sinne sicher weiterhin gute Dienste leisten. Kritischer ist der Stellenwert der sozialen Konstruktion der Technik für eine übergreifende Theorie der technischen Entwicklung zu sehen. Bei der aktuellen Fassung ist nicht zu übersehen, dass sie aus einem insgesamt über 20-jährigen Bauprozess hervorgegangen ist – mit zahlreichen An- und Umbauten und der Einfügung zusätzlicher zentraler Bauelemente, als das Gebäude eigentlich schon stand. Es sei dahingestellt, ob es nicht besser gewesen

232 S. u. S. 94–96. 233 Bijker, Social Construction (2001), S. 15525f. 234 Ebd.

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wäre, den Bau, nachdem er von den Architekten als ungeeignet erkannt wurde, gleich ganz abzureißen und stattdessen neu zu bauen. Die Mängel des Konzepts verhinderten nicht, dass relevante Teile der anglo-amerikanischen Technikgeschichte die soziale Konstruktion der Technik quasi als dogmatische Grundlage verwandte. Im Vergleich dazu fand sie sowohl in der deutschen Technikgeschichte wie in der deutschen Techniksoziologie eine wesentlich zurückhaltendere Aufnahme. Nur eine tiefer schürfende vergleichende Wissenschaftsforschung könnte diese Differenzen erklären.

2.8 VERMITTLUNGEN ZWISCHEN TECHNIK UND GESELLSCHAFT Die späteren Fassungen der „Social Construction of Technology“ formulierten die Aufgabe, Technik und Gesellschaft gleichgewichtiger aufeinander zu beziehen. Allerdings wurde der hierfür ins Spiel gebrachte Begriff des „sociotechnical ensembles“235 unzureichend ausgearbeitet. In der Tat kann man im Zusammenhang zwischen Technik und Gesellschaft die zentrale Fragestellung der Technikgeschichte sehen – und darüber hinaus: der geistes- und sozialwissenschaftlichen Technikforschung. Dabei besteht die grundsätzliche Schwierigkeit darin, dass Technik und Gesellschaft eine unauflösliche und quasi symbiotische Verbindung darstellen: keine Technik ohne Gesellschaft, aber auch keine Gesellschaft ohne Technik. Dennoch lassen sich prima facie die unbelebte Technik und die belebte Gesellschaft ohne weiteres unterscheiden.236 Theoretische Ansätze, welche die Beziehungen zwischen Technik und Gesellschaft thematisieren, sollten also einerseits zwischen Technik und Gesellschaft analytisch unterscheiden, andererseits aber die symbiotische Verbindung beider im Blick behalten. Im Folgenden werden Konzepte vorgestellt, welche dies mehr oder weniger praktizieren: „Pfadabhängigkeit“, „Momentum“, „Große technische Systeme“, „Netzwerke“ und „Struktur-AkteursTheorien“. Am Rande wird dabei auch auf Begriffe wie „Seamless Web“, „Hybride“ und „Aktanten“ (im Kontext der Actor-Network-Theory) eingegangen. Teilweise handelt es sich dabei um Metaphern, welche die unauflösliche Verbindung zwischen Technik sowie Mensch und Gesellschaft unterstreichen. Teilweise wird mit diesen Begriffen aber auch prinzipiell die Notwendigkeit und der Wert analytischer Unterscheidungen in Frage gestellt. 235 Der Begriff „sociotechnical ensemble“ ist offensichtlich aus ungenannten älteren Arbeiten abgeleitet. So ist z.B. der analoge Begriff des „soziotechnischen Systems“ seit den späten 1970er Jahren zentral bei Ropohl, Systemtheorie. 236 Die projizierten Maschinenmenschen, Cyborgs und belebten, intelligenten Maschinen besitzen zumindest in der Gegenwart noch wenig Relevanz.

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2. Theorien der Technikgeschichte

2.8.1 Pfadabhängigkeit und Momentum Die Begriffe „Pfadabhängigkeit“, „Trajectories“, „Leitbilder“ und „Momentum“ betonen die historische Wirkmächtigkeit von Traditionen – darunter auch die der technischen Tradition. Einmal geschaffene Strukturen besitzen häufig ein erstaunliches Beharrungsvermögen, beeinflussen zumindest die weitere Entwicklung. Die weiteste Verbreitung dürfte das Konzept der „Pfadabhängigkeit“ („path-dependency“) gefunden haben.237 Der Begriff tauchte seit Ende der 1970er Jahre in den Publikationen der Ökonomen Richard R. Nelson, Sydney G. Winter und Giovanni Dosi auf.238 Weitgehend synonym zu „path-dependency“ verwandten sie „trajectory“ und „regime“. Die Begriffe bezogen sich vor allem auf die technische Entwicklung, konnten aber auch darüber hinaus Verwendung finden. Sie zielten in erster Linie, aber nicht ausschließlich, auf Kognitives. Mit „Pfadabhängigkeit“ und den anderen Begriffen kennzeichneten Nelson, Winter und Dosi den Einfluss der in einzelnen Unternehmen und in ganzen Branchen vorhandenen Wissens- und Erfahrungsbestände auf die weitere technische Entwicklung. Dabei unterschieden sie zwischen allgemeinen und speziellen Trajectories oder Regimes. Die allgemeinen Trajectories, wie das Streben nach größerer Leistung, beeinflussten größere Bereiche der Technik. „Spezielle Trajectories“, verstanden als technische Realisierungen wie das Flugzeugmodell DC-3, setzten Standards für die weitere Entwicklung in der Luftfahrt oder in anderen Technikbereichen. Das bekannteste Beispiel für ein solches spezielles Trajectory ist die Qwerty- bzw. QwertzTastatur bei Schreibmaschinen.239 Entstanden um 1870, findet sie sich bis heute auf jedem Computer. Das Konzept der „Pfadabhängigkeit“ und der Begriff des „Pfads“ verbreitete sich in der Wirtschaftsgeschichte,240 der Managementforschung,241 der Technikgeschichte242 und auch in der Sozialgeschichte, dort in Bezug auf das System der Alterssicherung243. Unter theoretischen Gesichtspunkten können folgende Punkte hervorgehoben werden: Der „Pfad“ entsteht auf historisch kontingente Weise. Dabei wirken vielfältige Ursachen technischer Entwicklung zusammen: die Bedürfnisse der Menschen, die Nachfrage der Kun237 Vgl. hierzu Belt/Rip, The Nelson-Winter-Dosi Model; Tissot/Veyrassat, Technological Trajectories; Melosi, The Sanitary City, bes. S. 10–12; Wieland, Neue Technik, S. 21– 46. 238 Vgl. z.B. Nelson/Winter, An Evolutionary Theory, S. 258–62; Dosi, Technological Paradigms. 239 Vgl. David, Clio; vgl. David, Path Dependence. 240 Vgl. z.B. Rosenberg, Exploring, S. 9–23. 241 Vgl. z.B. Schreyögg/Sydow, Strategische Prozesse. 242 Vgl. z.B. Marschall, Biotechnologie; Marschall, Im Schatten, S. 18f.; Wieland, Neue Technik. 243 Vgl. z.B. Conrad, Alterssicherung.

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den, die Marktmacht von Unternehmen, politische Entscheidungen, besondere Zeitumstände wie z.B. Kriege, das vorhandene Wissen und Können, technische Entwicklungslogiken und anderes mehr. Der „Pfad“ stellt also kein technisch-wirtschaftliches Optimum dar – so es ein solches überhaupt geben könnte. Zudem ist die Funktionalität und Wirtschaftlichkeit des „Pfades“ zeitlich variant. Heute würden beispielsweise die meisten nationalen Eisenbahngesellschaften nicht mehr die gleiche Stromart, Spannung und Frequenz wählen wie bei der Elektrifizierung Anfang des 20. Jahrhunderts. Der „Pfad“ leitet die Entwicklung an, dies aber nicht zwingend. Er kann also wieder verlassen werden, oder – ein besseres Bild: es kann ein neuer Pfad geschlagen werden. Allerdings ist das Verlassen des Pfads oder die Anlage eines neuen meist mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden. Es entwertet die in den alten Pfad investierten Mittel und erfordert neue Investitionen. Auf dem vorhandenen Pfad haben sich zahlreiche Institutionen und Personen eingerichtet. Mit ihm sind wirtschaftliche Interessen und mentale Orientierungen verbunden. Anders ausgedrückt: Beim Verlassen des Pfads müssen beträchtliche strukturelle Veränderungen eingeleitet und durchgesetzt werden. Anfang der 1990er Jahre übertrug eine Arbeitsgruppe um den Techniksoziologen Meinolf Dierkes das Konzept der „Pfade“ und „Trajectories“ unter dem Begriff des „Leitbilds“ aus dem mehr ökonomischen Zusammenhang in einen mehr gesellschaftlichen und suchte ihn für die Techniksteuerung fruchtbar zu machen.244 Die Arbeitsgruppe erweiterte also den deskriptiv-erklärenden Ansatz des Pfades durch einen normativen Anspruch. Dabei verstanden Dierkes und seine Mitarbeiter unter „Leitbilder“ „Sinnstiftungen“ oder „Übereinkünfte mit hoher Verbindlichkeit und kollektiver Projektionskraft“245. Beispiele für solche Leitbilder stellen der „Volkswagen“, die „Künstliche Intelligenz“ oder – um ein neueres anzuführen – „Nachhaltigkeit“246 dar. Solche Leitbilder seien geeignet, die allgemeine Öffentlichkeit auf neue Entwicklungen vorzubereiten, aber auch der Forschung und Entwicklung Ziele zu setzen. Die Leitbilder entfalteten ihre Wirkung besonders in der Frühphase technischer Entwicklungen, in welcher die Technik noch am ehesten gestaltbar sei. Mit den Leitbildern sollte eine „weiche“ Techniksteuerung erreicht werden, nachdem die Ergebnisse der „harten“, durch Forschungsförderung oder rechtliche Vorgaben, als unbefriedigend empfunden wurden. 244 Dierkes/Hoffmann/Marz, Leitbild; Dierkes, Technikgenese (1997); vgl. hierzu Mambrey u.a., Technikentwicklung; Kleinschmidt, Der produktive Blick, passim; Abel, Von der Vision, bes. S. 70–76. 245 Knie in: Dierkes, Technikgenese (1997), S. 229. 246 Vgl. Böhm/Gebauer/Irrgang, Nachhaltigkeit; der Sammelband enthält zahlreiche Beiträge zum Konzept „Leitbild“ – auch über die Nachhaltigkeit hinaus.

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Die sich bald erhebende Kritik bezweifelte die den Leitbildern zugeschriebene Leistungsfähigkeit.247 Sie seien überfordert, wenn sie die gesamte Technikgestaltung, von der Einstellung der Öffentlichkeit bis zur Forschung und Entwicklung, anleiten sollten. Darüber hinaus spitzte der Begriff „Leitbild“ die bereits in den Ursprungskonzepten der „Pfadabhängigkeit“ und der „Trajectories“ enthaltene idealistische Technikinterpretation weiter zu. Der Begriff entstammte eigentlich der Psychologie und war von dort aus in weitere Wissenschaften vorgedrungen. In die Technikforschung gelangte er zum Teil als Übersetzung von Thomas S. Kuhns „Paradigma“. Die mit dieser Herkunft verbundene kognitivistische und idealistische Semantik eignete sich bestenfalls für Teilaspekte der technischen Entwicklung. Mit Hilfe des Begriffs „Momentum“ charakterisierte der Technikhistoriker Thomas P. Hughes erstmals Ende der 1960er Jahre die spezifische Ausrichtung der deutschen Schwerchemie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.248 Die deutschen Chemiefirmen, insbesondere die BASF, besaßen besondere Stärken bei Hochdruck-, Hochtemperatur- und katalytischen Verfahren. Hieraus gingen unter anderem das Haber-Bosch-Verfahren, die Methanolsynthese und die Kohlehydrierung hervor. Der aus der Physik kommende Begriff „Momentum“ bezeichnete dort die Bewegungskraft, welche die Bahn eines Objektes (trajectory) bestimmte. Ins Deutsche übertragen wurde er als „Trägheit“, „Beharrungsvermögen“ oder „Eigendynamik“. Damit ist bereits zum Ausdruck gebracht, dass „Momentum“ die gleiche Semantik besitzt wie „Pfadabhängigkeit“ oder „Trajectory“. Von den genannten Konzepten ist „Momentum“ das älteste. Es fand aber eine wesentlich geringere Verbreitung als „Pfadabhängigkeit“ und blieb weitgehend auf die Technikgeschichte – und dabei insbesondere die amerikanische – beschränkt.249 Darüber hinaus verwandte der bekannte, der Technikgeschichte nahe stehende amerikanische Historiker Daniel J. Boorstin (1914– 2004) „Momentum“, um die Eigendynamik von Großprojekten wie den Bau der Atombombe oder die Mondlandung zu kennzeichnen.250 Hughes trat zwar als Herausgeber einer der Gründungsschriften der „Social Construction of Technology“ in Erscheinung,251 distanzierte sich aber später von dem sozialkonstruktivistischen Konzept.252 Stattdessen bot er „Momentum“ als Mittelweg zwischen Sozialkonstruktivismus und Technik-

247 Vgl. Hellige, Technikleitbilder; Lenz/Maier/Meyer, Chancen. 248 Hughes, Das „technologische Momentum“; vgl. Staudenmaier, Technology’s Storytellers, S. 148ff. 249 Es ist bezeichnend, dass Marschall, Biotechnologie, an Hughes Charakterisierung der deutschen chemischen Industrie anknüpft, dabei aber den Begriff des „Pfades“ bevorzugt. 250 Boorstin, The Americans, S. 557ff.; vgl. auch Boorstin, Hidden History, S. 227–304. 251 Bijker/Hughes/Pinch, The Social Construction. 252 Hughes, Technological Momentum.

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determinismus an. Das „Momentum“ gehe von soziotechnischen Systemen aus,253 welche von vornherein das Gesellschaftliche und das Technische vereinten. Am Beispiel der Elektrizitätsversorgungssysteme brachte Hughes „Momentum“ in einen Zusammenhang mit den einzelnen Phasen der Technikentwicklung.254 In einer frühen Phase würden die Systeme mehr von ihrer Umgebung geprägt, in einer späteren Phase entfalteten die Systeme ihr „Momentum“ und prägten mehr die Umgebung. Die Entstehung und die Wirkung des „Momentums“ könne von Außeneinflüssen abhängen. So seien die Elektrizitätsversorgungssysteme während des Ersten Weltkriegs für Rüstungszwecke aufgebläht worden; nach Kriegsende suchten sie als „solution(s) looking for a problem“255 nach anderweitigen Anwendungen. Zweifellos verweisen die Begriffe „Pfad“, „Trajectory“, „Regime“, „Leitbild“, „Momentum“ und wie sie alle lauten mögen auf ein wichtiges Phänomen der Technikentwicklung: das Beharrungsvermögen und die Wirkmächtigkeit soziotechnischer Systeme und der in sie inkorporierten technischen Lösungen. Kritik könnte – wie bei vielen anderen Konzepten auch – an der Semantik und Konnotation der verwendeten Metaphern ansetzen. So haben einige Diskutanten den Begriff „Trajectory“ als eine zu mechanistische Analogie abgelehnt.256 Tatsächlich suggeriert der Begriff – jedenfalls in spezifischen Bedeutungen von „Flugbahn“ –, dass eine einmal auf den Weg gebrachte Technik nicht mehr gelenkt und verändert werden könne, sondern ihre vorbestimmte Bahn verfolge. Ein analoger Einwand könnte in abgeschwächter Form auch gegen Hughes’ „Momentum“ vorgebracht werden. Die Begriffe „Pfad“ und „Pfadabhängigkeit“ wiederum implizieren das Vorhandensein eines Weges, der nur noch beschritten werden muss, und legen die Frage nahe, wer diesen denn angelegt haben mag. „Regime“ priorisiert zu sehr die Machtdimension, „Leitbild“ impliziert idealistische Technikinterpretationen. Vielleicht sollte man wegen dieser semantischen Schwächen das anzuzeigende Muster der technischen Entwicklung mit neutraleren Begriffen wie „Tradition“ oder „Struktur“ belegen.

253 254 255 256

Zu Hughes’ Systembegriff s. u. S. 90. Vgl. hierzu Hughes, Networks. Hughes, Technological Momentum, S. 110. MacKenzie/Wajcman, The Social Shaping, S. 11f.; Bijker/Law, Shaping Technology, S. 15ff.

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2.8.2 Große technische Systeme und Netzwerke Der Begriff „System“ ist in der wissenschaftlichen Welt ubiquitär, wird aber sehr unterschiedlich verstanden. Um nur zwei prominente und diametral entgegengesetzte Beispiele anzusprechen: Bei Niklas Luhmann (1927–1998) ist die reichlich unbestimmte Metapher „System“ einer der Zentralbegriffe seiner Gesellschaftstheorie, bei Günter Ropohl „System“ einer der streng formalisierten Zentralbegriffe seiner Techniktheorie. Auch in meiner Ausarbeitung ist der Begriff „System“ bereits mehrfach gefallen. Dies hängt damit zusammen, dass man „System“ als eine Art Beschreibungs-Passepartout benutzen kann. Dabei sind nur wenige Anforderungen zu beachten:257 Das „System“ sollte von seiner Umgebung abgegrenzt werden. Es wird üblicherweise in Form seiner Elemente oder Subsysteme dargestellt und der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen oder Relationen. „System“ kommt meist bei komplexen Techniken zur Anwendung. Dies bedeutet jedoch keine Ausschließlichkeit; auch die einfachsten Techniken können als Systeme beschrieben werden. In die Technikgeschichte fand der Systembegriff durch die Arbeiten Bertrand Gilles258 und Thomas P. Hughes’259 Eingang. Gille nutzte den Systembegriff zur Beschreibung der Unterschiede zwischen der vorindustriellen und der industriellen Technik, Hughes zur Beschreibung der aus Technik, Unternehmen, Innovatoren usw. bestehenden soziotechnischen Systeme der Elektrizitätsversorgung. Der Erfolg von Hughes’ „Networks of Power“ (1983) initiierte in der deutschen Soziologie eine eigene Forschungsrichtung, welche sich „Großen technischen Systemen“ („Large technological systems“) widmete.260 Im Mittelpunkt standen zunächst die großen Infrastruktursysteme der Industrialisierungsepoche wie Eisenbahn, Telegrafie oder Telefon. In späterer Zeit wurden auch mehr gesellschaftlich-organisatorische Systeme wie die Sondermüllentsorgung, die Organtransplantation, der Katastrophenschutz oder der Massentourismus unter den Begriff gefasst. Der Historiker Joachim Radkau verwandte „Große technische Systeme“ auch für die alten Hochkulturen und die Antike.261 Bei dieser Anwendungsbreite kann es wenig verwundern, dass die Explikationen des Begriffs „Große technische Systeme“ unterschiedlich ausfielen.262 Eine Reihe von Vertretern des Ansatzes legte großen Wert auf die 257 258 259 260

Vgl. z.B. Ropohl, Systemtheorie; Schwemmer, Handlung, bes. S. 244ff. Gille, Histoire. Hughes, Networks. Vgl. hierzu Mayntz/Hughes, Development; Weingart, „Großtechnische Systeme”; Braun/Joerges, Technik; Braun, Geflügelte Saurier; Abel, Von der Vision; Degele, Einführung, bes. S. 153ff. 261 Radkau, Zum ewigen Wachstum; vgl. auch Radkau, Entwicklungsprozesse. 262 S. hierzu Braun/Joerges, Technik, passim; Abel, Von der Vision, S. 68f.

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großräumige Erstreckung und die sachtechnische Vernetzung der Systeme. Sie klammerten deswegen „großtechnische Gebilde“ wie Kraftwerke, Flughäfen und Produktionsanlagen aus.263 Als weitere Merkmale von „Systemen“ zählten sie auf: „Kapitalintensität, Rolle der öffentlichen Hand, technologische Unteilbarkeit, Standortgebundenheit und lange Lebensdauer. … eine auf das Spezifische großer technischer Systeme ausgerichtete Regelungsstruktur (Gesetze, Verordnungen, Erlasse), Normen, spezialisierte Berufsgruppen mit einem eigenen Know-how und einer eigenen Wissensbasis, „eigene“ formale Organisationen, eine insgesamt enorme ökonomische Bedeutung sowie die Existenz spezifischer Legitimationsansprüche“.264 „Großen technischen Systemen“ wurde eine beträchtliche Eigendynamik zugeschrieben – unabhängig von den Intentionen der Beteiligten. Man attestierte ihnen eine Tendenz zum Wachstum und dass sie nur schwer wieder abzubauen seien. Ihr Betrieb erfordere ein hohes Maß an wissenschaftsgestützter Professionalität. Aufgrund ihrer Komplexität ließen sie sich jedoch nur bedingt beherrschen; Unfälle seien deswegen vorprogrammiert.265 Noch nicht sehr weit gediehen sind Bemühungen, Typen Großer technischer Systeme zu bilden. Dabei werden neben die klassischen Infrastrukturnetze Systeme gestellt, welche Teile bestehender Infrastruktursysteme für einen neuen Zweck nutzen.266 Genannt wird z.B. das für Organtransplantationen entwickelte System, das auf existierende Kommunikations- und Transportnetze zurückgreift. Ein anderer Vorschlag verweist auf Unterschiede hinsichtlich des Grades der Kopplung der Systemelemente.267 Diese seien bei der Eisenbahn enger als beim Autoverkehr. Die bislang unzureichend diskutierte zentrale Frage lautet, ob den „Großen technischen Systemen“ tatsächlich eine spezifische Qualität gegenüber der sonstigen Technik zukommt oder ob es sich nur um Unterschiede der Größenordnungen handelt. Am ehesten lassen sich Spezifika finden bei den materiell vernetzten Infrastruktursystemen, welche eine beträchtliche räumliche Erstreckung besitzen. Solche Netze werden heute direkt oder indirekt bei jeglichem technischen Handeln genutzt, so dass – in weiter Verwendung des Begriffs des großtechnischen Systems – sich möglicherweise die gesamte Technik als „Großes technisches System“ beschreiben ließe. Schließlich wird in der Forschung zu wenig reflektiert, ob man „Großes technisches System“ als Beschreibungsmodell behandeln möchte oder ihm physische oder soziale Realität unterstellt.

263 264 265 266 267

Braun/Joerges, Technik, S. 21. Abel, Von der Vision, S. 68f. Vgl. Perrow, Normale Katastrophen. Vgl. Braun, Geflügelte Saurier; Braun/Joerges, Technik; Neudörfer, Netzwerk. Weingart, „Großtechnische Systeme“, S. 179; vgl. Geels, Transformations.

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Gegebenenfalls ließe sich auf das Konzept des „Großen technischen Systems“ ganz zugunsten des Netzwerkkonzepts verzichten.268 Der technische Begriff „Netz“ oder „Netzwerk“ meint ein von Tieren oder Menschen geschaffenes flächiges Gebilde miteinander verknüpfter Fäden.269 Die Verknüpfungs- und Kreuzungspunkte der Fäden werden häufig als Knoten bezeichnet. Beispiele hierfür sind das Spinnennetz oder das Fischernetz. Technische Netze unterscheiden sich hinsichtlich der Gestalt, es gibt stern-, baum-, ring-, gitterförmige oder geometrisch unbestimmtere Netze. Schließlich kann man die Unterscheidung treffen zwischen materiellen Netzen wie bei der Eisenbahn und virtuellen Netzen wie bei den Luftstraßen. Seit den 1960er Jahren erlebte der Begriff „Netzwerk“ eine Konjunktur in den Sozialwissenschaften.270 Man distanzierte sich damit von Vorstellungen einfacher linearer, gegebenenfalls hierarchischer Zusammenhänge und verwies stattdessen auf komplexe, nicht-hierarchische Beziehungen. Die unbestimmte „Netzwerk“-Metapher weckte Assoziationen wie „horizontal, unhierarchisch, komplex, nicht-linear, offen, interaktiv, dezentral, flexibel und beweglich, partizipatorisch und pluralistisch.“271 Der Erfolg des Internet steigerte die Verwendungshäufigkeit weiter. In der Technikgeschichte wirkte zusätzlich der Erfolg von Hughes’ „Networks of Power“ (1983) als Stimulans. „Netzwerk“ kann also vielerlei heißen: Materielle oder virtuelle sachtechnische Netzstrukturen lassen sich auch als soziotechnische Netze beschreiben, indem die Produzenten und Konsumenten der Technik einbezogen werden. In der Ökonomie kann man die Lieferbeziehungen innerhalb der Industrie als Netzwerk darstellen.272 Sozialwissenschaftliche Arbeiten können Beziehungen zwischen Personen und Institutionen als Netzwerk behandeln. Der Vorteil all dieser Ansätze liegt darin, dass sie geeignet sind, der Verflechtung moderner Gesellschaften einschließlich der Technik Rechnung zu tragen. Allerdings bedürfte hierfür der auch in wissenschaftlichen Arbeiten verbreitete unbestimmte metaphorische Sprachgebrauch einer theoretischen Präzisierung.273 Eine zusätzliche Verwirrung hat der Begriff „Netzwerk“ durch die von Autoren wie Bruno Latour, Michel Callon und John Law seit den 1980er Jahren entwickelte „Actor-Network-Theory“ (ANT) erfahren.274 Manchen Tech268 Vgl. Themenheft Technikgeschichte 56 (1988), Heft 3 „Technische Netzwerke in der Geschichte“; Fleischmann, Volkswirtschaftslehre; Jansen, Innovation; Braun-Thürmann, Innovation, S. 66–83; Powell/Grodal, Networks. 269 Vgl. Ropohl, Allgemeine Technologie der Netzwerke. 270 Vgl. Hessler, Vernetzte Wissensräume. 271 Hessler, Vernetzte Wissensräume, S. 248f. 272 Vgl. für ökonomische Anwendungen der Netzwerk-Metapher z.B.: Powell, Neither Market; Franke, Netzwerke; Lécuyer, Making Silicon Valley. 273 Vgl. hierzu die Kritik von Fischbach, Mythos Netz. 274 Vgl. jetzt die übersichtliche Zusammenstellung durch Belliger/Krieger, ANThology, sowie Latour, Eine neue Soziologie.

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nikforschern, darunter auch Technikhistorikern, erschien die „Actor-Network-Theory“ attraktiv, weil sie eine symmetrische Behandlung des Sozialen und des Technischen versprach. Menschen und Maschinen wurden im Netz gleichermaßen der Status von Akteuren oder Aktanten zugesprochen. Damit konnte die Technik als eigenständiges Element in Erscheinung treten – gewissermaßen als Gegenposition zum Sozialkonstruktivismus. Anfänglich zielte die „Actor-Network-Theory“ auf eine allgemeine Gesellschaftstheorie. Im Prozess der Distanzierung von der traditionellen Wissenschaft – von manchen als „Generalangriff“ auf die Wissenschaften verstanden –275 wurde dies wieder relativiert. Elemente dieser Distanzierung waren die prinzipielle Ablehnung analytischer Unterscheidungen wie zwischen Menschen und Dingen, zwischen den Dingen und ihren Bedeutungen, zwischen dem Subjekt und dem Objekt der Betrachtung. Die Ununterscheidbarkeiten innerhalb des Netzes markierten Begriffe wie „Hybride“276, „Seamless Web“277 oder „Heterogenität“278. In krassem Gegensatz zu ihren programmatischen Bekundungen verwendeten die Protagonisten des Konzepts in ihren Fallstudien, auf welche sich die Rezeption durch die Technikhistoriker weitgehend beschränkte, in großer Zahl subtile analytische Differenzierungen. Dies war auch gar nicht anders möglich, denn unsere Sprache bildet nicht zuletzt eine Ansammlung solcher Unterscheidungen. Als vermeintlichen Ausweg aus diesem Dilemma propagierte Bruno Latour die Entwicklung einer nicht-analytischen Sprache.279 Im Ergebnis entwickelte sich die „Actor-Network-Theory“ zu einer organizistischen Netzwerkmetaphysik. Begriffe wie „Selbstorganisation“, „Interaktion“, „Zirkulation“, „Transformation“ und „Translation“ standen für die sich in den Netzwerken abspielenden ständigen dynamischen Veränderungen. Darüber hinaus formulierte Latour für die Weiterentwicklung des Konzepts das Prinzip der dynamischen Unbestimmtheit: „Wenn wir einmal … das hinter uns lassen, was an der ANT so falsch war, also „Akteur“, „Netzwerk“, „Theorie“ und nicht zu vergessen der Bindestrich! –, kann vielleicht eine andere Kreatur auftreten, hell und schön: unsere zukünftige kollektive Leistung.“280 Neuerdings propagiert Latour ANT als Methode, welcher es um „Verknüpfung“, „Versammlung“, „Assoziation“, „Beschreibung“ von Menschen und Dingen auf lokaler Ebene gehe.281 Es steht zu erwarten, dass diese modifizierte Interpretation eine Attraktion auf Technikhistoriker ausüben wird, die Freiraum für weitgehend theorielose Mikrostudien anstreben. 275 276 277 278 279 280 281

Joerges, Technik – das Andere, S. 176. Vgl. z.B. Hard/Jamison, Hubris Vgl. z.B. Hughes, The Seamless Web. Vgl. z.B. Law, Technology. Z.B. Johnson, Vermischung, S. 250ff.; Latour, Über den Rückruf, S. 566. Latour, Über den Rückruf, S. 570f. Latour, Eine neue Soziologie.

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2. Theorien der Technikgeschichte

2.8.3 Struktur-Akteurs-Theorien Bruno Latour distanzierte sich ausdrücklich von dem Missverständnis, die „Actor-Network-Theory“ wolle einen Beitrag zur Auflösung des in den Sozialwissenschaften herrschenden Spannungsverhältnisses zwischen Struktur und Handlung leisten.282 Damit spielte er auf die zwei großen sozialwissenschaftlichen Theorietraditionen an, die Handlungstheorie und die Strukturtheorie. Handlungstheoretische Ansätze beschreiben und erklären Gesellschaft durch die Interaktion von Menschen, Gruppen und Institutionen, strukturtheoretische durch das Zusammenwirken struktureller Größen. Grundsätzlich eignen sich handlungstheoretische Ansätze besser für Beschreibungen der gesellschaftlichen Mikro- und Mesoebene, strukturtheoretische besser für Beschreibungen gesellschaftlicher Totalität. In der Geschichtswissenschaft findet man die beiden sozialwissenschaftlichen Theorietraditionen als Ereignis- und Strukturgeschichte wieder. Die Ereignisgeschichte beschreibt die Geschichte in erster Linie als Abfolge von Handlungen.283 In der klassischen Politikgeschichte waren dies vor allem die Taten der Regenten, Feldherren und Diplomaten. Diesem Muster folgend, stellte die ältere Technikgeschichte der Ingenieure Erfinder und Innovatoren in den Mittelpunkt.284 Ohne die Ereignisgeschichte und ihre Themen völlig außen vor zu lassen, widmet sich die Strukturgeschichte schwerpunktmäßig großen die Geschichte bestimmenden Komplexe, wie dem Mensch-NaturVerhältnis, Zivilisationen, Gesellschafts-, Staats- und Wirtschaftsformen. Erste relevante Schulenbildungen erlebte die Strukturgeschichte in der Zeit um den Zweiten Weltkrieg in Frankreich mit den „Annales“, in der Bundesrepublik mit der Strukturgeschichte eines Werner Conze und später mit der Historischen Sozialwissenschaft eines Hans-Ulrich Wehler. Struktur-Akteurs-Theorien suchen zwischen Akteurs- und Strukturansätzen zu vermitteln. Auf die Geschichte bezogen, reagieren sie auf das Paradoxon, dass historische Veränderungen zwar aus einzelnen menschlichen Handlungen erwachsen, der historische Prozess in seiner Gesamtheit aber ein anonymes, unberechenbares und nicht zu steuerndes Geschehen bleibt. Eine Vermittlung liegt nahe, denn Strukturen gehen auf Aktionen zurück und Aktionen finden innerhalb von Strukturen statt.285 Sozialwissenschaftliche Struktur-Akteurs-Ansätze rekurrieren heute in aller Regel auf Anthony Giddens’ grundlegendes Werk „The Constitution of Society“ (1984).286 Darin beschreibt Giddens gesellschaftliche Praxis als Du282 Latour, Über den Rückruf, S. 562f. 283 Vgl. zum Zusammenhang zwischen Ereignis und Handlung u.a.: Koselleck, Darstellung; Sewell, Theorie; Suter/Hettling, Struktur. 284 S. o. S. 54. 285 Vgl. Koselleck, Darstellung. 286 Giddens, Konstitution; vgl. zu Giddens insbesondere Werlen, Sozialgeographie; Welskopp, Mensch, S. 56–66; Welskopp, Dualität.

2.8 Vermittlungen zwischen Technik und Gesellschaft

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alität von Handlung und Struktur. Allerdings behandelt er Handlung und Struktur nicht gleichwertig. Bei Giddens sind es die Handlungen, welche – allerdings in institutionalisierter Form – die Gesellschaft konstituieren. Sein methodischer Individualismus rekurriert also nicht auf Einzelhandlungen, sondern auf überindividuelle Handlungen bzw. soziale Beziehungen zwischen den Handelnden. Bei Giddens konstituiert das Handeln einerseits Strukturen, andererseits ist das Handeln an Strukturen gebunden. Strukturen leiten in Gestalt von Regeln Handlungen an und stellen Ressourcen für Handlungen dar. Bei den Ressourcen unterscheidet er allokative, zu denen die Natur und die Technik gehören, und autorative als Verfügungsgewalt über Personen. Strukturen ermöglichen Handlungen, restringieren sie aber auch. Für Giddens ist es wichtig, dass Strukturen keine reale Existenz besitzen; explizit lehnt er deswegen strukturelle Erklärungen ab. Stattdessen führt er in seine Theorie – gewissermaßen als Instanz zwischen Strukturen und Handlungen – an Akteure gebundene Institutionen ein. Institutionen, wie Symbole, Politik, Ökonomie und Recht, bilden gewissermaßen institutionelle Ordnungen der Strukturen. Hier ist kritisch zu fragen, ob Giddens’ Priorisierung der Handlungen gegenüber den Strukturen überzeugt. Sie scheint sich zu ergeben aus Giddens’ Unterscheidung zwischen „realen“ Handlungen und Institutionen auf der einen Seite und „nicht-realen“ Strukturen auf der anderen. Dies lässt jedoch außer Acht, dass es sich sowohl bei Handlungen und Institutionen als auch bei Strukturen nicht um Realität, sondern um Elemente in einem wissenschaftlichen Beschreibungs- und Erklärungsmodell handelt. Dies schließt nicht aus, dass man – in der Perspektive eines gemäßigten Realismus – Handlungen, Institutionen und Strukturen eine reale Existenz unterstellt, welche aber nicht unmittelbar erfasst werden kann. Die hier in extremer Verdichtung gebotene Darstellung von Giddens’ Theorie gesellschaftlicher Strukturierung klammert zahlreiche Differenzierungen aus. Hierzu gehört die Unterscheidung zwischen Struktur und System, zwischen Strukturprinzipien und Strukturmomenten, zwischen „Signification“, „Domination“ und „Legitimation“ bei den Strukturen, zwischen Routinehandeln, praktischem und reflexivem Handeln bei den Handlungen und anderes mehr. Insgesamt jedenfalls stellt Giddens’ „Theory of Structuration“ ein recht kompliziertes Gebilde dar. Man hat es als „ideales Begriffsuniversum“ bezeichnet,287 welches eine weit gehende Gefolgschaft einfordert. Die Komplexität der Giddensschen Begriffswelt wirft die Frage auf, ob sie sich in empirischen Darstellungen von Gesellschaften oder gar in Fallstudien bewährt. Giddens behandelt die Technik nicht, sondern erwähnt sie nur

287 Vgl. Welskopp, Dualität, S. 117; Wehler, Kommentar, S. 360f., vertritt die Auffassung, dass Giddens für historische Arbeiten zu komplex sei.

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2. Theorien der Technikgeschichte

am Rande. Bislang kenne ich nur einen Versuch, Giddens’ Strukturierungstheorie für die Technikgeschichte fruchtbar zu machen, ein Aufsatz über soziale Konflikte zwischen Besitzern und Chauffeuren in der Anfangszeit des Automobils in den Vereinigten Staaten.288 Dabei vertritt der Verfasser die Auffassung, dass sich mit Giddens’ Strukturierungstheorie das Verhalten der Techniknutzer besser beschreiben lässt als mit dem Sozialkonstruktivismus. Vor allem rezipiert er Giddens’ Begrifflichkeit der das Handeln beeinflussenden strukturellen Regeln und Ressourcen. So suchten die Chauffeure aus der Kutschenzeit stammende Regeln beruflichen Verhaltens auf das Automobil zu übertragen: Sie unternahmen Ausfahrten ohne Wissen der Besitzer und steckten mit Garagen und Werkstätten ausgehandelte Kommissionen in die eigene Tasche. In den daraus entstehenden Konflikten aktivierten die Beteiligten unterschiedliche Ressourcen. Die Chauffeure setzten das Auto selbst als Ressource ein, konkreter ihre technischen Kompetenzen im Umgang mit dem Kraftfahrzeug; die Besitzer – letztlich mit dem besseren Ende für sich – die Ressource ihrer sozialen Position. Sie verlagerten die Wartungs- und Reparaturarbeiten in die Garagen und reduzierten damit ihre Abhängigkeit von den Chauffeuren. Das technikhistorische Fallbeispiel der um das Auto entstehenden Konflikte ist zweifellos instruktiv. Allerdings lässt sich nicht übersehen, dass der Verfasser einen sehr simplifizierenden und eklektischen Gebrauch von Giddens macht. Übernommen wird eigentlich nur die Unterscheidung zwischen Handlung und Struktur und bei den Strukturen die zwischen Regeln und Ressourcen. Zudem wird die ambivalente Rolle der Strukturen betont: Sie eröffnen Handlungsmöglichkeiten, schränken sie aber auch ein. Eine Brücke von der Fallstudie zur Technik in der amerikanischen Gesellschaft schlägt der Verfasser nicht – obwohl Giddens’ Strukturierungstheorie eigentlich Gesellschaft erklären möchte. Es bleibt also die Frage, wie aus technischen Einzelhandlungen die Technik einer Gesellschaft entsteht. Andere Autoren schlagen hierfür das Konzept der „Emergenz“ vor.289 Dabei erwächst die technische Makroentwicklung aus dem Zusammenwirken der technischen Mikroentwicklungen. Von Emergenz spricht man, „wenn durch mikroskopische Wechselwirkung auf einer makroskopischen Ebene eine neue Qualität entsteht, die nicht aus den Eigenschaften der Komponenten herleitbar (kausal erklärbar, formal ableitbar) ist, die aber dennoch allein in der Wechselwirkung der Komponenten besteht“290 sowie – so eine spätere Hinzufügung – „den Randbedingungen ihrer Umgebung“291. In der hier gewählten Begrifflichkeit könnte man die Mikroentwicklungen als technische Handlungen übersetzen, die Randbedingungen als 288 289 290 291

Borg, The „Chauffeur Problem“. Vgl. Krohn/Küppers, Emergenz; Ropohl, Konstruktion. Krohn/Küppers, Emergenz, S. 389. Ropohl, Konstruktion, S. 40.

2.8 Vermittlungen zwischen Technik und Gesellschaft

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Strukturen. Das aus den Naturwissenschaften stammende Konzept ist allerdings bislang für die Sozial- und die Geschichtswissenschaften unzureichend ausgearbeitet. Für eine Techniktheorie ist es zu diffus; insbesondere sagt es wenig über die Entstehung von Mikroentwicklungen aus und über die Wechselwirkungen zwischen den Mikroentwicklungen und ihren Randbedingungen. Konkreter sind Ausarbeitungen der Struktur-Akteurs-Theorie, welche seit etwa 1990 am Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung unter Federführung von Volker Schneider292 entstanden sowie von mir selbst formuliert worden sind.293 Diese unabhängig voneinander und zunächst ohne Kenntnis- und Bezugnahme auf Giddens verfassten Arbeiten bezogen sich von vornherein auf die Technik. Während ich bei den Akteuren – klassische soziologische Differenzierungen aufgreifend – zwischen einer Mikro-, Mesound Makroebene des technischen Handelns unterschieden habe, konzentrierten sich die Kölner weitgehend auf die Mesoebene der gesellschaftlichen Institutionen. Hinsichtlich der Strukturen finden sich zwar unterschiedliche Terminologien, aber starke inhaltliche Überschneidungen. So zählt Schneider folgende „Dimensionen der Handlungsbedingungen“ auf: (1) physisch-technische Rahmenbedingungen, (2) politisch-institutionelle Strukturvorgaben, darunter auch rechtliche Regelungen, (3) ökonomische Bedingungen und (4) die kognitive und kulturelle Ebene.294 Bei mir wurden als relevante Strukturen genannt: (1) der Stand des technischen Wissens und Könnens, (2) Macht und Herrschaft, (3) die ökonomischen Tauschbeziehungen, d.h. der Markt, und (4) Mentalitäten, Leitbilder oder Wertsysteme.295 Im Folgenden möchte ich beispielhaft das von mir entwickelte StrukturAkteurs-Modell genauer erläutern. Auf der Mikroebene sind vor allem Individuen angesiedelt: Erfinder, Ingenieure, Unternehmer, Politiker usw. Gerade in der Entstehungsphase von Techniken, aber auch später, werden wichtige Weichenstellungen noch von einzelnen Personen vorgenommen. Die Bedeutung ihres Einflusses lässt sich mit Hilfe der kontrafaktischen Frage reflektieren, welchen Weg die Entwicklung ohne sie genommen hätte. Auf der Mesoebene befinden sich die an der Technikentwicklung beteiligten verfassten Organisationen: Unternehmen, Vereine und Verbände, Bildungseinrichtungen, Behörden usw.296 Die Makroebene besteht aus gesellschaftlichen

292 Schneider, Technikentwicklung; Schneider/Mayntz, Akteurzentrierter Institutionalismus; Abel, Von der Vision; vgl. auch Dolata, Unternehmen Technik, S. 84ff. 293 König, Technik, S. 257ff.; als Anwendung auf ein Fallbeispiel: König, Railways. 294 Nach Schneider, Technikentwicklung, S. 31–33; in den einzelnen Publikationen kommt es zu Variationen bei den Formulierungen: vgl. Schneider, Technikentwicklung, S. 187f.; Schneider/Mayntz, Akteurzentrierter Institutionalismus, S. 113; Abel, Von der Vision, S. 35f. 295 König, Technik, S. 259. 296 Vgl. Ropohl, Systemtheorie, S. 252ff.

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2. Theorien der Technikgeschichte

Gliederungen wie Schichten und Klassen, politisch-weltanschaulichen Strömungen, Berufsgruppen, Herstellern und Verbrauchern, der Regierung, der Rechtsprechung usw. Die Akteure und Akteursebenen lassen sich – dies bietet sich für eine allgemeine Techniktheorie an – analytisch trennen. Für Fallstudien kann man sie aber auch – wie bereits vorgeschlagen –297 zu Netzwerken zusammenfassen. Das Akteursmodell lässt sich also mit einem Netzwerkmodell kombinieren.298 Die Akteure agieren nun nicht im luftleeren Raum, sondern in mehr oder weniger fest gefügten Strukturen. Diese sind im historischen Prozess unter anderem durch das Handeln anderer Akteure in der Vergangenheit entstanden. Für die Technik besitzen die vier oben aufgeführten Strukturen besondere Bedeutung. Der Stand des technischen Wissens und Könnens eröffnet gewissermaßen einen Möglichkeitsraum für technische Innovationen. In der Technik ist zwar immer Unterschiedliches und Vielfältiges möglich, aber nicht alles.299 Inkrementelle Innovationen schließen unmittelbar an den Stand des technischen Wissens und Könnens an; radikale Innovationen entfernen sich mehr von ihm, können ihn aber nicht außer Acht lassen.300 Die mit der Metapher „Markt“ zusammengefasste Gesamtheit der ökonomischen Tauschbeziehungen hängt von Angebot und Nachfrage ab. Angebot und Nachfrage wiederum werden wesentlich durch Kosten, Preise und Einkommen beeinflusst, die sich nicht zuletzt auch aufgrund der technischen Entwicklung gebildet haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem „freien Markt“ der klassischen Schule der Nationalökonomie um ein kontrafaktisches Konstrukt handelt. Marktbeziehungen stellen immer auch Machtbeziehungen dar, wobei die einzelnen Akteure z.B. über einen unterschiedlichen Informationsstand verfügen. Allerdings schütten manche Techniksoziologen das Kind mit dem Bade aus, wenn sie das Ökonomische als reines Machtspiel begreifen. „Macht und Herrschaft“ bedeutet nicht nur wirtschaftliche Macht, sondern auch politische, militärische und soziale. Technikentwicklung hängt mit politischen Strukturen, mit der militärischen Rüstung und mit sozialen Gegebenheiten zusammen, wie den Beziehungen zwischen den Geschlechtern. So können totalitäre Systeme und großtechnische zentrale Lösungen sich wechselseitig stützen. Militärische Entwicklungen wie die Atombombe können den Weg der zivilen Nutzung der Kernenergie beeinflussen. Und die Geschlechterbeziehungen können sich in unterschiedlichen Fahrradkonstruktionen niederschlagen. „Mentalitäten, Leitbilder oder Wertsysteme“ besitzen einen wesentlichen, wenn auch im Einzelnen schwer bestimmbaren Einfluss auf die Technikent297 298 299 300

Vgl. Weyer, System; Weyer, Akteursstrategien; Jansen, Innovation. S. o. S. 92. Vgl. o. S. 71ff. S. o. S. 63f.

2.8 Vermittlungen zwischen Technik und Gesellschaft

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wicklung. Hierzu zählen die allgemeinen sowie die speziellen Einstellungen gegenüber der Technik. Die Menschen bestimmen ihre Haltung gegenüber der Technik und gegenüber technischen Neuerungen in einem Koordinatensystem von Optimismus und Pessimismus, Fortschrittsglauben und Katastrophenfurcht, Verschwendungssucht und Sparsamkeitsstreben. Der Umgang mit Technik berührt komplexe Wertsysteme, welche aus Vorstellungen über das gute Leben und eine gute Gesellschaft erwachsen. Bei den angeführten Strukturen und Akteursebenen handelt es sich um analytische Konstrukte, welche einerseits nicht überschneidungsfrei sind, zwischen denen andererseits intensive Wechselbeziehungen existieren. Man kann sie als explanatorische Minima begreifen, d.h. die Technikforschung muss mindestens sie berücksichtigen, wenn sie den Anspruch auf ganzheitliche Darstellung der Technikentwicklung erhebt. Die Strukturen und Akteursebenen sind mit Blick auf moderne Industrie- und Konsumgesellschaften entwickelt. Es wäre zu prüfen, ob und mit welchen Modifikationen sie auch für frühere Zeiten zu gebrauchen sind. Darüber hinaus sind sie fallweise zu kombinieren und zu gewichten; sie stellen also kein simples Anwendungsschema dar. Die Strukturen stehen mehr für die anonymen Kräfte in der Geschichte, für das passive Geschehen, die Akteure für das aktive Handeln. Damit ist ein wichtiges Kriterium für die nicht immer eindeutige Zuordnung der historischen Kräfte zu den Akteuren bzw. den Strukturen genannt. So wäre das Recht, verstanden als jeweiliges Rechtssystem, den Strukturen zuzuordnen, verstanden als Rechtsprechung aber den Akteuren. In der Regel wird man die Strukturen mehr als beharrende Kräfte des historischen Geschehens behandeln, die Aktionen mehr als dynamische. Dessen ungeachtet besitzt die Geschichtsschreibung die Möglichkeit, auf einer hohen Generalisierungsebene historische Veränderungen als Strukturverschiebungen und Strukturwandel zu beschreiben, ohne auf die Akteure im Einzelnen einzugehen. Meist werden die Historiker jedoch Geschichte als Zusammenwirken von Strukturen und Akteuren darstellen. Wie lassen sich nun die auf den drei Ebenen handelnden Akteure und die vier Strukturen zusammenbringen. Die Akteure handeln zunächst innerhalb der gegebenen Strukturen. In der Terminologie Giddens’: Sie folgen den bestehenden Regeln und nutzen die vorgefundenen Ressourcen. Handlungen gehen also aus den Strukturen hervor, die Strukturen ermöglichen Handlungen. Gleichzeitig restringieren die Strukturen jedoch auch das Handeln und werden von den Handelnden als Einschränkungen empfunden. In solchen Fällen können die Handelnden danach trachten, die Strukturen zu verändern. Die Handlungen können die bestehenden Strukturen also sowohl destabilisieren wie stabilisieren. Zumindest auf lange Sicht werden die Handlungen jedoch selbst in den Fällen, in denen die Strukturen nicht als lästige Hemmnisse empfunden werden, zu Strukturänderungen führen, weil be-

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2. Theorien der Technikgeschichte

stimmte Handlungsmöglichkeiten gegenüber anderen präferiert werden und es damit zu Umgewichtungen innerhalb der Strukturen kommt. Struktur-Akteurs-Theorien beziehen die Mikro-, Meso- und Makroebene des technischen Handelns mit ein. Außerdem sind sie weltanschaulich relativ neutral, d.h. sie sind nicht von vornherein an wertende Interpretationen des historischen Prozesses gekoppelt. Dies sieht bei Konzepten wie „Fortschritt und Modernisierung“ sowie „Evolution und Revolution“, um die es im Folgenden geht, anders aus. Sie sind mehr auf der Struktur- als auf der Handlungsebene angesiedelt und sie wurzeln teilweise in metaphysischen Geschichtsinterpretationen.

2.9 FORTSCHRITT UND MODERNISIERUNG „Fortschritt“ könnte im Sinne von „Fortschreiten“ einfach die Bewegung von einem Ort zum anderen bezeichnen, ist aber tatsächlich seit Jahrhunderten normativ besetzt: als Entwicklung von einem schlechteren zu einem besseren Zustand.301 Letzten Endes wurzelt die Fortschrittsidee im Christentum, wo sie als Bekehrung und Erlösung konkretisiert wurde. Im Prozess der „Neuzeit“ wurde der Fortschrittsgedanke – insbesondere durch Aufklärung und Rationalismus – säkularisiert. „Fortschritt“ bezog sich jetzt unter anderem auf die Vermehrung der menschlichen Handlungsmöglichkeiten gegenüber der Natur. Als zentrale Instrumente hierfür galten Wissenschaft und Technik; der Fortschrittsbegriff wurde also an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt gekoppelt. Dies verband sich mit der Erwartung, dass ein derart verstandener Fortschritt quasi automatisch auch eine moralische Höherentwicklung der Menschheit bewirken werde. Der säkularisierte Fortschrittsbegriff wurde naheliegenderweise von religiöser Seite aus kritisiert. Davon unabhängig konnte er von einem idealistischen Standpunkt aus als zu materialistisch abgelehnt werden. Eine breitere Basis gewann die Fortschrittskritik jedoch erst im Laufe des 20. Jahrhunderts aufgrund von Erfahrungen mit den negativen Folgen der technischen Entwicklung. Hierzu gehörte die Anwendung des immensen waffentechnischen Vernichtungspotenzials in den beiden Weltkriegen und in zahlreichen anderen kriegerischen Auseinandersetzungen. Hierzu gehörte die Massenarbeitslosigkeit während der Weltwirtschaftskrise, welche teilweise der technischen Rationalisierung zugeschrieben wurde. Und hierzu gehörte die seit den 1970er Jahren zu Tage tretende ökologische Krise. Als Reaktion auf die genannten Krisen ächtete die gesellschaftliche Intelligenz – weniger die breite Bevölkerung – den Begriff „technischer Fort-

301 Vgl. Koselleck, Art. „Fortschritt“; Rohbeck, Fortschrittstheorie; Irrgang, Technischer Fortschritt.

2.9 Fortschritt und Modernisierung

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schritt“. In der Wissenschaft – auch in der Technikgeschichte – wurde er durch den unbelasteten, aber gleichzeitig wenig aussagekräftigen Begriff „technischer Wandel“ ersetzt.302 Theoretisch mag man darin einen Vorteil sehen. Dessen ungeachtet bleibt die Frage, ob es nicht-normative Elemente des „technischen Fortschritts“ gibt. Hierunter könnte man die ständige Mehrung und Akkumulation technischen Wissens und Könnens zählen, welche mit einer Vermehrung der menschlichen Handlungsoptionen einhergeht. Und es bleibt die Frage, welche anderen Konzepte stattdessen für die Interpretation der technischen Entwicklung in menschheitsgeschichtlicher Perspektive zur Verfügung stehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg traten Konzepte wie „Moderne“ bzw. „Modernisierung“ teilweise das Erbe der Fortschrittsidee an. „Modernisierung“ bezeichnete in allgemeinster Weise die Transformation traditionaler in moderne Gesellschaften.303 Dabei griffen einzelne Autoren bei der Identifizierung der Anfänge bis ins Mittelalter zurück, die meisten verwiesen auf die zwei Jahrhunderte seit der Französischen Revolution und der Industriellen Revolution. In den 1950er und 1960er Jahren entnahmen angloamerikanische Sozialwissenschaftler ihre Modernisierungskriterien den existierenden westlichen Gesellschaften – insbesondere den USA – und grenzten sich damit von den totalitären Regimes der Zwischenkriegszeit und der Sowjetunion ab. Im Zentrum stand – vertreten durch die Modernisierungskriterien „Demokratisierung“ und „Industrialisierung“ – das politische und das Wirtschaftssystem. Damit empfahlen die frühen Modernisierungstheoretiker die westlichen Gesellschaften als Modell für die Transformation autoritärer Regimes und als Vorbild für die unterentwickelten Länder der Dritten Welt. Seit den 1970er und 1980er Jahren erfuhr dieses einfache Schema eine markante Revision. Insbesondere das amerikanische Gesellschaftsmodell hatte an Attraktivität verloren. Die Industrialisierung prägte die Gesellschaften nicht mehr in gleichem Umfang wie früher. Und die Ambivalenzen der Modernisierung traten mehr und mehr ins Bewusstsein. Das Ergebnis bestand darin, dass abstraktere Begriffe wie „Rationalisierung“ und „Differenzierung“ Eingang in die Modernisierungsmodelle fanden. Zudem propagierte eine Reihe von Wissenschaftlern eine „reflexive Modernisierung“, suchte also einerseits die Tradition der Aufklärung und des Rationalismus zu bewahren, andererseits aber auch Fehlentwicklungen zu markieren und deren Korrektur anzumahnen.304

302 Vgl. hierzu Huisinga, Theorien, S. 18ff. 303 Vgl. zur „Modernisierung“: Lepsius, Soziologische Theoreme; Berger, Modernitätsbegriffe; Loo/ Reijen, Modernisierung; Zapf, Modernisierung; Schildt, Moderne Zeiten, S. 22–29; Immerfall, Sozialer Wandel; Degele/Dries, Modernisierungstheorie; Wehling, Moderne; Wehler, Modernisierungstheorie; Mergel, Geht es weiterhin voran? 304 Vgl. Beck/Giddens/Lash, Reflexive Modernisierung.

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2. Theorien der Technikgeschichte

Als Beispiel für die Abstrahierungen und die ambivalenten Differenzierungen des Modernisierungsansatzes soll die Ausarbeitung der beiden holländischen Soziologen Hans van der Loo und Willem van Reijen dienen.305 Die beiden Autoren führten als vier Dimensionen der Modernisierung an: „Differenzierung“, „Individualisierung“, „Rationalisierung“ und „Domestizierung“ und charakterisierten sie als Paradoxien. „Differenzierung“ meinte die zunehmende Aufgliederung, gleichzeitig aber auch intensivierte Verflechtung der Gesellschaft. „Individualisierung“ kennzeichnete die Befreiung des Einzelnen aus traditionellen gesellschaftlichen Zwängen, welche aber mit einer wachsenden Abhängigkeit von anonymen Apparaten einhergehe. „Rationalisierung“ bezog sich auf die kognitive spezialistische Durchdringung der Welt, welche aber mit kulturellen Verlusten verbunden sei. „Domestizierung“ hieß eine weitgehendere Beherrschung der Natur, begleitet aber von einer zunehmenden Abhängigkeit von Technik. Technik fand in dem Schema also vor allem im Kontext von „Rationalisierung“ und „Domestizierung“ eine Behandlung. Es dürfte deutlich geworden sein, dass die Modernisierungsdiskussion Elemente des westlichen Fortschrittsdiskurses aufgriff. In einer frühen Phase wurde sie mehr vom Fortschrittsglauben bestimmt, in einer späten Phase mehr von Fortschrittskritik. Die normative Verschiebung indiziert, in welch großem Umfang der jeweilige Zeitgeist die Modernisierungstheorien bestimmte. Die normativen Implikationen beiseite gelassen, stellt sich die grundsätzliche Frage, ob sich ein absoluter, zeitinvarianter Begriff von „Moderne“, wie es die Modernisierungstheorie suggeriert, überhaupt begründen lässt. Zu den zeitinvarianten Interpretationen der „Moderne“ in den Modernisierungstheorien gibt es Alternativen. „Moderne“ ließe sich als die jeweilige Gegenwart begreifen und „Modernisierung“ als die jeweilige Vorgeschichte dieser Moderne. „Moderne“ und „Modernisierung“ würden damit relativiert und wären historisch immer wieder neu zu bestimmen.306 Der für eine solch radikale Historisierung der „Moderne“ zu entrichtende Preis besteht darin, dass „Moderne“ ein unbestimmter Begriff würde. Anders ausgedrückt: Das Charakteristikum der „Moderne“ bestünde darin, dass sie morgen notwendigerweise unmodern wäre. Aus dem dadurch entstehenden Dilemma ließe sich auch die Folgerung ableiten, in geschichtswissenschaftlichen Arbeiten ganz auf den Begriff der „Moderne“ zu verzichten. Die historiographische Aufgabe würde dann umformuliert als Rekonstruktion der durch die jeweiligen Epochen bewirkten Veränderungen sowie ihrer Vor- und Nachgeschichte.

305 Loo/Reijen, Modernisierung. 306 Tendenziell in diese Richtung argumentieren Luhmann, Moderne, S. 89; Sieferle, Rückblick, S. 160–62; Eisenstein, Druckerpresse, S. 231f.

2.10 Revolution und Evolution

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2.10 REVOLUTION UND EVOLUTION Mit dem Begriff der „Modernisierung“ bezeichneten Sozialwissenschaftler einen grundlegenden gesellschaftlichen Transformationsprozess. In der Geschichtswissenschaft wird hierfür häufig der Begriff der „Revolution“ verwendet. „Revolution“ steht für einen tiefgreifenden Umbruch, der Gegenbegriff „Evolution“ für langsame Veränderungen. Schwierigkeiten mit dem Begriff „Revolution“ rühren nicht zuletzt daher, dass sich dessen Bedeutung und Bewertung in den vergangenen Jahrhunderten mehrfach verändert hat.307 Im Laufe des 18. Jahrhunderts erfuhr „Revolution“ durch die Aufklärung und schließlich aufgrund der Erfahrung der Französischen Revolution eine markante Uminterpretation: von einer zyklischen oder einen Wandel nach rückwärts, zu Altem, Bewährtem, kennzeichnenden Bedeutung zu einem Wandel nach vorwärts, zu Neuem, bislang nicht Dagewesenem. Dabei konnte die Französische Revolution als plötzlicher politischer Machtwechsel verstanden werden, aber auch als Höhepunkt einer sich über einen längeren Zeitraum abspielenden Umwälzung der gesamten Gesellschaft. Die semantische Erweiterung des Revolutionsbegriffs zur Epoche wurde unterstützt durch die sich seit den 1820er Jahren verbreitende Bezeichnung der wirtschaftlichen Veränderungen in England als „Industrielle Revolution“. Zunächst konnotierte das aufstrebende Bürgertum den Begriff „Revolution“ positiv und verband ihn mit dem Fortschrittdenken. Als ihn der Marxismus und die Arbeiterbewegung im Laufe des 19. Jahrhunderts usurpierten, wertete ihn das Bürgertum negativ um. In der historischen Wissenschaft etablierten sich mit der Zeit zwei Revolutionsbegriffe: Jener der Politik- und Ereignisgeschichte markierte eine plötzliche, gewaltsame Umwälzung. Der strukturgeschichtliche Revolutionsbegriff indizierte dagegen in längeren Zeiträumen stattfindende tiefgreifende Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft, Technik und Wissenschaft. Aber auch in strukturgeschichtlicher Perspektive wird zwischen „Revolutionen“ größerer und solchen geringerer Bedeutung unterschieden. Auf der obersten Hierarchieebene werden häufig die „Neolithische Revolution“ und die „(Große) Industrielle Revolution“ angesiedelt – manchmal verbunden mit Überlegungen, dass unsere Gegenwart auch eine Umbruchzeit ähnlicher Bedeutung darstelle, welche wir nur noch nicht angemessen erfassen könnten.308 Weite Verbreitung besitzen solche Überlegungen in geschichtsphilosophischen Arbeiten. Spezialisierten Historikern bereitet es dagegen größere

307 Vgl. Art. „Revolution, Rebellion, Aufruhr, Bürgerkrieg.“ In: Otto Brunner, Werner Conze u. Reinhard Koselleck (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 5, Stuttgart 1984, S. 653–788; Cohen, Revolution; König, Umbrüche. 308 Vgl. König, Menschheitsgeschichte.

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2. Theorien der Technikgeschichte

Probleme, Zeiträume beträchtlicher Dauer, welche eine große Binnendifferenzierung aufweisen, als „Revolutionen“ zu bezeichnen. Mit seinem 1936 erschienenen Werk „Man Makes Himself“ stellte der Archäologe Vere Gordon Childe (1892–1957) der „Industriellen Revolution“ als einer zentralen menschheitsgeschichtlichen Veränderung mit der „Neolithischen Revolution“ eine weitere zur Seite. Damit rückte der Revolutionsbegriff in neue zeitliche Größenordnungen, bezog er sich doch – je nach der betrachteten Region – auf einen mehrere Jahrtausende währenden Prozess. Heute wird die „Neolithische Revolution“ nicht mehr wie früher „archäologisch“, das heißt nach bestimmten Funden, definiert, sondern „ökonomisch“, als durch Haustierhaltung und Anbau von Kulturpflanzen gekennzeichnete produktive Wirtschaftsform der Sesshaften. Die Sesshaftigkeit stand mit technischen Entwicklungen in enger Wechselbeziehung. Hierzu gehörte die Verwendung des Pfluges zur Feldbearbeitung, die Herstellung von Geweben aus verbesserten Faserpflanzen und Wollqualitäten, die Fertigung von Tongefäßen auf der Töpferscheibe, die Verhüttung von Erzen, der Stein- und Ziegelbau sowie die Verwendung des Wagens. „Industrielle Revolution“ steht nicht nur für technische und industrielle Veränderungen, sondern für einen alle Lebensbereiche erfassenden gesamtgesellschaftlichen Umwälzungsprozess.309 In allgemeinster Weise kann man ihn als eine vorher unbekannte Dynamisierung der Gesellschaft begreifen. Hierzu gehören das Bevölkerungs- und das Wirtschaftswachstum sowie die Verstädterung. Eine Agrargesellschaft verwandelte sich in eine Industriegesellschaft. Fabriken als zentralisierte, arbeitsteilig organisierte und mit einem Ensemble von Kraft- und Arbeitsmaschinen ausgerüstete Produktionsstätten lösten die Heimarbeit als dominierende Produktionsform ab. Handarbeit wurde zunehmend durch Maschinenarbeit ersetzt. Die Nutzung fossiler Energien, vor allem der Steinkohle, trat an die Stelle der Nutzung regenerativer Energien, wie des Holzes und der Wasserkraft. Befinden wir uns heute in einer ähnlich revolutionären Umbruchphase wie vorstehend skizziert? Ein Indiz hierfür ist die Suche nach einem neuen Begriff zur Kennzeichnung der Jetztzeit. Die Vielzahl und die Verschiedenheit der unterbreiteten Vorschläge weist jedoch gleichzeitig auf Schwierigkeiten der Zeitgenossen hin, die eigene Zeit angemessen zu interpretieren. Zu den vorgeschlagenen Begriffen gehören „Dienstleistungsgesellschaft“, „Informationsgesellschaft“, „Wissensgesellschaft“ „Netzwerkgesellschaft“, „Konsumgesellschaft“, „Überflussgesellschaft“, „Freizeitgesellschaft“, „Erlebnisgesellschaft“, „Risikogesellschaft“, „Postmoderne“, „Zweite Moderne“ und anderes mehr. Klar ist jedenfalls, dass die Industrie ihre Dominanz verlo309 Vgl. zur Diskussion um den revolutionären Charakter der Veränderungen: Paulinyi, Revolution; Pirker/Müller/Winkelmann, Technik; Wengenroth, Igel; Wengenroth, Revolution; Condran, Industrialisierung; sowie die in den genannten Titeln angegebene weitere Literatur.

2.10 Revolution und Evolution

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ren hat. Wohlstand und Konsum bestimmen in den weitest entwickelten Ländern den Alltag, haben aber auch neuartige globale Umweltprobleme verursacht. Überhaupt ist die Welt durch „Globalisierung“ kleiner geworden. Lokales und Individuelles steht mit Globalem in einem Spannungsverhältnis. Die Schriftlichkeit verliert an Bedeutung zugunsten der Mündlichkeit und Bildlichkeit. Unterhalb der Ebene der drei großen menschheitsgeschichtlichen Umbruchzeiten sind zahlreiche weitere „Revolutionen“ identifiziert worden. Eine Reihe von ihnen wird als „Industrielle Revolutionen“ bezeichnet und damit in unmittelbaren Zusammenhang mit der „Großen“ Industriellen Revolution um 1800 gebracht. So gehen manche Autoren bei der Benennung weiterer „Industrieller Revolutionen“ bis ins Mittelalter zurück.310 Andere Bezeichnungen visieren spätere Veränderungen im 19. und im 20. Jahrhundert an. Allerdings herrscht hierbei, was die Hervorhebung als „Industrielle Revolutionen“ und deren Zählung anbelangt, weitgehende Konfusion. Der Eindruck drängt sich auf, dass das Etikett „Revolution“ zahlreichen Zeiten und neuen Gebieten der Technik angeklebt wurde, ohne viel über den Begriff und die gesellschaftlichen Kontexte nachzudenken. Systematischer geht dagegen Joseph Schumpeter vor, der Begründer der Innovationstheorie311. Schumpeter bringt nämlich seine wirtschaftlichen Konjunkturzyklen mit technisch-industriellen Veränderungen zusammen – wobei er allerdings den Revolutionsbegriff als „umgangssprachlich“ ablehnt.312 So verweist er beim ersten Zyklus – dem der Großen Industriellen Revolution – auf die Textiltechnik sowie auf Kohle und Eisen, beim zweiten auf die Eisenbahn, auf den Stahl und die Dampftechnik und beim dritten auf die Elektrotechnik, die Chemie und das Automobil. Die Technik spielt sowohl in den menschheits- wie in den industriegeschichtlichen Revolutionen eine wichtige – und angemessene – Rolle. Natürlich ist es auch möglich, von den Kontexten der Technik zu abstrahieren und nach revolutionären Veränderungen des Sachsystems selbst zu fragen.313 Dies muss jedoch weiter gehen als die dauernd in den Medien stattfindende Vermarktung technischer Innovationen als „revolutionär“. Ein Beispiel eines technikbezogenen weiterführenden Ansatzes stellt Akos Paulinyis Analyse des Übergangs von der Handwerkzeugtechnik zur Maschinenwerkzeugtechnik dar.314 Der Begriff der „Evolution“ ist teilweise als Gegenbegriff zur „Revolution“ ins Spiel gebracht worden. In der Technikgeschichtsschreibung charakterisierte er die technische Entwicklung als inkrementellen Prozess, in dem 310 311 312 313 314

Vgl. hierzu die Aufzählung bei Paulinyi, Industrielle Revolution, S. 13. S. o. S. 60f. Schumpeter, Konjunkturzyklen, bes. S. 264–66. Vgl. Buchhaupt/Benad-Wagenhoff/Haas, Gibt es Revolutionen. Paulinyi, Revolution.

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2. Theorien der Technikgeschichte

das Neue an das Alte anknüpfte und nur wenig darüber hinausging.315 Das Innovationsgeschehen wurde als kleinschrittiges Vorgehen nach der Methode von Versuch und Irrtum beschrieben, bei dem sich Erfolge und Misserfolge abwechselten.316 In den Wirtschaftswissenschaften bedeutete der Rückgriff auf den Evolutionsbegriff eine Distanzierung von den universellen Gleichgewichtsmodellen der klassischen ökonomischen Theorie.317 Er erlaubte es, wirtschaftlichen Wandel aus dem Handeln der Unternehmen unter Einbeziehung der Technik zu erklären. Die technik- und wirtschaftsgeschichtlichen „evolutionären“ Ansätze stellten implizit oder explizit einen Zusammenhang mit der biologischen Evolutionstheorie her. Dies geschah in einer Zeit, als die biologische Evolutionstheorie als Beschreibungsschema Eingang in zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen fand.318 Ihre Attraktivität ergab sich vor allem aus der Indeterminiertheit der biologischen Prozesse, was in dem Phänomen der historischen Kontingenz eine Entsprechung zu haben schien. Die biologische Evolutionstheorie erschien als vielversprechender Kandidat, um in der Geschichte aus den exakten Naturwissenschaften stammende kausale und mechanistische Vorstellungen abzulösen. Allerdings wurde meist nur ein extrem reduziertes Evolutionsschema rezipiert. Dieses bestand einerseits aus den zur Variation von Individuen führenden genetischen Mutationen und andererseits aus den sich anschließenden Selektionsprozessen. Die zahlreichen theoretischen Probleme der biologischen Evolutionstheorie, wie das Zusammenspiel der inneren Anlagen des Organismus mit den Umweltbedingungen, der Stellenwert der räumlichen Trennung der Individuen oder das Problem der Evolutionssprünge, wurden ignoriert. Allerdings stellt sich auch bei dem verwendeten simplen Evolutionsschema von Variation und Selektion die Frage, ob und wie weit die Analogie zwischen technischer und biologischer Evolution trägt.319 So bezieht sich die biologische Evolutionstheorie auf passives zufälliges Geschehen, die technische zumindest teilweise auf intentionales Handeln.320 Variation und Selektion sind bei der Technik im Gegensatz zur Biologie nur schwer voneinander zu trennen, sie gehen vielmehr ineinander über.321 Biologische Variationen 315 Vgl. Basalla, Evolution. 316 Vgl. o. S. 62–64. 317 Vgl. hierzu Boulding, Evolutionary Economics; Nelson/Winter, An Evolutionary Theory; Dosi, Technological Paradigms; reiches Material enthalten die vom Verein für Socialpolitik seit 1990 hrsg. Schriften zur Evolutorischen Ökonomik; Überblicke: Biervert/Held, Evolutorische Ökonomik; Hodgson, Evolution; und zur Anwendung im Rahmen der Technikgeschichte: Belt/Rip, The Nelson-Winter-Dosi Model; Schot, Usefulness. 318 Vgl. Poser, Zufall; Poser, Wissenschaftstheorie, S. 270ff. 319 Vgl. Mokyr, Evolution; Schneider, Institutionelle Innovation. 320 Ropohl, Allgemeine Technologie, S. 252; Poser, Zufall, S. 251. 321 Weyer, Technik, S. 29; Belt/Rip, The Nelson-Winter-Dosi Model, S. 141.

2.10 Revolution und Evolution

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sind immer klein, in der Technik gibt es inkrementelle, aber auch radikale Innovationen. In der Biologie wird das Erbgut nur vertikal von Generation zu Generation weitergegeben, in der Technik dagegen auch horizontal durch Transfer.322 In der Biologie setzt die Selektion am Individuum an, in der Technik an dem Sachsystem in seiner Gesamtheit – wenn man so will: an der Art. Die Unterschiede zwischen biologischer und technischer Evolution sind also gravierend. Es lässt sich mit gutem Recht fragen, ob die Analogie zwischen beiden überhaupt Sinn macht. Wäre es nicht von vornherein besser, nach einer gegenstandsadäquaten Theorie der technischen Entwicklung zu suchen. Für diese könnte dann auf das Wort „Evolution“ verzichtet werden, weil es bereits zu sehr mit der biologischen Theorie assoziiert ist. „Revolution“ und „Evolution“ sind hier in einem Kapitel zusammengebracht worden, weil sie in der Forschungsdiskussion meist als konträre Konzepte behandelt werden. Das gleiche gilt für die Begriffe „Kontinuität“ und „Diskontinuität“.323 Diese in der Geschichtswissenschaft etablierten Begrifflichkeiten sind allerdings alles andere als theoretisch reflektiert. Geschichte stellt eigentlich immer ein kontinuierliches, zusammenhängendes Geschehen dar, in dem sich das Gegenwärtige aus dem Vergangenen entwickelt und in Zukünftiges mündet. Eine Gegenwart ohne Vergangenheit und Zukunft ist schlechterdings nicht vorstellbar. „Kontinuität“ und „Diskontinuität“ kann sich also nur auf positive und negative Beschleunigungen des historischen Geschehens beziehen bzw. auf Verschiebungen zwischen historischen Traditionssträngen. Damit ist bereits der Ort genannt, wo die Redeweise von „Kontinuität“ und „Diskontinuität“ sowie von „Revolution“ und „Evolution“ (oder besser „Entwicklung“) fruchtbar gemacht werden kann: nämlich in einer Theorie historischer Zeiten.324 Die beiden Begriffspaare würden dann nicht entgegengesetzte Typen des historischen Geschehens benennen, sondern unterschiedliche relative Zeitverläufe: „Evolution“ und „Kontinuität“ Zeiten langsamen und kleinteiligen Wandels, „Revolution“ und „Diskontinuität“ Zeiten schneller und tiefgreifender Veränderung. Das damit gegebene Modell und die in ihm verwendeten Begriffe gehen von grundlegenden Unterschieden zwischen der physikalischen und der historischen Zeit aus. Die physikalische Zeit vollzieht sich in absoluter Gleichmäßigkeit, die historische Zeit prägen Beschleunigungen, Retardationen und eine Vielzahl von Geschwindigkeiten. Dennoch bezeichnen „Revolution“ und „Evolution“ das gleiche – nicht dasselbe – historische Geschehen.

322 Schneider, Institutionelle Innovation, S. 60. 323 Vgl. König, Umbrüche. 324 Vgl. Koselleck, Vergangene Zukunft.

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2. Theorien der Technikgeschichte

Die Identifizierung der Geschwindigkeit historischer Zeiten bildet eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die Bestimmung von Epochen, für die geschichtswissenschaftliche Periodisierung.325 Sie sagt nämlich noch nichts über die Zeitumstände aus, welche die Epochen charakterisieren. Beides zusammengenommen, die Zeitumstände und die Geschwindigkeit historischer Zeiten, ergibt hoch generalisierte Geschichtsinterpretationen, wie sie z.B. im Begriff der „Industriellen Revolution“ zum Ausdruck kommen. Ohne solche Interpretationen kommt die Geschichtswissenschaft nicht aus. Es stellt sich nur die Frage, ob sie in der historischen Narratio als Implikate verborgen bleiben oder ob sie durch eine theoretisch informierte Geschichtswissenschaft expliziert werden.

325 Vgl. König, Problem, und die dort angegebene Literatur.

3. DIE TECHNIK IM 19. UND 20. JAHRHUNDERT Die folgenden Kapitel vermitteln einen Überblick zu den Themen, Fragen und Antworten der Technikgeschichte für den Zeitraum von der Industriellen Revolution bis zur Gegenwart. Sie behandeln damit eine Zeit, in der sich die Technik besonders dynamisch entwickelte. Ausdrücklich sei betont, dass damit keinesfalls einer Einschränkung der Technikgeschichtsschreibung auf die vergangenen zwei bis drei Jahrhunderte das Wort geredet werden soll. In ihrer menschheitsgeschichtlichen Bedeutung lässt sich Technikgeschichte ohne die Jahrhunderte und Jahrtausende davor nicht erfassen. Die hier praktizierte Beschränkung auf das 19. und 20. Jahrhundert erfolgt vielmehr aus pragmatischen Erwägungen. Eine Einbeziehung weiter zurück liegender Zeiten hätte bei dem zur Verfügung stehenden Platz eine so hohe Generalisierung bedeutet, dass Forschungsfragen kaum noch hätten thematisiert werden können. Und damit wären Zusammenhänge zwischen den systematischen und den empirischen Teilen des Buches auf der Strecke geblieben. Allerdings können und sollen die empirischen Teile keine Anwendung der systematischen sein. Vielmehr beschreiben und vermessen sie ein Feld der Technikgeschichte, das mit unterschiedlichen Verfahren und Zielen beackert werden kann. Die dargebotene Kurzdarstellung der Technikgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert ist allerdings mit einigen Einschränkungen zu versehen. Genauer formuliert, handelt es sich um die technische Entwicklung der westlichen Welt. Noch genauer: Es finden nur wenige Industrieländer eine breitere Behandlung, nämlich zunächst Großbritannien und dann Deutschland und die USA. Diese Aspekthaftigkeit kann dadurch legitimiert werden, dass die in der westlichen Welt entwickelte Technik und teilweise die damit verbundenen Gesellschaftsstrukturen und Lebensformen globalen Leitbilder wurden. Und schließlich spiegelt die getroffene Länderauswahl die dominierenden Interessen der deutschen Geschichtswissenschaft wider. Ich breite vor allem Erträge der Forschung aus. Nur die wichtigsten Überblickswerke werden genannt sowie Beiträge, die zur Forschungsliteratur hinführen. Ebenso kann ich nur auf zentrale Forschungsdiskussionen und Forschungskontroversen eingehen. Das 19. und 20. Jahrhundert wird in zwei große historisch-systematische Teile gegliedert: „Industriegesellschaft“ und „Konsumgesellschaft“326. Der

326 Überblicke zur Geschichte der Konsumgesellschaft und Hinweise auf weiterführende Literatur bieten: König, Kleine Geschichte; Kleinschmidt, Konsumgesellschaft; Haupt/ Torp, Konsumgesellschaft.

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3. Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert

Begriff „Industriegesellschaft“ rückt die Produktion in den Mittelpunkt, der Begriff „Konsumgesellschaft“ die Konsumtion. „Produktion“ und „Konsumtion“ stehen in einem komplementären Verhältnis: ohne Produktion keine Konsumtion und ohne Konsumtion keine Produktion. Man kann nur etwas konsumieren, was die Produktion geschaffen hat. Und es wäre sinnlos, etwas zu produzieren, das anschließend keine Verwendung findet. Produktion und Konsumtion stehen in der Geschichte also immer nebeneinander. Mit den Begriffen „Industriegesellschaft“ und „Konsumgesellschaft“ wird die Dominanz des einen oder des anderen betont. „Industriegesellschaft“ bedeutet, dass sich die Industrieproduktion im Zentrum von Wirtschaft und Gesellschaft befindet und die Arbeit den Mittelpunkt des Lebens ausmacht. Die meisten Menschen sind gezwungen, sich um die Sicherung der Subsistenz und die Erfüllung der Grundbedürfnisse zu kümmern. Die „Konsumgesellschaft“ zeichnet sich dagegen dadurch aus, dass die Mehrheit der Bevölkerung an neuen „gehobenen“ Konsumformen teilhat und der Konsum herausragende kulturelle, soziale und ökonomische Bedeutung besitzt. In der Konsumgesellschaft wird der Konsument zur soziokulturellen Leitfigur; Konsumhandlungen sind für zentrale ökonomische Größen verantwortlich; Konsum dient der individuellen und sozialen Selbstentfaltung und Selbstdarstellung. Der Übergang von der Industrie- zur Konsumgesellschaft spielte sich in den einzelnen Nationen in längeren und in unterschiedlichen Zeiträumen ab. Für die USA kann man in der Zwischenkriegszeit von einer entwickelten Konsumgesellschaft sprechen, in der Bundesrepublik Deutschland erst in der Nachkriegszeit. Im Kontext der Technikgeschichte heißt dies, dass in der Industriegesellschaft die Motive und Anstöße für die technische Entwicklung mehr aus dem Produktionsapparat kamen, in der Konsumgesellschaft mehr von der Nachfrage nach Konsumgütern ausgingen. Die in der folgenden Gliederung vorgenommene Zuordnung der einzelnen Technikbereiche zur Industrie- oder Konsumgesellschaft trägt diesen Umständen Rechnung, ohne dass damit der Anspruch einer scharfen Trennung verbunden wäre.

3.1 TECHNIK IN DER INDUSTRIEGESELLSCHAFT 3.1.1 Die Industrielle Revolution in Großbritannien Die Stärken und Schwächen des Begriffs „Industrielle Revolution“ werden immer wieder neu diskutiert.327 Dessen ungeachtet hat sich der Begriff auf breiter Front durchgesetzt. Dabei besteht Übereinstimmung, dass die Indus-

327 S. o. S. 103f.; vgl. außerdem die konzeptionellen Überlegungen von Berg/Hudson, Rehabilitating; Wengenroth, Igel;

3.1 Technik in der Industriegesellschaft

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trielle Revolution einen tiefgreifenden Veränderungsprozess einleitete, der alle Bereiche von Gesellschaft, Wirtschaft und Technik erfasste.328 Je nach den angelegten Kriterien, kann man diesen Veränderungsprozess in Großbritannien zwischen 1760 und 1780 beginnen lassen und zwischen 1830 und 1850 einen gewissen Abschluss konstatieren. In diesem Zeitraum stieg das Sozialprodukts beträchtlich an, und zwar sowohl absolut als auch pro Kopf.329 Gemessen an unserer jüngeren Vergangenheit handelte es sich bei diesen quantitativen Veränderungen jedoch eher um einen langsamen Prozess als um eine plötzlichen Sprung. Den Begriff des Take-offs, des Abhebens, den der amerikanische Wirtschaftshistoriker Walt Rostow (1916–2003) für den Zeitraum zwischen 1783 und 1802 prägte, empfindet die neuere Forschung denn auch als unangemessen.330 Ebenso fand die Industrialisierung zunächst nur in einigen Kernregionen ab, in Mittelengland sowie im südlichen Schottland und im südlichen Wales. Es dauerte lange, bis sie den größten Teil der britischen Insel erfasste. Bei der Bewertung der Veränderungsprozesse muss berücksichtigt werden, dass sie sich aus einer weitgehend stationären Gesellschaft heraus entwickelten. Entsprechende quantitative Veränderungen hatten vorher Jahrhunderte benötigt. Die Zeitgenossen der Industriellen Revolution hatten jedenfalls das Gefühl, in einer sich beschleunigenden Zeit zu leben. Zu diesem Gefühl eines Umbruchs dürften auch die zeitliche Koinzidenz der industriellen Veränderungen mit den politischen Revolutionen, der amerikanischen Unabhängigkeit 1776 und der französischen Revolution 1789, beigetragen haben sowie die Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, wie sie sich im Aufstieg des Kapitalismus und des Bürgertums zeigten. Den sich in Großbritannien im Laufe eines knappen Jahrhunderts abspielenden sozioökonomischen Strukturwandel verdeutlichen die Anteile der in den verschiedenen volkswirtschaftlichen Sektoren Beschäftigten. Zwischen 1750 und 1840 ging der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten von etwa 50 auf 15 % zurück. Der Anteil der in Industrie, Bergbau und Gewerbe Tätigen stieg von etwa 25 auf 63 %. Im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts überholte der industriell-gewerbliche Sektor den landwirtschaftlichen. Zudem fand besonders nach 1830 eine Verschiebung zwischen Handwerk und Industrie statt. Großbritannien entwickelte sich also in einem Zeitraum von

328 Lesenswerte Gesamtdarstellungen: Ashton, The Industrial Revolution; Landes, Der entfesselte Prometheus; Berg, Age; Paulinyi, Industrielle Revolution; Floud/Roderick, Industrialisation. Allgemeine Forschungsüberblicke: Borchardt, Probleme; Mathias/Davies, The First Industrial Revolutions; Hudson, The Industrial Revolution; King/Timmins, Making Sense. 329 Zur Industriellen Revolution unter quantitativen wirtschaftlichen Gesichtspunkten: Mokyr, The British Industrial Revolution; dort auch ein umfangreicher Forschungsüberblick; Wrigley, Poverty. 330 Vgl. Rostow, Stadien.

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3. Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert

weniger als hundert Jahren von einer überwiegend agrarischen zu einer überwiegend industriell-gewerblichen Nation. Worin liegen die Ursachen der Industriellen Revolution in Großbritannien? Übereinstimmung besteht darin, dass alle monokausalen Erklärungen zu kurz greifen. Ein Beispiel hierfür ist die Max Weber zugeschriebene These des „protestantischen Geistes des Kapitalismus“.331 Sie unterstellt, Max Weber habe den asketischen Protestantismus als entscheidende Ursache des Kapitalismus namhaft gemacht. Damit werden allerdings Max Webers Intentionen missverstanden bzw. überspitzt. Weber ging es in seinen religionssoziologischen Arbeiten weniger um kausale Erklärungen als vielmehr um die Herausarbeitung von Strukturanalogien zwischen bestimmten Spielarten des Protestantismus sowie kapitalistischem wirtschaftlichem Denken. Die meisten Historiker der Industriellen Revolution verweisen an Stelle monokausaler Erklärungen auf ein Geflecht von Faktoren, die bei der britischen Industrialisierung eine Rolle spielten. Dabei muss vielfach offen bleiben, ob es sich bei den angeführten Faktoren in erster Linie um Ursachen oder um Folgen der industriellen Entwicklung handelt. Die Entwicklung der Faktoren überlappt sich zeitlich mit dem Prozess der Industrialisierung, ist also von der Industrialisierung nicht unabhängig. Zu den am häufigsten angeführten Industrialisierungsfaktoren zählen das Bevölkerungswachstum, die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion, die günstige Ressourcensituation, die Kolonien, die Verflechtung des Binnenmarkts, die politische und gesellschaftliche Stellung des kapitalistischen Adels und Bürgertums und schließlich die technischen Innovationen. Die Bevölkerung wuchs parallel zur Industrialisierung.332 Die Verdreifachung der britischen Bevölkerung innerhalb eines Jahrhunderts beruhte sowohl auf einer Steigerung der Geburtenrate als auch auf einem Rückgang der Sterberate. Die Sterberate sank vor allem aufgrund einer verbesserten Ernährung, wozu die neuen aus Amerika nach Europa gebrachten Feldfrüchte Kartoffeln und Mais einen wesentlichen Beitrag leisteten. Außerdem dämmten hygienische Maßnahmen Seuchen ein. Wegen des Bevölkerungswachstums herrschte während des Industrialisierungsprozesses kein Mangel an Arbeitskräften. Die Fabriken und andere Gewerbebetriebe rekrutierten ihre Arbeiter zudem aus der Landwirtschaft, dem Heimgewerbe und unter den irischen Einwanderern und zogen auch Frauen und Kinder zur Arbeit heran. Der Faktor Arbeit war also überreichlich vorhanden, was die Löhne niedrig hielt. Vor und während der Industriellen Revolution gelang es, die Produktion agrarischer Güter zu steigern.333 Die Bevölkerungsentwicklung wurde also 331 Vgl. Weber, Die protestantische Ethik. 332 Zur Bevölkerungsgeschichte: Wrigley, Poverty; Condran, Industrialisierung, S. 99ff. 333 Zur Landwirtschaft in der Industriellen Revolution: Overton, Agricultural Revolution (S. 211–22 ein ausführliches bibliographischen Essay); Wrigley, Poverty; Kopsidis, Agrarentwicklung, S. 205–76.

3.1 Technik in der Industriegesellschaft

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nicht wie in vorangegangenen Jahrhunderten durch Missernten und Hungersnöte gebremst. Zudem fragte die expandierende Landwirtschaft handwerkliche und industrielle Güter nach. Eine besondere Rolle bei der Steigerung der Agrarproduktion spielten die „Einhegungen“, die Zusammenlegung von Feldern zu größeren Einheiten. Gemeindeländereien, die vorher brach gelegen hatten, wurden unter den Pflug genommen oder für die Viehzucht genutzt. Das traditionelle „Open-field“-System wurde aufgelöst. Dabei handelte es sich um eine auf privaten Kleinparzellen betriebene Mehrfelderwirtschaft, wobei jeweils ein Teil der Ackerfläche bepflanzt wurde oder brach lag. Auf den durch Zusammenlegung entstandenen größeren Feldflächen ging man zu einer besseren Düngung und zur Fruchtwechselwirtschaft über, d.h. die Brache entfiel. Die Maßnahmen stärkten den Großgrundbesitz und zerstörten die alte auf Kooperation angelegte agrarische Gemeindeverfassung. Aus den Kleinbauern wurden Pächter oder Landarbeiter, oder sie wurden freigesetzt. Bei den ländlichen Besitzverhältnisse kann man folgende wichtige Gruppen unterscheiden: Adelige Großgrundbesitzer verpachteten Land an große und mittlere Unternehmer. Diese bemühten sich aus dem Land möglichst viel herauszuholen. Die genannten agrarischen Innovationen und die Steigerung der Produktion gingen in erster Linie auf ihr Konto. Die Agrarunternehmer beschäftigten zahlreiche Landarbeiter. Absolut wuchs zwar die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten, doch gab das Land darüber hinaus viele Beschäftigte an das Heimgewerbe und die Fabriken ab. Der britischen Landwirtschaft gelang es, nicht nur die steigende Bevölkerung zu ernähren, sondern auch landwirtschaftliche Überschüsse zu exportieren. Im 17. und 18. Jahrhundert hatte Großbritannien – zusammen mit den Niederlanden – eine Führungsposition in der Agrartechnik inne. Wenig ist bislang allerdings zur Verbreitung agrartechnischer Innovationen bekannt, um die sich zahlreiche landwirtschaftliche Gesellschaften bemühten. Pflüge wurden mehr und mehr aus Eisen gebaut. Manche besaßen zum Beispiel ein mit der Pflugschar verschraubtes geschmiedetes Streichblech. Mit der Zeit setzten sich leichtere Pflüge durch. Sämaschinen sollten Einsparungen beim Saatgut erbringen. Die Ausgabe des Saatguts wurde mit dem Pflügen gekoppelt. Seit Ende des 18. Jahrhunderts beschickten Sämaschinen gleichzeitig mehrere Saatreihen. Die größte Bedeutung gewannen neue Dreschmaschinen. Beim Dreschen handelte es sich um die zeitaufwendigste landwirtschaftliche Arbeit. Man erprobte zunächst Typen, die nach dem Stampfenprinzip, und andere, die nach dem Dreschflegelprinzip arbeiteten. Letzten Endes setze sich das im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts erprobte Walzenprinzip durch. Zentrifugalgebläse („Windfegen“) trennten die Spreu vom Weizen. Großbritannien besaß reiche Eisenerz- und Steinkohlevorkommen und damit wichtige Voraussetzungen für den Aufbau einer starken Montanindus-

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3. Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert

trie.334 Die Montanindustrie wirkte sich wiederum günstig auf die Entwicklung weiterer Industriezweige aus, wie die chemische Industrie und den Maschinenbau. Steinkohle wurde in Großbritannien bereits seit dem 17. Jahrhundert in größerem Umfang genutzt. Damit reagierte die britische Wirtschaft auf die Verknappung und Verteuerung des Holzes und der Holzkohle. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein diente der überwiegende Teil der Steinkohle der Hausheizung und dem Aufschließen von Grundstoffen, weniger der Befeuerung von Dampfmaschinen. Nach Jahrzehnte und Jahrhunderte währenden Auseinandersetzungen mit Spanien und Frankreich stieg England im 18. Jahrhundert und definitiv durch den Sieg in den Napoleonischen Kriegen zur weltweit führenden See- und Kolonialmacht auf. Die britische Wirtschaft profitierte von den aus den Kolonien importierten Rohprodukten. Eine besondere Bedeutung gewann die zuerst vor allem in Indien und später auch in anderen Regionen, wie Ägypten oder Nordamerika, angebaute Baumwolle. Großbritannien veredelte solche kolonialen Rohprodukte und exportierte Fertigprodukte in die eigenen und in fremde Kolonien. Vor 1780 standen in den Exportstatistiken Wollwaren an der Spitze, danach lösten sie Baumwollwaren ab. Im 19. Jahrhundert erhöhte sich die Bedeutung der außereuropäischen Exportmärkte im Vergleich zu den europäischen der britischen Wirtschaft. Im Unterschied zu früheren Auffassungen wird heute allerdings das aus dem Kolonial- und Überseehandel stammende Kapital als weniger wichtig für die Finanzierung der Industrialisierung erachtet.335 Personen- und firmengeschichtliche Untersuchungen ergaben stattdessen eine weitgehende Selbstfinanzierung der Schlüsselindustrien durch angespartes Kapital. Kapital war offensichtlich überreichlich vorhanden; das entscheidende Problem bestand darin, zukunftsträchtige technische Innovationen zu finden und marktfähig zu machen. Umstritten hinsichtlich seiner Bedeutung für die Industrialisierung ist der Binnenmarkt im Vergleich zum Export. Vor der Industriellen Revolution bestand die britische Wirtschaft aus zahlreichen kleineren relativ autonomen Einzelmärkten. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts nahm die Verflechtung zu, gefördert unter anderem durch den Bau befestigter Straßen und Kanäle. Im ländlichen Raum bestanden bereits in vorindustrieller Zeit Zentren der Heimarbeit. Die Heimindustrie trug bis weit ins 19. Jahrhundert beträchtlich zur britischen Wirtschaftsleistung bei. So erfolgte das Weben der Baumwolle bis etwa 1830 und das der Wolle bis etwa 1850 überwiegend in Heimarbeit. Ein weiteres entsprechendes Beispiel stellt die Kleineisenindustrie dar. Die gesellschaftspolitische Konstellation in Großbritannien war der Industrialisierung förderlich. Über Jahrhunderte hatte es auf der Insel Ausein334 S. u. S. 134ff. 335 Grundlegend zur Rolle des Kapitals in der Industriellen Revolution: Feinstein/Pollard, Studies.

3.1 Technik in der Industriegesellschaft

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andersetzungen gegeben zwischen den alten Gewalten mit dem König an der Spitze und aufstrebenden adelig-bürgerlichen Kräften. Sie kulminierten in den Bürgerkriegen des 17. Jahrhunderts, welche die Glorious Revolution 1688 beendete, die den König stärker an das Parlament band. Die Kaufleute und Unternehmer, welche die Industrialisierung trugen, profitierten von dieser Entwicklung. Wie in keinem anderen europäischen Land bildeten sich in Großbritannien frühkapitalistische Strukturen heraus. Als Adam Smith (1723–1790) 1776 sein epochemachendes Werk „Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“ schrieb, theoretisierte er mehr die bestehenden Verhältnisse, als dass er ein gänzlich neues sozial- und wirtschaftspolitisches Programm formulierte. Es waren die privaten Unternehmer, welche technische Innovationen finanzierten und sich um deren wirtschaftliche Umsetzung bemühten. Im Unterschied zu den absolutistischen Herrschaften auf dem Kontinent gab es auf der britischen Insel keine staatlichen Großmanufakturen, die vor allem Luxuswaren produzierten und dem technischen Wandel nicht sehr aufgeschlossen gegenüberstanden. Noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts konnte von einer technischen Überlegenheit Englands in Europa nicht die Rede sein. Der Technologietransfer zwischen der britischen Insel und dem Kontinent verlief in beide Richtungen, bildete also nicht wie im 19. Jahrhundert eine Einbahnstraße. Auch in der Anfangszeit der Industriellen Revolution konnte sich das französische Erfindungsniveau durchaus mit dem britischen messen. Großbritannien erwies sich allerdings bei der wirtschaftlichen Umsetzung und Anwendung technischer Erfindungen als wesentlich erfolgreicher als Frankreich. Die technischen Innovationen lassen sich – wie die anderen behandelten Faktoren auch – sowohl als Ursache wie als Folge des gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozesses interpretieren. Bis zur Gegenwart ist es strittig, welche Rolle die Naturwissenschaften für den technischen Fortschritt spielten.336 Bereits im 17. und 18. Jahrhundert hatten sich in Großbritannien die Naturwissenschaften glänzend entwickelt. Die Naturforschung stützte sich auf eine breite Infrastruktur wissenschaftlicher Institutionen. Ein Spezifikum der britischen Naturwissenschaften bestand in ihrer empirisch-praktischen Ausrichtung. Anscheinend gab es also hervorragende Voraussetzungen für eine enge Verbindung zwischen Naturforschung und Technikentwicklung. Dessen ungeachtet sprechen nicht wenige Fakten gegen die These einer wissenschaftlichen Induzierung der Industriellen Revolution. Hierzu gehört die zeitliche Differenz zwischen der wissenschaftlichen und der technischindustriellen Entwicklung. Vor 1750, als die Naturwissenschaften längst in 336 Zur Wissenschaft in der Industriellen Revolution: Cardwell, Technology; Musson/Robinson, Science; Inkster, Science; Jacob, Scientific Culture; Jacob/Stewart, Practical Matter; Wengenroth, Science; Mokyr, Gifts; Mokyr, The Intellectual Origins; Ashworth, Ghost.

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3. Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert

voller Blüte standen, kam es kaum zu bahnbrechenden Erfindungen und Innovationen. Weitere Zweifel tauchen auf, wenn man die Basisinnovationen der Industriellen Revolution betrachtet. Die meisten entstammten der Tätigkeit von Handwerkern und Tüftlern, die wenigsten der von Naturwissenschaftlern. Fachfremde Außenseiter spielten eine nicht unerhebliche Rolle. Der Vorteil der Laienerfinder bestand darin, dass sie nicht in überkommenen Traditionen befangen waren. Dies schloss nicht aus, dass sich die Innovatoren ad hoc – und zwar meist im Selbststudium – wissenschaftliche Kenntnisse aneigneten, wenn diese zur Problemlösung erforderlich waren. Der Beitrag der Naturwissenschaften zur Industriellen Revolution dürfte mehr indirekt als direkt gewesen sein. Sie wirkten daran mit, dass sich innovative Mentalitäten verbreiteten. In den Provinzstädten entstanden technischnaturwissenschaftliche Gesellschaften, die sowohl Theoretikern wie Empirikern den Zutritt gestatteten. Hierzu gehörte z.B. die „Lunar Society“ in Birmingham.337 Dagegen gingen von den wissenschaftlichen Top- Institutionen, wie den Eliteuniversitäten in Oxford und Cambridge sowie der Royal Society, kaum Impulse für die Technikentwicklung aus. Erst im Laufe des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts zeigte die institutionalisierte Wissenschaft größeres Interesse für technisch-industrielle Fragestellungen. Die Industrialisierung erfasste im Laufe der Zeit das gesamte Wirtschaftsleben. Einzelnen industriellen Sektoren und Technikfeldern kam jedoch eine herausgehobene quantitative oder qualitative Bedeutung zu. Der quantitativ bei weitem wichtigste Sektor war die Textilindustrie.338 Baumwolle gewann im Laufe der Industrialisierung eine überragende Position; dahinter rangierten Wolle, Leinen und Seide. 1815 bestanden 40 % des britischen Exports aus Baumwollwaren. 1850 arbeiteten etwa 10 % der Gesamtbevölkerung und 20 % aller Berufstätigen in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Etwa die Hälfte aller Werkstätten und Fabriken gehörte zur Textilbranche; mehr als die Hälfte der Dampfkraft kam im Textilgewerbe zum Einsatz. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts war die Tuchfertigung noch weitgehend Handarbeit an einfachen Geräten. In der Branche finden sich sowohl selbständige kleine Handwerker wie größere Tuchmacher, die 10 bis 30 Arbeitskräfte in ihren Werkstätten oder im Verlagssystem beschäftigten. Der Engpass für die Herstellung von Tuchen bildete das Spinnen. 4 bis 12 Spinnerinnen waren notwendig, um das Garn zu erzeugen, das ein Weber verarbeitete. Die Erfindung von Spinnmaschinen in den 1760er und 1770er Jahren zielte auf die Beseitigung dieses Engpasses. Die neuen Maschinen waren in der Lage, feines oder grobes Garn zu erzeugen. Sie wurden durch unterschiedliche Kraftquellen angetrieben: per Hand, mit Göpeln oder Wasserrädern und später mit Dampfmaschinen. Eine Handspinnerin konnte gerade

337 Vgl. Uglow, The Lunar Men. 338 S. u. S. 126ff.

3.1 Technik in der Industriegesellschaft

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eine Spindel drehen, die Maschinen betätigten zunächst mehrere Spindeln, später stiegen die Spindelzahlen auf über hundert. Die Bedienung mancher Maschinen erforderte anfangs ein hohes Maß an Geschicklichkeit. Mit der Zeit wurden sie mehr und mehr automatisiert. Eine Webmaschine wurde bereits 1785 erfunden. Jedoch erst maschinentechnische Verbesserungen führten seit den 1820er und 1830er Jahren zu größerer Verbreitung. Beim Spinnen dauerte die Maschinisierung etwa 20 bis 30 Jahre, beim Weben mehr als 50 Jahre. Anfänglich eigneten sich die neuen Maschinen noch für die Heimarbeit. Mit steigenden Spindelzahlen wurden sie zu groß und benötigten einen zentralen Antrieb. Auf diese Weise entstand die moderne Fabrik. Die ersten Fabriken waren Baumwollspinnereien. Die meist drei- bis viergeschossigen Gebäude lagen in ländlichen Gebieten an Wasserläufen; Wasserräder trieben die Maschinen an. Die Spinnmaschinen beseitigten einen, schufen aber gleichzeitig neue Engpässe. So erforderte das Maschinenspinnen eine wesentlich sorgfältigere Vorbereitung des Faservlieses bzw. die Erzeugung von Vorgarn. Vom Spinnen ausgehend, dehnte sich die Maschinisierung also in beide Richtungen aus. Einerseits erfasste sie die vorgelagerten Arbeiten, andererseits das Weben und nachgelagerte Arbeiten. Maschinisierung und Technisierung entwickelten sich zu einem sich selbst verstärkenden Prozess, der immer mehr Industriezweige ergriff. Maschinenfabriken befriedigten die Nachfrage nach Textilmaschinen. Der Umstieg auf das Maschinenbaumaterial Eisen kam dem Eisenhüttenwesen zugute. Die chemische Industrie lieferte an die Textilindustrie Bleichmittel und andere Stoffe. Der Tuch- und Kleiderhandel verlangte nach einem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. All dem lag natürlich eine steigende Nachfrage zu Grunde. Die Textilindustrie profitierte vom Bevölkerungswachstum, von Veränderungen der Kleidungsgewohnheiten, vom britischen Kolonialreich. Der Maschinenbau war viel kleiner als die Textilindustrie, besaß aber eine große qualitative Bedeutung.339 Beim Maschinenbau kann man unterscheiden zwischen der Produktion von Arbeitsmaschinen, wie den Spinn- und Webmaschinen, und der Herstellung von Kraftmaschinen. Früher wurde die Industrielle Revolution vielfach kausal mit der von James Watt (1736–1819) seit den 1760er Jahren entwickelten Dampfmaschine in Verbindung gebracht. Dies lässt sich aus verschiedenen Gründen nicht halten. Der Dampfmaschine von Watt ging die Dampfmaschine von Thomas Newcomen (1663–1729) voraus. Insgesamt dürften im 18. Jahrhundert über tausend Newcomensche atmosphärische Dampfmaschinen im Einsatz gewesen sein. Sie wurden jedoch nahezu ausschließlich zum Antrieb von Pumpen im Steinkohlenbergbau eingesetzt. Die Newcomenschen Dampfmaschinen verbrauchten eine Unmenge Kohlen, so dass sich ihre Verwendung nur auf den Zechen rentierte. 339 S. u. S. 139ff.

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3. Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert

Für den Antrieb der meisten Arbeitsmaschinen eigneten sie sich nicht, weil ihre Kolbenbewegung nicht in eine Drehbewegung umgewandelt wurde. Zwischen den 1760er und 1780er Jahren schuf dann James Watt eine doppeltwirkende, rotative Niederdruckdampfmaschine. 1785 wurde sie zum erstenmal außerhalb des Bergbaus eingesetzt, und zwar in einer Textilfabrik Um 1800 waren mehrere hundert Wattsche Dampfmaschinen in Betrieb, davon etwa 100 in der Textilindustrie. Es dauerte bis um 1815, dass die Gesamtleistung der in der Textilindustrie eingesetzten Dampfmaschinen die der Wasserräder übertraf. Das Fabriksystem entwickelte sich also auf der Basis der Wasserkraft, die Dampfkraft trug allerdings wesentlich zur Verstetigung und Beschleunigung des Industrialisierungsprozesses bei. Außerdem veränderten die Dampfmaschinen das Standortproblem. Benötigten die ersten Fabriken einen Standort an einem Wasserlauf, so machte sie die Dampfmaschine davon unabhängig. Mit der Zeit verlagerte sich die Industrie aus dem ländlichen Raum in die Stadt. Eine strategische Bedeutung für die Industrialisierung besaßen die Werkzeugmaschinen, insbesondere Maschinen für die spanende Bearbeitung von Eisen und Stahl. Mit Hilfe solcher Dreh-, Bohr-, Hobel- und Fräsmaschinen ließen sich andere Kraft- und Arbeitsmaschinen arbeitssparend herstellen. In viel späterer Zeit übertraf die Präzision der Werkzeugmaschinen dann auch die der Handarbeit. Die Hochzeit der Werkzeugmaschinenentwicklung setzte mit der von Henry Maudslay (1771–1831)340 in den 1790er Jahren gefertigten Drehmaschine mit Werkzeugschlitten ein. Maudslay führte dabei verschiedene in der Feinmechanik, wie der Uhrmacherei, schon länger bekannte Elemente zusammen, übertrug sie aber auf neue Dimensionen und auf die viel schwerer zu bearbeitenden Maschinenbaumaterialien Eisen und Stahl. Die Maudslayschen Arbeiten stehen am Anfang der Konstruktion einer großen Zahl von Werkzeugmaschinentypen in den darauf folgenden Jahrzehnten. Die systemische Innovation bestand darin, dass fortan Maschinen mit Hilfe von Maschinen gefertigt wurden. Die neue Maschinen-WerkzeugTechnik begann die alte Hand-Werkzeug-Technik abzulösen. Wie die Dampfmaschine stellte auch der Kohlebergbau keine Voraussetzung für die Industrielle Revolution dar.341 Seine Bedeutung lag vielmehr in der Verstetigung und Ausweitung des Industrialisierungsprozesses. Die traditionellen Energiequellen allein, Wasser und Holz, hätten schwerlich die im 19. Jahrhundert stattfindende industrielle Entwicklung speisen können. Die zunächst relativ geringe Geschwindigkeit der Verbreitung des neuen Energieträgers kann man daran ablesen, dass bis 1830 der größte Teil der Steinkohle in die Haushalte und das Kleingewerbe ging. Der einzige industrielle Großabnehmer mit etwa 10 bis 15 % der Förderung war das Hüttenwesen. Die

340 Vgl. Cantrell/Cookson, Henry Maudslay. 341 S. u. S. 134ff.

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Kohlegewinnung verdoppelte sich im Zeitraum zwischen 1760 und 1800 und stieg zwischen 1800 und 1840 erneut auf etwa das Vierfache. Wesentlich dynamischer ging die Entwicklung im Eisenhüttenwesen vonstatten.342 Noch 1775 war Großbritannien ein Importland von Eisen. Das vor allem aus Schweden und Russland stammende Eisen wurde dort mit Hilfe von Holzkohle erschmolzen und weiterverarbeitet, was zu relativ hohen Preisen führte. Erst die Ersetzung der Holzkohle durch Mineralkohle verbilligte das Eisen und machte Großbritannien zum europäischen und weltweiten Zentrum der Eisenverhüttung. Zwischen 1788 und 1796 verdoppelte sich der Roheisenausstoß, bis 1806 vervierfachte er sich noch einmal. Danach gingen die Wachstumsraten zurück, bis das Eisenbahnzeitalter die Ausstoßziffern wieder in die Höhe schnellen ließ. Eisen und Stahl erzeugt man in einem zweistufigen Prozess. In der ersten Stufe, dem Hochofenprozess, entsteht aus Eisenerz Roheisen. In der zweiten Stufe, dem Frischprozess, wird aus Roheisen Stahl. Beim Hochofenprozess ersetzte Abraham Darby (1677–1717) bereits 1709 den Brennstoff (und das Reduktionsmittel) Holzkohle durch Koks. Der Wechsel des Brennstoffs verlangte allerdings eine Umstellung des gesamten Hüttenprozesses. Die damit verbundenen Schwierigkeiten führten dazu, dass sich der Kokshochofen im britischen Hüttenwesen erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durchsetzte. Die zweite entscheidende Innovation bestand in der Verwendung von Steinkohle an Stelle von Holzkohle beim Eisenfrischen. Unter Eisenfrischen versteht man die Teilentkohlung des spröden, nicht schmiedbaren Roheisens; dabei entsteht schmiedbarer Stahl. Die Verwendung von Steinkohle beim Eisenfrischen gelang 1784 Henry Cort (1740–1800) durch die Erfindung des Puddelofens. Im Puddelofen ist die Mineralkohle räumlich vom Roheisen getrennt und kann dieses deshalb nicht verunreinigen. Eine dritte wichtige Innovation – ebenfalls seit den 1780er Jahren – bildeten Walzwerke für die Herstellung von Stahl-Halbfertigprodukten. Die neuen Walzwerke traten an die Stelle älterer Hammerwerke. In der Industriellen Revolution vereinigten sich qualitativer Wandel und quantitatives Wachstum. Großbritannien erzeugte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in allen genannten Gewerbebereichen, der Textilindustrie, dem Maschinenbau, dem Kohlebergbau und der Eisenindustrie, größere Mengen als alle anderen Länder der Welt zusammengenommen. Das neue Produktionssystem, das einen wichtigen Anteil an dem industriellen Aufstieg besaß, war die Fabrik.343 Das Fabriksystem kann man umschreiben als „kombinierten Einsatz von Antriebs- und Arbeitsmaschinen in arbeitsteilig organisierten Produktionsstätten.“344 Zerlegt man diese Definition in ihre Bestandteile, so lassen sich als Elemente der Fabrik anführen: 342 S. u. S. 136ff. 343 S. u. S. 139ff. 344 Braun, Sozialer und kultureller Wandel, S. 316.

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– die Zentralisation der Produktion in einem Gebäude oder in einer Anlage. Dies unterscheidet das Fabriksystem von der Heimindustrie, wo die Maschinen in den Wohnungen der Arbeiter stehen. – die Arbeitsteilung. Dies unterscheidet die Fabrik vom Handwerk. – das Maschinensystem mit der Kombination von Kraft- und Arbeitsmaschinen. Bei den Kraftmaschinen kann es sich um Wasserräder, Dampfmaschinen oder anderes handeln, der Fabrikbegriff ist also nicht an die Dampfmaschine gebunden. Das Maschinensystem unterscheidet die Fabrik von der Manufaktur, einer größeren, zentralisierten und arbeitsteiligen Produktionsstätte, in welcher aber die Handarbeit dominiert. Am meisten konkurrierten die Fabriken mit dem System der Heimarbeit oder Heimindustrie. In der Regel verlangte die Heimarbeit handwerkliches Können, wie bei der Bedienung von Spinnrad und Webstuhl. Spinnen und Weben sind zwar keine sehr abwechslungsreichen Arbeiten, aber die Umformung des Materials per Hand verlangt ein gewisses Maß an Geschicklichkeit. Darüber hinaus bestimmten die Heimarbeiter ihre Arbeitsabläufe selbst. Man sollte sich die heimindustrielle Einheit von Wohn- und Arbeitsstätte jedoch nicht als Idyll vorstellen. Die Spinnräder und Webstühle verursachten nicht gerade wenig Lärm und setzten in großem Umfang Staub und Faserreste frei. Die Arbeit erfolgte im Familienverband. Die Kinder wurden von frühester Jugend an für Hilfsarbeiten eingesetzt und später mit den komplizierten handwerklichen Arbeiten vertraut gemacht. Die Arbeitszeit war im Großen und Ganzen selbstbestimmt, aber unregelmäßig. Sie hing von der Auftragslage ab und von der meist nebenher betriebenen Landwirtschaft. Heimarbeit konnte selbständiges Handwerk bedeuten; am Vorabend der Industrialisierung dominierte aber das Verlagssystem. Das Verlagssystem hatte sich seit dem 16. Jahrhundert herausgebildet und expandierte bis zum 18. Jahrhundert. Der Verleger – im hier beispielhaft betrachteten Textilgewerbe ein Kaufmann – stellte den Heimarbeitern die Roh- oder Vorprodukte zur Verfügung, wie die Wolle oder das Garn. Die Bezahlung erfolgte im Stücklohn, richtete sich also nach den gefertigten Mengen. Die Heimarbeiter wurden über die abgelieferten Waren kontrolliert. Mit Bußgeldern suchte der Verleger seine Qualitätsnormen durchzusetzen. Der übliche Lieferungstermin war das Wochenende, aber auch größere Zeiträume kamen vor. Innerhalb dieses Rahmens konnten die Heimarbeiter die Arbeit frei einteilen. Meist führte dies zu einer Verdichtung gegen Ende der Woche. „Blaue Montage“ (Saint Mondays) oder auch zusätzliche „blaue Dienstage“ waren weit verbreitet, am Ende der Woche arbeitete man dafür manchmal die Nacht durch. Die Abhängigkeit der Heimarbeiter vom Verleger ging häufig über die unmittelbaren Produktionsbeziehungen hinaus. Die Maschinen gehörten dem Textilkaufmann, der für sie Miete kassierte oder sie auf Kredit verkaufte. Die Heimarbeiter mussten sich verpflichten, alle Waren vom Ver-

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leger zu erstehen. Besonders im 19. Jahrhundert war ein Großteil der Heimweber bei den Verlegern verschuldet. Die Fabriken rekrutierten einen größeren Teil ihrer Arbeiterschaft aus den durch die Maschinenspinnereien und die Webereien freigesetzten Heimarbeitern. Dabei zeigte sich, dass deren im Laufe von Jahrhunderten entstandenen Mentalitäten den Anforderungen in der Fabrik nicht entsprachen. Die Heimarbeiter hatten Schwierigkeiten mit der radikalen Trennung von Arbeit und sonstigem Leben. Der Fabrikbetrieb verlangte pünktlichen Arbeitsbeginn und feste Arbeitszeiten; die Heimarbeiter empfanden dies als künstlich und unnatürlich. Die Heimarbeitenden bezogen das Tageslicht und die Erntezeiten in ihre Arbeitsplanungen mit ein. Die Fabriken dagegen lösten sich weitgehend von den natürlichen Ordnungen. Die Unternehmer suchten die Arbeiter zu disziplinieren, indem sie nach Arbeitsbeginn die Fabriktore schlossen und die zu spät Gekommenen aussperrten oder sie sogar entließen. Nicht nur die Zeitdisziplin, auch der Erwerbssinn der frühen Fabrikarbeiter war nicht sehr ausgeprägt. Manche Arbeiter verließen die Fabrik, sobald sie genug verdient hatten, um ihre Familien eine Zeitlang zu unterhalten. Leistungsanreize in Form von Stücklohn blieben ohne Ergebnis. Die Mentalitäten orientierten sich offensichtlich noch mehr am Ziel der Existenzsicherung als an Wohlstand und Wachstum. Die Selbstbestimmung von Arbeitsablauf und Arbeitstempo in der Heimarbeit wurde in der Fabrik durch Fremdbestimmung ersetzt.345 Die Arbeitsteilung und der Rhythmus der Maschinen gaben Arbeitsinhalte und Arbeitsgeschwindigkeit vor. Missachtete man sie, drohten Produktionsausfälle. Um dem entgegenzuwirken führten die Fabriken eine straffe Arbeitsorganisation ein, für welche militärische Vorbilder teilweise Pate standen. Sie etablierten ein streng hierarchisches System von Aufsicht, Befehl und Gehorsam. Die Spielregeln des Systems wurden in Fabrik- und Arbeitsordnungen niedergelegt. In den Ordnungen dominierte die „Peitsche“ über das „Zuckerbrot“. Strafen waren häufiger als Belohnungen – in Form von Geld, Lebensmitteln oder Kleidung. Die Bestrafungen reichten von Prügelstrafen, vor allem für Kinder, über Geldstrafen bis zur Entlassung. Prügelstrafen hingen häufig von Lust und Laune der Aufseher ab. Geldstrafen stellten eine empfindliche Einbuße dar; ihr Gegenwert entsprach zwischen zwei Stunden und einem Tag Arbeit. An den Arbeitern selbst oder an ihren Maschinen angebrachte Zeichen markierten schlechte oder – seltener – gute Leistungen. Die Fabrikbesitzer tauschten schwarze Listen unzuverlässiger oder renitenter Arbeiter aus, damit diese nicht einfach von einem Unternehmen zum nächsten wechselten. Probleme mit der Disziplin hatten vor allem neue, an die Fabriken noch nicht gewöhnte Arbeiter. Im Laufe von zwei bis drei Generationen wandelte 345 Vgl. Clark, Factory Discipline.

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sich die Mentalität der Heimarbeit zu einer der Fabrikarbeit. Die frühindustriellen Unternehmer fühlten sich allerdings nicht nur für die Fabrikdisziplin zuständig, sondern suchten auch auf das private Leben der Arbeiterfamilien einzuwirken. Sie unterstützten die Kirchen und die Sonntagsschulen, um die Kinder vom Herumlungern auf der Straße abzuhalten. Dahinter standen religiöse Vorstellungen eines gottgefälligen Lebens und Befürchtungen schädlicher Rückwirkungen auf die Arbeitsdisziplin. In manchen Orten richteten die Fabrikbesitzer eine Straßenaufsicht ein, welche die Arbeiter vom Fluchen, Singen und Trinken abhalten sollte und gegebenenfalls Strafen verhängte. Die Industrialisierung ging zunächst mit einer Verlängerung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit einher. Die durchschnittliche Arbeitszeit dürfte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts angestiegen sein; danach nahm sie allmählich ab. Um 1850 betrug – je nach Gewerbe und Region – die mittlere tägliche Arbeitszeit zwischen 14 und 16 Stunden, in der Schweizer Textilindustrie waren auch bis zu 18 Stunden üblich. Am Samstag wurde weniger gearbeitet, der Sonntag war frei. Die Wochen- und Jahresarbeitszeit verlängerte sich im Vergleich zur vorindustriellen Zeit noch mehr, weil zahlreiche Festund Feiertage abgeschafft wurden. Hinzu kamen die oft beträchtlichen Arbeitwege. Ein weiteres soziales Problem stellte die Kinderarbeit dar.346 Kinder und Frauen347 trugen viel dazu bei, dass im Industrialisierungsprozess immer genügend billige Arbeit zur Verfügung stand.348 Auch in der Heimindustrie gehörte Kinderarbeit zur Normalität, doch dürfte sie nicht solche Menschen verachtenden Formen wie in der Fabrik angenommen haben. Der hohe Kinderanteil unter den Industriearbeitern resultierte unmittelbar aus dem Kinderreichtum der damaligen Gesellschaft. Junge Menschen machten einen wesentlich größeren Bevölkerungsanteil aus als heute. Vielen mit der Armut kämpfenden Familien fiel es schwer, ihre Kinder zu ernähren, ohne deren Arbeitskraft zu verkaufen. Hier einige Daten zur Verbreitung der Kinderarbeit in England: In der frühindustriellen Seidenindustrie waren bis zu 80 % der Beschäftigten weniger als 18 Jahre alt. Noch 1835 fanden sich unter den Beschäftigten in der Baumwollindustrie 13 % Kinder unter 14 Jahren und 25 bis 30 % Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren. Frauen und Mädchen machten fast die Hälfte der Belegschaft aus. Bemühungen um eine Begrenzung bzw. Humanisierung der Frauen- und Kinderarbeit setzten früh ein: für die Kinderarbeit seit 1802, für die Frauenarbeit seit 1844. Jedoch waren die erlassenen Vorschriften anfänglich unzureichend und wurden zudem nicht

346 Instruktive Überblicke zur Kinderarbeit in der Industriellen Revolution bieten: Nardinelli, Child Labour; Kirby, Child Labour; Horn, Children’s Work. 347 Instruktive Überblicke über Frauen in der Industriellen Revolution bieten: Rendall, Women; Honeyman, Women. 348 Vgl. Condran, Industrialisierung, S. 66f.

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kontrolliert. Von einer einigermaßen brauchbaren Arbeitsschutzgesetzgebung kann man erst für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts sprechen. Insgesamt dürften sich die Arbeitsverhältnisse im Verlauf der Industriellen Revolution beträchtlich verschlechtert haben. Durch die Maschinen und die durch die Fabrikhallen laufenden Transmissionen entstand eine neue Dimension an Arbeitsunfällen. Besonders die Textilfabriken waren voller Lärm und Staub. Unzureichender Entlüftung resultierte in hohen Temperaturen. Die meisten Historiker sind der Auffassung, dass sich bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts die physischen und psychischen Belastungen der Industriearbeiter erhöhten. Allgemeine Aussagen zur Veränderung der Qualifikationen erweisen sich als sehr schwierig. Vermutet wird eine Polarisierung. Die Maschinen stellten erhöhte Anforderungen an Bedienung, Wartung und Reparatur. Gleichzeitig vermehrten sich aber auch eintönige Hilfsarbeiten, wie das Aufstecken oder Abnehmen der Garnspulen oder das Zusammenknüpfen gerissener Fäden. Es kann nicht verwundern, dass sich mit der Polarisierung der Qualifikationen auch eine geschlechtsspezifische Differenzierung der Arbeit verband: Die Frauen erhielten die geringerwertigen und schlechter bezahlten Arbeiten und die Männer die höherwertigen und besser bezahlten. Im Verlauf der Industriellen Revolution nahm das Sozialprodukt pro Kopf zu, die britische Gesellschaft in ihrer Gesamtheit wurde also reicher. Schwieriger ist die Frage nach der Entwicklung der Einkommen und der Lebensbedingungen der Arbeiter zu beantworten.349 Schon die Zeitgenossen äußerten hierzu unterschiedliche Meinungen. Eine prägnante negative Antwort gab Friedrich Engels (1820–1895) in seiner Schrift über „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ (1845). Engels realistische Beschreibung der Lebensverhältnisse der Arbeiter kontrastiert allerdings mit einer idyllisierten Schilderung der vorindustriellen Heimindustrie. Die eher sozialpolitisch motivierten Auseinandersetzungen zwischen „Optimisten“ und „Pessimisten“ während der Industrialisierung haben sich in der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte bis heute fortgesetzt. Hinter diesen Kontroversen steht auch ein Quellen- und Methodenproblem. Die Optimisten arbeiten eher mit quantitativen, die Pessimisten mit qualitativen Argumenten. Die Optimisten versuchen, ihre These einer Verbesserung der Lebensbedingungen im Verlauf der Industriellen Revolution durch Zeitreihen für die Reallöhne, den Konsum und die Lebenserwartung zu stützen. Die konstruierten Zeitreihen sind jedoch teilweise quellenmäßig schlecht abgesichert, teilweise ist ihre Interpretation umstritten. Berechnungen der Reallöhne zum Beispiel verzeichnen zwischen 1780 und 1850 einen Zuwachs von 30 bis 50 %. Dem liegen aber problematische Warenkorb- und Einkommensberechnungen zu-

349 Zu den Lebensverhältnissen vgl. Metz, Industrialisierung;

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grunde; so gibt es Differenzen bei der Schätzung der Familieneinkommen und der Einbeziehung von Phasen der Arbeitslosigkeit. Die Pessimisten dagegen betrachten Lebensbedingungen als Kategorie, die sich nur begrenzt quantitativ beschreiben lässt. Stattdessen verweisen sie auf qualitative Veränderungen: Die Industrialisierung habe die Arbeitskraft zur Ware gemacht und damit grundlegend umgestaltet. Die Selbstbestimmung der Arbeit sei durch Disziplinierung ersetzt worden. Die Verstädterung habe die Wohnsituation verschlechtert. An die Dorfgemeinschaften und die Familien gebundene sozio-kulturelle Wertmuster seien zerschlagen worden, was in den veränderten Lebenssituationen die Möglichkeiten, Hilfe und Unterstützung zu erhalten, reduziert habe. Die Pessimisten ziehen andere Quellen als die Optimisten heran, so die zeitgenössische Publizistik und die parlamentarischen Untersuchungsberichte, welche in häufig drastischer Weise die Verelendung der unteren Schichten schildern. Die hier zugespitzte Auseinandersetzung ist bis heute nicht an ihr Ende gelangt, kann wohl auch nicht zu einem definitiven Abschluss geführt werden. Einige Zwischenergebnisse lassen sich jedoch festhalten: – Übereinstimmung besteht dahingehend, dass die Industrialisierung für die wachsende Bevölkerung ein Existenzminimum bereit stellte. – Übereinstimmung besteht weiter, dass hinsichtlich der Entwicklung der Lebensverhältnisse mehrere Phasen zu unterscheiden sind. Zwischen 1795 und 1815 dürften sie sich verschlechtert haben. Hierbei spielten die Kriege gegen Frankreich und die von Napoleon gegen die englischen Waren verhängte Kontinentalsperre eine wichtige Rolle. Seit den 1840er Jahren dürften sich die Lebensverhältnisse hingegen verbessert haben. Die Zeit dazwischen, von 1815 bis etwa 1840, ist umstritten. – Übereinstimmung besteht dahingehend, dass sich die soziale Schere während der Industriellen Revolution weiter öffnete. Im Vergleich zu den Arbeitern vermehrten die Reichen ihren Wohlstand überproportional. Für die Gesamtbevölkerung und die Arbeiterschaft sind Differenzierungen anzubringen. Das größte Elend gab es nicht in der Industriearbeiterschaft, sondern in bestimmten ländlichen Gegenden. Den Facharbeitern in der Maschinenbauindustrie ging es wesentlich besser als den angelernten Arbeitern in der Textilindustrie, die aus der Heimindustrie kamen. – Die soziale Lage ist regional zu differenzieren: So waren – um zwei Extreme zu nennen – die Lebensbedingungen in England wesentlich besser als in Irland. – Während der Industriellen Revolution wurde der private Konsum den industriellen Investitionen geopfert. Davon profitierten dann seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die Kinder und Enkel der Industriearbeiter. Ein besonders markantes Beispiel für die Verschlechterung der Lebensqualität stellen die durch die Industrialisierung und die Verstädterung veränderten Wohnverhältnisse dar. Am Anfang der Industrialisierung, als die Fa-

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briken noch an die Wasserkraft gebunden waren, errichteten die Fabrikanten vielfach passable Wohndörfer. Damit suchten sie Arbeiter aus der Heimindustrie zu gewinnen. Als die Dampfkraft die Fabrikstandorte unabhängig von den Wasserläufen machte, erlebten die Industriestädte ein dramatisches Bevölkerungswachstum. Während die gesamte Bevölkerung in Großbritannien zwischen 1750 und 1850 um das Dreifache anstieg, vergrößerten die Städte ihre Einwohnerzahlen um das Fünf- bis Zehnfache. So erhöhte sich die Bevölkerungszahl von Manchester von etwa 35.000 auf 300.000. Lebten 1760 nur 15 % der britischen Bevölkerung in der Stadt, so waren es 1841 bereits 35 %. Die Wanderungsbewegungen verliefen vor allem vom Süden in den Norden sowie vom Land in die großen Textil- und Bergbaureviere. Die Region um Manchester wurde nach London zum zweiten großen städtisches Zentrum. In den Städten kam es zu einer Slum-Bildung mit allen negativen Erscheinungen. Bauspekulanten errichteten neue Wohngebiete und verdichteten die alten. Bei den meisten der neuen Wohnhäuser handelte es sich um elende Bruchbuden mit einem Lehmboden im Erdgeschoss. Die Wohnräume waren aufgrund des niedrigen Lohnniveaus und des ständigen Zuzugs von außen überbesetzt; Extreme bildeten Schlafsäle und Schlafkasernen mit einer Mehrfachbelegung der Betten. Der englische Laissez-faire-Kapitalismus unterließ den Aufbau städtischer Versorgungs- und Entsorgungssysteme. Es gab weder eine zentrale Trinkwasserversorgung noch eine Kanalisierung oder eine Müllabfuhr. Im Bericht einer parlamentarischen Untersuchungskommission von 1839 war zu lesen: „Unbepflasterte Straßen ohne Kanalisation degenerierten überall zu Schlammfeldern. Der Müll häufte sich. Das Wasser reichte nicht aus. Durch das Dach regnete es, die Fußböden verfaulten, die Wände schwollen an und die Hinterhöfe liefen vom Abfall über“.350 Als Folge dieser unhygienischen Zustände kam es zu Typhus- und Choleraepidemien, die allein in den 1830er und 1840er Jahren über 80.000 Tote forderten. In den Industriestädten lag die Lebenserwartung wesentlich niedriger als auf dem Land. Dabei lassen sich große schichtenspezifische Unterschiede feststellen. In der Oberschicht betrug die durchschnittliche Lebenserwartung zwischen 38 und 44 Jahren, die der Handwerker und Arbeiter aber nur 17 bis 19 Jahre. Die niedrigen Zahlen resultierten aus der äußerst hohen Kindersterblichkeit. So erreichte in Arbeiterkreisen nur etwa die Hälfte der Kinder das fünfte Lebensjahr. Die durch verseuchtes Trinkwasser verursachten Choleraepidemien machten auch vor bürgerlichen Vierteln nicht Halt, was dem sozialen Bewusstsein der Wohlhabenden auf die Sprünge half. Im Ergebnis kümmerten sich die Kommunen seit den 1840er Jahren verstärkt um die städtische Infra-

350 Nach Paulinyi, Die Industrielle Revolution, S. 230.

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struktur und definierten diese jetzt mehr und mehr als öffentliche Aufgabe.351 Die großen Städte sorgten für die Einrichtung einer Trinkwasserversorgung sowie einer Müllabfuhr. Sie förderten den Arbeiterwohnungsbaus und suchten den schlimmsten Auswüchsen mit Hilfe von Bauordnungen zu steuern. Der mit zahlreichen Problemen verbundene industrielle Wandel rief zahlreiche soziale Auseinandersetzungen hervor. Den Höhepunkt bildete die sogenannte Ludditenbewegung352 zwischen 1811 und 1816, benannt nach einem legendären Strumpfwirker namens Ned Ludd. Der Luddismus hatte sein Zentrum in der Textilregion um Manchester. Die Ludditen zerstörten Strumpfwirkstühle, d.h. Handarbeitsgeräte in heimindustriellen Kleinbetrieben, aber auch moderne Tuchschermaschinen und Dampfwebstühle der großen Textilfabriken. Sie griffen zur Zerstörung von Waren, zu Brandschatzungen und Plünderungen. Träger der Unruhen waren Heimarbeiter, die sich in ihrer Existenz bedroht sahen, aber auch Verleger, welche die fortschrittliche Konkurrenz ausschalten wollten. Am Ende scheiterte die Protestbewegung der Unterprivilegierten. Das massenhaft eingesetzte Militär schlug die Aufstände brutal nieder, Gerichte verhängten Todesstrafen über die Rädelsführer. Später wurden die Maschinenzerstörungen als „Maschinensturm“ bezeichnet. Mit dem Begriff verband sich die Vorstellung einer prinzipiellen Technikfeindlichkeit der Ludditen. Dies hält jedoch einer näheren Überprüfung nicht stand. Die Zerstörung der Maschinen bildete kein zentrales Ziel des Luddismus, sondern ein Kampfmittel unter anderen. Zivilere Formen des Arbeitskampfes waren noch kaum entwickelt; die Arbeiter unterlagen einem allgemeinen Organisationsverbot. Mit der Zerschlagung der Maschinen wollten die Ludditen Druck auf die Fabrikanten ausüben, um sie in Arbeitsauseinandersetzungen zum Einlenken zu bewegen, oder sie wollten auf ihre problematische Lage aufmerksam machen. Auslöser für die Unruhen waren häufig Hungersnöte, Entlassungen, Lohnkürzungen, die Beschäftigung ungelernter Kräfte, wo vorher Handwerker dominiert hatten, und anderes mehr.

3.1.2 Die Baumwolle und die Textilindustrie Bereits vor der Industriellen Revolution war das britische Textilgewerbe ein bedeutender Wirtschaftszweig. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts arbeiteten hier etwa eine Million Menschen, das waren etwa 10 % der Gesamtbevölkerung. Der wichtigste textile Rohstoff war die Wolle.353 Die britische Schafzucht und die britischen Wolltuche genossen seit dem späten Mittelalter einen 351 S. u. S. 184ff. 352 Vgl. Hobsbawm, Machine Breakers; Thomis, The Luddites; Hobsbawm/Rudé, Captain Swing; Sieferle, Mythos; Thompson, Entstehung; Archer, Social Unrest. 353 Vgl. Jenkins/Ponting, The British Wool Textile Industry.

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guten Ruf in Europa. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts besaß England bei Wollwaren eine weltweit führende Position. Ein größerer Teil der aus Wolle gefertigten Tuche und Strümpfe ging in den Export. Gegenüber der Wolle traten die anderen Fasern in den Hintergrund. Der Flachsanbau und die Leineweberei begannen erst im Laufe des 18. Jahrhunderts eine größere Rolle zu spielen; Schwerpunkte der Produktion befanden sich in Schottland und Irland. Baumwolle verarbeitete man in England zusammen mit Leinen zu Mischgeweben. Seidentuche aus China und Baumwolltuche aus Indien befriedigten die Luxusnachfrage der Oberschicht. Im Textilgewerbe dominierte der Verlag. Bei den Verlegern handelte es sich entweder um Tuchkaufleute oder um selbständige Handwerker, welche auch selbst produzierten. Die vor- und nachbereitenden Arbeiten der Textilproduktion ließen die Verleger teilweise von Lohnarbeitern in zentralen Manufakturen durchführen. Die beiden textilen Kernprozesse, das Spinnen und Weben, fand im vom Verlag organisierten Heimgewerbe statt.354 Die Verleger lieferten den Heimarbeitern das Fasermaterial bzw. das Garn. Die Heimarbeitenden stellten daraus mit einfachen Geräten, mit Spinnrad oder Webstuhl, Garne und Tuche her. Im 18. Jahrhundert355 erhöhte das Bevölkerungswachstum die Nachfrage. Dabei erwies sich das Spinnen als Engpass für die Ausweitung der Produktion. Je nach Feinheit des Garns waren vier bis zwölf Spinnerinnen erforderlich, um einen Weber mit Material zu versorgen. Das Spinnen erfolgte entweder diskontinuierlich auf dem einfachen Handspinnrad oder kontinuierlich auf dem Flügelspinnrad – beide Innovationen stammten aus dem Mittelalter. Die Fadenbildung ging von einem durch Krempeln, eine Art Kämmen, erzeugten Vliesband aus. Im 18. Jahrhundert bemühten sich zahlreiche Innovatoren, den Engpass des Handspinnens durch Mechanisierung zu überwinden. Die Entwicklung der ersten funktionsfähigen Spinnmaschinen gelang zwar schon in den 1730er Jahren, doch bewährten sie sich im praktischen Einsatz nicht. Es wird vermutet, dass der schließlich 1768 erfolgreiche Erfinder Richard Arkwright (1732– 1792) die Prinzipien seiner Webmaschine von den älteren Konstruktionen übernahm. Die Arkwrightsche „Waterframe“ kombinierte Walzenpaare, die sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit drehten und damit den Vorfaden verstreckten, mit den schon seit dem späten Mittelalter bekannten Flügelspindeln, die den Faden verdrehten und aufwickelten. Die Maschinen arbeiteten automatisch und kontinuierlich. Man konnte sie per Hand antreiben oder durch einen Pferdegöpel. Der sich später durchsetzende Name, „Water354 Einen besonders aufgrund der zahlreichen Abbildungen und Skizzen instruktiven Überblick zur Gerätegeschichte des Spinnens und Webens liefert Bohnsack, Spinnen. 355 Die Textilindustrie nimmt in den allgemeinen Darstellungen der Industriellen Revolution einen großen Stellenwert ein, weswegen hier auf die Nennung spezieller Literatur verzichtet wird.

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frame“, weist darauf hin, dass die Spinnereien bald zu einem zentralen Antrieb durch ein Wasserrad übergingen. Dies resultierte unmittelbar aus Arkwrights Lizenzpolitik. Der Erfinder verlangte von den Lizenznehmern eine Mindestabnahme von 1.000 Spindeln. In der Anfangszeit lief dies auf 125 bzw. 250 Maschinen hinaus, und eine solch große Zahl ließ sich am besten mit einem Wasserrad antreiben, der gebräuchlichsten Kraftmaschine der damaligen Zeit. Auf der Waterframe ließ sich nur Baumwolle, und zwar nur festes Kettgarn, spinnen. Die Kettfäden, die Längsfäden im Gewebe, sind beim Weben einer höheren mechanischen Belastung ausgesetzt. Die weniger festen Querfäden, die Schussfäden, wären beim Spinnen auf der Waterframe gerissen. Das qualitativ grobe Garn ging zunächst vor allem in die Strumpfwirkerei. Arkwright baute in den 1770er Jahren ein großes Spinnereiimperium auf und wurde in England Marktführer bei Baumwollgarnen. Seine Maschinenspinnerei Cromford in Derbyshire bildete den Prototyp der frühen Fabrik, der zahlreiche Nachahmer fand. Bei der Waterframe dominierte Holz als Maschinenbaumaterial. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts ersetzten Maschinenbauer das Holz durch Eisen und Stahl. Damit ließen sich größere Maschinen bauen, die zunächst bis zu 90 Spindeln besaßen. Ungefähr zur gleichen Zeit wie die Waterframe kam eine weitere Spinnmaschine auf den Markt, die „Jenny“ des Handwebers James Hargreaves (1720–1778). Der Name entstand aus einer Verballhornung von Engine. Die konstruktiven Prinzipien der Jenny kann man als maschinelle Nachahmung des Handspinnens interpretieren. Die Arbeit an der diskontinuierlich arbeitenden Maschine erforderte mindestens so hohe Qualifikationen wie das Handspinnen. Der Unterschied bestand in einer durch die vermehrte Spindelzahl bewirkten erheblich größeren Produktivität. Anfangs besaß die Jenny 8 Spindeln, später bis zu 130. Aufgrund ihres Handantriebs und der erforderlichen Qualifikationen fand die Jenny besonders im Heimgewerbe Verwendung. Seit den 1820er Jahren gebaute noch größere Maschinen benötigten als Antrieb eine Kraftmaschine. Die Jenny ergänzte die Waterframe ideal, weil sich auf ihr nur weiches Schussgarn spinnen ließ. Was fehlte, war eine Universalspinnmaschine. Eine solche entwickelte der Weber Samuel Crompton (1753–1827) bis 1779. Die von ihm „Mule“ (Maultier) genannte Maschine kombinierte konstruktive Lösungen von Waterframe und Jenny. Von der Waterframe übernahm sie die Streckwalzen, von der Jenny das diskontinuierliche Spinnen mit abwechselndem Verdrehen und Aufwickeln. Im Gegensatz zur Jenny befanden sich die Spindeln auf einem fahrbaren Spindelwagen, den der Spinnmeister hin und her bewegte, eine hoch qualifizierte, aber auch anstrengende Arbeit. Bei der Mule ermöglichte der Übergang vom Holz als Baumaterial zu Eisen und Stahl eine Vergrößerung der Spindelzahl auf mehrere hundert. Die dazugehörigen Spindelwagen waren bis zu 14 m breit und 800 kg schwer.

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Das war die Grenze dessen, was die Körperkraft des Spinnmeisters noch bewältigen konnte. Noch größere Maschinen erforderten eine weitere Mechanisierung zum Halbautomaten oder Automaten. Eine halbautomatische Mule entstand in den 1790er Jahren, die automatische des Maschinenbauers Richard Roberts (1789–1864)356, der „Selfactor“, um 1830. Mit der Automatisierung untergruben die Fabrikanten die betriebliche Position der qualifizierten Mulespinner, die passable Arbeitsbedingungen und hohe Löhne durchgesetzt hatten. Allerdings ließen sich auf dem Selfactor nur grobe und mittelfeine Garne spinnen, für die feinen blieb man auf die halbautomatische Mule angewiesen. Das Mulespinnen dürfte in der britischen Textilindustrie, wo die Qualitätsgarne einen hohen Anteil besaßen, bis um den Ersten Weltkrieg herum dominiert haben. Ein Ende fand es erst in den 1970er Jahren. Der Übergang vom Handspinnen zum Maschinenspinnen bedeutete keine Dequalifizierung. So verlangten die Arbeiten mit der Jenny und der Mule weiterhin hohe, ja sogar angereicherte Qualifikationen. Etwas anders sah es bei den Automaten aus, bei der Waterframe und dem Selfactor. Für die beiden Maschinen waren einerseits maschinentechnische Kenntnisse erforderlich – für die Einrichtung, Überwachung, Wartung und Reparatur. Hinzu kamen Hilfstätigkeiten, wie das Verknüpfen gerissener Fäden, das Einsetzen des Vorgarns, die Abnahme des gesponnenen Garns usw. Die Automaten führten also eher zu einer Polarisierung der Qualifikationen, und zwar in geschlechtsspezifischer Weise. Die Hilfsarbeiten leisteten meistens Frauen und Kinder, während männliche Arbeiter die Bedienung und Überwachung der Maschinen übernahmen. Eine letzte Spinnmaschine ist noch zu erwähnen, die 1828 in den USA durch John Thorp (1784–1848) patentierte Ringspinnmaschine. Die Maschine lässt sich als Weiterentwicklung der Waterframe bezeichnen. Im Unterschied zur Waterframe mit ihrer schweren Flügelspindel besitzt die Ringspinnmaschine einen leichten Ringläufer für die Zuführung und Verdrehung des Fadens, der diesen geringer mechanisch belastet. Bei der Ringspinnmaschine handelt es sich um eine Universalmaschine. Sie besitzt auch heute noch die weiteste Verbreitung unter den Spinnmaschinen. Allerdings ist in den letzten Jahrzehnten mit der „Open-End-Spinnerei“ ein Konkurrenzverfahren hinzugekommen.357 Dabei drehen sich die vereinzelten Fasern in der Spinnrille eines mit hoher Geschwindigkeit drehenden Rotors in ein Fadenende ein. Die Rotorspinnerei liefert insbesondere weiches Schussgarn. Auf die Maschinisierung des Spinnens folgte die Maschinisierung der vorbereitenden Arbeiten. In den 1790er Jahren entstanden funktionstüchtige Kardiermaschinen für die Herstellung von Vliesbändern, d.h. Maschinen,

356 Vgl. Hills, Life. 357 Vgl. Kosche, Ring.

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welche die Fasernbündel in eine parallele Ordnung in Form von Bändern brachten. Ebenso Maschinen, die aus den Vliesbändern Vorgarn herstellten, d.h. einen grob verdrehten Faserstrang. Anfang des 19. Jahrhunderts kamen dann Maschinen für das Öffnen der Baumwollballen und für deren mechanische Reinigung und Auflockerung dazu. Seit den 1770er Jahren entstanden zahlreiche mit Spinnmaschinen ausgestattete Fabriken, in denen viele Millionen Spindeln liefen. Die ersten entsprachen dem von Arkwright entwickelten Fabriktyp. Es handelte sich um drei- bis viergeschossige Backsteingebäude mit einem oder mehreren Wasserrädern zum Antrieb der Maschinen. Die Wasserkraft wurde über Wellen und Riementransmissionen in der Fabrik verteilt. Nach der Durchsetzung von Webmaschinen seit den 1830er und 1840er Jahren wurden integrierte Textilfabriken errichtet, in denen die meisten Arbeiten mit Hilfe von Maschinen durchgeführt wurden. Die ersten Spinnmaschinen verarbeiteten vor allem Baumwolle – wegen der höheren Festigkeit der Faser. Damit wirkte die Maschinisierung ursächlich daran mit, dass die Baumwolle die Wolle überflügelte.358 Die Dominanz der Baumwolle blieb bestehen, als die Maschinen mit zeitlicher Verzögerung auch andere Fasern versponnen. Einen weiteren Grund für den Siegeszug der Baumwolle bildete ihr Preis. Die Baumwolle wurde in den britischen Kolonien und in anderen Staaten in großem Stil auf Plantagen angebaut – teilweise unter Einsatz von Sklaven. Später wurden verbesserte Sorten mit Maschinen gepflückt.359 Schließlich war die Baumwolle tragefreundlicher als die Wolle, wenn auch weniger haltbar. Die Maschinisierung des Spinnens verlagerte in der Textilproduktion den Engpass auf das Weben. Zwischen 1788 und 1830 stieg die Zahl der Handweber in England von etwa 100.000 auf 240.000. Diese „goldene Zeit“ des Webens nahm durch dessen um 1830 sich beschleunigende Maschinisierung ein abruptes Ende. Die Maschinisierung leitete das große „Webersterben“ ein. 1860 zählte man nur noch etwa 10.000 Handweber. Der gleiche Vorgang spielte sich zeitlich verschoben auch in anderen Staaten ab. So ließ sich Gerhart Hauptmann (1862–1946) vom sozialen Niedergang der schlesischen Weber 1892 zur Abfassung seines gleichnamigen Theaterstücks anregen. Die Maschinisierung des Webens erfolgte also im Vergleich zum Spinnen mit einer zeitlichen Verzögerung von drei bis fünf Jahrzehnten. Beim Weben handelt es sich um einen komplizierten Prozess, bei dem in ein System von Längsfäden, die Kettfäden, die Querfäden, die Schussfäden, eingebracht werden. Hierfür wird ein Fach gebildet, d.h. alternierend wird jeweils ein Teil der Längsfäden angehoben. In das Fach wird der Querfaden „eingeschossen“ und an das bereits fertige Gewebe „angeschlagen“. Seit dem Mittelalter war das 358 Einen knappen, instruktiven Überblick zur Baumwollindustrie bietet: Chapman, The Cotton Industry; ausführlicher: Rose, Firms. 359 Vgl. Olmstead/Rhode, Biological Innovation.

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Weben weitgehend unverändert geblieben – so wie es heute noch als Hobby auf Handwebstühlen betrieben wird. Allerdings wurde im 18. Jahrhundert durch John Kay (1704–1774) eine schnellere Lösung für das Einbringen des Schussfadens gefunden. Nach der Beseitigung einiger Kinderkrankheiten verbreitete sich seit den 1760er Jahren der 1733 entwickelte „Schnellschütze“ mit großer Geschwindigkeit. Das Weben bestand also aus drei Grundvorgängen: der Fachbildung, dem Einschießen und dem Anschlagen des Fadens. Die erstmalige Lösung des Mechanisierungsproblems gelang in der zweiten Hälfte der 1780er Jahre einem Nichtfachmann, dem Geistlichen Edmund Cartwright (1743–1823). Seine Webmaschine brachte jedoch wenig Vorteile gegenüber dem Handweben. Außerdem ließen sich auf ihr nur einfache, grobe Gewebe herstellen. Tatsächlich dauerte es bis in die 1820er Jahre, dass qualifizierte Techniker Webmaschinen konstruierten, die dem Handweben deutlich überlegen waren. In dem Jahrzehnt zwischen 1820 und 1830 stieg die Zahl der Webmaschinen in Großbritannien von etwa 14.000 auf 100.000. Innerhalb kurzer Zeit fanden sich Handwebstühle nur noch in Nischen. Schlussendlich erfasste die Maschinisierung auch die (nachgelagerten) Arbeiten der Tuchappretur und Tuchveredelung. Hierzu ein Beispiel aus der Herstellung von Wolltuchen: Unbehandelte Wolltuche haben raue Wollhärchen, die beim Tragen kratzen. Deshalb schoren qualifizierte, hoch bezahlte Handarbeiter die Tuche mit großen Handscheren, die eher überdimensionierten Rasiermessern glichen. Daran schloss das Pressen der Wolltuche an. Die Maschinisierung des Scherens erfolgte in zwei Stufen: Zuerst wurden die Tuche mit Hilfe von Walzen über feststehende Schermesser gezogen. Bei der 1815 entwickelten Walzenschermaschine wurden sie zwischen einer nach dem Prinzip eines Hand-Rasenmähers arbeitenden Schwerwalze und einem Schermesser hindurch bewegt. Insgesamt erhöhte sich die britische Textilproduktion von 1750 bis 1850 um das 8 bis 10-fache.360 Etwa ein Drittel der Produktion dürfte in den Export gegangen sein, ein Drittel lässt sich durch das Bevölkerungswachstum erklären, und ein weiteres Drittel resultierte aus der auf eine Person entfallende Kleidermenge. Aus den maschinengefertigten groben Baumwolltuchen entstand Arbeits- und Alltagskleidung für breite Schichten. Eine zeitgenössische Bezeichnung für die Arbeiter, „Fustianjackets“, bezog sich auf den festen Baumwollsamt ihrer Kleidung. Im Gegensatz dazu nannte man die Bürger „Broadclothes“, ein Namen für feine Wolltuche. Eine beliebte einfache Baumwollware stellte bedruckter Kattun dar. Seit etwa 1800 entstanden aus Mulegarn auch feinere Baumwollgewebe. Musselin, Batist, Gaze und Tüll bildeten das Ausgangsmaterial für leichte und qualitativ hochwertige Damenkleidung. Nicht nur die Oberschichten, 360 Zum britischen Textilmarkt: Edwards, Growth; Farnie, The English Cotton Industry.

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sondern auch die Unterschichten ließen sich von der Mode gefangen nehmen.361 In den Oberschichten verbreiteten Frauenzeitschriften, Modemagazine und auf Karton gedruckte Abbildungen die neueste Mode. Die Unterschichten eigneten sich modische Kleidung mit Hilfe eines florierenden Altkleiderhandels an. Zumindest mit Accessoires, mit Hüten, Schnallen, Knöpfen, Bändern, Tüchern, ließ sich modischer Eindruck schinden. Kleider verkauften sich also nicht zuletzt durch modische Gestaltung. Variationsmöglichkeiten ergaben sich unter anderem durch Struktur und Farbe der Stoffe. Die Struktur ließ sich verändern, indem man verschiedene Garne, wie Baumwolle und Leinen, zu Mischgeweben mit glänzendem Aussehen verarbeitete. Eine andere Möglichkeit stellt die Musterweberei dar. Die Muster entstehen durch unterschiedliche Fächer, d.h. durch Veränderungen bei der Kombination der Kettgarne. Für einfache Muster reichten Webstühle mit mehreren Tritten und Schäften aus. Für die Erzeugung komplexer Muster verwandte man ein kompliziertes Schnürensystem, den „Harnisch“. Jugendliche Arbeiter, die „Ziehjungen“, zogen die Kettfäden in wechselnder Kombination hoch und bildeten dadurch die das Muster erzeugenden Fächer. Im frühen 18. Jahrhundert wurde die Wahl der Kettfäden halb automatisiert, ein Gehilfe steuerte die Kettfadenkombination durch Eingabe von Lochkarten. 1805 entwickelte der von der französischen Regierung geförderte professionelle Erfinder Joseph Marie Jacquard (1752–1834) die nach ihm benannte Maschine. Bei der Jacquardmaschine erfolgte das Einrücken der Lochkarten nicht mehr durch einen Gehilfen, sondern durch den Weber selbst mit Hilfe eines Fußhebels. Die Jacquardmaschine kam zunächst in der Seidenweberei von Lyon zum Einsatz. Von dort wurde sie nach England transferiert und für andere Garne modifiziert. Eine weitere Möglichkeit modischer Variation bietet das Färben der Garne, Stoffe oder Kleider. Seit den 1760er Jahren schossen die Weber mit Hilfe von Wechselladen Garne unterschiedlicher Farbe in das Fach ein. Die Jacquardweberei eröffnete erweiterte Möglichkeiten der Bildung farbiger Muster. Außerdem ließen sich gebleichte Tuche farbig bedrucken. Seit Jahrhunderten färbte man hierfür Modeln ein, Druckplatten, die das Muster enthielten. Für kostbare Gewebe wurde im 19. Jahrhundert der Plattendruck mechanisiert. Preiswerte farbige Tuche entstammten dem neuen wesentlich produktiveren Rotationsdruck mit Kupferwalzen. Die Textilindustrie übte eine kaum zu überschätzende Wirkung auf andere Industriezweige aus. Sie war einer der wichtigsten Kunden des Maschinenbaus sowie der im Verlauf der Industriellen Revolution entstehenden Chemieindustrie362. Wenn man Textilien nicht in der natürlichen Farbe ihres Rohmaterials tragen möchte, müssen die Rohmaterialien, die Garne oder die 361 Zur Mode in der Industriellen Revolution: McKendrick/Brewer/Plumb, Birth, S. 34– 99. 362 Überblicke zur Chemieindustrie in der Industriellen Revolution bieten: Osteroth, Soda;

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Tuche gereinigt und gebleicht werden. Danach kann man sie färben oder bedrucken. In der vorindustriellen Zeit breitete man das Bleichmaterial auf Rasenflächen aus, besprengte es von Zeit zu Zeit mit Wasser und überließ den Bleichvorgang der Sonne. Die „Rasenbleiche“ war ein langwieriger Vorgang, der große Flächen benötigte. Deswegen suchte man sie durch Zugabe von organischen Stoffen abzukürzen. Hierzu gehörten aus Holz gewonnene Pottasche, Buttermilch, Urin und anderes mehr. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden Bleichmittel organischen Ursprungs zunehmend durch anorganische ersetzt. In der historischen Reihenfolge waren dies Schwefelsäure, Chlor und Soda. Die Bleiche erfolgte in einem mehrstufigen Prozess in Bottichen. Schwefelsäure erzeugten Apotheken seit alters her in geringen Mengen in Glasgefäßen. Das Hauptproblem für eine industrielle Produktion bestand in der Vergrößerung der Reaktionsbehälter. Die entscheidende Idee hatte der Unternehmer John Roebuck (1718–1794) im Jahre 1746. Er ließ die Reaktion in Bleikammern ablaufen, welche den aggressiven Gasen und Säuren widerstanden. Eine weitere Verbilligung der Produktion ließ sich durch zwei Grundstrategien der industriellen Massenproduktion erreichen: den Anfang des 19. Jahrhunderts erfolgenden Übergang vom diskontinuierlichen zum kontinuierlichen Betrieb und die Vergrößerung der Produktionsanlagen. Der Bau größerer Bleikammern erforderte vor allem neue Fügetechniken, wie Nieten, Falzen, Löten und Schweißen mit Wasserstoff. Die ersten Roebuckschen Bleikammern besaßen ein Volumen von 6 m³, gegen Ende der 1820er Jahre gab es Bleikammern von 1.000 m³, kurz nach 1900 von 10.000 m³. Bei dem 1774 entdeckten Element Chlor bestand das Problem darin, es in eine für Transport und Anwendung geeignete Form zu bringen. Der entscheidende Schritt bildete der Umstieg von Chlorwasser auf Chlorkalk durch den schottischen Chemiker Charles Macintosh (1766–1843) Ende des 18. Jahrhunderts. Chlorkalk ließ sich in Fässern transportieren. Zum Bleichen wurde das Chlor freigesetzt, indem man den Chlorkalk mit Säuren übergoss. Hinter der Suche nach künstlicher Soda stand das Bestreben, die aus riesigen Mengen Holz gewonnene Pottasche zu ersetzen. Ein wirtschaftlich brauchbares Verfahren fand 1789 der französische Arzt und Chemiker Nicolas Leblanc (1742–1806). Große Mengen Soda wurden aber erst seit den 1820er Jahren in Großbritannien erzeugt. Innerhalb weniger als 20 Jahren entstanden dort mehr als hundert Sodafabriken. Die preiswerte Soda verbilligte das Bleichen, die Glasmacherei und die Seifenproduktion. Sie leistete einen Beitrag, dass die Textilien bunter wurden, sich Glas als Baumaterial etablierte und sich höhere hygienische Ansprüche befriedigen ließen. Gleichzeitig gehörten die Sodafabriken aber auch zu den schlimmsten Umweltver-

Haber, The Chemical Industry During the Nineteenth Century; Warren, Chemical Foundations.

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schmutzern des 19. Jahrhunderts.363 Zur Eindämmung der Schadstoffemissionen wurde in England 1863 das erste produktionsbezogene Umweltschutzgesetz in Europa erlassen.

3.1.3. Steinkohle und Stahl Im Laufe der Industriellen Revolution wurde Steinkohle zum wichtigsten Primärenergieträger.364 Der Aufstieg der Steinkohle bedeutete einen menschheitsgeschichtlich grundlegenden Wandel: der Übergang von einem regenerativen solaren Energiesystem zu einem endlichen fossilen.365 Bis zur Industrialisierung nutzten die Menschen auf der Energie der Sonne beruhende, sich erneuernde Energiequellen wie Holz und andere Biomasse, menschliche und tierische Kraft sowie Laufwasser. Dabei hatten sie sich auf diesen Energiequellen inhärente Begrenzungen einzustellen. Der Übergang zur Kohle und später zum Öl und zur Kernkraftnutzung weitete die energetische Basis der Gesellschaft immens aus. Heute sind wir uns bewusst, dass auch diese Energieressourcen endlich sind und ihre Nutzung zu globalen Umweltschäden führt. Entsprechend unterschiedlich fällt die Bewertung des Übergangs vom solaren zum fossilen Energiesystem in der Industriellen Revolution aus: Manche Historiker heben hervor, dass erst die Steinkohlenutzung den Weg zur industriellen Durchdringung und damit zu materiellem Wohlstand frei machte. Andere sehen darin die Abkehr von einer sich entwickelnden umweltfreundlichen regenerativen Kreislaufwirtschaft. In England lassen sich schon früh lokale und regionale Verknappungen von Holz und dadurch bewirkte steigende Preise feststellen. Der Preisanstieg förderte die seit dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit zunehmende Steinkohlenutzung. Schon im 17. Jahrhundert fuhr man Schächte bis zu einer Tiefe von 100 m auf. In der vor- und frühindustriellen Zeit stand die Hausheizung an der Spitze des Verbrauchs. Außerdem benötigte man die Energie der Kohle in zahlreichen Gewerben: in Salzsiedereien, Glasmachereien, Töpfereien, Ziegeleien, Bierbrauereien, der Kupferverhüttung usw. Mit der Industrialisierung kamen weitere Großverbraucher hinzu: die Eisen- und Stahlerzeugung, die chemische Industrie und schließlich die Dampfmaschine, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zur wichtigsten industriellen Kraftmaschine entwickelte. Während der Industrialisierung erhöhte sich die Produktivität des Kohlebergbaus nur wenig. Bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts erfolgte der Abbau vor Ort weiterhin mit den traditionellen Techniken der Handarbeit, 363 Vgl. u. S. 212–14. 364 Zum britischen Steinkohlebergbau: Flinn/Stoker, History. 365 Auf die Bedeutung dieses Übergangs hat besonders Rolf Peter Sieferle in seinen Arbeiten hingewiesen: z.B. Sieferle, Rückblick.

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mit Schlägel, Eisen und Spitzhacke. Die Ausweitung der Förderung gelang in erster Linie durch Vergrößerung der Reviere und Vermehrung der Arbeitskräfte. Der Einsatz der Newcomenschen und später der Wattschen Dampfmaschine ermöglichte es, das Grubenwasser aus größeren Tiefen zu heben. Hatte man um 1730 im britischen Steinkohlenbergbau noch maximal etwa 200 m erreicht, so in den 1830er Jahren etwa 600 m. Die Maschinisierung brauchte im Bergbau wegen der schwierigen Verhältnisse länger als in anderen Gewerbezweigen. Im 19. Jahrhundert setzten die Zechen mehr und mehr Dampfmaschinen ein, und zwar zuerst als Fördermaschinen und später für das Einfahren der Bergleute. Eine technische Voraussetzung hierfür war der seit den 1830er Jahren stattfindende Austausch der Hanfseile durch Drahtseile. Vom Abbaupunkt brachten Hilfskräfte die Kohle in Tragebehältern zu einem Verladepunkt, oder sie füllten sie direkt in einen auf hölzernen oder gusseisernen Schienen laufenden Förderwagen. Bei höheren Stollen zogen Tiere die Wagen. Bei niedrigen setzte man Kinder und Jugendliche ein, welche sich bei flachen Stollen manchmal kriechend fortbewegen mussten. In einem englischen Grubenrevier bestand 1840 mehr als 40 % der Belegschaft aus Heranwachsenden. Später schränkte die Gesetzgebung die Kinderarbeit ein. Dies ließ die Zahl der im Bergwerk arbeitenden Esel, Ponys und Pferde in die Höhe schnellen. Die Tiere hatten ihre Ställe im Berg und erblickten nie das Tageslicht. Eine weitere Maschinisierungswelle setzte erst im späten 19. Jahrhundert ein.366 Spezielle Sicherheitssprengstoffe, Schrämmaschinen, welche die kohleführenden Schichten unterschnitten, und Abbauhämmer erleichterten bei geeigneter Lagerung die Kohlegewinnung. Nach der Jahrhundertwende beförderten Schüttelrutschen und in späterer Zeit Transportbänder die Kohle aus dem Streb. Seit den 1860er Jahren bewegten auf den Hauptstrecken von zentralen Kraftmaschinen angetriebene Ketten- und Seilzüge die Förderwagen, seit den 1880er Jahren Elektro- oder Pressluftlokomotiven. Überhaupt nahm der Einsatz elektrischer Energie über und unter Tage zu. Arbeit unter Tage bedeutete und bedeutet höchstes Risiko.367 Jedes Jahr kamen und kommen tausende Bergleute ums Leben. Einzelne im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehende Katastrophen forderten hunderte Menschenleben. Im 19. Jahrhundert standen an der Spitze der Unfallursachen Schlagwetter-, d.h. Gasexplosionen, das Einbrechen der Decke, bedingt durch Vernachlässigung des Stollenausbaus, sowie Stürze in die Schächte, was auf mangelnde Sicherungsvorkehrungen schließen lässt. Abhilfe kam weniger durch die Grubenbesitzer, sondern aufgrund öffentlicher und staatlicher Initiativen. So wurden auf Anregung eines privaten Vereins Sicherheitslampen entwickelt. Nach einem großen Unglück schrieb der Staat eigene Wetter366 Vgl. hierzu für Deutschland: Kundel, Der technische Fortschritt; Burghardt, Mechanisierung. 367 Vgl. hierzu für Deutschland: Farrenkopf, Schlagwetter.

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schächte vor, welche die Gruben mit Frischluft versorgten. Später baute man die Stollen mit Metall und nicht mehr mit Holz aus. Auf diese Art und Weise gelang es zumindest in den Industrieländern, die Zahl der tödlichen Unfälle etwa seit der Jahrhundertwende zurückzudrängen. Aufgrund der zunehmenden Mechanisierung und Automatisierung näherte sich die Unfallhäufigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg sogar dem industriellen Durchschnitt an. Im Verlauf der Industriellen Revolution erhöhte sich die Nachfrage nach Eisen und Stahl.368 Eisen und Stahl benötigte man in der Bautechnik, man denke an die Errichtung von Brücken und Gebäuden, im Verkehrswesen, man denke an Eisenbahnen und Eisenschiffe, und im Maschinenbau. Am Vorabend der Industriellen Revolution stand Großbritannien weder quantitativ noch qualitativ an der Spitze der europäischen Eisenproduktion. Einen größeren Teil des Eisenbedarfs deckten Importe, vor allem aus Schweden, aber auch aus Russland und Spanien. Bis etwa 1780 importierte Großbritannien mehr Eisen, als es selbst produzierte. Für die Verhüttung von Eisenerzen und die Herstellung von Stahl benötigte man Holzkohle, welche in dem waldarmen Großbritannien teuer war. Die Kosten- und Ressourcenseite legte also einen Umstieg von Holzkohle auf Steinkohle nahe. Das Problem bestand darin, dass Steinkohle Stoffe enthält, die der Qualität des Eisens schaden. Nach der erfolgreichen Einführung neuer Verfahren der Eisen- und Stahlerzeugung mit Hilfe von Steinkohle wurde Großbritannien nach 1800 der größte Eisenerzeuger und Eisenexporteur der Welt. Formbarer Stahl entsteht in einem zweistufigen Prozess: durch die Verhüttung von Eisenerzen zu Roheisen im Hochofen und – wobei der Kohlenstoffanteil reduziert wird – durch das Frischen des Roheisens. Anschließend wird der Stahl vergossen oder durch Schmieden, Walzen oder Pressen zu Stabeisen, Flacheisen oder Blech umgeformt. Die Ersetzung von Holzkohle durch Koks bzw. Steinkohle erfolgte zuerst im Hüttenprozess und später im Frischprozess. Das erste brauchbare Koksroheisen erzeugte 1709 Abraham Darby (1677–1717), der in seinem Hüttenwerk in Mittelengland eiserne Gusswaren, z.B. Töpfe, herstellte. Aber erst seit den 1760er Jahren – nach der technischen und wirtschaftlichen Verbesserung des Prozesses – fand der Kokshochofen weitere Verbreitung. Die Fortschritte bei der Roheisenerzeugung schufen einen ökonomischen Engpass beim Eisenfrischen. Die wichtigste Technologie zu seiner Überwindung fand der Kaufmann Henry Cort (1740–1800) mit dem Puddelverfahren im Jahre 1784.369 Der Erfindungsgedanke Corts bestand darin, dass er die von ihm eingesetzte Steinkohle im Puddelofen vom Roheisen trennte und damit Verunreinigungen unterband. Der Puddler rührte das flüssige Eisenbad mit einer schweren Stange um und sorgte damit für die Verbrennung von 368 Zum britischen Hüttenwesen: Hyde, Technological Change; Harris, The British Iron Industry; Evans/Rydén, The Industrial Revolution. 369 Vgl. Paulinyi, Das Puddeln.

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Kohlenstoff. Es handelte sich um eine viel Erfahrung erfordernde schwere körperliche Arbeit. Das nötige Wissen ließ sich nur am Ofen selbst erwerben. Innerhalb weniger Jahrzehnte entstanden tausende Puddelöfen. Seine weiteste Verbreitung fand das Verfahren in den 1870er Jahren. Danach wurde der handwerkliche Puddelprozess durch Massenstahlverfahren abgelöst, das Bessemer-, Thomas- und das Siemens-Martin-Verfahren. Das erste erfolgreiche Massenstahlverfahren fand der professionelle englische Erfinder Henry Bessemer (1813–1898) im Jahre 1856. Beim Bessemerprozess rührte eingeblasene Luft das sich in einem Konverter befindliche flüssige Roheisen um, wobei der überschüssige Kohlenstoff und weitere unerwünschte Stoffe verbrannten. Danach wurde der Bessemerstahl vergossen und gewalzt. Die ersten Bessemer-Konverter produzierten in einer knappen halben Stunde etwa die Tagesleistung eines Puddelofens. Die späteren besaßen ein weit größeres Fassungsvermögen. Das 1878 gefundene und nach dem Chemiker Sidney Gilchrist Thomas (1850–1885) benannte Thomasverfahren erweiterte das Bessemerverfahren auf die Verwendung phosphorreicher Erze. Der Unterschied zwischen beiden Verfahren bestand in erster Linie in einer anderen Auskleidung der Konverter. Die dritte wichtige Möglichkeit der industriellen Erzeugung von Stahl, das Siemens-Martin-Verfahren, entstand 1863/64 für bestimmte Roheisenqualitäten und wurde in den 1880er Jahren zum universellen Frischverfahren weiter entwickelt.370 Es nutzte die Abwärme in einem Regenerativofen und erreichte damit hohe Prozesstemperaturen. Im Siemens-Martin-Ofen ließ sich auch Schrott einschmelzen. Die verschiedenen Stähle besaßen unterschiedliche Anwendungsfelder. Aus Bessemerstahl wurden in erster Linie Eisenbahnschienen gefertigt, das große Massengeschäft in der Zeit zwischen 1830 und 1890. Aufgrund seiner geringeren Qualität eignete sich der Thomasstahl dagegen nicht für die großen Märkte des 19. Jahrhunderts: für Eisenbahnschienen und Schiffsbleche. Sein Vorteil bestand darin, dass er weicher war als der Bessemerstahl und sich leichter verarbeiten ließ. Die deutschen Hüttenwerke fertigten aus Thomasstahl vor allem Draht, geschweißte Röhren und zur weiteren Verarbeitung bestimmtes Halbzeug. Bei den Schiffsblechen dominierte der Siemens-Martin-Stahl, der aber auch besonders teuer war. Der Thomasstahl hielt sich aufgrund seines günstigen Preises bis in die 1960er Jahre, der Siemens-MartinStahl noch länger. Mit der Zeit nahmen jedoch das 1949 entwickelte Sauerstoff-Aufblasverfahren, bei dem mit einer Lanze reiner Sauerstoff auf das Eisenbad geblasen wird,371 sowie die Elektrostahlerzeugung den älteren Verfahren Marktanteile ab.

370 Vgl. Riedel, Der Siemens-Martin-Ofen. 371 Vgl. Köstler, Weg.

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In den großen Stahl erzeugenden Ländern entstanden zunächst – aufgrund der Unterschiede bei den Rohstoffen, den Löhnen und der Märkte – voneinander abweichende Stahlwerkskonzeptionen.372 In ihnen kann man Beispiele für das Phänomen unterschiedlicher nationaler Technikstile und Technikkulturen sehen.373 In Großbritannien dominierte bei einfacheren Stählen das Bessemerverfahren und bei teureren das Siemens-Martin-Verfahren. Die britischen Eisenhütten besaßen besonders bei Qualitätsstählen eine führende Position. Im späten 19. Jahrhundert bezogen sich die wichtigsten britischen Innovationen auf die Energieeffizienz. Man entwickelte einen kontinuierlichen Prozess, bei dem das Erz „in einer Hitze“ zu Roheisen, das Roheisen zu Stahl und der Stahl zu Walzprodukten verarbeitet wurde, d.h. ohne dass man ein Zwischenprodukt erkalten ließ und wieder erhitzen musste. Bei dem im 20. Jahrhundert ausgearbeiteten „Verbundprozess“ deckt die im Hochofen zugeführte Energie sogar die gesamte Energienachfrage des Hüttenwerks ab. Die amerikanischen Eisenhütten konzentrierten sich darauf, die riesige Inlandsnachfrage des Eisenbahnbaus zu decken. Da hohe Schutzzölle den Binnenmarkt abschotteten, spielten Kosten und Qualität eine untergeordnete Rolle. Aufgrund der Knappheit an Arbeitskräften bestand das entscheidende Problem darin, überhaupt die verlangten riesigen Mengen zu produzieren. Die Antwort auf diese Herausforderung stellte der „Schnellbetrieb“ dar. Man bemühte sich, die einzelnen Erzeugungsstufen optimal aufeinander abzustimmen und den betrieblichen Ablauf zu beschleunigen. So machte man zum Beispiel nicht wie in Europa die Böden der Bessemerkonverter haltbarer, sondern entwickelte stattdessen Methoden zu ihrer schnellen Auswechslung. Der amerikanische Schnellbetrieb brachte eine Verdichtung der Arbeit und eine höhere Belastung mit sich. Um die Arbeiter bei der Stange zu halten, gestanden die Stahlunternehmer Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich zu. Das in Deutschland verbreitete Thomasverfahren verarbeitete besonders preisgünstige Erze. Es konkurrierte zunächst weniger mit dem qualitativ überlegenen Bessemer- und dem Siemens-Martin-Verfahren, sondern mit der Herstellung von Puddelstahl. Als produktionsökonomisches Hindernis erwies sich dabei das Gießen des Stahls. Das Gießen der vielen kleinen Teile nahm beträchtliche Zeit in Anspruch. Eine Beschleunigung erreichte man durch die räumliche Trennung von Frischen und Gießen. Ein dampfgetriebener Wagen nahm den Konverterstahl auf und brachte ihn in eine separate Gießhalle, wo man Zeit und Platz für das Vergießen besaß.

372 Vgl. Wengenroth, Unternehmensstrategien; vgl. für Deutschland: Feldenkirchen, Die Eisen- und Stahlindustrie; Wengenroth, Deutscher Stahl; Kleinschmidt, Rationalisierung; Welskopp, Arbeit; vgl. für die USA: Misa, Nation. 373 S. o. S. 67–71.

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Auf diese Art und Weise entwickelten die Stahlindustrien der großen Industrieländer seit den 1860er Jahren spezifische Lösungen. In Großbritannien wurde der energiesparende kontinuierliche Prozess eingeführt, in den USA der Schnellbetrieb und in Deutschland die räumliche Trennung von Frischen und Gießen. Seit dem späten 19. Jahrhundert wuchsen die drei Elemente zusammen und bildeten Grundelemente des modernen Stahlwerks.

3.1.4 Maschinenwelten und Produktionssysteme Die Industrielle Revolution nutzte als wichtigste Energiequelle die Wasserkraft. In England überflügelte die Dampfmaschine374 das Wasserrad – auf die Gesamtleistung bezogen – erst um 1815. Auf lange Sicht übte die Dampfmaschine jedoch zwei revolutionierende Wirkungen aus. Sie machte die Fabriken unabhängig von Standorten an Wasserläufen. Und sie verbreiterte die Energiebasis für die industrielle Entwicklung. Die erste Kolbendampfmaschine von praktischer Bedeutung baute zu Beginn des 18. Jahrhunderts der in Südwestengland beheimatete Eisenhändler und Schmied Thomas Newcomen (1663–1729). Die ineffiziente, langsam laufende atmosphärische Maschine nutzte die Druckdifferenz zwischen einem durch Kondensation erzeugten Unterdruck im Zylinder und dem äußeren Luftdruck. Sie verbrauchte Unmengen an Kohle, was aber bei dem wichtigsten Einsatzzweck, dem Antrieb von Pumpen für die Wasserhaltung von Kohlebergwerken, keine große Rolle spielte. Um 1800 befanden sich im britischen Kohlebergbau mehr als 1.000 Newcomensche Dampfmaschinen. James Watt (1736–1819) setzte mit seinen Arbeiten seit den 1760er Jahren am hohen Brennstoffverbrauch der Newcomenschen Dampfmaschine an. Sein entscheidender Gedanke bestand darin, die Kondensation des Dampfes nicht mehr im Zylinder, sondern in einem davon getrennten Gefäß, dem Kondensator, stattfinden zu lassen. Auf diese Weise blieben die Zylindertemperaturen hoch und die Kondensatortemperaturen niedrig, während der Zylinder der Newcomen-Maschine ständig aufgeheizt und abgekühlt wurde. Abgesehen von dieser energetischen Optimierung machte Watt die Dampfmaschine durch zahlreiche Verbesserungen zur universellen industriellen Kraftmaschine. Nach 1800, als die Wattschen Grundpatente ausliefen, verbreitete sich die Dampfmaschine mit großer Geschwindigkeit. Andere Innovatoren entwickelten die Wattsche Niederdruckmaschine zur Hochdruckmaschine und eröffneten ihr damit die Eisenbahn als neues Anwendungsfeld.375 Etwa ein Jahrhundert lang war die Dampfmaschine die wichtigste industrielle Kraftmaschine. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kamen weitere Kraft374 Zur Dampfmaschine in der Industriellen Revolution: Tunzelmann, Steam Power; Hills, Power; Kanefsky/Robey, Steam Engines. 375 S. u. S. 150–52.

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maschinen dazu. Die Wasserräder erfuhren konstruktive Verbesserungen.376 Etwa seit den 1820er Jahren wurden Wasserturbinen entwickelt, bei denen im Unterschied zu den Wasserrädern die Schaufeln voll- und nicht teilbeaufschlagt werden. Die Zentren der Wasserkraftnutzung lagen in kohlearmen und wasserreichen Regionen Frankreichs, Deutschlands und der USA.377 Eine größere Energieausbeute als die Ausnutzung der Dampfspannung versprach die Explosion eines Brennstoff-Luft-Gemischs im Kolben.378 Die Beherrschung der dabei auftretenden enormen Kräfte stellte den Maschinenbau vor große Herausforderungen. Es dauerte bis in die 1860er Jahre, dass wirtschaftlich einsetzbare Gasmaschinen zur Verfügung standen. Einen Durchbruch erlebten die Verbrennungskraftmaschinen aber erst seit 1876 mit dem nach Nikolaus August Otto (1832–1891) benannten Ottomotor und seit 1897 mit dem nach Rudolf Diesel (1858–1913) benannten Dieselmotor379. Die beiden Motoren eroberten sich im Laufe des 20. Jahrhunderts immer mehr Anwendungen, zuerst als stationäre Maschinen, mit der Zeit auch als Antriebe für Straßenfahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge. Seit den 1880er Jahren drangen zudem verstärkt Elektromotoren in die Industrie und in das Verkehrswesen ein. Die neue Vielzahl der motorischen Antriebe drängte die Dampfmaschine mehr und mehr in Nischen ab. Mit ihrer Mutation zur Dampfturbine behielt sie bei der Erzeugung elektrischer Energie in Kraftwerken den letzten großen Massenmarkt. Wurde der Stellenwert der Dampfmaschine für die Industrielle Revolution lange Zeit überschätzt, so jener der Werkzeugmaschine unterschätzt.380 Werkzeugmaschinen gelangten in größerem Umfang erst nach 1800 zur Verwendung. Vorher wurden sowohl die frühen Textilmaschinen wie die frühen Dampfmaschinen als Einzelstücke von Hand mit den üblichen Werkzeugen der Metall- und Holzbearbeitung gefertigt. Mit qualifizierter handwerklicher Arbeit ließ sich eine hohe Qualität erzielen – allerdings mit beträchtlichem Aufwand. Der Anstoß für Veränderungen dieses Systems kam aus der Textilindustrie. Die Nachfrage nach vor allem aus dem Werkstoff Eisen bestehenden Textilmaschinen und millionenfach benötigten Massenteilen, wie Zahnrädern, Spindeln, Streckwalzen und Häkchen für die Kardiermaschinen, weitete sich enorm aus. Zu ihrer Befriedigung konstruierten Spezialfirmen Einzweck-Werkzeugmaschinen. Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert begann die Entwicklung von Universal-Werkzeugmaschinen für die spanende Bearbeitung von Metal376 Zur Wasserkraft s. die allgemeine Literatur zur Industriellen Revolution; einen ersten Zugang eröffnet: Reynolds, Stronger. 377 Zur Wasserkraftnutzung in den USA: Hunter, History. 378 Vgl. zu den Verbrennungskraftmaschinen: Sass, Geschichte. 379 Vgl. Thomas, Diesel. 380 Zur Werkzeugmaschine in der Industriellen Revolution: Woodbury, Studies; Rolt, Tools.

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len. Eine große Bedeutung besaßen dabei die Universal-Drehmaschinen, weil der Anteil rotationssymmetrischer Teile bei Kraft- und Arbeitsmaschinen sehr hoch ist. Bei der Drehmaschine und anderen Werkzeugmaschinen wird das Werkstück eingespannt und das Werkzeug mechanisch geführt. Die in späterer Zeit konstruierten Automaten steuern sämtliche Relativbewegungen zwischen Werkzeug und Werkstück nach mechanisch oder elektronisch gespeicherten Befehlen. Die Universal-Drehmaschine stellt das Ergebnis längerer Entwicklungsarbeiten dar. Einen wichtigen Beitrag leistete die 1794 von dem Mechaniker Henry Maudslay (1771–1831) gefertigte, mit einem Werkzeugschlitten ausgestattete Schrauben- und Spindeldrehmaschine. Aus dieser Schraubendrehmaschine leitete er wenig später eine Universal-Drehmaschine ab. Maudslays Bedeutung liegt nicht nur in seinen Maschinen, sondern auch darin, dass nicht wenige der bekanntesten englischen Werkzeugmaschinenbauer bei ihm in die Lehre gingen.381 Als sie genug gelernt hatten, machten sie sich selbständig. Der Kapitalbedarf für die Einrichtung einer kleinen Werkstatt war gering. Das Wachstum des Unternehmens ließ sich meist mit den Erträgen finanzieren. Die Drehmaschine bildete ein zentrales Element bei der Ersetzung der Hand-Werkzeug-Technik durch die Maschinen-Werkzeug-Technik. In den folgenden Jahrzehnten kamen weitere spanende Werkzeugmaschinen hinzu: Maschinen zum Hobeln, Stoßen, Fräsen, Bohren usw.; (Arbeits-) Maschinen wurden jetzt mit Hilfe von (Werkzeug-) Maschinen gebaut. In einem längeren historischen Prozess löste das System der Maschinenarbeit das System der Handarbeit ab. Im Gefolge der Werkzeugmaschinen expandierte die Maschinenwelt. Industriemaschinen, landwirtschaftliche Maschinen,382 aber auch Transport-, Kommunikations-383 und Kriegsmaschinen384 gestalteten die Arbeits- und Lebenswelt um. Die meisten der angeführten Werkzeugmaschinen entstanden in Großbritannien. Andere Industrienationen importierten die britischen Maschinen, bauten sie nach, modifizierten und verbesserten sie. Im Laufe des 19. Jahrhunderts musste die Werkzeugmaschinenindustrie Großbritanniens385 ihre führende Position mit anderen Nationen, darunter den USA, teilen.386 Eine

381 Vgl. Cantrell/Cookson, Henry Maudslay. 382 Vgl. zur Maschinisierung der Landwirtschaft: Fitzgerald, Every Farm; Fitzgerald, Beyond Tractors; Franz, Geschichte; Herrmann, Pflügen; Herrmann, Veränderung. 383 S. u. S. 152–57 u. 200–11. 384 S. u. S. 165–69. 385 Vgl. Floud, The British Machine Tool Industry. 386 Zum deutschen Werkzeugmaschinenbau: Benad-Wagenhoff, Industrieller Maschinenbau; Haak, Entwicklung.

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besondere Bedeutung gewann die amerikanische Werkzeugmaschinenindustrie bei der Entwicklung des Austauschbaus für die Massenproduktion.387 Der Maschinenbau des 19. Jahrhunderts war ein Mischsystem aus Maschinenarbeit und qualifizierter Handarbeit. Bei der spanenden Bearbeitung stellten die Werkzeugmaschinen auf zeit- und damit kostensparende Weise Rohlinge her. Die maschinell gearbeiteten Teile waren jedoch nicht passfertig. Bei der Einpassung in die Maschine bedurften sie der handwerklichen Nacharbeit mit Feile, Schaber oder Schmirgelwerkzeugen. Die Metallhandwerker arbeiteten also damals noch genauer als die Werkzeugmaschinen. In diesem Mischsystem entstanden natürlich – streng genommen – Einzelstücke und keine identischen Maschinen mit Austauschteilen. Der größte Anreiz, Austauschbarkeit zu erzielen, bestand in der Waffenproduktion. In kriegerischen Konflikten eröffnete der Austauschbau die Möglichkeit, unbrauchbar gewordene Musketen- oder Pistolenteile schnell auszuwechseln. Seit den 1820er Jahren lösten amerikanische Waffenfabriken die mit dem Austauschbau verbundenen Probleme – auch dies im Mischsystem von Maschinenarbeit und qualifizierter Handarbeit. Die dabei anfallenden höheren Kosten nahm das Militär in Kauf. Um die gleiche Zeit entstanden auch Wand- und Tischuhren mit austauschbaren Teilen. Ausgehend von diesen Pionierindustrien gelangte der Austauschbau in andere Branchen: den Bau von Nähmaschinen, landwirtschaftlichen Maschinen, Schreibmaschinen, Fahrrädern und anderem mehr. Der Austauschbau und die Massenproduktion langlebiger technischer Konsumgüter begründeten den Ruf und Erfolg des „American System of Manufactures“, wie die Zeitgenossen das amerikanische Produktionssystem seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nannten. Besonders in den USA waren die für das Mischsystem aus spezialisierter Maschinenarbeit und qualifizierter Handarbeit benötigten Facharbeiter knapp und die Arbeitskosten entsprechend hoch. Deshalb verstärkten Unternehmer und Ingenieure die Bemühungen, den Anteil der Handarbeit zu reduzieren oder – besser noch – ganz verschwinden zu lassen. Im Austauschbau der Massenproduktion erreichte man dies um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert durch ein Bündel von Maßnahmen, insbesondere verbesserte Werkzeugmaschinen und neue Messmethoden zur Überprüfung der Teile. Die fertigungstechnische Umwälzung im 19. Jahrhundert stand im Zusammenhang mit Bestrebungen, die Effizienz der Unternehmen zu erhöhen. Für die Gesamtheit der dabei angewandten technischen und organisatorischen Maßnahmen bürgerte sich später der Begriff „Rationalisierung“ ein. In den USA gewann die Rationalisierungsbewegung seit den 1870er Jahren auf-

387 Zum amerikanischen Werkzeugmaschinenbau und zur amerikanischen Massenproduktion: Wagoner, The U.S. Machine Tool Industry; Chandler, The Visible Hand; Mayr/ Post, Yankee Enterprise; Hounshell, From the American System; Hoke, Ingenious Yankees.

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grund der hohen Lohnkosten eine besondere Dynamik.388 Getragen wurde sie von einer Heerschar anonymer Ingenieure und Kaufleute. Einzelne Vertreter wie Frederick W. Taylor (1856–1915) und Henry Ford (1863–1947) gewannen jedoch in der Öffentlichkeit eine geradezu symbolische Bedeutung. Während sich Fords Name mehr mit der Mechanisierung und dem Fließband verband, stand Frederick W. Taylor mehr für arbeitsorganisatorische Veränderungen.389 Heute ist der Begriff Taylorisierung – historisch nicht ganz zu Recht – zum Synonym für Arbeitszerlegung und Dequalifizierung geworden. Taylor fasste zahlreiche an sich schon bekannte Rationalisierungsmaßnahmen zu einer Lehre zusammen, die er mit großem propagandistischem Talent in der Fachwelt und in der Öffentlichkeit vertrat. Sein zusammenfassendes Hauptwerk „The Principles of Scientific Management“ erschien 1911. Der Titel des Werks, ins Deutsche als „Die Prinzipien wissenschaftlicher Betriebsführung“ übersetzt, sagt schon das Entscheidende: Taylor erhob den Anspruch, die von Erfahrung und Faustregeln geprägte Arbeit in der alten Fabrik durch exakte wissenschaftliche Methoden zu ersetzen. Im Mittelpunkt seiner Lehre stand eine Analyse des Arbeitsprozesses. Seine Vorstellung ging dahin, dass es für jede Arbeit „the one best way“, eine optimale Form der Ausführung, gebe. Dieses Optimum gelte es durch Beobachtung und Messung zu ermitteln und dann die Arbeiter entsprechend anzulernen. Unter anderem maß Taylor die Dauer der einzelnen Arbeitsschritte mit der Stoppuhr. Die bei den jeweils besten Arbeitern gemessenen Mindestzeiten wurden um einen eher willkürlichen Zuschlag erhöht und zur Normzeit erklärt. Auf dieser Basis legte Taylor dann die Löhne fest. Wenn er auch betonte, dass die Arbeiter nicht über Gebühr belastet werden sollten, so bedeutete eine tayloristisch zugerichtete Arbeit doch üblicherweise eine Arbeitsverdichtung. Höhere Löhne in Form von Prämien sollten die Arbeiter für das System gewinnen. Den Ingenieuren wies Taylor eine zentrale Rolle zu. In neu eingerichteten Betriebsbüros – heute spricht man von der Arbeitsvorbereitung – übernahmen sie Aufgaben, die bislang den Meistern (oder den Arbeitern selbst) anvertraut waren. Die Ingenieure konzipierten die Arbeitsabläufe und schrieben sie den Arbeitern in Form detaillierter Anweisungen vor. Damit schuf Taylor eine neue Institution, die zwischen den Arbeitern und Meistern sowie dem Management stand. Die Bedeutung Henry Fords liegt darin, dass er die Prinzipien der Massenproduktion an einem hochkomplexen Produkt, dem Automobil, in die Tat 388 Zur amerikanischen Rationalisierungsbewegung: Haber, Efficiency; Nelson, Managers. 389 Als Überblick: Nelson, Frederick W. Taylor; als klassisches Werk und hervorragenden Einstieg in die Praxis des Taylorismus: Aitken, Scientific Management; zur Biographie Taylors: Kanigel, The One Best Way.

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umsetzte. Ford trieb die in den USA ohnehin bestehende Tendenz der Typisierung auf die Spitze, indem er seit 1908 nur noch ein einziges Auto, das Modell T, baute und die gesamte Fabrik darauf abstellte. Seine Intention ging dahin, durch konsequenten Maschineneinsatz und modernste Produktionstechnik den Preis des Modells zu reduzieren. Den Arbeitern blieben die Restarbeiten, welche die Maschinen nicht übernehmen konnten. Dies galt insbesondere für die Montage. Zum Symbol der Fordschen Produktionstechnik wurde das Fließband. Genauer handelte es sich um ein die ganze Fabrik durchdringendes System der fließenden Fertigung. In den Jahren 1913 und 1914 wurde nahezu das gesamte Werk umgerüstet. Schienenwege, Seilzüge, Ketten, Bänder und Gleitbahnen übernahmen den Transport der Teile. Die größte Schwierigkeit lag darin, die Arbeit in der Fließfertigung auf die gleichen zeitlichen Einheiten zuzuschneiden. Bisher bestimmten die Technik und die Qualifikation der Mitarbeiter die Teilarbeiten. Jetzt gab die Bandgeschwindigkeit die zeitliche Taktung vor. Das Band übernahm die Kontrolle der Arbeiter und trieb die ohnehin vorhandene Fremdbestimmung auf die Spitze. Die bei Ford herrschende Fluktuation beweist, dass die Arbeiter die Jobs an den Bändern als belastend und unbefriedigend empfanden. Die Fluktuation war in der amerikanischen Industrie und in der Autostadt Detroit an sich schon hoch, bei Ford jedoch noch wesentlich höher. Von den eingestellten Arbeitern hielt es nur ein kleiner Prozentsatz länger im Werk. Die enorme Abwanderung zwang das Management zum Handeln. Wenn die Arbeiter den hohen Anforderungen genügten, dann konnten sie bei Ford etwa das Doppelte des üblichen Lohns verdienen. Außerdem verkürzte das Unternehmen den Arbeitstag auf 8 Stunden im Dreischichtenbetrieb. Die aus den technisch-organisatorischen Maßnahmen resultierenden Produktivitätsgewinne erlaubten es Ford, die Preise für das Modell T in ungewöhnlichem Umfang zu reduzieren. Der Preis sank zwischen 1908 und 1916 von 850 auf 360 Dollar; im gleichen Zeitraum erhöhten sich die jährlichen Produktionszahlen von 6.000 auf 577.000 Autos. Anfang der 1920er Jahre besaß Ford einen Anteil von über 50 % am amerikanischen Automarkt. In der Zwischenkriegszeit wandelte sich das Automobil von einem Luxusgegenstand für Begüterte zu einem Massenprodukt auch für mittlere Einkommensschichten. Allerdings geriet Fords Konzept der Typisierung und Mechanisierung dabei an seine Grenzen. Die Kunden wandten sich mehr und mehr von dem Fordschen Einheitsmodell ab. Sie präferierten Wagen anderer Hersteller, die einen häufigeren Modellwechsel praktizierten. Als Konsequenz stellte Ford 1927 die Produktion des Erfolgsmodells T ein. Die starre Massenproduktion wurde durch flexiblere Produktionsformen ersetzt. Industrielle Massenproduktion heißt, die Produktion durch technische und organisatorische Maßnahmen zu erhöhen, ohne die Belegschaft gleicher-

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maßen zu vermehren.390 In vielen Fällen sinkt sogar die Zahl der Arbeitskräfte, während die Produktion steigt. Im 19. und 20. Jahrhundert fand die Massenproduktion in der Industrie breite Anwendung, bei der Produktion von Flüssigkeiten und Schüttgütern, wie bei Mehl und Bier, bei einfachen Stückgütern, wie bei Glas, Keramik und Garnen, bei komplexen Stückgütern wie dem Automobil, bei der Energiewandlung in Energieversorgungssystemen und bei der Informationsverarbeitung. Rationalisierung und Massenproduktion verfolgen eine Reihe allgemeiner Prinzipien. Zu diesen gehören fertigungsfreundliches Konstruieren, Standardisierung durch Typisierung und Normierung, Steigerung des Material-, Energie- und Informationsflusses durch Vergrößerung der Produktionseinheiten, Beschleunigung des Durchlaufs sowie Permanenz und Kontinuität der Produktion, Sparsamkeit sowie Maschinisierung und Automatisierung. Beim Maschinenbau benötigte die Massenproduktion zunächst ein hohes Maß an qualifizierter Arbeit. Allerdings setzten schon im 19. Jahrhundert Bestrebungen ein, von dieser Arbeit möglichst viel zu mechanisieren und zu automatisieren.391 Die Maschinenfabriken bauten Produktionsmaschinen, die Massenprodukte wie Garne, Nägel, Nieten oder Schrauben weitgehend automatisch fertigten. Bei solcher Massenware rentierten sich teure Maschinen und aufwendige Vorbereitungsarbeiten. Einen weiteren Schritt in Richtung Automatisierung stellte der maschinelle Transfer der Roh- und Halbfertigteile zu der Bearbeitungsmaschine dar bzw. von einer Werkzeugmaschine zur nächsten. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre begann man, Computer zur Steuerung und Regelung industrieller Anlagen einzusetzen – zuerst bei Ölraffinerien und Kraftwerken. Zur gleichen Zeit kamen computergesteuerte Werkzeugmaschinen auf den Markt. Die ersten baute die amerikanische Firma John Parsons, ein Hersteller von Rotorblättern für Hubschrauber, um 1950 gemeinsam mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT).392 Finanziert wurden die Arbeiten durch die US-Luftwaffe. Die Computersteuerung wurde bei der Herstellung komplexer, rechnerisch nach aerodynamischen Gesichtspunkten ermittelter Profile eingesetzt. Solche Profile waren überhaupt nur auf diese Art und Weise kostengünstig zu realisieren. Für andere Zwecke erwies sich die NC-Steuerung als zu unflexibel. Erst mit der Einführung der Arbeitsplatzprogrammierung seit 1975 stiegen die Verkaufszahlen. Eingesetzt wurden solche flexiblen Systeme besonders in der Kleinserienproduktion.

390 Allgemein zur Geschichte der Massenproduktion: „Massenproduktion und Rationalisierung“; Tolliday, Rise; König, Geschichte, S. 47–90; Brede, Instrument. 391 Vgl. Ruby, Maschinen. 392 Die Entwicklung und Auswirkung der NC-Maschinen ist mit einer umfangreichen Kontroverse verbunden: vgl. als Einstieg: Noble, Forces; Automatisierungsmythen.

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Die computergesteuerten Werkzeugmaschinen wurden als erster Schritt bei der Erweiterung der Automatisierung von der Massenproduktion zur Kleinserien- und Einzelfertigung interpretiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann eine exzessive öffentliche Automatisierungsdiskussion. Mit den elektronischen Rechnern schien die Möglichkeit gegeben, die gesamte Fertigung durch Computer steuern zu lassen und den Informationsfluss in der Fabrik zusammenzufassen. Das spätere Konzept der „flexiblen Fertigungssysteme“ ging von aufeinander abgestimmten numerisch gesteuerten Bearbeitungszentren und Transfereinrichtungen aus. Als Industrieroboter einzelne Montagearbeiten wie das Punktschweißen übernahmen, verbreiteten Protagonisten der Automatisierung die Vision der „menschenleeren Fabrik“. Lange Zeit hielt man den Dienstleistungs- und Verwaltungssektor für nicht automatisierbar. Seit den 1960er Jahren erwies sich dies aufgrund der Leistungserhöhung und des Preiszerfalls der elektronischen Rechner als Irrtum. Wie in der Produktion erwuchsen hieraus überzogene Visionen wie die des „papierlosen Büros“. Computer und Automaten sind heute aus Produktion und Verwaltung nicht mehr wegzudenken. Sie sparen Arbeit ein und machen zahlreiche Angebote erst erschwinglich. Nicht wenige Produkte und Dienstleistungen könnten ohne Computer und Automaten gar nicht mehr erstellt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Menschen und die alten Speichermedien völlig aus der Fertigung und der Verwaltung verschwinden. Die Visionen der „menschenleeren Fabrik“ und des „papierlosen Büros“ sind inzwischen jedenfalls selbst in die Ablage gewandert. 3.1.5 Transport- und Kommunikationsrevolutionen393 Die Industrielle Revolution in Großbritannien ging zunächst nicht mit einer technischen Revolutionierung394 des Transportwesens einher.395 Die Verkehrsträger und Verkehrswege waren die gleichen wie in den Jahrhunderten vorher, nämlich die Küsten- und Binnenschifffahrt sowie die Landstraßen. Eine technische Revolution fand dann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Nutzung der Dampfkraft bei den Eisenbahnen sowie den Seeund Binnenschiffen statt. Allerdings wurde das Transportwesen schon vorher beträchtlich ausgebaut. Die Straßenverbindungen erfuhren eine kontinuierliche Verbesserung, und nach 1780 entstanden zahlreiche neue Kanäle. 393 Einen Überblick zur Geschichte der Kommunikation bietet: Winston, Media Technology. 394 Zum Begriff der „Revolution“ s. o. S. 103ff. 395 Über Transport in der britischen Industriellen Revolution: Aldcroft/Freeman, Transport; Bagwell, The Transport Revolution; Bagwell/Lyth, Transport; Sieferle, Transportgeschichte, bes. S. 1–78.

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Die besten aus Stein gebauten Straßen396 fanden sich im 18. Jahrhundert nicht etwa in England, sondern im französischen absolutistischen Staat. In Großbritannien dominierten dagegen durch den Verkehr verdichtete Erdwege. Ihr häufig schlechter Zustand resultierte einerseits aus dem regenreichen Klima, andererseits aus der Zuständigkeit der Gemeinden, die verständlicherweise wenig Interesse an guten Fernverbindungen besaßen. Anstöße für Straßenbaumaßnahmen gingen seit der Mitte des 17. Jahrhunderts vom Postkutschenverkehr aus. Im Jahre 1663 genehmigte das Parlament die Erhebung von Wegegeldern für eine bestimmte Straße sowie die Errichtung von Zolltoren mit Drehschranken, so genannter Turnpikes. In der Folgezeit verbreitete sich das neue System der Mautstraßen und wuchs bis 1810 auf über 32.000 km. Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert traten einige Straßenaufseher und „Zivilingenieure“ mit Innovationen im Straßenbau hervor. Der bekannteste unter ihnen war der Schotte John Loudon MacAdam (1756–1836). MacAdam propagierte die auf gut drainiertem Untergrund zu errichtende Schotterstraße. Die Schotterstraße wurde nicht nur in Großbritannien, sondern in den meisten europäischen Ländern der am meisten verbreitete Fernstraßentyp, ehe im 20. Jahrhundert das Kraftfahrzeug den Straßenbau vor neue Herausforderungen stellte. Auf den Straßen verkehrten sowohl Kutschen für den Personentransport wie Fuhrwerke und Tragtiere für den Lastentransport. Der Umfang des Güterverkehrs übertraf den des Personenverkehrs. Die Kutsche entwickelte sich zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert vom Luxusgefährt zum allgemeinen Personenverkehrsmittel. Technische Innovationen bezogen sich auf Haltbarkeit, Gewicht und Reibung. Der Werkstoff Eisen ersetzte mehr und mehr das Holz. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbreiteten sich Kutschen mit selbst tragenden Karosserien, über den Achsen liegenden elliptischen Druckfedern und Backenbremsen. Wie auch in anderen Ländern bestand in Großbritannien ein Mischsystem aus privaten und staatlichen Posten. Das Postwesen funktionierte nach dem Relaissystem, d.h. an bestimmten Stationen wurden die Pferde gewechselt. Die in der Industrialisierungsepoche erreichte Verkürzung der Reisezeiten resultierte aus Verbesserungen der Straßen und Kutschen, vor allem aber aus einer Zeit sparenden Postorganisation. Zwischen 1750 und 1830 dürften die Fahrtzeiten mit der Postkutsche um durchschnittlich zwei Drittel gesunken sein. In der vorindustriellen Zeit war das absolutistische Frankreich nicht nur im Straßenbau führend, sondern auch im Kanalbau. Im 17. und 18. Jahrhundert ließ der französische Staat eine Reihe großer Kanäle bauen. Der be-

396 Über Landverkehr und Straßenbau in der britischen Industriellen Revolution: Reader, Macadam; Barker/Gerhold, Rise.

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kannteste war der Canal du Midi, der das Mittelmeer mit dem Atlantik verband. Der britische Kanalbau stand hinter dem kontinentaleuropäischen zurück. Dies hing nicht zuletzt mit den auf der britischen Insel bestehenden günstigen Verhältnissen für die konkurrierende Küstenschifffahrt zusammen. Anstöße für die Regulierung von Flüssen und für den Bau neuer Kanäle kamen im 17. und 18. Jahrhunderts vor allem aus dem Transport von Kohle und anderer Massengüter. Während der Industrialisierung, zwischen 1760 und 1830, verdreifachte sich die Länge der Binnenwasserstraßen. Danach ließ die Eisenbahn den Kanalbau wieder einschlafen. Die von privaten Investoren finanzierten Kanäle suchten möglichst kurze Entfernungen zwischen den Ausgangs- und Zielpunkten zu realisieren – unabhängig von den natürlichen Wasserwegen. Hierfür scheuten die Bauingenieure nicht vor aufwendigen Kunstbauten zurück, wie Einschnitte, Dämme, Kanalbrücken und Tunnel. Die Höhenunterschiede überwanden sie mit Schleusen oder mit schiefen Ebenen, auf denen die Schiffe durch Kraftmaschinen hoch gezogen oder herab gelassen wurden. Die Kanäle reduzierten insbesondere die Transportkosten der Massengüter. Eine große Bedeutung gewannen sie für die Erschließung und Vermarktung der im Landesinneren liegenden Kohle sowie für die Errichtung von Eisenhütten. Allerdings besaß das Kanalnetz auch nicht unerhebliche Schwächen. Es bildete kein einheitliches System, der Transport war zeitaufwendig und kam im Winter und in trockenen Sommern manchmal zum Erliegen. Eine Transportrevolution leitete erst die Eisenbahn ein, die den Kanälen – um im Bild zu bleiben – nach relativ kurzer Zeit das Wasser abgrub. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlor das Kanalsystem weitgehend seine wirtschaftliche Bedeutung; heute dient es in erster Linie dem Tourismus. Größere Gütermengen als die Binnenschifffahrt beförderte die Küstenschifffahrt. So bezog London den größten Teil seiner Steinkohle mit Küstenschiffen aus dem nordöstlichen Kohlerevier um Newcastle. Auch die meisten anderen britischen Städte lagen nicht weit von der Küste entfernt. Im 19. Jahrhundert gestalteten zwei technische Entwicklungen die Schifffahrt um: der Übergang von der Wind- zur Dampfkraft und die Ablösung des Baumaterials Holz durch Eisen. Auf Schiffen ließen sich Dampfmaschinen leichter unterbringen als auf Landfahrzeugen. Als Antrieb dienten zunächst Schaufelräder und seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Schiffsschrauben. Die Dampfschifffahrt begann auf den großen Flüssen der Vereinigten Straßen.397 Im Vergleich zu den schwierigen Überlandverbindungen boten sie weit bessere Transportmöglichkeiten. Den ersten Dauerbetrieb mit einem Schaufelraddampfer richtete Robert Fulton (1765–1815) im Jahre 1807 auf dem Hudson zwischen New York und Albany ein. Innerhalb weniger Jahrzehnte ver397 Vgl. Hunter, Steamboats.

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kehrten auf den amerikanischen Flüssen mehrere hundert Dampfschiffe. Die Schaufelraddampfer beförderten vor allem Personen. Besonders Einwanderer nahmen die beengten Verhältnisse und die nicht unerheblichen Gefahren durch Havarien oder Kesselexplosionen in Kauf, um schnell und kostengünstig ihr Ziel zu erreichen. Wenige Jahre später tauchten Dampfschiffe auch auf europäischen Flüssen und Seen sowie in der Küstenschifffahrt auf. Größere Probleme ergaben sich beim Befahren von Kanälen sowie auf hoher See. Bei den Kanälen zerstörten die durch die Schaufelräder hervorgerufenen Turbulenzen die leichten Uferbefestigungen. Abhilfe brachte hier erst eine neue Kanalbauweise Ende des 19. Jahrhunderts. Der Verwendung von Dampfmaschinen im Seeverkehr stand zunächst der große Platzbedarf für das Maschinensystem und den Brennstoff entgegen. Darüber hinaus bereitete der Wellengang den Raddampfern Schwierigkeiten. Erst seit den 1840er Jahren kam es zu einem Linienverkehr über den Atlantik.398 Die Konkurrenz der Segelschiffe hielt sich aufgrund ihrer energetischen Vorteile bis Ende des 19. Jahrhunderts. Demgegenüber besaß das Dampfschiff den Vorteil der Berechenbarkeit und Pünktlichkeit. Die Staaten waren an einer regelmäßigen Postbeförderung interessiert und subventionierten die Dampfschifffahrt. Seit den 1870er Jahren vertrauten sich die europäischen Auswanderer nach Amerika und anderen Weltgegenden mehr und mehr den Dampfschiffen an. Der 1869 eröffnete Suez-Kanal und das daran anschließende flautenreiche Rote Meer waren ohnehin kein Terrain für die Segler. Der Kanal verkürzte die Fahrzeiten zwischen Europa und Asien in großem Umfang. Die gleiche Funktion hatte der Panamakanal für Verbindungen zwischen den amerikanischen Ost- und Westküsten. Wegen der viel schwierigeren topographischen, geologischen und klimatischen Bedingungen wurde der Panamakanal erst 1914 fertig gestellt. Die Holzbauweise begrenzte das Größenwachstum der Schiffe. Der neue Werkstoff Eisen fand sukzessive Eingang in die Schifffahrt – zunächst für einzelne, hoch belastete Teile. Erst mit der Durchsetzung der Eisenbauweise gewann Großbritannien eine führende Position im Weltschiffbau. Seit den 1830er Jahren bauten britische Werften eiserne Großschiffe. So besaß die 1851 vom Stapel gelassene Great Eastern des Ingenieurs Isambard K. Brunel (1806–1859)399 eine Länge von 210 m. Seit den 1870er Jahren setzte sich der Eisenschiffbau allgemein durch. Dies hing nicht zuletzt mit der Verbilligung des Eisens durch neue Verhüttungs- und Frischverfahren zusammen. Die großen eisernen Dampfer leisteten einen erheblichen Beitrag für die Expansion des Welthandels und eine neue Welle der Globalisierung. Bis nach dem

398 Zur Seeschifffahrt im 19. Jahrhundert: Maber, The Ship; Kludas, Geschichte. 399 Vgl. Buchanan, Life.

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Zweiten Weltkrieg waren sie das bei weitem wichtigste Verkehrsmittel für den interkontinentalen Personenverkehr. Größere Schwierigkeiten als auf dem Wasser bereitete die Nutzung der Dampfkraft auf dem Land.400 Dabei erwiesen sich Schienenwege bald als geeigneter denn Straßen. Auf hölzernen Schienen von Menschen oder Tieren bewegte Wagen gab es im Bergbau bereits im späten Mittelalter. Britische Bergwerksbetriebe und Eisenhütten verfügten um 1800 über an die 500 km Schienenwege, auf denen von Pferden gezogene Wagen Kohle und Erz vom oder zum nächsten Wasserweg beförderten. Die ersten Dampflokomotiven konstruierten denn auch Anfang des 19. Jahrhunderts Bergwerksingenieure als Grubenbahnen. Die zu bestehende technische Herausforderung bestand darin, die leistungsschwache Wattsche Niederdruckdampfmaschine zur Hochdruckdampfmaschine weiter zu entwickeln; eine andere in einem den hohen Belastungen gewachsenen und zudem wirtschaftlichen Oberbau. Die seit 1820 praktizierte Lösung bestand in gewalzten Schienen aus Puddeleisen. Unter den zahlreichen Innovatoren des Dampflokomotivbaus gingen die meisten Impulse von den Stephensons aus, dem Vater George Stephenson (1781–1848) und dem Sohn Robert Stephenson (1803–1859). Die Stephensons gründeten nicht nur 1823 in Newcastle eine Fabrik, die Lokomotiven in alle Welt lieferte, sondern bauten auch besonders wichtige Strecken, wie die 1830 eröffnete Verbindung zwischen Manchester und Liverpool. Der Betrieb auf dieser Eisenbahnstrecke wurde zum Vorbild für weitere Anlagen. Eine Monopolgesellschaft war für den gesamten Verkehr zuständig. Die Strecke diente dem Personen- wie dem Frachttransport. Und sie wurde ausschließlich von Lokomotiven befahren. Von Pferden gezogene Wagen und stationäre Dampfmaschinen, welche die Züge über schiefe Ebenen hochzogen, gab es nicht mehr. Die technische Bewährung der Dampftraktion und der wirtschaftliche Erfolg der Strecke regten den Bau weiterer Eisenbahnen an. Innerhalb von zwei Jahrzehnten überzogen Eisenbahnlinien ganz Großbritannien. Allerdings dauerte es geraume Zeit, bis aus den technisch uneinheitlichen Einzelverbindungen ein abgestimmtes Netz wurde. Die Eisenbahnen gewannen in Großbritannien ebenso wie in anderen Industriestaaten eine enorme Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung401 sowie die Erschließung und das Zusammenwachsen der Länder. In den USA setzte der Eisenbahnbau früh ein und übertraf bald die Streckenlängen aller anderen Industriestaaten.402 Die ersten Einzelverbindungen entstanden in den 400 Zur britischen Eisenbahngeschichte: Carlson, The Liverpool & Manchester Railway Project; Smith, Railway; Simmons, The Victorian Railway. 401 Vgl. hierzu als klassische Werke für die hier behandelten drei Länder: Hawke, Railways; Fogel, Railroads; Brown, The Baldwin Locomotive Works; Fremdling, Eisenbahnen. 402 Zu den amerikanischen Eisenbahnen: Vance, Capturing the Horizon; Douglas, All Aboard.

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1820er und 1830er Jahren an der Ostküste. Bis zur Jahrhundertmitte erschloss die Eisenbahn den Mittleren Westen; Chicago entwickelte sich zu einem bedeutenden Knotenpunkt. Die erste Transkontinentalstrecke wurde 1869 vollendet. Bei den zu überwindenden riesigen Entfernungen ging es darum, schnell und billig viele Schienenkilometer zu verlegen. Mit Menschenleben wurde dabei sehr sorglos umgegangen. So ließen beim Eisenbahnbau viele – vor allem chinesische – Arbeiter ihr Leben, und auf den hastig und mit schlechtem Material gebauten einspurigen Strecken kam es zu zahlreichen Unfällen. In Europa verband die Eisenbahn die städtischen Zentren, in den USA diente sie der Landeserschließung. Entlang der Strecken entstanden Siedlungen, an den Knotenpunkten Städte. Seine größte Ausdehnung erreichte das amerikanische Eisenbahnnetz 1916. Danach verkleinerte es sich wieder als Folge der einsetzenden Massenmotorisierung. Bei der ersten deutschen mit Dampf befahrenen Strecke, der 1835 eröffneten Verbindung zwischen Nürnberg und Fürth, handelte es sich um eine kurze Lokalbahn.403 Jedoch übte der Erfolg der Bahn großen Einfluss auf weitere Planungen aus. Im folgenden Jahrzehnt wurden zahlreiche Verbindungen zwischen benachbarten Städten gebaut, die längste 1839 in Sachsen zwischen Dresden und Leipzig. Bis 1850 entstanden in den deutschen Ländern einzelstaatliche rudimentäre Netze. In der Zeit danach wurden sie verdichtet und miteinander verknüpft. Den meisten Strecken lagen private Initiativen zugrunde. Die Staaten hielten sich zunächst zurück, schufen aber durch die Verabschiedung von Enteignungsgesetzen unumgängliche Voraussetzungen für den Eisenbahnbau. Naheliegenderweise wählten die privaten Investoren nur profitable Verbindungen aus und vernachlässigten abgelegene Landesteile. Vor diesem Hintergrund gewann der Staatsbahngedanke an Boden. Seit den 1880er Jahren wurden zahlreiche private Gesellschaften verstaatlicht; die Eisenbahn entwickelte sich zum öffentlichen Verkehrsmittel. Die Lokomotiven für die ersten deutschen Eisenbahnen kamen vor allem aus England, aber auch aus anderen Ländern. Seit etwa 1840 entstand eine eigenständige deutsche Lokomotivindustrie. Der Technologietransfer erfolgte auf den üblichen Wegen.404 Am Anfang standen Reparatur und Nachbau ausländischer Modelle, später eigenständige Konstruktionen. In Deutschland fiel der Eisenbahnbau mit der Frühindustrialisierung zusammen und entwickelte sich zum ökonomischen Leitsektor.405 Für den Maschinenbau und die Hüttenindustrie bildete die Eisenbahn das wichtigste Geschäftsfeld. Darüber hinaus verbilligten die Bahnen den Transport und erhöhten damit die Wertschöpfung der Volkswirtschaft.

403 Zu den Eisenbahnen in Deutschland: Schivelbusch, Geschichte; Fremdling, Eisenbahnen; Liebl, Aufgeh’n; Zug der Zeit; Gall/Pohl, Eisenbahn; Roth, Jahrhundert. 404 S. u. S. 157f. 405 Vgl. Fremdling, Eisenbahnen.

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Die Eisenbahn steigerte die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit auf Fernstrecken beträchtlich. Zwischen 1800 und 1850 wuchs sie von etwa 3 bis 4 km/h (mit der Post) auf 33 km/h (mit der Eisenbahn). Darüber hinaus kostete eine Eisenbahnfahrt – jedenfalls in den unteren Klassen – weniger als eine Postkutschenreise. Die Eisenbahn gestaltete das Mobilitätsverhalten weitgehend um. Die Menschen nahmen längere Arbeitswege in Kauf und führten mehr Geschäftsreisen, Sonntagsausflüge, Verwandtenbesuche und Ferienreisen durch. Dies lässt sich daran ersehen, dass der Personenverkehr zwischen zwei Orten nach Fertigstellung einer Eisenbahnstrecke um das 20bis 50-fache anstieg.406 Die Eisenbahn brachte einerseits die Länder näher zusammen. Der grenzüberschreitende Verkehr nahm langsam, aber stetig zu. Die größte bautechnische Herausforderung stellte die Überschienung der Gebirge dar. Frühe Alpentransversalen, die ohne lange Scheiteltunnel auskamen, entstanden 1854 über den Semmering und 1867 über den Brenner. Einen großen Scheiteltunnel von 12 km Länge eröffnete man 1871 beim Mont Cenis und von 15 km Länge 1882 beim Gotthard. Andererseits richteten sich zahlreiche Eisenbahnbauten gegen die Nachbarstaaten. In Kriegen dienten sie seit den 1850er Jahren dem Aufmarsch der Truppen und der Nachschubversorgung. Der Zweck der Eisenbahn bildete der Transport von Personen und materiellen Gütern, der Zweck der Telegraphie der Transport von Nachrichten407. Die elektrische Telegraphie besaß in der optischen einen weit in die Geschichte zurück reichenden Vorläufer.408 Bereits die frühesten Staatswesen nutzten Signalfeuer und andere optische Systeme zur Übermittlung von Informationen. Ein erstes größeres zusammenhängenden System der optischen Telegraphie entstand in den 1790er Jahren im revolutionären Frankreich. Mit dem schließlich von Holland bis Italien reichenden Netz von Balkentelegraphen übertrug der Staat militärisch und politisch bedeutsame Nachrichten. Dabei zeigten sich aber auch die Nachteile der optischen Telegraphie, insbesondere die Abhängigkeit von guten Sichtverhältnissen. Abgelöst wurde die optische Telegraphie zwischen den 1830er und den 1850er Jahren durch die elektrische.409 Die elektrische Telegraphie baute auf einer Reihe physikalischer und technischer Innovationen auf, wie Batterien, Leitern, dem Elektromagnetismus und Codes. Die fortgeschrittensten Systeme der 1830er Jahre arbeiteten mit der elektromagnetischen Ablenkung von Schreibeinrichtungen, welche einen binären Code auf Papier markierten. Besonders in den deutschen Ländern verzögerte sich die Umsetzung der Erfin406 Vgl. Herrmann, Personenbeförderung; Fremdling/Federspiel/Kunz, Statistik. 407 Hilfreiche allgemeine Überblicke zur Kommunikationsgeschichte bieten: Flichy, TELE; North, Kommunikationsrevolutionen. 408 Vgl. Holzmann/Pehrson, The Early History. 409 Überblicke zur Geschichte der elektrischen Telegraphie: Oberliesen, Information; Aschoff, Geschichte.

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dung, weil man noch in den Dimensionen der Staatstelegraphie dachte. Darüber hinaus gehende Überlegungen brachten die elektrische Telegraphie in Verbindung mit den Eisenbahnen. In den höher industrialisierten Vereinigten Staaten und in Großbritannien410 erfolgten die telegraphischen Arbeiten dagegen von vornherein mehr unter kommerziellen Gesichtspunkten. Die Banken und der Handel versprachen sich von der neuen Technik eine schnellere Abwicklung der Aufträge. In den USA entwickelten die Eisenbahngesellschaften ein großes Interesse an der neuen Kommunikationstechnik, die versprach, große Entfernungen kostengünstig zu überbrücken. Im Endeffekt wurden die USA zum Vorreiter bei der Verbreitung der Telegraphie.411 Dabei spielte es keine Rolle, dass der von dem amerikanischen Maler und Kunsthistoriker Samuel Morse (1791– 1872)412 1837 entwickelte elektrische Telegraph anfangs eher rückständig war. Später dokumentierte die Benennung der Punkt-Strich-Schrift als MorseAlphabet – obwohl sie andere erfunden hatten – seinen kommerziellen Erfolg. 1844 eröffneten Morse und seine Partner mit Hilfe öffentlicher Mittel eine erste Versuchsstrecke von 64 km Länge. Vier Jahre später war Florida der einzige amerikanische Staat östlich des Mississippi, der noch nicht an das Telegraphennetz angeschlossen war. 1861, einige Jahre vor Fertigstellung der transkontinentalen Eisenbahn, wurde die erste telegraphische Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik eröffnet. Zahlreiche Privatgesellschaften sahen in der Telegraphie eine gewinnversprechende Innovation und bauten ihre Netze mit großer Geschwindigkeit aus. Im Vergleich zu den USA kam in den europäischen Ländern die Telegraphie mit zeitlicher Verzögerung in die Gänge. Die ersten längeren Verbindungen entstanden um 1848/49. Dabei liebäugelte man zunächst noch mit einem für Staatsdepeschen reservierten System. Es zeigte sich jedoch schnell, dass die größte Nachfrage von privater Seite kam – von national und international agierenden Handelsunternehmen, von Banken und von Nachrichtenagenturen, die ihre Zeitungskunden mit den neuesten Informationen versorgen wollten. Internationale Absprachen dokumentieren, dass sich die Telegraphie mit großer Geschwindigkeit zu einem grenzüberschreitenden Medium entwickelte. Größere Schwierigkeiten traten bei der Verlegung von Telegraphiekabeln durch Flüsse, Seen und Meere auf. Mit Guttapercha, dem Saft eines südostasiatischen Gummibaums, fanden die Unternehmen einen geeigneten Isolator. Darüber hinaus benötigten sie für das Verlegen der Telegraphiekabel in den Weltmeeren bessere Kabelkonstruktionen, spezielle Schiffe, Methoden der Fertigungskontrolle, geeignete Auslegemaschinen, Informationen 410 Zur Telegraphie in Großbritannien: Beauchamp, History. 411 Zur Telegraphie in den USA: Thompson, Wiring; Israel, From Machine Shop. 412 Vgl. Silverman, Lightning Man.

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über die Struktur des Meeresbodens, Techniken für das Bergen und Spleißen gerissener Kabel, sensible Empfangsgeräte und vieles andere mehr. Die ersten in den 1850er Jahren verlegten submarinen Telegraphiekabel413 überbrückten kurze Entfernungen wie den Kanal, die Meerenge zwischen Schottland und Irland oder das Mittelmeer zwischen Südeuropa und Nordafrika. Ganz andere Dimensionen peilte der New Yorker Papierhändler Cyrus Field (1819–1892) mit seinen Plänen für ein transatlantisches Kabel an. Die 1857 und 1858 unternommenen Auslegeversuche scheiterten jedoch, bzw. das 1858 verlegte Kabel gab nach etwa einem Monat seinen Geist auf. In der ersten Hälfte der 1860er Jahre verhinderte der amerikanische Bürgerkrieg weitere Unternehmungen. Nach gründlichen technischen Revisionen stellte sich der Erfolg im Jahre 1866 ein. Das erste transatlantische Telegraphiekabel stieß die Tür für die Globalisierung der telegraphischen Kommunikation auf. Bis 1880 erhielten alle Kontinente Anschluss an das Seekabelnetz. Das entstehende weltumspannende Informationsnetz verbilligte den Welthandel und schuf für zahlreiche Güter erst einen Weltmarkt. Die Regierungen nutzten es zur Korrespondenz mit ihren Kolonialverwaltungen und auswärtigen Diplomaten414 sowie bei militärischen Konflikten zur Instruktion der Truppen. Die Nachrichtenagenturen weiteten ihren Informationsraum global aus.415 Die Zeitungen druckten mehr Nachrichten aus entfernten Weltgegenden ab. Mit der Beschleunigung und Vermehrung der globalen Information wuchs die Bedeutung der öffentlichen Meinung für die internationale Politik. Die meisten Kabel befanden sich im Besitz britischer Gesellschaften, obwohl auch andere Industriestaaten die Verlegung von Seekabeln förderten. Besonders die Kolonialmächte hielten Nachrichtenverbindungen mit ihren Besitztümern unter politischen, militärischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten für unabdingbar. Sie waren sich allerdings darüber im Klaren, dass das die See beherrschende Großbritannien im Konfliktfall in der Lage war, die Kabelverbindungen der Gegner zu kappen. In dieser Situation suchten sie vor dem Ersten Weltkrieg einen Ausweg in einer neuen Technologie, dem Funk. Besonders Deutschland trieb Pläne für ein Weltfunknetz voran. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges konnte es auf Funkverbindungen nach Amerika, Afrika, China und in die Südsee zurückgreifen, die sich dann aber militärisch als von geringem Wert erwiesen. Die Funktechnik nutzt für die Nachrichtenübertragung elektromagnetische Wellen.416 Auf physikalische Vorarbeiten aufbauend, gelangen 1897 in 413 Zur globalen telegraphischen Vernetzung und ihren Folgen: Coates u.a., A Retrospective Technology Assessment; König, Retrospective Technology Assessment; Headrick, The Invisible Weapon; Hugill, Global Communications; Wobring, Globalisierung. 414 Vgl. zur amerikanischen Diplomatie: Nickles, Under the Wire. 415 Vgl. Höhne, Geschichte; Wilke, Telegraphenbüros. 416 Zur Geschichte des Funks: Baker, History; Aitken, Syntony; Friedewald, Die „Tönenden Funken“; Hars, Ferdinand Braun; Fuchs, Georg von Arco.

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England dem jungen italienischen Erfinder Guglielmo Marconi (1874–1937) die ersten Aufsehen erregenden Funkübertragungen. In der Folgezeit bauten Marconi und seine Partner einen international agierenden Konzern auf, der bis zum Ersten Weltkrieg Weltmarktführer bei der Funktechnik war. Eine Konkurrenz entstand 1903 mit der Gesellschaft Telefunken, hinter der Siemens & Halske und die AEG standen. Marconi und Telefunken lieferten sich etwa ein Jahrzehnt einen harten Konkurrenzkampf, in den auch die Politik eingriff. Mit internationaler politischer Hilfe gelang es, das Quasi-Monopol Marconis im Seefunk zu brechen. Die Entwicklung der neuen Technik gestaltete sich mühsam, weil man die technisch-physikalischen Grundlagen nur unzureichend verstand. Dennoch gelang es mit enormem technischem Aufwand, Funksignale über immer größere Entfernungen – bis zu mehreren tausend Kilometern – zu übertragen. An sich stellte die leitungsgebundene Telegraphie eine übermächtige Konkurrenz dar. Allerdings ließen sich per Funk auch Nachrichten zwischen beweglichen Zielen übertragen. Damit rückten die Marine, die Armee und die Passagierschifffahrt als neue Kundengruppen und Anwendungsfelder in den Vordergrund. Bis zum Ersten Weltkrieg bildete der zivile und der militärische Schiffsfunk das wichtigste Geschäftsfeld. Mit leistungsstarken Küstenstationen ließen sich – gegebenenfalls über mehrere Zwischenstationen – die auf den Weltmeeren verkehrenden Schiffe anfunken. Die Kriegsmarine nutzte den Funk zur Schiffs- und Geschwaderführung, was besonders bei großen Entfernungen und schlechter Sicht von entscheidender Bedeutung war. Passagierund Frachtschiffe teilten per Funk ihre Ankunft im Hafen mit. Frachtschiffe ließen sich per Funk unterwegs umdirigieren. Passagierschiffe boten den Passagieren unterwegs Kommunikationsdienstleistungen an. Bei Havarien ließ sich per Funk Hilfe herbeirufen. Sowohl die drahtgebundene wie die drahtlose Telegraphie litten anfangs unter unzureichenden Kapazitäten. Auf den Telegraphenleitungen ließ sich zunächst nur eine Nachricht in eine Richtung übertragen, Funksignale erforderten eine beträchtliche Bandbreite. Die geringen Kapazitäten machten die Telegraphie und den Funk so teuer, dass die beiden neuen Medien vor allem für kommerzielle und politische Zwecke reserviert blieben. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts vermehrten technische Innovationen die Zahl der Kanäle. Wichtige Schritte stellten dabei die Koaxialkabel in den 1930er Jahren dar, die Glasfaserkabel in den 1980er Jahren und die seit den 1960er Jahren stationierten Nachrichtensatelliten. Eine zusätzliche Vermehrung der Kapazitäten brachte die ebenfalls seit den 1960er Jahren erfolgte Digitalisierung der Übertragung.

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Die Verbreitung des Telefons erfolgte ganz anders als das des Telegraphen.417 Während sich die Telegraphie innerhalb weniger Jahrzehnte als globales Medium etablierte, deckte die Telefonie lange Zeit nur begrenzte Räume ab. Der bedeutendste der zahlreichen Innovatoren, die in den 1870er Jahren an der Herstellung eines Laut- oder Sprachübertragungsgeräts arbeiteten, war der Professor für Stimmphysiologie an der Universität Boston Alexander Graham Bell (1847–1922).418 Sein 1876 angemeldetes Patent bildete den Ausgangspunkt für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Telefons. Bell und seine Geldgeber gründeten 1877 eine Gesellschaft, aus welcher der AT & T-Konzern hervorging. AT & T blieb etwa ein Jahrhundert Weltmarktführer. In den USA schafften sich schon früh Privatleute ein Telefon an. Eine wichtige Kundengruppe bildeten die Farmer. Die abgelegenen amerikanischen Farmen schufen sich damit eine Verbindung zur Außenwelt. In Deutschland verlief die Entwicklung anders.419 Der Staat definierte das Telefon als Postmonopol. Die Post nutzte es zunächst zur Erweiterung der Telegraphie in den ländlichen Raum. Erst später errichtete sie Teilnehmernetze. Bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg dominierte in Deutschland die Geschäftskommunikation. Die größten technischen Probleme der frühen Telefonie bildeten die Reichweite420 und die Vermittlung. Wegen der begrenzten Reichweite beschränkte sich die Telefonie zunächst auf Ortsnetze. Mit zahlreichen Innovationen, mit Batterien, Mikrofon, Pupinspulen und anderem mehr, gelang es, die Reichweite sukzessive zu vergrößern. Eine grundlegende Lösung brachte aber erst der kurz vor dem Ersten Weltkrieg entwickelte Röhrenverstärker. Mit seiner Hilfe wurden 1915 erstmals Telefongespräche zwischen der amerikanischen Ost- und Westküste geführt. Um die gleiche Zeit fand mit Radiowellen das erste Telefongespräch über den Atlantik statt. Das Problem der Radiotelefonie war die Abhängigkeit von atmosphärischen Störungen. Die 1956 erfolgte Verlegung eines transatlantischen Koaxialkabels wies den Weg in die Technologie der Zukunft. Dennoch blieben Telefongespräche über die Ozeane eine Zeitlang sündhaft teuer und mussten lange vorher angemeldet werden. Seit den 1960er Jahren beseitigten Digitalisierung, geostationäre Nachrichtensatelliten und Glasfaserkabel die Engpässe der globalen Sprachkommunikation. Das zweite große technische Problem nach der Reichweite bildete bei den ständig wachsenden Teilnehmerzahlen die Verbindungstechnik.421 An417 Allgemein zur Geschichte des Telefons: Becker, Fern-Sprechen. 418 Zur amerikanischen Telefongeschichte: Brooks, Telephone; Fischer, America Calling; Marvin, When Old Technologies; Mueller, Universal Service. 419 Zur deutschen Telefongeschichte: Horstmann, 75 Jahre; Wessel, Entwicklung; Thomas, Telefonieren. 420 Vgl. Wasserman, From Invention. 421 Vgl. Green, Race.

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fänglich verbanden in Fernsprechämtern sitzende Telefonistinnen die Teilnehmer mit Hilfe von Steckkontakten. Automatische Vermittlungseinrichtungen gab es zwar schon 1889, doch setzten sie sich nur langsam durch. In den USA und in Deutschland dürfte die Mehrzahl der Teilnehmer erst in der späten Zwischenkriegszeit Selbstwahl erhalten haben. Die Umstellung erforderte immense Investitionen. Und die amerikanischen Telefongesellschaften interpretierten die Vermittlung als die Kunden entlastende Dienstleistung.

3.1.6 Technologietransfer – Industrialisierung – Globalisierung Die industrielle Vormachtstellung Großbritanniens blieb während des gesamten 19. Jahrhunderts erhalten. Großbritannien, das nur eine halb so große Bevölkerung wie Frankreich besaß, erzeugte um 1850 etwa zwei Drittel der Weltproduktion an Kohle und über die Hälfte der Weltproduktion an Eisen und Baumwollstoffen. Die britischen Waren dominierten den Welthandel. Während die meisten anderen Staaten gezwungen waren, ihre Märkte vor britischen Importen durch Zölle zu schützen, konnte es sich Großbritannien leisten, die eigenen Märkte für fremde Importe zu öffnen und für weitgehenden Freihandel einzutreten. Die industrielle und merkantile Potenz Großbritanniens übte einen ständigen ökonomischen Druck auf die kontinentaleuropäischen Staaten aus.422 Die einzige auf Dauer Erfolg versprechende Reaktion bestand in Bemühungen, eine ähnliche Industrialisierung wie die britische in Gang zu setzen. Die Politik der nachholenden Industrialisierung wurde seit 1792 durch die Revolutionskriege und die Napoleonischen Kriege und die damit verbundenen Austauschschwierigkeiten unterbrochen. 1806 verhängte Napoleon die „Kontinentalsperre“, d.h. er hielt britische Waren vom Kontinent fern. Das Ziel bestand in einer Schädigung der exportorientierten Wirtschaft des Inselreichs. Letztlich machte erst die Niederlage Napoleons diese Maßnahmen hinfällig. Das wichtigste Mittel einer nachholenden Industrialisierung stellte der Technologietransfer aus Großbritannien dar.423 Im 18. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 19. dominierte der vom Staat organisierte Transfer, im Laufe der Zeit nahm der von privaten Unternehmen betriebene zu. Ebenso veränderten sich die Formen des Transfers. Eine Konstante bildete die überragende Bedeutung an Personen gebundenen Technologietransfers. Dies beruhte darauf, dass nur ein kleiner Teil des technischen Wissens und Könnens 422 Zur nachholenden Industrialisierung in den europäischen Ländern: Cipolla/Borchardt, Europäische Wirtschaftsgeschichte; Landes, Der entfesselte Prometheus; Pollard, Peaceful Conquest; Pierenkemper, Umstrittene Revolutionen; Tunzelmann, Technology; Broadberry/Fremdling/Solar, European Industry. 423 Als Einstieg für Deutschland: „Technologietransfer”.

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formalisierbar war. Schriftliche Informationen, wie wissenschaftliche Publikationen, Patente und Lizenzen, ergänzten üblicherweise nur den von Person zu Person stattfindenden Austausch. Sie lösten nicht selten Informationsreisen an Ort und Stelle des Innovationsgeschehens aus. Die Reisen konnten die Form von Industriespionage annehmen.424 Allerdings sollte man die Bedeutung solcher Unternehmungen nicht überschätzen. Kurze Besuche reichten normalerweise nicht aus, um sich die gewünschten Kenntnisse anzueignen. Erfolgreicher waren längere Arbeitsaufenthalte. Als problematisch erwies sich anfangs auch die Lieferung von Maschinen und Anlagen. Vielfach stellten die gelieferten Maschinen Muster ohne Wert dar, sofern sie nicht von Fachkräften begleitet wurden, die sie in Betrieb nahmen, reparierten und warteten. Erst in späterer Zeit, als ein Stamm heimischer Techniker zur Verfügung stand, wuchs der Stellenwert der Maschinenimporte. An der Spitze rangierten Textilmaschinen, dann Dampfmaschinen und die eine besondere strategische Bedeutung besitzenden Werkzeugmaschinen. Die in Großbritannien bis 1842 bestehenden Exportverbote für strategisch wichtige Industriegüter hemmten den Technologietransfer kaum. Interessenten fanden immer Mittel und Wege, die Bestimmungen zu umgehen. Das wichtigste Instrument des Technologietransfers bildete die Arbeit von Briten auf dem Kontinent. Bis 1824 gab es zwar ebenfalls diesbezügliche Verbote, doch dessen ungeachtet waren damals bereits mehr als 2.000 britische Fachkräfte in den kontinentaleuropäischen Ländern tätig. In der Zusammenarbeit mit erfahrenen britischen Technikern ließen sich neue technische Kenntnisse am einfachsten erwerben. Darüber hinaus gründeten britische Unternehmer Firmen auf dem Kontinent. Als sich mehr und mehr Erfolge der nachholenden Industrialisierung einstellten, gewann der Technologietransfer zunehmend formellen Charakter. Kontinentaleuropäische Firmen gingen mit britischen Kooperationen ein und erwarben oder verkauften Lizenzen. Der Technologietransfer entwickelte sich von einer Einbahnstraße zu einem multilateralen Austauschprozess. Technologietransfer bedeutete keine Eins-zu-eins-Übertragung technischer Lösungen. Entsprechende Versuche gingen meistens schief. Die übernommenen Technologien mussten vielmehr in inner- und außerbetriebliche wirtschaftliche und kulturelle Strukturen eingepasst und gegebenenfalls modifiziert werden. Dies zeigte sich zum Beispiel bei der kontinentaleuropäischen Eisen- und Stahlerzeugung.425 Während man das Roheisen bereits mit Steinkohle im Puddelofen frischte, setzte man im Hüttenprozess längere Zeit weiterhin Holzkohle ein.

424 Vgl. Harris, Industrial Espionage. 425 Vgl. Plumpe, Die württembergische Eisenindustrie; Fremdling, Technologischer Wandel.

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Mit Zeitverschiebung kam die Industrialisierung auch außerhalb Großbritanniens in Gang. Die Vereinigten Staaten besaßen als ehemalige britische Kolonie und Hauptauswanderungsland erhebliche Vorteile. Die Historiker platzieren die amerikanische Industrialisierung zeitlich vor der belgischen und französischen und diese wiederum vor der deutschen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts verschoben sich die Gewichte zwischen Großbritannien und den jüngeren Industrieländern beträchtlich. Großbritannien, das Mutterland der Industriellen Revolution, blieb dennoch bis zum Ersten Weltkrieg das Industrieland schlechthin.426 Zahlreiche quantitative Indikatoren belegen seine andauernde wirtschaftliche Führungsposition. Allerdings holten andere Industriestaaten wie die USA und Deutschland auf. Während die britische Wirtschaft weiterhin absolut wuchs, sank ihr Anteil an der Weltindustrieproduktion. Verlagerungen der Handelsströme lassen sich als Anzeichen struktureller Schwächen deuten. Die Exporte in die konkurrierenden Industriestaaten gingen zurück, während diese ihre Position auf dem britischen Markt verbesserten. Einen Ausgleich fand der britische Handel im Empire, er profitierte also von der in der Vergangenheit errungenen politischen Vormachtstellung Großbritanniens. Qualitative Betrachtungen weisen auf Innovationsschwächen der britischen Wirtschaft hin. Großbritannien geriet gerade in jenen Industriesparten ins Hintertreffen, denen man eine große Zukunft zuschrieb: in der optischen und chemischen Industrie gegenüber Deutschland, in der Elektrotechnik und in Teilen des Maschinenbaus gegenüber den USA und Deutschland und im Automobilbau gegenüber den USA. Dagegen bewahrte die britische Industrie ihre Stärken in traditionellen Bereichen, im Bergbau und Hüttenwesen sowie beim Bau von Schiffen, Großmaschinen und Textilmaschinen. Die Telegraphie besaß auf den internationalen Märkten eine starke Position, die sich dynamische entwickelnde Starkstromtechnik eine eher schwache. Die britische Industrie reagierte auf die zunehmende Konkurrenz, indem sie – zugespitzt formuliert – im Empire neue Märkte für ihre alten Produkte erschloss. Sie stellte sich also nicht dem technisch-industriellen Strukturwandel, sondern zehrte von der Vergangenheit. Die industrielle Entwicklung der USA427 und Deutschlands erfolgte unter gänzlich anderen, wenn auch unterschiedlichen Bedingungen. Die amerikanische Industrialisierung profitierte vor allem von dem Rohstoffreichtum und dem rasant wachsenden Binnenmarkt. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wuchsen die Vereinigten Staaten in der Fläche, die wirtschaftliche Erschließung der riesigen Territorien im Westen und Süden benötigte jedoch noch 426 Zur Entwicklung Großbritanniens nach der Industriellen Revolution: Wiener, English Culture; Broadberry, Productivity; Wieners These eines „Decline of the Industrial Spirit“ widerspricht u.a. MacLeod, Heroes. 427 Zur Industrie- und Technikgeschichte der USA: Chandler, The Visible Hand; Segal, Technology; Hughes, Erfindung; Pursell, Machine; Pursell, Technology.

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Jahrzehnte. Hinzu kam das bis zum Ersten Weltkrieg andauernde beispiellose Bevölkerungswachstum, das zu mehr als einem Viertel auf Einwanderung beruhte. Die Einwanderer brachten Kenntnisse, Fertigkeiten und Kapital mit – und den festen Willen, in der Neuen Welt ihr Glück zu machen. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein waren die USA ein überwiegend agrarisches Land. Mit dem allmählichen Ende der Landeserschließung um die Jahrhundertwende erhöhte sich die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Gütern in höherem Maße als das Angebot, was die Preise in die Höhe trieb. Die damit einhergehenden Einkommensverbesserungen machten die Farmer zu einer wichtigen Kundengruppe für technische Güter: für landwirtschaftliche Maschinen, aber auch für Kraftfahrzeuge und Telefone. Die amerikanische Industrie konzentrierte sich auf den riesigen, schnell wachsenden und durch hohe Zollmauern geschützten Binnenmarkt und weniger auf den Export. In manchen Bereichen bereitete es der Industrie sogar Schwierigkeiten, die Binnennachfrage zu decken. Der größte Teil der Exporte ging zunächst nach Europa; andere Exportregionen wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts erschlossen. Die amerikanische Industrie erhöhte also mit der Zeit ihre Exportanteile. Dennoch ist sie selbst noch in der Gegenwart viel weniger von Exporten abhängig als die deutsche oder japanische. Die amerikanische Technik besaß an der sich nach dem Bürgerkrieg ausbreitenden Aufbruchs- und Pionierstimmung einen nicht unerheblichen Anteil. Eine Art Technologierausch ließ viele Handwerker und Techniker, aber auch technische Laien nach Innovationen suchen. Erfindungswerkstätten schossen aus dem Boden, die Zahl der Patente stieg exponentiell an. Besonders im 19. Jahrhundert reüssierten selbständige Erfinder, wenn es ihnen gelang, ihre Neuerungen durch Patente abzusichern. Bei der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindungen waren sie jedoch in der Regel auf Kooperationen mit Kapitalgebern und Unternehmen angewiesen. Im späten 19. Jahrhundert entstand das moderne Großunternehmen. Konzerne wie Bell, General Electric, Singer und Coca-Cola integrierten bei ihren Erzeugnissen Massenproduktion und Massendistribution und eroberten nationale und internationale Märkte. Mit ihrer Marktmacht, ihrem Kapital, ihren Forschungsabteilungen und einem das Produktionsprogramm absichernden Netz von Patenten bildeten die Großunternehmen Zentren der technischen Entwicklung. Sie nutzten neue Vertriebsformen, wie Warenhäuser, Ladenketten, Versandhandel, Vertreterbesuche, Ratenzahlungen und Werbekampagnen, um ihre Produkte unter das Volk zu bringen. All dies trug dazu bei, dass der amerikanische Dienstleistungssektor – verglichen mit den europäischen Industriestaaten – überproportional wuchs. Bis in die 1920er Jahre hinein litt die amerikanische Industrie unter einem Mangel an Arbeitskräften. Die daraus resultierenden hohen Löhne veranlassten die Unternehmer, Arbeit durch Kapital zu substituieren. Sie suchten die Produktion arbeitssparend zu organisieren und schafften sich Maschinen an,

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die auch geringer qualifizierte und damit billigere Arbeitskräfte bedienen konnten. Der Maschineneinsatz ermöglichte eine den Kundenwünschen entsprechende Serien- und Massenproduktion standardisierter Investitions- und Konsumgüter. Die rapide wachsenden Märkte nahmen die in großen Stückzahlen produzierten Werkzeugmaschinen, landwirtschaftlichen Maschinen, Nähmaschinen, Fahrräder und Kraftfahrzeuge bereitwillig auf. Bereits im 19. Jahrhundert spielte das amerikanische Militär für die Technikentwicklung sowohl als Auftraggeber wie als Kunde eine wichtige Rolle. Die beiden Weltkriege und der sich anschließende Kalte Krieg verstärkten diese Tendenz noch zusätzlich. Die Großprojekte der amerikanischen Kriegsund Rüstungsforschung, wie der Bau der Atombombe und die sich anschließende atomare Rüstung, beeinflussten die wirtschaftlichen und technischen Strukturen. Als Ergebnis entstand ein „militärisch-industrieller Komplex“, wie ihn 1961 Präsident Dwight D. Eisenhower (1890–1969) warnend nannte, eine enge Kooperation zwischen Staat, Militär und Wissenschaft. Hieraus gingen Spitzenleistungen hervor, in der Kerntechnik, dem Flugzeugbau, bei Computern und in der Mikroelektronik. Jedoch resultierten aus der direkten und indirekten staatlichen und militärischen Subventionierung bestimmter Industriezweige auch wenig innovative Mentalitäten und ungleichgewichtige Strukturen. Die militärisch-industriellen Spitzenleistungen in einigen Bereichen gingen mit einer Vernachlässigung von Forschung und Entwicklung in anderen Bereichen einher, so in der Automobilindustrie und im Maschinenbau. In Deutschland kam der Industrialisierungsprozess etwa ein halbes Jahrhundert nach der britischen Industriellen Revolution in Gang.428 Dabei spielte der Technologietransfer aus Großbritannien, aber auch aus anderen westeuropäischen Ländern und den USA, eine wichtige Rolle. Zusätzlichen Schwung erhielt die deutsche Industrialisierung im 19. Jahrhundert durch die Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, so die Gründung des Zollvereins 1833/34, die Schaffung eines einheitlichen Währungsraums durch eine Reihe von Münzkonventionen, die Einführung der Gewerbefreiheit und schließlich die Reichsgründung 1870/71. Aber auch noch um 1880 exportierte die deutsche Wirtschaft weniger anspruchsvolle Maschinen als vielmehr konventionelle handwerkliche Produkte, wie Schwarzwalduhren, Spielzeug und Haushaltswaren. Bei solchen Waren profitierte sie von dem relativ niedrigen Lohnniveau. Gegen die billigen und minderwertigen deutschen Importe richtete sich der 1887 vom englischen Parlament verabschiedete „Merchandise Marks Act“.429 Das Gesetz schrieb für alle eingeführten Güter eine Herkunftsbezeichnung vor, z.B. 428 Zur Industrie- und Technikgeschichte Deutschlands: Wengenroth, Technik; Hahn, Die Industrielle Revolution; Boch, Staat; Kiesewetter, Industrielle Revolution; Condran, Industrialisierung; Radkau, Technik. 429 Vgl. „Hundert Jahre ”.

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„Made in Germany“. Es indiziert den industriellen Aufstieg Deutschlands, dass sich in der Folgezeit das „Made in Germany“ von einer diskriminierenden Bezeichnung für Minderwertiges zu einem Qualitätsbegriff wandelte. Die deutsche Industrie errang besonders in jenen Branchen eine starke internationale Position, in welchen hohe technische Qualifikationen gefragt waren. So profitierten die optische und die feinmechanische Industrie sowie der Maschinenbau vom hohen Stand der deutschen Facharbeiter- und Ingenieurausbildung. Die chemische und die elektrotechnische Industrie stellten in großem Umfang Absolventen Technischer Hochschulen und Universitäten ein. Besonders die chemischen Großbetriebe kooperierten eng mit der Hochschulwissenschaft. Ökonomische Erfolge stellten sich ein, wenn es den Unternehmen gelang, wissenschaftliche und technische Innovationen in marktfähige Produkte umzusetzen und diese auf die internationalen Märkte zu bringen. In der Chemie war dies bei Farbstoffen und Pharmazeutika der Fall, in der Elektrotechnik bei elektrischen Maschinen und Anlagen und im Maschinenbau bei Verbrennungsmotoren. Da die deutsche Wirtschaft einen nicht unerheblichen Teil der Rohstoffe importieren musste, verfolgten sie schon früh – im Vergleich mit rohstoffreicheren Ländern – Sparsamkeits- und Effizienzstrategien. Der Versailler Vertrag, der die Niederlage des Ersten Weltkrieges besiegelte, die wirtschaftlichen Krisen der Nachkriegszeit und die Weltwirtschaftskrise um 1930 warfen die deutsche Industrie beträchtlich zurück. Insgesamt stellte die Zwischenkriegszeit eine Phase technisch-industrieller Stagnation dar. Von der relativ niedrigen Basis der frühen 1930er Jahre aus initiierten die Nationalsozialisten einen ökonomischen Aufschwung, der allerdings ganz überwiegend der Kriegsvorbereitung diente und nicht solide finanziert war. Die Aufbauphase der 1950er und 1960er Jahre wird häufig als „Wirtschaftswunder“ bezeichnet.430 Der Begriff des Wunders verdeckt jedoch die relativ günstige Ausgangslage der deutschen Industrie am Ende des Krieges. Die Zerstörungen betrafen weniger den im Krieg stark aufgeblähten Maschinenpark als die Gebäude und Verkehrswege. Jedenfalls waren die Produktionskapazitäten der Industrie nach dem Krieg immer noch größer als davor. In Westdeutschland hielten sich zudem die Demontagen in Grenzen. Als sich der Kalte Krieg abzeichnete, begannen die westlichen Alliierten den Wiederaufbau mit umfangreichen Hilfsmaßnahmen zu unterstützen. In der Folgezeit profitierte die deutsche Industrie davon, dass sie vielfach neu anfangen konnte und nicht durch alte Strukturen behindert wurde. Dazu kamen der Aufbauwille und eine dynamische Nachfrage der Bevölkerung. Die Bevölkerung der Bundesrepublik wuchs durch die Kriegsheimkehrer, die Vertriebenen und die Flüchtlinge aus der SBZ/DDR. Bis etwa 1970 erlebte die bundesdeutsche 430 Vgl. Stokes, Technology; „Der technische Aufbau nach 1945”.

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Wirtschaft historisch beispiellose Wachstumsraten, auf dem Arbeitsmarkt herrschte Vollbeschäftigung. Danach folgte eine wechselhaftere, durch Konjunkturschwankungen und Strukturkrisen geprägte Wirtschaftsentwicklung. Gleichzeitig ging in der deutschen Volkswirtschaft der Stellenwert des industriellen Sektors zugunsten der Dienstleistungen zurück. Das deutsche Innovationssystem und seine spezifische Technikkultur431 bildete sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts heraus. Es basierte auf einem hohen Qualifikationsniveau, auf Rohstoffeffizienz in der Produktion und auf dem Export qualitativ hochwertiger, den Kundenwünschen angepasster Investitionsgüter. Die Grundzüge dieses Innovationssystems gelten auch noch in der Gegenwart. Heute wird es mit Begriffen wie „diversifizierter Qualitätsproduktion“ charakterisiert. Die unterschiedlichen Kennzeichnungen nationaler Produktionssysteme enthalten die Aussage, dass sich die Industrieländer noch immer in markanter Weise unterscheiden – ungeachtet aller Tendenzen der Globalisierung. Zur Kennzeichnung des Zusammenwachsens der Welt hat sich der Begriff der „Globalisierung“ eingebürgert. Das Wort Globalisierung erlebte im Laufe von weniger als zwei Jahrzehnten eine rasante Konjunktur. Zuerst bezog es sich nur auf die internationalen Heute ist die Rede von Global Players, internationalen Konzernen, die weltweit agieren, Global Sourcing organisieren, die Welt als Zulieferer nutzen, und Global Marketing betreiben, die Welt als Absatzmarkt in den Blick nehmen. Darüber hinaus gestaltet die Globalisierung auch den Alltag um. Immer mehr Konsumgüter suchen und finden weltweit Käufer: amerikanische Fernsehserien, deutsche Autos, japanische Unterhaltungselektronik, chinesisches Spielzeug und vieles andere mehr. Die Warenwelt trifft auf gesellschaftliche Traditionen, welche wiederum auf die Warenangebote zurückwirken. Als Ergebnis wird wohl weniger eine einheitliche Globalkultur entstehen als vielmehr zahlreiche Hybride, die sich aus Elementen lokaler, regionaler, nationaler und „globaler“ Herkunft zusammensetzen. Die Historiker sind sich uneins, ab wann man von „Globalisierung“ sprechen sollte.432 Der weltweite Handelsaustausch besitzt eine Jahrhunderte zurück reichende Vorgeschichte. Eine Intensivierung fand nach 1500 im „Zeitalter der Entdeckungen“ statt, als die Portugiesen den Seeweg nach Indien eröffneten und die Spanier Amerika zu kolonisieren begannen. Die Entdeckungsreisen und die sich anschließenden imperialistischen Eroberungen basierten unter anderem auf der Schifffahrt, der Navigation und der Innovation des Kriegsschiffs mit mehreren Kanonendecks. In den folgenden Jahrhunderten dehnten die europäischen Seemächte den Handel über große Teile der Welt aus und errichteten Kolonien. Den Umfang des frühen Welthandels 431 S. o. S. 69–71. 432 Zur Globalisierung in historischer Perspektive: Osterhammel/Petersson, Geschichte; Fässler, Globalisierung.

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sollte man jedoch nicht überschätzen. Im Überseehandel verkehrten jährlich zunächst nur ein paar Dutzend Segelschiffe mit begrenztem Fassungsvermögen. Die meisten Handelsgüter waren Luxuswaren, wie Gewürze, Porzellan und Seide, die wenig Platz beanspruchten. In späterer Zeit fand eine Globalisierung der Nutzpflanzen statt. Zuckerrohr, Banane und Orange wanderten aus Asien über Europa nach Amerika, die Kartoffel und der Tabak aus der Neuen in die Alte Welt. Ein weiterer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stattfindender Globalisierungsschub beruhte wesentlich auf technischen Innovationen.433 Das Motorschiff löste das Segelschiff als Transportmittel ab. Um 1870 entstand innerhalb kurzer Zeit ein weltweites Kommunikationsnetz aus in den Ozeanen verlegten Telegraphiekabeln. Es diente ganz überwiegend dem Kommerz. Darüber hinaus nutzten es Nachrichtenagenturen und Zeitungsverlage. Motorschiff und Telegraphie senkten die Transportkosten in beträchtlichem Umfang. Auf den Weltmeeren wurden mehr und mehr auch Massengüter transportiert. Rohstoffe wie Kohle, Koks, Öl, Erze, Getreide, Wolle und Baumwolle beförderten die industrielle Entwicklung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs der Welthandel in neue Größenordnungen. Er profitierte von der – zumindest aus der Perspektive der europäischen Staaten – langen Friedenszeit. Die Auffassung setzte sich durch, dass alle Nationen aus dem freien Welthandel Nutzen zogen. Immer mehr Unternehmen agierten weltweit. Riesenschiffe und der Containerverkehr senkten die Frachtkosten.434 Selbst das Flugzeug wurde in die globalen Transportnetze einbezogen. Es beförderte vor allem verderbliche Waren, wie Früchte, Gemüse und Schnittblumen, außerdem hochwertige Güter, wie optische und elektronische Geräte. Zudem beschleunigte das Flugzeug den Geschäftsverkehr und erschloss neue touristische Destinationen. Von den Unterhaltungsmedien gewann in der Zwischenkriegszeit zuerst der Rundfunk eine globale Reichweite. Aber erst das über Satellit verbreitete Fernsehen globalisierte den häuslichen Medienkonsum. Wie kein anderes Medium schuf das Fernsehen ein – in den Worten des kanadischen Kommunikationswissenschaftlers Marshall McLuhan (1911–1980) – „global village“, ein globales Dorf, welches Geschehnisse in Echtzeit erfährt und verarbeitet. Die seit Mitte der 1960er Jahre stationierten Kommunikationssatelliten und die seit 1988 verlegten transozeanischen Glasfaserkabel vergrößerten die Kapazität der globalen Nachrichtenverbindungen exponentiell. Der damit einhergehende Preiszerfall eröffnete auch den privaten Konsumenten Zugänge in das weltweite Kommunikationsnetz. Heute steht das Internet an die Spitze der privaten Nutzungen.

433 S. o. S. 146ff. 434 Vgl. Levinson, The Box.

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3.1.7 Krieg und Technik Bei jeder Waffe handelt es sich um ein technisches Gerät. Rüstung, Militär, Kriege und Technik standen also immer schon in einem engen Zusammenhang.435 Im Folgenden wird dieses enge Beziehungsgeflecht am Beispiel der beiden Weltkriege skizziert. Insbesondere wird gefragt, in welcher Weise technische Innovationen die militärische Taktik und Strategie umgestalteten. Darüber hinaus geht es allgemein um Wechselwirkungen zwischen ziviler und militärischer Technik. Die beiden Weltkriege zwischen 1914 und 1918 sowie zwischen 1939 und 1945 stellten große menschheitsgeschichtliche Katastrophen dar.436 Im Ersten Weltkrieg starben etwa 10 Millionen Soldaten und insgesamt etwa 20 Millionen Menschen; im Zweiten Weltkrieg etwa 20 Millionen Soldaten und insgesamt 60 Millionen Menschen. Im Ersten Weltkrieg stand das Denken in militärischen Kategorien im Vordergrund, im Zweiten Weltkrieg kamen insbesondere von deutscher Seite Elemente eines Volks- und Vernichtungskrieges dazu. Im Ersten und im Zweiten Weltkrieg blieb die militärische Bedeutung der Eisenbahnen erhalten, die sich seit etwa 1860 herausgebildet hatte. Im Ersten Weltkrieg versorgten die Eisenbahnen die Truppen in den Materialschlachten des Stellungskriegs. Der deutsche Generalstab hatte den 1914 beginnenden Krieg als wenige Monate währenden Bewegungskrieg konzipiert. Tatsächlich entwickelte er sich jedoch innerhalb kurzer Zeit zum Stellungskrieg, welchen letzten Endes die materiellen Ressourcen entschieden. Die überlegene Feuerkraft der mit Maschinengewehren und Granatwerfern ausgerüsteten Verteidiger in ihren durch Minen, Stacheldraht, Gräben und Stahlbeton geschützten Stellungen ließ Geländegewinne nur zu, wenn beträchtliche Verluste in Kauf genommen wurden. Der unerwartete Stellungskrieg veranlasste die Parteien, nach neuen Mitteln zu suchen, um die erstarrten Fronten aufzubrechen. Hierzu gehörte der Einsatz von Giftgas zuerst durch die deutschen und später durch die alliierten Truppen.437 Insgesamt forderten die während des Krieges entwickelten Giftgase mehr als 100.000 Tote. Seit 1916 rückten die Alliierten mit Tanks, d.h. gepanzerten Wagen, gegen die deutschen Stellungen vor. Sie erzielten damit taktische, aber keine kriegsentscheidenden Wirkungen.

435 Eine materialreiche Hinführung zur englischsprachigen Literatur bietet: Hacker, Machines. 436 Zusammenfassende Technikgeschichten der beiden Weltkriege existieren nicht. Allerdings gibt es zahllose Einzelstudien. Im Folgenden werden nur einige auch methodisch signifikante neuere Werke zitiert. 437 Die Kontexte lassen sich gut erschließen über die Biographie von Szöllösi-Janze, Fritz Haber.

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3. Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert

Die Truppen waren nachrichtentechnisch vernetzt, und zwar sowohl durch drahtgebundene Telefonie wie durch drahtlose Telegraphie.438 Umfangreiche militärische Mittel flossen in die Entwicklung der drahtlosen Telefonie, also der Radiotechnik. Die spektakulärste Neuerung des Ersten Weltkriegs bildete der Einsatz von Luftschiffen und Flugzeugen. Trotz der riesigen Stückzahlen beschränkte sich die militärische Bedeutung jedoch weitgehend auf die Aufklärung. Dies lag nicht zuletzt daran, dass es nicht gelang, das Flugzeug zu einer zuverlässigen Technik zu machen. Im Krieg kamen wesentlich mehr Flieger bei Unfällen ums Leben als durch Feindeinwirkung. Der trotz enormer deutscher Rüstungsanstrengungen ungefährdeten Überlegenheit der alliierten Seestreitkräfte setzte Deutschland den Ausbau der UBoot-Waffe entgegen. Die U-Boote konnten jedoch den alliierten Nachschub nur kurzzeitig gefährden. Letzten Endes entschieden – und dies gilt nicht nur für den Ersten, sondern auch für den Zweiten Weltkrieg – nicht waffentechnische Entwicklungen den Kriegsausgang, sondern die wirtschaftlich-industriellen Ressourcen der kriegführenden Mächte. Beim Zweiten Weltkrieg handelte es sich im Unterschied zum Ersten um einen Bewegungskrieg. Industrie und Technik spielten eine eher noch größere Rolle. Die Eroberungs- und Vernichtungsfeldzüge des nationalsozialistischen Deutschland hatten dabei von Anfang an – selbst bei den so genannten Blitzkriegen – mit einem Mangel an Ressourcen zu kämpfen. Aufgrund der geographischen Verhältnisse sowie der wirtschaftlichen Potenziale war ein längerer Krieg gegen eine nicht kapitulierende Sowjetunion und gegen die Vereinigten Staaten von vornherein nicht zu gewinnen. Die zentrale strategische Waffe im Bewegungskrieg war der Panzer. Insgesamt kamen Zehntausende zum Einsatz. Mit Panzern ließen sich enorme Geländegewinne erzielen, womit sich allerdings auch die logistischen Aufgaben erschwerten. Weitere Elemente des Bewegungskriegs bildeten die Eisenbahnen sowie mit Wagen und Krafträdern ausgerüstete Infanterietruppen und Artillerieeinheiten. Letzten Endes erwies sich der Landkrieg als kriegsentscheidend, doch spielte im Unterschied zum Ersten Weltkrieg auch die Luftwaffe eine größere Rolle. Dabei kam die Ressourcenüberlegenheit der Alliierten wie ihre längerfristig angelegte Strategie der militärischen Forschung und Entwicklung zum Tragen. Großbritannien und die USA errangen innerhalb kurzer Zeit die Luftüberlegenheit. Allerdings erreichten die seit 1942 intensivierten Flächenbombardements die formulierten Ziele nicht. Weder gelang es, die deutsche Infrastruktur und Rüstungswirtschaft zu zerstören, noch wurde die Moral der Bevölkerung entscheidend untergraben. Die Radarentwicklung illustriert den gezielteren Einsatz militärtechnischer Forschung auf Seiten der Alliierten.439 Die nationalsozialistische

438 Vgl. Kaufmann, Kommunikationstechnik. 439 Vgl. Brown, A Radar History.

3.1 Technik in der Industriegesellschaft

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Führung brachte dem Radar zunächst eher Desinteresse entgegen und revidierte ihre Einstellung nach alliierten Erfolgen eher halbherzig. Großbritannien hatte aufgrund seiner strategischen Insellage die Arbeiten am Radar bereits in der Zwischenkriegszeit mit großem Mitteleinsatz vorangetrieben. Bei Kriegsausbruch verfügte die britische Insel über eine Radarkette entlang der Ostküste. Britisch-amerikanische Forschungen über Mikro-(Zentimeter-)wellen ermöglichten die Ausrüstung von Flugzeugen mit Bordradar. Damit ließen sich feindliche Flugzeuge, U-Boote und Schiffe aufspüren. Getauchte U-Boote suchten die allliierten Schiffe mit Sonar zu orten, d.h. mit Hilfe von Schallwellen. Die Entzifferung deutscher Funksprüche gab der angloamerikanischen Seekriegsführung weitere Hinweise. Die alliierten Erfolge zwangen die deutsche Marine schließlich 1943, den U-Boot-Krieg im Atlantik zurückzufahren. Eine Reihe spektakulärer militärtechnischer Innovationen besaß für den Ausgang des Krieges keine Bedeutung. Dazu gehörten die in Deutschland gebauten Raketen, die V1 und die V2.440 Wegen ihrer geringen Treffgenauigkeit kamen sie vor allem als Terrorwaffen gegen die britische und die niederländische Zivilbevölkerung zum Einsatz. Ihr eigentlicher Zweck bestand in einer Stärkung der Moral der deutschen Bevölkerung, die den alliierten Bombenangriffen ausgesetzt war. Düsenflugzeuge bauten sowohl die Alliierten wie die Deutschen. Sie kamen jedoch zu spät, als dass sie den Luftkrieg noch hätten wesentlich beeinflussen können. Der Bewegungskrieg auf dem Meer fand vor allem auf dem Pazifik zwischen den amerikanischen und den japanischen See- und Luftstreitkräften statt. Nach dem japanischen Überfall auf den amerikanischen Flottenstützpunkt Pearl Harbour wurde der in der Zwischenkriegszeit entwickelte Flugzeugträger zur wichtigsten Waffe. Auch dabei gab das überlegene industrielle Potenzial der Vereinigten Staaten den Ausschlag. Als die Amerikaner ihre Nuklearbomben über Hiroshima und Nagasaki abwarfen, war der Krieg bereits entschieden.441 Aussagen über die Wechselbeziehungen zwischen der militärischen und der zivilen technischen Entwicklung stehen vor der Schwierigkeit, dass sich beide Bereiche nicht scharf voneinander trennen lassen.442 Der Begriff des „Dual Use“ bezieht sich darauf. Militärisch induzierte Forschung und Entwicklung kann in die zivile Technik fließen, zivil induzierte in die militärische Technik. Die gleiche Technik, man denke an Eisenbahnen oder Werkzeugmaschinen, kann zivil oder militärisch genutzt werden. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verwandten Politiker und Lobbyisten vermehrt das Argument des „Spin-off“, um die Rüstungsausgaben zu legitimieren. Es besagt, dass Investitionen in militärische Technik – gewis440 Vgl. Neufeld, Rakete; Neufeld, Von Braun; Pulla, Raketentechnik. 441 Vgl. Rhodes, Atombombe. 442 Vgl. „Militärische und zivile Technik“.

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sermaßen als Abfallprodukt – immer auch zivile Früchte hervorbringen. Das Spin-off-Argument hält einer näheren Überprüfung jedoch nicht stand – unabhängig davon, ob zivile Produkte tatsächlich ihren Ausgang von militärischen Entwicklungen genommen haben. Das überzeugende Gegenargument lautet, dass direkte Investitionen in die zivile Technik einen größeren Nutzeffekt erzielen können als indirekte. Außerdem stehen getätigte Rüstungsausgaben der Volkswirtschaft nicht mehr für zivile Zwecke zur Verfügung. Militärische Ausgaben verlangen also auch nach militärischer Legitimation. Ein gutes Beispiel für den changierenden Zusammenhang zwischen ziviler und militärischer Technik stellen die Raketentechnik und die Raumfahrt dar.443 In der frühen Zwischenkriegszeit bildete die Rakete für die Pioniere in erster Linie eine technische Herausforderung. In den 1930er Jahren wurde sie vor allem durch das nationalsozialistische Deutschland zur Waffe weiterentwickelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg profitierten sowohl die USA wie die Sowjetunion vom Know-how der deutschen Raketenfachleute. Im Kalten Krieg flossen auf beiden Seiten die meisten Mittel in die Entwicklung von Interkontinentalraketen, welche nukleare Sprengköpfe tragen konnten. Dazu kam bei den beiden Supermächten das Prestigeduell der zivilen Raumfahrt, welches die Amerikaner aus der Sicht der Weltöffentlichkeit 1969 mit der ersten Mondlandung für sich entschieden. Seit den 1960er Jahren wuchs mit den Kommunikationssatelliten der Stellenwert der zivilen Seite erneut. Die militärischen und die zivilen Anforderungen an die Technik können sehr unterschiedlich sein. Manchmal verlangt das Militär eine besonders große Leistung oder Präzision. In anderen Fällen stehen die militärtechnischen Ansprüche aber auch den zivilen nach. In der Ausnahmesituation des Krieges werden Abstriche hinsichtlich Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit gemacht. In Friedenszeiten kann die militärische Rüstung dem Tempo ziviler Technik manchmal nicht folgen. So sind die Innovationszyklen bei der Elektronik von Interkontinentalraketen wesentlich länger als bei den Unterhaltungsmedien. Kriege und Rüstung wirken auf die Strukturen ziviler Technik ein. Insbesondere in Kriegszeiten bläht die Rüstung die industriellen Kapazitäten auf. Nach Kriegsende suchen diese Kapazitäten neue zivile Nutzungsfelder. Ein Beispiel hierfür sind der Flugzeugbau und die Fliegerei nach den beiden Weltkriegen.444 Kriege initiieren bei den jeweiligen Parteien Bemühungen um einen Ausgleich technisch-industrieller Schwächen. Sie versuchen damit, bestehende Abhängigkeiten vom Ausland zu reduzieren – bis hin zur Autarkie. Besonders das in beiden Weltkriegen von der Rohstoffversorgung abgeschnittene Deutschland investierte in die Entwicklung von Substituten, von „Ersatzstoffen“. Beide Weltkriege intensivierten die Kooperation zwischen 443 Überblicke zur Geschichte der Raumfahrt: McDougall, … the Heavens; Siddiqi, Challenge; Zimmer, Der rote Orbit; Siefarth, Geschichte. 444 Vgl. Budraß, Flugzeugindustrie.

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Staat, Wirtschaft und Wissenschaft. Im Zweiten Weltkrieg steckte insbesondere der amerikanische Staat riesige Summen in den Bau einer Atombombe und in die Radarentwicklung. Nicht selten blieb der gestiegene Staatseinfluss nach Kriegsende zumindest teilweise erhalten.

3.1.8 Der Ingenieur In den meisten Ländern ist der Ingenieurberuf445 heute an eine Hochschulausbildung gekoppelt. Diese Verbindung zwischen Ausbildung und Beruf entwickelte sich in einem längeren historischen Prozess zwischen dem 18. und dem 20. Jahrhundert – mit großen Unterschieden zwischen den einzelnen Industriestaaten. In Großbritannien, dem Mutterland der Industriellen Revolution, wie in den früh industrialisierten Vereinigten Staaten erfolgte die Industrialisierung weitgehend empirisch, ohne dass es eine an Schulen stattfindende formalisierte Ausbildung der Ingenieure gab. Erst seit den 1860er Jahren wurden in größerem Umfang technische Unterrichtsstätten für Ingenieure ins Leben gerufen. Im Gegensatz dazu verfügten die Nachfolgeländer im Industrialisierungsprozess, Frankreich und Deutschland, wesentlich früher über ein technisches Schulwesen. In Frankreich reichte die schulische Ausbildung technischer Staatsdiener bis weit ins 18. Jahrhundert zurück. In Deutschland fiel die Gründung zahlreicher technischer Unterrichtsstätten Anfang des 19. Jahrhunderts mit der Frühindustrialisierung zusammen. In der britischen Industriellen Revolution kamen die meisten Erfinder und Innovatoren aus technisch-handwerklichen Berufen, wie Schmied, Schlosser, Mühlenbauer oder Mechaniker.446 Noch am ehesten gewannen die freiberuflich tätigen Civil Engineers den Charakter einer geschlossenen Berufsgruppe. Als technische Universalisten planten und bauten sie Fabriken, Maschinenanlagen, Straßen, Brücken, Kanäle und Eisenbahnen. Civil Engineer wurde man durch eine mehrjährige Lehrzeit. Die Ausbildung war erfolgreich abgeschlossen, wenn sich die angehenden Ingenieure selbständig machten oder in einem größeren Ingenieurbüro bzw. einer Fabrik eine verantwortliche höhere Position antraten. In ihrem Selbstverständnis orientierten sich die Civil Engineers an den „Professions“, an den angesehenen freien Berufen, wie Jurist, Mediziner oder Pfarrer. Über den Beruf wachten Verbände, wie die 1818 gegründete „Institution of Civil Engineers” oder die 1847 entstandene „Institution of Mechanical Engineers“. Die Mitgliedschaft setzte den Nachweis einer mehrjährigen erfolgreichen Berufspraxis voraus. In den 445 Den Stand der Forschung repräsentiert – unter Nennung der wichtigsten Literatur: Kaiser/König, Geschichte; weitere vergleichende Literatur: Emmerson, Engineering Education; Lundgreen, Engineering Education; Fox/Guagnini, Education. 446 Vgl. als Überblick: Buchanan, The Engineers.

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USA unterschieden sich die Ingenieurberufsgruppe und die Ingenieurausbildung nicht prinzipiell von der in Großbritannien.447 Nur eine Minderheit der Bauingenieure absolvierte eine Militärschule, wie die Militärakademie in West Point. Frankreich besaß bereits vor der Industrialisierung ein hoch entwickeltes technisches Bildungswesen.448 Mehrere Staatsschulen bildeten Ingenieure für das Militär, den Bergbau und für die Schaffung einer Verkehrsinfrastruktur aus. Nach der französischen Revolution erfuhr dieses System eine Modifikation. Dem Besuch der anwendungsorientierten Schulen für den Staatsdienst wurde jetzt jener der 1794 gegründeten École Polytechnique vorgeschaltet. Strenge Aufnahmeprüfungen, die „Concours“, welche ihre Schwerpunkt in der Mathematik besaßen, sorgten für eine Auslese. Bis zur Gegenwart trennen die anspruchsvollen „Concours“ die angesehensten Bildungsanstalten, die „Grandes Écoles“, von den anderen. Die auf den Staatsdienst ausgerichteten Eliteschulen spielten keine große Rolle für die französische Industrialisierung. In Frankreich erfolgte die nachholende Industrialisierung wie in Deutschland vor allem durch Technologietransfer über Personen.449 Seit dem frühen 19. Jahrhundert richteten dann Privatleute technische Schulen ein und reagierten damit auf die sich allmählich industrielle Nachfrage nach technischen Kräften. Besonders die Écoles des Arts et Métiers vermittelten praxisbezogene Kenntnisse und Fertigkeiten. Allerdings blieben die Absolventenzahlen zunächst noch sehr klein. Die Gründung von Gewerbeschulen und Polytechnischen Schulen in Deutschland in den 1820er und 1830er Jahren stand in unmittelbarem Zusammenhang mit den staatlichen Bemühungen um eine nachholende Industrialisierung.450 Die mittleren und größeren Einzelstaaten wollten auf diesen Schulen – so jedenfalls das Programm – Fachkräfte für die industriellen Betriebe ausbilden. Die Realität hatte mit diesen Zielsetzungen jedoch wenig zu tun. Viele Jahrzehnte lang gingen die meisten Absolventen nicht in die Privatindustrie, sondern in den öffentlichen Dienst. Die Orientierung am Staatsdienst schlug sich in den Lehrplänen und in den Abschlüssen nieder. Etwas anders sah es in Preußen aus, wo die 1821 gegründete Gewerbeschule, später in Gewerbeinstitut und Gewerbeakademie umbenannt, den industriellen Ansprüchen besser entsprach. Dies hing mit dem praxisorientierten Unterricht zusammen und den erfolgreichen Bemühungen des zuständigen Ministers Peter Christian Wilhelm Beuth (1781–1853), die Absolventen an Firmen des Maschinenbaus, des Hüttenwesens und der chemischen Technologie zu vermitteln. 447 448 449 450

Vgl. als Überblicke: Calvert, The Mechanical Engineer; Sinclair, A Centennial History. Vgl. als Überblicke: Fox/Weisz, Organization; Grelon/Stück, Ingenieure. S. o. S. 157–61. Vgl. als Überblicke: Manegold, Universität; Gispen, New Profession; Lundgreen/Grelon, Ingenieure.

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Seit der Jahrhundertmitte eiferten die deutschen Polytechnischen Schulen weitgehend dem Vorbild der Universitäten nach. Sie erhöhten die formalen Anforderungen an die Studenten, strebten universitäre Verfassungsformen an und übernahmen das positivistische und theoriebezogene Wissenschaftsideal der Universitäten. Als Ergebnis dieser Anpassung erhielten sie seit den 1870er Jahren Hochschulstatus und um die Jahrhundertwende das Promotionsrecht. Der hierfür zu entrichtende Preis bestand darin, dass sie sich in Forschung und Lehre – jedenfalls eine Zeitlang – von den Anforderungen der industriellen Praxis entfernten. In den großen Industrieländern standen die Ausbildungssysteme im späten 19. Jahrhundert vor ganz unterschiedlichen Herauforderungen. In Frankreich und Deutschland ging es um eine Umorientierung der Ingenieurausbildung von den Bedürfnissen des Staates zu den Bedürfnissen der Industrie. Besonders in Deutschland bedeutete dies einen stärkeren Praxisbezug der Technischen Hochschulen. Deren Fokussierung auf theoretische Fragen hatte zur vermehrten Gründung mittlerer technischer Lehranstalten geführt, der Vorläuferinstitutionen der heutigen Fachhochschulen.451 Auf diese Weise entstand ein zweigliedriges technisches Ausbildungssystem, welches der Industrie unterschiedlich qualifizierte Ingenieuren in einem weiten Spektrum anbot. In Frankreich gab es bereits seit den Anfängen der Industrialisierung Schulen, welche Konstrukteure, Produktionsingenieure und Manager für die Wirtschaft ausbildeten. Ein Defizit zeigte sich gegen Ende des Jahrhunderts im Bereich der neuen wissenschaftsorientierten Industrien. Die Lücke schlossen Gründungen technischer Institute an den naturwissenschaftlichen Universitätsfakultäten sowie elektrotechnischer und chemischer Spezialschulen. Dagegen studierten Aspiranten für den technischen Staatsdienst weiterhin vorwiegend an den Grandes Écoles, wie an der École Polytechnique. In Großbritannien und in den USA ging es dagegen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts darum, technische Ausbildungsstätten überhaupt erst ins Leben zu rufen. In Großbritannien stellten manche Zeitgenossen einen Zusammenhang her zwischen dem Schrumpfen des industriellen Vorsprungs Großbritanniens und einer unzureichend entwickelten Ingenieurausbildung.452 Seit den 1860er Jahren richteten Bildungsreformer technische Studiengänge ein, und zwar besonders an Universitäten in den Industriegebieten Mittel- und Nordostenglands. Eine analoge, aber wesentlich dynamischere Gründungswelle breitete sich zur gleichen Zeit auch in den USA aus. Die traditionelle Praxisorientierung der Ingenieurkultur zeigte sich an den amerikanischen Colleges in einer stärkeren Ausprägung des Laboratoriums- und

451 Vgl. als neueren Titel: Schütte, Technisches Bildungswesen. 452 Vgl. Wiener, English Culture; Sanderson, Education.

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Werkstattunterrichts, an den britischen Universitäten an den Abend- und Sandwichkursen für sich im Berufsleben befindlichen Im Ergebnis entstand in den einzelnen Industrieländern eine außerordentlich heterogene Berufsgruppe. Sie umfasste Ingenieure, die sich ihr Wissen und Können in der Praxis angeeignet hatten, sowie Absolventen zahlreicher technischer Bildungsstätten unterschiedlichen theoretischen und praktischen Niveaus. Die Heterogenität der Ingenieurberufsgruppe wurde den vielfältigen Ansprüchen der Industrie und des Staatsdienstes gerecht. Sie verhinderte aber, dass sich die Ingenieure zu einer durch einheitliche nationale oder internationale Standards gekennzeichneten Profession entwickelten. In Frankreich und Deutschland bestimmte in erster Linie die technische Schulbildung die Zugehörigkeit zur Ingenieurberufsgruppe, in Großbritannien und in den USA der berufliche Erfolg. Allerdings dauerte es in Frankreich bis in die 1930er Jahre, dass eine Liste der Ausbildungsstätten die Zugehörigkeit zum Ingenieurberuf eindeutig festlegte. Konsequent fügt man dort üblicherweise der Bezeichnung „Ingénieur diplomé“ den Namen der Ausbildungsstätte hinzu. In der Bundesrepublik Deutschland banden erst Anfang der 1970er Jahre die Ingenieurgesetze den Beruf definitiv an die Absolvierung einschlägiger Studiengänge. In Großbritannien und in den USA dagegen besaß die Mitgliedschaft in einer der „Institutions“, der Ingenieurvereine, in der Ingenieurwelt eine weit größere Bedeutung. Der empirisch-praktische Weg zum Ingenieur blieb längere Zeit erhalten. Im 19. Jahrhunderts verfügten die meisten technischen Ausbildungsstätten über keine großen Experimentaleinrichtungen. Im Unterricht kamen Wandtafeln und Modelle zum Einsatz. Zeichnen und Berechnen füllten den größten Teil der Lehrveranstaltungen aus. Die im späten 19. Jahrhundert beginnende Einrichtung von Laboratorien und Versuchsfeldern bedeutete für die Forschung und Lehre in den Technikwissenschaften einen großen Sprung. Die Hochschulen erhielten damit ein Instrumentarium, mit dem sie die Qualität der technischen Modellierung wesentlich erhöhen konnten. Im Zuge dieser Entwicklung wurden sie zu gefragten Partnern der Industrie. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam als weiteres Element eine verbesserte Rechentechnik dazu. Immer leistungsfähigere Computer erweiterten die Rechenbarkeit komplexer Modelle in dramatischem Umfang. Darüber hinaus dienten die Rechner der Konstruktion neuer technischer Systeme und der Simulation ihres Verhaltens unter unterschiedlichen Bedingungen.

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3.2 TECHNIK IN DER KONSUMGESELLSCHAFT 3.2.1 Die Wurzeln des Wohlstands Der Wohlstand wurzelt in der erfinderischen Fähigkeit des Menschen und in der Umgestaltung – es ließe sich auch sagen: Ausbeutung – der Natur.453 Die Natur dient den Menschen als Ressource. Sie entnehmen ihr die Nahrung und die Rohstoffe, mit deren Hilfe sie ihre Grund- und Luxusbedürfnisse befriedigen: Wohnung, Kleidung, Mobilität, Unterhaltung und vieles andere mehr. Im Laufe der Geschichte wurden immer mehr Naturstoffe über immer größere Entfernungen herangeholt und der menschlichen Nutzung zugeführt. Mit einem gewissen Recht kann man sagen, dass heute die gesamte Natur ausgebeutet wird, welche aufgrund ihrer Lage nahe der Erdoberfläche überhaupt zugänglich ist. Die vorgefundenen Stoffe nutzten die Menschen zunächst in ihrer natürlichen Beschaffenheit. Aus Holz, Stein und Lehm bauten sie ihre Behausungen, aus pflanzlichen und tierischen Fasern spannen sie Garne und webten Tuche. Mit der Zeit lernten sie, aus den vorhandenen Naturstoffen neue Stoffe herzustellen. Aus Erzen gewannen sie Metalle, aus Sand, Soda und Kalk Glas, aus Pflanzen und Tieren Farbstoffe und Heilmittel. Im Laufe der Geschichte wuchs die Zahl der derart künstlich hergestellten Stoffe enorm an, und innerhalb der einzelnen Stoffgruppen erhöhte sich die Zahl der Varietäten. Metaphorisch kann man diese künstlich hergestellten, in der Natur nicht vorkommenden Stoffe als „Kunststoffe“ bezeichnen. Üblicherweise wird der Begriff aber auf aus Makromolekülen, aus Polymeren, bestehende Stoffe eingegrenzt. Dabei wird die Unterscheidung getroffen zwischen Kunststoffen, die durch Umwandlung von Naturstoffen entstehen, und Kunststoffen, die aus niedermolekularen Stoffen synthetisiert werden. Im ersten Fall spricht man auch von halbsynthetischen Kunststoffen, im zweiten Fall von vollsynthetischen. Den Weg vom Naturstoff zum Kunststoff möchte ich an einigen Beispielen aus dem Bereich der Farbstoffe und der Pharmazeutika erläutern. Bereits vor Jahrtausenden entdeckten die Menschen, dass bestimmte Pflanzen eine heilende Wirkung besaßen und dass man sie zum Färben benutzen konnte. Mit der Zeit lernten sie, aus Pflanzen und Tieren Extrakte herzustellen und damit die Wirkung zu erhöhen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der wichtigste rote Farbstoff aus Krapp gewonnen, den getrockneten Wurzeln der Färberröte, und Indigo, der wichtigste blaue, aus den Blättern eines in Indien angebauten Strauchs.

453 Vgl. Radkau, Natur; Fischer-Kowalski, Gesellschaftlicher Stoffwechsel.

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In den 1830er Jahren entdeckten Chemiker durch Zufall Farbstoffe im Teer, einem in großen Mengen entstehenden Abfallprodukt der Gasanstalten.454 1856 gelang es dem englischen Chemiker Henry Perkin (1838–1907), aus dem Teer Mauvein, zu gewinnen einen violetten Farbstoff. In den folgenden Jahrzehnten wurde eine Vielzahl weiterer Farbstoffe gefunden, darunter auch solche, die in der Natur kein Vorbild besaßen. 1868 synthetisierten Chemiker den natürlichen Krappfarbstoff Alizarin, 1880 den Indigofarbstoff. Nach der Entwicklung großtechnischer Herstellungsverfahren lösten die synthetischen Farbstoffe die natürlichen mit großer Geschwindigkeit ab.455 Gleichzeitig sanken die Preise; bunte Kleidung wurde für größere Bevölkerungsgruppen erschwinglich. Um die gleiche Zeit begannen Chemiker auch mit der Herstellung von Pharmazeutika aus Teerderivaten. Am Anfang standen Desinfektionsmittel. 1898 brachte Bayer Aspirin als Mittel gegen Schmerzen und Erkältungen auf den Markt. Andere Arzneimittel aus dieser Zeit wirkten gegen die Syphilis oder die Schlafkrankheit. Das bis zur Gegenwart andauernde Wachstum des Arzneimittelmarkts hing vor allem mit zwei Tendenzen zusammen. Die Medizin entwickelte spezielle Arzneimittel für vielerlei Anwendungen. Einige davon brachten schreckliche Krankheiten fast zum Erliegen, wie die Kinderlähmung, die in manchen Ländern seit Mitte der 1950er Jahre mit groß angelegten Schluckimpfungen bekämpft wurde. Andere Arzneimittel, wie Psychopharmaka, wurden aber auch zunehmend – gefördert durch Werbekampagnen und Illusionen der Kunden – zu Konsumartikeln. Die deutsche Chemieindustrie,456 mit Firmen wie der BASF, Bayer und Hoechst, gewann mit synthetischen Farbstoffen und mit Pharmazeutika in den Jahrzehnten um 1900 auf dem Weltmarkt eine führende Position. Die Chemie entwickelte sich zum Musterbeispiel einer Science-based Industry, bei der die Wissenschaft einen relevanten Beitrag zum Erfolg leistet.457 Elemente dieser Science-based Industry waren Forschungskooperationen mit den Hochschulen, die Einrichtung großer Laboratorien und die Einstellung wissenschaftlich ausgebildeter Chemiker. Zu den Stärken der deutschen chemischen Industrie gehörten darüber hinaus Hochdruckverfahren und katalytische Verfahren. Eine Pionierfunktion besaß das um 1910 entwickelte Haber-Bosch-Verfahren der Ammoniaksynthese.458 Aus Ammoniak entstanden in Friedenszeiten vor allem Stickstoffdünger, in Kriegszeiten vor allem Explosivstoffe, beides jeweils in riesigen Mengen nachgefragt. 454 Zur Geschichte der synthetischen Farbstoffe und der Farbstoffindustrie: Travis, The Rainbow Makers; Andersen, Chemie; Murmann, Knowledge; Reinhardt, Forschung. 455 Vgl. Engel, Produktionssysteme. 456 Vgl. als beispielhafte Firmengeschichten: Abelshauser, BASF; Plumpe, Die I.G. Farbenindustrie AG. 457 Vgl. König, Science-based Industry; König, Chemie. 458 Vgl. Smil, Enriching the Earth.

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In die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts fällt die Herstellung der ersten halbsynthetischen Kunststoffe.459 Seit 1868 entstand aus dem Rohstoff Holz über mehrere Zwischenstufen Celluloid. Celluloid bildete das Ausgangsmaterial für eine Fülle von Produkten. Die Hochzeit erlebte es seit den 1890er Jahren als Filmmaterial, bis es in der Zwischenkriegszeit wegen seiner Feuergefährlichkeit durch einen anderen Kunststoff abgelöst wurde. Bakelit, ein Kunstharz, wurde seit 1909 produziert. Aufgrund seiner Isolationseigenschaften verwandte man Bakelit beispielsweise für Schalter in der Elektrotechnik. Die fabrikmäßige Herstellung künstlicher Fasern (Chemiefasern) begann Ende des 19. Jahrhunderts.460 Zur Gruppe der „Kunstseiden“ gehörte die Viskose, vor dem Strumpf aus Nylon das wichtigste Ausgangsmaterial für Damenstrümpfe. Die Bezeichnung „Kunstseide“ zeigt an, dass es sich bei allen bislang genannten Kunststoffen um Imitate und Substitute natürlicher Materialien handelte. Die ersten Kunststoffe lehnten sich an das Image und die Verwendung der Naturstoffe an und unterboten deren Preis. Dagegen waren andere Kunststoffe für manche Anwendungen besser geeignet als Naturstoffe. Ein frühes Beispiel hierfür war der seinem Vorläufer, dem Papier-Rollfilm, überlegene Celluloid-Film. In analoger Weise übertraf die gegen Ende der 1930er Jahre auf den Markt gebrachte erste vollsynthetische Kunstfaser, das Nylon, die Eigenschaften der Kunstseiden.461 Die amerikanischen Frauen rissen den Verkäufern die ersten Nylonstrümpfe geradezu aus den Händen. Während des Zweiten Weltkriegs stellten die Nylonfabriken allerdings militärische Güter her: Fallschirmschnüre, hochfeste Seile, Gewebe für Flugzeugreifen sowie Futterstoffe. Der eigentliche Boom der Kunststoffe fällt in die Nachkriegszeit.462 Die Produktionszahlen stiegen von einigen tausend auf viele Millionen Tonnen im Jahr. Polymere wie Polyamid (z.B. Perlon), Polyacryl, Polyester (z.B. Trevira) , Polyvinylchlorid (PVC) und Polyethylen bildeten die Basis für immer mehr Produkte. Wohlstand resultiert nicht nur aus der materiellen Ausbeutung der Welt, sondern auch aus dem erfinderischen Umgang mit den natürlichen Ressourcen und der menschlichen Arbeitskraft. Mit Erfindungskraft lässt sich der aus Ressourcen, Arbeit und Kapital zu ziehende Nutzen steigern. In den Gesellschaftswissenschaften wird die dem Menschen eigene Fähigkeit, gezielt Neues zu schaffen und daraus Nutzen zu ziehen, üblicherweise mit Begriffen wie „Kreativität“ und „Rationalität“ zusammengefasst. Für ihre Zwecke definieren die Ökonomen das Rationalprinzip als das Bestreben, mit einem möglichst geringen Aufwand einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen. Allerdings bleiben in dieser Formulierung die Ziele und Werte rationalen Wirtschaftens 459 460 461 462

Vgl. Kaufmann, The First Century; Friedel, Pioneer Plastic. Vgl. Coleman, Courtaulds. Vgl. Hounshell/Smith, Science; Ndiaye, Nylon. Vgl. Meikle, American Plastic; Westermann, Plastik.

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außen vor. Der Erfolg der reduktionistischen Fassung des ökonomischen Rationalprinzips hing damit zusammen, dass lange Zeit weitgehende gesellschaftliche Übereinstimmung herrschte hinsichtlich der Ziele von Wirtschaft und Technik. Sie sollten Wohlstand erzeugen, und Wohlstand wurde interpretiert als Quantität und Qualität der den Menschen zur Verfügung stehenden Güter und Dienstleistungen. Dabei wurde es übersehen oder in Kauf genommen, dass ein beträchtlicher Teil der Wohlstandssteigerungen auf Kosten der Natur ging.463 Die wichtigsten Mittel zur Steigerung des Wohlstands bildeten technische Rationalisierung und industrielle Massenproduktion.464 Unter technischer Rationalisierung wird die Gesamtheit der technischen Maßnahmen zur Erhöhung der Produktivität verstanden, d.h. des Verhältnisses zwischen Aufwand und Ertrag bei der Produktion. Massenproduktion stellt eine besondere Form der Rationalisierung dar. Die Verteilung der Fixkosten auf möglichst große Stückzahlen lässt die Stückkosten sinken. Massenproduzierte Güter sind also preiswerter als in Einzel- oder Serienfertigung hergestellte. Allerdings verläuft die Grenze zwischen den verschiedenen Formen der Fertigung fließend. In aller Regel enthalten einzeln oder in kleinen Serien gefertigte Waren Teile oder Vorprodukte aus der Massenproduktion. In gewisser Weise sind Bemühungen um Produktionseffizienz so alt wie die Technik und damit die Menschheit. Markante Produktivitätssteigerungen fanden in mehreren Epochen der Menschheitsgeschichte statt. Hierzu gehört nicht zuletzt die in Großbritannien im späten 18. Jahrhundert beginnende Industrialisierung. Ihr produktionstechnischer Kern bildete die betriebliche Organisationsform der Fabrik mit ihren Kraft- und Arbeitsmaschinen. Im 19. Jahrhundert drangen Industrialisierung, Fabriksystem und Maschinisierung in weitere Länder vor. Im 20. Jahrhundert wuchs die Produktivität aufgrund der Automatisierung weiter. Die Produktivitätssteigerungen erweiterten die Spielräume der Unternehmen; sie eröffneten Möglichkeiten, die Preise zu senken, die Gewinne und die Löhne zu erhöhen oder die Arbeitszeit zu reduzieren. Auf diese Weise entstand eine Wachstumsspirale: Rationalisierung und Massenproduktion vergrößerten die Konsummöglichkeiten; die Konsumsteigerungen führten zu Umsatzwachstum bestehender Unternehmen oder zur Gründung neuer. Ein Teil der durch Rationalisierung und Massenproduktion erzielten Produktivitätsgewinne schlug sich jedenfalls in Form von Lohnerhöhungen und Preisreduzierungen nieder. Die aus den beiden Faktoren zusammengesetzten Realpreise sanken bei vielen Produkten dramatisch.465 Ein Beispiel: Wenn 463 S. u. S. 212–15. 464 Mehr oder weniger systematische Überblicke zur Geschichte der Rationalisierung und Massenproduktion bieten: Chandler, The Visible Hand; Hounshell, From the American System; König, Geschichte, S. 33–90; Brede, Instrument. 465 Vgl. Fourastié/Schneider, Warum die Preise sinken.

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ein Industriearbeiter 1905 auf den vermessenen Gedanken gekommen wäre, sich den billigsten Daimler anzuschaffen, dann hätte er dafür 25.000 Stunden arbeiten müssen, 1985 hätte er den billigsten Mercedes nach nur noch 2.000 Stunden Arbeit erstehen können. Die Realpreise gingen in den einzelnen volkswirtschaftlichen Sektoren allerdings in recht unterschiedlichem Maß zurück – am weitesten bei Industriewaren und landwirtschaftlichen Produkten. In den Teilen des Dienstleistungssektors, wo Maschinen eine große Rolle spielen, wie im Verkehrs- und Transportwesen, sanken sie tendenziell. In jenen Teilen, wo der personelle Service dominiert, wie im Hotel- und Gaststättengewerbe oder beim Haareschneiden, stiegen sie dagegen. Die Differenzen betonen die große Bedeutung, welche der Substitution menschlicher Arbeit durch Maschinen für die Vermehrung der Konsumkraft zukommt. Die Entwicklung der Reallöhne466 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ist in der historischen Forschung umstritten. Übereinstimmung besteht darin, dass sie sich in den Industrieländern in der Zeit danach allmählich erhöhten. Allerdings reichten die Einkommen der meisten Arbeiter längere Zeit gerade aus, um die Subsistenzbedürfnisse zu erfüllen. Die Lohnerhöhungen verwandten die Unter- und Mittelschichten vorwiegend zur Verbesserung der Lebensmittelversorgung. Darüber hinaus bestanden für konsumtive Ausgaben nur sehr begrenzte Spielräume. Die Löhne entwickelten sich in den einzelnen Staaten recht unterschiedlich. Seit dem 19. Jahrhundert und bis in die 1970er Jahre lagen die amerikanischen Löhne deutlich über den deutschen. In der Bundesrepublik fand ein großer Kaufkraftzuwachs erst zwischen den 1950er und den 1970er Jahren statt. Erst danach erreichten die deutschen Familien das amerikanische Konsumniveau der Zwischenkriegszeit. Konsum erfordert nicht nur Geld, sondern auch Zeit – genauer und in Abgrenzung von der Arbeitszeit: Freizeit, „disponible Zeit“.467 In den meisten Ländern bewirkte die Industrialisierung zunächst eine Verlängerung der Arbeitszeit. Danach sorgten die Organisationsmacht der Arbeiter sowie Produktivitätssteigerungen gemeinsam für eine beträchtliche Reduzierung. In die Zwischenkriegszeit fällt – sowohl in den USA wie in Deutschland – die Verbreitung des 8-Stunden-Tags. Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg – zuerst in den USA, später in Deutschland – wurde die 5-Tage-Woche eingeführt und damit der große Freizeitblock des Wochenendes. Urlaub erhielten in Deutschland zuerst die Beamten und Angestellten. In der Zwischenkriegszeit kamen tarifvertragliche Urlaubsregelungen für Arbeiter dazu. In der Nachkriegszeit verharrte die durchschnittliche Dauer des Jahresurlaubs in den USA bei gut zwei bis drei Wochen, in Deutschland dagegen erfuhr er eine Ausdehnung auf sechs Wochen.

466 Vgl. Lebergott, The American Economy; Gömmel, Realeinkommen. 467 Vgl. Schröder, Entwicklung; Vester, Zeitalter.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg adelten die Vereinten Nationen Freizeit und Urlaub zum allgemeinen Menschenrecht. In Artikel 24 der Menschenrechtsdeklaration heißt es: „Jeder Mensch hat Anspruch auf Erholung und Freizeit sowie auf eine vernünftige Begrenzung der Arbeitszeit und periodisch bezahlten Urlaub.“ In den Ländern der Ersten Welt hat dieses Programm weitgehende Erfüllung und Ausdehnung gefunden. Dort ist heute vielfach die Rede vom „Ende der Arbeitsgesellschaft“ und dem Übergang zur „Freizeitgesellschaft“. Im Bewusstsein der Arbeitenden steht die Arbeit nicht mehr unbedingt im Zentrum des Lebens: Man arbeitet, um zu leben, und lebt nicht, um zu arbeiten. Es gibt Schätzungen, dass sich in Deutschland das quantitative Verhältnis zwischen Lebensarbeitszeit und Lebensfreizeit seit 1964 umgekehrt hat. 3.2.2 Diversifizierung der energetischen Basis468 Im Laufe der Industrialisierung wurde die Steinkohle zum wichtigsten Primärenergieträger.469 Seit Mitte des 19. Jahrhunderts erhielt sie am Weltenergiemarkt eine gewichtige Konkurrenz durch das Erdöl. Das Öl machte der Kohle nacheinander die großen Einsatzgebiete streitig: die Hausheizung, die industrielle Prozesswärme, die Verwendung als chemischer Grundstoff und schließlich die Stromerzeugung. Allerdings dauerte es bis in die 1960er Jahre, dass – in globaler Betrachtung – das Öl die Kohle als Primärenergieträger überholte. Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann das Erdgas relevante Anteile und reduzierte seit den späten 1970er Jahren die Anteile der Kohle sowie des Öls. Seit dem Zweiten Weltkrieg ging die Kohleförderung besonders in den alten Industrieländern zurück470. Die mit der Kohle verbundenen Interessengruppen sperrten sich gegen diesen Rückgang und fanden teilweise Unterstützung bei den jeweiligen nationalen Regierungen. Die wichtigsten politischen Motive für die Verzögerung des anstehenden Strukturwandels bestanden in der Sicherung einer einheimischen Energiebasis und in der Erhaltung der Arbeitsplätze. Mit der zunehmenden Verflechtung des Welthandels und den rapide steigenden Erhaltungssubventionen verloren diese Argumente jedoch mehr und mehr an Überzeugungskraft. Unter rein ökonomischen Gesichtspunkten blieb nur Kohle weltmarktfähig, die im Tagebau gefördert wurde oder im Tiefbau mit hoch mechanisierten kontinuierlichen Abbaumethoden. Außerdem durfte die Kohle nicht allzu weit von den Verkehrswegen und den Märkten entfernt vorkommen. Dies war unter anderem in den USA, in Südafrika und in Australien der Fall. 468 Vgl. als Versuch eines Überblicks: Varchmin/Radkau, Kraft. 469 Vgl. o. S. 134–36. 470 Vgl. „Steinkohlenbergbau“.

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Eine deutsche Besonderheit stellte die bereits vor dem Ersten Weltkrieg in großen Tagebauen geförderte Braunkohle dar. Im Tagebau bereitete die Mechanisierung von vornherein weniger Schwierigkeiten als im Tiefbau. Beim Abbau gelangten immer größere kontinuierlich arbeitende Maschinen zum Einsatz, welche die Deckschichten beseitigten und die Braunkohle auf Lokomotiven, Kettenbahnen und später auf Bänder luden. Auf diesem Weg erreichte die Kohle die nahe der Tagebaue errichteten Produktionsanlagen und Kraftwerke. In der Gegenwart machen es die hohe Besiedlungsdichte, Rekultivierungsvorschriften und Befürchtungen von Grundwasserabsenkungen schwer, neue Tagebaue zu erschließen. Außerdem steht die Braunkohle aufgrund ihrer höheren Schadstoffemissionen in der Kritik. In Großbritannien wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Hochrechnungen präsentiert, die eine Erschöpfung der weltweiten Kohlevorkommen in den 1980er Jahren voraussagten. Es war nicht zuletzt die Erschließung von Öllagerstätten,471 die dafür sorgte, dass die Prognose nicht zutraf. Aus dem Boden sickerndes Öl fand bereits vor Jahrtausenden eine Anzahl von Verwendungen. Als Beginn des Ölzeitalters gilt jedoch 1859 das Erbohren einer ergiebigen Quelle in Titusville in Pennsylvania. Der Fund führte zu einer Art Ölfieber und zur Erkundung weiterer Vorkommen. Gebohrt wurde anfangs mit einem für die Wassergewinnung entwickelten Schlagbohrverfahren. Um die Jahrhundertwende ging man zum Drehbohren über, mit dem man heute mehrere tausend Meter Tiefe erreicht. War man fündig geworden, sprudelte im Allgemeinen das unter Druck stehende Öl an die Erdoberfläche; nach Abbau des Drucks pumpte man es aus dem Lager. Besonders in der Frühzeit des Ölbooms kam es dabei zu Umweltverschmutzungen größten Ausmaßes. Von entscheidender Bedeutung für die Verbreitung des neuen Energierohstoffs war die Reduzierung der Transportkosten. Anfangs transportierten Boote oder Eisenbahnen das Öl in Fässern in die Raffinerien. Danach übernahmen spezielle Tankwagen und Tankschiffe diese Aufgabe. Seit den 1880er Jahren brachten Tanker das Destillationsprodukt Petroleum aus den USA nach Europa. Damit war der Anfang eines globalen Öltransports gemacht, für den seit den 1970er Jahren Riesentanker, die größten Schiffe der damaligen Zeit, eingesetzt wurden. Es lag nahe, für den Landtransport Pipelines zu verwenden. Seit den 1880er Jahren gelangte das Öl aus den Fördergebieten Pennsylvanias und Ohios auf diese Weise an die Atlantikküste. Heute durchziehen Pipelinenetze alle großen Industriestaaten und ganze Kontinente. Die kapitalintensive Förderung und Raffinierung sowie der Transport des Öls bildeten den Hintergrund für die Entstehung großer Aktiengesellschaften, von denen einige in manchen Regionen zumindest eine Zeitlang eine markt-

471 Zur Geschichte des Öls: Williamson u.a., The American Petroleum Industry; Karlsch/ Stokes, Faktor Öl.

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beherrschende Stellung erlangten. Hierzu gehörte das Unternehmen von John D. Rockefeller (1839–1937), aus dem später die Exxon Corporation hervorging, die größte Ölgesellschaft der Welt. Bis in die 1880er Jahre waren die USA der einzige Staat, in dem in größerem Umfang Öl gefördert wurde. Noch vor der Jahrhundertwende kamen Russland mit den Ölfeldern von Baku am Kaspischen Meer sowie Sumatra in Südostasien hinzu. In den 1920er Jahren traten Venezuela und mehrere Länder des Nahen Ostens in den Kreis der erdölproduzierenden Staaten ein. Dessen ungeachtet blieben die Vereinigten Staaten bis Anfang der 1960er Jahre der weltweit größte Ölproduzent. Danach wurden sie durch den Nahen Osten, insbesondere die Länder der arabischen Halbinsel, überflügelt. Deren Bedeutung für den Weltölmarkt resultiert daher, dass sie den überwiegenden Teil des geförderten Öls exportieren. Insgesamt gehörten die Industrieländer bis zum Zweiten Weltkrieg zu den Ölexporteuren, danach wurden sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Entwicklung mehr und mehr von Importen abhängig. 1960 gaben sich die wichtigsten nicht-industriellen Ölförderländer mit der OPEC eine Organisation, deren Ziel darin bestand, den Ölpreis hoch zu halten. Die Öl- bzw. Ölpreiskrisen der 1970er Jahre riefen in allen Industrieländern mehr oder weniger tiefgreifende Energiesparmaßnahmen hervor. Damit gelang es teilweise, Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch zu entkoppeln. Das Rohöl muss für die wichtigsten Anwendungen raffiniert, also in seine Bestandteile zerlegt werden. Bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges erfolgte die Raffinierung meist auf thermischem Weg, wobei man sich die unterschiedlichen Siedepunkte der Inhaltsstoffe zunutze machte. Mit den bis zu den 1930er Jahren entwickelten Crackverfahren, der Spaltung der Kohlenwasserstoffe unter Hitze und Druck, später mit Hilfe von Katalysatoren, lassen sich auf flexible Weise zahlreiche Destillationsprodukte gewinnen. Im 19. Jahrhundert bezog sich die größte Nachfrage auf das Petroleum, das außerhalb der innerstädtischen Gasnetze zum wichtigsten Leuchtmittel aufstieg. Nach der Jahrhundertwende kamen zuerst das Heizöl und später mit der Massenmotorisierung das Benzin als bedeutende Erdölprodukte hinzu. In der Gegenwart steigt der Anteil des Erdgases am Energiemarkt.472 Erdgas fällt häufig bei der Erdölgewinnung an, wird aber meist nicht gewonnen, sondern abgefackelt. In den USA begann man in der Nähe einiger Erdölfelder in den 1880er Jahren mit der Nutzung des Gases. Seit der Zwischenkriegszeit transportierte man es über größere Entfernungen. Auch in Deutschland entstanden um diese Zeit die ersten großflächigen Versorgungsnetze – hier aber im Ruhrgebiet für Hütten- und Koksofengas. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Erdgas in einer Reihe von Regionen systematisch prosperiert, gefördert und in Röhren über Tausende Kilometer transportiert. Nach472 Zur Geschichte des Erdgases: Castaneda; Invisible Fuel; Peebles, Evolution.

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frageschwankungen oder Versorgungsengpässe gleicht man mit Hilfe riesiger unterirdischer Speicher aus. Kohle, Öl und Gas dienen nicht nur als Energierohstoffe, sondern auch als Grundstoffe für die chemische Industrie. In der Zeit um den Zweiten Weltkrieg löste die vorher dominierende Kohlechemie die Petrochemie ab.473 Die Petrochemie entstand in den USA im Laufe der 1930er Jahre und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in andere Industrieländer transferiert. Die amerikanische Führungsrolle erwuchs aus der günstigen Rohstoff- und Marktlage. Die USA waren das größte Ölförderland, und die Massenmotorisierung brachte große Raffinerien hervor. Eine weitere Steigerung der Raffineriekapazitäten erfolgte im Zweiten Weltkrieg. Nach Kriegsende suchten die Konzerne neue Märkte für diese Kapazitäten und fanden sie unter anderem in der Herstellung von Kunststoffen für den privaten Konsum.474 Das nationalsozialistische Deutschland verfolgte dagegen autarkistische Ziele und setzte ganz auf die Kohle. Die Umstellung auf die Petrochemie fand deswegen erst in der Bundesrepublik Deutschland zwischen Mitte der 1950er und Mitte der 1960er Jahre statt. Heute werden Energierohstoffe in großem Umfang nicht direkt, sondern in Form des Veredelungsprodukts Strom genutzt.475 Strom besitzt wesentliche Vorteile gegenüber Kohle, Öl, Gas und anderen Energieträgern. Die bei der Verbrennung entstehenden Schadstoffe fallen nicht beim Endverbraucher an, sondern in den Kraftwerken. Strom lässt sich leicht und kostengünstig – auch über größere Entfernungen – transportieren. Und Strom kann für die unterschiedlichsten Zwecke genutzt werden: zur Erzeugung von Wärme und Licht, zum Antrieb von Motoren, zur Information und Kommunikation und für anderes mehr. Die Nutzung der Elektrizität beruhte auf aus den Naturwissenschaften stammenden Basiserfindungen. Hierzu gehörte 1799 als erste kontinuierliche Stromquelle die Batterie von Alessandro Volta (1745–1827) und 1831 die Entdeckung der elektromagnetischen Induktion durch Michael Faraday (1791–1851), welche dem Bau von Generatoren zugrunde lag. Allerdings dauerte es bei diesen Basiserfindungen manchmal Jahrzehnte, bis aus ihnen eine anwendungsreife Technik wurde. Die ersten kommerziellen Einsatzfelder der Elektrizität bildeten die Telegraphie476 und die Galvanotechnik. Mit Hilfe der Elektrolyse stellten die großen Galvanisieranstalten in Paris und Birmingham mit Kupfer, Silber oder Gold überzogene Bestecke, Gefäße, Pokale, Büsten und anderes her. In späterer Zeit kamen technische Anwen473 Vgl. Spitz, Petrochemicals. 474 S. o. S. 175. 475 Zur Geschichte der Elektrifizierung: Lindner, Strom; Hughes, Networks; Gooday, Domesticating Electricity; Fischer, Geschichte; Lagendijk, Electrifying Europe; einen Forschungsüberblick bietet: Stier, Die neue Elektrizitätsgeschichte. 476 S. o. S. 152–54.

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dungen hinzu wie der Korrosionsschutz durch Nickel- oder Zinküberzüge und die elektrolytische Raffination, z.B. von Kupfer. Erst mit elektrolytischen Verfahren gelang es, Kupfer von großer Reinheit zu gewinnen, welches dann seinerseits wieder in der Elektrotechnik Verwendung fand. Der bei weitem größte Anwendungsbereich der Elektrizität im späten 19. Jahrhundert war das elektrische Licht.477 Am Anfang standen Bogenlampen, die einen hellen Lichtbogen zwischen zwei Kohleelektroden erzeugten. Eine weite Verbreitung fanden sie jedoch erst, als in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre neuartige Differential-Bogenlampen die Regelungsprobleme überwandten. Die Bogenlampen beleuchteten vor allem Straßen und Plätze sowie größere Räume, für kleinere war ihr Licht zu hell. Um 1880 stand hierfür die weniger Licht abstrahlende Glühlampe zur Verfügung. Einen Markt eroberte sich das Glühlicht in Auseinandersetzung mit dem noch geraume Zeit billigeren Gaslicht. Im Vergleich zum Gas- und zum Petroleumlicht handelte es sich beim elektrischen Licht um Luxuslicht. Die ersten Glühlampen beleuchteten Theater, Restaurants, Verkaufsräume, Banken und Versicherungen. Nur wenige Wohlhabende konnten sich elektrisches Licht in ihren Privaträumen leisten. Das Glühlicht besaß funktionale Vorteile; vor allem aber demonstrierte es Wohlstand und Modernität.478 Es bedurfte einer Reihe von Verbesserungen, bis in der Zwischenkriegszeit das elektrische Licht auch unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten konkurrenzfähig wurde. Die meisten städtischen Haushalte erhielten bis zu den 1930er Jahren Strom und Licht. Für die Lichtversorgung der Innenstädte errichteten Thomas Alva Edison (1847–1931) und andere Unternehmer seit 1882 Elektrizitätswerke und Stromnetze. Die Innovatoren der Elektrizitätsversorgung hatten eine Fülle technisch-wirtschaftlicher Probleme zu lösen. Es ging um die Lage des Kraftwerks und die Ausdehnung des Netzes. Es ging um die Dimensionierung der Dampfmaschinen und Generatoren. Es ging um Systemfragen wie Gleichstrom, Wechselstrom oder Drehstrom, die Wahl der Spannung, Stromstärke und Frequenz, die Regeleinrichtungen, die Verbrauchsmessung und die Tarife und vieles andere mehr. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wuchsen die Kraftwerke, die Netze und mit ihnen die Elektrizitätsversorgungsunternehmen in neue Größenordnungen. Für die Leistungserhöhung der Kraftwerke bildete der Umstieg von der Dampfmaschine auf die von dem englischen Ingenieur Charles A. Parsons (1854–1931) 1884 patentierte Dampfturbine eine Voraussetzung. Die Ausdehnung der Netze erforderte die Verwendung hoch gespannten Wechselstroms. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg entstanden regionale Versorgungs-

477 Vgl. außer der bereits genannten Literatur: Schivelbusch, Lichtblicke; Jakle, City Lights. 478 Vgl. zur gesellschaftlichen Aneignung und symbolischen Bedeutung der Elektrizität: Marvin, When Old Technologies; Nye, Electrifying America; Binder, Elektrifizierung.

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systeme.479 In der Zwischenkriegszeit wuchsen sie zu nationalen Verbundsystemen zusammen. In der Nachkriegszeit umfassten manche Verbünde zahlreiche Staaten und überspannten ganze Kontinente. Die Technik machte es möglich, den Strom fernab der Zentren des Verbrauchs zu erzeugen, wie bei großen Wasserkraftwerken, und verlustarm über Hunderte Kilometer zu transportieren. Die seit etwa 1900 entstehenden Verbundnetze folgten der durch die Politik unterstützten Devise, durch Größenwachstum zu Kostenreduzierungen zu gelangen. Allerdings bezog sich dies nur auf den Strom, während die Wärme außen vor blieb. Ansätze der Kraft-Wärme-Kopplung gab es bereits im späten 19. Jahrhundert, doch stand dieser Pfad immer im Schatten der großen Verbundsysteme. Eine weitere Strategie zur Senkung der Kosten bestand darin, zu einer Vergleichmäßigung des Tagesverbrauchs zu kommen und damit die Kraftwerke besser auszulasten. Probate Mittel hierfür bildeten die Tarifgestaltung und die Gewinnung neuer Kunden. In den Anfangsjahren der Elektrifizierung lastete der Lichtstrom die Kraftwerke extrem ungleichmäßig aus. Um die Jahrhundertwende sah die Situation schon besser aus. Die Industrie bezog mehr Strom für elektrische Maschinenantriebe und neue elektrothermische und elektrolytische Verfahren, wie die Produktion von Karbid, die Chlor-Alkali-Elektrolyse oder die Aluminiumherstellung mit der Schmelzflusselektrolyse. Im innerstädtischen Verkehr hatte sich die elektrische Straßenbahn weitgehend durchgesetzt.480 Die Eisenbahnen begannen mit der Elektrifizierung von Fernstrecken – wenn auch in recht gemächlichem Tempo.481 In der Zwischenkriegszeit bemühten sich die Versorgungsunternehmen zudem verstärkt um eine Elektrifizierung der Haushalte – über den Lichtstrom hinaus. Zuerst verbreiteten sich preiswerte Kleingeräte wie das Bügeleisen, in späterer Zeit teure Großgeräte wie Kühlschrank und Waschmaschine. Die Geschwindigkeit der Haushaltselektrifizierung hing vor allem mit dem jeweiligen Wohlstandsniveau zusammen. So besaßen die amerikanischen Haushalte in der Zwischenkriegszeit bereits zahlreiche elektrische Geräte, in Deutschland mussten sie sich bis in die Nachkriegszeit gedulden. Der Primärenergieträger Kohle spielt für die Elektrizitätserzeugung auch heute noch eine relevante Rolle. Daneben lieferten in den Regionen, in denen die naturräumlichen Verhältnisse dies gestatteten, auch Wasserkraftwerke Strom. Eine wesentliche Diversifizierung der Stromerzeugung bedeutete der Bau leistungsfähiger Kernkraftwerke seit den 1960er Jahren.482 Bei der Kernkraft beeinflusste der Vorlauf der amerikanischen Atombombe und der atomaren Rüstung auch die zivile Kernkraftnutzung. In den meisten Staaten 479 480 481 482

Vgl. zusätzlich zu der bereits genannten Literatur: Gilson, Konzepte; Stier, Staat. Vgl. McKay, Tramways. Vgl. Duffy, Electric Railways. Zur Geschichte der Kernkraft: Radkau, Aufstieg; Müller, Geschichte; Hecht, Radiance.

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setzte sich der eine Anreicherung des Urans voraussetzende und zuerst als UBoot-Antrieb entwickelte Leichtwasserreaktor durch. Seit den 1970er Jahren entbrannten um die Kernkraft heftige gesellschaftliche Auseinandersetzungen, bei denen es um Fragen der Sicherheit, aber auch grundsätzlich um Zukunftsfragen der technischen Zivilisation ging. Vielfach wird dabei ein polarer Gegensatz zwischen der Nutzung der Kernkraft und anderer fossiler Energien auf der einen Seite und der Nutzung regenerativer Energien auf der anderen Seite konstruiert. Neue Erkenntnisse hinsichtlich der Bedeutung der Kohlendioxidemissionen für den globalen Klimawandel haben die in die regenerativen Energien gesetzten Hoffnungen vermehrt. Bislang leisten aber nur die „alten“ regenerativen Energieformen Wasser und Wind483 nennenswerte Beiträge zum Energiemix. Die Zukunft der Kernenergie ist dagegen – besonders in der Bundesrepublik – politisch höchst umstritten.

3.2.3 Die Stadt als Technotop In der Zeit der Industrialisierung erhöhten sich die Einwohnerzahlen der Städte rapide.484 Das daraus resultierende Städtewachstum erfolgte zum einen in der Fläche, zum anderen in Form einer Verdichtung der innerstädtischen Wohngebiete. Die Städte begannen sich funktional zu zergliedern. Dienstleistungsbetriebe und Verwaltungen nahmen vom Zentrum Besitz. In den Randbereichen siedelte sich die Industrie an und wurden Wohnviertel errichtet – in der Regel nach sozialen Schichten getrennt. Das Zusammenleben hunderttausender oder gar von Millionen Menschen auf dem engen städtischen Raum hatte eine hoch entwickelte technische Infrastruktur zur Voraussetzung. Die Erfüllung von Grundbedürfnissen wie Nahrung, Wohnung, Wärme und Kommunikation verlangte den Aufbau technischer Netzwerke.485 Mit einigen davon, wie der Gas- und Stromversorgung486, ließ sich Geld verdienen, andere, wie der öffentliche Nahverkehr sowie die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, erforderten Subventionen. Besonders in den Staaten mit einer liberalen Tradition wandte man sich den Hygieneproblemen erst zu, als diese – buchstäblich – zum Himmel stanken. Entsprechende Maßnahmen der Kommunen griffen meist erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und verbesserten sukzessive die katastrophalen Wohn- und Lebensverhältnisse.

483 Vgl. Heymann, Geschichte. 484 Hilfreiche Überblicke zur Geschichte der Urbanisierung in Deutschland bieten: Reulecke, Geschichte; Krabbe, Die deutsche Stadt. 485 Vgl. Schott, Vernetzung; Melosi, The Sanitary City. 486 S. o. S. 181–83.

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In den Städten bewegte sich der größte Teil der Einwohnerschaft zu Fuß; Wohlhabende benutzten auch Pferde und Kutschen. Anfänge des öffentlichen Personennahverkehrs487 liegen im Pferdeomnibus. Zwischen etwa 1820 und 1870 prägten Pferdeomnibusse das Bild des öffentlichen Verkehrs. In ihnen saßen eher Bürger als Arbeiter. Die Linien verbanden das städtische Zentrum mit Ausflugszielen, mit den besseren Wohnvierteln und den Kopfbahnhöfen. Die relativ geringe Geschwindigkeit der Omnibusse motivierte seit den 1830er Jahren unternommene Versuche mit von Pferden gezogenen Schienenstraßenbahnen. Die Straßenbahn besaß nicht nur eine höhere Kapazität, sondern verursachte auch geringere Erschütterungen und Lärm. Eine entscheidende Innovation bestand darin, die Schienen ebenerdig in den Straßen zu verlegen. Zusammen genügten Pferdeomnibus und Pferdestraßenbahn den Verkehrsanforderungen einige Jahrzehnte. Seit den 1870er Jahren stieß der auf Pferdetraktion beruhende innerstädtische Nahverkehr jedoch allmählich an die Grenzen seiner Kapazität. Darüber hinaus suchte man unter hygienischen Gesichtspunkten den Pferdemist auf den Straßen zu reduzieren. Aus der intensiven Suche nach Alternativen ging schließlich die elektrische Straßenbahn als zentrales öffentliches Nahverkehrsmittel hervor.488 Zuvor war das technische, aber auch gesellschaftliche Problem der Stromzuführung zu lösen. Die größte Sicherheit vermittelten Oberleitungen, aber nicht wenige Bürger lehnten sie als Verschandelung des Stadtbilds ab. In den europäischen Städten war der Widerstand größer als in den USA – der wichtigste Grund, dass die Straßenbahn sich dort früher durchsetzte. Bis zur Jahrhundertwende gelang es auch in den europäischen Städten, die Bürger durch ästhetische Gestaltung und Reduzierung der Haltemasten mit dem neuen Verkehrsmittel zu versöhnen. In den Großstädten bildeten die Straßenbahnen zusammen mit Stadt-, Hoch- und U-Bahnen seit der Jahrhundertwende ein leistungsfähiges öffentliches Nahverkehrssystem, dessen sich auch Arbeiter bedienten. Die Straßenund Vorortbahnen trugen erheblich zum Flächenwachstum der Städte und dem Suburbanisierungsprozess bei. Im Laufe des 20. Jahrhunderts entzog die Massenmotorisierung dann der elektrischen Straßenbahn die Kunden. In der Nachkriegszeit stellten viele Städte den Straßenbahnbetrieb ein und ließen stattdessen Motorbusse fahren. Die Stadt wurde sukzessive umgerüstet, dem Leitbild der autogerechten Stadt folgend.489 Heute findet in nicht wenigen Städten wieder eine Gegenbewegung statt. Seit langer Zeit war bekannt, dass bei der Verschwelung von Kohle und Holz Gas entsteht und sich dieses zum Heizen und Leuchten benutzen lässt.490 487 Zur Geschichte des öffentlichen Nahverkehrs vgl. beispielhaft: Cheape, Moving the Masses; Bendikat, Öffentliche Nahverkehrspolitik. 488 Immer noch grundlegend: McKay, Tramways. 489 S. u. S. 192–95. 490 Zur Geschichte des Stadtgases: Williams, History; Körting, Geschichte; Brunckhorst, Kommunalisierung.

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Um 1800 konstruierten französische und britische Erfinder funktionsfähige Gasgeneratoren und Lampen. Das bei der Verschwelung von Steinkohle entstehende Gasgemisch war explosiv, enthielt giftiges Kohlenmonoxid und verlangte deswegen bei der Anwendung eine große Sorgfalt. Zunächst diente das Gas der Heizung und Beleuchtung von Fabriken und Privathäusern. Mit Gas ließ sich die Arbeitszeit über den natürlichen Tag hinaus verlängern. Die mit solchen Einzelanlagen gemachten Erfahrungen flossen in die erste öffentliche Gasversorgung in London ein. Die 1814 in Betrieb genommene Anlage wurde ein großer Erfolg und fand bald Nachahmer. 1823 besaßen bereits 52 englische Städte eine Gasbeleuchtung. Es war eine englische Firma, die 1825 in Hannover das erste Gasnetz auf deutschem Boden installierte. Beim Gas entstanden also – ebenso wie beim Wasser und Abwasser – die ersten deutschen Versorgungs- und Entsorgungsnetze durch Technologietransfer aus England. Üblicherweise gewährten die Stadtverwaltungen den Firmen für einen begrenzten Zeitraum ein Versorgungsmonopol. Bis zu den 1860er Jahren dürften fast alle deutschen Großund Mittelstädte über ein Gasnetz verfügt haben. Um diese Zeit dominierten bereits deutsche Aktiengesellschaften das neue Geschäftsfeld. In den folgenden Jahrzehnten ging die Tendenz von privaten Gesellschaften hin zu kommunalen. Die Kommunen interpretierten die städtische Infrastruktur mehr und mehr als öffentliche Aufgabe. Außerdem entdeckten sie, dass sich mit Gas das Stadtsäckel aufbessern ließ. Zunächst wurden vor allem Straßen und Plätze beleuchtet, mit zeitlichem Abstand kamen öffentliche Gebäude und schließlich Privatwohnungen hinzu. Seit dem späten 19. Jahrhundert lieferten sich Gas und Elektrizität einen harten Konkurrenzkampf.491 Die Verbreitung der elektrischen Beleuchtung erfolgte nach dem gleichen Muster wie beim Gas: vom öffentlichen Raum zur privaten Wohnung, von privaten Gesellschaften zu kommunalen.492 Das Ergebnis der Konkurrenz der Energieträger bestand darin, dass die Elektrizität das Gas vom Beleuchtungs- in den Wärmemarkt abdrängte. In den Wohnungen nahm der Gasherd die Stelle des Kohleherds ein, ehe sich nach dem Zweiten Weltkrieg der Elektroherd durchsetzte. Heute erlebt das Gas, jetzt aber in Form des Erdgases, wieder Zuwächse, und zwar bei der Hausheizung. Das städtische Bevölkerungswachstum und die Industrialisierung ließen auch die Nachfrage nach Trink- und Brauchwasser ansteigen.493 Der private Wasserkonsum erhöhte sich insbesondere durch die allmähliche Verbreitung des Wasserklosetts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bislang beruhte die städtische Wasserversorgung auf zwei Säulen: Die meisten Städte 491 Vgl. Braun, Gas. 492 S. o. S. 181–83. 493 Zur Geschichte der Wasserversorgung die beispielhaften Fallstudien: Münch, Stadthygiene; Mohajeri, 100 Jahre Berliner Wasserversorgung.

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besaßen eine Vielzahl kleiner Grundwasserbrunnen, aus denen sich die in der Nähe wohnende Bevölkerung versorgte. Eine kleinere Zahl von Städten leitete Wasser von außen aus Quellen, Flüssen, natürlichen oder künstlichen Seen heran. Dieses traditionelle System der Wasserversorgung wurde den neuen Anforderungen weder qualitativ noch quantitativ gerecht. In vielen Städten war das Grundwasser verseucht – besonders aufgrund nur unzureichend abgedichteter Fäkaliengruben. Die Folgen bestanden in Typhus- und Choleraepidemien. Die größeren Städte reagierten auf diese Problemlage, indem sie – in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts – zentrale Wasserwerke errichteten, welche Grund- oder Flusswasser mit Hilfe von Sandfiltern reinigten. Pumpwerke beförderten es in hoch gelegene Wasserreservoirs oder Wassertürme, von wo es den Verbrauchern zugeleitet wurde. In den Großstädten erhielten bis zur Jahrhundertwende fast alle Bürger einen Zugang zum Wasser – sei es im Hausflur oder in der Wohnung. Die Ausweitung und Verbesserung der Wasserversorgung ließen die Abwassermengen anschwellen.494 Aufgrund der drängenden Probleme, insbesondere wegen der Choleraepidemien, entstand in den englischen Groß- und Industriestädten seit den 1830er Jahren eine Hygienebewegung, welche in der Folgezeit auf das europäische Festland übergriff. Ein zentraler und kontroverser Diskussionspunkt bildete der Umgang mit den Fäkalien und dem Abwasser. Die grundlegende Schwierigkeit bestand darin, dass die Ursachen und Übertragungsmedien der Seuchen unbekannt waren. So rivalisierte eine Schule, die das Wasser als wichtigstes Übertragungsmedium identifizierte, mit einer anderen, welche auf die Luft verwies. Erst im späten 19. Jahrhundert entschied die Bakteriologie den Streit zugunsten des Wassers. Die Qual der Wahl bestand vor allem zwischen zwei vorgeschlagenen Systemen. Da war zunächst die Sammlung, Abfuhr und landwirtschaftliche Nutzung der Fäkalien und festen Abfallstoffe. Die Alternative bestand in der Schwemm- und Mischkanalisation, bei der das Abwasser – unabhängig vom Verschmutzungsgrad – mit dem Regenwasser zusammengeführt und in die Flüsse geleitet wurde. Die Mischkanalisation von Abwasser und Regenwasser bot den Vorteil einer besseren Durchströmung und Reinigung der Kanäle. Letzten Endes setzte sich die Schwemmkanalisation durch, weil sie den Städten einen hohen hygienischen Komfort versprach. Das Konzept der Sammlung wurde nur in Form der Müllabfuhr realisiert. Allerdings kam es im Gefolge der Schwemmkanalisation zu einer exzessiven Verschmutzung der Flüsse. In nicht wenigen Fällen wurden die Seuchen an die Unterläufe der Flüsse verlagert. Manche Flüsse entwickelten sich regelrecht zu Abwasserleitungen – zusätzlich belastet durch heterogen zusammengesetzte Industrie494 Zur Geschichte der Abwasserentsorgung außer der bereits genannten Literatur: Simson, Kanalisation; Büschenfeld, Flüsse; einen Forschungsüberblick gibt: Bernhardt, Umweltprobleme.

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abwässer. Baden und Schwimmen verbot sich in diesen Flüssen von selbst. Die Städte suchten dies mit der Errichtung städtischer Badeanstalten zu kompensieren. Allerdings schützte im 19. Jahrhunderts die Kanalisation die Städte nicht völlig vor Epidemien. Abwasserentsorgung und Wassergewinnung waren nicht immer gut aufeinander abgestimmt, und bei Überlastung konnte sich das Kanalsystem als kontraproduktiv erweisen. Das erste Abwassersystem in Deutschland errichtete 1848 ein englischer Ingenieur in Hamburg. Weitere Städte folgten wegen der hohen Kosten nur schleppend. Wenn die Städte nicht an einem größeren Fluss lagen, entfiel eine Einleitung der Abwässer. Ein Ausweg bot die Anlage von Rieselfeldern. Die über Rohre herangeführten Abwässer wurden auf den großflächigen landwirtschaftlich genutzten Rieselfeldern als Dünger verteilt. Der durch die Schwemmkanalisation bewirkten Gewässerverschmutzung arbeitete man im Laufe des 20. Jahrhunderts durch die Errichtung von Kläranlagen entgegen. Das erste noch recht einfache und wenig leistungsfähige Klärwerk entstand 1887 in Frankfurt am Main. Die späteren fortgeschritteneren Kläranlagen reinigten das Abwasser mit mechanischen, chemischen und biologischen Verfahren und speisten es wieder in den natürlichen Wasserkreislauf ein. Wie bei der zentralen Wasserversorgung handelte es sich bei der Verbreitung der Kanalisation und der Abwasserreinigung um einen langen Prozess. Er begann ebenfalls in den Großstädten und erreichte über die Kleinstädte den ländlichen Raum. Ein nicht unerheblicher Teil der technischen Infrastruktursysteme befindet sich im Untergrund und ist unsichtbar. Aber auch die das Gesicht der Stadt prägenden Hochbauten veränderten sich seit der Industrialisierung – nicht zuletzt aufgrund der Verwendung neuer Baustoffe.495 In der Zeit vor der Industriellen Revolution baute man vorwiegend mit Holz und Lehm sowie mit Kunst- und Naturstein. Danach kamen zunächst die Baustoffe Eisen und Stahl und schließlich mit künstlichem Zement hergestellter Beton hinzu.496 Die Vorteile des Betons bestanden darin, dass er sich in Formen gießen ließ und gegenüber Druck eine hohe Festigkeit aufwies. Eine Verbindung der beiden neuen Baustoffe des industriellen Zeitalters, Stahl und Beton, lag nahe und erfolgte allmählich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Den Innovatoren ging es zunächst darum, durch die Stahlbewehrung, z.B. in Gestalt eines Drahtgeflechts, die Formgebung des Bauteils zu erleichtern. Die Erkenntnis, dass die Verbindung von Stahl und Beton ideal war, weil der Beton die auf das Bauteil wirkenden Druckkräfte und der Stahl die Zugkräfte aufnahm, stellte sich erst im Laufe von Jahrzehnten ein.

495 Vgl. zur Geschichte des Bauens: Condit, American Building; Peters, Time; Elliot, Technics. 496 Zur Betongeschichte: Schmidt, Zur Geschichte; Newby, Early Reinforced Concrete; Grote/Marrey, Freyssinet.

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Verschiedene Innovatoren – vor allem in Frankreich – brachten unabhängig voneinander die Stahlbetonbauweise in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Anwendungsreife. Die Entwicklung ging von der Herstellung einzelner Bauteile zum Bau ganzer Häuser. Um die Jahrhundertwende erlebte die Stahlbetonbauweise ihren Durchbruch. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurden Zehntausende dieser Bauten errichtet. Dazu zählten spektakuläre Bauwerke wie große Brücken und Befestigungsanlagen, aber auch zahlreiche Privat- und Geschäftshäuser, bei denen man sich nicht scheute, historistische Stile in Stahlbeton auszuführen. In der Zwischenkriegszeit entstanden mit den massiven Schalenbauwerken Gebäude, die nur mit dem neuen Baustoff und der neuen Bautechnik herzustellen waren. In den späten 1880er Jahren erkannte man, dass es Vorteile brachte, wenn man tragende Teile durch Vorspannen der Stahldrähte oder Stahlstangen vorbelastete. Das Spannbetonverfahren benötigt weniger Material, um ein Gleichgewicht zwischen den auftretenden Zug- und Druckkräften zu erzielen. Die Bauten können damit entweder materialsparend ausgeführt oder weiter gespannt werden; beides bringt Kostenvorteile mit sich. Die Überlegungen wurden jedoch erst in den 1930er Jahren und im Zweiten Weltkrieg in größerem Umfang praktisch umgesetzt. Eine allgemeine Verbreitung fand der Spannbeton sogar erst in der Nachkriegszeit. Das größte zu lösende Problem bestand darin, dass die vor dem Ersten Weltkrieg verwendeten Baustähle höhere Vorspannungen nicht zuließen und Veränderungen des Betons die damals erzielbaren Vorspannungen aufhoben. In den Anfangsjahrzehnten der Stahlbetonbauweise wurden Zweifel laut, dass die Bauten korrosionsbeständig seien. Erst die mit günstigen Ergebnissen endende Überprüfung der Armierung älterer Bauten ließ die kritischen Stimmen verstummen. Viele Jahrzehnte meinte man, im Stahl- und Spannbeton einen „Baustoff für die Ewigkeit“ gefunden zu haben. Dies erwies sich jedoch als Irrtum. Man machte die Erfahrung, dass durch Haarrisse Feuchtigkeit in den Beton eindrang und die Armierung angriff. Nicht wenige Stahlbetonbauten mussten mit hohem Kostenaufwand saniert werden. Nach der Jahrhundertwende errichtete man in den USA auch Hochhäuser in Stahlbeton. Eines der ersten besaß 16 Geschosse, war also deutlich niedriger als die zeitgenössischen Stahlskelettbauten. In der Folgezeit entschied die unterschiedliche Kostenstruktur über den Anwendungsbereich der beiden Bautechniken. Im Allgemeinen lagen die Materialkosten bei der Stahlskelettbauweise höher, die Arbeitskosten bei der Stahlbetonbauweise, weil Verschalung und Armierung sehr arbeitsintensiv waren. Die Maschinisierung erfasste im 19. und im 20. Jahrhundert zwar auch das Bauwesen, ließ sich aber nicht so weit treiben wie in anderen Industriezweigen. Seit dem 19. Jahrhundert tauchten auf den Baustellen Betonmischer, Schaufelbagger, Bohrmaschinen, mechanische Hämmer und anderes mehr auf. Angetrieben wurden sie zu-

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nächst von Dampfmaschinen, im 20. Jahrhundert zunehmend durch Elektromotoren bzw. Verbrennungskraftmaschinen. Der in den Innenstädten feststellbare Drang in die Höhe resultierte aus den hohen Bodenpreisen, aber auch aus den Repräsentationsbedürfnissen der Bauherren und Architekten. Eine Voraussetzung hierfür war die Weiterentwicklung des Personenaufzugs. Aufzüge für den Transport von Gütern besaßen eine lange Tradition. Der Beitrag von Elisha G. Otis (1811–1861) in den 1850er Jahren bestand in einer automatisch wirkenden Sperre, die den Aufzug beim Reißen des Tragseils vor dem Absturz bewahrte.497 Die neuen „Sicherheitsaufzüge“ wurden zuerst mit Dampfmaschine und Drahtseil bewegt, seit den späten 1870er Jahren hydraulisch und seit der Jahrhundertwende durch Elektromotoren. Die in der Folgezeit gebauten höheren Häuser besaßen gusseiserne Säulen, eiserne und stählerne Verstrebungen und ein Außenmauerwerk aus Kunst- oder Natursteinen. In Chicago, wo 1871 ein Großbrand nahezu ein Drittel der Stadt in Schutt und Asche gelegt hatte, errichtete man auf diese Art Häuser mit bis zu 16 Stockwerken. Das Höhenwachstum wurde vor allem durch das tragende Außenmauerwerk begrenzt, das sich aus ökonomischen Gründen nicht beliebig verbreitern ließ. Noch höhere Gebäude erforderten eine neue Technik: die Stahlskelettbauweise. Sie war zudem billiger und verkürzte die Bauzeit. Damals betrug bei einem Stahlskelett-Hochhaus die Masse des tragenden Gerüsts nur noch etwa ein Drittel der Masse eines tragenden Außenmauerwerks. Die neue Bauweise setzte an der Eisen- sowie der Glas-Eisen-Architektur des 19. Jahrhunderts an – mit Bauwerken wie dem Kristallpalast der Londoner Weltausstellung 1851 oder dem Eiffelturm auf der Pariser Weltausstellung 1889. Bei der Stahlskelettbauweise besitzt allein das aus Gusseisen und Stahl bestehende Skelett eine tragende Funktion, nicht mehr das äußere Mauerwerk. Die einzelnen Etagen ruhen auf stählernen Querträgern. Die Massenstahlverfahren, zuerst das Bessemer-, etwas später das Siemens-Martin-Verfahren, ebneten dem neuen Bauen den Weg. Mit der Stahlskelettbauweise ließen sich die Fensterflächen vergrößern und die Büroräume lichter gestalten. Bei den Neubauten in Chicago verlor das Mauerwerk im Laufe der 1880er Jahre seine tragende Funktion zugunsten des Stahlgerüsts. Im Zusammenhang mit dem neuen Bauen entstand um 1890 der Begriff „Skyscraper“ („Wolkenkratzer“) – damals für Gebäude mit mindestens zehn Stockwerken. Nach der Jahrhundertwende wuchsen die Hochhäuser besonders in New York in neue Dimensionen.498 1908 übertraf das 47-geschossige Singer Building erstmals die 200-Meter-Marke; 1913 erreichte das Woolworth Building499 260 m und 1931 das Empire State Building 380 m. Bis zur Gegenwart hält die Konkurrenz um das weltweit höchste Gebäude an – mit Teilnehmern aus 497 Vgl. Goodwin, Otis. 498 Vgl. Bradford Landau/Condit, Rise. 499 Vgl. Fenske, Skyscraper.

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zahlreichen Staaten. Sie demonstriert die Globalisierung des Hochhausbaus und gleichzeitig die Amerikanisierung der Welt. Heute wohnen weltweit mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land. Die moderne Stadt ist ein Technotop per se: ein durch Technik ermöglichter und die Möglichkeiten der Technik demonstrierender Ort. Das dreidimensionale Gebilde der Stadt besteht aus Wohn-, Geschäfts- und Verkehrsbauten sowie aus Versorgungs-, Entsorgungs- und Kommunikationseinrichtungen. Sie sind historisch-kontingent gewachsen, aber auch funktional aufeinander bezogen. Darüber hinaus wurde und wird der überwiegende Teil der Technik – zumindest seit der Industrialisierung – für die Stadt und ihre Bewohner entwickelt. Die Stadt ist also mehr als das „Exerzierfeld der Moderne“, sie ist die Moderne schlechthin. Die Stadtbewohner finden im Allgemeinen die jeweils modernste Technik in ihrer Nähe vor. Sie finden sie in den Fabriken, auf den Straßen und anderen Verkehrswegen, in den Infrastruktursystemen, in den Stätten der Unterhaltung und des Vergnügens und nicht zuletzt in ihren Haushalten.

3.2.4 Mobilität und Massenmotorisierung Die Entwicklung der Mobilität im 20. Jahrhundert lässt sich mit zwei Schlagworten beschreiben: Wachstum und Individualisierung. Im Jahr 1910 legte ein Deutscher etwa 700 Kilometer zurück, den größten Teil davon mit öffentlichen Verkehrsmitteln. 1989 unternahm ein Bundesbürger Fahrten von insgesamt 11.000 Kilometer Länge, davon 9.000 mit dem Automobil. Bei der individuellen Mobilität bereitete das Fahrrad dem Automobil den Weg. Die Vermehrung der Fahrtstrecken hing in erster Linie mit dem automobilen Freizeit- und Urlaubsverkehr zusammen. Darüber hinaus erschloss der Luftverkehr den Reisenden die Welt. Am Beginn der Fahrradentwicklung500 steht das im frühen 19. Jahrhundert erfundene Laufrad, bei dem der Fahrer auf einem Rahmen zwischen zwei Rädern saß und sich mit den Füßen abstieß. Das modische Reiten auf den lenkbaren künstlichen Pferden verschwand jedoch bald wieder von der Bildfläche. Eine kontinuierliche Entwicklung und Nutzung des Fahrrads setzte erst in Frankreich in den 1860er Jahren mit Rädern ein, bei denen ein Kurbelantrieb mit Pedalen direkt auf die Vorderachse wirkte. Das Fahren auf solchen schwer beherrschbaren Fahrmaschinen etablierte sich als bürgerliches sportliches Freizeitvergnügen. In den 1870er Jahren verlagerte sich das Zentrum des Fahrradbaus von Frankreich nach England. Hier ging man zum Hochrad als neuem Typ über. Das Hochrad erwuchs aus dem Bestreben, die

500 Einstiege in die Fahrradgeschichte eröffnen: Hochmuth, Kommt Zeit; Rabenstein, Radsport; Herlihy, Bicycle.

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Fahrgeschwindigkeit durch Vergrößerung des Vorderrades zu erhöhen und damit zudem die Unebenheiten der Straße einfacher zu überwinden. Außerdem konnte der Fahrer beim Pedaltritt besser sein Gewicht einsetzen. Mit dem Hochrad entwickelte sich eine von der Industrie gesponserte Freizeitkultur – mit Clubs, Zeitschriften, Rennen, Zubehörläden und anderem mehr. Der teure und aufwendige Fahrradsport bildete ein Vergnügen der männlichen Oberschicht und gehobenen Mittelschicht. Der Nutzungsbereich des Radfahrens erweiterte sich mit den seit Ende der 1870er Jahre aufkommenden „Sicherheitsrädern“. Bei diesen Niederrädern schrumpfte das Vorderrad, der Sitz wurde nach hinten verlegt, und eine Kettentransmission trieb die Hinterachse an. In den späten 1880er Jahren ähnelten die Räder schon weitgehend dem heutigen Fahrrad. Den Durchbruch brachte der Luftreifen. Er machte das Niederrad schneller als das Hochrad – und wesentlich komfortabler. Zusammen erreichten die großen Unternehmen Absatzzahlen von Millionen Rädern. Der entstehende Gebrauchträdermarkt ebnete dem Fahrrad den Weg in die Mittel- und Unterschichten. Um die Jahrhundertwende war das Fahrrad auf dem besten Weg zum allgemeinen Verkehrsmittel. Mit dem Rad fuhr man zur Arbeit, unternahm einen Ausflug und tobte seinen Bewegungsdrang aus. In der Zwischenkriegszeit wurde das Fahrrad zum Individualverkehrsmittel schlechthin. Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs besaß – statistisch gesehen – fast jede deutsche Familie ein Fahrrad. Fahrräder dominierten den städtischen Kurzstreckenverkehr. Die Ablösung des Fahrrads als wichtigstes Individualverkehrsmittel durch das Automobil501 fällt in den USA in die Zwischenkriegszeit, in Deutschland in die Nachkriegszeit. In den 1880er Jahren stellte die Motorenentwicklung das Schlüsselproblem für die Konstruktion eines Autos dar. Die meiste Erfahrung besaß man mit Dampfmaschinen. Allerdings mussten Dampfwagen mühsam angeheizt werden. Elektromotoren waren zwar bedienungsfreundlich, besaßen aber nur eine geringe Reichweite.502 Die schweren Batterien beanspruchten zudem die Fahrzeugkonstruktion mechanisch. Der elektrische und der Dampfantrieb lieferten sich mit dem Benzinmotor etwa zwei Jahrzehnte einen harten Konkurrenzkampf, ehe sich der benzingetriebene Ottomotor durchsetzte. Die von Ingenieuren und Unternehmern wie Wilhelm Maybach (1846–1929), Gottlieb Daimler (1834–1900) und Carl Benz (1844–1929) vorangetriebene Entwicklung des Benzinwagens verlangte neue Lenkungen, Reifen, Federungen, Bremsen, Schaltungen, Verga-

501 Überblicke zur europäischen Automobilgeschichte bieten: Laux, The European Automobile Industry; Merki, Der holprige Siegeszug; zur deutschen Automobilgeschichte: Horras, Entwicklung; Eckermann, Vom Dampfwagen; Edelmann, Vom Luxusgut; Fack, Automobil; Haubner, Nervenkitzel; Flik, Von Ford lernen? Klenke, Bundesdeutsche Verkehrspolitik. 502 Vgl. Mom, The Electric Vehicle.

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ser, Zündungen, Kühl- und Schmiersysteme, Kraftübertragungen und vieles andere mehr. Es dauerte etwa zwei Jahrzehnte, bis das 1885 und 1886 fertig gestellte Automobil einen größeren Absatz erreichte. Zuerst schafften sich begüterte technische Enthusiasten Motorwagen an. Sie brachten die Kompetenz und die Bereitschaft mit, die notwendigen umfangreichen Reparatur- und Wartungsarbeiten durchzuführen. Das Automobil interpretierten sie als technisches Sportgerät, das ihnen einen neuen Erlebnisbereich erschloss. Als das Auto nach der Jahrhundertwende ein Mindestmaß an Zuverlässigkeit und Komfort aufwies, wurde es auch als Repräsentationsfahrzeug attraktiv. Mit den sündhaft teuren Luxuswagen ließ sich gleichermaßen Wohlstand wie Modernität demonstrieren. Die herrschaftlichen Fahrzeuge wurden durch Chauffeure gelenkt, die auch die aufwendige Wartung übernahmen. Der Benzinwagen wurde in Deutschland erfunden, die größte Verbreitung fand er jedoch zunächst in Frankreich und dann in England. In Frankreich stiegen in den 1890 Jahren erfahrene Maschinenbaufabriken wie Peugeot in den Automobilbau ein. Sie profitierten von dem zentralen Pariser Luxusmarkt und den Repräsentationsbedürfnissen des Adels und der Bourgeoisie. Außerdem knüpften sie an die Tradition der Pferde- und Radrennen an und beteiligten sich an motorsportlichen Wettkämpfen. In der Öffentlichkeit besaß das Automobil ein denkbar schlechtes Image.503 Die Zeitungen monierten die mit dem Automobilismus einhergehende Staub-, Lärm- und Geruchsbelästigung, griffen die sportliche Raserei an und schilderten spektakuläre Unfälle504 in allen Einzelheiten. Nach der Jahrhundertwende setzte eine umfangreiche Reglementierung des Kraftfahrzeugverkehrs ein. Die durch die Kommunen, die Regionen und später die Staaten erlassenen Vorschriften regelten den Straßenverkehr, die Fahrprüfungen, die Zulassung, Steuern, Versicherungen usw. Sie dokumentieren, dass das Automobil von einem privaten Steckenpferd zu einer öffentlichen Angelegenheit geworden war. In den USA fuhr der Automobilismus dem europäischen zunächst hinterher.505 Dies änderte sich seit etwa 1900. Als erste Firma nahm Oldsmobile eine Massenfertigung technisch eher konventioneller Kleinwagen auf. Noch weiter ging Henry Ford (1863–1947), der seit 1908 nur noch ein einziges Modell fertigte.506 Die Fordsche Strategie lautete, das Modell T so rationell wie irgend möglich zu bauen, damit den Preis zu reduzieren und den Absatz zu steigern. Ford und andere Hersteller schufen auf diese Art und Weise die 503 Vgl. Fraunholz, Motorphobia. 504 Vgl. Blanke, Hell. 505 Vgl. zur amerikanischen Automobilgeschichte die umfassende Bibliographie: Berger, Automobile; und als immer noch beste Gesamtdarstellung: Flink, The Automobile Age; außerdem neuerdings Norton, Fighting Traffic. 506 S. o. S. 143f.

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produktionstechnischen Voraussetzungen für die in der Zwischenkriegszeit stattfindende amerikanische Massenmotorisierung. Aufgrund der hohen Kaufkraft leisteten sich im Jahre 1930 – statistisch gesehen – drei von vier amerikanischen Haushalten ein Auto. Weltweit kamen von zehn Autos acht bis neun aus amerikanischen Fabriken. In Deutschland wären die Automobilproduzenten und die Konsumenten nur zu gern dem amerikanischen Beispiel gefolgt, doch die ungünstigeren wirtschaftlichen Verhältnisse ließen dies nicht zu. Die Automobildichte war viel geringer als in den USA. 80 bis 90 % der Personenkraftwagen wurden für gewerbliche Zwecke genutzt: von Lieferanten, Vertretern, Handwerkern usw. Das Budget der meisten Angestellten und Arbeiter erlaubte den Erwerb eines privaten Autos nicht, höchstens kam ein Motorrad in Frage. In Deutschland bzw. in der Bundesrepublik übertraf denn auch die Zahl der Motorräder die der Kraftwagen bis 1956. An dem deutschen Motorisierungsrückstand änderte auch die autofreundliche Politik des Nationalsozialismus nichts Grundsätzliches. Der Autobahnbau war zunächst vor allem eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Die Autobahnen erfüllten weniger eine Verkehrsnachfrage, sondern dienten als Ausweis der Tatkraft und Modernität des Regimes. In ähnlicher Weise verbanden sich beim Volkswagenprojekt Propaganda und Illusion.507 Am Beginn des Zweiten Weltkriegs ging das auf der grünen Wiese errichtete Volkswagenwerk zwar seiner Vollendung entgegen, doch die Bestellungen für den Wagen blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Der überwiegende Teil der propagandistisch als Käufer beworbenen Familien war nicht in der Lage, sich einen Volkswagen zu leisten. Immerhin verdreifachte sich zwischen 1933 und 1939 die Zahl der in Deutschland zugelassenen Kraftfahrzeuge. Im Nationalsozialismus standen Aufrüstung und Autarkie an der Spitze der politischen Ziele. Das Regime tat wenig, um die Konsumbedürfnisse der Bevölkerung zu stillen. Allerdings dürften das Volkswagenprojekt, der Volksempfänger und die nur eine kleine Minderheit der Menschen erreichenden „Kraft durch Freude“-Reisen den Appetit auf mehr Konsum geweckt haben. Die Voraussetzungen zu seiner Befriedigung schuf jedoch erst nach dem Krieg der durch die Westintegration der Bundesrepublik ermöglichte wirtschaftliche Aufschwung. Ein zentrales Element bildete die Massenproduktion des Konsumartikels Automobil. Im westlichen Deutschland gewann das Automobil geradezu symbolische Bedeutung für das „Wirtschaftswunder“, den neuen Individualismus und die Abgrenzung von den kollektivistischen sozialistischen Staaten. Im Laufe der 1950er Jahre wurde die Bundesrepublik hinter den USA zweitgrößter Pkw-Hersteller auf der Welt, aber größter Ex-

507 Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk; König, Volkswagen, S. 151–91.

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porteur. Beide Führungspositionen übernahm seit den 1970er Jahren Japan.508 Die Entwicklung der Fahrzeuge war geprägt durch eine kontinuierliche Verbesserung der längst bekannten Grundelemente. Die größten Veränderungen in Produktion und Konstruktion brachte seit den 1960er Jahren die Elektronik. In der Fertigung wurden Industrieroboter eingeführt, vor allem Schweißautomaten, sowie hochautomatisierte Fertigungsstraßen. Die Fahrzeuge selbst erhielten immer mehr elektronische Komponenten, wie Transistorzündung, Antiblockiersystem, Fahrdynamikregelung, Benzineinspritzung, Abgasregelung, Diagnosesysteme, Getriebesteuerung, Airbag und anderes mehr. Die Elektronisierung dürfte noch nicht an ihr Ende gekommen sein. Die wichtigen Fahrzeugveränderungen hingen jedoch nicht mit der Fahrzeugtechnik selbst zusammen, sondern mit gesellschaftlichen Tendenzen, welche die konstruktiven Parameter veränderten. So wurden und werden traditionelle technisch-ökonomische Anforderungen wie Leistung und Wirtschaftlichkeit erweitert bzw. relativiert durch die stärkere Betonung anderer wie Sicherheit und Umweltqualität. Hierzu gehörten seit etwa 1970 Maßnahmen zur Erhöhung der aktiven und passiven Fahrzeugsicherheit, mit denen es gelang, die Zahl der Verkehrstoten und Verletzten beträchtlich zu reduzieren. Um die gleiche Zeit wurden im Zuge eines erweiterten Umweltbewusstseins verschärfte Vorschriften zur Schadstoffminderung erlassen. Steigende Ölpreise und sinkende Einkommen erhöhten die Nachfrage nach Autos mit einem geringeren Kraftstoffverbrauch. Das Automobil erweiterte die individuelle Mobilität, das Flugzeug die kollektive. Dem Fliegen liegt entweder das Prinzip „leichter als Luft“ oder das Prinzip „schwerer als Luft“ zugrunde. Beides wurde um die Jahrhundertwende realisiert: das erste Prinzip durch das Luftschiff, das zweite durch das Motorflugzeug. Dabei besaß das sich terminologisch an die Schifffahrt anlehnende „Luftschiff“ von vornherein das Potenzial zum Verkehrsmittel, das Motorflugzeug stand dagegen mehr in der Tradition des automobilen Motorsports. Die wichtigsten technischen Voraussetzungen für die Luftschiffe waren der Antrieb durch einen Ottomotor sowie billiges mit Hilfe der Schmelzflusselektrolyse hergestelltes Aluminium.509 Der führende deutsche Luftschiffpionier Graf Ferdinand von Zeppelin (1838–1917) dachte in erster Linie an militärische Verwendungen. Es dauerte jedoch beträchtliche Zeit, bis die „Zeppeline“ einigermaßen flugtauglich waren und der Graf Politik und Militär von ihrer Nützlichkeit überzeugt hatte. Erst der Einsatz im Ersten Weltkrieg erwies, dass es mit der militärischen Tauglichkeit der Luftschiffe als Aufklärer und Bomber doch nicht so weit her war. Bereits vor dem Krieg fanden zudem 508 Vgl. Cusumano, The Japanese Automobile Industry. 509 Einen Einstieg in die Geschichte des Luftschiffs vermitteln: Syon, Zeppelin! Braun, Aufstieg.

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Besichtigungs-Rundflüge und regelmäßige Städteverbindungen mit Luftschiffen statt, ohne dass dies jedoch Gewinn abwarf.510 Das gleiche galt für den seit den späten 1920er Jahren durchgeführten transatlantischen Passagierverkehr. Das Ende der Luftschifffahrt kam 1937 durch die Brandkatastrophe des LZ 129 „Hindenburg“ im amerikanischen Lakehurst. Bei den Luftschiffen handelte es sich also nur um eine historische Episode in der Geschichte der Luftfahrt. Dagegen besaß das Fliegen mit Motorflugzeugen – auf lange Sicht betrachtet – ein größeres Potenzial.511 Mit den Flügen der Brüder Wilbur (1867–1912) und Orville Wright (1871–1948) im Jahre 1903 setzte eine kontinuierliche Entwicklung des Motorflugs ein. Andere Flugpioniere ließen sich von den Wrights zu eigenen Versuchen anregen. Innerhalb kurzer Zeit entstand eine Szene von Fliegern, die ihre Flugzeuge technisch weiter entwickelten und immer größere Entfernungen zurücklegten. Die Fliegerei betrachteten sie als technisch-sportliche Herausforderung – ähnlich wie beim frühen Automobilismus. Das Militär ignorierte anfänglich die Motorflugzeuge und schätzte das Luftschiff als entwicklungsfähiger ein. Dies änderte sich jedoch um 1910, und in der Folgezeit nahm das Militär die Fliegerei weitgehend unter seine Fittiche. Im Ersten Weltkrieg hielt sich die militärische Bedeutung der Aufklärer, Jäger und Bomber – trotz der riesigen Zahl eingesetzter Maschinen – in Grenzen. Allerdings entstanden Metallflugzeuge512 und leistungsfähigere Motoren, die nach dem Krieg auch der zivilen Entwicklung zugute kamen. Die ersten Streckendienste fanden mit umgebauten Militärmaschinen statt. Befördert wurde vor allem Post, aber auch Passagiere und Fracht. Touristen konnten sich auf Rundflügen die Gegend von oben betrachten. Bis in die zweite Hälfte der 1920er Jahre dominierte der Kurz- und Mittelstreckenverkehr. Nicht wenige Fluggesellschaften und Fluglinien erhielten staatliche Subventionen. Dabei ging es ums Prestige, aber auch um postalische, wirtschaftliche und militärische Belange. Zunächst flog man meist am Tag und in der Regel nur bei schönem Wetter. Schlechtes Wetter bildete einen Grund, den Flug abzubrechen. Die Piloten folgten Flüssen oder Eisenbahnlinien und orientierten sich an der Landschaft. Für Nachtflüge entstanden seit den frühen 1920er Jahren Luftstraßen mit bodengebundenen Leitsystemen, wie alle paar Kilometer platzierte gasbefeuerte Markierungsbalken. Bei schlechtem Wetter wiesen Radiosignale den Weg zum Flughafen. Beim Überfliegen von Meeren navigierte man nach

510 Zur fehlenden Wirtschaftlichkeit des Luftschiffs: Braun, Aufstieg, S. 307ff. u. 398ff. 511 Allgemeine technikorientierte Überblicke zur Flugzeuggeschichte bieten: Wissmann, Geschichte; Bölkow, Jahrhundert; zur Geschichte des Luftverkehrs in den USA: Hudson, Air Travel; Bilstein, Flight; in Deutschland: Siefert, Der deutsche Luftverkehr; Fischer, Luftverkehr. 512 Vgl. Schatzberg, Wings.

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den Sternen. Das im Zweiten Weltkrieg zur Reife gebrachte Bordradar erleichterte dann die Navigation beträchtlich. Seit den 1920er Jahren entwickelte sich der Luftverkehr zum Langstreckenverkehr. Damals erforderten Flugreisen von Europa nach Asien, Afrika oder Australien einen beträchtlichen Zeitaufwand von mehreren Tagen. Man flog tagsüber und verbrachte die Nacht in Hotels. Verkehrsflüge über die Ozeane fanden mit durch Dieselmotoren angetriebenen Flugbooten statt – mit Zwischenlandungen bei schwimmenden Flugstützpunkten. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg, nämlich 1936 und 1939, eröffnete Pan Am einen regelmäßigen Pazifik- und Nordatlantikverkehr. Die für Flüge über den amerikanischen Kontinent eingesetzten Flugzeuge von Douglas, die DC-2 (1934) und die DC-3 (1935), stellten einen enormen Entwicklungssprung dar. Sie beförderten über 20 Passagiere auf einer Flughöhe von 4.000 m mit einer Reisegeschwindigkeit von etwa 300 km/h. Der hohe Entwicklungsstand des amerikanischen Flugzeugbaus beruhte auf der großen zivilen Nachfrage und den beträchtlichen zu überwindenden Entfernungen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg profitierte die zivile Fliegerei von der im Krieg erfolgten Aufblähung der Kapazitäten. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich das Flugzeug zum relevanten allgemeinen Verkehrsmittel. 1957 wählten erstmals mehr Nordatlantikreisende das Flugzeug als das Schiff. Technisch am spektakulärsten und ökonomisch am bedeutendsten war der Übergang zum Düsenflugzeug.513 Dabei setzten die Hersteller an den im Zweiten Weltkrieg entstandenen Düsenjägern an. Als erstes ziviles Düsenflugzeug erschien 1952 die Comet der britischen Firma De Havilland am Markt – wie sich herausstellte: zu früh. Nach mehreren rätselhaften Abstürzen, bei denen insgesamt 110 Menschen ums Leben kamen, wurde die Comet 1954 aus dem Verkehr gezogen. Man fand heraus, dass die neu konzipierte Druckkabine den auftretenden Wechselbeanspruchungen nicht standgehalten hatte. Die 1958 fertig gestellte überarbeitete Version der Comet wurde ein Flop, weil es inzwischen mit der Boeing 707 und der DC-8 modernere Düsenmaschinen gab. Mit den Düsenflugzeugen erhöhte sich die Reisegeschwindigkeit von etwa 570 auf 900 km/h, und – noch wichtiger – die Tragfähigkeit wuchs. Die Zahl der Sitzplätze ließ sich im Vergleich mit den größten Propellermaschinen um etwa die Hälfte vermehren. Außerdem besaßen die Düsenflugzeuge Wartungsvorteile. Einen weiteren Meilenstein der zivilen Luftfahrt setzten die Großraumflugzeuge. Dies begann damit, dass Boeing dem Konkurrenten Lockheed bei der Ausschreibung für einen militärischen Großtransporter unterlag. Die dabei getätigten Vorarbeiten verwandte Boeing für die Entwicklung der B 747. Das in seinen ersten Versionen etwa 400 Passagiere fassende und später bis zu 600 erweiterte Flugzeug stieg 1970 zum ersten Linienflug auf. Andere 513 Vgl. Constant, Origins.

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Hersteller zogen mit eigenen Maschinen nach. Die Großraumflugzeuge senkten die Kosten in einem derartigen Umfang, dass sich die Fliegerei zum Massenmarkt entwickelte. Zur Zeit dringt Airbus mit der A 380 in neue Dimensionen vor. Das mit gewichtssparenden Technologien gebaute Flugzeug kann maximal 840 Passagiere befördern. Die Anforderungen an die Flugzeuge erhöhten sich seit den 1970er Jahren besonders hinsichtlich der Kriterien Wirtschaftlichkeit und Lärmreduzierung. Die Hersteller reagierten darauf unter anderem mit einer Verringerung der Zahl der Triebwerke. So wird die Nordatlantikroute inzwischen auch mit zweimotorigen Maschinen beflogen. Der Triebwerkslärm sowie der Verbrauch lassen sich durch eine Senkung der Strahlgeschwindigkeit reduzieren; größere Turbinen sorgen für einen gleichbleibenden oder sogar stärkeren Schub. Mit Hilfe eines großen vorderen Gebläserads werden die heißen Verbrennungsgase mit kalter Luft ummantelt, was Verwirbelungen reduziert und die Lärmemissionen vermindert. Das Automobil und das Flugzeug gestalteten das Mobilitätsverhalten um. Besonders eindrücklich zeigte sich dies bei der Ferienreise.514 In der Nachkriegszeit entwickelte sich in der Bundesrepublik die Urlaubsreise vom Minderheitenprivileg zur Gewohnheit der Bevölkerungsmehrheit. Verreisten 1954 24 % der Bundesdeutschen, so 1973 erstmals mehr als die Hälfte und um 1990 an die 70 %. Von den Nichtreisenden kann sich ein Teil keinen Urlaub leisten, bei einem anderen Teil handelt es sich um zurückgezogen lebende, meist ältere Menschen. Das Automobil und das Flugzeug lösten die Bahn als bevorzugtes Reisemittel ab. Mit der Zeit nahmen die Auslandsziele zu. 1954 fuhren 15 % der Urlauber ins Ausland, seit den 1990er Jahren etwa 70 %. Die Relation zwischen Auslands- und Inlandsurlaubern von etwa 7:3 gilt bis zur Gegenwart; dagegen erhöhte sich der Anteil der Fernreiseziele weiter. Das Reiseverhalten der Amerikaner unterscheidet sich von dem der Deutschen in mehrerlei Hinsicht.515 Nicht nur ist in den USA die berufliche Mobilität viel höher, auch privat sind die Amerikaner eine reisefreudige Nation. Bei den fälschlich als „Reiseweltmeister“ titulierten Deutschen liegen die Urlaubsreisen an der Spitze der Reiseaktivitäten, bei den Amerikanern die Besuchsreisen. In den USA besteht zwischen der beruflichen und der privaten Mobilität ein enger Zusammenhang: Die Amerikaner besuchen häufig Bekannte und Verwandte an früheren Wohn- und Beschäftigungsorten. Der Anteil der Amerikaner, die keine Urlaubsreise unternehmen, liegt dagegen deutlich höher als bei den Deutschen. Kurzreisen besitzen also gegenüber längeren Reisen einen höheren Stellenwert. Das Automobil und das Flugzeug haben größere Verkehrsanteile als in Deutschland. Die Amerikaner verreisen 514 Zur Urlaubsreise in Deutschland: Spode, Zur Geschichte; Keitz, Reisen; Pagenstecher, Der bundesdeutsche Tourismus. 515 Zur Urlaubsreise in den USA: Jakle, The Tourist; Aron, Working.

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ganz überwiegend im eigenen Land; die beliebtesten Ziele sind Florida und Kalifornien. Trotzdem besitzt der amerikanische Auslandstourismus eine große Bedeutung für einige Länder. Unter den Zielgebieten ragen Mittelamerika und die Karibik sowie Westeuropa hervor. Die Expansion des Tourismus beruhte auf materiellen und ideellen Faktoren. Neue Verkehrsmittel ließen den Raum und die Zeit schrumpfen. Entfernte Ziele rückten in Reichweite, kürzere Aufenthalte erschienen attraktiv. Ein Tagesausflug über Hunderte Kilometer zum Shopping, zum Besuch einer Ausstellung oder zum Skifahren ist keine Seltenheit mehr. Ein paar Urlaubstage genügen, um in die südliche Sonne zu fliegen oder in die verschneiten Berge. Mit dem Reisen wächst die Vertrautheit mit der Ferne und dem Fremden. Mag man die erste Fernreise noch als Abenteuer empfinden, durch Wiederholung wird sie zur Gewohnheit. Das Ferne erscheint nicht mehr fern, das Fremde nicht mehr fremd. Überdies stattet die Tourismuswirtschaft die Zielgebiete mit vertrauten Versatzstücken aus den Herkunftsländern aus. Die Unterkünfte, das Essen, die Shops, die Unterhaltung werden zu Hybriden aus Fremdem und Eigenem, die Ferienlandschaften zur zweiten Heimat. Bei der Ausweitung der touristischen Zielgebiete wirken „Snobeffekte“ und „Mitläufereffekte“ zusammen. Die Suche nach Erlebnissen sowie das Streben nach Exklusivität und Prestige lässt die „Snobs“ – dabei kann es sich um Rucksacktouristen wie um Luxusreisende handeln – neue Ziele aufsuchen. Sie beteiligen sich an der touristischen Erschließung und bereiten den „Mitläufern“ den Weg. Vor dem Massentourismus flüchten sie dann wieder in neue Gebiete. Das touristische Reisen wird von einem Motivbündel aus Erholung, Neugier und Prestige gesteuert. Urlaub und Reisen dienen der Erholung von Belastungen, welche der Beruf, aber auch der Alltag auferlegen. Viele Urlaubsreisende geben an, dass sie „ausspannen“ und regenerieren wollen. Besonders gilt dies für Gesundheitsurlauber und Kurgäste. Andere verweisen auf den Reiz des Neuen und Ungewohnten. Dazu gehören das Klima und die Witterung sowie die Landschaften mit Seen und Bergen. Reisen vermittelt Begegnungen mit Menschen, mit fremden Völkern und Kulturen, mit all jenem, was als sehenswert eingestuft wird und dem man Erlebnis- und Erfahrungswert zuschreibt. Gegenüber den Daheimgebliebenen lässt sich der touristische Erfahrungskonsum durch Ansichtskarten demonstrieren, durch Erzählungen, Fotos und Filme oder eine braune Haut. Heute ist vielfach die Rede von der „Tourismusindustrie“. Der Begriff bringt zum Ausdruck, dass der Tourismus in manchem den Prinzipien der industriellen Massenproduktion folgt. Wie die Industrie setzt die Tourismuswirtschaft Maschinen ein: von den Buchungssystemen bis zu den Transportmitteln. Sie errichtet wegen ihrer ökonomischen Vorteile große Ferienanlagen. Sie sucht die Anlagen möglichst vollständig während des gesamten Jahres und damit gleichmäßig auszulasten. Die Reiseveranstalter bieten in den

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Katalogen normierte Urlaubselemente an. Daraus lässt sich wie bei einem industriellen Baukastensystem die individuelle Reise zusammenstellen. Die Pauschalreisen wiederum sind zu Typen zusammengefasst, zu Bade-, Bildungs-, Sport- oder Abenteuerreisen. Die internationalen Touristikkonzerne integrieren Massenproduktion und Massendistribution touristischer Dienstleistungen. Sie veranstalten Reisen und besitzen Reisebüros, Charter-Fluggesellschaften, Schifffahrtslinien, Hotels und Ferienclubs. Die „Fertigungstiefe“ der einzelnen Veranstalter ist unterschiedlich, manche arbeiten mit weniger, manche mit mehr Zulieferern zusammen. Die industrielle Massenproduktion stößt jedoch im Tourismus auch an Grenzen. Der Dienstleistungsbereich lässt sich nur bedingt maschinisieren und automatisieren. Die persönliche Kommunikation zwischen Anbieter und Kunde bleibt ein zentrales Qualitätsmerkmal. Die jahreszeitlichen klimatischen Unterschiede lassen sich nicht beseitigen, sondern nur – durch Sonnenschutz oder Heizstrahler – mildern. 3.2.5 Massenmedien516 Mit der Telegraphie und dem Funk entstanden bereits im 19. und frühen 20. Jahrhundert Kommunikationssysteme, die den gesamten Globus überspannten.517 Ergänzend bot das Telefon die Möglichkeit, in natürlicher Sprache über größere Entfernungen zu kommunizieren. Das Gemeinsame dieser frühen Kommunikationssysteme bestand jedoch darin, dass sie nur von Wenigen genutzt wurden. Die hohen Kosten reservierten sie vor allem für wirtschaftliche, aber auch für politische Zwecke. Dagegen erreichten im 20. Jahrhundert die Massenmedien, wie Zeitung, Rundfunk, Fernsehen und Internet, die Mehrheit der Bevölkerung.518 Der im 19. Jahrhundert stattfindende Aufstieg der Zeitung stand im Zusammenhang mit liberalen und demokratischen Strömungen. Politische Partizipation und Pressewesen bildeten Elemente einer neuen Form von Öffentlichkeit. Die technische Entwicklung leistete einen wesentlichen Beitrag, dass um die Jahrhundertwende zumindest in den Städten eine reiche Auswahl an Blättern zur Verfügung stand und dass sich auch Arbeiter eine Tageszeitung leisten konnten. Die wichtigsten technischen Voraussetzungen für das Massenmedium Zeitung betrafen die Papierherstellung sowie das Setzen und Drucken. Papier wurde seit dem Hochmittelalter aus Hadern, d.h. aus bestimmten Lumpen, in einem arbeitsintensiven handwerklichen Prozess hergestellt.519 Beides, die 516 Dieses Kapitel basiert auf meinem Beitrag: König, Information. 517 S. o. S. 152–57. 518 Hilfreiche Überblicke zur Geschichte der Massenmedien bieten: Flichy, TELE; Wilke, Mediengeschichte; Schildt, Zur Historisierung. 519 Vgl. zur Papiergeschichte im 19. Jahrhundert: Bayerl/Pichol, Papier; Hills, Papermaking.

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Rohstoffbasis und die Handarbeit, begrenzte den Output und hielt die Preise hoch. Am Beginn der industriellen Papierproduktion stand die Ende des 18. Jahrhunderts in Frankreich erfundene Papiermaschine. Für die gesellschaftliche Einbindung der Technikentwicklung ist es bezeichnend, dass einerseits die in der Französischen Revolution steigende Papiernachfrage die Erfindung motivierte, aber andererseits auch das Bestreben, sich von den aufsässigen Papierarbeitern unabhängiger zu machen. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Papiermaschine in England zur technisch-wirtschaftlichen Reife gebracht. Um 1825 übertraf dort der Ausstoß an Maschinenpapier den des handgeschöpften. Die Suche nach einem alternativen Papierrohstoff führte zunächst um die Mitte des 19. Jahrhunderts zum Holzschliff, zum – wie der Name sagt – mit Schleifsteinen zerfaserten Holz. Der Nachteil der aus Holzschliff hergestellten Papiere lag darin, dass sie mit der Zeit bräunlich und brüchig wurden. Diesen Nachteil vermieden die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts entwickelten Verfahren, aus Holz Zellstoff (Zellulose) herauszulösen. Bis zum Ersten Weltkrieg verdrängte der Zellstoff aufgrund seines niedrigen Preises die anderen Papierrohstoffe und behielt seine dominante Position bis zur Gegenwart bei. Satz und Druck erfolgten zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Großen und Ganzen noch wie zu Gutenbergs Zeiten. Auch hier wurde die handwerkliche Arbeit durch Maschinenarbeit abgelöst. Zwischen etwa 1810 und 1870 durchlief die Druckmaschinenentwicklung verschiedene Phasen.520 Die ersten Maschinen arbeiteten nach dem Zylinder-Flachform-Prinzip: Der auf einem flachen Karren montierte Satz wurde auf das um einen Zylinder geheftete Papier übertragen. Dagegen bedruckten bei den späteren Rollenrotationsmaschinen zwei Zylinder beidseitig das von einer Rolle abgewickelte und zwischen ihnen durchlaufende Papier. Es illustriert die Nachfragesituation, dass die meisten Entwicklungsarbeiten an der Druckmaschine durch Zeitungsverleger finanziert wurden und dass die fortgeschrittensten Typen in großen Zeitungsverlagen zum Einsatz gelangten. Kleinere Blätter begnügten sich häufig mit älteren Konstruktionen. Nur bei großen Auflagen rentierte sich die Anschaffung der teuren modernen Maschinen mit ihrem enormen Ausstoß. Ein zweites Motiv lag in der Schnelligkeit, mit der eine Zeitung gedruckt werden konnte; dies kam der Aktualität zugute. Wie sehr der Handsatz als Engpass der Druckereitechnik empfunden wurde, dokumentieren Hunderte und Tausende Vorschläge zur Mechanisierung.521 Die in den USA 1884 entwickelte Linotype – wie es der Name sagt: eine Maschine, die Buchstabenzeilen herstellt – trennte den Vorgang des Set520 Vgl. zur Geschichte der Druckmaschinen: Gerhardt, Geschichte; Schröder, Industrialisierung; Franke, Netzwerke. 521 Vgl. zur Geschichte der Setzmaschinen: Otto, Setzmaschine; Robak, Vom Pianotyp.

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zens (von Matrizen) und das Ausgießen der mechanisch empfindlichen Bleizeilen. Die Linotype wurde in erster Linie beim Zeitungssatz verwendet, andere Konstruktionen, bei denen die Korrektur leichter war, beim Zeitschriftenund Buchsatz. Die Gesamtheit der angeführten Innovationen, die Papiermaschine, der Papierrohstoff Zellulose, die Druck- und die Setzmaschinen, verbilligten das gedruckte Wort im Laufe des 19. Jahrhunderts beträchtlich. Seit etwa 1900 ließen sich in Printmedien auch fotografische Bilder abdrucken. Dahinter standen Verfahren, Halbtonvorlagen in Rasterpunkte zu zerlegen und auf Druckplatten zu übertragen. Die größte Bedeutung gewann dies für die Illustrierte. Die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts erscheinenden illustrierten Zeitschriften setzten verschiedene Bilddruckverfahren ein, wie den Holzschnitt und die Lithographie. Die Fotografie erschloss ihnen zusätzlich die – vermeintliche – Authentizität und Spontaneität des Bildes. Anfangs handelte es sich vor allem um mit Plattenkameras aufgenommene Landschafts-, Gebäude- oder gestellte Personenaufnahmen. Der sich in der Zwischenkriegszeit entwickelnde Fotojournalismus arbeitete dagegen mit handlichen Kameras mit kurzen Verschlusszeiten und mit Rollfilmen aus Zelluloid. Sie ermöglichten originelle und spektakuläre Schnappschüsse. Im Laufe des 20. Jahrhunderts kam zum Schwarzweißbild das Farbbild hinzu. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellten fotomechanische und fotoelektrische Verfahren die Drucktechnik auf eine neue Basis. Hierzu gehörte der in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre in den Handel gebrachte Kopierer. In den Druckhäusern löste der Lichtsatz den Bleisatz ab. Bei der Drucktechnik setzte sich bis zur Gegenwart bei Massendrucksachen wie Zeitungen der (elektronische) Offsetdruck durch, beim Einzel- und Kleinauflagendruck der Farbstrahl- oder Laserdruck. Der Vorteil der elektronischen Verfahren liegt unter anderem darin, dass bis unmittelbar vor dem Druck Korrekturen vorgenommen werden können. Heute verlieren die „Printmedien“, wie Zeitungen und Zeitschriften, gegenüber den „elektronischen Medien“, wie dem Fernsehen und dem Internet, an Boden – ohne in der Gefahr zu stehen, gänzlich zu verschwinden. Neuere Entwicklungen der Drucktechnik verdeutlichen aber auch, dass die Grenzen zwischen Print- und elektronischen Medien nicht mehr in dieser Schärfe zu ziehen sind. Das 1876 erfundene Telefon benötigte einen etwa hundertjährigen Vorlauf zum Massenmedium.522 Aufgrund der begrenzten Kapazität des Systems war Telefonieren lange Zeit sehr teuer. Anfänglich ließ sich auf einer Leitung nur ein Gespräch führen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts vermehrten der Übergang von der Gleichstrom- zur Wechselstromtelefonie, die Koaxialkabel und schließlich die Glasfaserkabel die auf einer Leitung zur Verfügung stehenden Kanäle auf viele Tausend. In analoger Weise wurden bei der Radiotelefonie 522 S. o. S. 156f.

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die Frequenzbänder besser ausgenutzt. Seit den 1960er Jahren wurde zudem eine neue Übertragungstechnik eingeführt. Dabei verband sich die Digitalisierung der Informationen mit der Übertragung in dichter Packung in einem Zeitfenster. Auf diese Weise vergrößerte sich seit den 1960er Jahren die Kapazität des globalen Systems der Nachrichtenübertragung enorm. Mittel- und langfristig führte dies zu einem Zerfall der Preise und erlaubte einerseits die quantitative Ausweitung des Teilnehmerbetriebs, andererseits die Vermehrung der angebotenen Dienstleistungen. Seit den 1960er Jahren relativierte sich die Dominanz der Geschäftskommunikation. Immer mehr Private schafften sich ein Telefon an; in der Bundesrepublik kann man seit den 1980er Jahren von einer statistischen Vollversorgung der Haushalte sprechen. In dieser Zeit übertrafen die mit Privatkunden getätigten Umsätze die mit Geschäftskunden. In den USA dagegen fand die gesellschaftliche Verallgemeinerung des Telefons bereits in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg statt.523 In der Bundesrepublik Deutschland lagen der seit den 1960er Jahren expandierenden Telefonverbreitung zwei Tendenzen zugrunde: der durch die technische Entwicklung bedingte Rückgang der Preise und die Steigerung der Einkommen in der Wohlstands- und Konsumgesellschaft. Darüber hinaus gibt es aber auch zahlreiche Hinweise, dass die Postverwaltungen und die kommerziellen Telefongesellschaften den privaten Markt lange Zeit unterschätzten und vernachlässigten. Der Brief und – falls es eilig war – das Telegramm sowie das persönliche Zusammentreffen schienen den Kommunikationsbedürfnissen der Menschen zu genügen. Das neue Medium Telefon wurde in einem längeren Prozess in die privaten Lebenswelten integriert. Dabei bereiteten vielfach die Erfahrungen mit der beruflichen Nutzung der privaten den Weg. Die Verbreitung des Mobiltelefons verlief dagegen wesentlich dynamischer.524 Die physikalischen Grundlagen der Mobiltelefonie, nämlich die Nutzung elektromagnetischer Wellen zur Gesprächsübertragung, sind die gleichen, wie sie bereits vor dem Ersten Weltkrieg beim „Sprechfunk“ zum Einsatz kamen. Die Geschichte der Mobiltelefonie ließe sich schreiben als Verkleinerung der Apparate und – im Gleichklang hierzu – als Ausweitung des Anwendungsbereichs. So betrieben in der Zwischenkriegszeit spezielle Anwendergruppen kleine Mobilfunknetze, wie das Militär, die Polizei und Rettungsdienste. Die Sende- und Empfangsapparate befanden sich üblicherweise in Fahrzeugen. Eine breite Kommerzialisierung kam wegen der hohen Kosten und der Unhandlichkeit der Geräte, vor allem aber wegen des Mangels an Frequenzen nicht in Frage. Dies änderte sich allmählich um 1980. Von entscheidender Bedeutung war dabei die seit den 1990er Jahren erfol-

523 Historical Statistics, S. 480f. 524 Zur Mobiltelefonie: Wessel, Von der Festnetztelefonie; Weber, Versprechen.

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gende Digitalisierung. Heute befinden wir uns in einem Prozess der kulturellen Integration des neuen Massenmediums, dessen Ausgang ungewiss ist. Die meisten Massenmedien dienen in der Konsumgesellschaft der Unterhaltung. Im Laufe des 20. Jahrhunderts boten die Bilder des Kinos und des Fernsehens, die Tonübertragungen des Rundfunks und technisch gespeicherte Musik neue Formen der Unterhaltung und traten an die Stelle alter. Mit der Zeit verbreiteten sie sich in der Bevölkerung und wurden damit zu Massenmedien. Der Unterhaltungsrundfunk besaß im Funk einen technischen Wegbereiter und kommerziellen Vorläufer. Mit der Funktechnik ließen sich jedoch nur diskrete Morsesignale übermitteln. Für die Übertragung von Sprache und Tönen musste man von den durch Funken erzeugten diskontinuierlichen zu kontinuierlichen Schwingungen übergehen. Seit 1906 wurden hierfür mehrere Lösungen entwickelt, von denen sich die Hochfrequenzmaschinensender und die Röhrensender als zukunftsfähig erwiesen. Während des Ersten Weltkriegs wurde der Sprechfunk erstmals in größerem Umfang genutzt. An diesem Stand der Technik setzte der in den großen Industriestaaten zu Beginn der 1920er Jahre eingerichtete Unterhaltungsrundfunk an.525 Die Verbreitung des Rundfunks hing wesentlich von der Attraktivität des Programms ab, aber auch von den entstehenden Kosten. In den USA finanzierten sich die zahlreichen Sender durch Werbung. Im deutschen staatlich gesteuerten Rundfunk wurden Gebühren erhoben. In dem wirtschaftlich schwachen Deutschland erleichterte der Detektor den Zugang zu dem neuen Medium. Der billige, auch als Bausatz angebotene Empfänger arbeitete nur mit der vom Sender aufgenommenen Energie, benötigte also keinen Strom. Allerdings gestaltete sich der Empfang recht unkomfortabel. Die Einstellung des Senders war schwierig, und man musste sich Kopfhörer aufsetzen. Teure Röhrengeräte ermöglichten dagegen Lautsprecherempfang zahlreicher in- und ausländischer Sender in guter Qualität. Mit einfacheren Röhrengeräten musste man hinsichtlich Qualität und Reichweite Einschränkungen in Kauf nehmen. In die letztere Gruppe gehörten auch die nationalsozialistischen „Gemeinschaftsgeräte“, der Volksempfänger und der Deutsche Kleinempfänger. An sich stimmten bei ihnen Preis und Qualität. Die Rundfunkverbreitung im „Dritten Reich“ wurde weniger durch die Gerätekosten als durch die Betriebskosten gehemmt, bei denen die Rundfunkgebühr den 525 Zum Unterhaltungsrundfunk in den USA: Aitken, The Continuous Wave; Douglas, Inventing American Broadcasting; Schiffer, The Portable Radio; Inglis, Behind the Tube; Smulyan, Selling Radio; Slotten, Radio; Hilmes, Only Connect; zum Unterhaltungsrundfunk in Deutschland: Bausch, Rundfunk – und darin als Einzelband Lerg, Entstehung; Dahl, Radio; Lenk, Erscheinung; Hermann/ Kahle/Kniestedt, Der deutsche Rundfunk; Rindfleisch, Technik; Schildt, Moderne Zeiten, S. 209–61; Riedel, 60 Jahre; Ketterer, Funken; Pohle, Rundfunk; Diller, Rundfunkpolitik; Marßolek/Saldern, Zuhören; König, Volkswagen; Dussel, Hörfunk; Weber, Versprechen.

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größten Posten ausmachte. Dennoch erhöhte der Rundfunk seine Verbreitung im nationalsozialistischen Deutschland beträchtlich, blieb aber entgegen der Propaganda ein Medium der Mittelschichten. Ähnliche Wachstumsprozesse fanden in den 1930er Jahren auch in anderen europäischen Staaten statt – und übertrafen teilweise die in Deutschland. Nach dem Krieg entwickelte sich in der Bundesrepublik zunächst eine radiotechnische Besonderheit. Die internationale Verteilung der Mittelwelle hatte Deutschland ausgespart. Die deutschen Sender wichen deswegen auf Ultrakurzwelle (UKW) aus. Zusammen mit der verwendeten Frequenzmodulation erbrachte UKW eine höhere Tonqualität, was insbesondere den Musiksendungen zugute kam. Im Laufe der 1960er Jahre steigerte die Einführung von Stereo den Hörgenuss zusätzlich. Die neuen Technologien bildeten ein wichtiges Motiv, dass die Radiobesitzer ihre alten durch neue Geräte ersetzten. Auch in den staatlichen bzw. öffentlich-rechtlichen Rundfunksystemen entstand mit der Zeit eine beträchtliche Programmvielfalt. Begrenzungen resultierten unter anderem aus der Kapazität des zur Verfügung stehenden Frequenzbandes. Als sich seit etwa 1980 mit den Satelliten und Breitbandkabeln neue Übertragungssysteme am Markt etablierten, entfielen die technischen Gründe für die restriktive Behandlung des Programmangebots. In der Bundesrepublik Deutschland schrieb 1987 ein neuer Rundfunkstaatsvertrag ein aus öffentlich-rechtlichen und aus privaten Anbietern bestehendes „duales Rundfunksystem“ fest. Die Zulassung der Privaten erfolgte zwar in erster Linie mit Blick auf das Fernsehen, ließ aber auch eine Vielzahl weiterer (privater) Radioprogramme entstehen. Um 1960 bestand auch in Deutschland, etwa anderthalb Jahrzehnte später als in den USA, eine Vollversorgung der Haushalte mit Radios. Mit der Zeit wurde der Besitz mehrerer Apparate zur Normalität. Zweit- und Drittradios fanden ihren Platz in anderen Räumen als im Wohnzimmer. Für die Küche und das Bad entwickelte die Industrie spezielle robuste Geräte. Die einzelnen Familienmitglieder, besonders die Jugendlichen und Kinder, erhielten eigene persönliche Radios. Andere Apparate dienten spezifischen Verwendungszwecken: der Radiowecker, das Autoradio, das Koffer- oder Taschenradio. Die Mobilisierung des Radios profitierte von der Miniaturisierung – zunächst mit Hilfe von Minizellen, dann von Transistoren.526 Im Laufe der Zeit erfuhr das Hören von Radiomusik eine Konkurrenz durch Schallplattenspieler, CD-Player, Walkman, Discman und MP 3Player.527 In der Nachkriegszeit erlaubte der Preiszerfall der elektronischen Geräte und der Tonträger den Musikliebhabern den Aufbau einer zunächst stationären, später auch mobilen musikalischen Bibliothek. Seit Ende der 526 Vgl. Fickers, „Transistor“. 527 Zur Geschichte der akustischen Medien: Millard, America; Zeppenfeld, Tonträger; Fetthauer, Deutsche Grammophon.

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1990er Jahre sinken die Gesamtumsätze der Musikindustrie. Gründe hierfür liegen in erster Linie im illegalen Kopieren. Das Neue bestand darin, dass Internet, Rechner und preiswerte Speichermedien hoher Kapazität das Kopieren beträchtlich erleichterten. Aufgrund der technischen Entwicklung dürften in Zukunft für Musik neue Märkte und Aneignungsformen entstehen. Nicht nur sozial und kulturell, sondern auch technisch stand der Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Kinofilm in der Tradition der Fotografie.528 Seine Voraussetzung bildete der um 1890 zur Verfügung stehende Zelluloidfilm. Ebenso übernahmen die Filmkameras viel von der fotografischen Technik. Nach einer Phase der Wander- und des Jahrmarktkinos setzten sich ortsfeste Vorführungsorte durch. Bis zum Ersten Weltkrieg löste der Langfilm den Kurzfilm ab. Hinter dieser Entwicklung standen weniger technische Gründe, sondern soziale und ökonomische. Jedenfalls dominierte im 20. Jahrhundert der längere Spielfilm. Dabei handelte es sich – diesmal aufgrund des defizienten Stands der Technik – um Stummfilme. Von Beginn an gab es Versuche, den Film zu vertonen und zu kolorieren, die Erfolge blieben jedoch bescheiden. Der Projektor ließ sich zwar mit einem Fonografen oder einem Grammofon koppeln, doch bereitete die Synchronisation insbesondere bei längeren Filmen unüberwindliche Schwierigkeiten.529 Ein weiteres Problem bestand darin, dass sich mit der geringen, mechanisch auf den Platten und Walzen gespeicherten Schallenergie nur kleine Räume beschallen ließen. Die in den späten 1920er Jahren entwickelten leistungsfähigen Verstärker und Lautsprecher gaben den Arbeiten am Tonfilm neue Impulse. Dabei fand ein amerikanisches Entwicklungsteam mit der Tonspur am Rande des Zelluloidfilms eine bis in die Gegenwart verbreitete Lösung. In der ersten Hälfte der 1930er Jahre verdrängte der Tonfilm den Stummfilm weitgehend vom Markt. Die Umstellung verlangte in den Studios und in den Kinos hohe Investitionen und stellte die Filmschaffenden zudem vor zahlreiche künstlerische Herausforderungen. Bei den allerersten „Farbfilmen“ handelte es sich um eingefärbte Schwarzweißfilme.530 Erst in der Zwischenkriegszeit entstanden Filme, welche ein der Natur ähnliches Farbspektrum boten. Dies erreichte man durch Überlagerung von Filmen, welche jeweils einen Farbauszug enthielten. Die weiteste Verbreitung gewann das bis Mitte der 1930er Jahren entwickelte Verfahren der amerikanischen Firma Technicolor, das mit der Überlagerung dreier Farbfilme arbeitete. Aufgrund ihrer hohen Preise verbreiteten sich die 528 Zum Kinofilm: Zielinski, Audiovisionen; Gomery, Shared Pleasures; Wyver, The Moving Image; Behrens, Entstehung; Müller, Frühe deutsche Kinematographie. 529 Zum Tonfilm: Read/Welch, From Tin Foil, S. 275–88; Gomery, The Coming; Müller, Frühe deutsche Kinematographie, S. 79ff. 530 Zum Farbfilm: Wyver, The Moving Image, S. 72–76; Balio, The American Film Industry, S. 425ff.

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Technicolor-Filme aber nur langsam. Nach dem Krieg kamen Farbfilme auf den Markt, deren Schichten zu einem Filmträger zusammengefasst waren. Um die Mitte der 1950er Jahre hatten sie Technicolor verdrängt und Parität mit dem Schwarzweißfilm erreicht. Der endgültige Durchbruch des Farbfilms erfolgte seit den 1960er Jahren, als die Studios das expandierende Farbfernsehen in ihre Vermarktungsstrategien einbezogen. Die Verbreitung des Tonfilms wie des Farbfilms fiel in eine Zeit, als die Zuschauerzahlen der Kinos zurückgingen. Die neuen Techniken konnten den Rückgang nicht aufhalten oder umkehren, sondern höchstens dämpfen. Das gleiche galt in der Nachkriegszeit für weitere technische Innovationen, wie Verbesserungen des Kinotons, von Stereo bis zu Dolby Surround, sowie Veränderungen der Projektionsfläche und -verfahren, vom Breitwandfilm bis zum Rundum-Kino. Und schließlich erzielten auch die Zusammenfassung von Kinos zu Multiplexen und Bemühungen, diese zu Freizeitstätten umzugestalten, nur begrenzte Erfolge. Das Kino gehörte zu den ersten Medien, das alle Schichten, Generationen und die beiden Geschlechter ansprach. Allerdings dürfte zu keiner Zeit eine Mehrheit der Bevölkerung regelmäßig ins Kino gegangen sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg sanken die Besucherzahlen, eine Entwicklung, die bis zur Gegenwart anhält. Die Gründe dafür waren vielfältig. Andere Freizeitangebote machten dem Kino Konkurrenz; eine Tendenz zur Verhäuslichung unterstützte die Verbreitung des „Pantoffelkinos“ Fernsehen. Letzten Endes hieß dies, dass das Kino in Nischen abgedrängt wurde, die Filmwirtschaft aber weiter florierte. In Deutschland, in Großbritannien und in den USA wurde seit Mitte der 1930er Jahre der Fernseh-Sendebetrieb aufgenommen.531 Eine deutsche Besonderheit bestand darin, dass die Sendungen vor allem in öffentlichen Vorführräumen zu empfangen waren. Die kleine Mattscheibe und die schlechte Bildqualität machten das neue Medium allerdings wenig attraktiv. Der Siegeszug des technisch verbesserten Fernsehens zu einem neuen Leitmedium fand erst in den 1950er und 1960er Jahren statt. Ende der 1950er Jahre nannten die meisten amerikanischen Haushalte einen Fernseher ihr Eigen. Etwa ein gutes Jahrzehnt später besaß der Apparat auch in den deutschen Privathaushalten seinen festen Platz In der Frühzeit des Fernsehens wurde Vieles – aus technischen Gründen – live gesendet. Was fehlte, war ein kostengünstiges und gut handhabbares Speichermedium. Seit 1956 setzten in den USA entwickelte Magnetaufzeichnungsverfahren (MAZ) diesem Zustand ein Ende.532 Das Programm entwickelte sich zu einer Mischung aus Livesendungen und Konserven, die der 531 Zum Fernsehen in den USA: Bogart, Age; Barnouw, Tube; in Deutschland: die Sammelrezension von Fickers, Nationale Traditionen; außerdem: Winker, Fernsehen; Bruch, Kleine Geschichte; Riedel, Fernsehen; Hickethier, Geschichte. 532 Vgl. zur magnetischen Aufzeichnung: Zielinski, Zur Geschichte.

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Zuschauer nicht unbedingt auseinanderhalten konnte. Außerdem erweiterte die MAZ die Möglichkeiten der Bildbearbeitung. Einen noch größeren Sprung stellte der spätere Übergang von der analogen zur digitalen Technik dar. Die digitale Technik nutzten die Fernseh- und Filmemacher exzessiv für schnelle Bildwechsel, Einblendungen, Bildmontagen und später zu Computeranimationen. Dabei entstehen aufregend-attraktive, aber auch flüchtigoberflächliche Seherlebnisse, am ausgeprägtesten vielleicht bei den musikalischen Videoclips und den Werbeeinblendungen. Das frühe Fernsehen war nicht nur live, sondern die aktuelle Berichterstattung war auch regional und national eingeschränkt. Live aufgenommene Bilder ließen sich aufwendig über Koaxialkabel oder per Richtfunk von Sendeanlage zu Sendeanlage übertragen. So wurden für die Krönung der Queen Elizabeth II. 1953 und die Olympischen Spiele 1960 in Rom Richtfunkstrecken aufgebaut. Berichte aus entfernten Ländern transportierte man als Film mit dem Flugzeug. Seit Mitte der 1960er Jahre ermöglichten Nachrichtensatelliten globale Live-Übertragungen und Aufzeichnungen. Die Olympischen Spiele in Tokio 1964 wurden erstmals per Satellit übertragen. Satellitenübertragungen, magnetische Aufzeichnung und ein von den großen Anstalten errichtetes weltweites Netz an Korrespondenten und Studios brachten das Weltgeschehen – in der durch das Fernsehen interpretierten Form – täglich und zeitgleich in das Wohnzimmer. Das Fernsehen eröffnete die Möglichkeit, die Welt als Ganzes wahrzunehmen, wenn auch manchmal aus allzu bequemer Distanz. Das frühe Fernsehen war schwarzweiß.533 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es durch das elektronische Farbfernsehen abgelöst. Im Prinzip nahmen dabei mit drei Röhren und Farbfiltern ausgestattete Kameras drei Farbauszüge auf. Diese wurden übertragen und durch ein Bündel von drei Elektronenstrahlen in ein Farbbild umgesetzt. Das 1953 fertig gestellte amerikanische NTSC-System litt allerdings zunächst unter Übertragungsfehlern, die sich in farblichen Veränderungen bemerkbar machten. Die Korrektur sollte der Zuschauer mit Hilfe eines „Geschmacksknopfes“ vornehmen. Letzten Endes fand jedoch erst eine verbesserte NTSC-Version in den 1960er und 1970er Jahren allgemeine Verbreitung. Französische und deutsche Entwicklungsarbeiten setzten an den Schwächen des NTSC-Systems an. In Frankreich entstand daraus bis 1958 das System SECAM und in Deutschland bis 1963 das System PAL. Zwischen NTSC, SECAM und PAL sowie ihren verbesserten Versionen entwickelte sich ein harter Konkurrenzkampf. Sein Ausgang hing jedoch weniger von den komplexen Vor- und Nachteilen der Systeme ab, sondern von ihrer wirtschaftlichen und politischen Vermarktung. Als Ergebnis entstand in Europa quasi eine West-Ost-Achse der SECAM-Länder und eine Nord-Süd-Achse der 533 Zum Farbfernsehen jetzt umfassend: Fickers, Politique.

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PAL-Länder. Der Zuschauer bekam davon wenig mit, denn die Programme ließen sich mit Hilfe von Decodern ineinander umwandeln. In Deutschland fand der allgemeine Umstieg von der Schwarzweiß- auf die Farbtechnik in den 1980er Jahren statt. Es ist bereits erwähnt worden, dass in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur die Kinos einen Einbruch erlebten, nicht aber die Filmwirtschaft. Nach einer Schonfrist gelangten die Spielfilme auch ins Fernsehen und sorgten für zusätzliche Einnahmen. Eine weitere Verbindung zwischen Film und Fernsehen schuf das Video.534 Video lässt sich als Individualisierung von Film und Fernsehen interpretieren. Videokassette und Videorekorder bauten auf den Entwicklungsarbeiten auf, die zur magnetischen Tonaufzeichnung, dem Kassettenrekorder, sowie zu den MAZ-Geräten der Fernsehanstalten geführt hatten. Die Aufgabe lautete, die MAZ-Geräte handlicher und preiswerter zu machen. Seit Mitte der 1970er Jahre peilte eine Reihe von Videofirmen den Massenmarkt an. In dem heftig geführten Kampf der Systeme setzt sich VHS (Video Home System) gegen die Konkurrenz durch. Die Entscheidung für VHS fiel nicht etwa aufgrund besserer Technik, sondern einer erfolgreicheren Vermarktung. Vor allem gewannen die VHS-Firmen mehr Lizenznehmer. Um die Jahrtausendwende begann der DVD-Player und ein paar Jahre später der DVD-Rekorder die Videotechnik abzulösen. Die digitalen Speichermedien besitzen eine größere Kapazität als die analogen Vorgänger. Der DVD-Rekorder erlaubt zudem den Zugriff aufs Internet, womit sich die bekannten Probleme des illegalen Kopierens stellen. Es dürfte nur eine Frage der Zeit und der Preise sein, dass die Videotechnik in die Museen wandert. Fast alle heutigen Massenmedien basieren auf der Mikroelektronik535 und der Computertechnik536. Im Zweiten Weltkrieg entstanden in mehreren Ländern Rechner, die man als unmittelbare Vorläufer der heutigen Computer begreifen kann. Sie arbeiteten mit mechanischen Bauelementen, mit elektrischen Relais oder mit Elektronenröhren. Seit den frühen 1950er Jahren schufen die amerikanischen Bell-Laboratories mit dem Transistor ein neues Bauelement aus Halbleitermaterial. In den folgenden Jahrzehnten erwuchs daraus eine enorme Leistungserhöhung der Rechner. Mit der Zeit erschloss sich der Computer immer weitere Anwendungen. In den 1960er Jahren übertraf der zivile Markt die militärische Nachfrage. Die zunächst zentral aufgestellten Großrechner verloren mit der Zeit an Bedeutung gegenüber den de534 Zum Videorekorder: Wasser, Veni; Zielinski, Audiovisionen; Zielinski, Zur Geschichte. 535 Zur Geschichte der Halbleiterelektronik: Eckert/Schubert, Kristalle; Queisser, Kristallene Krisen. 536 Zur Geschichte des Computers: Flamm, Creating the Computer; Friedman/Cornford, Computer Systems Development; Campbell-Kelly/Aspray, Computer; Friedewald, Computer; Ceruzzi, Eine kleine Geschichte; Naumann, Vom Abakus.

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zentralen Personal Computern in den Büros und diese gegenüber den privaten Notebooks. Per Internet sind diese heute weltweit vernetzt. Die Geschichte des Internet zeigt, dass sich Massenmedien auch ohne zentrale zielgerichtete Planung herausbilden können.537 Seine Ursprünge gehen bis in die 1960er Jahre zurück. Eine dem amerikanischen Verteidigungsministerium angegliederte Forschungsorganisation, die ARPA (Adcanced Research Projects Agency) suchte nach einer Technik, um Forschungseinrichtungen miteinander zu vernetzen. Das Motiv lag in erster Linie in einer ökonomischeren Nutzung der vorhandenen Zentralrechner durch Timesharing. Hierfür wurden Lösungen für die Verbindung der Rechner sowie die Verknüpfung und den Versand von Informationen entwickelt. Die tatsächlichen Nutzungen gingen über die Planungen hinaus. So gehörte E-mail zu den gefragten frühen Anwendungen. In den 1970er und 1980er Jahren entstanden in den USA und in Europa weitere Netze außerhalb des militärischen Kontexts, welche teilweise mit dem ARPA-Netz verbunden wurden. In den 1980er Jahren baute die National Science Foundation ein allgemeines Wissenschaftsnetz aus, welches das ARPA-Netz mit der Zeit ersetzte. Für dessen Weiterentwicklung zu einem globalen Informationsmedium spielte eine am internationalen Forschungszentrum CERN in Genf entstandene Kommunikationsplattform eine wichtige Rolle, welche das Suchen und Navigieren im Netz erleichterte. Dieses World Wide Web (WWW) bestand unter anderem in Programmen zur Formatierung, Adressierung und zum Auffinden der in das Netz gestellten Dokumente. Auf dieser technischen Basis kam es in den 1990er Jahren zu einer Expansion des Netzes über die wissenschaftliche Welt hinaus und zu einer Kommerzialisierung. Das Internet entwickelte sich zu einem allgemeinen globalen Kommunikationsraum, in den staatliche und nicht-staatliche Organisationen, kommerzielle und nicht-kommerzielle Anbieter sowie Privatpersonen Informationen einstellten und aus ihm abriefen. Verwaltet wurde das Netz in recht liberaler Weise durch eine Reihe von Nicht-Regierungsorganisationen. Für den Zugang zum Netz und den Umgang mit ihm wurden zahlreiche technische Lösungen wie Internetbrowser und Suchdienste geschaffen. Das Internet nutzte die vor allem für die Telefonkommunikation entstandene globale Infrastruktur Hunderter Glasfaserkabel und Nachrichtensatelliten. Um die Jahrtausendwende dürfte die durch das Internet transportierte Datenmenge die per Telefon überflügelt haben. Seit den späten 1990er Jahren explodierten die Nutzerzahlen geradezu. Inzwischen dürfte zumindest in den Wohlstandsländern die Mehrheit der Bevölkerung auf das Internet zurückgreifen. Die Art der Nutzung zeichnet sich durch Vielfalt aus – hinter dem einsamen Spitzenreiter E-mail. Das Internet

537 Zum Internet: Abbate, Inventing; Naumann, Vom Abakus, S. 229–44; Matis, Wundermaschine, S. 303–19; Werle, 20 Jahre.

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eröffnet zahlreiche Möglichkeiten der Information, Kommunikation und Unterhaltung; über das Internet lassen sich Informationen abfragen, Bankgeschäfte erledigen, Waren erstehen, Musik herunterladen, Spiele durchführen, Chats abhalten, Tagebücher führen und vieles andere mehr. Die kommerziellen Angebote finanzieren sich durch Gebühren oder durch eingeblendete Werbung. Das schier unermessliche Angebot evoziert natürlich auch zahlreiche Hoffnungen und Befürchtungen. Jedenfalls dürfte die mediale Zukunft und deren Integration in Kultur und Gesellschaft so offen wie selten in der Geschichte sein. Dies hängt auch damit zusammen, dass das Internet das Potenzial zur universellen medialen Konvergenz besitzt. Alle klassischen Medien, wie Buch und Zeitung, Telefon, Musik, Film, Rundfunk und Fernsehen, lassen sich technisch in digitalisierter Form in das Internet überführen. Allerdings entstehen dabei zahlreiche rechtliche, kommerzielle und kulturelle Probleme. Es bleibt also abzuwarten, in welchem Umfang die technischen Möglichkeiten tatsächlich auch genutzt werden. Ebenso bleibt es der Zukunft vorbehalten, mit welchen stationären und mobilen Endgeräten der Zugriff auf das Internet erfolgen wird. Der Personal Computer als dominierender häuslicher Internetzugang könnte mit Endgeräten vernetzt werden, die ein Hören und Sehen in hoher Qualität ermöglichen. Und bei den mobilen Nutzungen werden zur Zeit große Anstrengungen unternommen, sowohl das Notebook als auch das Handy als Internet-Empfangsstationen zu vermarkten.

3.2.6 Ungewisse Zukünfte: Technik – Umwelt – Konsum Im Laufe des 20. Jahrhunderts veränderten sich die Einstellungen gegenüber der Technik radikal.538 Um 1900 knüpften die meisten Menschen große Hoffnungen an die technische Entwicklung. Heute dagegen findet man vielfach skeptische oder differenzierte Haltungen. Den Technikoptimismus der Jahrhundertwende trugen alle wichtigen politisch-weltanschaulichen Gruppierungen. Die herrschenden bürgerlichen und adeligen Schichten sahen in der Technik das entscheidende Mittel zur Mehrung privaten Wohlstands und zur Stärkung nationaler Macht. Den Arbeitern vermittelte der Marxismus ein theoretisch begründetes positives Verhältnis zur Technik. Die Technik und die anderen Produktivkräfte würden – so die Lehre – die Widersprüche in der kapitalistischen Gesellschaft vermehren und eine sozialistische Revolution begünstigen. Ebenso sprach die alltägliche Erfahrung für die Technik. Die Lebensverhältnisse hatten sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verbessert. In der Folgezeit gab sich die Mehrheit der Arbeiter damit zufrieden, einen

538 Überblicke zur Geschichte der Technikakzeptanz: Sieferle, Fortschrittsfeinde? König, Technikakzeptanz.

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möglichst hohen Anteil der Produktivitätsgewinne in Form von Lohnerhöhungen und Arbeitszeitkürzungen für sich zu reklamieren. Brüche in dieser positiven Grundstimmung verursachte das Erleben des Zerstörungspotenzials der Kriegstechnik in den beiden Weltkriegen. In der Weltwirtschaftskrise machten Kommentatoren die technische Rationalisierung für die Massenarbeitslosigkeit verantwortlich. Auf fruchtbaren Boden fiel eine grundsätzliche, kritische Technikdiskussion jedoch erst seit etwa 1970 – kurioserweise genau in der Zeit, als 1969 erstmals ein Mensch den Mond betrat und damit ein markantes Zeichen für menschlichen Erfindungsund Eroberungsgeist setzte. Die kritische Technikdiskussion der Jahrzehnte seit 1970 thematisierte vor allem drei Bedrohungen der Menschheit. Die erste knüpfte an die im Zweiten Weltkrieg eingeleitete atomare Rüstung und die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki an. Das durch das Wettrüsten der Supermächte geschaffene ungeheure Vernichtungspotenzial rückte die Schreckensvision ins Blickfeld, dass die Menschheit sich selbst oder doch die Grundlagen eines menschenwürdigen Daseins vernichten könne. Das zweite Gefährdungsszenario bezog sich auf die generelle Vermehrung der menschlichen Handlungsmacht und die Beschleunigung des technischen Wandels. Technikkritiker sahen darin eine Bedrohung der Stabilität der Gesellschaft und der psychischen und psychischen Integrität des Menschen. Konkret verwiesen sie auf die Entwertung menschlicher Fähigkeiten und Kenntnisse durch die Dynamik der technischen Innovationen, die Verlagerung von Wissen in Systeme Künstlicher Intelligenz, die Aushöhlung der informationellen Selbstbestimmung der Individuen und schließlich die Möglichkeit, mit Hilfe der Gentechnik neuartige Lebewesen zu schaffen. Das dritte Gefährdungsszenario machte Zerstörungen der natürlichen Umwelt zum Thema. Einzelne regionale Umweltprobleme gehörten zu den Begleitern der Menschheitsgeschichte.539 Bereits in der Antike beschwerten sich die Anwohner z.B. über die Schadstoffemissionen der Metallhütten. In den mittelalterlichen Städten kam es aufgrund der Verschmutzung des Grundwassers zu Seuchen. Die Arbeiter in den frühneuzeitlichen Spiegelglasmanufakturen litten unter Quecksilbervergiftungen. Mit dem Wachstum der gewerblichen Produktion nahmen die Umweltbelastungen zu. Eine geradezu dramatische Vermehrung erfuhren sie seit der Industriellen Revolution. Dabei wurden einzelne Umweltgefährdungen früh erkannt und technische Lösungen zur Reduzierung der Schadstoffmengen entwickelt. In aller Regel fraß jedoch der Anstieg der Güterproduktion die qualitativen Prozessverbesserungen wieder auf. Die einzelnen Umweltprobleme wurden allerdings erst um 1970 als Elemente einer mit Industrialisierung und Technisierung einhergehenden gene-

539 Globale, epochenübergreifende Zugriffe auf die Umweltgeschichte unternehmen: Radkau, Natur; McNeill, Blue Planet.

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rellen Problematik erkannt und mit dem Begriff des Umweltschutzes zusammengefasst.540 Ein weiterer säkularer Trend bestand in der räumlichen Ausdehnung der Umweltbelastung. Umweltprobleme traten zuerst vor allem in den Städten auf. Bis ins 20. Jahrhundert hinein lag die Sterberate in der Stadt höher als auf dem Land. Eine Zuspitzung erfuhren die Umweltprobleme in größeren industriellen Ballungsgebieten, wie im Ruhrgebiet. Dort richtete man schon in den 1920er Jahren regionale Umweltschutzbehörden ein, wie die Rauchschadenskommission des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk. Nach dem Zweiten Weltkrieg wiesen die sogenannten neuartigen Waldschäden darauf hin, dass Ökosysteme bereits flächig über nationale Grenzen hinaus geschädigt waren. Heute steht die anthropogen verursachte Veränderung des globalen Klimas im Mittelpunkt der Diskussion. Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts wuchs die Umweltproblematik und ihre Wahrnehmung also vom Lokalen ins Globale. Dementsprechend werden heute Regulierungen auf globaler Ebene verlangt. Die Leitmotive des Umweltschutzes wandelten sich im 19. und 20. Jahrhundert. Zunächst standen hinter Umweltschutzmaßnahmen vor allem ökonomische Interessen. So bemühte sich die chemische Industrie, Abfallstoffe einer wirtschaftlichen Verwertung zuzuführen. Ein zweites Motivbündel bestand darin, die Arbeiter und Anwohner vor Schadstoffen zu schützen. Erst später trat der Schutz der natürlichen Umwelt in den Vordergrund. Dabei lassen sich Maßnahmen des Umwelt- und Naturschutzes unterschiedlich begründen. Ein anthropozentrisch fundierter Naturschutz möchte die Natur für die Menschen als Erholungsraum oder als ästhetisches Reservoir bewahren.541 Ein physiozentrischer Naturschutz geht von einem – z.B. religiös begründeten – Eigenwert oder einem Eigenrecht der Natur aus. Maßnahmen des Umweltschutzes richteten sich zunächst gegen gewerbliche und industrielle Verursacher und erst später gegen private. Ein markantes Beispiel hierfür stellt die Rauchplage in englischen Städten dar.542 Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Vorschriften für die Feuerung der industriellen Dampfmaschinen verabschiedet. Grundlegende Verbesserungen brachte dies nicht, weil die Luft in erster Linie durch die mit 540 Überblicke zur neueren Umweltgeschichte bieten: Brüggemeier, Tschernobyl; Brüggemeier, Umweltgeschichte; Uekötter, Umweltgeschichte; neuere Forschungsüberblicke: Toyka-Seid, Mensch; Freytag, Deutsche Umweltgeschichte; Reith, Umweltgeschichte; weitere Einstiegsliteratur mit Schwerpunkt auf Mitteleuropa: Wey, Umweltpolitik; Brüggemeier/Rommelspacher, Besiegte Natur; Andersen, Historische Technikfolgenabschätzung; Bernhardt, Environmental Problems; Hünemörder, Frühgeschichte; Blackbourn, Eroberung; zum Stellenwert der „ökologischen Wende“ um 1970: Brüggemeier/Engels, Natur- und Umweltschutz, S. 103ff. 541 Vgl. Schmoll, Erinnerung. 542 Vgl. Ashby/Anderson, Politics; Brimblecombe, The Big Smoke; Clapp, An Environmental History; vgl. für Deutschland und die USA: Uekötter, Von der Rauchplage.

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3. Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert

Steinkohle betriebenen offenen Kamine in den Privathäusern verschmutzt wurde. Die kommunale und die nationale Politik tat sich sehr schwer, gegen die tief verwurzelte kulturelle Tradition des offenen Herdfeuers vorzugehen. Es bedurfte schon einer Umweltkatastrophe mit tausenden Toten, ehe die englische Regierung 1956 mit der Clean Air Bill die privaten Rauchgasemissionen energisch bekämpfte. Ähnliche Muster lassen sich bei der zögerlichen Reduzierung der Schadstoffemissionen der Kraftfahrzeuge erkennen. Auf lange Sicht erwiesen sich die meisten der im 19. und 20. Jahrhundert ergriffenen Strategien des Umweltschutzes als unzureichend. So suchte man die Natur und die Zivilisation an die Umweltbelastung anzupassen. Hierzu gehört die im 19. Jahrhundert in manchen Städten gegebene Empfehlung, zur Vermeidung der Seuchengefahr das Trinkwasser abzukochen. In einigen Industriegegenden strich man die Gebäude und die Zimmer dunkel an, damit die Verschmutzung durch Luftschadstoffe nicht so ins Auge fiel. Und schließlich baute man Pflanzen an, die der Luftverschmutzung besser standhielten. Eine weitere Strategie bestand in der Verlagerung, Verteilung und Verdünnung der Schadstoffe. Darunter fällt in den Städten des 19. Jahrhunderts die Einführung der Schwemmkanalisation.543 Die Kanalisation bewahrte zwar das städtische Grundwasser tendenziell vor Schadstoffeintrag, verlagerte jedoch häufig die Cholera- und Typhusepidemien nur an die Unterläufe der Flüsse. Erst der Klärwerksbau besserte im Laufe des 20. Jahrhunderts die Situation. Bereits vor Jahrhunderten suchte man mit Hilfe hoher Schornsteine die Schadstoffe großräumig zu verteilen. Dahinter stand der Glaube, die Emissionen auf ein ungefährliches Maß zu verdünnen. Im Falle der Waldschäden erwies sich dies als grundlegender Irrtum. Gebote und Verbote stellten im industrialisierten Europa eine weitere Strategie des Umweltschutzes dar. Anfänge hierfür kann man in der napoleonischen Gewerbegesetzgebung von 1810 sehen. Sie regelte den Standort gewerblicher Anlagen und intendierte eine bessere Verteilung der Umweltbelastung. In späterer Zeit verabschiedete „Zonenordnungen“ oder. „Flächennutzungspläne“ verfolgten den gleichen Zweck. Einen Schritt weiter ging der englische Alkali Works Act von 1863. Er legte Maximalwerte für die Salzsäuregasemissionen der Soda-Fabriken fest. Solche im 20. Jahrhundert in großer Zahl erlassenen stoffbezogenen Bestimmungen bezogen sich meist auf Neuanlagen. Später ergänzten sie Vorschriften für die Sanierung von Altanlagen. Die entsprechenden Maßnahmen des technischen Umweltschutzes unterziehen Produktion und Konsumtion keiner grundsätzlichen Überprüfung. Sie zielen vielmehr darauf, negative Folgen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Menschen durch Technikeinsatz zu beseitigen oder zu reduzieren.

543 S. o. S. 187f.

3.2 Technik in der Konsumgesellschaft

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Heute dagegen werden die konsumintensive Lebensweise und ihr Ressourcenverbrauch grundsätzlich in Frage gestellt.544 Die Konsumkritik nahm ihre Anfänge in den westlichen Wohlstandsnationen und setzte sich in Form einer staatliche und kulturelle Grenzen überschreitenden globalen Diskussion fort. In den Ländern der Dritten und Vierten Welt wurde sie zum Argument gegen die weltwirtschaftliche Dominanz der westlichen Industriestaaten umgemünzt. Die Globalisierung der Diskussion holte gewissermaßen die Globalisierung der Umweltprobleme ein. Zweifellos exportieren die Wohlstandsländer und Wohlstandsbürger einen Teil der durch den Konsum entstehenden Umweltprobleme. Sie nutzen die Ressourcen der Welt und belasten die weniger Wohlhabenden mit einem Teil der bei der Gewinnung und Verarbeitung anfallenden Schadstoffe. Sie verklappen Abfall in die Weltmeere oder verfrachten ihn – darunter auch Giftmüll – in arme Regionen. Sie verfeuern Müll in Verbrennungsanlagen und entlassen die dabei entstehenden Abgase in die Atmosphäre. Heute verbraucht ein Viertel der Weltbewohner drei Viertel der Ressourcen und erzeugt drei Viertel des Abfalls und der Emissionen. Die Hälfte der konsumstarken Bevölkerung lebt in den entwickelten Konsumgesellschaften, die andere Hälfte stellen die wohlhabenden Minderheiten in den Schwellenund Entwicklungsländern. Es besteht weitgehende Übereinstimmung, dass sich das Wohlstandsniveau der Konsumgesellschaften nicht universalisieren lässt. Die zusätzlichen Belastungen könnte die Erde nicht verkraften. Diese Einsicht wird besonders thematisiert, seit bevölkerungsreiche Länder wie China, Indien und Brasilien ihr Wohlstandsniveau mit teilweise großer Dynamik steigern. Die Welt befindet sich in einer aporetischen Situation. Zwar besteht an Vorschlägen für mehr Effizienz und Suffizienz kein Mangel. Die Effizienzsteigerung bezieht sich auf die bessere Ausnutzung von Stoffen und Energien. Suffizienz meint den Verzicht auf Güter und Dienstleistungen bei gleich bleibender Lebensqualität. Die Bereitschaft, das Konsumniveau zu reduzieren, ist jedoch wenig ausgeprägt; Lebensqualität wird weiter mit Güterbesitz und Konsumhandlungen gleich gesetzt. Bereits stagnative Tendenzen rufen Verteilungskämpfe, politische Proteste und soziale Verwerfungen hervor. Die vom Wohlstand weniger gesegneten Länder orientieren sich am Konsumniveau der wohlhabenden. Ihre Bereitschaft ist gering, die Lasten der globalen Umweltkrise durch Konsumverzicht zu schultern. Die Welt ist an den Grenzen der Konsumgesellschaft angelangt. Was hinter diesen Grenzen liegt, ist noch nicht zu erkennen.

544 Als Einstieg in die Geschichte der Konsumgesellschaft eignen sich: Kleinschmidt, Konsumgesellschaft; König, Kleine Geschichte; Haupt/Torp, Konsumgesellschaft.

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3. Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert

3.3 LERNEN AUS DER TECHNIKGESCHICHTE? Lernen aus der Technikgeschichte kann man enger oder weiter verstehen.545 Die engere Version besagt, dass sich mit Hilfe der Technikgeschichte die Technik verbessern oder jedenfalls besser verstehen lässt. Diese Version hat in erster Linie die Struktur und Funktion der Technik im Blick. Technikgeschichte wäre damit eine Hilfswissenschaft der Technikwissenschaften. Entsprechende Postulate sind in den Technikwissenschaften wie in der Technikgeschichte vielfach formuliert worden, haben aber bislang selten zu Institutionalisierungen und Konkretisierungen geführt.546 Vielmehr lagerten die Technikwissenschaften im frühen 20. Jahrhundert die Technikgeschichte als eine Art randständige Subdisziplin aus ihrem engeren Fächerkanon aus und unterstützten die seit den 1960er Jahren erfolgende akademische Institutionalisierung der Technikgeschichte im Rahmen der Geschichtswissenschaft.547 Das Postulat eines Lernens aus der Technikgeschichte bezieht sich aber nicht nur auf Forschung und Entwicklung, sondern auch auf die technische Bildung. Tatsächlich besitzen an nicht wenigen Hochschulen Ingenieurstudenten die Möglichkeit, Technikgeschichte als Wahlpflicht- oder Wahlfach zu belegen. Allerdings stellt die Technikgeschichte dabei eher eine Zugabe zum Ingenieurstudium dar und weniger einen integralen Bestandteil. Die vom Deutschen Museum initiierte verdienstvolle seit 1979 erscheinende Reihe „Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und der Technik“ richtete sich offiziell an „Lehrer und Ausbilder“. Tatsächlich dürfte sie in viel größerem Umfang innerhalb des Fachgebiets Technikgeschichte Verwendung gefunden haben. Nicht auf technische Berufsbildung, sondern – wie die Bezeichnung es schon sagt – auf Allgemeinbildung zielt die Technikgeschichte in der allgemeinbildenden Schule. Entsprechende Ansätze gibt es sowohl im Rahmen des Technik- wie des Geschichtsunterricht. Für den allgemeinbildenden Technikunterricht, welcher allerdings nur in einigen Schulformen und Schulformen institutionalisiert ist, wurde die Technikgeschichte sogar als didaktischer Königsweg empfohlen, ohne dass dies große positive Resonanz gefunden hat.548 Im Geschichtsunterricht tauchen technikgeschichtliche Inhalte nur punktuell auf, vor allem im Kontext der Industriellen Revolution. Allerdings werden diese technikgeschichtlichen Einschübe in der Regel nicht sehr

545 Vgl. hierzu das Themenheft „Lernen aus der Technikgeschichte“, Technikgeschichte 51 (1984), Heft 4. 546 Eine Ausnahme stellt die Einrichtung eines Lehrstuhls „Geschichte der Technik“ an der Fakultät für Elektrotechnik und Informatik der RWTH Aachen im Jahre 1986 dar. 547 S. o. S. 46f. 548 Vgl. hierzu vor allem Schütte, Technikgeschichte, sowie einige Beiträge in König/Ludwig, Technikgeschichte.

3.3 Lernen aus der Technikgeschichte?

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strukturiert dargeboten, sondern als Wust von Fakten, welche zudem noch fehlerbehaftet sind.549 Im Folgenden soll es nicht um solche Institutionalisierungsfragen gehen, sondern um Grundsätzliches. Ich frage zunächst, welche Bedeutungen „Lernen aus der Technikgeschichte“ haben kann und welche Probleme dabei auftreten.550 Anschließend wird der Versuch einer Operationalisierung am Beispiel der Rückblickenden Technikbewertung, des Retrospective Technology Assessment, vorgestellt. Henry Ford besaß einen ausgeprägten Widerwillen gegen das Schulwissen. Das meiste, das man ihm beigebracht hatte, empfand er als überflüssig. Hierzu gehörte der historische Unterricht, den er mit dem bekannten Verdikt belegte: Geschichte ist Gewäsch („History is more or less bunk“).551 Im Unterschied hierzu pries er den Erwerb praktischer Fähigkeiten, das Learningby-doing, so beim Herumbasteln an Maschinen und Autos. Ford präsentiert sich also als praktischer Gegenwartsmensch und distanziert sich von dem theoretischen oder historischen Kulturmenschen. Allerdings findet sich in seiner Autobiographie auch die Aussage:552 „Eine Bildung, die aus einer Reihe von Wegweisern über die Irrtümer und Mißerfolge der Vergangenheit bestünde, dürfte überaus nützlich sein.“ Damit ist – in Fordscher Naivität und Hemdsärmeligkeit – das Spannungsfeld umrissen, in dem jegliches Wissen zu situieren ist und in dem sich auch Wissenschaft vollzieht. Hermann Lübbe hat dieses Spannungsfeld mit den Begriffen der Curiositas und der Relevanz umrissen:553 die Curiositas als die zweckfreie Neugier und die Relevanz als den Nutzen – für welche Zwecke auch immer. Dabei plädiert Lübbe für die Relevanz der Curiositas; die zweckfreie Neugier ist ihm Kulturleistung und Bedingung für den rationalen Umgang der Menschen mit der Welt. Der Nutzen der Technikgeschichte kann mit allgemeinen oder mit pragmatischen Argumenten begründet werden. Das allgemeine Begründungsmuster besagt, dass sich die Technik nur unter Heranziehung der Geschichte verstehen und erklären lasse. Das pragmatische Begründungsmuster postuliert einen konkreten Nutzen historischen Wissens für die aktuelle Technikentwicklung. Wenn hier vom Verstehen und Erklären der Technik die Rede ist, dann geht es weniger um die technische Funktion. Im Vordergrund steht vielmehr die Frage, warum die Technik so ist, wie sie ist. Technik wird also nicht als etwas Vorhandenes betrachtet, sondern als etwas Gewordenes. Wir stoßen ständig auf Erscheinungen der Technik, die wir uns nur schwer erklären kön549 Vgl. hierzu Paulinyi, Probleme; an den damaligen Feststellungen Paulinyis hat sich bis heute höchstens graduell, aber nicht grundsätzlich etwas geändert. 550 Dies fußt auf meinem Beitrag: König, Ist Rückblich Ausblick? 551 In einem am 25. 5. 1916 geführten Interview mit der Chicago Tribune. 552 Ford, Mein Leben, S. 278. 553 Lübbe, Geschichtsbegriff.

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3. Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert

nen. Wenn man in Berlin mit der U-Bahn vom Ernst-Reuter-Platz zum Potsdamer Platz fährt, warum steigt diese Bahn unterwegs an die Oberfläche und wird zur Hochbahn? Warum besitzen amerikanische Straßenbahnen häufig Rollenstromabnehmer, deutsche Straßenbahnen dagegen in der Regel Bügelstromabnehmer? Warum wird in den Aufnahmebestimmungen der britischen Ingenieurorganisationen in höherem Maße als in Deutschland auf berufliche Praxis Wert gelegt? Alle diese Fragen lassen sich mit technikhistorischem Wissen – und nur mit technikhistorischem – Wissen beantworten. Die guten Antworten kommen nicht umhin, unterschiedliche Dimensionen der Technikgeschichte anzusprechen: den jeweiligen Stand des technischen Wissens und Könnens, wirtschaftliche Verhältnisse, politische Entscheidungen, rechtliche Regelungen, kulturelle Dispositionen und anderes mehr. Wir leben jedenfalls in einer historisch gewordenen Welt mit einer historisch gewordenen Technik. Darüber hinaus ist der Mensch selbst in seinem Verhalten und in seinen Lebensäußerungen durch Traditionen bestimmt bzw. beeinflusst. Wollen wir also uns und unsere Umwelt verstehen, dann benötigen wir historisches Wissen. Das derart geforderte Selbst- und Weltverständnis stellt den Kern dessen dar, was üblicherweise als „Bildung“ bezeichnet wird. Der technische Mensch in der technisch-wissenschaftlichen Welt benötigt sowohl technische wie historische – und auch technikhistorische – Bildung. Damit komme ich zum zweiten, zum pragmatischen Begründungsmuster: Die Technikgeschichte – so deren Vertreter – könne für aktuelle – und damit die Zukunft betreffende – technische Problemlösungen unmittelbar oder mittelbar Hilfe leisten. Die Geschichte allgemein und in unserem Zusammenhang die Technikgeschichte bilde einen Schatz menschlicher Erfahrungen, dessen Erschließung Erträge abwerfe. Damit ist gemeint, dass in der Vergangenheit vorhandenes und später in Vergessenheit geratenes technisches Wissen wieder gefragt ist und durch die technikgeschichtliche Forschung ans Tageslicht gebracht wird. Ein Gegenargument könnte lauten, dass technisches Wissen in der Regel nicht verschwindet, sondern in den technischen Verfahren und Anlagen inkorporiert ist. Technische Entwicklung vollziehe sich in einem langsamen, kumulativen Prozess, in dem Sprünge relativ selten sind. Die jeweilig vorhandene Technik stelle gewissermaßen das technikhistorische Gedächtnis dar. Allerdings hängt die Art und Weise der technischen Entwicklung nicht nur von technikinternen Faktoren ab, sondern auch von externen Anforderungen. Die sozioökonomischen Bedingungen treiben bestimmte technische Entwicklungen voran und drängen andere mehr in den Hintergrund. Technische Produkte und Anlagen müssen also nicht in anderen aufgehen, sondern können ganz verschwinden. Hierzu ein Beispiel: Weil in Deutschland die natürlichen Ölvorkommen beschränkt waren, arbeitete man seit dem Ersten Weltkrieg in größerem Um-

3.3 Lernen aus der Technikgeschichte?

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fang und mit vorzeigbaren Erfolgen auf dem Gebiet der Kohlehydrierung. Während der nationalsozialistischen Autarkiepolitik und Kriegsvorbereitung erlebten die Entwicklungsarbeiten einen Höhepunkt und mündeten in großtechnische Verfahren. In den ersten beiden Jahrzehnten der Bundesrepublik entzogen dagegen die Westintegration, der freie Zugang zum Weltmarkt und die Ölschwemme der Kohlehydrierung den politischen und wirtschaftlichen Boden. Erst in der Zeit der Ölkrisen entdeckte man die Kohlehydrierung erneut als technische Option. Die beteiligten Firmen aktivierten dabei das schriftlich niedergelegte und das an Personen gebundene Know-how aus der Vorkriegszeit. Dabei ging es jedoch nicht darum, alte Technologien in ihrer ursprünglichen Form wieder zu beleben, sondern darum, diese nach dem Stand des heutigen Wissens und Könnens entsprechend den aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten weiter zu entwickeln. Eine solch konkrete Hilfestellung der Technikgeschichte für die aktuelle Technikentwicklung dürfte eher die Ausnahme darstellen. Wichtiger dürfte sein, dass die Technikgeschichte – wie Geschichte überhaupt – Lern- und Denkprozesse in Gang setzen kann, welche technische Entscheidungen mittelbar unterstützen. Bei der historischen und der aktuellen Technikentwicklung geht es gleichermaßen um technischen Wandel, seine Ursachen und schließlich seine Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft. Die Technikhistoriker bemühen sich, die zeitgenössischen Handelnden, wie Wirtschaftsführer, Ingenieure und Politiker, und ihre Motive und Zukunftserwartungen zu verstehen. Gegenüber den Zeitgenossen besitzen sie den Vorteil, die Auswirkungen der Handlungen und das spätere tatsächliche Geschehen schon zu kennen. Sie wissen also, was aus den jeweiligen Planungen, Entscheidungen und Zukunftsentwürfen geworden ist. Die Technikhistoriker und Historiker wären also die geborenen Prognostiker, wenn technische oder sonstige gesellschaftliche Entwicklungen Regeln und Gesetzen folgen und sich damit wiederholen würden. Dies ist aber nicht der Fall: Geschichte wiederholt sich nicht. Es lassen sich bei historischen Entwicklungen höchstens Ähnlichkeiten feststellen – wenn auch meist nur im Nachhinein. Aus den angesprochenen Dilemmata lässt sich folgern: Entscheidungen sind mit unaufhebbaren Unsicherheiten behaftet. Technische Planungen und technische Veränderungen stellen bis zu einem gewissen Grad Trial-and-Error-Prozesse dar. Karl Popper (1902–1994) hat überzeugend dargelegt, dass den Menschen gar nichts anderes übrig bleibt, als „Stückwerks-Technologie“ zu betreiben:554 Sie treffen Einzelentscheidungen und nehmen Einzelveränderungen vor, betrachten und bewerten die Auswirkungen ihres Handelns, treffen weitere Entscheidungen und suchen auf diese Art und Weise sukzessive ihren Zielen näher zu kommen.

554 Popper, The Open Society.

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3. Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert

Die Erfahrungen aus der Geschichte und Technikgeschichte lassen sich höchstens zu Regeln oder Prinzipien verdichten. Dabei sind allerdings zwei Relativierungen angebracht: Die Regeln und Prinzipien gelten nicht für alle Zeiten und für alle Zukunft. Ob sie für die Gegenwart noch Relevanz besitzen, ist jeweils abzuwägen. Und die aus der Geschichte abgeleiteten Regeln und Prinzipien besitzen keine allgemeine Gültigkeit. Die Produzenten und Rezipienten der Technikgeschichte formulieren und interpretieren sie vielmehr auf unterschiedliche Art und Weise. So werden manche aus der Geschichte des Technologietransfers die Schlussfolgerung ableiten, dass die Übertragung komplexen technischen Wissens und Könnens immer an Personen gebunden ist; es lässt sich aber durchaus kritisch fragen, ob diese Regel in der Zeit der Hochleistungsrechner noch Gültigkeit besitzt. Manche Technikhistoriker werden aus der Geschichte von Forschung und Entwicklung die Folgerung ableiten, dass auch noch so hohe Entwicklungsaufwendungen nicht den Erfolg garantieren; andere mögen die Auffassung vertreten, dass wir mit dem enormen in unserer Zeit zur Verfügung stehenden Wissen und den nötigen finanziellen Mitteln fast jedes technische Problem lösen können. Solch differierende Auffassungen dürften sich in unterschiedlichen Prinzipien wie Risikobereitschaft oder Risikostreuung, Zielstrebigkeit oder Flexibilität und Reversibilität niederschlagen. Die Frage nach dem Nutzen der Technikgeschichte ist – ich habe dies schon mehrfach angedeutet – nichts anderes als eine Variante der alten Frage, ob man aus der Geschichte lernen könne. Die Frage lässt sich – mit jeweils guten Gründen – in ganz entgegengesetzter sie kann lauten, dass man Alles aus der Geschichte lernt. Der Widerspruch resultiert daher, dass unter „Lernen“ Unterschiedliches verstanden werden kann. Versteht man unter Lernen „das Richtige tun“, dann ist eher Skepsis angebracht. Die Menschen entnehmen der Geschichte unterschiedliche Handlungsanweisungen, und nicht wenige davon erweisen sich im Nachhinein als problematisch. Die Historiker mag es trösten, dass es auch keine andere Wissenschaft gibt, welche in komplexen Entscheidungssituationen den „richtigen“ Weg kennt. Versteht man unter „Lernen“ dagegen, „sich seine Auffassungen zu bilden“, dann findet dieser Lernprozess immer und ausschließlich durch und in der Geschichte statt. Geschichte allerdings weit verstanden: Dazu gehören das durch die Geschichtswissenschaft aufbereitete und interpretierte historische Wissen, ebenso wie Wissensbestände anderer Disziplinen, die, selbst wenn sie sich auf die Zukunft beziehen, immer prozesshaften und damit geschichtlichen Charakter besitzen. Und zum „Lernen aus der Geschichte“ gehören schließlich die individuellen – historischen – Erfahrungen, die sich im Rahmen menschlicher Gemeinschaften und Gesellschaften herausgebildet und verfestigt haben. Auf die Technikgeschichte bezogen, heißt dies, dass man nur in Ausnahmefällen darauf rechnen kann, mit Hilfe technikgeschichtlichen Wissens eine

3.3 Lernen aus der Technikgeschichte?

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„bessere“ Technik zu entwickeln. Man wird der Technikgeschichte Anregungen entnehmen können, welche aber einer Transformation und Modifikation bedürfen, entsprechend den aktuellen Anforderungen und dem jeweiligen Stand der Technik. Eher größere Bedeutung als solche unmittelbaren Nutzanwendungen besitzen mittelbare: Technikhistorisches Wissen schärft die Urteilsfähigkeit hinsichtlich der soziokulturellen Voraussetzungen und Auswirkungen der Technik. Und die Technikgeschichte macht die Offenheit der technischen Entwicklung bewusst. Sie besitzt damit eine relativierende Funktion, stärkt insbesondere das kritische Bewusstsein gegenüber leichtfertigen Heilsversprechungen und Untergangsprophezeiungen. Damit macht sie – um die Begriffe Jacob Burckhardts (1818–1897) zu benutzen – nicht „klug (für ein andermal)“, sondern hoffentlich „weise (für immer)“.555 Technikbewertung, Technikfolgenabschätzung oder Technology Assessment556 stellen eine Reaktion auf die im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmende Unsicherheit bezüglich der technischen Zukunft dar.557 Auf der einen Seite haben die technischen Handlungsmöglichkeiten zugenommen, auf der anderen ist die frühere Zuversicht geschwunden, dass technischer Fortschritt gewissermaßen automatisch auch gesellschaftlichen Fortschritt bewirken werde. Um politische und wirtschaftliche Entscheidungen über Technik auf eine solidere Basis zu stellen, möchte die Technikbewertung technische Entwicklungen möglichst vorausschauend analysieren, die Folgen technischer Entwicklungen für Umwelt und Gesellschaft abschätzen und diese im Lichte gesellschaftlicher Ziel- und Wertsysteme beurteilen. In einem weiten Sinne kann man die in den vergangenen Jahrzehnten intensivierte öffentliche Technikdiskussion als Element der Technikbewertung begreifen. In einem engeren Sinne die von wissenschaftlichen und politischen Institutionen vorgenommene Begutachtung technischer Entwicklungen. Die Frage liegt nahe, was Zukunftsschau mit Geschichte zu tun habe. Auf den ersten Blick mag Geschichte als der Zukunft entgegengesetzte Kategorie erscheinen.558 Solchen Einwänden ist entgegenzuhalten, dass der Historiker, indem er den zeitlichen Verlauf menschlichen Handelns untersucht, alle relativen zeitlichen Kategorien, wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, im Blick hat: die Zukunft einerseits, indem er die Erwartungen, Hoffnungen und Pläne der Zeitgenossen schildert, und andererseits, indem er die Zukunft der

555 Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen, S. 30. 556 Das Folgende greift auf meinen Beitrag zurück: König, Retrospective Technology Assessment; vgl. außerdem Segal, Assessing Retrospective Technology Assessment; Andersen, Historische Technikfolgenabschätzung. 557 Vgl. o. S. 211f. 558 Zum Verhältnis von Zukunft und Geschichte vgl. Erdmann, Historische Prognosen; Erdmann, Zukunft, sowie die sich anschließenden Diskussionsbeiträge; Koselleck, Historia, S. 203–05; Koselleck, Vergangene Zukunft; Koselleck, Über die Verfügbarkeit; Wittram, Zukunft; Schulin, Frage.

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3. Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert

von ihm untersuchten Zeit, das spätere Geschehen, schon kennt, ja selbst Teil dieser Zukunft ist. Karl-Dietrich Erdmann (1910–1990) hat diesen Sachverhalt auf die Formel gebracht, „daß die Zukunft der Vergangenen für die Gegenwärtigen teilweise Vergangenheit ist“.559 Doch – und dessen sollten sich die Historiker immer bewusst sein – es handelt sich um eine besondere Art von Zukunft, um – diesmal mit einem Zitat von Reinhard Wittram (1902–1973) – „eine vergangene Zukunft, die auf das vergangene Ereignis relative, nur bis zum heutigen Tage reichende Zukunft, also immer nur ein Teil dessen, was nachher kommt und kommen kann, mithin eine defiziente Zukunft“.560 Die von den Historikern geschilderten Zusammenhänge, die von ihnen konstruierten Entwicklungslinien besitzen also immer nur vorläufige Gültigkeit. Dies ist der wichtigste Grund dafür, dass Geschichte immer wieder neu geschrieben werden muss, unabhängig davon, ob neue Quellen aufgefunden werden. Die hier skizzierte Zukunftsorientierung der Geschichtswissenschaft bringt Probleme und Gefahren mit sich. Es liegt nahe, die Geschichte auf die Gegenwart als geschichtslosen Endpunkt hin zu konstruieren. Im Bereich der Technikgeschichte führt dies zu einer „Technikgeschichte der Sieger“, das heißt vor allem diejenigen technischen Entwicklungen werden in den Blick genommen, die sich bis zur Gegenwart durchgesetzt haben.561 Und darüber hinaus werden dieser tatsächlichen technischen Entwicklung metahistorische Weihen verliehen, die meist entweder evolutionistischer oder naturgesetzlich-logischer Art sind.562 Mit dem Begriff und dem Programm des Retrospective Technology Assessment (RTA) werden Technikbewertung und Technikgeschichte zusammengebracht Der Begriff wurde 1974 durch Joseph F. Coates in einem Forschungsprogramm der National Science Foundation formuliert.563 Coates verstand darunter den Versuch, Technology Assessment-Studien vom Standpunkt des Zeitgenossen einer vergangenen Entwicklung aus durchzuführen. In den folgenden Jahren wurden von der National Science Foundation vier Studien gefördert, die sich als Retrospective Technology Assessment-Studien bezeichneten: 1. über Abwassertechniken in den Vereinigten Staaten von 1800 bis zur Gegenwart. Bei dieser Studie handelt es sich um eine eher konventionelle – und vielleicht deshalb besonders ertragreiche – technikgeschichtliche Arbeit, welche die Entwicklung der verschiedenen miteinander konkurrierenden Sys559 Erdmann, Zukunft, S. 86. 560 Wittram, Zukunft, S. 6. 561 Vgl. König, Technik, S. 254–56; vgl. auch die Bemerkungen von Fremdling, Ausbreitung, S. 206, über die Zukunftsoffenheit technischer Entscheidungssituationen. 562 S. o. S. 71ff. u. 105ff. 563 Tarr, Retrospective Technology Assessment; vgl. außer den im Folgenden genannten Studien: Crow u.a., Synthetic Fuel.

3.3 Lernen aus der Technikgeschichte?

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teme der Müllabfuhr und Abwasserreinigung und die mit ihnen verbundenen Erwartungen untersucht. Die Verfasser streichen besonders die Rolle des Wertewandels als Auslöser technischer Entwicklungen heraus.564 2. über das Telefon. Eine Forschergruppe um Ithiel de Sola Pool identifiziert über hundert Auswirkungen des Telefons, zitiert die bei der Einführung geäußerten Erwartungen der Zeitgenossen und diskutiert die Frage, aus welchen Gründen manche richtig und manche falsch lagen.565 3. über die Empfehlungen und politischen Folgen der „United States Industrial Commission“, die sich von 1898 bis 1902 mit den Folgen von Konzentrationsprozessen in der amerikanischen Wirtschaft beschäftigte. Die Arbeiten der Kommission bezeichnen die Verfasser der Studie, einen weiten Technikbegriff benutzend, als „Management Technology“. Über das konkrete Fallbeispiel hinaus geht es den Autoren um Zusammenhänge zwischen wissenschaftlicher Politikanalyse und Politikberatung sowie politischen Entscheidungsprozessen, aus welchen sie Empfehlungen für die Institutionalisierung des Technology Assessment ableiten.566 4. über das 1866 mit dauerhaftem Erfolg in Betrieb genommene erste transatlantische Kabel und die sich anschließende telegraphische Vernetzung der Welt. Die Auswirkungen betreffen unter anderem den Handel, die Politik und die öffentliche Meinung.567 Die hier vorgestellten und weitere RTA-Studien behandeln vor allem folgende vier Themenbereiche: 1. die Entwicklung einer neuen Technik. Mehr oder weniger ausführlich gehen die Arbeiten auf die ökonomischen, technischen, sozialen und politischen Ursachen und Begleitumstände der Technikentwicklung ein. Manchmal beziehen sie auch vergleichend die Entwicklung zeitgenössischer technischer Alternativen ein. 2. die Folgen der technischen Entwicklung für Umwelt und Gesellschaft. So zeichnet sich besonders die Studie über das Transatlantik-Kabel dadurch aus, dass sie eine umfassende Folgenbetrachtung anstrebt. 3. die Erwartungen der Zeitgenossen hinsichtlich der technischen Entwicklung und deren Folgen. Den zeitgenössischen Erwartungen liegt allerdings empirisches Wissen in sehr unterschiedlichem Umfang zugrunde. In der Mehrzahl der Fälle beruhen die Prognosen nicht auf einer umfassenderen Analyse der zeitgenössischen Technik und Gesellschaft. 4. den Vergleich der zeitgenössischen Erwartungen mit dem tatsächlichen Geschehen. Hierbei handelt es sich um den didaktischen Kern des Retrospec-

564 565 566 567

Tarr u.a., Retrospective Assessment of Wastewater Technology. Sola Pool, Retrospective Technology Assessment. Nelsen u.a., A Retrospective Technology Assessment. Coates u.a., A Retrospective Technology Assessment.

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3. Die Technik im 19. und 20. Jahrhundert

tive Technology Assessment; der Anspruch geht dahin, aus den historischen Studien Lehren für moderne Assessments zu ziehen. Nun sind Technikfolgen kein Reservat des Retrospective Technology Assessment, sondern auch integraler Bestandteil einer modernen Technikgeschichte.568 Tatsächlich greifen einige – meines Erachtens: die besten – der zitierten Studien auf traditionelle technikhistorische Methoden zurück. Sie legen allerdings einen deutlichen Schwerpunkt auf den Vergleich zwischen den zeitgenössischen Erwartungen, die ein Element der Entstehungszusammenhänge von Technik bilden, mit den tatsächlich eingetretenen Folgen, welche man unter die Verwendungszusammenhänge der Technik subsumieren kann. Was leistet das Retrospective Technology Assessment – und damit die moderne Technikgeschichte – für die heutige Technikprognose, Technikbewertung und Technikplanung? Das RTA-Programm der National Science Foundation verfolgte den Zweck, heutige Prognosen mit Hilfe historischer Untersuchungen zu verbessern. Manche Forschungsgruppen setzten z.B. Bewertungsteams ein und betrauten sie mit der Aufgabe, auf der Basis des früheren Wissens über Technik und Gesellschaft Prognosen und Bewertungen abzugeben.569 Dabei wurde sowohl mit qualitativen Methoden, wie Brainstorming, schriftlichen Befragungen, Analogien, als auch mit quantitativen Methoden gearbeitet. Ich möchte hier nicht ausführlicher auf die – von mir eher skeptisch beurteilte – Leistungsfähigkeit des RTA-Ansatzes bzw. historischer Analogien in einem engeren methodologischen Sinne eingehen. Der Wert des Retrospective Technology Assessment liegt meines Erachtens weniger im methodologischen Bereich, sondern eher in einer Sensibilisierung der mit Technology Assessment Befassten für die durch die Offenheit der historischen Entwicklung bedingten Grenzen ihrer Bemühungen.570 Hierzu drei Thesen, auf welche Weise historisches Denken und historische Vorgehensweisen das Technology Assessment und die aktuelle Technikdiskussion befruchten können. These l: Die holistische Betrachtungsweise der Technikgeschichte entspricht der Komplexität des Problemfelds, mit dem es Technology Assessment zu tun hat.571 Technology Assessment erhebt den Anspruch, alle – was in der Praxis heißt: die wichtigsten – Folgen einer technischen Neuerung zu betrachten. Dabei kann es sich um soziale, ökonomische, politische, juristische, ökologische, technische und andere Auswirkungen handeln. In analoger Weise sind 568 S. o. S. 76ff. 569 Vgl. Coates u.a., A Retrospective Technology Assessment; Jochem u.a., Motorisierung; Mazlish, Railroad; Huber, Die deutsche Eisenbahnentwicklung; vgl. auch Borchardt, Europas Wirtschaftsgeschichte, S. 13f. 570 Ähnlich auch Boroush, Technology Assessment, S. 37; Porter, Guidebook , S. 52. 571 Vgl. Tarr, Retrospective Technology Assessment, S. 325f.

3.3 Lernen aus der Technikgeschichte?

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die Fragestellungen der Geschichtswissenschaft und der Technikgeschichte nicht disziplinär festgelegt, sondern sie entwickeln ihre Fragen unter unterschiedlichen Perspektiven aus dem historischen und technikhistorischen Gesamtprozess heraus. These 2: Retrospective Technology Assessment und Technikgeschichte zeigen die Zeitgebundenheit historischer Erwartungen und Prognosen auf. Der Anspruch von Prognosen geht dahin, Aussagen über wahrscheinliche Zukünfte zu machen. Die Probleme liegen nun zum einen darin, dass die menschlichen Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich komplexer soziotechnischer Entwicklungen prinzipiell begrenzt sind. Zum anderen verlaufen historische Entwicklungen nicht gesetzmäßig. Der Prognostiker füllt dieses Erkenntnis- und Gesetzesdefizit bewusst oder unbewusst mit eigenen Zukunftserwartungen aus.572 Die Zeitgebundenheit – und so ist hinzuzufügen – Interessengebundenheit des Prognostikers lässt sich zu der Aussage zuspitzen, dass Prognosen mehr über ihren Urheber als über die Zukunft aussagen. These 3: Retrospective Technology Assessment und Technikgeschichte machen die Reichweite der Auswirkungen von Trend- und Strukturbrüchen bewusst. Ein traditionelles Mittel technologischer Vorausschau stellt die Trendextrapolation dar, das heißt die Verlängerung der Vergangenheit in die Zukunft. Solche Extrapolationen werden jedoch immer dann obsolet, wenn es zu Trendbrüchen kommt, wie bei den Ölkrisen in den 1970er Jahren oder der 2007 ausgelösten Immobilien-, Banken- und Wirtschaftskrise. Verschiedene Autoren weisen darauf hin, dass Trendextrapolationen in der Regel strukturelle Veränderungen ausschließen.573 Sie empfehlen deswegen stattdessen normative Verfahrensweisen, die eine angestrebte Zukunft skizzieren und nach Voraussetzungen und Hindernissen für deren Erreichung fragen. Retrospective Technology Assessment und Technikgeschichte können also meines Erachtens sowohl inhaltliche als auch didaktische Beiträge zum Technology Assessment liefern. Dass dieses Potenzial bislang wenig ausgeschöpft wurde, hängt einerseits mit der peripheren Position der Technikgeschichte im Wissenschaftssystem und in der Technikpolitik zusammen. Andererseits leiden die Technikpolitik und deren Beratungsinstanzen unter szientifischen Verengungen. Unter der Prämisse einer weitgehenden Steuerbarkeit der Technik ist für eine kritische Technikgeschichte kein Platz.

572 Vgl. Erdmann, Zukunft, S. 62. 573 Schulin, Frage, S. 137; vgl. auch Rolf Gössners Interview mit Mihailo Markovic: Zukunftsauffassung: Funktion aus Geschichtsauffassung und Gegenwartsanalyse. In: Pforte/ Schwencke, Ansichten, S. 220.

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SACH- UND PERSONENREGISTER Das Register wertet nur den Text, nicht die Fußnoten aus. Nicht aufgenommen wurden geographische Orte sowie „Technik, „Geschichte“ und „Technikgeschichte“. Akteur-Netzwerk-Theorie 92–94 Allgemeine Technologie 19, 50 Arbeitsmaschinen 117f., 140–142, 145f. Architektur 52f. Aristoteles 34 Arkwright, Richard 127f., 130 Automatisierung 129, 145f. Automobil 96, 144, 192–195 Bautechnik 188–191 Beckmann, Johann 19, 38, 44 Bell, Alexander Graham 156 Benz, Carl 192 Bergbau s. Kohle Bessemer, Henry 137 Beuth, Peter Christian Wilhelm 170 Bevölkerungswachtum 112, 125, 160 Bijker, Wiebe E. 79–85 Bildung, Ausbildung 52f., 169–172, 216– 218 Bloch, Marc 40 Boorstin, Daniel J. 88 Borg, Kevin 96 Boulding, Kenneth E. 32 Bourdieu, Pierre 42 Braudel, Fernand 40 Brunel, Isambard K. 149 Burckhardt, Jacob 221 Callon, Michel 92f. Cartwright, Edmund 131 Chandler, Alfred D. 31f. Chemie, Chemieindustrie 88, 132f., 162, 173–175, 181 Childe, Vere Gordon 104 Coates, Joseph F. 222 Computer 145f., 172, 209–211 Conze, Werner 40, 94 Cort, Henry 119, 136 Crompton, Samuel 128

d’Alembert, Jean le Rond 44 Daimler, Gottlieb 192 Dampfmaschine s. Kraftmaschinen Darby, Abraham 119, 136 Determinismus s. Technikdeterminismus Diderot, Denis 44 Dierkes, Meinolf 87 Diesel, Rudolf 140 Dosi, Giovanni 32, 86 Durkheim, Émile 24 Edison, Thomas Alva 59, 182 Eisen und Stahl 113f., 118f., 137–139, 149 Eisenbahn 150–152, 165 Eisenhower, Dwight D. 161 Elektrifizierung 181–184, 186 Ellul, Jacques 74 Emergenz 96f. Energie 28, 178–184 Engels, Friedrich 123 Erdöl 178–180 Erfindung s. Invention Ethnologie 36–38 Evolution 103, 105 Fabriksystem 119–123, 130, 144–146 Fahrrad 191f. Faraday, Michael 181 Field, Cyrus 154 Ford, Henry 143f., 193f., 217 Fortschritt 38, 71, 76, 100–102, 211f. Foucault, Michel 42, 83 Freyer, Hans 74f. Fulton, Robert 148 Geertz, Clifford 36 Gehlen, Arnold 34f. Geisteswissenschaft 20, 34, 38–44, 46–50, 54f. 94, 107f., 221f. Geschlecht 98, 129

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Sach- und Personenregister

Giddens, Anthony 51, 94–97, 99 Gilfillan, Seabury Colum 59f. Gilles, Bertrand 90 Große technische Systeme 51, 90–92 Habermas, Jürgen 25, 34 Handel 114, 157, 159f., 163f. Handlung 50f., 94–100 Hard, Michael 43 Hargreaves, James 128 Hauptmann, Gerhart 130 Heidegger, Martin 34 Hounshell, David A. 31f. Hughes, Thomas P. 51, 68f., 88–92 Individualisierung 13, 102, 191, 209 Industrialisierung, Industriegesellschaft 18, 39f., 101, 109f., 134, 151, 157–64, 169f. Industrielle Revolution 11f., 31, 103–105, 109–126, 136, 146 Industriesoziologie 25 Infrastruktur 91, 184–188 Ingenieure 18, 20, 43, 53–55, 57, 143, 169– 172 Ingenieurwissenschaften s. Technikwissenschaften Innovation 31, 60–67, 71f., 79, 98, 105– 107, 116 Innovationskulturen 51, 67, 69 Innovationssysteme 32, 51, 64–68, 163 Interdisziplinarität s. Technikforschung, interdisziplinäre Invention 57–61, 72, 115, 160, 175 Jacquard, Joseph Marie 132 Kameralwissenschaften 14, 44 Kapitalismus 12, 27f., 60f., 111f., 114f., 160 Kapp, Gisbert 35 Kay, John 131 Klemm, Friedrich 47 Kohle 12, 113f., 117–119, 134–136, 178f. Kolonien 114, 154 Kommunikation 11f., 14, 152–157, 164, 166, 200–211, 223 König, Wolfgang 97–100 Konsum, Konsumgesellschaft 13, 32, 41f., 55f., 67, 74, 109f., 123f., 131f., 176– 178, 194, 203f., 215

Kraftmaschinen 117f., 139f., 182 Krieg 27, 142, 152, 155, 161, 165–169, 196, 212 Kuhn, Thomas S. 88 Kultur 10, 16, 36f., 39, 42f., 45, 69f. Kulturgeschichte 32, 42f., 45, 47 Lamprecht, Karl 39f. Landwirtschaft 11, 104, 112f., 160, Latour, Bruno 92–94 Law, John 92f. Leblanc, Nicolas 133 Leitbild 86–89 Lepenies, Wolf 16 Leroi-Gourhan, André 9 Linde, Hans 25f. List, Friedrich 64 Loo, Hans van der 102 Lübbe, Hermann 217 Ludd, Ned 126 Luhmann, Niklas 90 MacAdam, John Loudon 147 Macintosh, Charles 133 Marconi, Guglielmo 154f. Marx, Karl 23, 34, 41, 82f. Maschinen, Maschinenbau 12, 117f., 120, 123, 126, 135, 139–146, 158, 160f., 201f. Massenproduktion 12, 142–146, 176, 199f. Matschoß, Conrad 54 Maudslay, Henry 118, 141 Maybach, Wilhelm 192 McLuhan, Marshall 164 Militär s. Krieg Mill, John Stuart 30 Mobilität 12, 152, 191–200 Modernisierung 25, 37, 100–103 Momentum 51, 86–89 Morse, Samuel 153 Moses, Robert 73 Motor s. Kraftmaschinen Museum 46, 53f. Muthesius, Hermann 53 Napoleon 157 Naturwissenschaften 14–16, 20–23, 53, 79– 81, 115f. Naturwissenschaftsgeschichte s. Wissenschaftsgeschichte Nelson, Richard R. 32, 86

Sach- und Personenregister Neolithische Revolution 10f., 103f. Netzwerke 51, 92f., 98, 182–184 Newcomen, Thomas 117f., 139 Ökonomie 29–32, 50, 64, 86f., 98, 105f. Otis, Elisha G. 190 Otto, Nikolaus August 140 Parsons, Charles A. 182 Paulinyi, Akos 105 Perkin, Henry 174 Pfadabhängigkeit 32, 50, 86–89 Philosophie 33–35 Pinch, Trevor J. 79–85 Politologie 26–28 Popper, Karl 219 Poser, Hans 9 Produktion 55f., 74, 110, 142–146, 176 Radkau, Joachim 90 Rationalisierung 101f., 142–146, 175f. Rechtswissenschaft 24 Regime s. Pfadabhängigkeit Reijen, Willem van 102 Retrospective Technology Assessment 77f., 222–225 Revolution 103–105, 107 Ricardo, David 30 Roberts, Richard 129 Rockefeller, John D. 180 Roebuck, John 133 Ropohl, Günter 19, 50, 56f., 74, 90 Rostow, Walt 111 Rürup, Reinhard 41 Rüstung s. Krieg Schieder, Theodor 40 Schifffahrt 147–150, 155 Schlözer, August Ludwig von 38 Schmookler, Jacob 59f. Schnabel, Franz 39f., 47 Schneider, Volker 97 Schumpeter, Joseph 31, 60f., 64, 105 Scranton, Philip 31f. Sicherheit 135f., 151, 295 Smith, Adam 30, 115 Snow, Charles P. 16 Society for the History of Technology (SHOT) 46 Sola Pool, Ithiel de 223

263

Sombart, Werner 29f. Soziale Konstruktion 51, 78–85, 88f. Sozialgeschichte 31, 40–42 Sozialwissenschaften 15–17, 23–32 Soziologie 24–26, 50f. Stadt, Stadttechnik 11, 124f., 184–191, 213f. Stahl s. Eisen und Stahl Steinkohle s. Kohle Stephenson, George 150 Stephenson, Robert 150 Struktur 50f., 84, 89, 94–100 Struktur-Akteurs-Theorie 94–100 Strukturgeschichte 40f., 94, 103 System 66, 89–91 Taylor, Frederick W. 143 Technikbegriff 52–57 Technikdeterminismus 51, 68f., 71–76, 82, 84, 88f. Technikfolgen, Technikfolgenabschätzung 35, 73f., 76–79, 221–225 Technikforschung, interdisziplinäre 7f., 17, 85 Technikgenese 78f. Technikkulturen 67–71, 163 Technikphilosophie 17, 34f. Techniksoziologie 17, 25f. Technikstile 51, 67–71 Technikwissenschaften 14–20, 44f., 53–55, 172, 216 Technokratie 25 Technologiepolitik 28, 225 Technologietransfer 151, 157f., 186, 220 Technology Assessment s. Technikfolgen Teusch, Ulrich 74f. Textiltechnik, Textilindustrie 11, 116–118, 122f., 126–134, 140, 175 Thomas, Sidney Gilchrist 137 Thorp, John 129 Tourismus 198–200 Trajectory s. Pfadabhängigkeit Transport s. Verkehr Umwelt 133f., 187f., 212–215, 222f. Unfälle s. Sicherheit Unternehmensgeschichte 31f. Verein Deutscher Ingenieure 34, 39, 45f., 54

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Sach- und Personenregister

Verkehr 146–152, 179, 185, 191–200 Völkerkunde s. Ethnologie Volkskunde s. Ethnologie Volta, Alessandro 181 Vor- und Frühgeschichte 9 Wasserbau 11 Watt, James 117f., 139 Weber, Max 24f., 41, 112 Wehler, Hans-Ulrich 41, 112 Winner, Langdon 74 Winter, Sidney G. 32, 86

Wirtschaftsgeschichte 31f. Wirtschaftswissenschaften s. Ökonomie Wissenschaftsgeschichte 47 Wissenschaftssoziologie 79–81 Wittram, Reinhard 222 Wohnverhältnisse 125, 183, 186f., 205–208 Wolffgramm, Horst 19 Wright, Orville 196 Wright, Wilbur 196 Zeppelin, Graf Ferdinand von 195 Zimmerli, Walther 16

Die Technikgeschichte gehört zu den aufstrebenden historischen Teildisziplinen. Dieser Band bietet allen, die sich für die historische Entwicklung der Technik interessieren, eine Einführung in die theoretischen Ansätze und in die empirischen Ergebnisse der technikgeschichtlichen Forschung. Zunächst präsentiert der Autor die Technik und die Technikgeschichte im System der Wissenschaften: in den Technik-, den Natur-, den Sozial- und den Geisteswissenschaf-

ten. Dann behandelt er Schlüsselbegriffe der Technikgeschichte, wie Innovation, Determinismus, Soziale Konstruktion, Revolution und Evolution, und diskutiert deren theoretischen Gehalt und heuristisches Potenzial. Ein weiterer Teil enthält eine Skizze der technischen Entwicklung seit der Industriellen Revolution auf der Basis der wichtigsten Literatur. Die Einführung endet mit der fundamentalen Frage, inwieweit man aus der Technikgeschichte lernen könne.

www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag

ISBN 978-3-515-09423-8