Systematische Sammlung der für das gegenwärtige Recht von Bedeutung gebliebenen Entscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen: Band 1 Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz [Reprint 2020 ed.] 9783112380048, 9783112380031


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German Pages 1170 [1180] Year 1903

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Systematische Sammlung der für das gegenwärtige Recht von Bedeutung gebliebenen Entscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen: Band 1 Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz [Reprint 2020 ed.]
 9783112380048, 9783112380031

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Systematische Sammlung der

für das gegenwärtige Recht von Bedentnng gebliebenen

Wfilititaiii'ii örs Uktzszmlhk

in Livilsachen nach der Gesetzes-Ordnung zusammengestellt

aus den Amtlichen Entscheidungen des Reichsgerichts, Blnms Annalen, Gruchots Beiträgen, der Juristischen Wochenschrift und Seufferts Archiv von

Otto Nudorff^ Oberlandesgerichtsrat in Hamburg.

Erster Land. Bürgerliches Gesetzbuch mit Kinfützrungsgesetz.

Berlin 1903. I. Gnttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.

Dem Andenken meines unvergeßlichen Onkels, des Geheimen Justizrats, Professors

Dr. Adolph Friedrich Rudorfs bei der hundertjährigen Wiederkehr seines Geburtstages,

21. März 1903, in ehrfürchtiger Liebe und Dankbarkeit gewidmet.

Vorwort. Welche Entscheidungen des Reichsgerichts für das gegenwärtige bürgerliche Recht von Bedeutung geblieben sind, welche nicht, ist eine Frage, die so über­

haupt nicht gestellt werden sollte.

Mehr oder weniger, glaube ich, sind sie alle

von Bedeutung geblieben; cs fragt sich nur, von welchem Gesichtspunkte.

Manche

z. B. vom Standpunkte rechtsgeschichtlicher Betrachtung oder der Rechtsvergleichung immerhin noch beachtenswerte Entscheidungen haben keine unmittelbare prak­

tische Bedeutung mehr.

Nur auf diese Bedeutung kam es mir an.

Ich

wollte ein praktisches Haltsmittel für den Gebrauch zunächst des BGB-, eine

Ergänzung zu Kommentaren desselben liefern und damit insbesondere auch Studenten und Referendaren das Studium des neuen Rechts erleichtern.

Auch von diesem Standpunkte aus war die Sichtung oft schwer. Entscheidungen deswegen ganz wegzulassen, weil der Inhalt inzwischen positive

Gesetzesnorm geworden ist, würde oft entschiedene Lücken hervorgerufen haben. Selbst dann habe ich es oft nicht für richtig gehalten, solche wegzulassen, wenn

das gegenwärtige Gesetz mit der bisherigen Norm zwar übereinstimmt, diese Übereinstimmung aber nur eine zufällige ist und aus verschiedenen Rechts­ auffassungen

herausgewachsen

ist, welche eine duplex interpretatio fordert.

Mindestens bleibt die Entscheidung dann als praktischer Beispielsfall lehrreich

und namentlich bei der abstrakt konstruktiven Veranlagung des BGB. ist nichts für den Praktiker lehrreicher als tatsächliche Beispiele zur Veranschaulichung

der Rechtsregeln.

Wo freilich das neue Recht inhaltlich gegensätzlich das alte

beseitigt hat, ist ohne Bedenken die auf Grund des beseitigten alten Rechts be­

ruhende Entscheidung wegzulassen.

Aber wie oft geht beides ineinander über,

wie oft haben nicht glatte Beseitigungen, sondern nur Einschränkungen, Ver­ schiebungen, Änderungen des Gesichtswinkels im Verhältnisse des alten und des

neuen Rechts stattgesunden!

Nicht weniger Sorge hat mir die Prüfung des Maßes dessen gemacht, was von der einzelnen Entscheidung zu bringen war! Die Entscheidungen ganz abzudrucken, verbot der Zweck der Sammlung

ohne weiteres.

Andererseits erschien es durchaus wünschenswert, nicht bloß den

abstrakten Rechtsspruch mitzuteilen.

Damit schien wenig gedient zu sein. Das

tatbestandliche Element ist das Fleisch und Blut, in dem das Leben pulsiert.

Oft ergibt sich nun aus den Gründen der Tatbestand zur Genüge, wo es nicht

der Fall zu sein schien, habe ich ihn kurz zusammengefaßt; auch die Gründe

forderten und gestatteten vielfach Kürzungen; wenn cs linzweckmäßig erschien,

die Entscheidung ailseinanderzureißen, ist es vermieden, selbst wenn sie ver­ schiedene Rechtssütze und selbst Rechtsmaterien betraf, und ist dann durch Ver­

weisungen zu helfen gesucht, ebenso im umgekehrten Falle, wenn es erforderlich schien, auf ein anderes Bruchstück derselben Entscheidung hinzuweisen.

Vielfach

ist dieselbe Frage wiederholt entschieden, vielleicht mit geringen Abweichungen

in der Betonung; auch hier mußte es oft bei den Verweisungen, die meist in den Entscheidungen selbst schon reichlich und eingehend gegeben sind, sein Be­

wenden behalten. Daß die Einteilung sich dem vom BGB. gewählten „System" anschließt, bedarf wohl kaun« der Begründung.

der Hand.

Die praktischen Vorteile davon liegen auf

Natürlich erwuchsen auch hierbei Bedenken und Schwierigkeiten,

namentlich bei der Auseinanderhaltung des allgemeinen Teils und der speziellen

Rechtsmaterien, die z. B. bei den Entscheidungen

über Schadensersatz zu der

Erkenntnis leiteten, daß eine genaue Sonderung der Entscheidungen nach diesen Richtungen sich nicht durchführen ließ und an jeder Stelle diejenigen Fälle als Beispiele gegeben wurden, die am besten zu passen schienen.

Dieselben Schwierigkeiten wiederholten sich im Verhältnis zu den im Ein­ führungsgesetze zum BGB. vorbehaltenen Materien. Entscheidungen

scheinen

sich

am

einfachsten

Die hierüber ergangenen

in der vom Einführungsgesetze

getroffenen Anordnung den übrigen anzuschließen.

Alle diese Rücksichten waren zu erwägen und sind erwogen worden und

haben von Band zu Band das Empfinden grpßesten Nachsichtsbedürfnisses bei mir gesteigert.

Sie werden andererseits wenigstens den guten Willen erkennen

lassen, dem so lobenswerten Verlangen der Verlagsbuchhandlung nach einer praktischen umfassenden und doch übersichtlichen Zusammenstellung der anwend­

baren Reichsgerichtsentscheidungen nach besten Kräften zu entsprechen.

Otto Audorff.

Abkürzungen AG. = Aussührungsgesetz. ALR. — Preußisches Allgemeines Landrecht. Annalen — Blums Annalen des Reichs­ gerichts. Appell.-G. — Appellationsgericht. Bett. = Beklagte (r). BGB. — Bürgerliches Gesetzbuch. BG. — Beruftlngsgericht. BR. = Berufungsrichter. BU. — Berufungsurteil CPO. — Civilprozeßordnung. E. — Entscheidungen des RG., amtliche Aus­ gabe. EG. — Einführungsgesetz. Entsch. — Entscheidung (en). Erl. = Erlaß GH. — Gerichtshof. Ger.-Bollz. — Gerichtsvollzieher. Gew.-O. = Gewerbeordnung Gr. = Gruchots tRassow & Küntzel) Bei­ träge z. (Preuß.) Deutschen Rechte. HGB. — Handelsgesetzbuch. JMBl. = Justizministerialblatt.

IW. — Juristische Wochenschrift. KG. — Kammergericht. Kl. kl. = Kläger, klägerisch. LG. = Landgericht. Min. --- Minister, Ministerium, Ministerial. Nr. — Nummer. OLG. ----- Oberlandesgericht. OTrib. = Preußisches Obertribunal. OBGH. — Preuß Oberverwaltungsgerichtshof. R. = Recht. Rev. — Revision. RG. = Reichsgericht. RKl. — Revisionskläger. ROHG. — Reichsoberhandelsgerickt r. R. — römisches Recht. Senfs. = Seufferts Archiv für Entsch. der obersten Gerichte. StGB. = Strafgesetzbuch. StrS. — Strafsache oder Strafsenat. U. = Urteil. I — Erste Instanz, oder in Citaten Erster Band oder Teil. II — Zweite Instanz oder wie vor.

Zusätze und Serichttgungen. Nr. 4 Titel: Scuff. 93b. 48 Nr. 80. Nr. 9: Bgl. Nr 1311, 1314. S. 8: RMilitärfiskuS. Vgl. Nr. 582, 857. S. 16 a. ®.: Vgl Nr. 885, 887; Kirchplatz: Nr 899, 1530 ff. § 123 S. 33: Vgl. § 823 Nr. 477 ff. Nr. 27: Vgl. Nr. 899, 1530ff. Nr. 65: v. 18. 10 1893. Nr. 38: Scuff. Bb. 51 Nr. 3. Nr. 46: (Frankfurt a. M.). Vgl. Nr. 257. § 134 S. 48: Vgl. über Art. 32 bet Rcichsvcrf. für Mitglieder des Reichstages IV 160/86 v. 25.11. 1886. E. Bb. 16 Nr. 19 S. 88 ff. (Insterburg). Nr. 1307. „ Nr. 93: Vgl. Nr. 788.

Zu „ „ „ „ „ „ „ „ „

Abkürzungen AG. = Aussührungsgesetz. ALR. — Preußisches Allgemeines Landrecht. Annalen — Blums Annalen des Reichs­ gerichts. Appell.-G. — Appellationsgericht. Bett. = Beklagte (r). BGB. — Bürgerliches Gesetzbuch. BG. — Beruftlngsgericht. BR. = Berufungsrichter. BU. — Berufungsurteil CPO. — Civilprozeßordnung. E. — Entscheidungen des RG., amtliche Aus­ gabe. EG. — Einführungsgesetz. Entsch. — Entscheidung (en). Erl. = Erlaß GH. — Gerichtshof. Ger.-Bollz. — Gerichtsvollzieher. Gew.-O. = Gewerbeordnung Gr. = Gruchots tRassow & Küntzel) Bei­ träge z. (Preuß.) Deutschen Rechte. HGB. — Handelsgesetzbuch. JMBl. = Justizministerialblatt.

IW. — Juristische Wochenschrift. KG. — Kammergericht. Kl. kl. = Kläger, klägerisch. LG. = Landgericht. Min. --- Minister, Ministerium, Ministerial. Nr. — Nummer. OLG. ----- Oberlandesgericht. OTrib. = Preußisches Obertribunal. OBGH. — Preuß Oberverwaltungsgerichtshof. R. = Recht. Rev. — Revision. RG. = Reichsgericht. RKl. — Revisionskläger. ROHG. — Reichsoberhandelsgerickt r. R. — römisches Recht. Senfs. = Seufferts Archiv für Entsch. der obersten Gerichte. StGB. = Strafgesetzbuch. StrS. — Strafsache oder Strafsenat. U. = Urteil. I — Erste Instanz, oder in Citaten Erster Band oder Teil. II — Zweite Instanz oder wie vor.

Zusätze und Serichttgungen. Nr. 4 Titel: Scuff. 93b. 48 Nr. 80. Nr. 9: Bgl. Nr 1311, 1314. S. 8: RMilitärfiskuS. Vgl. Nr. 582, 857. S. 16 a. ®.: Vgl Nr. 885, 887; Kirchplatz: Nr 899, 1530 ff. § 123 S. 33: Vgl. § 823 Nr. 477 ff. Nr. 27: Vgl. Nr. 899, 1530ff. Nr. 65: v. 18. 10 1893. Nr. 38: Scuff. Bb. 51 Nr. 3. Nr. 46: (Frankfurt a. M.). Vgl. Nr. 257. § 134 S. 48: Vgl. über Art. 32 bet Rcichsvcrf. für Mitglieder des Reichstages IV 160/86 v. 25.11. 1886. E. Bb. 16 Nr. 19 S. 88 ff. (Insterburg). Nr. 1307. „ Nr. 93: Vgl. Nr. 788.

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Nr. 108: Vgl. Nr. 355. S. 74 Tit. 4: Vgl. Nr. 712. Nr. 127: Vgl. Nr. 293. Nr. 139: Vgl. Nr. 477 f. S. 103 a. E.: Zu Z 246: Zinsen, vgl. bei Art. 61: II. v. 7.1. 1896 Seuff. Bd. 51 Nr. 189. Nr. 191: (Stuttgart). Nr. 193: Seuff. Bd. 39 Nr. 204. Vgl. Nr. 228. Nr. 196: Vgl. Seuff. Bd. 51 Nr. 4 v. 4. 1. 1995 (III 287/94). Nr. 198: E. Bd. 30 Nr. 86 S. 296 (Magdeburg, Naumburg). Nr. 200: Vgl. Nr. 229. Nr. 220: Vgl. Nr. 396. Nr. 229: Vgl. Nr. 2OO. Nr. 244: Seuff. Bd. 39 Nr. 206 S. 293. Nr. 247: E Bd. 16 Nr. 22 S. 116. Tit. 3 S. 172: Zu 8 393 vgl. Nr. 511. E. Bd. 29 Nr. 29. 4. Abschn S. 174: Über Abtretung der Forderung aus dem pactum de mutuo dando vgl. Nr. 526 u. E Bd. 32 S. 364; Seuff. Bd. 53 Nr. 99. Nr. 283: E. Bd. 16 Nr. 22 S. 116. Nr. 287/288: Vgl. Nr. 54. Nr. 337 lies 1885 statt 1855. Tit. 14 S. 251: Vgl. Nr. 1282. Tit. 15 S. 255: Vgl. auch Nr. 389 u. 1000. Nr. 338: Vgl. Nr. 1311 u. 1321. Ebenso Illa 193/86 v. 4. 11. 1886. E. Bd. 18 S. 173 (Frankfurt a. M.). S. 273, § 808: Vgl. Nr. 1343. Nr. 368: Ebenso VI. 190/94 v. 5. 11. 1894 Seuff. Bd. 50 Nr. 89. Nr. 406 lies: „von der Bekl." statt von dem Bekl. Nr. 411 S. 279 lies: „nicht seinem Schuldner" statt mit seinem Schuldner. Nr. 428: Vgl. Nr. 1286. Nr. 431: Gr. Bd. 37 S. 991 Nr. 54. Nr. 462: Vgl. Nr. 1299. Nr. 523: Vgl. Nr. 857. Nr. 530: Vgl. Nr. 595 ff. Nr. 582: Vgl. Nr. Uff., 857. Tit. 5 S. 408: Vgl. Nr. 1210. S. 409 Nr. 594 lies: Nebenbestrmmung quamdiu volam und zu 5. Abschn.: Vgl. Nr. 1199s. u. in Nr. 595 lies: Vgl. Nr. 530, nicht 521. Nr. 726: Cautela Socini.

Erstes Buch.

Allgemeiner Teil 1. Abschnitt. Personen. §§ 7 ff.

Titel 1. Natürliche Personen. Wohnsitz.

1. Begründung des Wohnsitzes bei ungewisser Dauer des Aufenthalts. III. v. 17. 6. 1834.

Smff. Bd. 40 Nr. 7 S. 9.

IW. 1884 S. 274 f. (Celle).

Aus der bloß prozessualischen Vorschrift des § 20 CPO. kann für die

Feststellung des nach civilrechtlichen Grundsätzen zu bestimmenden Wohnsitzes

nichts hergeleitet werden.

Zur Begründung des letzteren gehört Einheit des

Willens und der Tat, der Entschluß an Aufenthalt an demselben.

einem Ort zu wohnen und

der

In betreff des Willens ist nicht die Absicht er­

forderlich, dauernd an einem Ort zu bleiben, sobald man damit das Erfordernis verbindet, daß dieser Wille von vornherein auf einen unveränderlichen Auf­ enthalt gerichtet sein müsse, und zugleich voraussetzt, daß eine auf ungewisse Dauer des Aufenthalts gerichtete Absicht nicht zu berücksichtigen sei.

Nur so

viel läßt sich behaupten, daß die Annahme der Begründung eines Wohnsitzes

regelmäßig dann ausgeschlossen ist, wenn der Wille von Anfang an nur bis

zum Zeitpunkt des Aufhörens des Aufenthalts gerichtet war.

2. Mehrfacher Wohnsitz des Ehemannes. III. 418/82 v. 2. 3. 1883. IW. 1883 S. 126 Nr. 47.

Vgl. CPO. § 606.

RG. nimmt an, daß es auch für Ehesachen einen mehrfachen allgemeinen

Gerichtsstand des Wohnsitzes geben kann und führt aus: wenn der Ehemann seine Frau böslich verläßt und anderswo ein Domizil gewinnt,

wird man

freilich in der Regel voraussetzen dürfen, daß er nicht die Absicht hatte, daneben noch seinen bisherigen Wohnort als zweites Domizil beibehalten zu wollen.

Wenn aber der Ehemann im Einverständnis mit seiner Frau außer Landes geht, um dort eine gewerbliche Stelle einzunehmen, beim Weggang aber Frau

und Kinder an seinem bisherigen Wohnsitz zurückläßt, um sie erst Nachkommen zu lassen, sobald sich dazu passende Gelegenheit findet, so läßt sich nur an­ nehmen, daß er beabsichtigt habe, das Domizil, welches er selbst bisher gehabt Rudorfs. Reichsgerichts-Entscheidungen. Bd. I. 1

hat und in welchem er den Hausstand für die Seinigen vorläufig auf un­ bestimmte Zeit fortbestehen lasten will, nicht sofort aufzugeben, und würde es besonderer tatsächlicher Momente bedürfen, um eine entgegengesetzte Annahme

zu rechtfertigen.

Namensrecht.

§ 12.

3. Gestattung der Führung LeS Familiennamens.

I. 585/81 v. 22.10.1881. (Kiel). Dgl. EG. Art. 208.

Ob

Senfs. Bd. 37 Nr. 86 S. 130

E. Bd. 5 Nr. 45 S. 176.

holsteinische Recht

das

Annahme.

etwa

zu

denjenigen Landesrechten

gehört,

welche dem unehelichen Kinde das Recht beilegen, den Familiennamen des^

Vaters zu führen, wenn derselbe zustimmt (vgl. Roth, System d. d. PrR. Bd. 2r S. 357 Nr. 2; Stobbe, Handb. d. d. PrR. Bd. 3 S. 51 Nr. 4), würde nicht in

Betracht kommen, weil die Zulassung des Einwandes der Einwilligung des Kl. Kl. ficht dieselbe an, weil nicht feststehe, daß.

nicht auf dieser Erwägung beruht.

die Gestattung, seinen Namen zu führen, durch einen Vertreter des Kindes­

angenommen worden

sei.

Wenn man nun auch unterstellt, daß die Er­

klärung des Kl. der Annahme bedurfte, und zwar von feiten des Kindes, so

ist eine Annahme aus der unbestrittenen Tatsache zu entnehmen, daß die Mutter des Kindes für dasselbe die Eintragung im Taufregister auf den Namen

Paul v. d. P. erwirkt und das Kind diesen Namen seither unter Zustimmung, der Vormünder geführt hat. 4. Namenssührung nach Schrinarrogatio« zum Zwecke der Übertragung des Adels.

VI. 316/91 v. 11. 4.1892. E. Bd. 29 Nr. 32 S. 124. IW. 1892 S. 278 Nr. 32 (Heilbronn, Stuttgart). Vgl. §§ 117, 1757 ff.; EG. Art. 55ff.

Wenn die

unbefugte Führung des Namens

objektiv

geeignet ist,

den

Schein der Zugehörigkeit zu der Familie, welche beit Namen führt, zu er­ regen,

was

bei

sehr verbreiteten Familiennamen

nicht

leicht,

bei seltenen

Familiennamen häufiger der Fall sein wird, muß der Regel nach jedes einzelne

Familienmitglied

zur Abwehr des

Eingriffes

in

sein

aus

zugehörigkeit entspringendes Namensrecht berechtigt erscheinen.

der

Familien­

Umsoweniger

läßt sich die Aktivlegitimation im vorliegenden Falle bezweifeln, da nach der

unangefochtenen Annahme der Vorinstanz die Klage hier von sämtlichen der­ zeitigen (männlichen) Mitgliedern der Familie v. O. in Vertretung der Familie

und daneben im eigenen Namen angestellt worden ist.

Allerdings

will Bekl. nach

den von ihr abgegebenen Erklärungen bett

Familiennamen der Kläger nicht ausschließlich an Stelle des ihrigen führen, ihn vielmehr, unter Fvrtlassung der Adelsbezeichnung „von", ihrem eigenen

Familiennamen

hinzufügen;

indessen

auch eine derartige Hinzufügung eines­

fremden Namens kann, falls sie unbefugt vorgenommen wird, unter

Um­

ständen eine Verletzung des Namensrechtes der Familienmitglieder enthalten.

4. Abschn. Personen. Titels. Natürliche Personen. § (2. Namensrecht.

3

Ob dies der Fall, ist nach den konkreten Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden.

Nach den Erwägungen des BG.:

Die Fortlassung des „von" vor dem

Namen O. habe zweifellos ihren Grund in dem Mangel der landesherrlichen

Genehmigung zur Führung des Adelsprädikates und sei nicht geeignet, Schein

der Familienzugehörigkeit

zu

beseitigen,

den

zumal Bekl. möglicherweise

künftig das Recht auf Führung des Adelsprädikates erlangen könnte; ebenso­ wenig stehe der Klage der Umstand entgegen, daß Bekl. sich nicht einfach O.,

sondern B.-O. nennen will, vielmehr komme gerade hierdurch in Verbindung mit den Einträgen und der öffentlichen Bekanntmachung der Namensänderung

zu Tage, daß Bekl. ihren: Namen den Namen der Kl. zufolge des mit einem Mitgliede dieser Familie geschlossenen Arrogationsvertrages beilegt: läßt sich in

der Annahme der Vorinstanz, daß Bekl. den Familiennamen der Kl. in einer

Weise führen will, welche geeignet ist, den Schein der Zugehörigkeit zu der

Familie der Kläger zu erregen, die Verletzung irgend welcher revisibler Rechts­ normen nicht erkennen. Da dem Namensberechtigten ein gerichtlicher Schutz nur gegenüber einer

unbefugten Führung seines Familiennamens zu gewähren ist, so könnten Kl. mit dem erhobenen Ansprüche nicht durchdringen, wenn Bekl. nach den für die

Beurteilung ihrer persönlichen Befugnisse maßgebenden Gesetzen ihres Wohn­

sitzes ein Recht auf die Führung des Namens B.-O. erworben hätte.

Ein

solches Recht wird von ihr aus dem bestätigten Adoptionsvertrage hergeleitet.

Diesen Vertrag erachtet indessen BG. ohne Verletzung einer revisibelen Rechts­ norm für nichtig und unwirksam — und zwar wegen Simulation.

Wesent­

licher Inhalt des Arrogations- wie des Adoptionsvertrages ist die Begründung

eines Kindes- und Familienverhältnisses zwischen dem Annehmenden und dem Angenommenen, und nur als eine der Wirkungen des neubegründeten Kindes­ verhältnisses stellt sich der Übergang des Familiennamens und Standes des

Adoptivvaters auf das Adoptivkind dar.

Sind also die Kontrahenten darüber

einverstanden gewesen, daß der von ihnen abgeschlossene Vertrag einzig und allein den Übergang des Familiennamens hervorbringen, im übrigen aber ein

Kindesverhältnis nicht begründen sollte, so ist der Arrogationsvertrag als solcher, weil eine Annahme an Kindesstatt nicht beabsichtigt, sondern nur zum Scheine erklärt war, nichtig, und es bleibt nur noch zu untersuchen, ob etwa der Teil

der Vertragsbestimmungen, welcher dem wirklichen Willen der Kontrahenten entspricht, für sich allein als rechtsgültig und wirksam anzusehen ist.

muß indessen verneint werden.

Dies

Mag man das Recht zur Führung eines be­

stimmten Namens als Eigentum am Namen bezeichnen wollen oder nicht, in jedem Falle fehlt dem Namensberechtigten die — sonst an sich im Eigentums

liegende — Befugnis, den Namen zu veräußern oder sonst darüber zu ver­

fügen.

Der Erwerb des Familiennamens vollzieht sich nach (gemeinem) deutschen

Rechte als unmittelbare Folge bestimmter Ereignisse, welche eine Familien-

1*

Zugehörigkeit begründen, namentlich der Geburt, der Verehelichung, der An­ erkennung, der Legitimation, der Annahme an Kindesstatt.

Der so erworbene

Familienname haftet an der Person des Berechtigten und kann von diesem weder unter Lebenden noch von Todes wegen durch Rechtsgeschäfte auf einen anderen übertragen werden.

Hätte also v. O. mit B. und dessen Deszendenten

nichts weiter vereinbart, als daß letztere fortan berechtigt sein sollten, neben

ihrem eigenen Namen den Namen O. zu führen, so wäre einer derartigen

Disposition über den Familiennamen jede rechtliche Bedeutung abzusprechen. Solche Bedeutung konnte aber die an sich wirkungslose Vereinbarung dadurch

nicht erlangen, daß sie zum Scheine in die Form eines Arrogationsvertrages gebracht und zu diesem Zwecke mit Erklärungen verknüpft wurde, die von keinem

der Kontrahenten ernstlich gewollt waren.

5. Interesse des Namensberechtigten. VI. 210 98 u. 3. 11.1898.

E. Bd. 42 Nr. 36 S. 147 (Würzburg, Bamberg).

Das Recht am Namen ist nicht von dem Vorhandensein eines vermögens­ rechtlichen Interesses bedingt, sondern

ein selbständiges, mit dem den Namen

gebenden Ereignisse für den Namensträger entstehendes Individualrecht. kann somit auch

Es

dem Namensträger, insoweit die Führung des bürgerlichen

Namens für sich in Frage steht, nicht durch die Rechtshandlung eines anderen

Trägers, dessen Verfügungen sonst für ihn rechtlich bindend wären, somit auch nicht den Erben durch eine Rechtshandlung des Erblassers, entzogen werden. Der erkennende Senat hat in einer Entscheidung v. 11. April 1892 das

Erfordernis der Verletzung eines Interesses des Namensberechtigten insofern anerkannt, als er das Klagerecht auf Unterlassung der Führung des Namens

dann zugesteht, wenn im gegebenen Falle die Führung des Namens objektiv geeignet erscheint, den Schein der Zugehörigkeit zu der Familie, die den Namen führt, zu erregen.

sS. Nr. 4.]

Nach der Zurücknahme der von der Firma eingelegten Revision und gemäß der Einwilligung der Firma in die Führung des Namens kommt das ver­

mögensrechtliche Interesse nicht mehr in Betracht, dagegen aber das familien­ rechtliche Interesse der Zugehörigkeit zur Familie.

Dieses konnte auch durch

die bloße Hinzufügung des fremden Namens zu dem eigenen Namen verletzt

sein.

sDas.j

Ob die tatsächlichen Verhältnisse eine solche Verletzung begründen,

fällt zunächst in das Gebiet der tatsächlichen Feststellung.

Verletzung

und begründet dies damit,

„Schiedmayer"

daß

BG. verneint die

durch den Zusatz des Namens

und die Art der Verbindung des angenommenen Namens mit

dem eigenen des Bekl.

nur seine Verwandtschaft von mütterlicher Seite aus­

gedrückt sein solle, er somit von der Familie der Kläger und deren Namen

deutlich unterschieden sei, und eine Zugehörigkeit des Bekl. zur Familie der Kl. nicht hervortrete.

Ein Rechtsirrtum ist hierin nicht erkennbar....

(. Abschn.

Titel 2.

Personen.

Juristische Personen.

§§ 2\ff.

5

6. Führung eines Familiennamens durch ein Hotel. Seuff. Bd. 42 Nr. 92 S. 134 (Celle).

III. v. 19. 5.1886.

Vgl. HGB. § 22.

Will man auch mit dem BG. dem Dritten, dessen Name in nicht miß­ zuverstehender Weise zur Bezeichnung eines ihm fremden gewerblichen Etablisse­

ments gebraucht wird, ein im Wege der Klage zu verfolgendes Widerspruchs­

recht

einräumen,

so

sind

doch

dieses Rechtssatzes auf die

bei Anwendung

vorliegende Sache die besonderen Verhältnisse derselben nicht ausreichend be­ rücksichtigt worden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Name, unter

welchem ein Hotel bisher mit Erfolg betrieben und nach außen bekannt geworden ist, ebenso wie eine Firma von anerkanntem Ruf, an sich einen Wert hat, und

daß bei einem Verkauf des Hotels der Verkäufer auf einen geringeren Preis rechnen muß, wenn er eine Namensänderung zur Bedingung macht.

Soweit

ein Hotel mit größerem Betriebe in Frage ist und nicht besondere Verhältnisse vorliegen, wird für den.Verkäufer wie für den Erwerber nach der Natur der Sache immer der Ruf und der Name des Etablissements für den geforderten

und bewilligten Preis ein so erheblicher Faktor sein, daß Verkauf und Erwerb

des Grundstücks mit seinem Namen solange als gewollt anzusehen ist, als sich aus besonderen kontraktlichen Bestimmungen oder den Umständen des

nicht Falls

eine entgegengesetzte Willensmeinnng ergibt.

Auch ist der Verkäufer,

wenn er das Hotel mit der bisherigen Bezeichnung verkauft hat, nicht in der

Lage, der Fortführung der Bezeichnung durch einen späteren Nacherwerber zu

widersprechen,

es

sei

denn,

daß er nur seinem Mitkontrahenten die Fort­

führung der bisherigen Bezeichnung gestattet haben sollte; denn durch den

Verkauf mit dem Namen wird letzterer an sich mit dem Grundstück ver­ bunden und erscheint als eine Eigenschaft desselben.

Nach diesen Gesichts­

punkten wird es bei Beurteilung der vorliegenden Sache wesentlich darauf ankommen, ob Kl. bei dem Verkauf seines Hotels eine Änderung der Be­

zeichnung

bedungen

oder doch die Fortführung der bisherigen Bezeichnung

nur seinem Mitkontrahenten gestattet hat, während ein später von dem Er­ werber

erteiltes,

Namensänderung

jedoch die

nicht

würde rechtfertigen können.

gebrachtes Versprechen

zur Ausführung

jetzige Klage

Für

gegen

die

den

der

späteren Nacherwerber nicht

Beantwortung dieser Frage gewährt

der bezogene Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils eine ansreichende Grund­

lage nicht.

Titel 2.

Juristische Personen (§§ 21 ff.).

7. Geschäftsführung für eine zukünftige juristische Person. V. v. 30. 10. 1886.

Seuff. Bd. 42 S. 160 Nr. 112 (Landr.).

Rechtsirrtümlich ist die Erwägung, daß der Verein keinen Kaufvertrag

abschließen durfte, in welchem als eigentliche Käuferin die juristische Person, in die er sich künftig zu verwandeln gedachte, hingestellt wurde.

BG. hält

solchen Kaufvertrag um deswillen für rechtlich unmöglich, weil der Verein

nicht das Recht gehabt habe, die erhoffte künftige juristische Person zu ver­

Gründe für letztere Ansicht sind nicht angegeben, sie ist aber auch

treten.

nicht

zu

prinzipiell

würde

Es

begründen.

eine

dieser

Vertretung

Art

unter den Begriff der unbeauftragten Geschäftsführung fallen; aber weshalb

eine Geschäftsführung nicht auch für eine dermalen noch jurfftische Person

sollte

dürfen

stattfinden

nicht existierende

wie allerdings



in

Förster-

Eccius, Theorie und Praxis des pr. R. Bd. 2 S. 490 Anm. 19, gelehrt wird — ist nicht erfindlich.

der

Geschäftsführung,

Es handelt sich hier nur um diejenige Seite

welche das

Verhältnis zwischen

daß

der Kauf

eine

für

ihrer Entstehung

abgeschlossen werden sollte, so

Person

dem

Geschäftsführer

Wußte der dritte Kontrahent,

und dessen drittem Vertragsgenossen betrifft.

nach

noch

ungewisse juristische

gestaltete sich die Vertragsschließung

zwischen ihm und dem Verein (dem Geschäftsführer der juristischen Person)

einfach zu einer durch die Entstehung der juristische): Person bedingten, und die Hinzufügung dieser Bedingung zu einem Kaufverträge kann keinem Be­ denken unterliegen. Überdies läßt sich die Zulässigkeit einer Geschäftsführung für eine künftige natürliche Person (einen nasciturus) (mit Zeugnissen aus

dem römischen Recht) belegen (fr. 29 de neg. gest. 3. 5; fr. 19 § 2 de

test. tut. 26. 2) svgl. BGB. §§ 1912, 1923, 1963]; es ist ferner unbezweifelt,

daß

die Geschäftsführung für

auch

eine zwar schon bestehende, aber noch

ungewisse Person zuzulassen ist (BGB. § 1913]

ALR. I 11

(vgl. preuß.

§§ 13, 14; I 13 § 261); und von diesen Fällen ist derjenige einer Geschäfts­

führung

für

verschieden.

eine

eventuelle

künftige juristische Person

grundsätzlich

nicht

Eine Geschäftsführung letzterer Art wird auch bei der Gründung

von Aktiengesellschaften wie von sonstigem Zweckvermögen in anerkannt rechts­

wirksamer Weise gehandhabt. 8. Mitgliedschafts, und Sonderrechte. VI. 408/93 v. 12. 4. 1894.

§§ 32 ff. E. Bd. 33 Nr. 38 S. 175 (Stuttgart).

Durch ihren Beitritt zu dem verkl. Vereine, welcher erfolgte auf Grund bestimmter,

insbesondere

den Erwerb

und

den

Verlust

der Mitgliedschaft

regelnder Statuten, sowie durch die Zahlung der statutenmäßigen Beiträge haben Kl. gegen

den Verein den Anspruch

auf die in den Statuten be­

zeichneten Leistungen, auf Jnvalidenunterstützung, Witwen- und Waisenunter­ stützung und Beiträge zu den Beerdigungskosten, erworben.

Dieser Anspruch

ist ein jus quaesitum oder, wenn man den Ausdruck gebrauchen will, ein

Sonderrecht vermögensrechtlicher Natur der Kl. (als Mitglieder) gegen den Verein,

welcher nach

Organisation

als

heutiger Rechtsanschauung vermöge seiner

Subjekt

(vgl. Bd. 8 S. 121).

der

entsprechenden

Verbindlichkeit

besonderen

anzusehen

ist

Unerheblich ist in dieser Beziehung, daß es sich uni

bedingte oder betagte Ansprüche handelt; dies liegt in der Art der von dem Vereine

seinen

Mitgliedern gewährleisteten Unterstützungen.

Der Anspruch

(. Abschn.

§§ 32ff., § 8Y.

Juristische Personen.

Titel 2.

Personen.

7

■auf dieselben ist in gleicher Weise zu beurteilen, wie bei einer auf Gegen­

seitigkeit beruhenden

Versicherungsgesellschaft der

der Versicherten

Anspruch

auf die Versicherungssumme bei Eintritt des Falles, in Beziehung auf welchen die Versicherung lautet. dekl. Verein,

dem

Hieran kann der Umstand nichts ändern,

namentlich durch das besondere Verhältnis,

Allg. D. Buchdruckergehilfenvereine steht,

auch

daß der

in welchem er zu

ideale Zwecke

verfolgt.

In erster Linie ist er seit seiner Gründung nach der deutlichen, auch bei der

Rev. der Statuten vom Dezember 1892 beibehaltenen Zweckbestimmung ein

Unterstützungsverein für gewisse in den Statuten vorgesehene Fälle.

Auch

die Rev. zieht nicht in Zweifel, daß den Kl. wohlerworbene Ansprüche gegen

den Verein in dem bezeichneten Sinne zustehen.

der

wie

zudem,

Versicherten

des

Anspruch

Diese Ansprüche sind aber

auf

die

Versicherungssumme,

vertragsmäßiger Natur und können als solche den Mitgliedern gegen ihren

Willen nicht im Wege der Statutenänderung, selbst wenn diese formell gültig

Dafür spricht sich auch für Fälle der vor­

beschlossen ist, entzogen werden.

liegenden

Art

Theorie

und

Praxis

überwiegend

aus

(vgl.

Gierke,

Ge-

nossensch. S. 239; ROHG. Bd. 8 S. 180 f.; RG. Bd. 25 S. 153—160).

§ 89.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts.

Ä. Stallones flscl.

IV. 309/95 v. 12. 3. 1896. E. Bd. 37 Nr. 61 S. 248 (Marienwerder). Vgl. § 823. Der Rechtssatz,

daß die einzelnen fiskalischen Stationen

als solche

der

selbständigen Rechtspersönlichkeit entbehren und nur in ihrer Gesamtheit die juristische Person des Fiskus ausmachen, hat nicht bloß in der Rechtsprechung

des preuß. OTrib., sondern auch in der Praxis des RG. Anerkennung gefunden (vgl. Entsch. Bd. 2 S. 393, Bd. 21 S. 57). 10. Keine Vertretung des Reichsfiskus durch den Preuß. Proviuzialfteuerdirektor.

E. Bd. 11 Nr. 19. S. 93 (Berlin).

IV. 438/83 v. 9. 4. 1884.

Die Vertretung im Prozesse ist

ein Bestandteil der allgemeinen Ver­

tretungsbefugnis Dritten gegenüber und letztere, soweit sie nicht vom Kaiser persönlich

ausgeübt

wird,

den

steht

mit

der

Verwaltung, der

Reichsan­

gelegenheiten betrauten obersten Reichsbehörden, d. i. dem Reichskanzler bezw. dem Reichskanzleramt und den innerhalb derselben bestehenden Reichsämtern

zu;

denn

die Vertretungsbefugnis ist ein Attribut der obersten Leitung des

Staatswesens. Ressorts

bei

Geschäftskreis

Andere als jene Zentralbehörden haben zwar innerhalb ihres

der

Verwaltung

ermächtigt

sie

der

aber

Reichsangelegenheiten nur,

die

erforderlichen

mitzuwirken;

ihr

Maßregeln

zur

Ausführung der für ihren Verwaltungszweig gegebenen Gesetze und Instruk­ tionen zu treffen und innerhalb der hierzu gehörigen Geschäfte liegt die Vertretung des Reiches Dritten gegenüber nicht. Zur Übertragung der Ver-

tretungsbefugnis bedarf es einer ausdrücklichen Gesetzesbestimmung wie z.

in §§ 151—153 des Reichsbeamtenges. v. 31. März 1873.

des

Reiches

durch

andere

als

seine

Eine Vertretung

eigenen Behörden ist

an sich etwas

Abnormes und bedarf umsomehr einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung. Ein Gesetz,

eingezogenen direktor

in

welches für

vorliegenden Fall Wage auf Erstattung einer

den

Reichsstempelabgabe Berlins

die

gegen

den

Vertretung ■ des

Kgl.

Preuß.

Reichsfiskus

Provinzialsteuer­

den

Behörden

der

Bundesstaaten überträgt, gibt es aber nicht. Ebenso für Reichszöüe III. 438/81 v. 1. 7. 1'885. E. Bd. 5 Nr. 9 S. 34 (Hannover, Celle.) Reichsmilitärfiskus.

11. Vertretung in ReichsfestnngSangelegenheitrn (Ulm) dnrch das preuß. Kriegsministerium. II. 256/82 v. 13. 6. 1882.

E. Bd. 8 Nr. 1 S. 1 (Ulm, Stuttgart).

Die Klage ist durch das preuß. Kriegsministerium namens des Reichs­

militärfiskus erhoben; sie stützt sich darauf, daß, wie außer Zweifel ist (vgl. RG. v. 25. Mai 1873 § 1), das Recht des Eigentumes an dem Festungs­

gouvernementsgebäude dem Deutschen Reiche zustehe, und bezweckt die Beseitigung

eines dieses Recht angeblich beeinträchtigenden Zustandes.

Eine besondere oberste Reichsmilitärverwaltungsbehörde ist nicht vorhanden.

Nimmt man nun auch an, daß die Landeskontingentsverwaltungen innerhalb Verwaltungskreises

ihres

ermächtigt

seien,

die Interessen des Reiches hin­

sichtlich derjenigen Gegenstände zu vertreten, welche im Eigentume des Reiches

stehen, aber in ihrem Besitze sich befinden, so kann doch aus diesem Grunde das preuß. Kriegsministerium zur Erhebung der vorliegenden Klage nicht für legitimiert erachtet werden; denn es handelt sich in diesem Falle um einen

Gegenstand, der nicht zu einer Landeskontingentsverwaltung gehört, sondern sich im ausschließlichen Besitze des Deutschen Reiches befindet.

Zn dessen Ver­

tretung ist aber der Reichskanzler oder ein gesetzlicher Stellvertreter desselben

(RGes. v. 17. März 1878) berufen, sofern nicht durch besondere Bestimmung diese Vertretung einer bestimmten Behörde übertragen ist.

Eine reichsrechtliche

Norm, wonach das preuß. Kriegsministerium den Reichsmilitärfiskus, sei es

allgemein, sei es in denjenigen Angelegenheiten, bei welchen es sich um das Eigentum des Reiches an Festungsgegenständen handelt, zu vertreten Hütte,

existiert nun aber nicht. des

Es kann sich daher nur fragen, ob die Legitimation

preuß. Kriegsministeriums

zur Vertretung

des Reichsmilitärfiskus

in

dem gegenwärtigen Prozesse sich aus der bezüglich der Festung Ulm zwischen

Preußen, Bayern und Württemberg getroffenen Vereinbarung v. 16. Juni 1874 ergibt.

Diese Frage muß verneint werden.

Für eine reichsrechtliche Norm

kann diese Vereinbarung, da ihr die Gegenzeichnung des Reichskanzlers fehlt, nicht erachtet werden (Art. 17 der Reichsverfassung).

Außerdem kann aber

auch die daraus von der Vorinstanz gezogene Folgerung nicht für richtig erachtet werden; denn es ist weder in den angezogenen Art. I, III, VIII noch

sonst in der Vereinbarung eine Bestimmung enthalten, welche einen solchen

Schluß rechtfertigen würde. 12. Vertretung durch die KorpS-Jntendautur bei Entschädigungsklagen aus dem Kriegs­ und Friedensleistungsges. gegen das Reich.

V. 469/54 v. 16/20.12.1885. E. Bd. 15 Nr. 11 S. 37. IW. 1886 S. 168 Nr. 19. Das nach Art. 63 Abs. 4 dem Kaiser allgemein zustehende Dislokationsrecht kann in seiner Ausübung, auch unter Einhaltung der ihm durch die einzelnen

Konventionen mit den Bundesstaaten gegebenen Schranken, dahin führen, daß durch Übungen eines Truppenteils, welcher nicht dem Kontingente angehört, auf dessen Gebiete er sich befindet, Beschädigungen verursacht werden, wie sie das Kriegs- und Friedensleistungsges. vorgesehen hat, ein Fall, in welchem in

materieller, wie formeller Beziehung nur das Reich als der Entschädigungs­ pflichtige gedacht werden könnte.

Das Gesetz unterscheidet überhaupt nicht in

Bezug aus den unmittelbaren Urheber der Beschädigung und

es ist deshalb

mit Laband (Staatsrecht des Deutschen Reichs III S. 316) anzunehmen, daß als solcher nur das Reich in Frage kommt.

(Es wird weiter ausgeführt, daß

die Intendantur des (preußischen] Armeekorps, in dessen Bezirk die Leistung

erfolgt, oder der Schade zugefügt worden, das Reich im Prozesse zu vertreten

„In dieser Beschränkung tritt die Entscheidung nicht in Widerspruch

habe.)

mit den Urteilen in Bd. 8 S. 1 ff. u. Bd. 11 S. 93ff."

[@. 0. Nr. 10 u. 11.]

13. Vertretung durch die Landeskontingentsverwaltungen.

III. 153/87 v. 9. 3. 1888. (Kastel).

E. Bd. 20 Nr. 34 S. 148. IW. 1888 S. 184 Nr. 23

Nach der Reichsverfassung sind die Kontingentsverwaltungen der Einzel­ staaten, vorbehältlich der sich aus der Verfassung selbst ergebenden Beschränkungen

zur selbständigen wirtschaftlichen Verwaltung des Militärwesens und insbesondere

zur selbständigen wirtschaftlichen Armeeverwaltung auf Rechnung und in Ver­

tretung des Reiches berechtigt, sie sind befugt, in dieser Beziehung den Reichsfiskus (Reichsmilitärfiskus) sowohl beim Abschlüsse von Rechtsgeschäften, als im Prozesse

zu vertreten, und infolgedessen ist eine Vollmacht des Reichskanzlers zur Führung

eines Prozesses bezüglich der dem Ressort der Militärverwaltung unterliegenden Gegenstände nicht erforderlich, vielmehr muß die Frage, welche spezielle Behörde

die Landeskontingentsverwaltung in einem einzelnen Prozesse zu vertreten habe, in Ermangelung reichsgesetzlicher Bestimmungen nach dem Landesrechte beurteilt

werden. Für den vorliegenden Fall erscheint es nicht zweifelhaft, daß zur Führung

des gegenwärtigen Prozesses die Intendantur des XI. Armeekorps befugt ist. Denn abgesehen davon, daß die Korpsintendanturen als Provinzialbehörden nach den in Preußen bestehenden Grundsätzen bezüglich der zu ihrem Ressort

gehörenden Gegenstände zur Vertretung der Militärverwaltung im Prozesse

befugt sind (vgl. Erlaß des preuß. Kriegsministers v.

6. Aug. 1828

und

des Justizministers v. 4. Juli 1828), herrscht darüber kein Streit, daß das Preuß. Kriegsministerium die Anstellung der vorliegenden Klage genehmigt hat.

Mit der vorstehenden Entscheidung tritt der Senat auch nicht mit anderen Entscheidungen des RG. in Widerspruch.

Zunächst erscheinen die Urteile, durch

welche der Landesfiskus als der richtige Beklagte bei Klagen auf Rückzahlung

zuvielgezahlter Zölle und Reichsstempelabgaben erklärt worden ist (Bd. 5 S. 34, Bd. 11 S. 65, 93, 96, fs. o. Nr. 10]), für den hier vorliegenden Fall von keiner

Allerdings nimmt Laband (Staatsr. S. 194) an, daß die Militär­

Bedeutung.

verwaltung in dieser Beziehung der Zollverwaltung gleichstehe.

Allein mit

Recht ist diese Analogie schon von anderer Seite (vgl. G. Meyer, Verwaltungs­ recht Bd. 2 S. 40 Note 18) als unzutreffend bezeichnet.

Der Einzelstaat erhebt

zwar die Zölle für Rechnung des Reiches, er ist aber nur verpflichtet, die Rein­ erträge an das Reich abzuliefern und ist insoweit Schuldner des Reiches.

Die

Verwaltung ist im übrigen vorbehältlich des Aufsichtsrechtes des Reiches lediglich

Sache der Einzelstaaten, und werden auch die Ausgaben der Verwaltung aus­ schließlich von den Einzelstaaten bestritten. Im Reichsetat werden daher auch nur die an das Reich abzuliefernden Überschüsse gebucht, während abweichend von dem Etat der Militärverwaltung der Etat der Zollverwaltung durch die

Gesetzgebung

daß

alle

der Einzelstaaten festgestellt wird.

militärischen

Ausstattungsstücke

dem

Gerade durch den Umstand,

Reichsfiskus

gehören,

und

daß der Etat für die Militärverwaltung durch Reichsgesetz festgestellt wird,

wird das Argument beseitigt,

auf Grund dessen

das Reichsgericht in Zoll-

und Reichsstempelsachen den Landesfiskus für das berechtigte Prozeßsubjekt erklärt hat.

Was aber die Entscheidungen des RG. über die Vertretung des Reichsmilitürfiskus anlangt, so ist bisher eine prinzipielle Entscheidung der Frage, wer

denselben in Prozessen zu vertreten habe, noch nicht ergangen.

In Bd. 8 S. 1

(f. o. Nr. 11] ist ausdrücklich die Annahme als eine mögliche hingestellt, daß

die Landeskontingentsverwaltungen innerhalb ihres Verwaltungskreises ermächtigt

seien, die Interessen des Reiches hinsichtlich derjenigen Gegenstände zu vertreten, welche im Eigentume des Reiches stehen, oder in ihrem Besitze sich befinden.

In Bd. 15 S. 37 [f. o. Nr. 12] findet sich gleichfalls eine prinzipielle Ent­ scheidung der Frage nicht.

Auch abgesehen von diesen Urteilen sind dem Senati

keine Entscheidungen bekannt geworden, welche mit der hier getroffenen im

Widersprüche stehen. Ebenso III. 226/89 v. 24. 9. 1839.

E. Bd. 24 Nr. 6 S. 36 (Celle); s. bei § 1004.

Vertretung durch die Fortifikation in Festungsbausache«.

VI. 371/94 v. 7. 3. 1895. E. Bd. 35 Nr. 4 S. 13 (Berlin). V. 292/95 v. 14. 3. 1896. Gr. Bd. 40 S. 1126 Nr. 6. (Marienwerder); (f. bei §§ 925 ff.). II. 238/98 v. 6. 12. 1898. E. Bd. 43 Nr. 3 S. 12.

(. Abschn. Personen.

Juristische Personen.

Titel 2.

§ 8Y.

11

Vertretung durch die Artillerie-Werkstatt in Angelegenheiten ihres Betriebes. II. 201/98 v. 1. 11. 1898.

E. Bd. 42 Nr. 16 S. 66 (Köln).

14. Vertretung des preutz. Staates den Kirchengesellschaften gegenüber. IV. 202/87 v. 19. 3. 1888. Art. 55.

IW. 1888 S. 190 Nr. 46 (Halle, Naumburg).

Das ALR. stellt im § 113 Tl. II

Tit. 11

den Grundsatz

Vgl.

auf, daß

die Rechte des Staates den Kirchengesellschaften gegenüber durch den Minister

der geistlichen Angelegenheiten wahrzunehmen sind, soweit sie nicht dem Staats­

oberhaupt ausdrücklich Vorbehalten worden.

Ein solcher Vorbehalt ist im

Gesetzbuch selbst nur für die Fälle der §§ 308 und 311 a. a. O. gemacht und auch aus der späteren Gesetzgebung bis zum Jahre 1832 hin nicht zu ent­ Namentlich sind in der Verordnung v. 27. Okt. 1810, betreffend

nehmen.

die veränderte Verfassung der obersten Staatsbehörden, unter C, im Anschluß an den § 113, Tl. II Tit. 11 des ALR. dem Kultusminister alle Rechte der

obersten Aufsicht und Fürsorge des Staats in Bezug auf Religionsübung delegiert, und dem Könige nur die ausdrückliche Genehmigung für jede Annahme und Veränderung von Stiftungen für religiöse Zwecke Vorbehalten (vgl. ALR.

Tl. II Tit. 11 §§ 197—216, 949 und jetzt Ges. v. 23. Febr. 1870, §§ 1, 2).

15. Evangelische Landeskirche. IV. 352/92 v. 29. 4.1893.

IW. 1893 S. 374 Nr. 101 (Posen).

Vgl. Art. 55.

Für die Nachprüfung der Sache kommt es zunächst darauf an, welches Rechtssubjekt unter der mitbeklagten evangelischen

ist.

Landeskirche zu verstehen

Diese Bezeichnung weist nicht notwendig auf die Gesamtheit der evan­

gelischen Kirche in den

älteren Provinzen der preußischen Monarchie hin.

Nach der für dieses Staatsgebiet bestehenden evangelischen Kirchenverfassung,

wie solche

ihren Abschluß in

der Kirchengem.- und Syn.-O. v.

10. Sept.

1873, dem Ges. v. 25. Mai 1874, der General-Syn.-O. v. 20. Jan. 1876

und dem Ges. v. 3. Juni 1876 gefunden hat, ist die ev. Kirche derart ge­

gliedert, daß sie mehrere, teils engere teils weitere, selbständige Verbände ent­ hält.

Die Grundlage bilden die einzelnen lokalen Kirchengemeinden (Gem.-

u. Synodal-O. v. 10. Sept. 1873 §§ 1—48).

Die

zu

einer Diözese ver­

einigten Kirchengemeinden bilden der Regel nach den Kreissynodalverband (§§ 49

bis 57

a. a. O.).

Die Kreissynoden

jeder Provinz

Provinzial-Synodalverband (§§ 58—70 a. a. O.).

bilden

zusammen den

Die ev. Landeskirche der

neun älteren Provinzen endlich bildet den General-Synodalverband (Gen.-Syn.-O.

v. 20. Jan. 1876 § 1).

Deshalb ist vorliegend das entscheidende Gewicht

darauf zu legen, welchen kirchlichen Verband die der Klage zu Grunde liegende Kirchenangelegenheit berührt.

Nun

will die

klagende

Kirchengemeinde das

Recht, ihren Pfarrer zu wählen, gegen die beiden Bekl., Patron und evangelische

Landeskirche, festgestellt wissen.

Danach steht in Streit ein kirchliches Wahl­

recht mit Bezug auf eine lokale Kirche, wobei als Prätendenten die lokale

Kirchengemeinde und das Konsistorium der Provinz in Vertretung der geist­ lichen Oberen einander gegenüberstehen. daß

das

streitige Rechtsverhältnis

evangelischen Gesamtkirche

Demzufolge muß angenommen werden,

außerhalb des

rechtlichen Interesse

der

liegt und nur dasjenige des provinzialkirchlichen

Verbandes der Provinz Posen berührt. Kirchengemeinde,».

16. IV. 263/88 v. II. 1.1889.

IW. 1889 S. 73 Nr. 24 (®em. R ).

Eine Kirchengemeinde,

welche der Aufsichtsführung

des

Konsistoriums

unterstellt ist, hat keine unbeschränkte Selbstverwaltung, so daß man sie in ihrem Verfügungsrecht auf eine Linie mit physischen Personen stellen und an­

nehmen dürfte, daß es überall nur von ihrem eigenen Ermessen abhängig sei, ob sie zur Wahrung der Gemeinde-Interessen sich auf einen Prozeß über die­

selben einlassen wolle oder nicht.

Der mit der Aufsichtssührung betrauten Be­

hörde erwächst aus dieser aber nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht,

darüber zu wachen, daß die mit der Verwaltung betraute Behörde der Gemeinde es an einer ordnungsmäßigen Wahrung ihrer Interessen nicht fehlen läßt.

Na­

türlich kann dabei das Verhältnis der Aufsichtsbehörde zum Organ der Gemeinde

verschieden gestaltet sein und im allgenieinen wird sich mehr nicht darüber sagen lassen, als daß eine wirksame Aufsichtsführnng über die Verwaltung der

Gemeinde der vorgesetzten Behörde die Mittel zu Gebote stellen muß, um die

zur Abwendung von Vermögensverlusten notwendigen Maßregeln einer renitenten Gemeindevertretung gegenüber zur Ausführung zu bringen. 17. IV. 386/87 v. 12. 3.1888.

IW. 1888 S. 172 Nr. 26.

Daß Korporationen und Gemeinden Besitz nicht bloß durch den Vorstand, sondern

auch

durch Beamte erwerben können,

(§§ 32, 34 des ALR. Tl. I Tit. 7).

sagt das Gesetz ausdrücklich

Danach ist nicht zu bezweifeln, daß

Kirchengemeinden durch den Pfarrer als Kirchenbeamten die Ersitzung eines affirmativen Rechts anfangen und fortsetzen können, wie solches auch von dem

preuß. OTrib. v. 16. Okt. 1868, Striethorst A. Bd. 72 S. 289, angenommen worden ist.

Bon diesem Grundsätze völlig verschieden ist die von dem OTrib.

Plbeschl. v. 5. Okt. 1863 Entsch. Bd. 50 S. 1 bejahte Frage, ob gegen den

Pfarrer zum Nachteile der Pfarre die Verjährung anfangen und fortgesetzt

werden kann. 18. IV. 224/86 v. 8.1. 1887.

Es

besteht in

IW. 1887 S. 58 Nr. 74.

Doktrin

und Praxis des pr. R. darüber kein Zweifel,

daß unter den vom Staate ausdrücklich aufgenommenen „Kirchengesellschaften",

welchen § 17 Tl. II Tit. 11 des ALR. die Rechte privilegierter Korporationen

erteilt, nicht die rezipierten Kirchen als Gesamtverbände, sondern nur die den­ selben angehörigen einzelnen Lokalverbände (Kirchengemeinden) zu verstehen und

(. Abschn. Personen.

Titel 2.

Juristische Personen. § 89-

13

daß die letzteren die Träger der kirchlichen Vermögensrechte in aktiver und passiver Hinsicht sind.

Demnach sind denn auch die Worte „Kirchengesellschaft"

und „Kirchengemeinde" im Sinne des ALR. wesentlich von gleicher Bedeutung.

Es kann einem gegründeten Bedenken nicht unterliegen, daß gegenwärtig die Kirchengemeinden in allen ichren Vermögensangelegenheiten, zu welchen auch die gemeinsamen Angelegenheiten der Eingepfarrten als solcher gehören von

den Gemeindekirchenräten vertreten werden, die nur in gewissen Beziehungen an die beschließende Mitwirkung der Gemeindevertretung gebunden sind (§§ 22, 23 der Kirchengem.- u. Syn.-O. Art. 2, 3 des Ges. v. 25. 5. 1874).

Neben diesen

Organen ist für die Funktion anderweit von den Eingepfarrten gewühlter Re­ präsentanten kein Raum, wie dies ausdrücklich auch durch die Aufhebung des § 159 Tl. II Tit. 11 ALR. völlig klargestellt ist.

Insbesondere erstreckt sich die

Zuständigkeit der Gemeinde-Organe auch auf solche Angelegenheiten, bei welchen

die eventuelle Verpflichtung der Eingepfarrten zur Bestreitung kirchlicher Be­ dürfnisse in Frage steht.

19. Pfarrkirchen. IV. 114/90 v. 4.10. 1890. IW. 1890 S. 380 Nr. 27. Die Rkl. irrt, wenn sie meint, Pfarrkirchen seien nur diejenigen Kirchen, welche für einen bestimmten örtlichen Bezirk errichtet sind.

dies zutreffen.

In der Regel wird

Dadurch werden aber Ausnahmen nicht ausgeschlossen; vielmehr

haben namentlich

auch in Preußen, von jeher Personalgemeinden bestanden,

deren Mitglieder nicht sowohl durch ihren Wohnsitz als durch gewisse besondere persönliche Eigenschaften zu der betreffenden Gemeinde gehören (vgl. Richter-

Dove-Kehl, Lehrbuch des kath. und ev. Kirchenrechts 8. Aufl., § 159, S. 530 ff., Jacobson, Das ev. Kirchenrecht Abt. I §§ 57, 59 S 233 ff.; ALR. Tl. II Tit. 11

.§§ 260 ff.; bezüglich der franz. Kolonisten die KO. v. 30. Okt. 1809. Bd. 10 S. 169).

Rabe

Es darf nur an die Militär- und Garnisönkirchen, sowie

an die Anstaltskirchen und an die Kirche der franz. Kolonisten erinnert werden,

deren Eigenschaft als Pfarrkirchen bisher nicht angezweifelt ist.

20. Erlöschen einer Parochie. IV. 384/89 v. 16. 4.1890. Das

Erlöschen

IW. 1890 S. 168 Nr. 45.

einer Parochie erfordert sachlich,

daß

der

Zweck des

Parochialverbandes, nämlich die Gemeinschaft des öffentlichen Gottesdienstes, sich nach den Verhältnissen der Parochie nicht mehr erreichen läßt, und formell

eine das Erlöschen aussprechende Verfügung des Landesherrn, und es hat zur Folge, daß das Vermögen der erloschenen Parochie als herrenloses Gut der

landesherrlichen Disposition anheimfällt (§§ 172, 308, 618, Tl. II. Tit. 11, §§ 177, 179, 192, Tl. II Tit. 6 ALR., Deklaration v. 13. Mai 1833, Löwen­

berg Mot. I S. 557, 559, Striethorst A. Bd. 67 S. 16).

Dagegen setzt die

Zusammenschlagung zweier Mutterkirchen nur voraus, daß einer derselben die

Unterhaltung des öffentlichen Gottesdienstes, sei es wegen Verringerung der Mitgliederzahl oder wegen Armut der Mitglieder, Schwierigkeiten bereitet.

erfolgt nur zwecks Erleichterung der Unterhaltungskosten.

Sie

Sie läßt die Rechte

und Patronatsverhältnisse jeder der vereinigten Kirchen bestehen.

Sie schließt

sogar nicht aus, daß die Vereinigung unter Umständen wieder aufgehoben wird (§§ 246, 247, 752 a. a. O.).

Vertretung des Kirche«, und PfarrvennögenS.

21. V. 216/94 v. 13.10.1894.

Vgl. Ar». 55 EG-

Gr. Bd. 40 S. 385 Nr. 16 (Stettin).

Vgl. CPO. §§ 56.

Das ALR. wie die Kirchengem.- u. Syn.-O. für die acht älteren preuß.

Prov. v. 10. Sept. 1873 und das zugehörige Ges. v. 25. Mai 1874 kennen die „Pfarre" als besondere juristische Person nicht.

Das Pfarrvermögen ist zwar

(seiner Zweckbestimmung gemäß) von dem Kirchenvermögen zu unterscheiden

(ALR. II11 § 772), hat aber eben die äußeren Rechts wie dieses (das. § 774)

und bildet sonach, wie auch der § 22 der Kirchengem.- u. Syn.-O. besonders

hervorhebt

(in

den

Worten:

„das

Kirchenvermögen,

einschließlich ...des

Pfarr-... Vermögens"), einen Teil des Kirchenvermögens im weiteren Sinne.

Trägerin

Vermögens

dieses

ist

die Kirchengemeinde

(„Kirchengesellschaft"

des ALR.), ALR. II 11 §§ 160, 170, 179, 183, 193, 228, 618, Entsch. des RG. Bd. 17 S. 192.

Die Verwaltung des Pfarrvermögens war im ALR.

wohl den» Pfarrer übertragen (das. § 778), aber dem Patron und den Kirchen­

vorstehern stand,

soweit die Verwaltung nicht bloß auf den Nießbrauch des

Pfarrers sich bezog, eine entscheidende Mitwirkung zu (§§ 779, 782, 800, 807). Die Kirchengem.- u. Syn.-O. überträgt die Verwaltung der Nutzung des Pfarr­ vermögens dem Gemeindekirchenrat (§ 22).

Eine

das

Pfarrvermögen

Kirchengemeinde erhoben werden.

betreffende Klage kann sonach nur von der

Die von der „Pfarre" erhobene Klage muß

aber als Klage der Kirchengemeinde als derjenigen juristischen Person ange­ sehen werden, der das Gesetz das Eigentum der Pfarrgüter zuspricht.

Für

diese juristische Person, und nicht für seine Person als Nießbraucher, hat auch

der Pastor von S. geklagt und klagen wollen.

Durch die in der BJnstanz

abgegebene Erklärung, der Pastor habe als Nießbraucher, für seine Person,

klagen wollen, würde somit in das anhängige Verfahren eine andere Person als Prozeßpartei eingeschoben werden, was, da die Bezeichnung der Parteien

zu den wesentlichen Erfordernissen der Klage gehört, eine unzulässige Klage­ änderung darstellen würde (CPO. §§ 268, 527).

22. V, 113/92 v. 24. 9.1892.

IW. 1892 S. 433 Nr. 29.

Dieser Rechtszustand rechtfertigt das Fortbestehen der Befugnis der geist­

lichen Oberen im Falle des Widerstreits der Interessen beider Vermögens­ massen gemäß § 661

dieses Tit. derjenigen Masse, deren Interessen durch

den Gemeindekirchenrat tatsächlich nicht vertreten werden, von Amtswegen einen Daß das Konsistorium im vorliegenden Falle

Bevollmächtigten zu bestellen.

nicht der Kirche, sondern der Pfarre einen Bevollmächtigten bestellt hat, daß. die Klage nicht gegen Patron und Kirchenkollegium, sondern gegen die Kirche,

vertreten durch Patron und Gemeindekirchenrat gerichtet ist, entspricht zwar nicht dem Wortlaut des § 661, enthält aber keine Verletzung desselben, sondern

lediglich eine Anpassung an die durch die neuere Gesetzgebung geänderte Kirchen­ verfassung.

23. V. 10/86 v. 29. 5.1886.

IW. 1886 S- 241 Nr. 56.

BG. geht von der Anschauung aus, daß die im ALR. Tl. II Tit. 11

§ 803 vorgeschriebene Mitwirkung des Patrons und der Kirchenvorsteher bei der Verpachtung von Pfarrgrundstücken, falls daran auch der Amtsnachfolger

gebunden sein soll, nicht als Mitverpachtung aufzufassen sei, weil nach § 800 das. der Pfarrer zur selbständigen Verpachtung der Pfarräcker berechtigt sei.

Dies beruht auf einem Rechtsirrtum.

Der Pfarrer hat den Nießbrauch und

die Verwaltung der Pfarrgrundstücke nur für die Dauer seines Amts und kann darum nicht über die Dauer seines Amts hinaus verpachten, soll letzteres ge­

schehen, so bedarf es dazu der Mitwirkung der sonstigen Repräsentanten des

Pfarrvermögens und dies sind eben der Patron und die Vertreter der Kirchen­ gemeinde, in deren Eigentum das Pfarrvermögen steht.

Diese Mitwirkung

kann rechtlich nicht anders denn als Mitverpachtung aufgefaßt werden. 24. Schulgemeinden.

V. 299/87 v. 15. 2. 1888.

IW. 1888 S. 143 Nr. 34 (ALR.).

BG. stützt seine Annahme, daß die Schulgemeinde als besondere Korporation existiere, auf die Feststellung, daß im Jahre 1835 ein eigener Schulbezirk für

die zu N. längst bestehende Schule abgegrenzt sei, in jenem Jahre auch schon von einem Schulvorstande die Rede sei und daß im Jahre 1868 für die Schul­ gemeinde Repräsentanten gewählt worden seien. seit

dem Plbeschl. des preuß. OTrib.

Etwas Weiteres ist nach der,

v. 20. Juni 1853

(Entsch. Bd. 25

S. 301) konstanten und als gesetzentsprechend anzuerkennenden Rechtsprechung

nicht erforderlich, um eine Schulgemeinde als bestehend, und zwar als mit den Rechten einer juristischen Person bestehend, anzuerkennen. 25. Vertretung der Ruhegehaltskasse für Lehrer und Lehrerinnen.

IV. 156/96 v. 26.11. 1896.

IW. 1897 S. 73 Nr. 73 (Danzig, Marienwerder).

Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist der erhobene Anspruch gegen den­

jenigen zu verfolgen, welcher zu dessen Beftiedigung verpflichtet sein würde. Dieses ist die Gesamtheit (die Gemeinschaft) der Schulverbände des Regierungs­

bezirkes.

Denn

durch das Ges. v. 23. Juli 1893 ist bezweckt worden, die

Pensionslast von der Einzelgemeinde loszulösen und auf die Gesamtheit der Schulverbünde zu übertragen.

Es ist in der Gesamtheit der Schulverbände ein

neues Rechtssubjekt geschaffen, auf welches an Stelle der einzelnen Schulverbände die Verpflichtung zur Tragung der Pensionslast

überkommen ist.

Rechtssubjekte ist die Bezeichnung „Ruhegehaltskasse" beigelegt.

Diesem

Es bildet eine

öffentlich-rechtliche Korporation, welcher ebenso wie dem einzelnen Schulverbonde die juristische Persönlichkeit beiwohnt.

Zu seiner Vertretung in Rechtsstreitig­

keiten mit dem Lehrer ist der Kassenanwalt berufen.

Ohne Rechtsnormverletzung

hat deshalb das BG. „die Ruhegehaltskasse, vertreten durch den Kassenanwalt" als passiv legitimiert erachtet.

26. Verfassung der Dorfgemeinden in den östlichen preutz. Provinzen. IV. 287/67 v. 2. 2.1888.

IW. 1888 S. 131 Nr. 27 (ALR.).

Die Verfassungsverhältnisse der Dorfgemeinden in den östlichen Provinzen

des preußischen Staates regeln sich nach den Bestimmungen des zweiten Abschnitts Tit. 7 Tl. II ALR., nach dem Gesetze, betreffend die Landgemeindeverfassung in den bezeichneten Provinzen, v. 19. April 1856, und nach den §§ 22 ff. der

Kreisordnung v. 13. Dez. 1872.

Nach diesen Bestimmungen ist das Willens­

organ der Dorfgemeinde die Gemeindeversammlung.

gesetzliche Vertreterin der Dorfgemeinde. § 8

Diese ist die regelmäßige

Das Ges. v. 14. April 1856 hat im

die Bildung einer anderen Vertretung, nämlich einer Vertretung durch

gewählte Gemeindeverordnete, zugelassen.

Wo eine solche gewählte Gemeinde­

vertretung nicht vorhanden ist, wird aber immer nur die Gemeindeversammlung

als gesetzliche Vertreterin der Gemeinde angesehen werden können.

Der Gemeinde­

vorsteher (§§ 46 ff. Tl. II Tit. 6 ALR., §§ 29, 30 der Kreisordnung) ist zur Vertretung der Gemeinde gesetzlich nicht berufen.

Er ist als solcher nur Vor­

steher, nicht gesetzlicher Vertreter der Gemeinde (Eccius, Theorie und Praxis

Bd. 4 § 283 I, 2e).

Soll er zum Vertreter der Gemeinde behufs Abschlusses

eiues Vertrages namens der Gemeinde bestellt werden, so ist seine Bevoll­ mächtigung durch die Gemeindeversammlung erforderlich.

Von diesem Gesichts­

punkte aus erscheint ein Vertragsschluß mit einer Landgemeinde in der Art

rechtlich möglich, daß der von der Gemeindeversammlung in einem Gemeinde­

beschlusse

erklärte

Vertragswille

als

Vertragsangebot

seitens

des

in

der

Gemeindeversammlung gegenwärtigen Dritten oder dessen Vertreters angenommen oder die Annahme eines der Gemeinde gemachten und von der Gemeinde­ versammlung angenommenen Vertragsangebotes in der Gemeindeversammlung

zur Kenntnis des Dritten oder des Vertreters desselben gebracht, wird.

2. Abschnitt. Sachen (§§ 90ff.). Res extra commerciumt Kirchen: s. §§ 854, 903, 925, Art. 55,132, 133; Flüsse: Art. 65; Luftraum: § 905; öffentliche Wege: §§ 1018ff., Art. 55, 113; Begräbnisplätze: Art. 133.

§§ 93ff.

Bestandteile und Zubehör von Grundstücken. Entspringende Quellen.

III. 190/84 v. 3.10.1884. E. Bd. 12 Nr. 45 S. 183. IW. 1884 S. 281 Nr. 37. Bgl. Art. 65 EG. 27. Erbbegräbnis.

III. v. 18. 2. 1881.

Senfs. Bd. 36 Nr. 176 S. 264 (Kiel).

Kl. behauptet, daß er beim Verkauf des Rittergutes G. Eigentümer deK

auf demselben errichteten Erbbegräbnisses geblieben sei, und daß der Vater der Bekl. dasselbe zerstört habe.

Er verlangt die Verurteilung der Bekl.

zur

Wiederherstellung und führt aus, daß Erbbegräbnisse, welche mit Genehmigung der zuständigen Behörde erbaut seien, nicht mehr einen Teil des Guts, zu welchem sie gehört haben, ausmachen, sondern ein persönliches Recht der be­

treffenden Familie bilden.

BG. hat diese Ansicht verworfen;

die Beschwerde

ist verfehlt.

Die Ausführungen des Kl. sind vorzugsweise dem Rechtsverhältnis ent­

nommen, welches beim Ankauf eines Familienbegräbnisses auf einem öffentlichen Kirchhofe entsteht.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Besitzer eines Guts,

-em ein derartiges Erbbegräbnis gehört, dies beim Verkauf des Guts mit­

überträgt, oder als persönliches Recht zurückbehält.

Hier handelt es sich darum,

ob durch die behördlich genehmigte Anlegung des Erbbegräbnisses ein Eigentums­

wechsel an dem betreffenden Teil des Gesamtguts eingetreten ist.

Mit Recht

nimmt BG. an, daß die Vorschriften des röm. Rechts über res religiosae bei

uns nicht mehr gelten.

Durch Begraben eines Toten an einem Orte wird das

Eigentum des Orts nicht geändert.

Der Ort bleibt im Eigentum seines bis­

herigen Eigentümers und ist Gegenstand des freien Verkehrs. Dies erleidet auch dadurch keine Änderung, daß im vorliegenden Fall das Konsistorium

die Anlegung des Erbbegräbnisses genehmigt hat.

Denn diese Genehmigung

ist jetzt für die Anlegung jedes Begräbnisplatzes erforderlich, hat jedoch keine

Wirkung auf das Eigentum an dem Platze. 28. Angebauter Kirchturm.

V. 106/86 v. 2. 10. 1886.

IW. 1886 S. 357 Nr. 38.

Die Annahme des BG., daß der mit der Kirche in dauernden Zusammen­

hang gebrachte, nämlich dem Kirchengebäude angebaute Turm dadurch Pertiuenz oder Teil der Kirche geworden sei, ist (§§ 42 ff. Tl. I Tit. 2 ALR.) nicht irr­

tümlich; sie ist auch namentlich dadurch rechtlich nicht ausgeschlossen, daß der

Erbauer nach der Auffassung des Berufungsrichters nicht die Absicht gehabt hat, das katholische Kirchengut zu vermehren, sondern daß von ihm bezweckt

worden, durch das Turmgelüut die Solennität der Begräbnisse evangelischer Dorfbewohner zu erhöhen; denn wenn auch jene Absicht gefehlt haben sollte, so trat die Vermehrung gleichwohl durch die Tatsache ein, daß der Erbauer

-en Turm als Anhang oder gar als Teil dem Kirchengebäude anbaute. Rudorfs, Reichsgerichts-Entscheidungen.

Bd. I.

2

ÄS. Gasrohrleitung einer Gasanstalt.

IV. 201/96 v. 21. 12. 1896.

E. Bd. 39 Nr. 51 S. 204 (Berlin).

Für die Ermittelung der Substanzteile einer Sache kommt es nicht auf sondern auf die konkrete Bestimmung der Sache an, und die

die abstrakte,

Frage, welche besondere Bestimmung eine Sache hat, kann nur in Hinblick auf

das, was gerade diese Sache vorstellen soll, beantwortet werden (vgl. Gruchot, Beitr. Bd. 37 S. 961, RG. Bd. 2 S. 253, Bd. 36 S. 264).

Die Gasanstalt war unstreitig zu dem Zwecke hergestellt und eingerichtet worden, um das daselbst gewonnene Gas mittels einer Röhrenleitung den

Laternen zuzuführen

und

sonstigen

und

in

Beleuchtungsapparaten

im

dieser Weise die Beleuchtung

Gebäude zu bewirken.

Gemeindebezirke Gr.-L.

der Straßen, Plätze und

Die besondere Bestimmung der fraglichen Gasanstalt

würde vereitelt und die den Beleuchtungszwecken dienende einheitliche Anlage teilweise zerstört werden, wenn man das Rohrnetz von der Gasanstalt tat­

sächlich abtrennen oder ganz beseitigen wollte.

Hieraus ergibt sich, daß auch

begrifflich die durch die verschiedenen Straßen verzweigten Adern des Röhren­ systems, mit dessen Hilfe die einzelnen Beleuchtungsflammen von dem Fabrik­

grundstücke aus gespeist werden soll, als Substanzteile der immobilen Gas­ anstalt anzusehen sind.

Dieser Auffassung steht auch der Umstand nicht entgegen, daß die fraglichen Röhren sich über die Grenzen des mit der Gasanstalt bebauten Grundstückes

weit hinaus erstrecken, und daß sie in fremdem Grund und Boden liegen; denn

hierdurch erhielten die Röhren rechtlich nicht die Eigenschaft von Bestandteilen der betreffenden fremden Grundstücke, sondern sie blieben, trotz ihrer tatsächlichen

Einfügung in den Körper der Straßen und Plätze, Eigentum der die Beleuchtung betreibenden Gesellschaft und konnten deshalb auch als Bestandteile der Gas­ anstalt mit dieser an die Klägerin veräußert werden.

Bgl. V. 200/00 v. 7. 11. 1900. Eleltrizitätswerks).

E. Bd. 48 Nr. 57 S. 267 (Leitungsnetz eines

30. Brenuerei Apparate.

V. 273/93 v. 7. 2. 1894.

Gr. Bd. 38 S. 934 Nr. 52 (Hamm).

Die Behandlung der streitigen Apparate als Substanzteile des Gebäudes wird dadurch ausgeschlossen, daß sie in keiner mechanischen Verbindung mit dem Gebäude stehen; sie können deshalb auch nicht als in demselben (ALR.

§ 334 I 9) [§ 94 BGB.s verbaut gelten. gebraucht werden zu

Sie mögen, um zu ihren Zwecken

können, einer Befestigung nicht bedürfen, sie sind aber

auch nicht befestigt, sondern mit dem Gebäude in keine weitere Verbindung gebracht,, als daß sie darin stehen, zwar auf einem besonders für sie her­

gerichteten Fundament, aber ohne mit diesem oder mit sonst einem Teil des Gebäudes

anders

als

vermöge

ihrer

eigenen

Schwere

zusammenzuhängen.

Aus dem Wortsinn wie aus dem Begriff sowohl des Substanzteils als des

Berbautseins folgt aber als notwendiges Erfordernis, daß der Teil irgendwie verbunden

mechanisch mit der Hauptsache

sein muß (vgl. Entsch. Bd. 26

Nr. 66 S. 347). 31. Zubehör verschiedener Grundstücke einer Fabrik.

V. 289/97 v. 7. 2. 1898.

E. Bd. 41.

Nr. 79 S. 317 (Paderborn, Hamm).

BG. hat festgestellt, daß die Grundstücke Nr. 1, 2 und 3 insofern zu

einer wirtschaftlichen Einheit verbunden sind, als sie sämtlich zum Betriebe desselben Fabrikgeschäftes dienen.

Auf dem Grundstück Nr. 1 befindet sich

das Wohnhaus und das Kontor; auf Nr. 2 ist die eigentliche Produktions­ stätte, und Nr. 3 enthält die Lagerräume für Material und Waren.

Aus

dieser Gemeinsamkeit für denselben Endzweck (für das Fabrikgeschäft), schließt

BG., als

daß

ein

die drei Grundstücke

Fabrikgrundstück,

Pertinenzien

einen

des

auch

anzusehen Grundstückes

Dies ist unrichtig.

geworden seien.

rechtlich als ein Grundstück, nämlich

und

seien,

folgert

hieraus,

Pertinenzstücke

zugleich

des

daß

die

anderen

Es ist dabei übersehen, daß trotz der

Einheitlichkeit des Endzweckes jedes der drei Grundstücke seine eigene und von

den anderen Grundstücken verschiedene wirtschaftliche Bestimmung beibehalten hat.

dient

Allerdings gehören alle drei Grundstücke zum Fabrikgeschäft; ein jedes

ihm

aber

Beschaffenheit

nur

einer

in

seiner

bestimmten,

Weise.

entsprechenden

Sie

sind

eigenen

nicht

ein

wirtschaftlichen Grundstück

mit

derselben wirtschaftlichen Bestimmung geworden, sondern sind geblieben, was

sie waren: das eine bestimmt zum Wohnen und zur Geschäftsleitung, das andere bestimmt zur Herstellung der Waren, mit deren Anfertigung sich die

„Fabrik"

beschäftigt,

das

dritte

bewahrung des Materials.

bestimmt zum

Warenlager und, zur Auf­

Daraus folgt dann aber auch, daß die Zubehör­

stücke des einen Grundstückes nicht zugleich Zubehörstücke des anderen sind. 32. Zubehör einer in Miteigentum stehenden Fabrik.

V. 345/88 v. 16. 3. 1889. BG.

hat auf

Grund

Gr. Bd. 33 S. 913 Nr. 37 (Naumburg).

der

Verwendung

und der

Befestigungsart

der

gepfändeten Maschinen angenommen, daß sie Zubehör des Fabrikgrundstücks

seien.

Wenn Bekl. hiergegen einwendet, daß auf jener Grundlage höchstens

die Eigenschaft der Maschinen als Zubehör der Fabrik, nicht des Grundstücks, angenommen werden dürfe, so scheitert dieser Einwand an der Tatsache, daß

BG. zugleich festgestellt hat, daß das Grundstück ein Fabrikgrundstück war,

daß also Fabrik und Grundstück zusammengehörten, woraus folgt, daß die zum Betriebe der Fabrik bestimmten Gerätschaften, soweit sie (nach §§ 42, 93

ALR. I 2) sBGB. § 98 Nr. 1] zu den Pertinenzstücken der Fabrik gehören,

Pertinenzen des (Fabrik-)Grundstücks darstellen. Gegen die Annahme solcher Zubehörseigenschaft kann auch daraus kein Einwand entnommen werden, daß die Maschinen dem L. allein gehört haben



und das Fabrikgrundstück im Miteigentum der Eheleute L. steht. Daß der Miteigentümer berechtigt ist, Sachen, welche ihm allein gehören, zu Pertinenzen einer im Miteigentum stehenden Hauptsache zu machen, ist nicht zu bezweifeln. Daraus folgt freilich nicht, daß allemal, wenn durch den Miteigentümer eine Verbindung hergestellt wird, welche die Auffassung der einen Sache als Zubehör der andern,

der äußeren Erscheinung nach, ermöglicht, auch ohne

Rücksicht auf die Absicht des Miteigentümers, also auch dann, wenn er nicht beabsichtigte, sein Alleineigentum an der einen Sache aufzugeben, die Ent­ stehung eines Pertinenzverhältnisses angenommen werden müßte.

33. Dampfmaschine, Zubehör einer Windmühle. III. 287/88 v. 19. 2. 1889.

IW. 1889 S. 142 Nr. 19 ((Sein.9?.).

Ob die Kriterien einer Pertinenz in einem einzelnen Falle zutreffen, ist eine Frage, welche sich nur nach den konkreten Umständen dieses Falles beurteilen läßt. Das aufgeworfene Bedenken, daß die Dampfmaschine hiernach als

Pertinenz einer Hauptsache, der Windmühle, erscheine, welche ihrer Natur nach nicht durch Dampf betrieben werde, ist nicht zutreffend. Denn der

Wind wie der Dampf sind nur die treibenden Kräfte, durch welche die Mühle in Bewegung gesetzt wird, und wenn hier durch Aufstellung einer Dampf­ maschine eine zweite Triebkraft der ursprünglich nur für. die eine Triebkraft hergestellten Mühle hinzugefügt wird, so konnte ohne Rechtsirrtum auch die Maschine als Pertinenz der Mühle betrachtet werden, wenn, wie vom BG. festgestellt wird, damit ein dauerndes Verhältnis geschaffen werden sollte.

34. Verschiedenes Eigentum an Hanptsache und Zubehör. VI. 100/91 v. 11. 7. 1891.

E. Bd. 28 Nr. 32 S. 147 (Tübingen, Stuttgart).

Nach (gern.) deutschen Rechte können auch Sachen verschiedener Eigentümer zu einander in dem Verhältnisse von Hauptsache und Zubehör stehen. Da nach der richtigen und heutzutage wohl allgemein angenommenen Ansicht die

Bedeutung des Begriffes der Zubehörung nur diejenige einer Auslegungsregel für Verträge der verschiedensten Art und für andere Willenserklärungen ist, so muß notwendig die Frage des Eigentumsrechtes dabei einflußlos sein.

Denn man kann zweifellos ebensogut über fremde, wie über eigene Sachen, bezw. ebensogut über Sachen eines Dritten wie über Sachen des Mit­

kontrahenten Willenserklärungen aller Art abgeben; insoweit ist es un­ erheblich, daß die Rechtsfolgen in vielen Fällen nicht die gleichen sind; in vielen Fällen sind sie übrigens ja auch dies. Namentlich soweit der gute Glaube der Vertragschließenden in der fraglichen Beziehung sich erstreckt, wäre gar kein Grund denkbar, den Pertinenzbegriff, d. h. also die Auslegungsregel, enger zu fassen. Hiermit stimmt auch die herrschende Auffassung überein (vgl. Unger, Österreich. Privatr. Bd. 1, Aufl. 3).

Auch vom Standpunkte des gern. Rechtes aus konnte es nur gebilligt werden,

daß

angenommen

worden ist, eine

bewegliche Sache

verliere nicht

schon dadurch die Eigenschaft eines Zubehöres eines Grundstückes, daß sie von

dort zur Aufbewahrung auf ein nahe belegenes anderes Grundstück verbracht

werde, welches seinerseits selbst den Zwecken des Hauptgrundstückes zu dienen bestimmt sei... 35. Pferde, Zubehör zu eiuem Brauereibetriebe.

V. 153/00 v. 29. 9. 1900.

E. Bd. 47 Nr. 64 S. 262 (Berlin).

Ist ein Grundstück durch seine Einrichtungen und Anlagen mit einem be­ stimmten Gewerbebetriebe in Verbindung gesetzt, so sind alle Sachen, die dem

Betriebe dieses Gewerbes dauernd dienen, direkt Zubehör des Grundstückes ... RG. hat bereits in V 156/98 v. 12. Nov. 1898 ausgesprochen, daß bei einem zum Betriebe eines Speditionsgeschäftes eingerichteten Hause die zum Betriebe

bestimmten Pferde Zubehör des Hauses seien . .. Zum Betriebe gehört der

Regel nach auch der Vertrieb der gewerblichen Erzeugnisse und daher sind

Sachen, welche zum Vertriebe bestimmt sind, der Regel nach ebenfalls Zubehör

des Grundstückes.

So hat NG. (IW. 1895 S. 607 Nr. 51/2) einen Dampfer,

der zur Beförderung der Erzeugnisse eines Landgutes dient, für Zubehör des

Gutes erklärt. ..

Daß BG. noch die notorischen Verkehrsanschauungen heran­

gezogen hat, kann nicht gemißbilligt werden, da diese allerdings für die Frage,

ob eine Sache zum Zubehör bestimmt ist, in Betracht kommen. 36. Begründung der Zubehöreigenschast.

V. 6/86 v. 19/22. 5. 1886.

Guter Glaube.

IW. 1886 S. 237 Nr. 41.

Zur Begründung der Pertinenzeigenschaft

(nach § 42

Tl. I Tit. 42

des ALR.) ist der Wille des Eigentümers der Hauptsache erforderlich dieser eine andere Sache dauernd als Zubehör zuzuschlagen; und dieser Wille wird sich in der Regel aus der dauernden Benutzung der einen Sache für die andre

ergeben.

Ausgeschlossen ist er aber nicht notwendig dadurch, daß der Eigen­

tümer der Hauptsache, obschon auch tatsächlich Eigentümer der zur Pertinenz bestimmten Sache, sich doch irrtümlich nicht dafür hält; es genügt vielmehr,

daß er sich zu dauernder Disposition über die Sache für ermächtigt achtet, etwa, wie hier wegen seines Verhältnisses zu dem vermeintlichen Eigentümer. 37. Bestimmung als Zubehör durch de« Zwangsoerwalter.

V. 266/88 v. 16.1.1889. Gr. Bd. 33 S. 1111 Nr. 103; IW. 1889 S. 89 Nr. 24. Vgl. RG. E. Bd. 19 S. 321 ff. Das Gesetz über die Zwangsvollstr, in Immobilien bestimmt [in §§ 142, 150 ff.], daß dem Verwalter das Grundstück durch einen Beamten des Gerichts

zur Verwaltung und Erhebung der Einkünfte zu übergeben ist.

Der Verwalter

hat die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters anzuwenden, alljährlich Rech-

nung zu legen und die ihm vom Gericht erteilten Anweisungen zu befolgen und während der Dauer seiner Verwaltung alles zu tun, was erforderlich ist, um das ihm übergebene Grundstück in wirtschaftlichem Stande zu erhalten und

es für die Gläubiger zu nutzen.

Soweit dieser Zweck es nötig macht, werden

durch die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens die dem Eigentümer des Grundstücks als solchem zustehenden rechtlichen Befugnisse von dem Zwangs­

verwalter ausgeübt.

Verträge, welche er zu diesem Behufe mit dritten Per­

sonen abschließt, sowie alle sonstigen Verwaltungsakte haben für Dritte dieselbe

rechtliche Wirkung, als wenn sie von dem Eigentümer selbst vorgenommen wären.

Insbesondere muß der Verwalter auch für befugt erachtet werden, auf

dem Gute vorhandene und ihm bei Einleitung der Zwangsverwaltung mitüber-

gebene Sachen, welche der Eigentümer nicht zum Betriebe des Ackerbaues und

der Viehzucht verwendet hatte, für diesen Zweck zu bestimmen und sie dadurch zu Pertinenzstücken des Landgutes zu machen.

Ob eine solche Disposition un­

zweckmäßig ist und den Eigentümer schädigt, kann zwar von letzterem bei der Rechnungslegung des Verwalters in Frage gestellt werden.

Dritte Personen

können jedoch aus diesem Grunde die Rechtmäßigkeit der Verfügung des Ver­

walters nicht beanstanden. 38. Aufhebung der Eigenschaft als Zubehör.

in. 248/94 v. 15.1. 1895.

E. Bd. 34 Nr. 37 S. 167 (Neustrelitz, Rostock).

Dem OLG. ist darin beizustimmen, daß die Aufhebung des Zubehörver­

hältnisses der Maschine nebst Kessel zum Gebäude nicht allein durch den hier­ auf gerichteten Willen des Eigentümers, ohne Trennung der Pertinenz von

der Hauptsache, bewirkt werden konnte.

Soll der Zubehörsache ihre frühere

Selbständigkeit wiedergegeben werden, so muß dieselbe als selbständige Sache

wieder

hergestellt

werden, mithin in

äußerlich erkennbarer

Weise von der

Hauptsache wieder getrennt werden, damit der Wille des Berechtigten auf Auf­ hebung der rechtlichen und tatsächlichen Verbindung in Kraft tritt.

Die nament­

lich von Kohler (Jahrb. f. Dogm. Bd. 26 S. 100—111) und auch von Dern-

burg (Pand. Bd. 1 § 77) vertretene gegenteilige Ansicht verkennt unter alleiniger Betonung des Willensmomentes, daß für den Zubehörbegriff wesentlich ein

tatsächlicher Zustand in Betracht kommt, an welchen für die Dauer seines Be­ stehens das Recht bestimmte gesetzliche Wirkungen geknüpft hat...

3. Abschnitt. Rechtsgeschäfte. Titel 2. Willenserklärung (§§ 116 ff.). 39. Beweis der Ernstlichkeit.

IV. 12/89 v. 4. 4.1889.

IW. 1889 S. 117 Nr. 33 (ALR.).

Nicht die Bell, hatte Umstände darzulegen, aus welchen auf die Ernst­ lichkeit der fraglichen Erklärung zu schließen war, sondern es war Sache des

3. Abschn. Rechtsgeschäfte.

Titel 2. Willenserklärung.

§§

23

Kl., die rechtliche Bedeutung dieser, so viel erhellt, dem äußeren Anschein nach ernsthaft abgegebenen Erklärung durch den Nachweis von Umständen, aus lenen die Nichternstlichkeit derselben als eine auch für die Bekl. erkennbare, zu entnehmen war, zu beseitigen. Sonst würde der Kl. in unstatthafter Weise «uf eine nicht zu beachtende Mentalreservation sich berufen. Gleiche Grund­ sätze sind bereits in (IV 231/88 und IV 253/88) v. 17. u. 20. Dez. 1888

nusgesprochen. Vgl. auch zu § 1570. 40. Scheingrschiift und Mentalreservation. V. 12/93 v. 19. 4.1893.

Gr. Bd. 37 S. 97 Nr. 47.

Vgl. § 164 Abs. 2.

BG. verkennt das Wesen des Scheingeschäfts. Von einem solchen könnte nur dann gesprochen werden, wenn die Kontrahenten bei Abschluß des Vertrags darin einig gewesen wären, daß die von ihnen zum Ausdruck gebrachten Er­ klärungen die diesen an sich zukommenden Rechtsfolgen nicht haben sollten, daß also nicht der als Käufer auftretende Kl. die Sachen durch den Kauf erwürbe, sondern sein Schwiegersohn Gustav Sch. Ein solches Einverständnis stellt BG. nicht fest; er spricht immer nur davon, daß sich die in dem Vertrage ent­ haltene Willenserklärung des Kl. mit seiner wahren Willensmeinung nicht decke, daß Kl. als Selbstkontrahent ausgetreten sei, während er in Wirklichkeit als Stellvertreter gehandelt habe. Ein dem anderen Teil nicht bekannt gewordener innerer Wille des Käufers, der von dem ausgesprochenen Inhalt des Vertrags nbweicht, ist aber, wie RG. wiederholt entschieden hat, als bloße Mental­ reservation rechtlich ohne Bedeutung, vgl. Entsch. Bd. US. 285 und Gruchot, Beitr. Bd. 35 S. 397. Fiducia, kein Scheingeschäst.

41. I. 395/80 v. 9.10.1880.

E. II Nr. 44 S. 168.

Seuff. Bd. 36 Nr. 101 S. 145.

Aus den Umstande, daß das Geschäft — Kaufvertrag und Übertragung

des Besitzes und Eigentums unter Vorbehalt des Rückkaufs innerhalb dreier Monate — zum Zweck der Sicher stell ung des Kl. geschlossen sei, folgt keineswegs, daß das Kaufgeschäft nur simuliert sei. Es ist nicht nur rechtlich durchaus zulässig sondern auch in häufiger Übung, daß einem Gläubiger zu seiner Sicher st ellung wegen einer persönlichen Forderung von seinem

Schuldner ein Vermögensobjekt in der durchaus ernstlichen Absicht verkauft und übertragen wird, daß der Gläubiger als Käufer wirklicher Eigentümer und zur Ausübung aller Rechte eines Eigentümers befugt werden soll, der wirtschaftliche Zweck einer bloßen Sicherstellung

aber dadurch erreicht wird, daß der Gläubiger sich durch Nebenabreden per­ sönlich verbindlich macht, unter gewissen vereinbarten Bedingungen das Eigentum des bisherigen Schuldners zurückzuübertragen ... Im vorliegenden

Falle ist nach jetziger Lage der Akten nur anzunehmen, daß es allerdings die

Absicht der Kontrahenten gewesen ist,

daß Kl. durch den Vertrag Eigen­

tümer werden, keineswegs aber, daß er in jedem Falle Eigentümer bleiben solle. (Ebenso Bd. 2 S. 170 Anm. 1; ferner I 431/84 v. 10. 1. 1885 u. E. Bd. 13 Nr. 47 S. 200 Bd. 24 S. 54, 161; Bd. 30 S. 275. Gr. Seift. Bd. 27 S. 1088; Bd. 30 .©. 1034; Bd. 40 S. 036 Nr. 68, S. 944 Nr. 70. IW. 1895 S. 301 Nr. 33, 1896 S. 82 Nr. 71. Seuff. Bd. 36 Nr. 8.]

/> 42.

V. 26/92 v. 7. 12. 1892. Gr. Bd. 37 S. 911 Nr. 38 (Breslau).

Es kann sehr wohl ein Kaufvertrag, insbesondere ein Kauf auf Wieder­

kauf den wirtschaftlichen Zweck einer Sicherung des Käufers für eine ihm an den Verkäufer zustehende oder gleichzeitig begründete Forderung haben. Nach der positiven Vorschrift des (§ 321 ALR. I 11) [§ 138 BGB.j ist, wenn

unter dem vorbehaltenen Wiederkauf ein wucherliches Geschäft verborgen ift, der Kauf ungültig. Das Vorliegen eines wucherlichen Geschäfts hält BG. für nicht erwiesen. Dann steht aber auch nichts entgegen, den Vertrag als das, wofür er sich gibt, zu beurteilen, nämlich als Verkauf unter dem Vorbehalt des Wiederkaufs. Dem Kl. werden sämtliche Rechte des Eigentümers ein­ geräumt, nur das Veräußerüngsrecht obligatorisch beschränkt durch den vor­

behaltenen Wiederkauf. Dieser in dem schriftlichen Vertrage zum Ausdruck gelangte Vertragswille wird nicht ausgeschlossen durch die Tendenz, daß dem Käufer für die unter dem Namen des Kaufpreises hingegebene Geldsumme Sicherheit gewährt werden sollte, was eben durch die Übertragung des Eigen­ tums bis zur etwaigen Ausübung des Wiederkaufs geschah und begrifflich ge­ schehen konnte. Dagegen: 48.

III. 58/80 v. 24. 9.1880. E. Bd. II Nr. 45 S. 173.

Seuff. Bd. 36 S. 144 Nr. 100.

Der ... vorgelegte Vertrag trägt unverkennbar den Charakter einer ver­

schleierten Verpfändung an sich. Zwar kann unter Umständen ein wirk­ licher Kaufvertrag zu dem Zwecke abgeschlossen werden, um dem Gläubiger Sicherheit wegen seiner Forderung an den Schuldner zu verschaffen, und es wird der rechtliche Charakter und die Wirkung eines solchen Kontraktes an sich

dadurch nicht geändert, daß die Kontrahenten den Beweggrund zum Vertrage ausdrücklich hervorheben. Allein immerhin muß deren Absicht erkennbar auf die Übertragung des Eigentums am Kaufobjekt gegen Gewährung des Kauf­ preises gerichtet sein wahrer Kaufpreis

... Im vorliegenden Falle ist zweifellos weder ein vereinbart worden, noch die Absicht der Kontrahenten

dahin gegangen, dem

Käufer die streitigen Mobilien eigentümlich zu über­

tragen u. s. w. Scheinkauf und verbotene Verpfändung. 44.

III. v. 7. 5.1880.

Seuff. Bd. 36 Nr. 8 S. 14 (Hessische Sache).

Der Vertrag ist ohne Zweifel ein simulierter Kaufkontrakt, nur dem Namen nach als solcher bezeichnet, in Wirklichkeit aber dazu bestimmt, eine verbotene

3. Abschn.

Rechtsgeschäfte.

Titel 2. Willenserklärung. § ((7.

25

Es gilt daher weder das ab­

Verpfändung von Mobilien zu verschleiern.

geschlossene noch das beabsichtigte Geschäft. Schon der Umstand, daß der Kaufpreis dem wirklichen Wert des Inventars

nicht entsprach, 1200 Tlr. unter dem Taxatum blieb, und die Tatsache, daß. die Verkäufer (C.) das zu ihrem Ackerbau notwendige lebende Gutsinventar ver­

äußerten, gleichwohl aber für unbeschränkte Zeit in dessen Besitz und Genuß,

bleiben sollten, lassen erhebliche Bedenken darüber aufkommen, ob die Absicht der Kontrahenten auf die Verabredung eines wirklichen Kaufpreises gerichtet

war.

Das Gegenteil geht aber mit Bestimmtheit aus § 2 des Vertrags her­

vor, worin der Kaufpreis ausdrücklich ein „Kapital" genannt wird, das der angebliche Käufer (R.) zu fordern habe und die Verkäufer mit 6°/0 Zinsen in

vierteljährigen Raten zu verzinsen versprechen.

Aber auch die Absicht des

Käufers, die angeblich gekauften Gegenstände wirklich als sein Eigentum zu be­ halten, liegt nicht vor.

In § 3 des Vertrags wird den Verkäufern das Recht

zugesprochen, willkürlich vom Vertrage abzugehen; sie brauchen nur die Be­

dingungen des Vertrags nicht zu erfüllen, um den Käufer zu nötigen, entweder

das Kaufgeld zurückzufordern oder die Jnventarstücke an Zahlungsstatt an­ zunehmen.

Dieses Wahlrecht des Käufers

ist

ausschließlich

auf den Zweck

seiner Befriedigung wegen des erwähnten „Kapitals" gerichtet und geht nicht

weiter, als dessen sog. Kontokorrentforderung reicht, gleichviel ob solche zur Zeit

des Abschlusses des Vertrags bereits begründet und füllig war oder erst später begründet und fällig wurde.

R. hat denn auch das Konto des C. nicht etwa

am 24. Jan. 1874 abgeschlossen und sich den verabredeten Kaufpreis zur Last

gesetzt, sondern jenes Konto fortgeführt, gleich als ob ein Kaufvertrag gar nicht

zustande gekommen wäre u. s. w.

45. III. to. 9. 1.1880. Senfs. Bd. 36 Nr. 99 S. 142. Der Inhalt des Vertrags ... läßt erkennen, daß der darin ausgesprochene Wille, Eigentum zu übertragen, nur als äußere Form benutzt ist zur Umgehung,

(des § 12) des Ges. (v. 29. Mai 1873) und in Wirklichkeit eine Eigentums­ übertragung sich nicht vollzogen hat. — In dem Vertrage ist von „verkauftem"

und „gekauftem" Inventar, auch vom „Rückkauf" die Rede, und es hat offenbar der Vertrag einen unter Vorbehalt des Rückkaufsrechts mit gleichzeitiger Beredung eines Mietsvertrages abgeschlossenen Kaufkontrakt darstellen sollen. —

Ein rechtsgültiger Kaufkontrakt ist aber unter den Kontrahenten nicht zustande gekommen.

Denn es fehlt an dem hierfür wesentlichen Erfordernis der Fest­

setzung eines Kaufpreises.

Dieser Mangel wird nicht ersetzt durch die vertrags­

mäßige Bestimmung über den Wert der einzelnen Jnventarstücke.

Andererseits

läßt sich auch ebenso wenig annehmen, wird auch vom Kläger selbst nicht be­

hauptet, daß die zu der Wertbestimmung nicht in einem entsprechenden Verhältnis stehende Darlehnssumme den Kaufpreis habe bilden sollen.

Im übrigen enthält

-auch der Vertrag ... keine Bestimmung darüber, unter welchen Voraussetzungen denn etwa Kl. F. seinem Mitkontrahenten gegenüber zur Geltendmachung der

Rechte eines Eigentümers

befugt sein

solle, und

um so weniger kann es

.zweifelhaft erscheinen, das; mit der in diesem Vertrage ausgesprochenen Er­ klärung, welche so lautet: „zur Sicherung dieser Forderung überträgt Herr Schl. Herrn F. sein nachstehendes Ökonomie-Inventar mit den beigesetzten Preisen

zum Eigentum", nur beabsichtigt worden, dem Kl. für sein Darlehen ein Vor­

zugsrecht vor anderen Gläubigern zu gewähren. Ein solcher Vertrag kann schon wegen des ihn treffenden Vorwurfs der

Umgehung

machen.

eines Derselbe

gesetzlichen kann

aber

Verbots

auch,

auf Rechtsgültigkeit hiervon abgesehen,

keinen Anspruch

die erhobene Klage

deshalb nicht begründen, weil das jener Willenserklärung zu Grunde liegende

Rechtsgeschäft

bei

der fehlenden

Feststellung

verbindlich nicht angesehen werden darf.

eines Kaufpreises

als

rechts­

Denn wenn auch unzweifelhaft der

übereinstimmende Wille, Eigentum zu übertragen und zu erwerben, es ist, durch den die Tradition sich zu einem den Eigentumsübergang vollziehenden Rechtsakt

gestaltet, so darf doch dies nicht in dem Sinne aufgefaßt werden, als wenn bei

Vertrügen, in welchen der Wille, Eigentum zu übertragen und zu erwerben,

ausdrücklich erklärt wird, nicht darauf ankomme, ob das der Willenserklärung .zu Grunde liegende Rechtsgeschäft rechtsverbindlich ist oder nicht, und ob mit

solcher Willenserklärung der übrige Inhalt des Vertrags in Einklang steht

oder nicht.

46. Cessio in securitatem und pignus nominis. III. 133/89 v. 17. 9.1889.

E. Bd. 24 Nr. 30 S. 161.

Die erteilte Session ist jedenfalls insoweit kein Scheingeschäft, vielmehr ein durchaus ernstlich gemeintes Geschäft als die Cessionarin, durch dieselbe hat in

den Stand gesetzt werden sollen, „sich für ihre zu machenden Vorlagen aus den ihr zu dem Ende zur Verfügung gestellten Mitteln zu befriedigen".

Die Fest­

stellung des BG. hebt daher die beurkundete Session keineswegs auf, gibt der--

selben vielmehr nur eine vom Inhalte der Urkunde abweichende Beziehung; der Cessionarin hat nicht für die in der Urkunde genannten Kredite, sondern für die ihr aus der Einlösung der Wechsel u. s. w. gegen den Cedenten erwachsenden

Forderungen Sicherheit durch die cedierten Forderungen desselben gewährt werden

sollen.

Ist die Session auch nur zur Sicherheit der Cessionarin erfolgt, so ge­

winnt sie hierdurch doch keineswegs den Charakter eines bloßen pignus nominis,

übertrügt vielmehr auch bei solcher Vertragsabsicht das Gläubigerrecht auf die Cessionarin, während dem Cedenten das Recht verbleibt, von der Cessionarin

nach Abtragung der gesicherten Schuld Rückcession und bei einer nach Fälligkeit

der Schuld erfolgten Erhebung oder weiteren Session den nach Abzug von Kapital, Zinsen und Kosten verbliebenen Überschuß zu fordern.

3. Abschn.

Rechtsgeschäfte.

Titel 2.

Willenserklärung.

§ f (7.

27

47. Schein-Ctsfion.

VI. 1/96 v. 8. 6.1896.

E. Bd. 37 Nr. 27 S. 103 (Cöslin, Stettin).

Die Cession einer Forderung kann als eine ernst gemeinte und wirkliche nur angesehen werden, wenn nach dem Willen der Kontrahenten die Forderung

von dem einen derselben, dem seitherigen Gläubiger, auf den anderen übergehen, an letzteren also veräußert werden soll; jedenfalls erheischt der Cessionsbegriff,

daß der Empfänger der Cessionserklärung durch dieselbe berechtigt und ermächtigt

jein soll, die Forderung auf eigenen Namen gegen den Schuldner geltend zu wachen.

Mag demnach auch einem Cessionsakte, obwohl materiell nach der

Abrede zwischen (Siebenten und Cessionar das Gläubigerrecht bei ersterem ver­

bleiben soll, dann, wenn trotz dieser Abrede nach dem Willen der Kontrahenten der Empfänger der Cessionserklärung dem debitor cessus gegenüber als der

berechtigte Gläubiger gelten soll, die Wirkung als Cession nicht abgesprochen werden dürfen,

und ist solchenfalls dem debitor cessus der

Einwand

der

Simulation zu versagen, so ist eben hierfür die unerläßliche Voraussetzung,

daß der

Empfänger

Schuldner

der

Cessionserklärung

jedenfalls

und

mindestens

dem

gegenüber die Rechte des Gläubigers für sich auszuüben befugt

werden soll. Die Auffassung des BG., die F. habe fiduziarische Gläubigerin werden

sollen, steht, wenn hiermit gemeint ist, daß sie lediglich dem Lu. obligatorisch

verpflichtet worden sei, nach seinem Belieben, aber in ihrem Namen über die Forderung zu disponieren, mit den weiteren Feststellungen des BG. im Wider­ spruch, wenn sie nicht auf einer mißverständlichen Ansicht von dem Cessions-

begriffe beruht.

Gemäß diesen Feststellungen über die Abrede zwischen Lu. und

der F. wurde letztere nicht obligatorisch verpflichtete Mandatarin

(zu treuen

Händen) des Lu.; sie gab sich vielmehr nur als Werkzeug zu dem von diesem geplanten Betrüge gegen seine Gläubiger her, indem sie versprach, andrängenden Gläubigern den Schein der Cession entgegenzuhalten.

Die Forderung ver­

blieb also in jeder Beziehung dem Lu.

Vgl. ROHG. Bd. 24 S. 323; RG. Bd. 25 S. 207ff.; Gruchot, Seist. Bd. 34 S. 464 ff. 48. Forderungs Abtretung zur Zinsen-Einziehung.

III. 108/97 v. 4. 5. 1897. §§ 671 ff.

E. Bd. 39 Nr. 41 S. 166 (Hanau, Kassel).

Vgl. BGB.

Das BG. hat festgestellt, daß trotz der schriftlichen Cessionserklärung das Gläubigerrecht in betreff der streitigen Forderung bei dem Cedenten ... ver­

bleiben sollte, und die Cessionsurkunde dem Kl. nur zum Zwecke seiner Legiti­

mation bei Eintreibung der damals rückständigen Zinsen

behändigt wurde.

Diese Feststellung begründet, wie die Rev. mit Recht ausgeführt hat, so wenig die Beanstandung der Aktivlegitimation des Kl., wie die Einrede der Simulation. Die Befugnis des Kl. zur Geltendmachung der Forderung folgt aus der vor-

behaltlos schriftlich erklärten Cession, und sollte dieselbe nach dem Willen der

Kontrahenten keineswegs ein bedeutungsloser Rechtsakt sein, sondern der Cessionar

die Rechte eines solchen dem Schuldner gegenüber erhalten, um die Einziehung

der Zinsen aus eigenem Rechte betreiben zu können. Vgl. Bd. 24 S. 63, Bd. 25 S. 207 ff., Bd. 37 S. 106.

Die getroffene Sachentscheidung wird jedoch durch die weitere Feststellung

des BG. begründet, daß der Cedent die Cession widerrufen hat, und hiervon dem Kl. noch vor Erhebung der Klage Kenntnis gegeben ist.

Wenn, wie hier,

die Cession tatsächlich nur an Stelle einer Einziehungsvollmacht gegeben war,

so stand es dem Gebenten jederzeit frei, seinen Auftrag zu widerrufen, und der Cessionar durfte die Cession in gutem Glauben nur solange gegen den Schuldner

geltend machen, wie dies dem Willen des Gebenten entsprach.

Mochte er nach

dem Widerrufe des Auftrages dadurch, daß die Cessionsurkunde in seinen Händen verblieben war, bezw. eine Rückcession der Forderung nicht stattgefunden hatte,

formell noch zur Erhebung von Ansprüchen gegen den Schuldner legitimiert

sein, so hatte er doch kein berechtigtes eigenes Interesse, den Schuldner zur Zahlung zu zwingen, und steht ihm die Einrede der Arglist entgegen, wenn er nach dem Erlöschen seiner Vollmacht den formalen Stand der Sache zum

Nachteile des Schuldners zu verwerten versuchte. 49. Einrede der Richtigkeit der Crffion gegen den Cessionar. III. 335/89 v. 15. 4.1889.

IW. 1890 S. 206 Nr. 21.

Vgl. § 226.

Das Rechtsgeschäft, auf Grund dessen die Abtretung einer Forderung er­

folgte, ist der Regel nach für den Schuldner gleichgültig.

Insbesondere kann

dem Cessionar nur dann die Einrede, daß die Abtretung der Forderung zum Scheine erfolgt sei, entgegengesetzt worden, wenn der Schuldner ein besonderes eigenes Interesse darzulegen vermag, daß ihm der Cedent gegenübertrete. 50. Verschleierte Schenkung.

III. 215/95 v. 19.11.1895.

Gr. Bd. 40 S. 964 Nr. 76 (Celle). Vgl. §§ 516ff.

Um den Charakter des Kaufgeschäftes als einer verschleierten Schenkung

darzutun, genügt nicht die Feststellung, daß der Wert der Sache den Preis über­ stieg.

Auch der Schenkungswille, der voraussetzt, daß die Kontrahenten des

Mißverhältnisses zwischen dem Preise und dem Werte der Sache sich bewußt waren, und daß dem Käufer eine Bereicherung zugewendet werden sollte, muß feststehen.

Mit der angestellten Klage können Kl. dem Bekl. nicht den Gewinn

aus einem vorteilhaften Kaufe abfordern. In vielen Fällen wird der Schenkungs­ wille unmittelbar aus dem Mißverhältnisse zwischen dem Preise und dem Werte der Sache sich ergeben und kann in solchen Fällen über den Mangel einer

ausdrücklichen Feststellung des Schenkungswillens hinweggesehen werden, näm­ lich dann, wenn daß Mißverhältnis ein so offenkundiges war, daß dasselbe

den Kontrahenten nicht entgehen konnte.

So liegt aber die Sache in dem

vorliegenden Falle nicht.

ein

Nach der Bewertung des ersten Urteils hat Bell,

unvorteilhaftes Geschäft gemacht.

Hiernach

fehlt aber

die

notwendige

Grundlage für die Annahme des Schenkungswillens. Schein-Arrogation.

E. Bd. 29 Nr. 32 S. 124.

§§ 119 ff.

Bgl. §§ 12 u. 1741 ff.

Irrtum.

51. Uber die Person des Hauptschuldners.

IV. 433/96 v. 3. 6.1897.

IW. 1897 S. 425 Nr. 35.

Unbedenklich zutreffend ist die Annahme, daß ein Irrtum über die Person

des Hauptschuldners als ein wesentlicher Irrtum zu erachten ist. Wegen Irrtums über die Bermögensverhältnisse des anderen Kontrahenten vgl. Nr. 63 a. E. 52. Über Eigenschaften der Vertrags-Sache.

V. 318/88 v. 20. 2.1889.

IW. 1889 S. 133 Nr. 14 (ALR ).

Bgl. zu § 459.

Wie das NG. (U. v. 15. Juni 1888, Entsch. Bd. 21 S. 308) ss. Nr. 53] überzeugend dargelegt hat, ist nicht jede Angabe eines Kontrahenten über die Eigenschaft einer Sache als ein für den Vertragsschluß maßgebendes Versprechen

einer ausdrücklich vorausgesetzten Eigenschaft anzusehen, vielmehr muß zum Aus­

druck gebracht sein oder aus den Umständen erhellen, daß die Zusage einer Eigenschaft für Willensbestimmung des betreffenden Kontrahenten maßgebend

gewesen sei, daß der letztere also ohne eine solche Zusage und den dadurch hervorgerufenen Irrtum dem Vertrage nicht oder nicht so, wie er abgeschlossen worden, seine Zustimmung erteilt hätte. 53. über den Ertrag eines Grundstückes.

V. 103/88 v. 15. 6.1888.

E. Bd. 21 Nr. 57 S. 308 (Stolp, Stettin).

Bereits das frühere pr. OTrib. hat in einem Erkenntnisse v. 7. Sept. 1868 (vgl. Gruchot, Beitr. Bd. 13 S. 519) die Ansicht, daß unter dem Begriffe „Eigenschaften" nur ein der Sache objektiv und unter allen Voraussetzungen

anklebendes Merkmal zu verstehen sei, mißbilligt, und den von einem Grund­

stücke während eines gewissen Zeitraumes aufkommenden Revenüenbetrag um so unbedenklicher für eine Eigenschaft des Grundstückes erklärt, als der Miets­

ertrag bei Häusern nach der bestehenden Gesetzgebung einen wesentlichen Faktor für die Wertsermittelung abgibt.

Ebenso hat das RG. IV. CS. (vgl. IW.

v. 1885 S. 24) ausgesprochen, daß unter den Begriff „Eigenschaften" nicht

nur die natürlichen, der Person oder Sache an sich zukommenden Eigenschaften, sondern, nach dem Grunde des Gesetzes und dem Sprachgebrauchs des Lebens,

auch solche tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse derselben fallen, welche in ihren Beziehungen zu anderen Personen oder Sachen wurzeln, und zufolge ihrer Beschaffenheit und vorausgesetzten Dauer nach den Anschauungen des

Verkehres einen Einfluß auf die Wertsschätzung der Sache in allen, oder doch

in gewissen Rechtsverhältnissen zu üben pflegen.

In diesem Sinne wird beim

Hausverkaufe der Revenüenbetrag ausdrücklich zu den Eigenschaften gerechnet. Der Berufungsrichter war hiernach wohl befugt, zu prüfen, welchen Ein­ fluß die unrichtige Angabe

den Vertragswillen

der

der Bell, über den Mietsertrag des Hauses auf

Kl.

(Käuferin)

gehabt hat.

An einer Feststellung

darüber, ob die Kl. zum Ausdrucke gebracht habe, sie mache den Abschluß deK

Vertrages von der Richtigkeit der Angabe über den Mietsertrag abhängig, fehlt es zwar.

Der Berufungsrichter nimmt jedoch für bewiesen an, daß die Kl.

den Vertrag auch dann abgeschlossen haben würde, wenn sie die Differenz von 36 Mk. gekannt hätte.

Diese Feststellung bringt genugsam zum Ausdrucke,

daß die unrichtige Vorstellung über die Eigenschaft der Kaufsache im gegebenen

Falle für den Vertragswillen der Kl. ohne Bedeutung gewesen ist.

Der Be­

rufungsrichter hat von dieser Grundlage aus mit Recht entschieden, daß die behauptete Ungültigkeit des Vertrages nicht vorliegt, und daraus die richtigen

Folgerungen für die Klage und Widerklage gezogen. 54. Über wesentliche Eigenschaften eines Patents.

I. 356/87 v. 7. t. 1888.

E. Bd. 20 Nr. 18 S. 94 (Glogau, Breslau).

Der Wert des Patentes bezw. der Erfindung hängt von dem Grade seiner

Nutzen bringenden Verwertbarkeit ab.

Nach der Lebenserfahrung wird in der

bei weitem überwiegenden Anzahl von Fällen der Wert eines Maschinenpatentes oder der betreffenden maschinellen Erfindung in dem allerhöchsten Maße da­

durch verringert sein, daß für das mit der betreffenden Maschine herzustellende

Produkt einem Dritten bereits ein Patent erteilt ist.

Deswegen wird nur sehr

ausnahmsweise ein anderer, als der bezüglich des Produktes Patentberechtigte,

seine schöpferische Kraft betätigen, um Maschinen zur Herstellung eines solchen Produktes neu zu erfinden und sich patentieren zu lassen.

Aus diesen Erfahrungssützen rechtfertigt sich der Schluß, daß bei Veräußerungsvertrügen über Erfinder- oder Patentrechte an Maschinen zur Her­

stellung von Fabrikaten, welche Gegenstand gewerblichen Vertriebes sind, der Ersteher gewöhnlich (in Ermangelung konkreter für das Gegenteil schlüssiger

Grundlagen) den Vertrag unter der Voraussetzung abschließen wird, daß die

Erfindung, bezw. das Patent, welches ihm übereignet wird, sich auf eine Ma­ schine zur Herstellung von Produkten beziehe, deren freiem Betriebe ein auf derartige Produkte erteiltes Patent nicht entgegenstehe, während der Veräußerer (dem entsprechend) annehmen muß, daß der Ersteher von jener Voraussetzung

ausgehe. Ob nun in einem Streitfälle der Erfinder in dieser Richtung durch einen

wesentlichen Irrtum über die gekennzeichnete Eigenschaft der Erfinder- oder Patentrechte, bezw. über die Voranssetzung seines betreffenden Verhaltens dazu geführt ist, einen Vertrag der gekennzeichneten Art zu schließen, während er

3. Abschn. Rechtsgeschäfte. Tit. 2. Willenserklärung. §§U9ff. Irrtum.

31

im Falle der Kenntnis des wirklichen Tatbestandes den Vertrag nicht abge­ schlossen haben würde, so daß der Vertragsschluß auf einem wesentlichen Irrtums

beruht, das läßt sich nur durch sorgfältige tatsächliche Würdigung aller kon­

kreten Umstände des Streitfalles entscheiden. 55. Über die Kursfähigkeit von Jnhaberpapieren.

IV. 557/82 v. 1.3.1883.

Gr. Bd. 28 S. 904 Nr. 42 (Berlin).

Auf den Inhaber lautende Papiere, also auch Pfandbriefe, werden gleich barem Gelde durch die bloße Übergabe in das Eigentum eines andern über­ tragen.

Die Leichtigkeit ihrer Verwertung im Verkehre hat sie zu einer Ware

mit marktgängigem Preise gestaltet.

Wer ein Jnhaberpapier erwirbt, will eben

ein solches erwerben, welches in jedem Augenblick wieder verkäuflich ist.

Diese

besondere Bedeutung für den Erwerber hört auf, wenn das betreffende Papierseine Kursfähigkeit verliert.

Die Kursfähigkeit gehört zum Wesen eines solchen

Papiers, sie ist eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft desselben.

Dies ist

auch von dem preuß. OTrib. (Entsch. Bd. 16 S. 114) und von dem vorm. ROHG. (Entsch. Bd. 16 S. 22) angenommen worden. 56. Über den Nachlahbcstand beim Erbvergleich.

IV. 317/92 v. 20. 2. 1893.

E. Bd. 31 Nr. 66 S. 292 (Berlin).

Bgl. § 133.

BG. hat einen wesentlichen Irrtum der Kl. auf Grund folgender Erwägungen

angenommen:

„Offenbar Hütten die Beteiligten das von der Bell, aufgestellte

Inventar dem Vergleiche vom 23. Jan. 1890 zu Grunde gelegt ...

Demnach,

habe Kl. als den zur Verteilung gelangenden Nachlaß des Erblassers dasjenige

Vermögen angesehen, welches in dem von der Bekl. gelegten Inventare ver­

zeichnet gewesen

sei.

Dies Vermögen sei aber in Wirklichkeit nicht das zu

teilende Vermögen; denn es gehöre zu demselben noch dasjenige Vermögen der-

Bekl., welches diese von ihrem Vater ererbt gehabt.

Infolgedessen habe sich die

Kl. bei Abschluß des Vergleiches in dem Objekte, auf welches sich derselbe bezogt

also in dem Hauptgegenstande ihrer Willenserklärung, oder wenigstens in dem vorausgesetzten Werte, also einer wesentlichen Eigenschaft desselben geirrt."

Die Nichtigkeit dieses letzten,

den vorausgesetzten Wert als

wesentliche

Eigenschaft bezeichnenden Satzes kann unerörtert bleiben, da die übrigen vor­

stehenden Ausführungen im wesentlichen für zutreffend und durchgreifend zu

erachten sind. RG. hat in einem Urteile (Rep. IV, 148/81), wo behauptet war, daß ein Nachlaßaktivum von 2500 Talern bei Abschluß des Erbvergleiches übersehen

sei, im Anschlüsse an mehrere Entscheidungen des ehemaligen OTrib. (vgl. Striethorst, A. Bd. 3 S. 207,

Bd. 40 S. 260, 263,

S. 26, 29) allerdings ausgeführt:

Bd. 41 S. 54, 59, Bd. 96

„Als Hauptgegenstand einer Erbteilung sei

der Nachlaß als solcher, das ist der Inbegriff aller Sachen, Rechte und Ver-

Pflichtungen des Erblassers zu betrachten.

Ein Irrtum, welcher bezüglich einzelner

dem Inbegriffe angehörender Objekte stattgefunden habe, könne dagegen nur als

ein Irrtum über die Beschaffenheit des der Teilung unterworfenen Nachlasses betrachtet werden, und ein solcher Irrtum sei in der Regel nicht geeignet, die

Anfechtung zu begründen."

Ob an diesen Grundsätzen in solcher Allgemeinheit

-festzuhalten ist, kann hier dahingestellt bleiben, da der leitende Gesichtspunkt

jener Entscheidung jedenfalls dann nicht zutrifft, wenn die Absicht der Kon­

trahenten in Wirklichkeit darauf gerichtet war, sich auf Grund eines Verzeichnisses über

die

spezifizierten

Vermögensstücke

auseinanderzusetzen,

und

wenn sie

dabei in der irrigen Annahme, daß das Verzeichnis den ganzen Nachlaß dar­

stelle, den gesamten Nachlaß als Objekt der Auseinandersetzung bezeichneten?) In solchem Falle darf das entscheidende Gewicht nicht auf den irrtümlich zur

Anwendung gebrachten, zu weit gehenden Ausdruck, sondern es muß darauf

gelegt werden, was die Kontrahenten als Gegenstand der Auseinandersetzung wirklich im Auge gehabt haben.

So liegt die Sache nach der an sich nicht zu

beanstandenden Feststellung des BG. auch in dem hier zu entscheidenden Streit­

fälle.

Unerheblich ist dabei, ob die Kl. sich infolge eines rechtlichen oder tat­

sächlichen Irrtumes über den wahren Umfang der Vermögensmasse, die zwischen

den drei Interessenten zur Teilung gebracht werden sollte, in Unkenntnis befunden hat (vgl. IW. 1892 S. 488 Nr. 31).

57. Über die Bedeutung der olt-Klausel. I. 277/98 v. 22.10.1898.

E. Bd. 42 Nr. 35 S. 143 (Hamburg).

Indem die Parteien auf eine im Handelsverkehr gebräuchliche Geschäfts­ klausel (cif Rotterdam) kontrahierten, unterwarfen sie sich derselben nach Maß­

gabe ihrer wirklichen, durch den Verkehr entwickelten und in demselben an­

erkannten Bedeutung, nicht anders, als wenn sie ein Reglement oder eine ähnliche Bestimmung dem Vertrage zu Grunde gelegt hätten.

Insbesondere ging auch

ersichtlich der Wille des Kl. dahin, als mit dem Inhalt der Klausel bekannt betrachtet und behandelt zu werden, mag nun der Vorschlag zur Aufnahme der

Klausel von seinem Gegenkontrahenten herrühren und seine Zustimmung gefunden haben, oder aber von ihm selbst ausgegangen sein. als Kl. selbst Kaufmann und Großhändler ist.

Dies muß umsomehr gelten,

Wenn er sich nun auch über

die wirkliche Bedeutung der Klausel getäuscht hat, so wurde sein auf Geltung

derselben, entsprechend ihrem wirklichen Inhalt, gerichteter Wille hierdurch nicht ausgeschlossen; derselbe blieb nach seiner Art und nach seinem Umfange eine

ausreichende Grundlage für den Eintritt einer der Bedeutung der Klausel voll­

ständig entsprechenden Rechtsfolge. *) In gleicher Weise hat RG. durch Urteil in IV. 9/93 entschieden, wobei auch auf Arch. f. Rechtspfl. Bd. 79 S. 267, Entsch. des preuß. OTrib. Bd. 36 S. 96 und Gruchot, Beitr. Bd. 24 S. 452 Bezug genommen ist.

-3. Abschn. Rechtsgeschäfte. Tit. 2. Willenserklärung. § \25. a) Betrug.

33

Ein die Willensübereinstimmung hindernder Irrtum würde ferner auch 'deshalb verneint werden müssen, weil für den Handelsverkehr davon auszugehen

ist, daß jeder Kontrahent sich, der Verkaufsauffassung gemäß, derjenigen Aus­

legung seiner Erklärungen fügen will, welche nach Lage der Sache die zutreffende ist, vorausgesetzt, daß der Gegenkontrahent die Erklärungen tatsächlich im Sinne

dieser Auslegung versteht und entgegennimnrt.

Eben dies liegt aber hier vor.

§ 123.

a) Arglistige Täuschung. ■mgs>Widerri»f bei mehreren Erbe« (§ 530 Abs. 2). IV. 125/941>. 1.11. 1894. E. Bd. 34 Nr. 49 S. 204 (Paderborn, Hamm). Vgl. § 2040. Das NG. hat bereits in Rep. IV. 358/93, vgl. Entsch. Bd. 33 S. 247 angenommen, daß der Widerruf einer Schenkung da, wo die Schenkung aus

einer ehelichen Gütergemeinschaftsmasse erfolgt ist, nach dem Tode des einen Gütergenossen mit Rechtswirksamkeit jedenfalls nur von dessen Erben und dem

anderen Gütergenossen gemeinschaftlich ausgeübt werden kann.

Der vorgedachte

Grundsatz muß aber auch da, wo, wie im jetzigen Rechtsfalle, die Schenkung zwar nur von einer Person vorgenommen, diese jedoch von mehreren Personen

beerbt ist, zur Geltung gelangen in der Art, daß in jedem Falle nur den

Erben gemeinschaftlich die Befugnis zum Widerrufe zugesprochen werden kann. Dem gegenüber erscheint der Hinweis des BG. auf den Rechtssatz, daß der einzelne Erbe zu allen Maßregeln befugt sei, welche die Feststellung, Sicherstellung

und Erhaltung des Nachlasses betreffen, nicht zutreffend, da es sich bei der vorliegenden Frage nicht um eine Schutzmaßregel, sondern um eine rechtsgeschäft­ liche Erklärung betreffs der Substanz des Nachlasses handelt, durch die der

Nachlaß eine mit dem Willen des Testators in Widerspruch stehende rechtliche Gestaltung erhalten soll. Rudorfs, Reichsgerichts-Entscheidungen.

Bd. I.

14

210

Bürgerliches Gesetzbuch.

Titel 3.

II. Buch. Recht der Lchuldverhältnisse.

Miete.

Pacht (§§ 535 ff.).

Über den Schleppvertrag als Werkvertrag s. Tit. 7 Nr. 351.

321. Vertragliche Haftung des Staates für die Beschaffenheit von Hafenanlagen? V. 574/82 v. 16.12. 1882. E. Bd. 9 Nr. 65 S. 243.

Vgl. bei §§ 241, 823.

Dadurch, daß Kl. kraft des allgemeinen Gebrauchsrechts den Hafen für seine Schiffe benutzt hat, kann eine Verpflichtung des Staates nicht begründet werden. Merdings wird ein Hafengeld erhoben in der Weise, daß derjenige, welcher den Hafen benutzt, diese Abgabe zu entrichten

hat.

Nach Art. 54 der RV. ist

eine solche Abgabe bestimmt, einen Ersatz für die zur Unterhaltung und Her­

stellung der Schiffahrtsanstalten erforderlichen Kosten zu gewähren.

Aus dem

Umstande, daß der Staat die Abgabe angeordnet hat und erhebt, läßt sich aber nicht folgern, daß er eine vertragsmäßige Verpflichtung in betreff der Beschaffen­

heit der im Hafen vorhandenen, für die Schiffahrt bestimmten Anstalten hat

übernehmen wollen.

Das Hafengeld wird vielmehr, wie andere Abgaben, auf

Grund einer gesetzlichen Anordnung erhoben.

Wenn auch der Staat nach der

RV. insofern in der Bestimmung desselben beschränkt ist, daß der Gesamtbetrag der Abgabe die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der Schiffahrts­ anstalten in deni Hafen erforderlichen Kosten nicht übersteigen darf, so wird doch hierdurch der Charakter des Hafengeldes nicht geändert; es bleibt eine auf

Grund des Gesetzes zu entrichtende Abgabe und kann nicht als vertragsmäßige Leistung angesehen werden, welche zu einer Gegenleistung verpflichtet.

Hiernach fehlt es an einem Grunde für diese Annahme, daß Bekl. dem Kl. gegenüber vertragsmäßig die Verpflichtung übernommen habe, für die Sicherung

der Schiffe des letzteren in dem Hafen, soweit es dabei auf die von demselben

zu benutzenden Schiffahrtsanstalten ankomme, zu sorgen ...

322. Beleuchtungspfltcht des Vermieters. VI. 290/93 v. 12. 2. 1894.

E. Bd. 33 Nr. 50 S. 225 (Halle, Naumburg).

Mit Recht erhebt die Rev. den Angriff, daß aus dem Mietverträge an sich die Verpflichtung des Vermieters zur Beleuchtung der vermieteten Räume

nicht hergeleitet werden könne. sBGB.

§§ 536, 580]

vermietete

haltung

Sache

in

der

Es ist richtig, daß nach (§ 272 ALR. I. 21)

Verpächter oder Vermieter

brauchbarem

eines Hauses

Stande

gehört aber die

zu

die

erhalten

Beleuchtung nicht.

verpachtete

hat.

oder

Zur Unter­

Der

Vermieter

hat namentlich auch die dem Mieter zum alleinigen Gebrauche überlassenen Räume zu unterhalten;

aber soweit für ihn eine Beleuchtung derselben nötig

oder erwünscht ist, hat der letztere selbst auf eigene Kosten dafür zu sorgen,

es wäre denn, daß ausnahmsweise der Vermieter eine solche Leistung über­ nommen hätte.

Bezüglich der Beleuchtung der Zugänge zu den vermieteten Wohnungen und der dahinführenden Treppen kann es, wenn in dem Mietverträge hierüber

nichts bestimmt ist, zuweilen zweifelhaft sein, ob der Vermieter stillschweigend

übernommen hat, hierfür zu sorgen. zu entscheiden.

Diese Frage ist nach den Umständen

Es kommt namentlich auf den Ortsgebrauch bei derartigen

Mietsverhältnissen an.

Daneben kann auch das Verhalten der Kontrahenten,

insbesondere der Umstand von Erheblichkeit sein, daß der Mieter den Miet­ vertrag nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Zeit ohne Remonstration

erneuert oder fortgesetzt hat, obgleich er wußte, daß der Vermieter die Zugänge und Treppen zu beleuchten nicht willens war.

Auch die Höhe des Mietzinses

kann einen Schluß auf die Absicht der Kontrahenten rechtfertigen.

Die aus­

bedungene Miete kann eine so geringe sein, daß schon hieraus erhellt, daß der Vermieter die Beleuchtung der zu der Wohnung führenden Zugänge und Treppen während der

üblichen Verkehrszeiten nicht hat übernehmen sollen.

Dabei ist

indessen zu berücksichtigen, daß, wenn in größeren Hänsern dieselben Zugänge

und Treppen zu mehreren Wohnungen führen, die von einem einzelnen Mieter zu zahlende Miete nicht entscheidend ist, und daß es auch vorkommen kann, daß

der Vermieter die Zugänge und Treppen in seinem eigenen Interesse beleuchten muß oder zu beleuchten pflegt, in welchem Falle die Übernahme einer solchen Leistling in einem Mietverträge eine besondere Ausgabe für ihn nicht erforder­

lich machen würde.

BG. nimmt eine allgemeine Pflicht des Bell, an, sein anderen Personen

zllgüngliches Grundstück, welches von solchen, namentlich seinen Mietern, betreten werde, während der allgemeinen Verkehrszeiten in einem Zustande zu erhalten,

welcher keine Gefahr für Leben und Gesundheit der dort verkehrenden Personen mit sich bringe, und dasselbe zu diesem Zwecke insbesondere auch zu beleuchten. Ein Rechtssatz, welcher einem Hausbesitzer, der Wohnungen in seinem Hause

vermietet, im öffentlichen Interesse die Verpflichtung auferlegt, die Zugänge zu

den Mietwohnungen während existiert nicht.

der allgemeinen

Verkehrszeiten zu

beleuchten,

Ein solcher Rechtssatz würde auch, wenn in einem Hause nur

eine oder wenige kleine Mietswohnungen vorhanden sind, zu einer verhältnismäßig

erheblichen Steigerung der Mietspreise führen müssen.

Dagegen kann es bei größeren Häusern, in denen eine Anzahl Miets­ wohnungen vorhanden sind, und in welchen, namentlich in den großen Städten, auch des Abends nach eingetretener Dunkelheit die Zugänge und Treppen nicht

bloß von den Mietern und deren Hausgenossen, sondern auch von Fremden vielfach betreten werden, im Interesse der öffentlichen Sicherheit geboten sein,

daß für eine genügende Beleuchtung derartiger Räume gesorgt wird. In solchen Fällen, in denen, wie man es ausgedrückt hat, ein Verkehr in dem Hause er­ öffnet ist, kann sich für den Hauswirt aus den Umständen eine Zwangspflicht

zur Beleuchtung ergeben, deren Vernachlässigung ihn haftbar macht für den dadurch entstandenen Schaden. Etwas anderes ist auch in den von dem BG. angezogenen Entscheidungen

des RG. nicht ausgesprochen.

In Bd. 14 S. 362 ff. Str. findet sich die

Bemerkung: „Wenn ein Hauseigentümer... Mitbewohner aufnimmt und dadurch

14*

Bürgerliches Gesetzbuch.

212

II. Buch. Becht der chchuldverhältnisse.

oder auf andere Weise einen Verkehr in dem Hause herstellt, so hat er die

Pflicht, dafür Sorge zu tragen, daß bei dem von ihm hergestellten Verkehre

andere durch die Anlagen des Hauses an ihrem Körper nicht Schaden erleiden." Bolze, Praxis Bd. 4 Nr. 338, betrifft ein zu Gerichtszwecken benutztes Gebäude, zu welchem das Publikum Zutritt hatte.

Auch hier ist das Gewicht darauf gelegt,

daß der Justizfiskus einen Verkehr für andere in dem Hause eröffnet hatte. In Gruchots Beitr. Bd. 36 S. 447, in welchem es sich um ein sog. „Familien­

haus" handelt, hebt das Urteil ausdrücklich hervor, daß der Hausbesitzer zu

prüfen gehabt hätte, ob eine Beleuchtung des Hausflures vorgeschrieben oder sonst erforderlich

sei, nimmt also eine allgemeine Verpflichtung

des Haus­

besitzers, für die Beleuchtung der Zugänge zu den vermieteten Wohnungen zu

sorgen, nicht an. Danach hängt hier die Entscheidung davon ab, ob sich aus den Umständen eine Verpflichtung des Bell, ergibt, den Gang, in welchen: die Kl. gefallen ist,

zu der fraglichen Zeit beleuchten zu lassen ...

323. Kenntnis des Mieters von Mitngeln der Mietsache. VI. 88/97 v. 12. 7.1897.

IW. 1897 S. 481 Nr. 67.

Der Satz des BG., daß Bell, sich habe sagen müssen, daß die Alwine als

eine alte, gebrauchte Maschine Mängel haben werde, die im Betriebe hervor­

treten könnten, läßt die Auffassung zu, daß die Maschine habe mit Mängeln behaftet sein dürfen, die dem Gebrauche hinderlich waren.

Dies ist rechts­

irrtümlich und kann daraus, daß im Vertrage die Maschine als eine gebrauchte,

— nicht als eine alte —, bezeichnet war, nicht hergeleitet werden.

Nach dem

Vertrage sowohl, in welchem Kl. sich verpflichtet hatte, die Maschine in kom­ plettem und betriebsfähigem Zustande zu übergeben, als auch nach dem Gesetze (§ 318 des MR. Tl. I Tit. 5, §§ 272ff. Tl. I Tit. 21) haftete Kl. für die

Gebrauchsfähigkeit

der Maschine.

Bekl.

hatte

vorhandene Schäden, die im

Betriebe hervortraten, nicht auf seine Kosten zu beseitigen; er hatte auch im

Vertrage

nur die

Verpflichtung

übernommen,

die Maschine

in

ordnungs­

mäßigem Zustande zu erhalten und Kl. mit Ablauf der Mietszeit in kom­ plettem und betriebsfähigem Zustande zurückzuliefern, wobei der ordnungs­ mäßige, d. h. fehlerfreie Zustand der Maschine bei der Übergabe an Bekl. vorausgesetzt war.

324. Gewährleistung des Vermieters für bekannte Mängel der Mietsache. III. v. 19.10. 1880.

Seuff. Bd. 36 Nr. 115 S. 164 (Nassau).

Mit Recht ist das OLG. davon ausgegangen, daß der Mieter, welcher mit Kenntnis der fehlerhaften Eigenschaften des Mietgegenstandes den Mietvertrag

abgeschlossen oder stillschweigend erneuert habe, dadurch auf die Geltendmachung

der ihm durch jene Mängel dem Vermieter gegenüber erwachsenen Rechte ver­ zichte.

Es ist gleichgültig, ob dabei ein einzelner Mangel der Mietwohnung

oder deren Unbrauchbarkeit zu den Zwecken des Mieters überhaupt in Frage steht; denn die Gesetze geben dem Vermieter unter solchen Umständen bezüglich aller Gewährsmittel eine wirksame Einrede.

Pacht oder Kauf?

325. Steinbruch.

III. 140/81 v. 19. 11.1881. E. Bd. 6 Nr. 2 S. 4. (Limburg, Frankfurt). Vgl. § 581.

S-uff. Bd. 38 Nr. 18 S. 27

Der vorliegende Vertrag ist nur darauf gerichtet, daß dem Bekl. das Recht gewährt werden soll, aus den

Steine zu brechen".

beiden Kalksteinfelsen

„nach freiem Belieben

Die Gewährung dieses Rechts kann aber, bei dem um­

fassenden Inhalt desselben, nur dadurch erfolgen, daß Kl. ihm für die Dauer

der Vertragszeit die — innerhalb

der

durch

den Vertragszweck

gegebenen

Schranken — beliebige Verfügung über das ganze Grundstück gestattet, mit anderen Worten, daß sie ihn in den Besitz des Grundstücks einsetzt.

Hieraus

folgt nicht nur, daß Kl. mit der Einräumung dieses Besitzes alles getan hat, was ihr aus dem Vertrage obliegt, sondern auch andererseits, daß Bekl. durch

die Annahme dieses Besitzes alles in Empfang genommen hat, was er aus

dem Vertrage zu fordern hat.

Ob und in welchem Umfang derselbe von dem

ihm somit gewährten Recht Gebrauch machen wolle, ist lediglich seine Sache; der Vertrag ist durch die Gewährung und Belassung des Besitzes des auszu­

nutzenden Grundstücks erfüllt, einerlei ob Bekl. das in demselben vorhandene Gestein bis auf den letzten Stein ausbricht, oder ob er beim Ablauf der Pacht­

zeit sämtliche Steine ungebrochen sitzen läßt.

Hiermit sind offenbar alle recht­

lichen Erfordernisse des Abschlusses eines Pachtvertrages gegeben.

Es erhellt

aber hieraus zugleich, daß der abgeschlossene Vertrag als ein Kaufvertrag nicht

aufgefaßt werden kann.

Denn da der Kaufvertrag darauf gerichtet sein muß,

daß der Käufer von dem Verkäufer eine ihm verkaufte Sache zu erhalten hat,

so kann von einem Kauf von Steinen da nicht die Rede sein, wo, wie hier,

zur vollständigen Erfüllung des Vertrages es nicht erforderlich ist, daß der eine Vertragsteil von dem andern Teil auch nur einen einzigen Stein erhält.

328. Ausbeutung eines Toulagers.

IV. 153/90 v. 22. 9. 1890.

Gr. Bd. 35 S. 1024 Nr. 86 (Berlin).

Die Frage, ob ein Vertrag, in welchem ein Grundeigentümer dem anderen Vertragsteile gegen Entgelt das Recht einräumt, Substanzteile des Grundes

und Bodens selbst zu gewinnen und zu verwenden, unter den Begriff eines

Pachtvertrages gebracht werden kann, ist von der pr. Rechtsprechung verschieden beantwortet worden.

Das pr. OTrib. hat einen Vertrag über Austorfung

einer Wiese nicht für einen Pachtvertrag erachtet (Strieth. A. Bd. 13 S. 36

und Bd. 61 S. 63).

Ebenso hat es einen Vertrag über Einräumung des Rechtes

zum Brechen von Steinen in einem Steinbruche nicht als einen Pachtvertrag, sondern als einen Kaufvertrag angesehen (Strieth. A. Bd. 59 S. 79). Desgleichen

214

Bürgerliches Gesetzbuch.

II. Buch.

Recht der Schuldverhältnisse.

einen Vertrag über Ausbeutung eines Bergwerkes (Strieth. A. Bd. 29 S. 149).

Dagegen hat es einen auf die Ausbeutung von Tonlagern und Ziegelfabrikation gerichteten Vertrag mit einem dem Inhalte des vorliegenden Vertrages ähnlichen Inhalte (U. v. 25. Juni 1879 Gruchot Beitr. Bd. 14 S. 277) für einen

Pachtvertrag erachtet.

RG. hat (U. v. 19. Nov. 1881 E. Bd. 6 S. 4) das

Recht, in einem Steinbruche Steine zu brechen, als Gegenstand eines Pacht­ vertrages angesehen.

Die Auffassung, nach welcher Nutzungen, wie die in

Rede stehenden, Gegenstand eines Pachtvertrages sein können, hat in der Vor­ schrift des § 114 des pr. allg. Bergg. v. 24. Juni 1865, in welcher die Über­ lassung und Ausbeutung eines Bergwerkes als Verpachtung bezeichnet wird, gesetzliche Anerkennung gefunden.

Auch ist zu bemerken, daß der gegenwärtig

erkennende Senat des RG. (IV. 52/90, 12. Juni 1890) ausgesprochen hat, es bestehe an sich kein Hindernis, ein bergbauliches Nutzungsrecht, welches auf Überlassung von Grund und Boden zum Betriebe eines Bergwerks gerichtet

sei, durch einen Pachtvertrag zu begründen. Die in den zuletzt angegebenen Urteilen dargelegte, der Vorschrift im

§ 114 dess. Bergges. zum Grunde liegende Auffassung ist im Streitfälle fest­ zuhalten.

Wird der damit gegebene Maßstab an den vorliegenden Vertrag

angelegt, so stellt sich der Vertrag als Pachtvertrag dar, und zwar nicht bloß insoweit, als er für die Kl. das Recht auf die Überlassung des für den Bau

und den Betrieb der Ziegelei nötigen Landes im Umfange bis zu 25 a für

jede Million jährlich herzustellender Ziegel begründet, sondern auch insoweit, als er auf die Überlassung der Tonlager zur Ziegelfabrikation gerichtet ist. Daß es sich hierbei nicht um einen ein für allemal bestimmten Gegenstand

des Pachtvertrages handelt, die der Kl. zu überlassenden Grundstücksflächen vielmehr dem Wechsel unterliegen, ändert hierin nichts.

327. Ausbeute eines Bergwerks. III. 215/88 v. 29.1.1889.

IW. 1889 S. 116 Nr. 32 (Gem. R). Vgl. Art. 67 EG.

Es muß zugegeben werden, daß die Verpachtung der Ausbeute eines Berg­

werks ein vollkommen zulässiger Vertrag ist, insofern — nach gemeinem Rechte — die aus einem Grundstücke gewonnenen Mineralen als Früchte desselben be­

trachtet werden

(vgl. RGEntsch. Bd. VI Nr. 2 S. 6).

Allein die Gründe,

welche BG. dafür anführt, daß in Wirklichkeit Werkverdingungsverträge ge­ schlossen worden seien, lassen es mindestens als zweifelhaft erscheinen, ob die Kontrahenten Pachtverträge eingehen wollten oder doch, wenn dies in ihrer

Absicht lag, die wirklich geschlossenen Verträge ihrem materiellen Inhalt nach als Pachtkontrakte anzusehen sind.

Bedürfen hier aber solchergestalt die Ver­

träge der Auslegung, so ist der Name, welchen ihnen die Kontrahenten bei­

legten, nicht von ausschlaggebender Bedeutung, es sind vielmehr die getroffenen Verabredungen nach ihrem Gesamtinhalte und die Umstände des Falles für die rechtliche Würdigung des Vertragsverhältnisses maßgebend.

Titel 5.

Darlehen (§8 607 ff.).

Über Baugeldervertrag, pactum de mutuo dando, vgl. Nr. 256 bei §§ 362 ff. 328. Kündigung trotz entgegenstehender Einrede. in. 106/83 v. 6. 7. 1883. (Braunschweig).

E. Bd. 9 Nr. 61 S. 229.

Senfs. Bd. 39 Nr. 92 S. 141

Es ist eine unrichtige Rechtsansicht, von welcher BG. ausgeht, wenn es annimmt, daß eine Kündigung, um rechtswirksam zu werden, zur Voraussetzung habe, daß der erfolgreichen Einklagung der gekündigten Forderung weder die

Einrede des nicht erfüllten Vertrages, noch eine andere, die Klage zur Zeit elidierende Einrede entgegenstehe. Die Kündigung hebt einfach nur den bisher gewährten Kredit auf, und je nachdem der Vertrag die Fälligkeit der gekündigten Forderung von dem Ablaufe eines bestimmten Zeitraumes abhängig macht oder nicht, nimmt die Forderung mit der Kündigung den rechtlichen Charakter einer betagten oder einer unbetagten Forderung an. Ausgeschlossen ist es damit natürlich nicht, daß im einzelnen Falle nach erfolgter Kündigung die Verhältnisse

der Parteien zu einander sich so gestalten, daß sie eine genügende tatsächliche

Grundlage bieten für die Annahme einer stillschweigenden Willenseinigung über eine weitere Kreditgewährung bis zur erneuerten Kündigung. Allein dann ist es eben diese Willenseinigung, welche eine wiederholte Kündigung notwendig macht. Ferner ist auch, obwohl es begreiflich nicht leicht vorkommen wird, die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß in einem Vertrage ausbedungen wird, die Kündigung dürfe erst erfolgen, nachdem alle zur Zeit der wirksamen Einklagung etwa entgegenstehenden rechtshindernden Tatsachen beseitigt sind. Allein eine Gesetzesvorschrift, derzufolge auch ohne eine solche Beredung die Rechtswirk­ samkeit der Kündigung von jener Voraussetzung abhängig wäre, besteht nicht,

und worauf BG. seine Rechtsansicht glaubt stützen zu können, ist unerfindlich. 329. Kündigung durch Aufrechnungserklärung.

IV. 169/86 v. 29.11.1886.

E. Bd. 17 Nr. 37 S. 148 (Bromberg, Posen).

An sich ist die Kündigung eines Darlehns durch den Gläubiger der Aus­ druck seines Willens, nach Ablauf der Kündigungsfrist befriedigt zu werden. Der Regel nach wird dieser Wille dahin gehen, durch Zahlung befriedigt zu

werden; darin besteht ja auch die ursprüngliche Verpflichtung des Darlehnsschuldners. Die Praxis nimmt an, daß, wenn der Gläubiger einer auf Kündi­ gung stehenden Forderung ohne vorgängige Kündigung die Klage erhebt, die

Der Schuldner wird, wenn die Kündigungsfrist bis zum Erlaß des Urteiles abgelaufen ist, einfach zur Zahlung

Zustellung der Klage als Kündigung gilt.

verurteilt. (Vgl. Entsch. Bd. 8 S. 415 (Nr. 210 zu § 271]). Wie nun unzweifelhaft die Verpflichtung des Darlehnsschuldners, die er­

haltene Summe zurückzuzahlen, auch durch gegenseitige Anrechnung erfüllt werden kann, so kann der Kündigungswille des Gläubigers auch den Inhalt haben, sein Recht auf Auszahlung dadurch erfüllt zu sehen, daß seine Darlehns-

216

Bürgerliches Gesetzbuch. II. Buch. Recht der Schvldverhältnisse.

forderung zur Kompensation gegen eine Forderung des Darlehnsschuldners an ihn zugelassen wird.

gemachte

In diesem Falle ist die ohne vorherige Kündigung geltend

Kompensation

mit einer der Kündigung unterliegenden Forderung

gegen die Forderung des Darlehnsschuldners in Ansehung des Rechtes zu kom­ pensieren, als Kündigung anzusehen und, wenn die Kündigungsfrist bis zum Erlasse des Urteiles abgelaufen ist, der Gegner auf Grund der Kompensations­

einrede abzuweisen.

Titel 6. Dienstvertrag (§§ 611 ff.). 330. Unterschied zwischen Dienst- und Werkvertrag. HL 10. 5. 1881. Senfs. Bd. 42 Nr. 29 S. 37. Ztschr. f. Bcrw. it. Rechtspfl. im Gr. Oldenb. Bd. 13 S. 73 (Oldenb. ©.). Vgl. § 631.

Da der Werkverdingungsvertrag loc. cond. den einen Teil zur Leistung

eines Werks an den andern Teil verpflichtet, so ist zum Wesen dieses Vertrags erforderlich, daß derselbe sich auf die Ausführung eines festbestimmten Werks

richtet.

Daß unter Umständen ein Zweifel darüber entstehen kann, ob ein über

eine Arbeitsleistung abgeschlossener Vertrag als eine Werkverdingung oder als eine Dienstmiete zu verstehen sei, ist nur deshalb möglich, weil auch bei der

Dienstmiete die vertragsmäßige Aufgabe der gemieteten Dienste auf die Her­ stellung eines festbestimmten Werks beschränkt sein kann.

Wenn der Vertrag

die Bezeichnung eines festbestimmten Werks, welches ausgeführt werden soll, nicht

enthält, so ist die Annahme einer Werkverdingung begriffsmäßig ausgeschlossen. In dem vorliegenden Vertrag hat nun aber Kl. sich in keiner Weise verpflichtet,

für ein bestimmtes Ergebnis der von ihm übernommenen Arbeiten aufzukommen. Er hat sich nicht verpflichtet, eine bestimmte Anzahl Ziegeln fertig zu stellen,

noch auch, eine bestimmte Quantität Lehm zu verarbeiten oder eine bestimmte Anzahl Brände auszuführen.

Seine Verpflichtung hinsichtlich des Umfangs

der ihm obliegenden Leistungen geht nur dahin, daß er nebst etwa 50 Gehilfen im Frühjahr, sobald mit Ziegelarbeiten begonnen werden kann, auf der Ziegelei

des Gemeinschuldners sich einstellen und daselbst die Arbeiten ununterbrochen fortsetzen soll, so lange, als es im Herbst die Witterung gestattet.

Für seine

und seiner Gehilfen Arbeiten soll er bezahlt werden mittels eines für die ver­

schiedenen Sorten der von ihm herzustellenden Fabrikate festgesetzten Stück­ lohns.

Er hat sonach übernommen, seine und seiner Gehilfen ganze Arbeits­

kraft für den Gemeinschuldner aufzuwenden, und zwar in dessen Erwerbs­ geschäft und während eines längeren Zeitraumes.

Dieser Vertrag ist offenbar

eine Dienstmiete.

331. Aufnahme ins Krankenhaus. IH. 148/87 v. 28.10.1887.

IW. 1888 S. 29 Nr. 62 fGem. R.).

Das Hospital, welches einen Kranken aufnimmt, verpflichtet sich, nicht in ähnlicher Weise wie der conductor operis zur Hervorbringung eines besümmten

Endergebnisses, etwa zur Heilung des aufgenommenen Kranken: es übernimmt

nur eine Reihe von Einzel-Verpflichtungen, wie solche durch die Verpflegung eines Kranken erfordert werden.

Ob das Krankenhaus einer Korporation an­

gehört oder im Besitz eines Einzelnen steht, immer sind es nur diese einzelnen Leistungen, auf welche der Kranke Anspruch zu erheben hat und welche den In­

halt der Verbindlichkeit der Krankenanstalt bilden.

Für derartige Obligations­

verhältnisse muß aber an der vorhin erwähnten Regel festgehalten werden, daß

der Prinzipal nur für Fahrlässigkeit in der Auswahl und Beaufsichtigung seiner Die Pflicht der Bewachung des Kranken be­

Hilfspersonen einzustehen hat.

gründet keine Ausnahme: sie ist nur eine der mannigfaltigen Leistungen, welche nach der Natur der Krankheit und den persönlichen Zuständen des Kranken

nötig werden können, sie steht also unter den gleichen rechtlichen Gesichtspunkten wie die übrigen, zur Wartung und Pflege des Kranken dienenden Handlungen

und kann darum auch nicht in betreff die

dabei

verwendeten

Gehilfen

einen

der Haftpflicht des Prinzipals besonderen

und

strengeren

für

Maßstab

rechtfertigen.

332. Öffentliche Fähre. I. 202/88 v. 16.10. 1888.

E. Bd. 23 Nr. 16 S. 90 (Hamburg).

Bekl. ist Pächter einer „öffentlichen" Fähre. ders.

(Fassung von

Die GewO, findet nach § 6

1883) keine Anwendung auf die Befugnis zum Halten

öffentlicher Fähren, wodurch, da der § 6 zu den einleitenden allg. Bestimmungen gehört, auch die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 120 GewO, auf den vor­

liegenden Fall allerdings ausgeschlossen erscheint.

Mit Recht hat aber BG. den

Vertrag des Fahrgastes mit dem Fährmanne nicht als eine Dienstmiete, sondern als eine locatio conductio operis aufgefaßt, gerichtet auf die Beförderung des Fahrgastes nach einem bestimmten Ziele, und es ist deshalb auch mit Recht

nicht bezweifelt, daß Bekl., von welchem persönlich die Bewirkung der über­

nommenen Leistungen offenbar nicht erwartet werden konnte, als conductor

operis an sich für schuldhafte Handlungen und Unterlassungen der von ihm angenommenen Hilsspersonen den seine Fähranstalt benutzenden Personen gegen­

über haftet: sBGB. §§ 278, 831] (Vgl. ROHG. Bd. 12 S. 73 ff. und Bd. 13

S. 77 ff.; RG. Bd. 10 S. 165 ff.).

Ebensowenig scheint

das

BG.

zu be­

zweifeln, daß Bekl. schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen verpflichtet war,

auf den von ihm zur Führe benutzten Schiffen die zur tunlichsten Sicherung

der Fahrgäste gegen Gefahr für Leben und Gesundheit geeigneten Einrichtungen herzustellen und zu unterhalten.

Es ist aber der Ansicht, daß I der desfallsigen

Verpflichtung des Bekl. einen zu weiten Inhalt beigelegt habe, daß insbesondere

das Vorhandensein einer Sperrkette vor'dem Eingänge zum Maschinenraume

nicht erforderlich gewesen sei, und daß deshalb Bekl. auch nicht dafür ver­ antwortlich gemacht werden könne, daß dieselbe zur Zeit des Unfalles nicht vorgehängt war.

218

Bürgerliches Gesetzbuch.

II. Buch.

Recht der Schuldverhältnisse.

Allerdings kann als Gegenstand der Verpflichtung des Fährmannes die

sichere Beförderung des Fährgastes schlechthin nicht angesehen werden und es

geht zu weit, die Verpflichtung des Fährmannes dahin zu formulieren, daß er

die den Passagieren zugewiesenen Räume in einem die Gefährdung derselben

ansschließenden Zustande zu erhalten habe; denn es wird mit Recht darauf hingewiesen, daß nach der Natur der Sache kleine Fahrzeuge, wie sie zum Fähr­

dienste benutzt zu werden pflegen, mancherlei Unvollkommenheiten in sich tragen

und auch in Bezug auf die Sicherheit nicht so weitgehende Garantieen bieten können, wie z. B. ein großer, aufs beste eingerichteter Dampfer; der Fährgast, welcher sich den daraus sich ergebenden Gefahren aussetze, habe dieselben daher

selbst zu tragen.

BG. führt sodann aus, der durch die Benutzung eines Fährbootes be­ gründete Werkverdingungsvertrag habe nicht die Beförderung in der denkbar

sichersten Weise, sondern die Beförderung nach Maßgabe des zur Verfügung gestellten Transportmittels zum Gegenstände, wobei allerdings jeder Fährgast

beanspruchen könne, daß es an denjenigen zur Sicherheit des Publikums die­ nenden Vorrichtungen nicht fehle, welche allgemein üblich, und insbesondere nicht an solchen, welche polizeilich vorgeschrieben sind.

Auch hierin ist dem BG. zwar im allgemeinen beizutreten, jedoch nur mit der Maßgabe, daß der aus dem Vertrage seinen Fahrgästen für jede, auch die geringste Nachlässigkeit haftende Bekl. auch eine dieser Haftung entsprechende Sorgfalt aufzuwenden hatte, daß deshalb die allgemeine Üblichkeit und die

Anforderungen der Polizeibehörde in betreff der zur Sicherheit des Publikums

geeigneten Vorrichtungen für ihn nur die Minimalgrenze des zu Leistenden bildeten, und daß er auch über dieses Maß hinaus seinen Fahrgästen haftete,

wenn er bei Aufwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und geschäftskundigen Fährmannes erkannte oder erkennen mußte, daß das allgemein Übliche oder polizeilich Vorgeschriebene zu der auch auf solchen Fährbooten zu ermöglichenden

tunlichsten Sicherung des Publikums nicht genüge, und daß die Beschaffenheit

des von ihm zum Transporte benutzten Fahrzeuges noch weitere Vorsichts­ maßregeln erfordere und gestatte, ohne daß hierdurch ein unverhältnismäßiger Kostenaufwand oder eine untunliche Erschwerung in der Handhabung des Fahr­

zeuges oder ein anderer Nachteil, durch welchen die Unterlassung sich recht-

fertigt, herbeigeführt werde. Was BG. zu der Annahme veranlaßt hat, daß die Sperrkette nicht als

Sicherungsmittel gegen das Hineinfallen in den Maschinenraum dienen könne und, wo sie angebracht sei, nur die Bestimmung habe, dem Publikum den Zu­

tritt in denselben zu verwehren, ist nicht ersichtlich. Daß eine feste Türe in der die Öffnung des Maschinenraumes umgebenden Einfriedigung eine noch größere Sicherheit als eine Sperrkette gewähren würde, schließt noch nicht aus,

mindestens eine Verringerung der Gefahr des Hineinstürzens für geboten zu

erachten.

7. Abschn.

Tit. 6.

Dienstvertrag.

§ 6(8. Dienstanweisung.

219

§ 618. Vgl. Art. 95 EG. u. Gew O. § 120 in Bd. 2. 333. Dimftinstruktion.

III. 20/88 v. 13. 4.1888. Es ist kein

IW. 1888 S. 221 Nr. 10 (Gem.R.)

Grund erfindlich, in Ansehung der Beweislast den Dienst­

mietevertrag anders aufzufassen als andere Obligationsverhältnisse, aus welchen der Schuldner zu einer Leistung verpflichtet ist und dem Nachweise der Obli­

gation gegenüber beweisen muß, daß er gehörig geleistet oder ein Zufall ihm

die gehörige Leistung unmöglich gemacht hat; zu den Verpflichtungen des Dienst­ herrn gehört die Erteilung einer entsprechenden Instruktion, wenn dem Die­

nenden eine mit Gefahren verbundene Arbeit übertragen wird, es sei denn,

daß der Dienende schon ausreichend unterrichtet ist; im Streitfälle muß daher der

(wegen Verletzung

seiner Vertragspflichten auf Schadensersatz belangte)

Dienstherr auch beweisen, daß er diese kontraktliche Verpflichtung erfüllt hat. 334. Regelung der Dienstleistungen des Lehrlings.

VI. 142/94 v. 12. 7. 1894.

E. Bd. 34 Nr. 1 S. 1 (Hamburg).

Der Sohn des Kl. trat um Pfingsten 1892 bei dem Bekl. in die Lehre. Am 21. Juli desselben Jahres half er dem Gesellen bei dem Abschlagen eines Stückes Eisens oder Stahls.

schlug auf das Eisen.

Der Geselle hielt den Meißel, und der Lehrling

Dabei sprang ein Stück ab und flog ihm in das Auge.

Dieses lief infolgedessen aus.

Kl. hat den Bekl. auf Schadenersatz in Anspruch

genommen. I hat die Klage abgewiesen, II die Berufung zurückgewiesen ... Kl. hat ... vorgebracht: vor der Übertragung der Arbeit sei eine Unter­

weisung des Lehrlings nötig gewesen; jedenfalls hätte es bei der Arbeit einer

Anweisung bedurft; der Schlagende müsse bei einer solchen Arbeit dem Meißel gegenüberstehen, da ihn dann ein abgemeißeltes Stück Eisen nicht treffen könne;

sein, des Kl., Sohn habe nun nicht dem Meißel, sondern dem Eisen gegenüber gestanden; dadurch sei der Unfall herbeigeführt; für eine entsprechende Anweisung hätte der Bekl. sorgen müssen.

Der Sohn des Kl. hat bei einer Vernehmung

erklärt, daß ihm für die fragliche Arbeit eine Anweisung nicht erteilt sei. BG. führt hierüber folgendes aus: für eine allgemeine Anweisung an den klägerischen Sohn, wie er sich bei Arbeiten der fraglichen Art zu verhalten habe, sei umsoweniger Veranlassung vorhanden gewesen, als der Sohn des Kl.

dem Gesellen, mit dem er zusammen arbeitete, für alle vorkommenden Arbeiten

zugewiesen gewesen sei; Bekl. habe daher annehmen dürfen, daß die Anweisung

in jedem einzelnen Falle von dem direkten Vorgesetzten des klägerischen Sohnes erfolgen werde; wenn den Gesellen ein Vorwurf treffen sollte, weil er den Sohn

des Kl. nicht gehörig instruiert habe, so hafte der Bekl. hierfür nur insoweit, als ihm eine culpa in eligendo zur Last falle; eine solche sei nicht behauptet. Die Ausführung wird mit Recht von der Revision angegriffen; sie verletzt

insbesondere den § 120 Gew.O.

Nach diesem muß der Lehrherr entweder

220

Bürgerliches Gesetzbuch. II. Buch.

Recht der Schuldverhältniffe.

selbst oder durch einen geeigneten, ausdrücklich dazu bestimmten Vertreter die

Ausbildung des Lehrlings leiten.

Der Meister nmß daher, wenn er allgemein

oder in einzelnen Fällen die Anweisung des Lehrlings einem geeigneten Ge­

sellen überlassen will, diesen ausdrücklich hierzu bestimmen und ausdrücklich be­

auftragen, den Lehrling, soweit erforderlich, anzuweisen. allgemein.

Die Vorschrift lautet

Man darf daher weder für einfache Arbeiten, noch für den Fall,

daß der Meister nur einen Gesellen hält, hiervon eine Ausnahme machen. Bekl. würde danach in dem vorliegenden Falle seine Pflicht nur dann erfüllt

haben, wenn er den Gesellen, mit welchem der Sohn des Kl. bei dem Unfälle zusammen gearbeitet hat, ausdrücklich

beauftragt haben sollte, dem Lehrlinge

die nötigen Anweisungen zu erteilen, vorausgesetzt, daß der Geselle seiner Persön­ lichkeit nach überhaupt zur Vertretung des Meisters bei der Ausbildung des

Lehrlings geeignet gewesen ist. Ebenso: III. v. 13. 4. 1888. das. Bd. 46 Nr. 255. 335. Gefährliche Räume.

Heuboden.

III. 63/89 v. 10. 5. 1889.

Soweit

Senfs. Bd. 43 Nr. 266 u. VI. 274/90 v. 9. 3. 1891,

IW. 1889 S. 260 Nr. 17 (Gem.R.).

eine Haftpflicht des

Bekl. aus

Vgl. Art. 95 EG.

dem Dienstverträge

hergeleitet

wird, weil der Bekl. nach diesem Vertrage verpflichtet gewesen sei, die Räume, welche seine Dienstboten zu betreten haben oder welche denselben auch nur zu­

gänglich sind, so einzurichten,

daß

denselben dort keine

heimliche Gefahren

drohen, oder aber die Dienstboten auf die mit dem Betreten solcher Räumlich­

keiten verbundenen Gefahren aufmerksam zu machen, so ist eine solche Ver­ pflichtung an sich vorhanden, andererseits aber auch nicht zu bestreiten, daß

sich das Maß der dem Dienstherrn obliegenden Sorgfalt nur nach den konkreten Umständen bestimmen kann.

Muß nun das Betreten der Heuböden in der

fraglichen Gegend nach der dort bestehenden Einrichtung eines losen Belags schon an sich jeden mit der Einrichtung Bekannten zur Vorsicht auffordern

und hat der Bekl. die klägerische Tochter noch ausdrücklich zur Vorsicht beim Betreten des Heubodens ermahnt, so kann die Annahme des BG. nicht für

rechtsirrtümlich gehalten werden, daß der Bekl. durch seine allgemeine Warnung auch gegenüber den besonderen Gefahren, welche sich für die klägerische Tochter aus der mit dem losen Bodenbeläge nicht im Zusammenhänge stehenden Öffnung

am Kamin ergeben konnten, seine der klägerischen Tochter (aus 1. 28 C. de loc.

IV 65) geschuldete custodia erfüllt hat, selbst wenn ihm bekannt war, daß einige Jahre vorher schon eine andere Person durch die Öffnung einen Unfall er­ litten hatte. 336. Gefährliche Maschine.

V. 553/82 v. 29.11.1882.

Gr. Bd. 27 S. 1017 Nr. 93 (Naumburg).

BG. verneint, daß Bekl. nach Gew.O. § 120 verpflichtet gewesen sei, die

Tummelbaumwinde durch eine den Arbeitern größere Sicherheit gewährende

*Z. Abschn.

Dienstvertrag.

Tit. 6.

Arbeitsgeräte u. -ittiume.

§ 6(8.

221

Er führt aus, es sei eine nach den

Winde neuer Konstruktion zu ersetzen.

konkreten Umständen des Falls zu beantwortende Tatfrage, was zur Sicherheit gegen Gefahr für Leben und Gesundheit der Arbeiter tunlichst erforderliche

Anstalten seien; es sei mit dem § 120 a. a. O. nicht der Sinn verbunden, als ob von dem Gewerbeunternehmer jede neue Erfindung, die sich praktisch

bewährt, zum Schutze der Arbeiter in seiner Betriebsstätte eingeführt werden müsse; von einer solchen Verpflichtung könne füglich nur dann die Rede sein,

wenn die alten bestehenden Einrichtungen einen objektiv unzureichenden Schutz gewährten.

Indem BG. hiervon ausgeht, und berücksichtigt, daß die Tummel­

baumwinde jahrelang,

ohne daß ein Unfall dabei vorgekommen, in Gebrauch

gewesen, daß sie bei ordnungsmäßiger Bedienung ohne Gefahr für die Arbeiter

gewesen; daß derartige Winden auch noch sonst in dortiger Gegend, und sogar im städtischen Packhofe in Magdeburg in Gebrauch seien, daß somit der Unfall,

von welchem Kl. betroffen, nicht sowohl der Beschaffenheit der Winde, als anderen Umständen zuzuschreiben sei, kommt er zu dem Resultat, daß ein Ver­ schulden des Bekl. darin, daß er die in Rede stehende Winde benutzt habe,

nicht gefunden werden könne.

Der RKl. greift diesen Entscheidungsgrund mit der Ausführung an, da der BR. anerkenne, daß gegenwärtig besser konstruierte Winden im Gebrauch

seien, so könnten die Gründe, aus denen er den weiteren Gebrauch der Tummel­ baumwinde abseiten des Bekl. für zulässig erkläre, nicht als richtig angesehen

werden. Dieser Angriff ist nicht begründet.

Man

muß dem BG. darin bei­

treten, daß aus dem § 120 a. a. O. nicht die unbedingte Verpflichtung für

den

Gewerbeunternehmer

welche den Arbeitern

hergeleitet

werden

jede

kann,

neue

Einrichtung,

einen größeren Schutz gewährt, einzuführen.

Vielmehr

ist „mit Rücksicht aus die besondere Beschaffenheit des Gewerbebetriebs und der Betriebsstätte"

„zu

im einzelnen Falle

tunlichster Sicherheit

gegen

zu

Gefahr

entscheiden, für Leben

welche

und

Einrichtungen

Gesundheit

not­

wendig sind".

337. Gerüst.

III. v. 9. 1. 1855. S. 300.

Seuff. Bd. 40 Nr. 231 S. 342.

Annal. d. RG. Bd. 1 Nr. 171

Dem Bekl., welcher durch seine Gesellen bei dem Neubau eine hohe Giebel­

wand aufführen ließ, lag die Pflicht ob, ihnen das dazu unentbehrliche Gerüst in einem solchen Zustande zu liefern, daß sie durch das Besteigen desselben keinen

Schaden an Leben oder Gesundheit zu leiden hatten.

Hieraus folgt aber

weiter, daß, wenn die Arbeiter dennoch infolge des Bruchs des Gerüstes zu

Schaden gekommen sind, Bekl. solange für denselben verantwortlich zu erachten war, bis er den Nachweis führte, daß ihn bei Stellung des Gerüstes ein Verschulden

nicht treffe.

Dieser Nachweis liegt ihm

ob,

nicht aber trifft

Bürgerliches Gesetzbuch.

222 den

Kl.

die

Last

des

II. Buch.

Nachweises

eines

Recht Ver Schuldverhältnisse,

Verschuldens

des

Bekl.,

da

er

seinen Anspruch nicht aus einer außerkontraktlichen Schuld des letzteren her­ leitet,

sondern

Erfüllung

des

Vertrages

bezw.

Schadensersatz

für

Nicht­

erfüllung fordert, ein Anspruch, von dem sich Bekl., da der Vertrag feststeht, nur durch den Nachweis, seiner Verpflichtung gehörig nachgekommen zu sein,

freimachen kann.

338. Mangelhafte Treppe im Dienstgebäude. V. 184/84 v. 25. 10. 1884.

Gr. Bd. 29 (9) S. 385 Nr. 11 (Königsberg).

Vgl. Art. 77 EG.

Kl., welcher als Beamter bei der Güteccxpedition der Ostbahn in Insterburg im Dienst stand, ist an einem Abend im Januar 1881 auf der Treppe, welche von dem ihm angewiesenen Dienstlokale nach der Straße führte und von ihm passiert werden mußte, weil die Treppe

unbeleuchtet und beeist, aber nicht bestreut war, gefallen, dadurch verletzt und lediglich infolge

hiervon dienstunfähig geworden.

Ohne Rechtsverletzung hält BG. den Bekl. (Fiskus) hiernach wegen Nicht­ erfüllung der ihm dem Kl. gegenüber obliegenden Verpflichtung, die bezeichnete

Treppe in einem gefahrlosen Zustande zu erhalten, für ersatzpflichtig. Es kann dahin gestellt bleiben, ob diese Verpflichtung, schon außerkontraktlich,

unmittelbar durch das Gesetz begründet war, und ob dasjenige, was BG. zur Rechtfertigung dieser Annahme anführt, nicht aus dem besonderen Rechts­ verhältnis entnommen ist, in welchein Kl. als Beamter (bei der Güterexpedition

der Ostbahn) zu dem Bekl. stand. Wohl aber ist die gedachte Verpflichtung des Bekl. mit dem ersten Richter

aus seinem kontraktlichen Verhältnis zum Kl. herzuleiten.

Denn aus dem von

den Parteien abgeschlossenen Dienstkontrakte, mag dieser in einer besonderen Vertragsurkunde enthalten oder lediglich in der Anstellung des Kl. zu befinden

sein, ergaben sich alle gegenseitigen Verpflichtungen derselben, welche die Natur des Dienstverhältnisses mit sich brachte.

Wie aber danach Kl. zur Tätigkeit in

dem ihm angewiesenen Dienstlokale, so war Bekl. seinerseits kontraktlich ver­ pflichtet, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, welche den Umständen nach er­

forderlich waren, damit Kl. dieses Lokal ohne Gefährdung von Leben

oder

Gesundheit betreten und verlassen konnte.

Diese Kontraktspflicht ist von ihm im vorliegenden Falle tatsächlich nicht erfüllt und, da ihr Inhalt den Bekl. zu einem Tun (facere), nämlich zur Er­

haltung der Treppe in gefahrlosem Zustande obligierte, der Kl. auch nicht mehr begehrt, als was ihm bei gehöriger Vertragserfüllung abfeiten des Bekl. an

Dienstbezügen hätte gezahlt werden müssen, so konnte Bekl. seinem Ansprüche mit Erfolg nur durch den Nachweis begegnen, daß er diejenige Sorgfalt, welche

ihm nach Maßgabe des Vertrags oblag und abverlangt werden durfte, angewendet

habe, sonach ohne Verschulden zur Erfüllung der Vertragspflicht außer stände gewesen sei.

(Vgl. Entsch. des ROHG. Bd. 15 S. 293, Bd. 14 S. 16; des

OTrib. Bd. 74 S. 153; Strieth. A. Bd. 94 S. 52.)

7. Abschn.

Tit. 6. Dienstvertrag.

§ 6(8.

Schutzvorrichtungen.

223

339. Unbefestigtes Mpositorium.

VI.. 85/90 v. 16. 6.1890. Gr. Bd. 35 S. 146 Nr. 11 (Stettin). Vgl. Art. 77 EG. Daß der verklagte Fiskus wie jeder Arbeitgeber oder Prinzipal die Ver­ pflichtung hatte, für ungefährdete und ungefährliche Arbeitsräume Sorge zu tragen, ist der Revision zuzugeben und wird auch von dem BG. nicht verkannt. Nach dessen Annahme hat aber Bekl. dieser Verpflichtung in Ansehung des

Repositoriums (welches dem Kl., als er an den oberen zur Aufbewahrung von

standesamtlichen Nebenregistern dienenden Fächern dienstlich beschäftigt war, auf den Leib fiel) dadurch genügt, daß er einen sachverständigen Handwerker mit der Aufstellung beauftragte.

Eine Gesetzesverletzung ist hierin nicht zu erkennen.

Denn rechtsgrundsätzlich läßt sich nicht behaupten, daß der Arbeitgeber oder Prinzipal jede Einrichtung in

den Arbeitsräumen, welche den von ihm be­

schäftigten Personen Gefahr bringen könnte, auch wenn sie von einem quali­ fizierten Sachverständigen ausgeführt ist, noch besonders auf ihre Ungeführlichkeit

selbst prüfen oder beim Mangel der erforderlichen Sachkenntnis durch einen anderen Sachverständigen prüfen lassen müsse.

Vielmehr ist in jedem einzelnen

Falle nach den konkreten Umstünden — der Art der Einrichtung, der Wahr­

scheinlichkeit einer Gefahr rc. — zu entscheiden, ob der Prinzipal sich mit der

Beauftragung eines geeigneten Sachverständigen begnügen durste oder aber zu einer Kontrolle und demnüchstigen Prüfung der vorgenommenen Einrichtung verpflichtet war. Wenn nun hier das LG. zu der Überzeugung gelangt ist,

daß der bekl. Fiskus sich — ebenso wie ein Privater im gleichen Falle — auf die Tüchtigkeit des angenommenen Handwerkers verlassen und sich ordnungsmäßig auf die Konstatierung der Ausführung der Arbeit beschränken durfte, dagegen Dritten, namentlich auch dem Kl., gegenüber nicht verpflichtet war, durch seinen

Bauverständigen die Art der Befestigung des Repositoriums noch besonders prüfen zu lassen, so läßt sich diese auf tatsächlicher Beurteilung beruhende Auffassung nicht beanstanden.

Daß an die Diligenz des Fiskus in betreff der überwiesenen

Arbeitsräume und Einrichtungsgegenstände höhere Anforderungen zu stellen seien, als an die anderer Arbeitgeber, ist weder aus den Vorschriften ALR. I. 6, noch

aus den Grundsätzen über den Dienstmietevertrag, noch endlich aus den Be­

stimmungen über die Rechte und Pflichten des Staatsbeamten abzuleiten. 340. Schutzvorrichtungen.

V. 392/80 v. 12.1.1881.

Gr. Bd. 25 S. 1093 Nr. 137 (Hamm).

Kl. macht den Verkl. den Vorwurf, daß sie die gefährliche Arbeit des

Zerkleinerns von Spiegeleisen, ohne irgendwelche Schutzvorrichtungen zu treffen, auf einem Platze haben vornehmen lassen, welcher nicht allein den Arbeitern zugänglich war, sondern häufig von ihnen passiert werden mußte.

Den Vorder­

richtern muß darin beigetreten werden, daß die Verkl. bei einem solchen Ver­

fahren die gebotenen Vorsichtsmaßregeln nicht beobachtet haben, und daß ihnen

insofern ein Versehen zur Last fällt.

224

Bürgerliches Gesetzbuch.

IL Buch.

Recht der Schuldverhältnisse.

Die Verkl. haben zu ihrer Verteidigung angeführt, daß Schutzvorrichtungen

bei der erwähnten Arbeit seither in den Fabriken nicht üblich gewesen seien,

dieses wird von den Sachverständigen bestätigt; abgesehen aber davon, daß ver­ einzelte Fälle angeführt sind, in welchen solche Schutzvorrichtungen in den

Fabriken getroffen worden sein sollen, so ist die Notwendigkeit derselben wegen

der besonderen mit der Arbeit verbundenen Gefahren so einleuchtend, daß in

dem Umstand, daß die meisten Fabrikunternehmer in der dortigen Gegend mit gleicher Sorglosigkeit verfahren sind, eine Entschuldigung für die Verkl. nicht

gefunden werden kann.

Dieselben waren vielmehr nach dem § 107 der hier

maßgebenden Gew.O. vom 21. Juni 1869 unter den vorliegenden Umständen

verpflichtet, eine entsprechende Schutzvorrichtung anzubringen, wenn man ihnen auch im allgemeinen in der Allsführung Recht geben kann, daß es nicht gestattet ist, die Vorschrift des erwähnten Paragraphen soweit

auszudehnen,

daß der

Gewerbeunteruehmer alle überhaupt technisch möglichen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen hätte.

(Vgl. Entsch. des ROHG. Bd. 2 S. 48.)

Schutzbrillen. 341. III. v. 14. II. 1884. Seufs. Bd. 40 Nr. 230 S. 341. RAnz. 1885 Beil. 2 S. 524 (Celle). Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß eine Schutzbrille eine geeignete Vorkehrung ist, um gegen die Gefahr der Verletzung des Auges, welche mit

der dem Kl. aufgetragenen Arbeit vermöge ihrer besonderen Beschaffenheit ver­ bunden ist, Schutz zu gewähren, und es wird die Annahme, daß die Lieferung

von Schutzbrillen bei Arbeiten, wie den hier in Frage stehenden, eine notwendige im Sinn des § 120 der Gew.O. sei, dadurch nicht ausgeschlossen, daß die

Schutzbrillen nicht unter allen Umständen den mit dieser Arbeit beschäftigten Arbeitern

einen absoluten Schutz

gegen die Verletzung ihrer Augen

durch

abspringende Eisensplitter gewähren, da nach § 120 der Gewerbeunternehmer auch zur Herstellung der nur einen relativen Schutz gelvährenden Schutzmaß-

regeln verpflichtet ist.

Irrig ist es ferner, wenn das OLG. deshalb die Notwendigkeit der Lieferung einer Schutzbrille an den Kl. bei Vornahme der ihm aufgetragenen Arbeit für ausgeschlossen erachtet, weil mit Rücksicht darauf, daß mit dem Gebrauch von Schutzbrillen in dem Gewerbebetrieb der Eisen- und Stahlindustrie auch Nach­

teile und Gefahren verbunden seien, in den Kreisen der beteiligten Fabrik­ unternehmer Meinungsverschiedenheit über den Wert der Schutzbrillen herrsche,

ein Teil derselben den Nutzen, ein Teil die Nachteile für überwiegend erachte. Wesentlich ist nur, ob die Schutzbrille ein geeignetes Mittel ist, um gegen die

mit der betreffenden Arbeit,

bei deren Vornahme der Arbeiter verletzt ist,

verbundene Gefahr für Gesundheit und Leben Schutz zu gewähren, mag sie

auch nicht geeignet sein, gegen die mit andern in diesem Gewerbebetrieb vor­ zunehmenden Arbeiten verknüpften Gefahren zu schützen, oder ihr Gebrauch bei

diesen sich nicht empfehlen.

Tit. 6. Dienstvertrag. § 6(8. Schutzvorrichtungen.

7. Abschn.

225

Da nun nach den Feststellungen des BG. an dem Kausalzusammenhang zwischen der Nichtlieferung der Schutzbrille an Kl.

dem

und

eingetretenen

Unfall nicht zu zweifeln ist, auch sonstige besondere Umstände nicht vorliegen, welche geeignet wären, die aus der Nichtlieferung der Schutzbrille entstehende

Verpflichtung des Bell, zum Schadensersatz zu beseitigen, so muß diese als

feststehend erachtet werden.

RA. 1884 Beil. 4 S. 4 ff.

Seuff. Bd. 39 Nr. 331 S. 456.

342. II. v. 12. 2.1884.

Unter den Einrichtungen, deren Herstellung und Unterhaltung der § 120

der Gew.O. dem Gewerbeunternehmer zur Pflicht macht, sind, wie vom RG. wiederholt ausgesprochen worden ist, nicht bloß dauernde Anlagen, auch nicht

bloß solche Einrichtungen, welche mit der Gewerbeanlage in Verbindung gebracht werden müssen, zu verstehen, und es gehören dazu insbesondere auch Schutz­ brillen, wenn nach der Art des Gewerbebetriebs deren Benutzung zu tunlichster

Sicherheit gegen Gefahr für Leben und Gesundheit notwendig ist (Entsch. des RG. II 343/81 v. 30. 9. 1881 Bd. 5 S. 102).

343. Schutzeinrichtungen auch gegen etwaige Ausschreitungen der Arbeiter. Seuff. Bd. 38 Nr. 54 S. 85.

V. v. 18. 12. 1880.

Bell, trifft der Vorwurf, daß er bei Einrichtung seiner Fabrik die Vor­ schrift des cit. § 107 nicht nach allen Richtungen hin beobachtet hat (weil der hinter der früheren Arbeitsstelle des Kl. befindliche Gang bätte breiter und mit einer Barriere versehen sein müssen). Es muß aber weiter auch an­

genommen werden, daß die vorschriftswidrige Beschaffenheit des Gangs mit dem

Unfall,

von

welchem

steht.

sammenhang

Kl.

betroffen

in

worden ist,

ursachlichem

Zu­

Erwiesen ist, daß Kl. infolge eines Stoßes, welcher von

Arbeitern im Gange ansgegangen, mit der Hand in die Kreissäge geraten ist.

Nun war eine breitere Anlage des Gangs und die Anbringung einer Barriere

deshalb

um

geboten,

die

Arbeiter

gegen

die Gefahren

schützen,

zu

welche

durch ein Anstoßen von feiten der in dem Gang sich bewegenden Personen entstehen konnten.

Man kann zugeben, daß das Benehmen der Arbeiter B.

und D. in dem Gang bei dem fraglichen Unfall ein ordnungswidriges ge­ wesen ist, und daß die Ausschreitung dieser Arbeiter die Veranlassung zu

dem

Stoß,

welchen

angenommen

Kl. erhalten

werden,

daß

hat,

diesem

gegeben

Anstoßen

Andrerseits muß aber

hat.

und

also

auch

dem

dadurch

herbeigeführten Unfall vorgebeugt worden wäre, wenn der Gang ordnungs­ mäßig beschaffen gewesen, insbesondere dort eine Barriere angebracht wäre.

Es läßt sich mit Grund nicht zu Gunsten des Bekl. anführen, er sei nur verpflichtet

gewesen,

Benutzung

des

Schutzmaßregeln

Gangs

entstehenden

gegen

Gefahren

die

bei

der

zu treffen,

ordnungsmäßigen dagegen

könnten

seine Verpflichtungen nicht soweit gehen, daß er auch den durch etwaige Aus­

schreitungen der Arbeiter entstehenden Gefahren Rudorfs, RetchsgertchtS-Entscheidungen. Bd. I.

vermittelst geeigneter Vor15

226

11. Buch.

Bürgerliches Gesetzbuch.

kehrungen vorzubeugen habe.

Recht der Schuldverhältnisse.

Es kann zugegeben werden, daß dem Bekl. nicht

eine solche Ausdehnung der Schutzvorrichtungen zugemutet werden kann, daß sie gegen alle möglichen Ausschreitungen der Arbeiter in dem Gang sichern;

andrerseits ist aber zu erwägen, daß an einem Ort, über welchen eine größere Anzahl von Personen,

insbesondere Arbeiter,

sich

regelmäßig

oder häufig

bewegen, erfahrungsgemäß Ordnungswidrigkeiten und unbesonnene Streiche nicht ausbleiben; und daß, wenn Gefahren von einem derartigen Verhalten in einer

Fabrik zu befürchten sind, der Fabrikunternehmer verpflichtet erscheint, auch hiergegen, soweit tunlich, Fürsorge zu treffen. 844. Schutzvorrichtungen beim Aufwinde«.

IW. 1887 S. 499 Nr. 19.

VI. 206/87 v. 3. 11. 1887.

Vgl. Art. 77 EG.

Auf die Dienstmietsverträge mit Handarbeitern und Tagelöhnern finden

neben den besonderen Bestimmungen die allgemeinen Vorschriften über Verträge

insbesondere (die §§ 277 ff. Tl. I Tit. 5 des ALR.) [§ 618 BGB.s Anwendung.

Nach der Feststellung des BG. gehört es zu den Vertragspflichten des Bekl., eine Vorrichtung zu treffen, wodurch die Arbeiter, insbesondere der Verunglückte, geschützt wurden, wenn infolge eines unglücklichen Zufalls ein Kasten beim

Diese Verpflichtung ist, und zwar aus einem

Aufwinden herabfallen sollte.

groben Versehen des Beamten, unerfüllt geblieben.

Dieses Versehen muß der

Fiskus vertreten, da es sich um die Erfüllung einer von ihm übernommenen Vertragspflicht handelt.

Es treffen daher auch hier die Ausführungen der auf

das gemeine Recht bezüglichen Entsch. des RG. in Bd. 8 pag. 151 der Samm­ lung im wesentlichen zu.

345. Beschäftigung der Arbeiter außerhalb der Arbeitsstätte.

III. 124/86 v. 12. 10. 1886.

IW. S. 356 Nr. 36.

Wenn ein Gewerbeunternehmer, welcher die für tunlichste Sicherheit seiner

Arbeiter erforderliche Umsicht und Sorgfalt zu betätigen hat, seine Arbeiter außerhalb seiner Arbeitsstätte, in fremden Fabriken, Gewerbeetablissements, auf

Bauplätzen rc. beschäftigt, so muß er auch die zur tunlichsten Sicherung der

Arbeiter vor Gefahren für Leben und Gesundheit erforderlichen Vorkehrungen

treffen, und sich daher auch danach erkundigen, unter welchen Umständen die den Arbeitern aufgetragenen Arbeiten vorzunehmen sind, ob damit nach Lage

der konkreten Verhältnisse besondere Gefahren verbunden sind und die zu deren tunlichster Abstellung geeigneten und notwendigen Anordnungen treffen, oder

den Arbeitern eine Person beigeben, welche imstande ist, die nach Lage der Sache zum Schutze der Arbeiter notwendigen Maßregeln zu übersehen und zu

veranlassen.

Wenn

der

Gewerbeunternehmer

auch

nicht

imstande

ist,

in der fremden Fabrik rc., wo Arbeiten durch die in seinem Dienste stehenden

Arbeiter vorzunehmen sind, selbst die erforderlichen Schutzvorrichtungen und Anordnungen zu treffen, so muß er doch dafür Sorge tragen, daß dieselben

getroffen werden, und wenn dieses nicht geschieht, die Vornahme der Arbeiten unterlassen. 346. Verzicht des Dienstboten auf Schutzvorrichtungen an einem Göpelwerke.

VI. 274/90 v. 9. 3. 1891.

IW. 1891 S. 108.

Vgl. Art. 95.

Insbesondere von einem Arbeitgeber, der, wie der Besitzer eines Landgutes

eine größere Anzahl Arbeiter beschäftigt, kann gefordert werden, daß derselbe die für tunlichste Sicherheit der Leute bei ihren Arbeiten erforderliche Umsicht

und geschäftliche Erfahrung betätige und der Arbeiter kann um so mehr ver­ langen, daß ihm keine Arbeit zugemutet wird, gegen deren Gefahren nicht die nötigen Schutzvorrichtungen getroffen sind, als er nach der Natur des Vertrages strenge an die Befehle des Dienstherrn gebunden ist.

Unter diesen Umständen

ist der Arbeiter gar nicht veranlaßt, bei Abschluß des Dieustmietevertrages bezüglich der nach den Vertragspflichten des Dienstherrn sich von selbst ver­

stehenden Schutzvorrichtungen eine besondere Vereinbarung zu treffen und es kann daher — ganz abgesehen von der Frage der Zulässigkeit eine die Schutz­ vorrichtungen ausschließenden Übereinkommens — aus dem Mangel bezüglicher Vertragsbestimmungen nichts weniger als ein Verzicht des Dienstboten auf die

dem Dienstherrn von Rechtswegen obliegende Pflicht, seine Dienstboten gegen Gefahr zu sichern, abgeleitet werden. — Anlangend die weitere Rüge einer Verletzung der Grundsätze über Kausalität sowie unrichtiger Verteilung der Beweislast, so stellt BG. zunächst fest, daß das Fehlen einer gehörigen Ver­

kleidung des Räderwerkes der Göpelmaschine ein Verschulden des Bekl. involviere, da die aus einem offenen Räderwerke hervorgehenden Gefahren einem sorgfältigen und verständigen Manne nicht verborgen bleiben könnten.

Wenn nun auch im

allgemeinen zuzugeben ist, daß jeder, der aus dem Verschulden eines anderen einen Anspruch auf Schadensersatz ableitet, darzutun hat, daß der Schaden, den

er ersetzt verlangt, auch wirklich die Folge jener Verschuldung sei, so ist doch dieser Kausalzusammenhang bei Verletzungen durch Maschinen, welche die zur

Sicherheit der an denselben beschäftigten Arbeiter erforderlichen Schutzvorrichtungen nicht besitzen, regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Arbeiter bei der ihm

aufgetragenen Arbeit an dieser Maschine verunglückt und, nach dem normalen

Verlaufe der Dinge angenommen werden muß, daß die Nichtherstellung der gebotenen Einrichtung für den Unfall kausal geworden sei, ohne daß es bei der Schwierigkeit und der häufigen Unmöglichkeit des bezüglichen Beweises nötig

wäre, daß der Verlauf des ganzen Vorganges in allen seinen Einzelheiten nach­

gewiesen werde. — (Vgl. Rep. III 32/85 v. 7. März 1885 und v. 9. Okt. 1883, Entsch. Bd. 10 S. 141 ff.)

Ob die Behauptung, daß ein für den Unfall

kausales Verschulden des Entschädigungspflichtigen durch ein entgegengesetztes Verschulden des Verletzten überwogen oder ausgeschlossen sei, in das Gebiet der

Einrede oder der qualifizierten Abläugnung des Klagegrundes und demnächst

in das des selbständigen Einrede- oder des Gegenbeweises gehöre, kann nach 15*

Bürgerliches Gesetzbuch.

228

II. Buch.

Recht der Schuldverhältmsse.

Verschiedenheit der tatsächlichen Unterlagen der Behauptung im einzelnen Falle verschieden beurteilt werden.

347. Schutz gegen gewerbliche Krankheiten. III. 80/88 v. 6. 7. 1888. IW. 1888 S. 333 Nr. 16. Vgl. Haftpflichtgesetz in Bd. 2.

Allerdings kann der erhobene Anspruch nicht aus dem Ges. v. 7. Juli 1871 begründet werden, weil auch dieses Ges. für solche die Erwerbsfähigkeit allmählich

mindernden

oder

aufhebenden Gesundheitsstörungen,

welche als

gewöhnliche

Nachteile mit dem Betriebe verbunden sind, dem Arbeiter einen Entschädigungs­

anspruch nicht gewährt; dagegen ist ein Entschädigungsanspruch aus dem Dienst­ verträge begründet, wenn der Arbeitgeber es unterläßt, solche Anordnungen zu

treffen und solche Einrichtungen herzustellen, welche geeignet sind, die schädlichen Folgen des Betriebs für die Gesundheit der Arbeiter abzuwenden oder doch

tunlichst zu mindern.

Diese Verpflichtung besteht nicht bloß in Beziehung auf

Unfälle, sondern in demselben Maße auch in Beziehung auf die durch den Betrieb verursachten gewerblichen Krankheiten.

Hat nun Kl. behauptet, daß seine Er­

krankung, wie dieselbe durch Lähmung der Hände ?c. zum Ausbruch gekommen

ist, auf einem Verschulden der Verwaltung und ihrer Angestellten beruhe, weil die Verarbeitung des Bleiweiß im trockenen Zustande zugelassen sei rc., so ist

die Klage aus dem vorliegenden Vertragsverhältnisse an sich zur Genüge be­

gründet und eine weitere Verhandlung und Entscheidung nach der Richtung geboten, ob der Bekl. verpflichtet gewesen ist, die vom Kl. für notwendig erklärten Anordnungen und Einrichtungen zu treffen und ob derselbe event, diese Ver­ pflichtungen durch seine Organe erfüllt hat.

Enllaffun-S-ründt.

348. III. 120/89 v. 25. 6.1889.

E. Bd. 23 Rr. 35 S. 167 (Göttingen, Celle).

Dem BG. ist darin beizutreten, daß der Richter die Frage,

ob im ein­

zelnen Falle genügende Gründe zur vorzeitigen Aufhebung des Vertrages vorgelegen haben, unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles nach freiem

Ermessen zu entscheiden habe. 349. III. v. 21.10.1881.

Seuff. Bd. 37 Nr. 109 S. 160.

Der zwischen den Parteien bestandene Dienstvertrag ist nicht nach der

Gesindeordnung, sondern nach (dem gemeinen Recht) sBGB.s zu beurteilen. Nach [§ 626 desf letzteren kann ein dauerndes Dienstverhältnis vor Ablauf der

Vertragszeit

einseitig

aufgehoben

werden,

wenn Umstände

eintreten,

unter

welchen vom Standpunkt der Billigkeit aus dem betreffenden Vertragsteil eine längere Fortsetzung des Verhältnisses nicht zugemutet werden darf.

Dieser

Rechtssatz folgt aus dem den ganzen Vertrag beherrschenden Prinzip der bona fides.

Die von diesem Standpunkt aus zu einer vorzeitigen Dienstentlassung

berechtigenden Umstände können namentlich auch bestehen in Vergehungen des

Bediensteten gegen die ihm obliegenden Vertragspflichten.

Ob in einem vor­

liegenden Fall die wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Bediensteten erfolgte

vorzeitige Aufhebung des Dienstvertrages als genügend gerechtfertigt erscheint, hat der Richter nach den Umständen des Falles zu ermessen.

Kl. (Wirtschaftsinspektor) schuldete der Bekl. (Hofbesitzerin) als seiner Dienst­ herrin ein achtungsvolles Benehmen; es lag ihm in seiner dem Gesinde vor­ gesetzten Stellung eines Verwalters außerdem ob, auch dem Gesinde gegenüber

sich die Aufrechterhaltung des Ansehens der gemeinschaftlichen Dienstherrschaft

angelegen sein zu lassen.

Die Vorinstanz hat festgestellt, daß Kl. sich gegen

die Bekl. in Gegenwart zweier Dienstmädchen in einer sie gröblich beleidigenden

und ihre Autorität bei dem Gesinde untergrabenden Weise benommen hat; bei

ihrer Entscheidung, daß Bekl. hierdurch berechtigt worden sei, Kl. sofort seines Dienstes zu entlassen, hat sie auch weder das voraufgegangene Verhalten der Bekl. noch die vom Kl. eingenommene Dienststellung eines Verwalters unbe­ rücksichtigt gelassen.

350. Einrede anderweitiger Verwendung von Diensten.

Beweislaft.

III. v. 22.1t. 1879. Seusf. Bd. 35 Nr. 256 S. 375. Heuser Annalen Bd. 24 S. 435.

Kl. klagte auf Fuhrlohn für ihm von der Bekl. übertragene Abfuhr von bestimmten Waggonladnngen Kalk, deren Anfuhr Bekl. unterlassen hatte. I und II hatten abgewiesen;

RG. verurteilte.

BG. hält es nicht für genügend, wenn Kl. darlegt, daß er bereit und im­ stande gewesen sei, die von ihm übernommenen Fuhren zu leisten; es verlangt

außerdem die Darlegung, daß derselbe das nötige Fuhrwerk ausschließlich für Bekl. in Bereitschaft gehalten habe.

Ob das Fuhrwerk auch für Dritte in

Bereitschaft stand, war für das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien völlig gleichgültig; nur wenn er Fuhren für Dritte um Lohn verrichtete

[ober zu verrichten böswillig unterließ) konnte Bekl. die Absetzung des hierdurch erzielten [oder erzielbaren) Verdienstes von der Klageforderung verlangen.

Titel 7.

Werkvertrag (§§ 631 ff.).

Über den Unterschied vom Dienstvertrag s. Nr. 330ff. bei §§ 611 ff. Über den Lchleppvertrag als Frachtvertrag vgl. auch E. Bd. 6 Nr. 27 S. 99 u. Bd. 10

Nr. 45 bei HGB §§ 425 ff.

Über den Umfang der Pflichten aus dem Schleppvertrage vgl.

auch Nr. 188.

Schleppvertrag. 351. Gegensatz zum Frachtvertrag. I. v. 23. 4.1887.

Seuff. Bd. 43 Nr. 50 (Hamburg).

Der Schleppvertrag hat einen wesentlich anderen Inhalt als der Fracht­

vertrag.

Während der Frachtführer das Gut übernimmt, auf dem Transporte

bewahrt und nach vollendetem Transporte abliefert, also neben der Beförderung

begriffsmäßig die custodia übernimmt, erhält der Schleppschiffer das Gut nicht

übergeben, hat er das Gut nicht zu bewahren und nach vollendetem Transporte

230

Bürgerliches Gesetzbuch.

nicht abzuliefern.

II. Buch. Recht der Schuldverhältnisse.

Er übernimmt lediglich die Fortbewegung des Fahrzeugs

Diese Grundsätze sind ^auch von der

(ROHG. Bd. 23 Nr. 108 S. 320).

Literatur und neueren Judikatur angenommen.

Dieser Auffassung ist auch das

RG. beigetreten (Entsch. Bd. 10 Nr. 45 S. 165, vgl. auch Bd. 6 Nr. 27 S. 99).

Auch BG. ist bei der Beurteilung des vorliegenden Rechtsverhältnisses von

diesen Grundsätzen ausgegangen und hat mit Recht angenommen, daß Bell, für einen während des Schleppens des Kahns entstandenen Schaden dem Eigentümer

des Kahns in ihrer Eigenschaft als conductor operis nur dann verhaftet ist, wenn der Schade auf ihrem eigenen oder einem Verschulden ihrer Leute beruht.

Der hiergegen erhobene Angriff geht daher fehl.

352. Beweis der Erfüllung.

I. 249/83 v. 23. 6. 1883. E. Bd. 10 Nr. 45 S. 166 (Hamburg). Die rechtliche Natur der hier in Frag« stehenden Übernahme des Schleppens des klägerischen Leichterschiffes von Harburg nach Hamburg als eines Werk­ verdingungsvertrages war nicht zu bezweifeln, und somit erschien nach dem vorigen die Annahme des BG., daß Bekl.

schadensersatzpflichtig seien, wenn

wirklich durch Schuld der Besatzung ihres Schleppdampfers „Baas" jenes Leichter­ schiff unterwegs auf Grund geraten und dadurch beschädigt ist, als völlig ge­

rechtfertigt. Bekl. haben aber in dieser Hinsicht ferner die vom BG. vorausgesetzte Verteilung der Beweislast als

unrichtig angegriffen ...

Beweislast hier durchaus richtig verteilt.

Es ist jedoch die

Mag auch zugegeben werden können,

daß dem Satze, wonach jeder bekl. Kontraktsschuldner eventuell stets die Beob­

achtung der schuldigen Diligenz zu beweisen haben soll, keine absolute Geltung zukomme, namentlich nicht für Fälle, wo nur eine diligente Geschäftsbesorgung

als solche geschuldet war und die Ausführung des Geschäftes im allgemeinen schon feststeht, so liegt doch der gegenwärtige Fall so, daß an eine andere Ver­ teilung der Beweislast gar nicht zu denken ist.

nämlich das Schleppen

der „Ema"

Die übernommene Leistung,

nach Hamburg, ist von feiten der Bekl.

überhaupt nicht zu Ende geführt worden.

Sie berufen sich nun freilich darauf,

daß die Ausführung durch das Festgeraten der „Ema" unmöglich gemacht sei, und daß sie sich für diesen Vorfall selbst nicht zu exkulpieren brauchen, weil sie das geschleppte Schiff nicht in ihrer custodia gehabt haben.

Wie es mit

diesem letzten Punkte an und für sich stehen mag, bedarf indessen keiner Er­

örterung, weil Bekl. selbst gar nicht bestreiten, daß die nächste Ursache dafür, daß die „Ema" auf die Sandbank geraten ist, in dem Verfahren des Maschinisten

des „Baas" erblickt werden muß, welches, während der Schiffer ihm zeitweilig die Führung dieses Dampfschiffes übertragen hatte, die „Ema" absichtlich von der rechten Seite des Stromes auf die linke hinüberzog.

Der Beweis, daß hierin

keine Fahrlässigkeit des Maschinisten oder des Schiffers zu finden sei, lag daher selbstverständlich den Bekl. ob.

353. Prlmafaele-®etoet8 der Erfüllung des Schlrppvertrages.

Gr. Bd. 38 S. 1144 Nr. 125 (Hamburg).

I. 467/98 v. 21. 3. 1894.

BG. geht davon aus, daß, wenn das zu schleppende Schiff vor Been­

digung des Transports gesunken, also nicht

mehr zu

schleppen gewesen ist,

nicht der Schlepper sich deshalb zu exkulpieren, sondern der Schiffseigner zu­

nächst den Nachweis zu führen habe, daß er seine Verpflichtung nicht erfüllt habe, oder doch einen Sachverhalt darlegen müsse, aus dem prima facie ein ursäch­

licher Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Schleppers und dem Sinken

des Schiffes zu entnehmen sei. Rev. greift diese Ausführung mit Recht als die Regeln über die Beweis­ last verletzend an. Dem BG. ist nur darin beizutreten, daß mit Rücksicht auf die Natur des Schleppvertrages, bei dessen Ausführung der Schlepper auf die mitwirkende

Tätigkeit der Mannschaft des geschleppten Schiffes angewiesen ist, das Sinken des geschleppten Schiffes

ohne

Schlepper nicht haftbar macht.

äußere erkennbare Veranlassung

allein den

Hier streiten die Parteien darüber nicht, daß

der Kahn beim Schleppen durch die Einfahrt gegen den Duc d'Alben geschleudert

und dadurch zum Sinken gebracht ist.

Auch das Schleudern gegen die Einfahrt

kann auf Gründe zurückzuführen sein, für die der Schlepper (Bekl.) nicht ver­

antwortlich zu machen ist.

Aber regelmäßig, nach dem zunächst entscheidenden

normalen Verlauf der Sache, soll und darf es nicht vorkommen.

Bekl. selbst zieht

das auch gar nicht in Zweifel, sondern exkulpiert sich damit, daß er richtig manövriert habe und das Aufwerfen auf die Einfahrt seitens des Führers des

geschleppten Kahns durch Versehen bei der Steuerung des Kahns verschuldet sei. Dies war festzustellen.

Denn grundsätzlich hat derjenige, der die Aus­

führung eines Geschäfts übernomnien und nicht geleistet hat, zu beweisen, daß er an der Ausführung durch ein von ihm nicht zu vertretendes Ereignis ver­

hindert worden ist, und derjenige, der omnem diligentiam zu prästieren, hat das Präsüeren darzutun.

Im vorliegenden Falle ist mit Rücksicht auf den

oben hervorgehobenen Gesichtspunkt von dem Bekl. mehr als der Nachweis, daß er seinerseits alles getan hat, was erforderlich war, um das Aufwerfen

des Kahns zu vermeiden, nicht zu fordern. nicht erlassen werden.

Aber dieser Beweis kann ihm auch

Statt dessen läßt BG. ausdrücklich

dahin gestellt, ob

den Kahnführer oder den Bekl. ein Verschulden trifft, und ob Bekl. alles Er­ forderliche zur Vermeidung des Unfalls getan hat, sondern

lediglich

aus

weist die Klage

dem Eingangs erwähnten Grunde ab, welcher der Kl. (Ver­

sicherungsgesellschaft, als Cessionarin

des Schiffseigners) einen Beweis auf­

bürdet, den sie nicht zu führen hat. 354. Billigung eines vom Besteller abgeuommenm Werkes.

III. 145/84 v. 12. 6. 1885.

Senfs. Bd. 41 Nr. 10 S. 15 (Kiel).

Vgl. § 119.

Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen wird man der Billigung keine größere

Bedeutung beilegen können als einer Quittung.

Wie man die Wirkung der

232

II. Buch.

Bürgerliches Gesetzbuch.

Recht der Schuldverhältnisse.

letzteren, je nachdem sie im einzelnen Fall die Bedeutung eines Geständnisses oder eines dispositiven Akts hat, durch einfachen Gegenbeweis oder den Nach­

weis eines entschuldbaren Irrtums beseitigen kann, so wird auch die erfolgte

Billigung den Ansprüchen des locator an sich nicht entgegenstehen, insofern er nachweist, daß die Billigung in entschuldbarer Unkenntnis der später entdeckten

Mängel erfolgt ist. Die Billigung hat in der Sache selbst nur die Wirkung, daß der locator wegen der offenbaren oder ihm bekannt gewordenen Mängel keine weiteren

Ansprüche mehr erheben kann, weil insoweit in der Billigung ein dispositiver Akt liegt und angenommen werden muß, daß er auf die Geltendmachung seiner Ansprüche wegen Mängel dieser Art verzichten wolle.

Dagegen darf ein solcher

Verzicht nicht auch angenommen werden wegen solcher Ansprüche, die rücksichtlich

verborgener, dem locator ohne sein Verschulden unbekannt gebliebenen Mängel geltend gemacht werden können.

Bezüglich dieser Ansprüche hat die Billigung

vielmehr nur eine Bedeutung für die Beweislast, indem der locator das in der Billigung liegende Zeugnis gegen sich selbst durch Gegenbeweis entkräften muß, während ohne die dazwischen liegende Billigung der conductor operis einer

vorgeschützten Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages gegenüber den Beweis erbringen müßte, daß die von ihm gemachte Leistung vertragsmäßig sei. 355. Abnahme.

I. 409/94 v. 27. 2.1895.

E. Sb. 35 Nr. 31 S. 136 (Berlin).

Es ist richtig, daß grundsätzlich und regelmäßig der Werkmeister, der eine

Sache zu Reparaturarbeiten erhalten hat, Bezahlung nicht eher fordern kann, als bis er die reparierte Sache dem Besteller zurückgegeben hat, weil regelmäßig

damit der Vertrag erst erfüllt ist.

Aber dieser Grundsatz findet nur Anwen­

dung, wenn der Werkmeister die Sache aus den Händen des Bestellers erhalten hat.

Dann ergeben der Inhalt und die Natur des Vertrages, daß die repa­

rierte Sache dem Besteller zurückzugeben, der Vertrag durch Rückgabe der repa­ rierten Sache an ihn zu erfüllen ist.

Der Grundsatz erleidet indessen

feines

natürliche Modifikation, wenn der Besteller die Reparatur einer fremden Sache

aufgetragen hat, die der Werkmeister aus der Hand des Eigentümers erhalten

hat.

Dann wird der Vertrag durch Ausführung der Reparatur erfüllt, wenn

der Vertrag nicht ergibt, daß die reparierte Sache dem Besteller zurückzugeben

ist.

Ohne solche Vertragsbestimmung ist nicht ersichtlich, wie die Herausgabe

der reparierten Sache an den Besteller, von dem der Werkmeister sie nicht er­

halten hat, zur Erfüllung des Reparaturvertrages gehören soll.

Im vorliegenden Falle gehörte der Kahn dem D., und durch ihn ist er

auf Veranlassung des Direktors der Bekl. unstreitig in das Dock des Kl. ge­ bracht.

Aus dem Auftrage zur Reparatur konnte Kl. nicht entnehmen, daß er

den reparierten Kahn der Bekl. herauszugeben hatte; vielmehr verstand sich von selbst, daß der reparierte Kahn dem D. znrückzugeben war, der gegen die Haverei-

7. Abschn.

Tit. 8.

Mäklervertrag.

233

§§ 652 ff.

schaden versichert war, die durch die Reparatur beseitigt werden sollten.

Kl.

konnte etwas anderes umsoweniger annehmen, als er unstreitig in allen frü­

heren Fällen ohne Widerspruch der Bell. Kähne, die ihm in ihrem Auftrage zur Reparatur übergeben waren, an den Schiffseigentümer zurückgegeben hatte.

Bei dieser Sachlage mußte Bekl., wenn sie der Rückgabe des Kahnes an D.

vorbeugen wollte, weil sie sich nicht für verpflichtet hielt, diesem den Schaden zu ersetzen, dem Kl. die Herausgabe des Kahnes untersagen.

Titel 8.

Mäklervertrag (§§ 652 ff.).

Voraussetzung gültigen Abschlusses.

356. VI. 319/91 v. 14. 3.1892.

E. Bd. 29 Nr. 56 S. 230 (Berlin).

BG. geht von dem richtigen Satze aus, daß ein Anspruch auf die Mäkler­ gebühr erst durch das Zustandekommen des vom Mäkler vermittelten Geschäftes

begründet werde; seine weitere Annahme aber, daß im vorliegenden Falle das Geschäft zustande gekommen sei, ist rechtsirrtümlich.

Der Vertrag bedurfte der

schriftlichen Form, und nach §126 BGB. erhielt er seine Gültigkeit erst durch die Unterschrift. unterschrieben hat.

Es ist nun aber festgestellt, daß Bekl. den Vertrag nicht Er war daher an den Vertrag nicht gebunden, mochten

auch die Gegenkontrahenten durch ihre Unterschrift sich ihrerseits gebunden haben. 357. VI. 291/89 v. 6. 2. 1890.

IW. 1890 S. 88 Nr. 36.

Allerdings fällt der Anspruch auf Mäklergebühr fort, wenn der durch den

Mäkler zum Abschluß gebrachte Vertrag aus irgend welchen Gründen nichtig

ist, und dasselbe muß, auch abgesehen von dem Falle völliger Nichtigkeit, da

gelten, wo der Vertrag infolge des Fehlens beiden oder von einem der Kontrahenten

der vorgeschriebenen Form von

aufgerufen werden kann und aus

diesem Grunde wirklich aufgerufen worden ist. 358. III. 184/99 v. 7.11. 1899.

Seuff. Bd. 55 Nr. 70 (Kiel).

S. § 138.

BG. hat in zutreffender Weise das vom Bekl. erteilte Provisionsversprechen (für die bewußte Vermittelung des Verkaufs eines Bordells) als ein unsittliches

Versprechen gekennzeichnet und folgenweise den vom Kl. seinem Ansprüche zu Grunde gelegten Vertrag ohne Rechtsirrtum für nichtig erklärt. Kausalznsammeuha«-.

359. VI. 342/93 v. 5.2.1894.

Gr. Bd. 38 S. 977 Nr. 69 (Berlin).

Wenn Bekl. von der ihm durch

den

Kläger nachgewiesenen Verkaufs­

gelegenheit Gebrauch gemacht hat, so mangelt der ursächliche Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Kl. und dem Geschäftsabschlüsse nicht. zeitweise Abbruch der Verhandlungen kann daran nichts ändern.

Auch der Zwar fügt

234

Bürgerliches Gesetzbuch.

II. Buch.

Recht der Schuldverhältnisse.

BG. hinzu, die Verhandlungen seien nicht wieder ausgenommen worden; damit ist aber, wie die weitere Begründung ergibt, nur gemeint, daß sie nicht vom

Kl., sondern durch einen anderen Agenten ohne weitere Mitwirkung des Kl.

wieder angeknüpft und zu Ende geführt seien.

Für die Frage nach dem Vor­

handensein des Kausalzusammenhanges zwischen dem Geschäftsabschlüsse und der,

auftragsgemäß nur auf den Nachweis und die Zuführung eines Kauflustigen zu richten gewesenen, Tätigkeit des Kl. ist das Eintreten noch eines zweiten Geschäftsvermittlers gleichgültig.

Es kann in dieser Beziehung keinen Unter­

schied machen, ob der Auftraggeber mit dem ihm nachgewiesenen Käufer das

Geschäft unmittelbar abschließt (vgl. Entsch. Bd. 6 S. 187, 188), oder ob er

hierbei sich eines anderen Vermittlers bedient.

Denn auch in letzterem Falle

erscheinen die Verhandlungen mit dem nachgewiesenen Kauflustigen als herbei­

geführt durch die nachweisende Tätigkeit des Maklers.

Eine rechtsirrtümliche

Auffassung des Erfordernisses des Kausalzusammenhanges liegt ferner darin,

daß BG. auf die Möglichkeit Rücksicht nimmt, daß auch der zweite Vermittler die Verkaufsgelegenheit gekannt haben könne und daher vielleicht in der Lage gewesen wäre, sie dem Bekl. nachzuweisen, wenn dies nicht schon durch den Kl. geschehen wäre.

Selbstverständlich ist die Möglichkeit, daß der Auftraggeber

noch von anderer Seite auf die Verkaufsgelegenheit aufmerksam gemacht wird,

immer vorhanden.

Der Nachweis, daß ohne die Tätigkeit des Maflers das

Geschäft unmöglich gewesen wäre, läßt sich nicht erbringen. bedarf es aber auch nicht.

Dieses Nachweises

Wenn die vorliegenden Tatsachen die Zurückführung

eines eingetretenen Erfolges auf eine gewisse Ursache nach den Regeln der Er­

fahrung gestatten, darf nicht nach entfernten Möglichkeiten gesucht werden, die, wenn sie zu Wirklichkeiten geworden wären, den Erfolg auch für sich allein

herbeigeführt haben würden (vgl. Entsch. Bd. 12 S. 190).

360. I. 627/81 v. 15. 2. 1882.

E. Bd. 6 Nr. öl S. 187.

S-uff. Bd. 37 Nr. 306 S. 419

(Lübeck, Hamburg).

Ein Anspruch auf Maklergebühr ist zwar nur dann begründet, wenn das Geschäft durch Vermittelung des Maklers zustande gekommen ist.

Dies ist

aber nicht dahin zu verstehen, daß Maklergebühr nur dann gefordert werden kann, wenn die Feststellung der Vertragsbedingungen und der Austausch der

den Abschluß des Vertrages bewirkenden Erklärungen unter Mitwirkung des Maklers stattgefunden hat.

Es genügt vielmehr zur Begründung des An­

spruches, daß ein ursachlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Maklers und dem Abschlüsse des Geschäftes besteht; ein solcher Zusammenhang kann aber auch dann vorhanden sein, wenn die Tätigkeit des Maklers nur in der

Zuführung oder Zuweisung einer zum Abschluß des Vertrages geneigten Person bestand, der Abschluß des Vertrages mit dieser Person dagegen ohne weitere

Benutzung der Dienste des Maklers durch den Auftraggeber desselben un­ mittelbar bewirkt worden ist...

361. I. 216/81 v. 22. 2. 1882.

E. Bd. 6 Nr. 52 S. 188 (Frankfurt a/M.).

Wenngleich der Anspruch des Maklers auf Gebühr nicht davon abhängt,

daß der Abschluß des Geschäftes von ihm vermittelt wird, vielmehr dieser An­ spruch auch dann begründet erscheint, wenn der durch die Kontrahenten un­

mittelbar bewirkte Abschluß durch die Tätigkeit des Maklers herbeigeführt worden ist, und in dieser Beziehung schon die Zuführung oder Zuweisung des anderen

Kontrahenten unter Umständen genügen kann, so ist dies doch dann nicht der Fall, wenn der Makler seinem Auftraggeber eine Person zuführt oder zuweist,

welche demselben

ohnehin als zum Abschlüsse des fraglichen Geschäftes oder

als im allgemeinen zum Abschlüsse derartiger Geschäfte unter bestimmten Be­ dingungen bereits bekannt ist. 362. Kenntnis des Grschäftshrrrn von der Maklertättgkeit beim Abschluß.

VI. 140/93 v. 7. 1893.

E. Bd. 31 Nr. 65 S. 289 (Berlin).

Bei sonstigen Verträgen über Handlungen ist allerdings der Anspruch auf

die bedungene Vergütung für begründet zu erachten, sobald die übernommenen Handlungen geleistet sind, ohne daß es darauf ankommt, ob der andere Kon­

trahent die geleisteten Handlungen angenommen hat, und ob die Annahme mit

dem Bewußtsein, es werde durch die Handlungen der Vertrag erfüllt, erfolgt

ist.

(Vgl. RG. bei Gruchot, Beitr. Bd. 35 S. 915.)

findet auf den Mäklervertrag keine Anwendung.

Allein dieser Grundsatz

Der Anspruch auf Mäklerlohn

setzt nicht bloß die Vermittlungstätigkeit des Mäklers, sondern noch außerdem einen vom Willen des Mäklers unabhängigen Umstand, das Zustandekommen

des zu vermittelnden Geschäftes,

voraus.

Dem Ermessen des Auftraggebers

bleibt es also überlassen, ob er die vom Mäkler geleisteten Dienste annehmen

will oder nicht.

Erst wenn er sich für die Annahme entschieden und auf Grund

der Vermittlerdienste das Geschäft abgeschlossen hat, wird er zur Zahlung der Vermittlergebühr verpflichtet.

Von einer Annahme der Dienste wird aber nur

da die Rede sein können, wo der Auftraggeber bei dem Geschäftsabschlüsse von der vorausgegangenen Vermittlertätigkeit Kenntnis gehabt hat.

Daß solche

Kenntnis und das damit erlangte Bewußtsein von der Verpflichtung zur Zahlung der Mäklergebühr auf die Entschließungen des Auftraggebers in Ansehung des Geschäftsabschlusses selbst, der Preisbestimmung sowie der Gewährung ander­

weiter Provisionen von wesentlichem Einflüsse sein kann, liegt auf der Hand, wie denn auch im vorliegenden Falle der Bekl. nach der Feststellung des Vorder­ richters der Frau K. eine Vermittelungsprovision bezüglich des Verkaufes an F.

hat zukommen lassen.

Die Rev. weist freilich darauf hin, daß es dem Bekl.

freigestanden habe, sich vor dem Geschäftsabschlüsse durch Befragung der Kl. über deren Vermittlertätigkeit Gewißheit zu schaffen.

Zu solcher Befragung lag

aber für Bekl. kein Anlaß vor, wenn er nach der Sachlage annehmen durfte, daß Frau K. ohne eine vorherige Vermittlertätigkeit der Kl. und F. infolge der

Permittlertätigkeit der Frau K. als Kauflustige zu ihm gekommen seien.

Wollte

236

Bürgerliches Gesetzbuch.

II. Buch.

Recht der Schuldverhältnisse.

Kl. sich ihren Provisionsanspruch sichern, so war es, wie BG. mit Recht hervorhebt, ihre Sache, dafür Sorge zu tragen, daß Bell, von ihrer Vermittler­

tätigkeit rechtzeitig Kenntnis erlange. Dies folgt schon aus dem Inhalte des ihr erteilten Auftrages. Sie sollte dem Bekl. Kauflustige „zuführen" und hatte

danach, sofern sie das Zuführen nicht persönlich bewirkte, doch jedenfalls ihre

Tätigkeit so einzurichten, daß dem Bekl. vor dem Geschäftsabschlüsse ihre Mit­ wirkung zu dem Auftreten der Kauflustigen als eine „zuführende" zum Bewußtsein kam. Hatte Bekl. von solcher Mitwirkung weder durch direkte Mitteilungen der Kl. noch in anderer Weise Kenntnis erhalten, so können die von Kl. geleisteten Dienste als dem Bekl. geleistet nicht angesehen werden. (Vgl. RG. Rep. IV 73/85, Bolze, Bd. 1 Nr. 974; Senfs. A. Bd. 30 Nr. 22 S. 27.)

Titel 10.

Auftrag (tztz 662 ff.).

Über das Auftragsverhältnis zwischen Gläubiger und Gerichtsvollz. s. Nr. 137 ff. u. 466 ff.

363. überseeischer Verkaufsauftrag. I. 296/92 v. 10.12. 1892. Vgl. HGB. §§ 383 ff.

E. Bd. 30 Nr. 41 S. 132 (Hamburg).

Die Filiale der Bekl. in Hongkong war 1888 auf deren Veranlassung vom Kl. Champagner zum kommissionsweisen Vertriebe gegen Provision über­ sandt, der größte Teil der Sendung aber im August 1889 ohne vorherige Einholung der Disposition des Kl. zur Verfügung desselben nach Havre mit der Benachrichtigung zurückgeschickt worden, daß der Verkauf nicht gelungen sei. Kl. verweigerte die Annahme und klagte auf Zahlung der fakturierten Preise nach Abzug der Provisionsansprüche der Bekl. bei vollzogenem Verkaufe als Schadensersatz. A. d. Gr.: Einer Prüfung, ob ein Agentur- oder Konsignations- oder Kommissions­

verhältnis vorliege, bedarf es nicht. Für die Entscheidung ist lediglich der auch von den Vorderrichtern als ausschlaggebend erachtete Gesichtspunkt maß­

gebend, ob der Filiale in Hongkong in Ansehung des von ihr übernommenen Auftrages ein Verstoß gegen die anzuwendende Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zur Last falle. Diese Frage ist von beiden Vorderrichteru aus zutreffenden Gründen bejaht worden. Die Filiale in Hongkong hat den Auftrag nicht ausgeführt, auch das Vertragsverhältnis nicht gekündigt und dem Kl. nicht die Möglichkeit gewährt, anderweite Verfügungen zu treffen, sondern es ist einfach die Ware nach Europa zurückgesandt und dadurch die Ausführung des

Auftrages unmöglich gemacht worden. Daß dieses Vorgehen durch Gründe gerechtfertigt werden könne, welche eine derartige vertragswidrige Maßnahme bedingt hätten, ist von den Bekl. selbst Glicht behauptet. Die sämtlichen Aus­ führungen derselben des Inhaltes, daß unter den obwaltenden Verhältnissen die Rücksendung im Interesse des Kl. gelegen habe, sind nicht beachtlich. Rechtlich

würde daraus nur der Schluß gezogen werden können, daß die Filiale in

7. Abschn. Einzelne Kchuldverhältnisse.

Tit. {0. Auftrag.

§§ 662ff.

237

Hongkong ausreichenden Anlaß gehabt habe, den Kl. von der Unausführbarkeit

des übernommenen Auftrages in Kenntnis zu setzen und ihm die Erteilung anderweiter Dispositionen anheimzugeben. Demgemäß hat Kl. mit Recht seinen Anspruch darauf gegründet, daß die

Ausführung des Auftrages durch ein Verschulden der Filiale in Hongkong gemacht sei,

unmöglich

daraus weiter

und

zutreffend

die Schlußfolgerung

gezogen, daß Bekl. ihm für dasjenige aufzukommen hätten, was er im Falle der ordnungsmäßigen Ausführung des Auftrages erhalten haben würde.

Dieser

Satz hat in der Praxis schon wiederholt zu der Annahme geführt, daß derjenige, welcher den Verkauf von Waren an einem überseeischen Platze übernommen

hat, für den von ihm nicht beanstandeten Fakturapreis der übersandten Ware

aufzukommen habe.

(Vgl. Erk. des OAG. in Lübeck v. 15. Nov. 1856 sSamml.

Bd. 3 S. 147] u. des OLG. in Hamburg v. 19. Okt. 1888 (Hanseat. GZ.

Hauptbl. Jahrg. 9 S. 290]).

Diese Annahme ist nach den besonderen Umständen

des vorliegenden Falles unzweifelhaft zutreffend. Demgegenüber würde der Einwand rechtlich erheblich sein, daß es für Kl. nicht ausführbar gewesen wäre, den eingeklagten Betrag zu erzielen, daher er mit seiner Klage erstrebe.

einen

ungerechtfertigten, ihm nicht zukommenden Gewinn

Da die Bekl. für ihren Einwand beweispflichtig waren,

und einen

schlüssigen Beweis dafür hätten antreten müssen, so kann der Einwand nicht berücksichtigt werden. Die Bekl. haben'ferner den Einwand erhoben, daß Kl. verpflichtet gewesen

sei, die von Hongkong nach Havre zurückgelangte Ware in Empfang zu nehmen

und „bestens" zu verwerten.

BG. hat sich, ohne anzugeben, auf welche Rechts­

norm

dieser Auffassung angeschlossen.

es

rechtsirrig.

sich hierbei stützt,

Das ist aber

BG. erkennt unzweideutig an, daß die bewirkte Rücksendung der

Waren ein Vertragsbruch enthielt und somit rechtswidrig war.

Deshalb konnten

die Bekl. oder deren Filiale hieraus unmöglich das Recht für sich herleiten, zu verlangen, daß Kl. die Ware annehme und „bestens" verwerte.

Der zutreffende

Gesichtspunkt, von welchem aus das Verhalten des Kl. geprüft werden muß,

ist der, daß itn Handelsverkehre der durch einen Vertragsbruch mit Schaden

bedrohte Vertragstreue Kontrahent sich nicht passiv verhalten darf, sondern nach Treue und Glauben diejenigen Maßnahmen treffen muß, welche in gleicher Lage jeder verständige Mensch

und ordentliche Kaufmann zum Zwecke der

Abwendung oder Herabminderung des Schadens getroffen haben würde. ROHG. Bd. 13 S. 197 [207]).

(Vgl.

In dieser Beziehung kann aber den Kl. nach

dem in den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalte keinerlei Vorwurf treffen. Alsbald nach Empfang der Nachricht, daß die Ware von Hongkong an ihn

zurückgesandt sei, hat er den Bekl. das mitgeteilt und ihnen erklärt, daß er die

Annahme verweigere und die Ware zur Verfügung der Bekl. auf der Zollstelle in Havre belasse.

Die Bekl. haben darauf erwidert, daß sie das Vorgehen

ihrer Filiale in Hongkong für richtig hielten und sich auf nichts einließen.

238

II. Buch. Äecht der Schuldverhältnisse.

Bürgerliches Gesetzbuch.

Nach diesem Sachverhalte ist es nicht erfindlich und auch von den Bell, nicht dargelegt, welche zweifelsfrei angezeigt gewesene Maßnahme der Kl. versäumt

haben könnte.

864. Beweislast. I. 366/87 v. 25.1.1888. E. Bd. 20 Nr. 61 S. 269. IW. 1888 S. 112 Nr. 13 (KG.).

In Konsequenz der allgemeinen Regel, daß der Vertragspflichtige die Er­

füllung der Vertragspflicht darzutun hat, sowie der Normen über die Rechen­ schaftspflicht des Bevollmächtigten hat der Mandatar, ioenn er mit der rechten

Mandatsklage wegen Beschädigung des Mandanten durch nicht gehörige Aus­

führung des Auftrages auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, darzutun, daß er den Auftrag vollzogen und bei der Vollziehung die ihm obliegende Sorgfalt angewendet

habe.

Diese Verteilung der Beweislast entspricht auch

einer verständigen Berücksichtigung der durchschnittlichen Gestaltung der Lebens­ verhältnisse; da in der Regel nur der Mandatar

eigene Kenntnis von den

betreffenden Vorgängen besitzt, ihm auch die Nachweisungen leichter zu Gebote zu stehen Pflegen.

Vgl. Erk. des OAG. Lübeck v. 8. Sept. 1845, Hamb. Rechtspr. Bd. 1 S. 457. 458, v. 26. Sept. 1861, Seuff. A. Bd. 15 Nr. 45 S. 64, und v. 29. April 1865,

Kierulff Jahrg. 1865 S. 454, 455; ROHG. Bd. 6 Nr. 44 S. 216—219.

365. Haftung des Beauftragten bei Zusammentreffen der Haftung des Berkitufers. III. 429/85 v. 8. 6. 1886.

E. Bd. 16 Nr. 26 S. 130 (Dessau, Naumburg).

Kl. hatte von B. Heringe gekauft, welche bei dem Bell, lagerten.

Er ersuchte Bekl.

dieselben aus ihn zu überschreiben und bat um Auskunft, ob die Heringe Peterheader seien.

Bekl. antwortete: die Tonnen trügen sämtlich die Marke: I. Ritchie Fraserburgk.

Infolge­

dessen zahlte Kl. anstandslos an B. und verkaufte die Ware unter dieser Marke weiter.

Die­

selbe wurde ihm jedoch als minderwertige Lervicker Ware zur Verfügung gestellt, und Bekl.

gab nun zu, bei der Untersuchung der Tonnen nur die oberen Lagen untersucht und eine Besichtigung der unteren Lagen, zu denen die Fässer der verkauften Marke gehörten, unterlassen

zu haben.

Schadensersatz-Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen.

des Kl. auf.

RG. hob auf Rev.

A. d. Gr.:

Daß Bekl. an sich für die unrichtige Mitteilung haftet, ist nicht zweifelhaft, wird auch vom BG. nicht verkannt; rechtsirrtümlich ist aber die Annahme, daß

bei dieser Sachlage der Kl. sich zunächst an seinen Verkäufer halten müsse und

Bekl. erst in zweiter Linie hafte. Die Entsch. des BG. beruht in dieser Beziehung auf einer unrichtigen Auffassung des Begriffes eines Schadens und der Grundsätze über den Kausal­

zusammenhang.

BG. ist der Meinung, daß zur Zeit ein Schade für Kl. noch

nicht entstanden sei, weil er trotz der Zahlung noch alle Ansprüche gegen B.

geltend machen könne, welche

er ohne die Zahlung geltend machen konnte.

Dabei wird aber vom BG. übersehen, daß es sich hier um den Ersatz eines

bereits verwirklichten Schadens handelt.

Denn der Schade ist dadurch bereits

7. Abschn. Einzelne Schuldverhaltnisse.

Eit. JO. Auftrag. §§ 662 ff.

239

eingetreten, daß Kl. eine Zahlung geleistet hat, zu welcher er in diesem Um­

fange nicht verpflichtet war, und daß er damit die Verfügung über diese Bar­ mittel verloren hat.

Für diesen Schaden war aber das Verschulden des Bekl.

kausal, indem Kl. nach seiner Behauptung bei wahrheitsgemäßer Auskunfterteilung

die Zahlung nicht geleistet, vielmehr die Ware seinem Verkäufer B. zur Disposition gestellt haben würde.

War sonach die Nachlässigkeit der Bekl. in Ausführung

des von ihr übernommenen Auftrages kausal für den Schaden, welcher den Kl. getroffen

hat, so erscheint auch der Anspruch auf Ersatz gegen die Bekl.

begründet, da ein Rechtssatz des Inhaltes, daß der Mandatar für ein von ihm zu vertretendes Verschulden nur subsidiär haftet, nicht existiert.

A. Bd. 39 Nr. 139; ROHG. Bd. 14 S. 400.)

(Vgl. Seuff.

Allerdings wird auch der Auf­

traggeber gegenüber einem Versehen des Beauftragten sich nicht rein Passiv

verhalten dürfen, wenn er ohne wesentliche Belästigung imstande ist, einen in­ folge des Versehens eines Beauftragten ihm drohenden Schaden durch eigene

Tätigkeit von sich abzuwenden.

Im vorliegenden Falle handelt es sich aber

nicht um die Abwendung eines drohenden, sondern um den Ersatz eines bereits eingetretenen Schadens.

In solchem Falle ist dem Beschädigten nicht zuzumuten,

daß er zunächst die ihm etwa noch sonst zu Gebote stehenden Mittel benütze, um auf anderem Wege zum Ersätze seines Schadens zu gelangen.

Er kann

sich vielmehr unmittelbar und ohne weiteres an den Beauftragten halten und

diesem überlassen, die etwa dem Kl. gegen Dritte, hier gegen den Verkäufer B.,

zustehenden Ansprüche geltend zu machen.

Kl. ist nur verpflichtet, auf Verlangen

des Bekl. diesem sein Klagerecht gegen B. abzutreten ... Vgl. auch §§ 249 ff. Nr. 179 ff.

366. Auftrag zur Verzollung durch einen Zwischen-Mandatar mit falscher Inhaltsangabe. I. 102/90 v. 2. 7. 1890.

E. Bd. 26 Nr. 22 (Gleiwitz, Breslau).

Vgl. §§ 278, 447.

Bekl. hatte an R. in Rumänien Walzeifen, welches zollfrei eingeht, und Drahtnägel,

die einem Zoll unterliegen, verkauft, und die Falvahütte, von der er das Walzeifen bezog, beauftragt, dasselbe nebst den ihr zugesandten Drahtnägeln an R. abzusenden, die Kl. aber

mit der Verzollung zu beauftragen.

Die Falvahütte sandte das gesamte Gut mittels Fracht­

briefes, in dem der Auftrag zur Verzollung an Kl. enthalten, unter dem Namen des Bekl.

an R., ohne dast im Frachtbriefe die Drahtnägel als solche deklariert waren. Kl. deklarierten auf Grund des Frachtbriefes dem rumänischen Zollamte das Gut als (zollfreies) faconniertes Eisen und wurden deshalb nach Entdeckung der Beiladung der zollpflichtigen Drahtnägel

ihrer Stellung als Zollspediteure enthoben.

II wies ihre Klage auf Schadensersatz gegen

den Bekl. als Absender wegen mangelnder Passivlegitimation ab.

RG. hob auf.

A. d. Gr.:

Kl. sind befugt, den Bekl. als ihren Auftraggeber für den im Frachtbriefe enthaltenen Auftrag zur Verzollung anzusehen, da der Frachtbrief mit dem

Namen des Bekl. gezeichnet ist.

Daß Bekl. der Falvahütte den Auftrag zur

Verzollung durch die Kl. gegeben hat, ist von ihm zugestanden.

Es fragt sich

deshalb, ob die Falvahütte befugt war, diesen Auftrag im Namen des Bekl. an

die Kl. zu geben, oder verpflichtet war, ihn im eigenen Namen zu geben.

War

240

Bürgerliches «Gesetzbuch.

II. Buch.

Recht der Schuldverhältnisse.

sie befugt den Namen des Bekl. zu geben, so kommt darauf nichts an, daß der den

Auftrag enthaltende Frachtbrief nicht vom Bekl. selbst, sondern für ihn

durch die Falvahütte bezeichnet ist.

Es kommt in Betracht, daß Bekl. Käufer der Hütte und Verkäufer des R. war. Die Hütte hatte als Verkäufer des Walzeisens nach [§§ 433, 447 BGB.s die Ware nach der Übung als Teil der Vertragserfüllung denr Bekl. zu über­ senden und dabei allerdings in ihrem Namen zu handeln. Daraus folgt aber regelmäßig keine Pflicht für den Verkäufer zur Übersendung im eigenen Namen an die Käufer des Käufers, denen gegenüber der Käufer der Verpflichtete zur Übersendung ist. Vgl. ROHG. Bd. 18 S. 326. Falsch beurteilt BG. außerdem die Bedeutung der Tatsache, daß die Hütte nicht nur eigene, sondern auch fremde

Ware zu versenden hatte, und zwar gerade solche die der Verzollung unterlag. In Bezug auf solche Ware bestand keinerlei Verpflichtung für sie, im eigenen

Namen zu versenden. Sie folgt auch nicht aus der bekundeten, allgemeinen Übung, die sich auf solche Ware nicht bezieht. Daß die Hütte im Frachtbriefe die Ware als fremde bezeichnen konnte, ist nicht entscheidend, zumal dies durch­

aus nicht üblich ist.

Zu fragen war, ob bei der besonderen Sachlage, der

Verbindung des Auftrages zur Versendung eigener Ware mit dem Auftrage zur Versendung fremder Ware und zur Übermittelung des Auftrages zur zoll­

amtlichen Behandlung an einen Dritten die Hütte dadurch unbefugt gehandelt

hat, daß sie den ihr ohne Angabe, in welchem Namen sie den Auftrag geben sollte, erteilten Auftrag im Namen des Bekl. als ihres Auftraggebers gab.

Dies

ist ohne jedes Bedenken zu verneinen. Über die Frage, ob Bekl. oder die Falvahütte den Kl. daraus haftet, daß in dem Frachtbriefe, in welchem zugleich der Auftrag zur Verzollung enthalten ist, das Gut welches zur Verzollung zu deklarieren war, unter der allgemeinen

Bezeichnung faconniertes Eisen angegeben worden ist, ohne das Walzeisen und die Drahtnägel zu trennen, vgl. ROHG. Bd. 6 S. 404, 407.

Selbst wenn die

Falvahütte ein Vorwurf trifft, besteht ihr Verschulden lediglich darin, daß sie in dem Frachtbriefe und in den Begleitpapieren das Gut unvollständig oder

unrichtig deklariert hat. Darin kann ein Versehen bei Ausführung des Auf­ trages, aber keine Überschreitung des Auftrages gefunden werden. Am aller­

wenigsten liegt darin eine Überschreitung der Vollmacht, die Kl. mit der Ver­ zollung zu beauftragen.

Dieser Auftrag ist so erteilt, wie er zu erteilen war.

Er ist mit Recht unter dem Namen des Bekl. erteilt.

An diesen allein können

die Kl. sich deshalb halten, wenn sie ohne eigenes Verschulden dadurch Schaden

erlitten haben, daß der Aufttag das zur Verzollung zu bringende Gut nicht vollständig oder unrichtig bezeichnet.

Ist diese mangelhafte Bezeichnung auf

ein Versehen des Bevollmächtigten zurückzuführen, so haftet den Kl. doch dafür (nach § 164 BGB.j der Bekl., nicht dessen Bevollmächtigter, mit dem die Kl.

in ein Rechtsverhältnis nicht getreten sind. Bd. 1 S. 9).

(Vgl. ROHG. Bd. 6 S. 404; RG.

7. Abschn. Tit. (0. Auftrag. § 676. Rat. Empfehlung.

211

367. Rat «ad Empfehlung (§ 676).

I. 201/98 v. 24. 9. 1898. (Hamburg).

E. Bd. 42 Nr. 30 S. 125.

Seuff. Bd. 50 Nr. 26

Wenn das Recht den Satz ausgebildet hat, daß für Rat und Empfehlung an und für sich nicht gehastet wird, so wird dabei unterstellt, daß zwischen den

Parteien etwas anderes als Rat oder Empfehlung nicht vorgefallen ist.

Dem­

gemäß hat denn auch die Ausnahine, daß, wenn dem erteilten Rate eine Bös­

willigkeit zu Grunde liegt, eine Verhaftung für den angerichteten Schaden ein­ tritt, nur Bedeutung, insoweit es sich wiederum nur um Rat und Empfehlung

handelt.

Besteht zwischen den Beteiligten ein anderweitiges Rechtsverhältnis,

und steht der Rat oder die Empfehlung mit diesem Rechtsverhältnisse in Be­

ziehung, so

kommen. für

jenes

kann weder jene Regel, noch diese Ausnahme weiter in Frage

Es handelt sich dann nur um die Anwendung der Rechtssätze, die

anderweitige Verhältnis

gelten.

Hat also — wie es

hier

den Behauptungen der Klage der Fall ist — die Empfehlung Bezug

nach

auf

ein zwischen dem Ratsuchenden und dem Raterteilenden abgeschlossenes Kauf­

geschäft, und zwar in der Weise, daß die Erteilung des Rates kausal für den Abschluß des Geschäftes war, so liegt, wenn die Raterteilung arglistig war,

der Tatbestand

vor, daß

der eine Vertragsteil

den anderen

durch

absicht­

liche Jrrtumserregung zur Eingehung des Geschäftes bewogen hat, und aus

diesem Tatbestände ergeben sich die Rechtsfolgen.

Daß die Vorspiegelungen

die Form des Rates oder der Empfehlung angenommen haben, ist rechtlich ohne Bedeutung. Ähnlich verhält es sich mit der Verantwortung für eine Fahrlässigkeit in

der Raterteilung.

Im allgemeinen besteht keine Haftung dafür, daß bei einem

Rate oder einer Empfehlung nicht ein Versehen unterläuft.

Wo kein Vertrags­

verhältnis besteht, bedarf es besonderer Umstände, wenn eine Rechtspflicht zur

Aufwendung von Sorgfalt entstehen soll.

Solche besonderen Umstände hat

der erk. S. (Entsch. v. 31. Jan. 1891 Bd. 27 S. 119 sNr. 118 (Berlin); ebenso Seuff. Bd. 41 Nr. 100 S. 154; RAnz. 1885 Beil. 7 S. 387 ff. v. 18. April 1885])

unter anderem darin gefunden, daß zwischen dem Ratsuchenden und dem Rat­ erteilenden eine Geschäftsverbindung besteht, wobei dann nicht nur die einzelnen Geschäfte, losgelöst von einander, obligatorische Wirkungen hervorriefen, sondern auch die auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Verbindung als solche eine

Verpflichtung zur Aufwendung gehöriger Sorgfalt auch außerhalb des besonderen

Gebietes der Einzelgeschäfte erzeuge.

Es bedarf der Heranziehung dieses Gesichts­

punktes nicht, wenn ein Vertragsverhältnis vorliegt, aus dem ohnehin schon eine Verpflichtung zur Anwendung gehöriger Sorgfalt erfließt.

BG. verkehrt

die Bedeutung der angezogenen Entscheidung ins Gegenteil, wenn es die Haftung

für Sorgfalt bei der Raterteilung verneint, weil es zur Zeit der Erteilung des Rates an einer ständigen Geschäftsverbindung zwischen den Parteien gefehlt

habe, ohne sich zuvor die Frage vorgelegt zu haben, ob das konkrete VertragsRudorfs, Reichsgerichts-Entscheidungen. Bd. I. 16

242

Bürgerliches Gesetzbuch.

II. Buch.

Recht der Schuldverhältnisse.

Verhältnis, das zwischen den Parteien bestand, jene Verantwortung nicht bereits erzeugt hatte.

Im vorliegenden Falle komnit in Frage, daß es sich um den Verkauf von Wertpapieren seitens eines Bankiers an einen Privatmann handelt.

Es gehört

zum Gewerbe des Bankiers, zinstragende Wertpapiere an das Publikum, das

Belegung für seine Kapitalien flicht, abzugeben. der Bankier den Kunden berät.

Dabei ist Verkehrssitte, daß

Dem Privatmann gehen häufig die Kenntnisse

ab, die zur Beurteilung der Güte eines Wertpapieres im allgemeinen und im einzelnen Falle erforderlich sind.

Vom Bankier wird vorausgesetzt, daß er

diese Kenntnisse kraft seines Berufes hat oder doch leichter sich zu verschaffen imstande ist; er gilt als Sachverständiger, der Kunde als Laie.

Raterteilung

und Empfehlung bilden ein notwendiges Glied in diesem Zweige des Bank­ geschäftes, und ein Bankier, der sich der Beratung seiner Klientel entschlagen

wollte, würde seine Effektenabteilung bald schließen können.

Die Vorteile, die

für den Bankier aus den Geschäftsabschlüssen entstehen, bilden zugleich das

Entgelt für die Dienste, die er dem Kunden bei den Vorbereitungen zu den Geschäften leistet.

In Füllen dieser Art mischt sich daher mit den Kaufgeschäften

selbst die Leistung von Diensten: die Inanspruchnahme und die Darbietung der

Kenntnisse und Erfahrungen des Fachmannes an den minder kundigen Laien.

Diese Dienste sind ein Teil des entgeltlichen Geschäfts, und wer sie leistet, wird daher auch dafür einzustehen haben, daß er sie ohne Fahrlässigkeit leistet.

Es

würde denn auch ein wenig angemessenes Ergebnis sein, die Verantwortlichkeit des Bankiers für die Beratung seiner Klientel verschieden bemessen zu wollen,

je nachdein das Geschäft demnächst die Form der Kommission, oder die Form des unmittelbaren Kaufs angenommen hat. Erfolgt eine Raterteilung oder Empfehlung dieser Art, so wird es freilich

nach den herrschenden Verkehrsanschauungen in der Regel nicht die Meinung

der Beteiligten sein, daß der Bankier eine bedingungslose Garantie für die objektive Richtigkeit seiner Äußerungen übernehme. Die Absicht, verbindliche Zusagen über die Eigenschaften einer Sache, wegen deren Veräußerung man

unterhandelt, zu geben und zu nehmen, wird — von besonderen Umständen

abgesehen — dabei in der Regel fehlen.

Die Eigenschaften, um die es sich

dabei handelt, werden häufig einer genaueren objektiven Bestimmung kaum

zugänglich sein, und auch sonst spielt das Moment der rein subjektiven Be­ urteilung hierbei eine zu große Rolle.

Wofür aber eingestanden wird, ist, daß

der Bankier bei der Raterteilung nicht die Sorgfalt eines ordentlichen Kauf­ manns außer Augen setzt, daß also namentlich seine positiven Äußerungen auf einer sorgfältigen Prüfung der Umstände und Verhältnisse beruhen, auf die ein sachverständiger Beurteiler Wert legen wird.

Eine Fahrlässigkeit, bei der diese

Sorgfalt außer acht gelassen ist, macht den Bankier dem abkaufenden Kunden

gegenüber, der seinem Rate vertraut hat, für den entstandenen Schaden ver­ antwortlich.

368. Betrügliche Auskunft über Kreditwürdigkeit.

Offene Handelsgesellschaft.

I. 68/88 v. 21. 4. 1888. E. Bd. 20 Nr. 42 S. 190 (Schweidnitz, Breslau). Vgl. HGB. 88 124/5 u. oben Nr. 190.'

Auf sein Auskllnftsersuchen erhielt Kl. folgende „den 6. Febr. 1886" datierte Antwort:

„Der Angefragte ist ein entschieden ehrlicher und

braver sowie fleißiger

Geschäftsmann und arbeiten wir mit ihm seit einer Reihe von sechs Jahren

und genießt er bei uns volles Bertranen und zwar gewährten wir ihm bisher einen Kredit von zwischen 3—5000 Mk.

Seinen Verpflichtungen ist

er bisher stets nachgekommen und reguliert er größtenteils entweder mit

eigenen Accepten oder Kundenpapieren, welche bis auf einige kleine der letzteren prompt honoriert wurden.

Dies ist das, was wir Ihnen über K. mitteilen

können, selbstredend ohne unser Obligo.

Hochachtungsvoll H. Kr. & Sohn."

Es ist tatsächlich festgestellt: 1. daß der Inhalt des Briefes v. 6. Febr. 1886 in Bezug auf die wesentlichsten für die Kreditwürdigkeit des K. erheblichen

Tatsachen nicht nur objektiv unrichtig, sondern auch wissentlich unwahr und mit dem Bewußtsein erklärt sei, daß der Kl. durch den (mittels jenes Briefes wissentlich

und vorsätzlich bei ihm veranlaßten) Irrtum einen Schaden, wie den demnächst

erlittenen, erleiden könne; sowie 2. daß die Abfassung und Zusendung jenes

Briefes den Schaden des Kl. verursacht habe, auf dessen Ersatz der Klagantrag gerichtet sei.

Wenn auf Grund dieser Feststellung ausgeführt wird, es liege eine be­ trügliche Verleitung des Kl. zum Kreditgeben an K. vor, und müsse derjenige, welcher für die Folgen der beträchtlichen Verleitung zu haften habe, dem Kl.

nach dem Klagantrage gerecht werden; so wird weder das Wesen des civil­ rechtlichen Betruges verkannt, noch das maßgebende Gesetz verletzt. Wohlbegründet ist ferner die Ausführung des BG., daß die Schlußworte

des Briefes v. 6. Febr. 1886: „Selbstverständlich ohne Obligo"

in keiner Weise geeignet seien, die Rechtsfolge der tatsächlich verübten arglistigen

Verleitung abzuwenden.

Sogar eine Abmachung, daß für arglistiges Verhalten

nicht zu haften sei, ist (als gegen die gute Sitte verstoßend) wirkungslos [§ 276 BGB.j.

Die weitere Ausführung des BG., daß die Schadensersatzpflicht aus (§ 212 ALR. 1.14) eine Verbindlichkeit der Gesellschaft sei, für welche beide Gesellschafter

solidarisch mit ihrem ganzen Vermögen haften müßten, beruht auf richtiger An­ wendung der §§ 17, 124, 125, 128 HGB.

Nach der Gestaltung des kaufmännischen Verkehres der Gegenwart bestehen

die kaufmännischen Geschäfte überwiegend in Kreditgeschäften. welcher den Entschluß zu

Jeder Kaufmann,

fassen hat, eine Geschäftsverbindung, in welcher er

Kredit geben soll, mit einem Kaufmanne einzugehen, dessen Verhältnisse ihm selbst nicht genügend bekannt sind, ist darauf gewiesen, um sich eine annähernd

16*

244

Bürgerliches Gesetzbuch.

II. Buch.

Recht der Achuldverhältnisse.

sichere Überzeugung darüber zu bilden, ob derjenige, welcher ihm die Geschäfts­ verbindung (mit dem Verlangen zu gewährenden Kredites) anbietet, das Ver­

trauen verdiene, daß derselbe den Vorleistungen des Kreditgebers entsprechenden zukünftigen Gegenleistungen erfüllen werde, bei anderen Kaufleuten, bei welchen er eine genaue Kenntnis von den Vermögensverhältnissen und der geschäftlichen

Zuverlässigkeit jener Person, sowie die eigene kaufmännische Solidität und Sorgfalt voraussetzt, welche ihrer Antwort die Bedeutung einer festen Über­ zeugungsgrundlage verleiht, Auskunft über die Kreditwürdigkeit des Betreffenden einzuholen.

Bei der Ausdehnung und Verzweigung des gegenwärtigen Handelsverkehres müssen derartige Anfragen und Auskunftserteilungen sehr

häufig vorkommen.

Dieselben gehören zu den gewöhnlichen Vorkommnissen im kaufmännischen Ge­

schäftsleben. Da der Kaufmann im Geschäftsleben unter seiner Firma ins Auge gefaßt wird, insbesondere bei der offenen Handelsgesellschaft die Gesellschafter unter der Namenseinheit der Gesellschaftsfirma kaufmännisch handeln und zum kaufmännischen

Handeln

veranlaßt

werden;

so

werden

Anfragen

der

ge­

kennzeichneten Art an die Firma gerichtet und von der Firma beantwortet. Die Personen, welche sich zu einer offenen Handelsgesellschaft vereinigen, müssen

von vornherein darauf gefaßt sein, daß ein solches gewöhnliches Vorkommnis

des kaufmännischen Geschäftslebens auch in dem Geschäftsbetriebe des von ihnen etablierten Hauses vorkommen und die betreffende Auskunft durch einen der Gesellschafter, welche die Geschäfte ihres Hauses führen, im Namen dieses Hauses,

d. h. unter der Gesellschaftsfirma, erteilt werden werde.

Eine Anfrage der gekennzeichneten Art ist für den Nnfragenden eine Rechts­ geschäfte vorbereitende Handlung.

Auch

die

Auskunfrserteilung

besitzt den

Charakter einer zum kaufmännischen Gewerbebetriebe gehörigen Rechtshandlung. Dieselbe wurzelt in der Natur des kaufmännischen Verkehres.

Geschäftsüblich

wird sie von dem Kaufmanne unter seiner Firma auf eine an die letztere mit

Rücksicht auf die derselben zugetraute, in ihrem Geschäfte erworbene Kenntnis und Erfahrung, sowie auf die nach ihrem guten Rufe in der Geschäftswelt bei ihr vorausgesetzte Loyalität (gewöhnlich, wie im vorliegenden Falle) unter aus­

drücklichem Erbieten zu ähnlichen geschäftlichen Gegendiensten, jedenfalls unter stillschweigender Voraussetzung

einer solchen Bereitschaft)

gerichtete,

für

die

Geschäfts- und Vermögensinteressen des Anfragenden ersichtlich wesentliche Auf­

forderung erklärt.

Diese Erklärung ist (ihrer Natur nach) geeignet, je nach

ihrem Inhalte das Vermögen des Anfragenden zu schädigen oder günstig zu

beeinflussen, auch unter gewissen Voraussetzungen Verbindlichkeiten für den­

jenigen zu erzeugen, an dessen Adresse die Anfrage gerichtet war und in dessen

Namen die Antwort erfolgte. Daraus ergibt sich die Konsequenz, daß, wenn von einem zur Vertretung der offenen Handelsgesellschaft befugten Gesellschafter unter der Gesellschaftsfirma über die Kreditwürdigkeit einer Person auf eine in dieser Beziehung an die

7. Abschn. Tit. (0. Auftrag. § 676. Rat. Empfehlung.

245

Firma gerichtete Anfrage eine derartige Auskunft erteilt wird, daß, wenn eine solche Anfrage an einen Einzelkaufmann gerichtet wäre und derselbe auf diese

Anfrage eine gleiche Auskunft erteilt hätte, durch den Inhalt der Auskunft und

die Beschaffenheit des Wissens und Willens bei ihrer Erteilung (nach den maß­

gebenden Rechtsnormen) eine Schadensersatzverbindlichkeit erzeugt werden würde, dadurch eine Schadensersatzverbindlichkeit der offenen Handelsgesellschaft entsteht,

für welche (gemäß § 125 HGB.) die Gesellschafter solidarisch mit ihrem ganzen Vermögen haften.

Die vorstehend klargelegten Rechtsgrundsätze stehen im Einklänge mit den Gründen der Entsch. des RG. Bd. 15 Nr. 26, Bd. 17 Nr. 21.

Die abweichende

Rechtsprechung des ROHG. mißt dem Inhalte der Materialien des HGB. ein zu großes Gewicht bei unter Heranziehung des (an sich richtigen, aber bei der zu entscheidenden Rechtsfrage nicht zu verwertenden) Grundsatzes, daß Gesellschaften

zur Verübung von unerlaubten Handlungen nicht geschlossen werden könnten.

Ebenso in Betreff des Prokuristen (vgl. oben Nr. 189): III. 131/99 v. 10.10. 1899. Seuff. Bd. 55 Nr. 83 (Stuttgart).

369. Arglistige Auskunft. I. 162/88 v. 11. 7. 1888.

E. Bd. 23 Nr. 25 S. 137.

IW. 1888 S. 385 Nr. 8.

Außerhalb eines Vertragsverhültnisses vermag allerdings die bloße Unter­

lassung der Berichtigung eines fremden Irrtums den civilrechtlichen Betrug

nicht zu begründen.

Aber dies nehmen auch die Vorderrichter nicht an, welche

vielmehr — und zwar ganz zutreffend — den Dolus des Bekl. nicht in einer Verweigerung der Auskunft, sondern

vielmehr gerade darin finden, daß der

Bekl. zwar Auskunft erteilt, dabei aber einen wesentlichen Punkt verschwiegen

und in Verbindung mit feinem positiven Tun den Kl. durch sein Schweigen getäuscht hat.

Ebenso ist es für den Rechtsbegriff des Betruges unerheblich,

ob man durch die Täuschung für sich selbst oder für einen Dritten einen rechts­ widrigen Vorteil zu erreichen bezweckt; ein solcher Zweck wird für den civil­ rechtlichen Betrug überhaupt nicht vorausgesetzt.

lex 19, 39 und 40 Dig. de dolo (4,3).

allerdings eine bösliche Absicht.

Vgl. lex 9 § 1, lex 18 § 5,

Voraussetzung des Dolus ist aber

Diese braucht jedoch nicht direkt auf Schädigung

eines Dritten gerichtet zu sein, es genügt vielmehr schon das Bewußtsein, daß durch die Täuschung möglicherweise ein Schaden herbeigeführt werden kann, welcher ohne dieselbe vermieden sein würde.

370. Arglistiges Verschweigen des Empfehlenden. VI. 413/95 v. 13. 4. 1896.

Gr. Bd. 40 S. 970 Nr. 79 (Breslau).

Arglist kann ebenso im Verschweigen, wie im Behaupten bestehen (E. Bd. 23 S. 137) [f. Nr. 369],

Die Kenntnis des Empfehlenden von der durch ihn bestätigten Tatsache gewährt die Garantie für die Richtigkeit der Bestätigung.

Das Vertrauen auf

diese Kenntnis bestimmt den Entschluß dessen, der den Rat oder die Empfehlung

246

empfängt.

Recht der SchuldverhLltnisse.

II. Buch.

Bürgerliches Gesetzbuch.

Die Verschweigung der Unkenntnis bewirkt somit die Täuschung des

letzteren.

ob Bell, von der Wertlosigkeit der

Läßt nun das Gericht dahingestellt,

svon ihm als sicher und gut bezeichneten) Hypothek Kenntnis gehabt habe, so ließe diese Offenlassung der Frage auch die Möglichkeit zu, daß die Nicht­ kenntnis auf Irrtum beruht habe.

Würde die Nichtkenntnis von der Wert­

losigkeit der Hypothek auf einer vermeintlichen Kenntnis des Wertes, also auf

Irrtum beruht haben, so ließe sich hierauf nicht die Folgerung bauen, daß Bekl. sich bewußt gewesen sei, es habe das Vermögen des Kl. durch diese Täuschung erheblich

geschädigt werden

Die

können.

völligem Mangel an Wissen beruhen.

Unkenntnis

kann

aber

auch

auf

Gibt dann der Nichtwissende bestimmtes

Wissen vor, so muß er sich auch sagen, daß er auf sein angebliches Wissen

Vertrauende getäuscht werden und zu Schaden kommen kann.

Bestimmt er

gleichwohl trotz dieser Einsicht den ihm Vertrauenden znr Vornahme einer diesen schädigenden Handlung, so ist sein Handeln auf Grund seiner Voraussicht der Möglichkeit eines schädigenden Erfolges kein fahrlässiges, sondern ein arg­

listiges.

(Bd. 23 S. 137.)

Denn die Grenzen der Fahrlässigkeit sind über­

schritten, sobald der Erfolg in den Willen des Handelnden ausgenommen ist.

BG. ist allerdings auf die mit der Annahme des Mangels der Kenntnis von der Wertlosigkeit der Hypothek vereinbare Möglichkeit eines Irrtums nicht

eingegangen.

Die Ausführungen des BG. über die dem Bekl. obgelegene Pflicht,

dem Kl. davon Mitteilung zu machen, daß er seinen Rat in völliger Unkenntnis der Verhältnisse erteile, in Verbindung mit der Erwägung der Bedeutung, welche

die Kenntnis des Kl. von der

„gänzlichen Unkenntnis der Sachlage" seitens

des Bekl. für die Willel'.sbestimmung des ersteren gehabt hätte, geben jedoch keinem Zweifel Raum, daß BG. seine Entsch. nicht auf die hypothetische Er­

wägung der völligen Unkenntnis sondern auf die Annahme und Feststellung der völligen Unkenntnis gründet.

Auf dieser Grundlage erscheint aber die

Annahme arglistigen Verhaltens gerechtfertigt.

371. Fahrlässigkeit unb Arglist.

I. 12/91 v. 25. 3. 1891. (Hamburg).

IW. 1891 S. 285 Nr. 29.

Seuff. Bd. 46 Nr. 258

In Bezug auf die Haftung für Empfehlungen außerhalb eines Vertrages

ist zur Begründung des Dolus nicht unbedingt erforderlich, daß das Bewußt­

sein des Empfehlenden dargetau werde, daß die gemachten Angaben mit der wahren Sachlage nicht übereinstimmen.

Der Empfehlende, der zum Zweck der

Empfehlung bestimmte Tatsachen über eine Person oder einen Gegenstand aus­ sagt, erklärt, daß er sich von der Richtigkeit dieser Tatsachen überzeugt hatte.

Fahrlässig handelt, wer eine solche Erklärung abgibt, ohne die Grundlagen seiner Überzeugung gehörig geprüft zu haben. Arglist liegt vor, wenn die Erklärung

subjektiv wahrheitswidrig ist, d. h. abgegeben wird, ohne daß dem Empfehlenden

7. Abschn. die Überzeugung

Tit. JJ. Geschäftsführung ohne Auftrag.

§§ 677ff.

247

von der Richtigkeit der behaupteten Tatsachen inne wohnt.

Subjektive Wahrheitswidrigkeit ist auch dann vorhanden, wenn der Empfehlende

Angaben in positiver Form macht, die an sich richtig oder unrichtig sein können, von deren Richtigkeit er aber nicht positiv überzeugt ist.

Erweisen sich diese

Angaben als unrichtig, und ist durch dieselben eine Schädigung desjenigen herbei­ geführt, dem die Auskunft erteilt ist, so ist die actio de dolo begründet.

Denn

das Bewußtsein von der Möglichkeit einer Schädigung, welches für den Dolus

im civilrechtlichen Sinne ausreicht — Entsch. RG. Bd. 23 S. 137 sNr. 369] —, ist auch in diesem Fall unbedenklich anzunehmen. Vgl. auch Nr. 295.

Titel 11.

Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff.).

Für eine zukünftige jur. Person: s. o. Nr. 7.

Vgl. auch Art. 103 EG.

372. Bezahlung fremder Schulden. III. v. 14. 10. 1881.

9 S. 155 (Rennerod, Wiesbaden).

Aus den Vorschriften über die Ausschließung des Rechtsweges in den zum Ressort der Verwaltungsbehörden gehörenden Angelegenheiten folgt aber keines­

wegs, daß

auch

diejenigen

Rechtsmittel, welche

das

gern.

R.

zum Schutze

des Sonderinteresses des einzelnen Staatsangehörigen auf Benutzung eines öffentlichen Weges gewährt, nicht mehr zulässig seien; diese Rechtsmittel müssen vielmehr, wenn

die Polizeibehörden die Beseitigung der den Gebrauch eines

öffentlichen Weges beeinträchtigenden Anlagen nicht anordnen wollen, für statt­ haft erachtet werden, weil sie zum Schutze gegen unbefugte Eingriffe in das

dem einzelnen zustehende Recht auf Benutzung öffentlicher Wege dienen und

zugleich 'auf Ersatz des durch solche unbefugte Eingriffe dem Kl. entstandenen

Schadens gerichtet sind,

also nicht publizistische Rechte, sondern einen privat­

rechtlichen Anspruch betreffen.

Im vorliegenden Falle handelt es sich aber, wie die Begründung der Klage, das Klagegesuch und der Tenor des den Bekl. verurteilenden Erkennt­ nisses ergeben, nur um den Schutz des Interesses, welches der Kl. an dem

Gebrauche des in Frage stehenden öffentlichen Weges mit Rücksicht auf die Lage seiner Scheune und auf die erleichterte Kommunikation mit den höher gelegenen Teilen der Stadt hat, sowie um den Ersatz des Schadens, welcher

ihm durch die unbefugte Verhinderung beziehungsweise Erschwerung der Be­ nutzung des Weges durch den Bekl. verursacht ist.

472. Vereitelung der Geltendmachung des Grundschuldrechtes. V. 171/90 v. 19. 11. 1890.

IW. 1891 S. 26 Nr. 64 (Hagen, Hamm).

Kannte die Bekl. (Stadtgenieinde Hagen)

das Grundschuldrecht der Kl.

oder mußte sie es kennen, so griff sie, indem sie die verpfändete Parzelle außer Verkehr setzte und dadurch die Realisierung des Grundschuldrechts unmöglich

machte, bewußt oder doch schuldbar in das Recht der Kl. ein, und muß deshalb Rudorfs, Reichsgerichts-Entscheidungen. Bd. I

21

Bürgerliches Gesetzbuch.

322

II. Buch.

Recht der Schuldverhältnisse.

die aus dieser Rechtsverletzung entspringenden Folgen tragen (§§ 7, 8 Tit. 3,

§ 26

Tit. 8,

§ 24

Tit. 20 Tl. I ALR.),

mithin

auch

der

Kl.

den

Schaden ersetzen, der ihr aus der Vereitelung ihres Grundschuldrechts erwachsen ist.

Für diese Schadensersatzpflicht der Bell, ist es gleichgültig, ob die Kl.

auch den Verkäufer auf Herausgabe des für die Parzelle erhaltenen Kaufgeldes in Anspruch nehmen könnte. 473. Unwahre Prospekte.

I. 101/00 v. 2. d. 1900. E. Bd. 46 Nr. 24 S. 83 (Berlin). Vgl. Börsenges. 88 43,44.

BG. führt aus: Die Erklärung im Prospekte, laut deren den Mehrein­ nahmen entsprechende Ausgaben gegenüberstehen, charakterisiere sich als Ver­ sicherung einer Tatsache; sie habe in jedem Leser die Annahme hervorrufen

müssen, daß prozentual die Ausgaben nicht in höherem Maße als die Ein­

nahmen

gestiegen

seien;

in Wirklichkeit aber liegt eine unverhältnismäßige

Steigerung der ersteren vor... Die unrichtige Versicherung entbehre auch einer

ausreichenden subjektiven Grundlage, da den eigenen Erklärungen der Bekl. zufolge eine Berechnung der Kosten, insbesondere des elektrischen Betriebes, zuvor nicht stattgefunden hat, sondern der Vorstand sich nur an die derzeit

über die Kosten des

elektrischen Betriebes allgemein herrschenden Ansichten

gehalten haben könne und die Versicherung im Bewußtsein des Fehlens ander­

weitiger Anhaltspunkte für ihre Richtigkeit abgegeben habe.

Hieraus ergibt

sich, daß die Feststellung eines groben Versehens eine Gesetzesverletzung nicht Denn in dem Umstande, daß der Vorstand eine für den Wert der

zeigt.

Aktien sehr erhebliche Tatsache als wahr versicherte, obwohl er für sie keine

andere Gewähr als die vorhin erwähnte hatte, und obwohl er sich nicht ver­

hehlen daß

konnte, daß die Erwerber der Aktien notwendig voraussetzen mußten,

eine

bessere Grundlage vorhanden sei, namentlich daß toenigftenS eine

oberflächliche Berechnung der Kosten, welche möglich gewesen wäre, auch statt­

gesunden hätte, durfte ein auch ohne Anstrengung der Aufmerksamkeit zu ver­ meidendes, also grobes Versehen als vorliegend angenommen werden.

474. Fahrlässig falsche Anzeige und Beschlagnahme.

VI. 208/88 v. 3. 12. 1888. (Hamburg).

E. Bd. 22 Nr. 42 S. 208.

Seuff. Bd. 44 Nr. 181

Bekl. hatte den Kl. wegen Patentverletzung bei der Staatsanwaltschaft

angezeigt und diese hatte darauf dessen Lager von Büffelhaar-Treibriemen mit Beschlag belegen lassen.

Hierdurch war Kl. von Oktober 1886 bis 1887 am

Absätze dieser Waren und an Weiterführung des Geschäftsbetriebes behindert. Die Anzeige erwies sich als unbegründet.

Kl. behauptete Arglist jedenfalls

Fahrlässigkeit der Bekl. in Erstattung derselben und klagt auf Schadensersatz.

OLG. nahm zwar fahrlässige falsche Anzeige an, wies aber ab wegen mangelnder

Rechtsnorm.

RG. hob auf, weil dieser Grund gegen das (richtig aufgefaßte)

7. Abschn.

Tit. 25.

Unerlaubte Handlungen. § 823. Beschlagnahme.

323

Recht verstoße, da die Beschädigung des Kl. an seinem Vermögen durch die von der Bell, schuldhafterweise verursachte zeitweilige Verhinderung der Ver­ wertung seiner Waren bewirkt sein solle, und verwies zurück, weil der Kausal­ zusammenhang zwischen

der fahrlässigen Anzeige und der Beschlagnahme des

Warenlagers noch nicht formell feststehe.

475. Widerrechtliche Beschlagnahme. III. 107/90 v. 17. 10. 1890. E. Bd. 26 Nr. 38 S. 204 (Hildesheim, Celle). BG. geht davon aus,

daß der Gläubiger,

welcher einen Arrest erwirkt

hat, falls der Arrest auf Widerspruch des Schuldners als ungerechtfertigt aus­

gehoben wird, ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft, verpflichtet sei, dem Schuldner sämtliche durch die Anlegung und die Vollziehung des

Arrestes verursachten Kosten zu erstatten, daß dagegen durch die Erwirkuug

eines für ungerechtfertigt erkannten Arrestes eine Schadensersatzpflicht des

Gläubigers nicht unbedingt, sondern

nur unter der Voraussetzung begründet

werde, daß den Arrestsucher bei der Erwirkung des Arrestes der Vorwurf eines

schuldvollen oder gar dolosen Verhaltens treffe.

BG. hat demgemäß, indem

es feststellt, daß nach den feststehenden tatsächlichen Verhältnissen sowohl ein Dolus, wie ein Verschulden der Bekl. für widerlegt zu halten sei, die Bekl.

zur Zahlung der durch die Anlegung und die Vollziehung des Arrestes ent­ standenen Kosten verurteilt, dagegen den Anspruch des Kl. auf Ersatz des ihn,

angeblich durch die Arrestanlage verursachten Schadens abgewiesen. Der hiergegen vom Revkl. erhobene Angriff ist nicht begründet, die von

dem BG. seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Ansicht vielmehr zu billigen. Da in der CPO. keine Bestimmungen darüber sich finden, unter welchen

Voraussetzungen der Gläubiger, welcher einen Arrest erwirkt hat, zum Ersätze

des Schadens verpflichtet ist, welcher dem Schuldner, abgesehen von den Kosten der Anlegung und Vollziehung des Arrestes,

durch den für ungerechtfertigt

erkannten und aufgehobenen Arrest entstanden ist, so ist diese Frage nach den

allgemeinen Grundsätzen über die Verpflichtung zum Schadensersatz in außer­

kontraktlichen

Verhältnissen zu

beantworten (vgl. Entsch. Bd. 7

Bd. 11 S. 417; Seuffert A. Bd. 44 S. 406).

S. 377 ff.,

[®. aber CPO. 8 717.]

476. Bewußt oder schuldhaft widerrechtliche Pfändung. VI. 174/90 v. 6. 11. 1890.

IW. 1891 S. 28 Nr. 68, 69.

Es ist nicht schon dann ein Schaden als mit Vorsatz verursacht anzusehen, wenn derselbe durch eine vorsätzlich vorgenommene Handlung, mag diese auch

objektiv widerrechtlich sein, herbeigeführt ist. der Widerrechtlichkeit voraus.

Der Vorsatz setzt das Bewußtsein

Nach den tatsächlichen Feststellungen des BG.

ist Bekl. der Ansicht gewesen, daß sie zu der fraglichen Pfändung berechtigt sei; sie hat sich lediglich ihres Rechtes innerhalb der gehörigen Schranken zu

bedienen geglaubt (§ 36 Tl. I Tit. 6 des ALR.); sie ist sich nicht allein der

21*

324

Bürgerliches Gesetzbuch.

II. Buch. Recht der Schuldverhältnisse.

Widerrechtlichkeit der Pfändung nicht bewußt gewesen, sondern sie hat auch ge­

nügenden Grund gehabt, ihre Handlungsweise für berechtigt zu halten. Es ist ein Rechtsgrund nicht ersichtlich, weshalb der Gläubiger, welcher einen

Ger.-Vollz.

mit einer Zwangsvollstr,

für

beauftragt,

das

Versehen,

welches derselbe sich dabei zu Schulden kommen läßt, unbedingt haften soll.

Soweit der Ger.-Vollz. nach eigenem Ermessen, bezw. nach der Instruktion, wie selbige von ihm aufgefaßt wird, handelt, ohne daß eine besondere Anweisung

des Auftraggebers vorliegt, kann den letzteren eine Verantwortlichkeit für das Versehen des ersteren nicht treffen.

Eine abweichende Ansicht ist auch in Entsch.

Bd. 14 S. 364, 365 nicht ausgesprochen.

Damals waren Gegenstände ge­

pfändet, welche sich nicht im Gewahrsam des Schuldners, sondern eines Dritten

befanden, und der Gläubiger hatte, nachdem er dieses erfahren, die Freigabe der Gegenstände verweigert.

Deshalb wurde angenommen, daß der Gläubiger

die ungesetzlichen Handlungen des Ger.-Vollz. genehmigt habe, und daher die

Spolienklage gegen ihn begründet sei.

(Vgl. Nr. 509 bei §§ 858 ff.]

477. Haftung des beauftragenden Gläubigers?

III. v. 7. 3. 1893.

Seuff. Bd. 49 Nr. 14 (Jena).

Rechtswidrig war zwar die von dem Ger.-Vollz. bewirkte Pfändung der mit dem Gebäude untrennbar verbundenen Brauereigeräte, wie Braukessel, Kühl­ schiff rc.,

da

derartige

Bestandteile

Mobiliarexekution sein konnten.

des Grundstücks

nicht Gegenstand der

Allein die Entschädigungspflicht der Bell, hängt

noch weiter davon ab, ob sie für das ungesetzliche Vorgehen des Ger.-Vollz. einzustehen hatte.

Allerdings ist der Gläubiger für die Handlungen des Ger.-

Vollz. insoweit verantwortlich, als dieser in Vertretung und im Auftrage des Gläubigers tätig wurde.

(Entsch. d. RG. Bd. 9 S. 361; Bd. 16 S. 406,

Seuff. Bd. 39 Nr. 70, Bd. 42 Nr. 204 S. 290.)

[@. o. Nr. 139.]

Kl. irrt jedoch, wenn sie schon auf Grund des allgemeinen Auftrags zur

Pfändung die Bekl. auch für die gesetzwidrigen Pfändungsmaßregeln haftpflichtig

machen will, denn der dem Ger.-Vollz. erteilte Auftrag,

„die Fässer und die

Jnventarstücke in der Brauerei zu pfänden," enthielt an sich noch keine Ver­

letzung der über die Zulässigkeit der Mobiliarpfändung bestehenden Vorschriften, überließ vielmehr die Auswahl der einzelnen Pfandstücke dem pflichtmäßigen in dieser Beziehung selbständigen Ermessen des Ger.-Vollz.

der Pfändungsauftrag ausdrücklich

auf die mit dem

Nur dann, wenn

Gebäude verbundenen

Brauereigeräte gerichtet gewesen wäre, würde von einer Haftpflicht der Bekl. die Rede sein können (Entsch. Bd. 14 S. 364).

In dieser Beziehung geht

BG. zu weit, wenn es mit Rücksicht auf die selbständige Stellung des Ger.-

Vollz. als öffentlichen Vollstreckungsbeamten auch bei einem speziellen Auftrag zu einer ungesetzlichen Pfändung jede Haftpflicht des betreffenden Gläubigers ausschließen will.

7. Abschn. Tit. 25. Unerlaubte Handlungen. § 823. Beschlagnahme.

325

Mit Unrecht sucht Kl. diese Haftpflicht auch daraus herzuleiten, daß Bell, vor dem Verkaufstermin von dem Pfändungsprotokoll Einsicht

erhalten habe

und hiernach zur Freigabe der ungesetzlich gepfändeten und ihr bekannt ge­

wordenen Stücke verpflichtet gewesen,

dieser Verpflichtung

aber nicht nach­

gekommen sei, denn für die Bekl. bestand keine Verpflichtung, das Pfändungs­ protokoll, das an sich die Eigenschaft von Braukessel, Kühlschiff rc. als Be­

standteile des Gebäudes nicht ergab, nach der Richtung einer näheren Prüfung zu unterziehen, ob alle darin aufgeführten Gegenstände auch gesetzmäßig ge­

pfändet seien.

Die Bekl. konnte vielmehr bis auf weiteres ein gesetzmäßiges

Vorgehen des Vollstreckungsbeamten voraussetzen und wäre zu einer näheren

Prüfung nur durch Erhebung von Einwendungen oder Ansprüchen veranlaßt gewesen, wie solche in dem in Bd. 14 S. 367

Dritter

der Entsch. d. RG.

publizierten Rechtsfall erhoben worden waren, gegebenenfalls aber nicht vor­ liegen.

sVgl. Nr. 509 bei §§ 858 ff.]

478. Widerrechtliche Beschlagnahme wegen Mufterschutzverletznng. III. 269/82 v. 3. 10. 1882. (Darmstadt).

E. Bd. 8 Nr. 4 S. 15.

Senfs. Bd. 39 Nr. 13 S. 20

Kl. verlangen von dem Bekl. teils Ersatz der von ihnen zur Verteidigung

wider die (von ihm erhobene) Anklage wegen Zuwiderhandlung gegen das Muster­ schutzgesetz aufgewendeten Kosten, teils Entschädigung für die Nachteile, welche ihnen durch die in der eingeleiteten Untersuchung verfügte Beschlagnahme des

als gesetzwidrige Nachbildung bezeichneten Etuis in dem Betriebe ihres Gürtler­

geschäfts zugefügt worden sein sollen.

Die Vorinstanzen haben die Klage ab­

gewiesen, weil Bekl. nur im Falle eines dolosen Verhaltens Zivilrechtlich ver­ antwortlich genmcht werden könne, demselben überdies, selbst wenn man ihn

für grobe Fahrlässigkeit oder gar für Fahrlässigkeit überhaupt haftbar erklären wolle, nach dem Ergebnisse der Verhandlung und Beweisaufnahme bei Erhebung

der Anklage keinerlei Verschulden zur Last falle. Dieser Entscheidung konnte nicht beigetreten, der Klaganspruch mußte viel­

mehr, nachdem sich infolge der Wiederaufnahme der gegen die jetzigen Kl. auf

Antrag des Bekl. verhängten Untersuchung ergeben hat,

daß das von den

letzteren zum Einträge in das Musterregister angemeldete Etui nicht als ein

neues und eigentümliches Erzeugnis im Sinne des § 1 des RGes. v. 11. Jan. 1876 anzusehen war, die erhobene Anklage mithin objektiv der Begründung

entbehrte, ihrem Grunde nach für gerechtfertigt erkannt werden. Die Besonderheit des hier in Frage stehenden Rechtsinstitutes bedingt die

Anwendung der Grundsätze über die Schadensersatzpflicht der unterliegenden Partei im Civilprozesse.

Das Musterschutzgesetz vom 11. Januar 1876 führt

ein bis dahin unbekanntes Individualrecht ein, dessen Ausübung nicht an die Erfüllung materieller Voraussetzungen, sondern an rein formale Bedingungen geknüpft ist (§§ 7, 10, 13, 14).

326

Bürgerliches Gesetzbuch.

II. Buch.

Recht der Schuldverhältniffe.

Bei dieser Sachlage ist es einleuchtend, daß der angerufene Strafrichter

bei Einleitung und Fortsetzung der Untersuchung gar nicht in der Lage ist,

die Befugnis des Antragstellers zur Erhebung der Anklage von Amts wegen einer sachlichen Prüfung zu unterziehen, daß er vielmehr, sobald ihm von dem Ankläger die Erfüllung der formellen Bedingungen des Mnsterschutzgesetzes dar­ gelegt worden sind, von dem Beschuldigten den Exkulpationsbeweis zu erwarten

hat.

Damit wird der letztere in die Zwangslage gebracht, im Strafverfahren

genau so wie im bürgerlichen Prozesse die von ihm vorgebrachten Einwendungen zu erweisen

oder doch die für den Kl. sprechende rechtliche Vermutung im

Gegenbeweise zu beseitigen.

Aus diesem Grunde muß aber auch der Kl. die

Verantwortung für die Durchführung seines Anspruches übernehmen.

Er muß

im Strafverfahren im Falle der Zurückweisung seines Antrages auf Bestrafung des Beschuldigten, Einziehung der angeblichen Nachbildung und Zuerkennung

einer Buße die von dem Beschuldigten aufgewendeten notwendigen Verteidi­ gungskosten nicht weniger ersetzen, als er zur Kostenerstattung im Civilprozesse

im Falle der Abweisung der Klage nach den dort maßgebenden Grundsätzen

verpflichtet wäre, und er muß auch die sonstigen infolge des Anklageprozesses, bezw. der angeordneten Beschlagnahme von Muster und Form dem Beschuldigten

erwachsenen erweislichen Schäden tragen.

In Ansehung der letzteren kann sich

der Unterliegende auch nicht etwa darauf berufen, daß er bei Erhebung der Anklage nur von einer ihm gesetzlich zustehenden Befugnis Gebrauch gemacht

habe.

Denn dieser Einwand trifft, wenn überhaupt, doch in Fällen der vor­

liegenden Art nicht zu, in welchen sich der Kl. sein Recht durch die bloße Be­

hauptung, daß er Urheber sei, und durch die auf Grund dieser Angabe voll­

zogene Eintragung selber schafft.

und Niederlegung des Musters bei

der Gerichtsbehörde

Wird hier durch Führung des Gegenbeweises festgestellt, daß

ein Recht des Eingetragenen auf Schutz in Wirklichkeit nicht bestand, so füllt

die zu dessen Gunsten im Gesetze aufgestellte Vermutung und mit dieser zu­ gleich der einzige Rechffertigungsgrund für den Eingriff des Eingetragenen in das Rechtsgebiet des Dritten hinweg.

479. Ungünstige Beeinflussung des Zwangsverkauss durch den Gläubiger. VI. 259/90 v. 19. 2. 1891.

IW. 1891 S. 207

Durch die Pfändung tritt der Gläubiger in Bezug auf die gepfändeten

Sachen in ein gewisses Rechtsverhältnis zu dem Schuldner.

sonst dieses Rechtsverhältnis auffassen mag,

Wie man auch

jedenfalls kann dem Gläubiger

nicht gestattet sein, eine solche Art des Verkaufs der gepfändeten Gegenstände

herbeizuführen, daß voraussichtlich ein dem Wert derselben entsprechendes An­ gebot nicht erfolgt, und er selbst in die Lage kommt, sich durch Ankauf der

Pfandsachen unter ihrem Wert auf Kosten des Schuldners zu bereichern.

Ein

solches Verhalten haben die Bekl. hier (durch Aufnahme der Bestimmung in die Kaufbedingungen, die gekaufte Sache müßte binnen 24 Stunden von dem

7. Abschn. Tit. 25. Unerlaubte Handlungen. § 823. Abhalten v. Bieten.

327

obwohl sie wußten, daß diese Frist völlig un-

Grundstück entfernt werden,

zureichend war) geflissentlich und absichtlich beobachtet, und es ist ihnen auch gelungen, den Kl. auf diese Weise zu beschädigen.

Auf Grund ihres dolus

müssen sie als verpflichtet angesehen werden, demselben den ihm hierdurch ent­ standenen Schaden zu ersetzen.

480. Abhalten vom Bieten. III. 67/90 v. 8. 7.1890. Vgl. § 333 Abs. 3.

E. Bd. 26 Nr. 60 S. 310 (Osnabrück, Celle).

Es handelt sich im vorliegenden Falle darum, ob Bell, wegen seines an­

geblichen rechtswidrigen und dolosen Verhaltens im Versteigerungstermine dem Kl. schadensersatzpflichtig ist. Das LG. weist die auf Verletzung der Vorschrift in § 270 pr. StGB,

vom 14. April 1851

gestützte Klage ab,

weil

es

an dem ursachlichen Zu-

samnienhange zwischen der angeblichen Tat des Bell, und der für Kl. ein­

getretenen Schädigung fehle,

da der schädigende Erfolg, trotz der angeblichen

Verletzung des § 270 nicht eingetreten sein würde, wenn Kl. seine Interessen

in dem Zwangsversteigerungsverfahren besser wahrgenommen hätte; dieses unterlassen habe,

Nachteiles.

weil Kl.

sei diese Unterlassung die Ursache des eingetretenen

Wenn BG. diesen Abweisungsgrund als unzutreffend verwirft, weil

die Kausalität zwischen zwei Ereignissen dadurch nicht ausgeschlossen werde, daß das Dazwischenkommen eines dritten die Wirkung des ersten verhindert hätte, so ist darin ein Rechtsirrtum nicht zu erblicken.

Nach den tatsächlichen Fest­

stellungen des BG. kann es einem Zweifel nicht unterliegen, daß der Verlust,

welchen Kl. bei dem in Rede stehenden Zwangsversteigerungsverfahren erlitten

hat, dadurch bewirkt ist, daß U. seine Absicht, auf das zum Verkaufe gebrachte Grundstück des Gemeinschuldners mindestens so weit zu

bieten, als es zur

Deckung seiner Hypothekenforderung erforderlich war. aufgegeben hat.

Denn,

führte U. diese Absicht aus, so würde die dem Kl. zustehende, der Forderung des U. vorgehende Hypothekenforderung vollständig zur Auszahlung gelangt

sein.

Da nun ferner festgestellt ist, daß Bekl. den U. zum Aufgeben der Ab­

sicht, auf das Grundstück zu bieten, dadurch bewogen hat, daß er ihn im Ber-

steigerungstermine zur Abtretung seiner Forderung gegen die Verpflichtung,

deren Betrag vollständig zu bezahlen, veranlaßte, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß an sich ein ursachlicher Zusammenhang zwischen dieser Handlung des Bekl. und der Nichtbefriedigung des Kl. wegen seiner gedachten Hypotheken­

forderung, also

dem vom Kl. erlittenen Schaden, dessen Ersatz er vom Bekl.

fordert, besteht.

Wenn es nun auch richtig ist, daß Kl. diesen Schaden nicht

erlitten haben würde, falls er in dem Zwangsversteigerungstermine erschienen und so weit auf das aufgesteckte Grundstück geboten hätte, als zur Deckung seiner Forderung erforderlich war, so wird doch dadurch der ursachliche Zu­

sammenhang zwischen der Handlung des Bekl. und dem eingetretenen Schaden

328 des

Bürgerliches Gesetzbuch. Kl.

und

Bedingungen

II. Buch. Recht der Schuldverhältnisse.

Haftbarkeit

die

seiner

des

Haftbarkeit,

Bekl.,

vorausgesetzt,

daß

doloses

rechtswidriges,

Rechtsverletzung vom BG. als gegeben angenommen sind,

die

sonstigen

Verhalten,

ohne

keineswegs aus­

geschlossen, umsoweniger, als bei Lage der Sache nicht einmal angenommen

werden kann, daß darin, daß Kl. in dem zweiten Versteigerungstermine nicht erschienen ist, ein Verschulden desselben enthalten sei, und man nicht sagen

kann, daß der ihn betroffene Schaden lediglich durch seine eigene Nachlässigkeit

eingetreten sei.

Dem BG. ist ferner darin beizutreten,

daß § 270 pr. StGB, noch in

Geltung sei, in welcher Beziehung auf die Ausführungen in Straff. Bd. 10 S. 221 ff. verwiesen wird.

(Vgl. Civils. Bd. 18 S. 219 [bei § 134 und

Die Ausführung, daß im Falle der Verletzung der Vorschrift

Art. 7 ff. EG.j)

in § 270 dem geschädigten Gläubiger ein Schadensersatzanspruch gegen den­ jenigen, welcher einen anderen vom Mitbieten abgehalten habe, nicht zustehe, da § 270 nicht bestimmt sei, die Rechte der einzelnen Gläubiger zu schützen,

sondern eine fiskalische Veranlassung habe, kann für zutreffend nicht erachtet

werden.

Die Vorschrift in 8 270 hat den Zweck, zu verhüten, daß die Zwecke

der öffentlichen Versteigerungen, die Interessen des Schuldners und der übrigen

beteiligten Gläubiger an der Erlangung eines möglichst hohen, dem Werte der

versteigerten Gegenstände entsprechenden Kaufpreises dadurch gefährdet und ge­ schädigt werden, daß durch Gewalt oder Drohung oder durch Zusicherung oder Gewährung von Vorteilen Kauflustige vom Mitbieten oder Weiterbieten ab­

gehalten werden.

Handelt jemand der Vorschrift des § 270 entgegen mit dem

Bewußtsein der Rechtswidrigkeit

seiner Handlung

und

ihres Dritte benach­

teiligenden Erfolges, so haftet er dem Geschädigten für den Ersatz des Schadens.

Ob im Gebiete des ALR. eine solche Schadensersatzklage nicht gegeben, sondern nur ein Anspruch begründet sei auf den Vorteil, welcher dem vom Bieten Ab­

gehaltenen gewährt oder versprochen worden, kann dahingestellt bleiben?) Das BG. hat aber weiter auch ohne Rechtsverletzung angenommen, daß

Bekl. gegen die Vorschrift in § 270 verstoßen

habe,

und

daß die Voraus­

setzungen der actio doli vorliegen. Auch die weitere Annahme des BG., daß in dem Versprechen des Bekl.,

dem U. den vollen Betrag seiner Hypothekenforderung nebst Zinsen zu bezahlen, die Zusicherung eines Vorteils im Sinne des § 270

enthalten

sei,

beruht

nicht auf der Verletzung dieses Gesetzes. Diese Annahme wird nicht dadurch aus­ geschlossen, daß Bekl. dem U. nur Zahlung des Betrages seiner Forderung

nebst Zinsen,

also nur desjenigen Betrages zugesichert hat, welchen U. zu

fordern hatte.

Denn damit die Gewährung oder Zusicherung eines Vorteils

im Sinne des § 270 angenommen werden kann, ist keineswegs unbedingt er­ forderlich, daß dem vom Milbieten Abgehaltenen mehr zugesichert oder gewährt Vgl. Entsch. des pr. OTrib. Bd. 26 S. 246; Striethorst, A. Bd. 11 S. 143.

7. Abschn. Tit. 25. Unerlaubte Handlungen. § 823. photogr. Abnahme.

329

werde, als er zu fordern hat, es kann vielmehr schon in der Gewährung

oder in der Zusicherung der vollständigen Befriedigung eines bei einer Zwangsversteigerung beteiligten Hypothekengläubigers wegen seiner Forderung die Zusicherung oder Gewährung eines Vorteils im Sinne des § 270 ent­ halten sein. 481. Widerrechtliche Beitreibung durch die Steuerbehörde. VI. v. 27.10. 1892. Senfs. Bd. 48 Nr. 249 (Bremen, Hamburg). Vgl. 88 249 ff., 288 ff., 849.

Zutreffend und in Übereinstimmung mit früheren Entscheidungen des RG.

hat BG. angenommen, daß (gemeinrechtlich) von einem zu Unrecht beigetriebenen und unter Rechtsverwahrung gezahlten Geldbeträge sofort Verzugszinsen zu laufen beginnen. 482. Widerrechtliche Verpfändung. I. 427/97 v. 15. 12. 1897. (Hamburg).

E. Bd. 40 Nr. 54 S. 205.

Senfs. Bd. 53 Nr. 225

Die Feststellung, daß Bekl. widerrechtlich und grob fahrlässig gehandelt

habe, unterliegt nicht dem geringsten rechtlichen Bedenken. Bekl. wußte, daß die Papiere Eigentum des Kl., daß Kl. Angestellter der Handelsbank, daß die Papiere von ihm der Handelsbank als Kaution bestellt waren. Er konnte nicht in Zweifel sein, daß die Verpfändung der Papiere für fremde Schuld dem Interesse des Kl. nicht entsprach, und er haftet, nachdem sich nicht nur dies, sondern weiter herausgestellt hat, daß die Verpfändung den Kl. in Schaden gebracht hat, dem Kl. für das volle Interesse. 483. Rechtswidrige photographische Abnahme. VI. 259/99 v. 28. 12. 1899.

E. Bd. 45. Nr. 43 S. 170 (Hamburg).

Bekl. waren in der Nacht nach Bismarcks Tode widerrechtlich gegen den Willen der Bismarckschen Kinder in Friedrichsruh in das Zimmer eingedrungen, wo Bismarcks Leiche mhte und hatten bei Magnesiumlicht eine photographische Aufnahme von der Leiche und den sie umgebenden Teilen des Zimmers ausgenommen. Auf Klage der Bismarckschen Kinder wurden sie solidarisch verurteilt in die Vernichtung der negativen Platten, Plattenabzüge und sämtlicher Reproduktionen zu willigen und wurde ihnen bei Strafe verboten, die Aufnahme irgendwie zu verbreiten oder verbreiten zu laffen. Berufung und Revision sind verworfen.

Es ist mit dem natürlichen Rechtsgefühle unvereinbar, daß jemand un­ angefochten behalte, was er durch eine widerrechtliche Handlung erlangt und dem

durch sie in seinen Rechten Verletzten entzogen hat. Die beiden Bekl. sind nun mittels eines Hausfriedensbruches gegen den Willen der Kl. in dasjenige Zimmer eingedrungen, in welchem diese die Leiche ihres Vaters, die sie in Gewahrsam hatten (StGB. §§ 168, 367 Nr. 1) aufbewahrten und damit das Hausrecht, das den Kl. seit dem Tode ihres Vaters in Ansehung dieses Zimmers zustand, verletzt und diese Gelegenheit benutzt, um eine photographische Aufnahme eines Teiles des Innern des Zimmers mit der darin ruhenden Leiche herzustellen.

330

II. Buch. Recht der Schuldverhältnisse.

Bürgerliches Gesetzbuch.

Solche photographische Aufnahme eines umfriedeten Raumes und folgeweise deren Veröffentlichung zu hindern, hat der Inhaber des Hausrechts an sich das Recht

und die Macht und diese Möglichkeit haben hier die Bell, durch ihr rechtswidriges Tun den Kl. zunächst entzogen, indem sie gleichzeitig für sich die tatsächliche Verfügung über das in Frage stehende photographische Bild erlangt haben.

Die Kl. haben den Bekl. gegenüber ein Recht darauf, daß dieses Ergebnis

wieder rückgängig gemacht werde.

Das röm. Recht gewährte ... dem durch eine

rechtswidrige Handlung Verletzten eine condictio ob injustam

Wiedererstattung alles desjenigen,

causam

auf

was tatsächlich durch jene Handlung aus

seinem Machtbereiche in die Gewalt des Täters gelangt ist.

Diese cond. stellt

sich dar als ein ergänzender Rechtsbehelf neben allen Deliktsklagen, soweit es sich nicht etwa um Schadenersatz sondern um Restitution handelt.

Dabei

ist freilich zunächst nur an körperliche Sachen, die ans dem Vermögen

des Beeinträchtigten herrühren, gedacht, sei es, daß das Eigentum oder doch

wenigstens der Besitz verletzt erscheint.

Aber dies muß entsprechende Anwendung

finden aus die widerrechtliche tatsächliche Entziehung anderer Machtbefugnisse und Aneignung der entsprechenden Vorteile.

484. Berriifserklärung. Haftung des Organs eines Vereins. I. 96/90 v. 25. 6. 1890.

E. Bd. 28 Nr. 54 S. 238 (Berlin).

Der Börsenverein der deutschen Buchhändler zu Leipzig, eingetragene Genossenschaft, hat

seine Mitglieder verpflichtet, die von ihnr sür den Kundenrabatt gesteckten Grenzen einzu­ halten und gegen den Willen der Verleger deren Verlag an solche — Mitglieder wie Richt­ mitglieder — nicht zu liefern, welche diese Grenzen nicht einhielten.

Die Verletzung dieser

Pflichten sollte Ausschluß vom Verein zur Folge haben; Nichtmitglieder, gegen welche Tat­

sachen ermittelt wurden, welche Mitgliedern Ausschluß vom Verein zuzog, hatte der Vorstand im Börsenblatte ebenso wie jene zu bezeichnen. Gegen die in Berlin wohnende klagende Buchhandlung, hat deswegen der Vorstand im Börsenblatt veröffentlicht, lägen solche Tat­

sachen vor, und er hat sämtliche BereinSmitglieder aufgefordert, gegen sie gänzliche Auslieferungs­ sperre eintreten zu lassen.

Die von der Kl. gegen die beiden in Berlin ivohnhaften an der

Veröffentlichung direkt beteiligten Vorstandsmitglieder erhobene Schadensklage wurde in beiden

Instanzen abgewiesen.

RG. hob auf und verwies zurück.

A. d. Gr.

Es handelt sich um Schadenszufügungen außerhalb eines Vertragsver-

hültnisses.

Bekl. sollen die Kl. in ihren berechtigten Ansprüchen auf Achtung

ihrer Persönlichkeit, ihres Geschäftsbetriebes und der Freiheit ihrer gewerblichen

Betätigung gekränkt haben.

Mögen solche Handlungen in dieser Wirkung auch

der juristischen Person, als deren Organ die Handelnden aufgetreten sind, zu­

zurechnen sein, wenn sie innerhalb des satzungsgemäßen Betätigungsgebietes der juristischen Person liegen, so folgt daraus nicht, daß sie nur dieser zuzurechnen

sind, und daß die tatsächliche Urheberschaft der mit Zurechnung handelnden

physischen Personen in Bezug auf die sich hieraus ergebende Verantwortlichkeit

unberücksichtigt bleiben

kann.

Auf

dem Gebiete des Privatrechtes kann die

Verantwortlichkeit für ein rechtswidriges Handeln nicht durch die Berufung auf einen Auftrag oder eine Stellung als Organ abgelehnt werden.

7. Abschn. Tit. 25. Unerlaubte Handlungen. § 823. Verrufserklärung.

331

BG. nimmt selbst an, daß Kl. durch das Vorgehen der Bell, geschädigt,

und daß dies vorsätzlich geschehen ist.

Es stellt sodann zutreffend die Frage,

ob diese Schädigung eine widerrechtliche ist.

Bei der Verneinung dieser Frage

stehen im Vordergründe die Erwägungen, daß der auf Unterwerfung der Kl. unter die Rabattnormen des Vereines gerichtete Zweck deshalb nicht widerrecht­ lich sei, weil der Kl. ihr Gewerbebetrieb auch in Bezug auf die Art der Rabatt­

gewährung freigelassen, nicht unmöglich gemacht, sondern nur erschwert, ihr die

Innehaltung bestimmter Preise nicht aufgenötigt worden, und ferner, daß das angewandte Mittel der Aufforderung an die Verleger, der Kl. nichts mehr zu nicht widerrechtlich sei, weil Kl. gegen die Verleger keinen

Rechts­

anspruch, sondern nur eine rechtlich nicht geschützte Aussicht darauf,

daß sie

liefern,

den Verkehr mit ihr fortsetzten, gehabt habe.

BG. macht nicht ersichtlich, auf welche Tatsachen hin es geglaubt hat, an­

nehmen zu dürfen, daß eine bloße Erschwerung des Gewerbebetriebes im Gegen­ satze zu dessen Vereitelung und deshalb nur ein Anreiz, nicht eine wirkliche Nötigung zur Unterwerfung unter die Rabattnormen des Vereines beabsichtigt

worden sei.

Insbesondere aber kann die Auffassung nicht für zutreffend er­

achtet werden, welche den nach den natürlichen Verhältnissen und Beziehungen

berechtigten Erwartungen eines Gewerbetreibenden, ins­

gewerblichen Lebens

besondere was seine Versorgung mit den Erzeugnissen, die er für seinen Gewerbe­ betrieb braucht,

und

deshalb den Rechtsschutz

die am Markte sind, anlangt,

versagt, weil es sich dabei noch uni keine durch Rechtsgeschäft erworbene Güter

handle und deshalb Untergrabungen jener Beziehungen eines bestimmten Ge­

werbetreibenden, die

nicht lediglich

die Wirkungen

eines Wettbetriebes sind,

sondern auf geflissentlichen, solche Untergrabung unmittelbar anstrebenden Ver­ anstaltungen beruhen,

für die Rechtsordnung als indifferent erachtet, solange

nicht dadurch noch daneben ein im Sinne des Privatrechtes erworbenes Gut oder etwa ein Strafgesetz verletzt wird . ..

Zunächst ist entgegenzutreten den Ausführungen der Kl., daß schon in der Verfolgung des Zweckes des Börsenvereins, die Einhaltung bestimmter Normen

für den Kundenrabatt seitens sämtlicher Gewerbsgenossen zu erwirken, an sich

eine

rechtswidrige

Beeinflussung

der

freien

Preisbildung,

auf welche der

Konsument ein Recht habe, sowie eine Beeinträchtigung der Gewerbefreiheit und somit eine Verletzung der öffentlichen Ordnung oder auch der guten Sitten

liegen soll, wobei von einem „Ringe" gesprochen wird.

möchten zutreffend handelte, welche

sein,

wegen

wenn

Solche Gesichtspunkte

es sich nm eine Vereinigung von Personen

eines spekulativen Zweckes

dieser Einzelnen die Be­

herrschung des Marktes für eine Ware und die Unterbindung freier Betätigung

wirtschaftlicher Kräfte, Gegenstände hat.

welche sich diesem Zwecke entgegenstellen könnten, zum

Von solchen Verbindungen sind aber Vereinigungen von

Gewerbsgenossen zu dem in gutem Glauben verfolgten Zwecke, einen Gewerbe­

betrieb durch Schutz gegen Entwertung der Gewerbserzeugnisfe und die sonstigen,

aus Preisunterbietungen Einzelner hervorragenden Nachteile lebensfähig zu er­ halten, durchaus zu unterscheiden.

Aus dem Prinzipe der Gewerbefreiheit folgt

keine Unantastbarkeit des freien Spieles wirtschaftlicher Kräfte in dem Sinne, daß

den Gewerbetreibenden der Versuch untersagt wäre, im Wege genossenschaftlicher Selbsthilfe die Bethätigung dieser Kräfte zu regeln und von Ausschreitungen, die für schädlich erachtet werden, abzuhalten. Den von dem Börsenvereine in Bezug aus den Kundenrabatt verfolgten

Zweck als einen durchaus erlaubten anzusehen, kann einem Bedenken umso­

weniger unterliegen, als entsprechend der historischen Entwickelung des Buch­ handels in Deutschland die Regelung der Rabattfrage im Sinne der Aufstellung

und Durchführung eines einheitlichen Kundenrabatts von jeher bei den Einläufen zu genossenschaftlichen

Bildungen

wie

bei Verwirklichungen

solcher

als ein

Bedürfnis hingestellt worden ist (vgl. Schürmann, Organisation und Rechts­ gewohnheiten des

deutschen

Buchhandels, Tl. 1 S. 56. 147. 161 flg.), den

Börsenverein aber innerhalb des deutschen Buchhandels vorzugsweise als der Vertreter der Gesamtinteressen desselben anerkannt wird, und die von ihm in

das Leben

gerufenen Verkehrseinrichtungen für den gesamten Geschäftsbetrieb

den Mittelpunkt bilden.

Prüft man die von Kl. behaupteten Kundgebungen des Vereinsvorstandes,

so ergibt sich ihre Erheblichkeit für den Klageanspruch unter drei verschiedenen Gesichtspunkten.

Ist in der Tat seitens des Vorstandes des Börsenvereines an seine Mit­

glieder die Aufforderung ergangen, an Kl. überhaupt nichts mehr zu liefern,

so ist nicht abzusehen, wie dieser Maßregel die Bedeutung einer unter erfolg­ versprechenden Umständen vorsätzlich bewirkten Veranstaltung, um der Kl. den Betrieb des Sortimentsbuchhandels überhaupt unmöglich zu machen, abgesprochen

werden kann.

Vermochte Kl. Verlagsartikel überhaupt nicht mehr zu erlangen,

so konnte sie solche auch

nicht mehr vertreiben.

Daß die Aufforderung sich

nur an die Vereinsmitglieder richtete, rechtfertigt es nicht, diese Auffassung mit

dem Hinweise darauf, daß danach noch Gewerbsgenossen verblieben, an welche die Aufforderung nicht gerichtet war, so daß Kl. immer noch von diesen Bücher beziehen konnte, abzulehnen.

schlossener

Mitgliederzahl,

Dem Börsenvereine, einem Vereine mit nicht ge­ mußte nach

seiner ganzen Tendenz daran liegen,

möglichst viele Gewerbsgenossen für seine Zwecke zu vereinigen und die Zahl der denselben Entgegenhandelnden möglichst zu vermindern.

Je geringer die

Zahl der letzteren wurde, desto vollkommener wirkte es gegen dieselben, wenn

die übrigen der Aufforderung zur Sperre entsprachen.

Die Beurteilung kann

demnach nicht eine nach dem Maße fortschreitenden Gelingens der Lahmlegung

des Geschäftsbetriebes verschiedene

sein.

Vielmehr kann

es nur darauf an­

kommen, ob die Veranstaltung überhaupt zur Herbeiführung des Erfolges ge­

eignet war.

Bei dieser Prüfung ist der Umstand, daß die Mitglieder der Auf­

forderung zu völliger Lieferungssperre nachzukommen nach den Satzungen nicht

7. Abschn. Tit. 25. Unerlaubte Handlungen. § 823. Verrufserklärung.

333

verpflichtet waren, nicht erheblich, sofern nur nach der autoritativen Stellung,

welche der Börsenverein tatsächlich einnahm, eine erhebliche Wirkung seiner

Aufforderung zu gewärtigen war. Wenn auch diese Unterbindung des Ge­ schäftsverkehrs der Kl. nur als Mittel für den Zweck der Einhaltung der vom Vereine normierten Kaufpreise seitens derselben gewollt war, so war sie doch eben als eine dauernde gewollt, solange nicht Kl. sich in irgend einer für die zukünftige Einhaltung jener Preise gewährbietenden Weise den Vereinsnormen unterwarf. Ein solches Handeln kann, sofern das Verhalten der Kl., gegen welches es gerichtet war, weder rechtswidrig noch unsittlich war, nicht für be­ rechtigt erachtet werden. Kl. unterbietet, wie behauptet ist, andere Sortimentshandlungen beim Ab­

sätze der Bücher. Deshalb betreibt es der Verein, daß die Verleger ihr, bis sie dies unterläßt, nur mit entsprechender Rabattverkürzung liefern. Nun mag dieses System des Kampfes Unvollkommenheiten haben, und es mag für den verfolgten Zweck von vollkommenerer Wirkung sein, wenn dem Entgegenhandeln­ den überhaupt jeder buchhändlerische Vertrieb unmöglich gemacht wird. Wenn es sich aber nicht um Abwehr eines rechtswidrigen Angriffes handelt, sondern ein frei gewählter, wenn auch durchaus erlaubter und vielleicht sogar löblicher Zweck verfolgt wird- so kann selbst der Umstand, daß ein bestimmtes Mittel sich als das allein wirksame für den Zweck erweist, die Wahl dieses Mittels nicht rechtfertigen, wenn dieses ein rechtsverletzendes ist. In Veranstaltungen, um einem Gewerbetreibenden die Möglichkeit seiner Versorgung mit den gängigen Erzeugnissen, die er für seinen Gewerbebetrieb nicht entbehren kann, gänzlich zu verschließen, liegt, soweit sie ganz oder teilweise Erfolg haben, eine rechtswidrige Vermögensbeschädigung. Freilich sind die den natürlichen Verhältnissen ent­ sprechenden Erwartungen keine erworbenen Vermögensstücke. Aber die Erhaltung und Nutzbarmachung eines Gewerbsvermögens beruht zu einem wesentlichen Teile darauf, daß natürliche Beziehungen des gewerblichen Lebens die natür­

lichen Wirkungen, die sich für alle gleichmäßig zu vollziehen pflegen, äußern. Wenn nun jemand diese natürlichen Wirkungen geflissentlich in anderer Weise als durch Betätigung eines Konkurrenzbetriebes zum Nachteile eines bestimmten Gewerbetreibenden in der Absicht, dessen Gewerbebetrieb zu untergraben, ver­

hindert, und dadurch dessen Gewerbsvermögen eine Beeinträchtigung erfährt, so

liegt eine vorsätzliche rechtswidrige Vermögensbeschädigung vor. Rechtswidrig ist dieselbe, sobald der Beschädigende dazu kein Recht hat. Das in der Konkurrenzberechtigung liegende Recht, mittels des eigenen Kon­ kurrenzbetriebes in solche Beziehungen einzugreifen, kommt hier nicht in Frage, da die getroffenen Veranstaltungen keine der Kl. ihre Beziehungen abwendig

machenden Handlungen eines Konkurrenzbetriebes sind. Der zweite Gesichtspunkt ist der, daß bei Unterstellung der Kundgebung im Börsenblatte, daß gegen Kl. Tatsachen vorlägen, welche bei Mitgliedern die Einleitung des Ansschlußverfahrens nach sich ziehen würden, daß ferner bei

334

Bürgerliches Gesetzbuch.

Recht der Schuldverhältnisse.

II. Buch.

Unterstellung einer sich anschließenden Kundgebung aller sich hieran knüpfenden Folgen, also des Ausschlusses von der Benutzung aller Vereinsanstalten und Vereinseinrichtungen,

Ausschlusses

des

aller

Geschäftspapiere

der Kl.

von

der Bestellanstalt, der Sortimentslieferungsenthaltung des Vereines Leipziger Kommissionäre und

endlich

der Aufforderung zur vollständigen Lieferungs­

sperrung unter Mitteilung entsprechender Namenslisten an die Mitglieder das

Ganze sich als öffentliche Verhängung des Ausschlusses der Kl. aus der Gemein­ schaft der Gewerbsgenossen darstellen würde. Der Eindruck eines öffentlich verkündeten Verdiktes mit Strafenverhängung ließe sich nicht leugnen.

Der Zulässigkeit solcher Maßregelungen widersprechen

insbesondere Nichtmitglieder mit Recht.

das Recht

Dergleichen Maßregelungen verletzen

auf Achtung der Person und das Ansehen des individuellen Ge­

schäftsbetriebes, auf dessen Wahrung jeder Gewerbetreibende, solange er nicht rechtswidrig oder unsittlich handelt, einen Anspruch hat.

Es ist das charak­

teristische des Mittels der Achterklärung, daß der Anlaß zu derselben gegen den

peinlichen Eindruck, den die Anwendung des Mittels au sich in der Hand einer ansehnlichen Körperschaft hervorruft, indem

die betreffende Person als eine

gemiedene und zu meidende gekennzeichnet wird,

für die Genossen zurücktritt.

Beim Gewerbetreibenden kommen aber noch ganz reale Momente in Betracht. Er wird nicht ohne Grund unansehnlich, wenn er öffentlich als ein in den

Verkehrsbeziehungen

nach den verschiedensten Richtungen erheblich gehinderter

Mann gekennzeichnet wird.

Das Vertrauen in seine Fähigkeit, den Anforderungen

Eine unmittelbare oder analoge

von Kunden zu genügen, wird damit erschüttert.

Anwendung des § 193 StGB, kann Anwendung finden, wenn der Verein das

geschäftliche Verhalten des einzelnen Buchhändlers als unheilvoll oder rück­ sichtslos in Wort oder Schrift darstellt, und hierbei den Geschäftsbetrieb des­ selben eine herabgesetzte Beleuchtung erfährt.

Aber das vom Vereine frei ge­

wählte System über das Nichtmitglied zu verhängender Maßregeln, welches das

Nichtmitglied zu verletzen geeignet ist, stellt nicht die Wahrnehmung berechtigter

Interessen dar, welche die Rechtsverletzung ausschlösse oder für die Rechtsordnung indifferent erscheinen ließe. Ein dritter Gesichtspunkt ergibt sich endlich bei der Unterstellung, daß die Kundgebungen des Vorstandes zugleich die Androhung an Mitglieder wie Nicht­

mitglieder enthielten, daß gegen sie bei Vermittelung indirekten Verlagsbezuges an Kl. mit gleichen Kundgebungen wie gegen diese selbst vorgegangen werden würde, so daß auch diese alle bereits gekennzeichneten Verhängungen von Maß­

regeln, insbesondere die Aufforderung an die Mitglieder zu vollständiger Aus­

lieferungssperre gegen sie, zu gewärtigen hatten. Waren, wie oben ausgeführt, jene Maßregeln selbst gegen Kl. in der unter­

stellten Art unberechtigt, so wären die Androhungen gleicher Maßregeln gegen

die den indirekten Verlagsbezug an Kl. vermittelnden Androhungen unberechtigte

Maßregeln gewesen, und so ergäbe sich ein ganzes System von Einwirkungen

7. Abschn.

Tit. 25.

durch Androhungen

Unerlaubte Handlungen. § 823. unberechtigter,

«Livilrechtl. Dolus.

335

aber empfindlicher Schädigungen im Ge­

Dies gilt zunächst von den Bedrohungen der Nichtmitglieder,

werbebetriebe.

die als solche durch nichts gehindert sind, Verlag weiter zu veräußern, der sich

in ihren Händen befindet, und in Bezug auf welchen ihnen beim Erwerb des­ selben eine wirksame Beschränkung in betreff der Weiterveräußerung nicht auf­ erlegt worden ist.

Es gilt aber auch in betreff der Bedrohungen der Mitglieder, da diese in den Vereinssatzungen eine Verpflichtung, ein Betreiben ihres Ausschlusses von

mit der Bestellanstalt und dem Kommissionärvereine und ins­

dem Verkehre

besondere eine öffentliche Aufforderung, gegen sie völlige Auslieferungssperre eintreten zu lassen, im Falle ihrer Verletzung der Mitgliederpflichten zu er­

dulden, nicht übernommen haben und zur Erduldung der letztgedachten Maß­ regel sich auch nicht hätten wirksam verpflichten können, weil, wie vorher aus­

geführt, darin eine Verpflichtung, sich die ganze gewerbliche Existenz untergraben zu lassen, zu finden wäre, so daß dies Strafmittel, auch wenn es in den Satzungen nicht zu Recht hätte angewendet und nicht zu Recht

festgesetzt worden wäre,

hätte angedroht werden können. des Geschäftsverkehrs

Ein solches System der öffentlichen Sperrung

eines Gewerbsgenossen

durch Bedrohung

der übrigen

Genossen mit gleicher Sperrung, falls sie die Sperrung gegen jenen nicht voll­

ziehen, wäre mit der Rechtsordnung unverträglich.

Civilrechtlicher dolus.

Begriff.

Vgl. Nr. 58ff.; 369.

485. Arglistiges Verschweigen. III. 287/94 v. 4. 1.1895.

Seuff. Bd. 51 Nr. 4 S. 213 (Braunschweig).

BG. geht zunächst davon aus, daß nach den den Rechtsverkehr beherrschenden Grundsätzen von Treu und Glauben jeder Kontrahent verpflichtet sei, dem Mit­ kontrahenten alle Umstände mitzuteilen, die auf dessen Entschließung von Einfluß

Diese Begründung ist nicht frei von Rechtsirrtum.

sein mußten.

Nach gern. R.

besteht jene Verpflichtung nicht allgemein, sondern nur dann, wenn ausnahms­ weise durch Gesetz oder Vertrag eine besondere Rechtspflicht zur Mitteilung be­

gründet ist.

Eine solche Verpflichtung bestand im vorliegenden Falle nicht; die

Bell. (Erbin)

handelte

daher

nur dann

dolos,

wenn

sie ausdrücklich oder

durch konkludentes Verhalten den Mitkontrahenten (Legataren) solche Tatsachen wissentlich vorspiegelte.

Das BU. beruht aber auf diesem Irrtum nicht, denn

es hat ferner als erwiesen festgestellt, daß Bekl. bei den dem Vergleichsabschlusse vorangehenden Verhandlungen der Mitkontrahenteu, also auch der Klägerin,

ausdrücklich erklärt habe, sie werde sich nicht wiederverheiraten, während sie bereits entschlossen war, mit ihrem jetzigen Ehemanne sich zu verloben und die Ehe einzugehen.

Durch diese Feststellung wird das Urteil getragen, da außerdem

festgestellt ist, daß Klägerin durch diese falsche Vorspiegelung zum Abschluß des Vergleichs bewogen sei.

Bürgerliches Gesetzbuch.

336

II. Buch.

Recht der Schuldverhältniffe.

486. Arglistige Nichterfüllung einer Zusage. I. 523/82 v. 7. 3.1883.

E. Bd. 8 Nr. 46 S. 176 (Bremen, Hamburg).

Das einer vorgängigen Zusage widersprechende, arglistige Verhalten be­

gründet einen Anspruch auf Schadensersatz auch in solchen Fällen, in denen

aus der Zusage auf deren Erfüllung nicht hätte geklagt werden können.

Ent­

scheidend ist, ob derjenige, welchem die Zusage erteilt ist, Aufwendungen gemacht

hat, welche er im Vertrauen darauf machen durfte, daß die Zusage gehalten würde, und daß ihm nur durch die Zurücknahme der Zusage die Möglichkeit entzogen

wird, sich für seine Aufwendungen bezahlt zu machen.

In dieser Zurücknahme

einer vorher redlich erteilten Zusage liegt die zum Schadensersätze verpflichtende

Arglist.

Zur Substanziierung der actio doli ist keineswegs die Behauptung

erforderlich, daß schon die Zusage in der Absicht erteilt sei, sie nicht zu halten.

487. Arglist des Konkursverwalters. IV. 107/94 v. 18. 10. 1894.

E. Bd. 34 Nr. 6 S. 26 (Königsberg). Vgl. KL. § 82.

BG. stellt in ausreichender Begründung fest, daß Bekl. bei der von ihm

betriebenen Zwangsversteigerung der zur v. Ll-schen Konkursmasse gehörigen Z.er Mühle im Versteigerungstermine den Beteiligten und insbesondere auch der Kl. gegenüber unredlich gehandelt hat, indem er in der Absicht, die Mühle

unter ihrem wahren Werte für sich zu erstehen, den übrigen Beteiligten die ihm bekannten rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse der Mühle, welche eine Staugerechtigkeit derselben gegenüber fiskalischen Gewässern betrafen und für

die Schätzung der Mühle von Einfluß waren, verschwiegen hat.

Danach liegt

ein arglistiges Verhalten des Bekl. vor, welches denselben auch nach bürger­ lichem Rechte jedem dadurch geschädigten Beteiligten haftbar macht. Die Rev. sucht nun freilich geltend zu machen, Bekl. habe seiner Pflicht dadurch Genüge geleistet, daß er vom Gläubigerausschusse die Ermächtigung, für sich selbst auf die Mühle zu bieten, erwirkt und die bezügliche Urkunde im

Bersteigerungstermine vorgelegt habe; damit habe er eine völlig freie Stellung

erlangt. achtet.

Allein BG. hat dies Verteidigungsmittel mit Recht für belanglos er­ Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gläubigerausschuß überhaupt be­

fugt war, dem Bekl. die vorgedachte Ermächtigung zu erteilen, und ob Bekl.

nicht, um für sich mitbieten zu dürfen, der Entbindung von seiner Stellung als Verwalter durch das Konkursgericht bedurft hätte.

Zutreffend hat BG.

dem Bekl. entgegengehalten, daß derselbe, um dem Vorwurfe der Unredlichkeit zu entgehen, in jedem Falle den Beteiligten rechtzeitig die Mitteilung von den

Staurechtsverhältnissen der Mühle hätte machen müssen ... Nach Lage der Sache kam es... nur darauf an, ob auf Grund der von dem Bekl. verschwiegenen Verhältnisse zu erwarten stand, daß durch eine Klar­

legung sowohl der Verhandlungen, die über die Ablösung der als bestehend angenommenen Stauberechttgungen geführt waren, als auch des Ergebnisses

dieser Verhandlungen die Bieter und namentlich die Kl. zu einem höheren

7. Abschn.

Gebote

Tit. 25. Unerlaubte Handlungen.

bestimmt

worden

§ 823.

Livilrechtl. DoluL.

Und diese Tatfrage ist vom

wären.

337

BG. aus

bedenkenfreien tatsächlichen Erwägungen bejaht worden. 488. Mangelhafte Aufsicht des Gläubigerausschuffes. 1.170/93 v. 23.9.1893. Der frühere

E. Bd. 31 Nr. 21 S. 121.

Gemeinschuldncr klagte

Seuff. Bd. 49 Nr. 293 (BreSlau).

auf Schadensersatz

gegen

die Mitglieder

des

Gläubigerausschusses, weil es dem Konk.-Berw. infolge ihrer mangelhaften Aussichtsführung

möglich geworden sei, einen Teil der Masse zu unterschlagen.

Bell, bestritte» die Aktiv-

Legiuiation des Kl., weil sie zu ihm in keinem obligatorischen Verhältnis gestanden hätten

(KO. §§ 81, 80 Abs. 2).

RG. bezeichnete die Einrede als hinfällig.

A. d. Gr.

Dieselbe beruht auf der schon zurückgewiesenen (vgl. Entsch. Bd. 20 S. 109,

Seuff. Bd. 44 Nr. 158 v. 28. 1. 1888)

Auffassung, daß der Gläubiger­

ausschuß bedinglich in einem Mandatsverhältnis zu den Gläubigern stehe.

Der

Gläubigerausschuß wird zwar mit dem Willen der Gläubiger und durch ihre Wahl bestellt (KO. § 79), hat aber, sobald er bestellt ist, nach §§ 76, 78, 85,

92, 113, 118, 120 ff., 147, 163 ff.) die rechtliche Stellung und Funktion eines

von den Gläubigern wesentlich unabhängigen selbständigen gesetzlichen Hilfs­ organs der Konk.-Verw. ... Sie treten ebenso wie der Konk.-Berw. zu den

Gemeinschuldner und seinem in der Konkursmasse befindlichen für sie fremden

Vermögen in die Stelle eines im öffentlichen Interesse für die Durchführung der Zwecke des Konkurses geschaffenen gesetzlichen Organs, welches Recht und

Pflicht nicht aus einem Mandat der Gläubiger sondern unmittelbar aus dem Gesetze entnimmt (vgl. Entsch. Bd. 29 S. 29, 36, Seuff. Bd. 48 Nr. 77).

Verletzung der ihnen nach KO. §§ 80, 81 obliegenden gesetzlichen Pflicht ist

deshalb auch nicht nur (sic 1) Verletzung einer Vertragspflicht gegenüber den Gläubigern sondern außerkontraktliches Verschulden wofür sie (nach preuß. R.)

schon dann haften, wenn ihr Verschulden in Nachlässigkeit besteht, durch welche

das ihrer Aufsicht anvertraute fremde Vermögen beschädigt ist.

Den Anspruch

auf Ersatz dieses Schadens macht während des Konkurses der Konk.-Verw. geltend

(Entsch. Bd. 20 S. 109) nach Aufhebung des Konkurses durch den Zw.-Vergleich der frühere Gemeinschuldner und Eigentümer des beschädigten Vermögens;

denn der Fall des § 153 Abs. 1 oder 2 KO. liegt nicht vor. 489. Unerlaubte Erwirkung eines rechtskräftigen Urteils. VI. 38/00 v. 26. 4.1900.

E. Bd. 46 Nr. 22 S. 75 (Thorn, Marienwerder).

Vgl. CPO. § 322.

Der Vater des Bell, hatte 1886 durch einen Meineid, mit welchem er die erfolgte Zahlung der damals eingeklagten Wechselsumme abschwor, gegen den Vater des Kl. ein obsiegliches Urteil auf Zahlung derselben erstritten, dasselbe vollstrecken lasse» und war 1896 wegen dieses Meineids und Betruges verurteilt und bestraft.

nebst Zinsen.

I u. II haben abgewiesen.

Kl. klagt nun auf Rückzahlung

RG. hat aufgehoben und verurteilt.

„Bei einer solchen Zurückforderung,"

A. d. Gr.:

— condictio sine causa speziell

ob injustam causam — „welche nur darauf gestützt wurde, daß der Anspruch

aus dem Wechsel durch eine vor der damaligen Klageforderung erfolgte Zahlung Rudorfs, ReichSgertchtS-ElttscheiVurtgeri.

Bd. I.

22

338

Bürgerliches Gesetzbuch.

II. Buch.

Recht der Schuldverhältnisse.

getilgt gewesen fei", wurde (die gleiche Frage, eadem quaestio) „von neuem in Streit gezogen,

ob für die geleistete Zahlung eine feste causa, ein vom

Recht anerkannter Schuldgrund bestand, ... während durch das Urteil im Vor­

prozeß ein rechtmäßiger Schuldgrund festgestellt worden, in dem Judikat eine selbständige causa geschaffen ist . . . Nun kam aber weiter in Frage, ob die

erhobene Klage aus dem Rechtsgrund eines Schadensersatzanspruches wegen unerlaubter Handlung begründet sei . . . Ein solcher Anspruch wird durch die Rechtskraft des 1886 ergangenen Urteils nicht ausgeschlossen.

Diese Rechts­

kraftwirkung vermag nicht den fundamentalen Rechtssatz außer Kraft zu setzen, wonach die vorsätzliche Rechtsverletzung zum Ersätze des daraus entstehenden

Schadens verpflichtet.

Wenn die Tatsache und die Wirkung eines rechtskräftigen

Urteiles, gerade durch eine widerrechtliche strafbare Handlung geschaffen worden sind, wenn eine Prozeßpartei dieses Urteil durch Meineid und Betrug erschlichen hat,

so kann dem hierdurch beschädigten Gegner ein

Schadensersatzanspruch

nicht versagt werden; . . . und es wäre mit dem natürlichen Rechtsgefühl un­ vereinbar, wenn der Betrüger oder dessen Mitschuldiger das, was sie mittels

eines auf verbrecherischer Weise erwirkten Urteils sich verschafft haben, ungestört unter dem Schutze der Rechtskraft behalten durften."

490. Mitverschulden eines deliktSsähigen Minderjährigen unter 18 Jahre» (§ 828). III. v. 9. 2. 1883.

Seuff. Bd. 38 Nr. 211 S. 271 (Frankfurt a/M.).

Der (von der Bekl. in ihrer Fabrik an einer Maschine, deren Bedienung

besondere Vorsicht erforderte und mit Gefahr verbunden war, angestellte und verletzte) Kl. war zur Zeit des Unfalls vermöge seines jugendlichen Alters zwar zum Abschluß von Rechtsgeschäften nicht befähigt, wohl aber imstande, sich durch Delikte zu verpflichten und durch anderweite schuldvolle Handlungen

Rechtswirkungen herbeizuführen.

Insofern war es, wovon auch II ausgeht,

immerhin möglich, aus der Handlungsweise des Kl. eine rechtlich begründete Einrede der Selbstverschuldung

abzuleiten.

Allein

bei der Frage,

ob eine

Selbstverschuldung auf feiten des Kl. wirklich vorliege, welche Bekl. von ihrer

Verantwortung liberieren könnte, mußte seine Jugend, seine mangelnde Willens­ und Verstandesreife wesentlich mit in Betracht gezogen werden.

Geschah dies,

so konnte BG. ohne gegen Rechtsgrundsätze zu verstoßen, auch wenn Kl. den

Unglücksfall durch eigene jugendliche Spielerei sich zugezogen haben sollte, das

überwiegende Verschulden an demselben auf feiten des Bediensteten der Bekl.

finden, welcher den Kl. trotz seiner Jugend auf einen so gefahrvollen Posten gestellt und ihn, wenn auch nur auf kurze Zeit, unbeaufsichtigt gelassen hatte.

491. Mittäterschaft (§ 830). in. v. 3. 3. 1885.

Seuff. Bd. 40 Nr. 93 S. 146 (Celle).

BG. stellt fest, daß die beiden bekl. Grenzaufseher den Kl. in der Nacht vom 30. Nov. 1881

auf einem Schmuggelgange betroffen haben, daß jeder

7. Abschn. Tit. 25. Unerlaubte Handlungen.

§ 830.

Mittäterschaft.

339

derselben einen Schuß auf den Kl. abgefeuert hat und daß nur durch einen dieser Schüsse, ungewiß durch welchen, dem Kl. eine Verwundung zugefügt und

infolge derselben ein Schaden erwachsen sei.

Es stellt weiter fest, daß jeder

der Bell, zu gleicher Zeit denselben Erfolg durch eine gleichartige Handlung

herbeizuführen unternommen habe, und daß jeder von ihnen den Entschluß zu dieser Handlung in Verfolg einer Dienstausübung gefaßt habe, welche beiden gemeinschaftlich gewesen und offenbar einem gemeinschaftlichen Entschluß ent­

BG. nimmt eine Mittäterschaft der Bell, jedoch nicht an, weil

sprungen sei.

es davon ausgeht, daß dieselbe nur dann vorliegen würde, wenn Bell, den gemeinsam gefaßten Entschluß, den Kl. mittels der Schußwaffe rechtswidrig zu

töten oder zu verletzen, durch gemeinsames Handeln derart ausgeführt hätten,

daß der eine auf die Mitwirkung des andern für den Erfolg gerechnet habe; der auf eine Pflichterfüllung gerichtete Entschluß der Bekl. könne aber nicht

zugleich als ein Moment in Anspruch genommen werden, welches ein nur an­ läßlich

dieser Pflichterfüllung entstandenes Delikt zu

einem

gemeinschaftlich

begangenen zu stempeln vermöchte, es hätte vielmehr einer neuen besonderen Verabredung, auf Kl. zu schießen, bedurft, welche mit dem beiderseitigen Be­

wußtsein hätte zustande kommen müssen, daß das Schießen ein rechtswidriges sei. Diese Ausführungen erscheinen nicht zutreffend, beruhen vielmehr auf einer

Verkennung

der Voraussetzungen der Mittäterschaft, welche nach den

stellungen des VG. gegeben sind.

schlossener

und

ausgeführter

Fest­

Wenn beide Bekl. bei gemeinschaftlich be­

Dienstausübung

gleichzeitig

denselben,

später

eingetretenen Erfolg durch gleichartige Handlung herbeizuführen unternommen

haben, so liegt ein > gemeinschaftliches, auf denselben Erfolg gerichtetes Handeln vor.

Das

tatsächliche Zusammenwirken

beider erscheint notwendig als ein

gewolltes, weil es in unmittelbarer Verbindung mit der auf gemeinschaftlichen

Entschluß ausgeführten, auf die Ergreifung des Kl. gerichteten Dienstausübung steht, und auf Herbeiführung desselben Erfolges durch gleichzeitiges und gleich­ artiges Handeln gerichtet gewesen ist.

Hiermit ist die Mittäterschaft für die

Körperverletzung des Kl. gegeben und ist es, nachdem beide Bekl. geschossen haben und der gewollte Erfolg eingetreten ist, ohne Bedeutung, ob beide Schüsse

oder

nur einer

derselben den Kl. getroffen habe.

Aus ihrem vorsätzlichen

gemeinsamen Handeln haften beide Bekl. für den angerichteten Schaden soli­ darisch, wenn nicht angenommen werden kann, daß sie das Recht zum Gebrauch

der Schußwaffen gegen Kl. gehabt haben.

492. Haftung mehrerer Anstifter. III 160/91 v. 11. 12. 1891. E. Bd. 28, Nr. 38, S. 166, Senfs. Bd. 47, Nr. 270 (Hildesheim, Celle).

Es genügte die getroffene Feststellung, daß K. B. die Tat infolge des

Zusammenwirkens des Einflusses beider getrennten Anstiftungen auf seinen

Willen begangen hat; denn nur das war für die Entscheidung maßgebend, was 22*

340

Bürgerliches Gesetzbuch.

tatsächlich geschehen ist.

II. Buch.

Recht der Schuldverhältnisse.

Hat, wie feststeht, die kombinierte Einwirkung beider

Anstifter den Willen des Täters bestimmt, ist also die Handlung jedes der­

selben für diesen Erfolg mit kausal geworden, so ist es für ihre Haftung un­ erheblich,

vielleicht die

ob

Anstiftung des

einen sich als ausreichend stark

erwiesen haben würde, den Entschluß des Täters herbeizuführen, wenn die Anstiftung des zweiten nicht vorgelegen hätte oder nicht hinzugetreten wäre.

Wenn zwischen dem zu vertretenden Verschulden und dem schädigenden Erfolge

der Kausalzusammenhang bestand, so war es für die Haftung dessen, den das Verschulden trifft, unerheblich, ob ein Verschulden dritter Personen konkurrierte,

oder ob das schädigende Resultat vielleicht auch durch andere Umstände hätte

herbeigeführt werden können.

(Vgl. Bd. 25 S. 77; Bolze, Praxis Bd. 5

Nr. 214. 373.) Rev. hat weiter die rechtliche Grundlage der getroffenen Sachentscheidung

angefochten

und

auszuführen

gesucht,

daß

eine

mehrfache Anstiftung durch

mehrere unabhängig von einander auf den Angestifteten wirkende Handlungen

Die Bejahung dieser im Gebiete des

verschiedener Personen nicht möglich sei.

Strafrechtes

bestrittenen

Frage würde, wie

die

mit Recht an­

Vorinstanz

genommen hat, die erfolgte Verurteilung der Bekl. begründen, da der Anstifter

gleich dem Täter haftet. Die von Rev. vertretene Rechtsansicht wird von einigen Strafrechtslehrern gebilligt

(vgl. Oppenhoff,

§ 48

Nr. 23;

Schwarze,

S. 132;

O l s-

hausen, § 48 Nr. 5 Abs. 4), während andere nicht nur Mitanstifter haften

lassen wollen, sondern alle diejenigen, welche, ohne von einander zu wissen, sukzessive dieselbe Person angestiftet haben, wofern der Entschluß des Täters

aus der Kombination ihres motivierenden Einflusses entsprungen ist.

(Vgl.

Hälschner, Straft. Bd. 1 S. 397; v. Buri, Zeitschr. für d. d. Strafwiss. Bd. 2 S. 273; Geyer, Grundriß Bd. 1 S. 138; Schütze, Lehrb. S. 153;

Borchert, Teilnahme S. 63.)

Auf dem letzteren Standpunkte steht die obenerwähnte Entscheidung des II. Straff, des RG., der auch vom Gesichtspunkte des Civilrechtes beizutreten

war.

Entscheidend für die Haftung des Anstifters ist seine Absicht, den Ent­

schluß des Täters zur Tat hervorzurufen, keit für die Tat kausal geworben ist.

der Tat

und

der Einwirkung

und der Erfolg,

daß seine Tätig­

Dieser Kausalzusammenhang zwischen

des Anstifters wird aber

dadurch nicht auf­

gehoben, daß andere selbständige Umstände, wie die Tätigkeit eines ferneren Anstifters, auf den Willen des Täters einen mitbestimmenden Einfluß geübt haben; denn auch die Anstiftung, welche allein nicht genügte, diesen Willen zu

bestimmen, kann in der den Entschluß des Täters begründenden Kombination fortgewirkt und so für denselben eine ausschlaggebende Bedeutung gehabt haben. Ob bei mehreren selbständigen Anstiftungen jeder derselben dieser Einfluß und die Kausalität für die Tat beizumeffen ist, betrifft eine Frage der tatsächlichen Feststellung, welche vom Revisionsrichter nicht nachzuprüfen ist.

§§ 831 ff. Haftung für Angestellte. 493. Kontrollpflicht. III. 118/83 v. 9. 10. 1883.

E. Bd. 10 Nr. 41 S. 141 (Kiel).

Bgl. § 823.

sich durch

Bekl. als Eigentümer der explodierten Pulverfabrik konnten

Annahme eines technischen Direktors, auch wenn ihnen bei der Auswahl des­

selben kein Versehen zur Last fällt, nicht von jeder Verantwortlichkeit frei

machen.

„Ihre Pflicht war vielmehr, die Leitung des Betriebes durch den

Direktor sorgfältigst zu kontrollieren und sie mußten namentlich

dafür auf­

kommen, daß von dem Direktor und dem Fabrikpersonale die Konzessions­ anordnungen eingehalten wurden." 494. Bi,«Wirt.

VI. 216/92 v. 19.12.1892.

IW. 1893 S. 88 Nr. 41.

Der nicht in dem Hause wohnende Eigentümer wird zwar durch die Be­ auftragung eines geeigneten Stellvertreters von der Verantwortlichkeit für die

Nichtbeleuchtung der Treppen nicht schlechthin befreit, insbesondere dann nicht, wenn sein Beauftragter die aufgetragene Handlung nicht ausführte und er

hiervon Kenntnis erlangte.

Daß Bekl. keinen Anlaß hatte, dem T. zu miß­

trauen und ihn zu überwachen, stellt BG. tatsächlich fest.

495. Besondere gesetzliche Verpflichtungen. VI. 233/88 v. 3.12.1888.

IW. 1889 S. 47 Nr. 21.

Ein Rechtssatz des Inhaltes, daß, wenn es sich um besondere gesetzliche

Verpflichtungen handelt, der an sich Verpflichtete von jeder Haftung dadurch befreit sei, daß er einen geeigneten Stellvertreter aufstelle, existiert nicht; für

das Gegenteil vgl. Entsch. des RG. Bd. 8 S. 236, Bd. 17 S. 195 rc.

§ 839. Verletzung der Amtspflicht. Vgl. Art. 55, 77 ff. EG. 496. Staatsbeamten Begriff. IV. 407/82 v. 23.11.1882.

IW. 1883 S. 23 Nr. 37.

Zum Begriffe eines Staatsbeamten gehört ein dauerndes Verhältnis zur selbständigen Verwaltung gewisser,

das öffentliche Interesse

angehender Ge­

schäfte in einem bestimmten Bereiche unter öffentlicher Autorität und das Ein­ treten in dieses Verhältnis durch Übernahme der damit verbundenen Rechte und Pflichten gegenüber dem Repräsentanten der Staatsgesellschaft.

497. Privatpostgehilfe.

I. Slras-S. Urt. v. 1. Juli 1880.

Rep. 1700/80 (Ansbach).

Bgl. EG. Art. 55.

Der Privatpraktikant H. wurde als „Privatpostgehilfe zu H."

über die

zu übernehmenden „Dienstespflichten" als „Bedientester der Königlichen Ver­ kehrsanstalten", insbesondere über die „Pflicht der Verschwiegenheit in allen

Bürgerliches Gesetzbuch.

342

II. Buch.

Recht der Schuldverhältnisse.

Dienstessachen", über die Achtung der „dienstlichen Autorität der Vorgesetzten", überhaupt hinsichtlich aller Obliegenheiten als „pflichttreuer Bediensteter der Königl. Verkehrsanstalten zur Ehre und Würde des Königlichen Dienstes" ver­

ständigt und hat Angekl. Erfüllung dieser Pflichten beschworen. Angell, hatte bei der Postexpedition zu H. den Schalterdienst zu besorgen,

insbesondere —

seit seiner Verpflichtung — die mit Postanweisungen ein­

gezahlten Gelder zu vereinnahmen, zu buchen, den Absendern Quittung zu erteilen

rc.,

deshalb

„öffentliche

Dienste"

zu

leisten.

Wenn

trotzdem

die

damalige Eigenschaft des H. als „Beamter" im Sinne des StGB. § 359 ver­

neint wird, weil seine Verwendung im Postdienst nur auf „Haft und Gefahr"

des Postexpeditors 8. genehmigt worden, Angekl. nicht selbst der Oberbehörde und dem Publikum gegenüber verantwortlich, die Beeidigung nur zum Schutze

des Postexpeditors dienlich gewesen sei und daraus gefolgert wird, H. habe

lediglich als Privatgehilfe des 8. Tätigkeit geäußert, so

erscheint diese Auf­

fassung rechtsirrig. Angekl. hat nicht bloß einen Privatdienstvertrag mit 8. eingegangen, ist

vielmehr von diesem Beamten mit ordnungsmäßiger Genehmigung und

unter

selbständigem Eingreifen der Oberbehörde als Gehilfe bei der Postexpedition H.,

einer Staatsstelle, angenommen, als „Bediensteter der Königl. Verkehrsanstalten"

und auf Erfüllung der durch den Königl. Dienst gebotenen Pflichten beeidigt, auch mit Dienstesverrichtungen befaßt worden, die ihrer Natur nach Bedeutung

und Wirkung nur unter der Voraussetzung der Wahrnehmung durch einen öffentlichen Beamten gewinnen konnten. Dadurch ist Angell., gleichgültig, ob die nächste Veranlassung in einem Privatabkommen mit 8. zu finden, in ein öffentlich-rechtliches Verhältnis zu diesem und den staatlich vorgesetzten Behörden getreten

und hat kraft solcher,

einer Anstellung im Sinne StGB. § 359 gleichzuachtenden Berufung im Königl. bayerischen Dienste im Interesse und für Zwecke des Staates als Organ des­ selben eine dem Publikum gegenüber öffentliche Autorität ansprechende Tätig­ keit geübt.

Diese dem Angekl. sohin gebührende Eigenschaft als Beamter kann nicht

deshalb beanstandet werden, weil die ursprüngliche Genehmigung zur Aufnahme bei der Postexpedition H. nur auf „Haft und Gefahr" des jeweiligen Post­

expeditors 8. abgefaßt war.

Mittels dieser, privatrechtlichen Beziehungen entlehnten Klausel weist das Oberpostamt nur seine unmittelbare Verantwortung für vermögensrechtliche,

aus der direkt von dem Postexpeditor zu überwachenden Tätigkeit oder aus Unterschlagungen rc. des Angekl. erwachsende Ansprüche ab und überträgt des-

halbige Haftbarkeit auf 8.

Der öffentlichrechtliche Charakter der Dienstführung des später auf Beob­ achtung amtlicher Pflichten vereideten Postgehilfen H. wird dadurch nicht be­

rührt.

498. Gemeindebeamten-Begriff.

IV. 13/97 v. 16. 9.1897.

IW. 1897 S. 534 Nr. 16 (Königsberg).

BG. versteht unter Gemeindebeamten solche Personen, die von der Ge­ meindebehörde zur Mitwirkung bei den von ihr im Interesse des Gemeinde­ wohles zu besorgenden öffentlichen Angelegenheiten berufen werden.

Diese An­

nahme geht von einer zutreffenden Bestimmung des Begriffs der Gemeinde­ beamten aus (vgl. die §§ 4, 56 der StädteO. vom 30. Mai 1853, U. des

RG. in IW. 1896 S. 19, 1897 S. 358).

BG. nimmt dann an, daß diese

Begriffserforderniffe bei dem Kl. im Verhältnis zur Bell, vorliegen.

Es wird

zunächst dargelegt, daß die Gasanstalt und die Wasserwerke der Bekl., bei

denen der Kl. als Buchhalter und Rendant rc. tätig gewesen ist, ihrem wesent­

lichen Zweck nach

nicht auf industriellen Erwerb, sondern

auf Schutz

der

Personen und des Eigentums der Stadtbewohner gerichtet, somit als öffent­

liche Gemeindeanstalten im Sinne des § 4 der StädteO. anzusehen seien.

In

dieser wesentlich tatsächlichen Annahme ist die von der Rev. gerügte Verkennung

des Begriffs der öffentlichen Gemeindeanstalten nicht erkennbar.

Vgl. U. des

RG. v. 19. April 1894, v. 5. Oktober 1896, v. 17. Mai 1897 (IW. 1897 S. 357).

499. Scheidung der Beamteneigenschast «ach außen und innen?

IV. 268/95 v. 10. 2.1896. E. Bd. 37 Nr. 58 S. 225 (Berlin). Vgl. EG. Art. 55. Kl. ist ununterbrochen in den verschiedenen Zweigen der städtischen Ver­ waltung beschäftigt worden.

Nach der Feststellung des BG. sind ihm Geschäfte,

die zur Förderung und Durchführung staatlicher und städtischer Aufgaben be­

stimmt waren, übertragen worden; dabei hat es sich um Funktionen gehandelt,

die der Regel nach von Beaniten versehen werden, die auch im Sinne der Bekl. angestellte Gemeindebeamte sind, und die von dem Kl. geleisteten Dienste sind obrigkeitlichen Inhalts gewesen.

Danach aber stellt sich die dem Kl. übertragene

Beschäftigung als eine solche dar, die nach den Normen des öffentlichen Rechtes nur Ausfluß und Äußerung eines öffentlichen Amtes sein kann. Dem Kl. ist auch — bald nach dem Beginne des Dienstverhältnisses — von dem Magistrate

die Beamteneigenschaft ausdrücklich verliehen und es ist von ihm der Diensteid für Gemeindebeamte erfordert worden.

Er hat die ihm übertragenen Dienst­

funktionen unter der Aufsicht und der Autorität der vorgesetzten Dienstbehörde ausgeübt, und demgemäß ist er in ein lediglich nach den Grundsätzen des

öffentlichen Rechtes zu beurteilendes Dienst- und Abhängigkeitsverhältnis eines

Beamten zur Behörde getreten.

Trifft dies aber zu, so ist die Folgerung, die

von dem BG. aus dem von dem Magistrate bei der Verleihung de^ Beamten­

eigenschast an den Kl. gemachten Vorbehalte hergeleitet ist, daß Kl. nur nach

außen hin als Beamter, dagegen nach innen hin, im Verhältnisse zur Stadt­ gemeinde und in Bezug auf privatrechtliche Ansprüche, nicht als Beamter an­ zusehen sei, nicht haltbar.

Das Gesetz und insbesondere die hier maßgebende

Bürgerliches Gesetzbuch.

344

II. Buch. Recht der Schuldverhältnisse.

Städteordnung erkennt eine derartige Rechtsstellung von Gemeindebeamten, welche BG. selbst als ein Zwitterverhältnis bezeichnet, nicht an.

Allen in den

Gemeindedienst berufenen.Personen kommen, ebenso wie ihnen die Erfüllung sämtlicher Pflichten obliegt, auch die Rechte eines Beamten im vollen Umfange,

und daher auch der Gemeinde gegenüber, in deren Dienst sie getreten sind, zu statten.

500/ Boriibrrgehtude Beschäftigung. IV. 132/91 v. 17. 9 1891.

E. Bd. 28 Nr. 15 S. 80 (Berlin).

Vgl. EG. Art. 32.

Mit Recht wird das entscheidende Gewicht darauf gelegt, daß dem Kl. die Eigenschaft eines Beamten fehle. Weder ist dem Kl. mit der Übertragung der Stellung als Posthalterei-Roßarzt ein Amt übertragen, noch ist ihm die Eigen­

schaft eines Bsamten beigelegt. fiskus

ein Dienstvertrag

Es ist zwar zwischen dem Kl. und dem Post­

geschlossen;

aber in

diesem Vertrage stehen

beide

Kontrahenten einander gleichberechtigt gegenüber, und er begründet nicht, wie

das auf der Anstellung beruhende Dienstverhältnis eines Beamten, ein Gewalt­ verhältnis

des Reiches

gegenüber dem Kl.

Gerade hierin aber liegt das

charakteristische Merkmal des Beamtenverhältnisses, mag die Anstellung durch formale Berufung oder durch Übertragung öffentlich-rechtlicher Dienstfunktionen

erfolgt sein, deren Ausübung die Beamteneigenschaft voraussetzt.

Von dem

Dienstverträge des Obligationenrechtes unterscheidet sich dieses Beamtenverhältnis

dadurch, daß einerseits ein Gewaltverhältnis des Staates mit der Pflicht zum Schutze und zur Gewährung des zugesicherten Diensteinkommens, andererseits eine besondere Gehorsams-, Treue- und Dienstpflicht des Beamten begründet wird.

Nicht entscheidend ist die Dauer der Amtsübertragung.

Das Reichsges.

v. 31. März 1873 erwähnt der „vorübergehenden Beschäftigung" der „einst­

weilig in den Ruhestand versetzten" Reichsbeamten (§ 30) und der „vorüber­ gehenden Wiederbeschäftigung im Reichs- oder im Staatsdienste" seitens des „in den Ruhestand versetzten" (pensionierten) Reichsbeamten (§ 60).

Auch hier

setzen beide Bestimmungen, nicht bloß § 30, sondern auch § 60 in den Worten

„im Reichs- oder im Staatsdienste", die damit verknüpfte Beamteneigenschaft

voraus.

Der § 60 steht daher der Auffassung der Revkl. ebensowenig zur

(Seite; wie der § 38, in welchem die Beamteneigenschast trotz der nur vorüber­ gehenden Beschäftigung ausdrücklich anerkannt ist.

501. Notare. IV. 228/88 v. 24. 2.1888.

E. Str. Bd. 17 Nr. 91 S. 341 LG. (Breslau).

Daß die Notare Staatsbeamte sind, ergibt sich für den hier in Betracht kommenden Geltungsbereich des Gesetzes über das Verfahren bei Aufnahme von Notariatsinstrumenten v. 11. Juli 1845 zweifellos daraus, daß sie nach Anhang

§ 462 zu § 3 Allg. GO. III 7 als wirkliche Staatsdiener angesehen werden sollen, womit ferner in Verbindung steht, daß sie durch den Justizminister er-

7. Abschn. Tit. 25, Unerlaubte Handlungen. § 839- Beamtenversehen.

nannt werden

und dem unmittelbaren staatlichen Aufsichtsrechte,

345

sowie der

staatlichen Disziplinargewalt unterworfen sind (V. über Aufhebung der Privat­ gerichtsbarkeit rc. v. 2. Jan. 1849 § 36, Ges. enthalt. Bestimmungen über

d. Notariat v. 8. März 1880 § 7, Ges. betr. d. Dienstvergehen der nicht richterl.

Beamten rc. v. 21. Juli 1852 §§ 66 ff., Gesetz betr. die Abänderung von Bestimmungen d. Disziplinarges, v. 9. April 1879 §§ 22, 23).

502. Regreß gegen den Notar.

IV. 199/97 v. 17.1. 1898.

E. Bd. 40 Nr. 84 S- 314 (Berlin).

Nach Lage der Gesetzgebung rechtfertigt sich die Folgerung des BG., daß

Bell, durch die Weglassung der Übernahmeerklärung

sdes Meistgebots seitens

des Cessionarsj in der von ihm abgefaßten Urkunde ein an sich vertretbares Versehen im Amte begangen habe.

Bekl. sucht seine Vertretung durch den Einwand abzuwehren, daß den Kl.

ein konkurrierendes Versehen zur Last falle.

BG. hat den

Einwand

ohne

Gesetzesverletzung verworfen.

Schließlich ist BG. ausgehend von dem Rechtssatze, daß Bekl. als Notar jedes Versehen zu vertreten und den wirklichen Schaden zu ersetzen habe, der infolge seiner amtlichen Unachtsamkeit der Kl. erwachsen sei,

dem Einwande

des Bekl., daß nur ein nicht vorherzusehender, zufälliger Schade vorliege, mit der Erwägung begegnet, daß Bekl. bei Anwendung der ihm obliegenden Amts­

sorgfalt wohl habe vorhersehen können, es möchten aus einem Versehen seiner­

seits Vermögensnachteile für die Kl. erwachsen, daß aber keinesweges Erfordernis

sei, daß er die einzelnen möglichen Nachteile habe vorhersehen müssen.

Die

hiergegen von der Revision erhobenen rechtlichen Bedenken können nicht für durchgreifend gelten. 503. Forftpoltzeibeamter.

II. SlrS. v. 3. 6. 1881. Rep. 1225/81. E. Bd. 4 Nr. 79 S. 214 (Könitz). Vgl. EG. Art. 55. Wenn darauf hin festgestellt worden ist, daß Angekl., welcher die Ehefrau

W. in Ausübung der Aufsicht in dem ihm anvertrauten Schutzreviere miß­ handelt haben soll, dieses in der Eigenschaft als Beamter getan habe, so läßt

sich gegen diese Ansicht der Vorwurf rechtsirrtümlicher Auslegung des Beamten­ begriffes aus § 359 StGB, nicht erheben, da, wie vom RG. anerkannt worden

ist (vgl. Bd. 2 S. 306), die von Privateigentümern angestellten (auf Grund der Voraussetzungen in § 32 Ziff. 2 u. letzt. Abs. gemäß § 33 des preuß.

Ges. v. 2. Juni 1852) vereidigten mit dem Forstschutz beauftragten Personen im Sinne des

§ 359 als im Dienste des preuß. Staates für die Ausübung

forstpolizeilicher Funktionen angestellt betrachtet werden müssen. Denn es ist zunächst nicht zu bestreiten, daß, wenn danach der betreffende Bedienstete eidlich gelobt, daß er die Diebstähle von Holz und anderen Wald-

346

Bürgerliches Gesetzbuch. II. Buch. Recht der Schvldverhältniffe.

Produkten, welche in seinem Bezirke Vorkommen und zu seiner Kenntnis ge­ langen, mit aller Treue, Wahrheit und Gewissenhaftigkeit anzeigen wolle rc., mit dieser dem

Staate gegenüber

eidlich übernommenen

Anzeigepflicht ihm

eine Funktion übertragen worden ist, welche nur von Beamten des Staates, als solchen Personen, welche zu demselben in einem dienstlichen Pflichtverhältnisse

stehen, ausgeübt werden kann. Dabei vermag es auch keinen Einfluß zu üben, daß die Anstellung selbst

von Privatpersonen ausgeht, da der Gesichtspunkt entscheidet,

daß der Staat

diese von einem anderen erfolgte Anstellung für sich anerkennt und den so Angestellten mit staatlichen Funktionen ausstattet, wie dieses auch auf anderen

Gebieten, z. B. dem Gebiete der Sicherheitspolizei auf Privateisenbahnen, der Fall ist.

Zwar hat durch das preuß. Forstdiebstahlsges. v. 15. April 1878 (pr.

GS. S. 222) die Stellung derartiger vereidigter Privatbediensteter insofern eine Änderung erlitten, als das damit nach §31 b. Ges. v. 2. Juni 1852

verbundene Vorrecht, daß ihre eigenen dienstlichen Wahrnehmungen Beweis­ kraft bis zum Gegenteile besitzen, mit dem 1. Oktober 1879 erloschen ist. Da­

gegen ist der Umfang ihrer dem Staate gegenüber eidlich übernommenen Ver­ pflichtungen, abgesehen von einer etwas abgekürzten Form des Eides (§ 24), derselbe geblieben. 504. Unbefugte Hinderung der Jagd durch einen Gendarm.

IV. 84/93 v. 15. 6.1893.

Gr. Bd. 38 S. 261 Nr. 3 (Posen).

Vgl. EG. Art. 69.

Stil, hatte dem Kl. und dessen Jagdgästen die Fortsetzung der von ihnen begonnenen Jagd in dem von diesem gepachteten Gemeinde-Jagdgebiete untersagt, ohne daß ihm die Be­

rechtigung zustand, ein solches Verbot zu erlassen, da die Jagdpolizei in Preußen lediglich dem Landrat zusteht; vgl. Jagdpolizeiges. v. 7. -'s. 1850 und § 103 des Zuständigkeitsgesetzes;

Eutsch. des OBerwG. Bd. 7 S. 246, Bd. 17 S. 344.

A. d. Gr.

In der Sache selbst unterliegt es keinem Bedenken, daß Bekl., welcher unter Überschreitung seiner Amtsbefugnisse die Fortsetzung der Jagd gehindert

hat, verpflichtet ist, den Schaden zu ersetzen, welchen er durch sein unberech­

tigtes Verhalten veranlaßt hat.

(§§ 88, 89 ALR. II. 10.)

505. Telegrapheu-Beamtmuersehen.

IV. 309/95 v. 12. 3. 1896. Bgl. § 89.

E. Bd. 37 Nr. 61 S. 248 (Danzig, Marienwerder).

Nach der bedenkenfreien Annahme des BG. hat Bekl. als Reichsbeamter bei Erledigung einer von der XII. Gendarmeriebrigade zu D. an den Gendarm

L. zu Pr. St. gerichteten Depesche ein grobes Versehen insofern begangen, als er im Texte der Depesche, wodurch dem L. befohlen wurde, nach O. zu reiten, statt dieses Ortes den Ort I. telegraphiert hat.

Es steht fest, daß infolge

dieses Versehens der Gendarm L. sich mit seinem Pferde statt nach O. nach

I. begeben hat, daß nach Aufklärung des Irrtumes das Pferd des L. von I.

7. Abschn.

Tit. 25. Unerlaubte Handlungen

§ 83Y. Beamtenversehen.

347

nach O. transportiert worden ist, und daß durch den Transport des Pferdes

von O. nach I. und zurück auf der Staatseisenbahn 27 Mk. Frachtkosten erwachsen sind.

BG. nimmt nun zwar an, daß Bekl. für den durch sein grobes Amts­ versehen dem Fiskus erwachsenen unmittelbaren Schaden zu haften habe, ohne

daß er durch eine etwaige Mitverschuldung der Aufgeberin des Telegrammes

entlastet würde.

Es vermißt indes den Nachweis, daß und in welcher Höhe

dem Fiskus ein Schade entstanden sei, weil nur eine Zahlung aus einer fiskalischen Kasse in die andere erwachsen sei.

Allein die Zugrundelegung dieses

Rechtssatzes führt zu der Annahme, daß die seitens der Regierungshauptkasse zu K. an die Kasse der Eisenbahndirektion zu B. geleistete Zahlung der 27 Mk.

Transportgebühr mit Rücksicht darauf, daß

die zahlende Station und die

empfangende Station nur einer Rechtspersönlichkeit angehören, im rechtlichen Sinne überhaupt nicht als Zahlung gelten kann, und daß somit der Anspruch der

Staatseisenbahn auf die tarifmäßige Transportgebühr von 27 Mk. noch besteht. 506. SyndtkatSklage gegen ein Beamtenkolleg. VI. 16/99 v. 23. 3. 1899. Art. 55 ff., 77 ff. EG.

Seuff. Bd. 54 Nr. 224 (Hamburg).

Vgl. §§ 3 ff., 89.

Die Klage ist nur gegen das Medizinalkollegium gerichtet, nicht auch gegen dessen Mitglieder.

Der Ansicht des BG. daß mit der Syndikatsklage nicht

ein Beamtenkollegium als solches belangt werden könne, ist beizupflichten.

Da

es im röm. R. an einschlägigen Bestimmungen fehlt, können nur allgemeine Grundsätze als entscheidend erachtet werden.

Diese führen mit Notwendigkeit

dahin, daß (privatrechtliche) Klagen, wofern nicht bestimmte Spezialgesetze die

Klage gegen ein Kollegium, etwa als Vertreter des Staates zulassen oder vor­ schreiben, nur

gegen

die Mitglieder erhoben werben können.

schuldens kann nur in Anspruch genommen

Wegen Ver­

werden derjenige, welchem ein

Verschulden zugerechnet werden kann, also eine physische oder juristische Person, diese aber nur dann, wenn sie dabei für das Verschulden ihrer Vertreter zu haften hat und diese Vertreter sind eben physische Personen.

Staatliche Be­

hörden oder Beamtenkollegien sind aber nach heutiger Verfassung keine juristische Personen oder Korporationen, nicht selbständige Rechtssubjekte oder Vereine

mit Vermögensfähigkeit.

Auch nach preuß. R., in dem die Haftung für Ge­

schäfte der Kollegien besonders geregelt ist (§§ 127 ff. II. 10 ALR.), kann die Klage nur gegen die einzelnen Mitglieder gerichtet werden; auf dem gleichen Standpunkt steht das BGB. (§§ 839ff.); § 736).

Mot.

Bd. 2

S. 826 z. Entw.

Einem Beamtenkolleg als solchen fehlt hiernach auch (auf dem Ge­

biete des Privatrechts) die Parteifähigkeit ... und deshalb auch die Prozeß­

fähigkeit (CPO. § 50). Vgl. dagegen über württemb. Recht (Unterpfandsgesetz) die Entsch. VI. 369/93 v. 15. 3. 1894 in der Syndikatsklage gegen die Unterpfandsbehörde zu Mllingen. Seuff. Bd. 50 Nr. 248,

348

II. Buch.

Bürgerliches Gesetzbuch.

Recht der Schuldverhältnisse.

507. Hast««« des Schiedsrichters (§ 889 Abs. 2). VI. 350/97 v. 21. 3. 1898.

Der Vertrag zwischen

E. Bd. 41 Nr. 69 S. 251 (Berlin).

den

Parteien

und dem Schiedsrichter ist nach

seinem Inhalte und Gegenstände ein eigenartiger Vertrag, der in dieser Hinsicht,

soweit nicht ausdrückliche Vorschriften entgegenstehen, eine besondere Beurteilung

erheischt.

Die Eigenartigkeit des Vertrages besteht darin, daß die Parteien

entsprechend dem Schiedsvertrage einem Dritten die Funktion eines Richters über die zwischen ihnen streitige Angelegenheit übertragen, den Schiedsrichter

in die Stellung des vom Staate bestellten Richters über sich erheben, und die

von den Parteien gewählte Person diese Stellung und Funktion übernimmt. Der Schiedsrichter soll nach dem Vertrage den zwischen den Kompromittierenden

bestehenden Streit entscheiden, diesem Behufe im

unabhängig wie der Richter,

wesentlichen dieselbe

und er hat zu

geistige Tätigkeit zu entfalten, wie

dieser, nur daß, sofern der Schiedsvertrag und das receptum nicht besondere Schranken setzen, die Stellung des Schiedsrichters gegenüber dem materiellen Rechte und dem Prozeßgesetze eine viel freiere ist, als diejenige des Staats­

richters.

(Vgl. CPO. § 1034; Mot. S. 476; RG. Bd. 23 S. 436.)

Hiermit verträgt sich die Annahme der Haftung des Schiedsrichters wegen Versehens, auch wegen groben Versehens,

bei Abgabe des Spruches

nicht.

Auch er soll und muß möglichst unbefangen und frei von der Furcht, nach

Abgabe des Schiedsspruches wegen eines solchen Versehens in Anspruch ge­

nommen zu werden, seine Aufgabe erfüllen können.

Soweit es sich um die

Anwendung von Gesetzen oder um die Auslegung von Urkunden handelt, liegt die Notwendigkeit dieser Auffassung

betrifft, so sind

geschützt.

ganz klar

vor.

Was

das

Verfahren

die Parteien durch die Vorschriften der §§ 1041 ff. CPO.

Haben sie wesentliche Bestimmungen des Verfahrens als Grundlage

für den Schiedsspruch vereinbart, so kommt ihnen im Falle einer Verletzung

dieser Vertragsbestimmungen insbesondere die Vorschrift des § 1041 Ziff. 1 zu statten.

Soweit es mit dem Wesen des Schiedsvertrages und des Schieds­

spruches vereinbar ist, wird

Möglichkeit, die Aufhebung

den

Parteien

hiernach

durch

das

Gesetz

die

des Schiedsspruches zu erlangen, gewährleistet.

Daneben steht nichts im Wege, daß die Parteien, wenn sie es für angemessen

erachten, als eine Garantie für einen sachgemäßen und gerechten Schiedsspruch

noch eine schiedsrichterliche Rekursinstanz vereinbaren.

Hierzu kommt, daß die

Reichsgesetze die richterliche und die schiedsrichterliche Funktion, das gerichtliche Urteil und den Schiedsspruch in einigen wichtigen Beziehungen auf gleicher Linie behandeln.

Der Schiedsspruch kann (§ 1041 Ziff. 6 CPO.) aus den

gegenüber den Urteilen der Gerichte in § 580 Ziff. 1—6 statuierten Resti­

tutionsgründen angefochten werden, während die Aufhebung eines

Schieds­

spruches wegen eines neu aufgefundenen Urteiles oder einer neu aufgefundenen

Urkunde (§ 680 Ziff. 7 a. a. O.) bemerkenswerterweise deshalb ausgeschlossen ist, weil diese Aufhebung

eine materielle Beurteilung der Sache durch das

7. Abschn. Tit. 25. Unerlaubte Handlungen. § 859. Beamtenversehen. staatliche Gericht erfordern würde

(Mot. S. 478 ff.).

349

Die Ablehnung eines

Schiedsrichters ist (§ 1032 Abs. 1 CPO.) aus denselben Gründen und unter denselben Voraussetzungen gestattet, wie die Ablehnung des Richters.

ist

einen Schiedsrichter

die Rechtsbeugung durch

gestellt,

wie diejenige durch einen Richter,

Sodann

unter dasselbe Strafgesetz

und ebenso sind in Ansehung der

Bestechung Richter und Schiedsrichter strafgesetzlich gleichgestellt (§§ 334—336

Wenn auch hieraus nicht der Schluß gezogen werden darf, daß der

StGB.).

Schiedsrichter eine öffentlichrechtliche Stellung habe,

oder daß dem Schieds­

sprüche eine formell autoritative Bedeutung zukomme (dagegen vgl. §§ 1040,

1042 CPO.), so folgt daraus doch, daß die Gesetze die Funktion des Schieds­ richters ähnlich wie diejenige des Richters betrachten und

unter staatlichen

Diese Erwägungen nötigen zu der Annahme, daß ein Schieds­

Schutz stellen.

richter in Beziehung auf seinen Spruch,

wo nicht aus positiven gesetzlichen

Bestimmungen eine weitergehende Haftung zu entnehmen ist, von der Partei nur unter derselben Voraussetzung in Anspruch genommen werden kann, wie der Richter.

(Vgl. aber § 276.]

508. Subjektives Unrecht. IV. 226/87 v. 12. 12. 1887. IW. 1888 S. 36. Es wird von BG. nicht verkannt, daß der Beamte auf die pflichtmäßige

Führung seines Amtes die genaueste Aufmerksamkeit zu wenden hat und für

jedes dabei begangene Versehen verantwortlich ist, welches bei gehöriger Auf­ merksamkeit und nach den Kenntnissen,

erfordert

vermieden werden

hätte

werden,

Tit. 10).

die

bei der Verwaltung

können

des Amtes

(§§ 88, 89 ALR. Tl. II

Nach diesen Vorschriften aber ist von dem Beamten bei Aufnahme

einer Urkunde ein höheres Maß von Aufmerksamkeit und Sorgfalt nicht zu als daß von ihm diejenigen Formen beobachtet werden, welche von

fordern,

den obersten Gerichtshöfen

als

die dem Gesetze

entsprechenden

erklärt sind.

Es begründet daher noch keine Verschuldung, wenn die Urkunde trotzdem als

formwidrig erkannt wird. Eine weitergehende Verantwortlichkeit würde Haftung nicht für Verschuldung („subjektives" Unrecht), sondern für „objektives"

Un­

recht sein.

509. Ermessen und Verschulden. Aufhebung einer Gerichts-Sitzung. IV. 91/93 v. 10. 7. 1893. Zuzugeben die

daß

ist,

Aufrechterhaltung

auferlegt,

der

Gr. Bd. 38 S. 162 Nr. 4 (Marienwerder).

die Bestimmung Ordnung

in

des § 177 der

Sitzung

des GVG., dem

welche

Vorsitzenden

dem letzteren auch die Befugnis gewährt, zu Ordnungszwecken die

Sitzung aufzuheben.

Es sind sehr wohl Fälle denkbar, in denen ein anderes

Mittel, um jenen Zweck zu

erreichen, als die Aufhebung

der Sitzung, nicht

übrig bleibt; das Gesetz hat in dieser Beziehung eine Beschränkung nicht aus­ gesprochen und in den folgenden Paragraphen nur festgesetzt, in welchen Fällen

und unter welchen Voraussetzungen die Mitwirkung des Gerichts einzutreten

Nicht zutreffend ist aber die Behauptung, daß überall da, wo ein Er­

hat. messen

stattfindet,

ein Verschulden ausgeschlossen ist.

Die Begründung des

Entwurfs des GVG. enthält die Bemerkung, daß es dem diskretionären Ermessen

des Vorsitzenden überlassen bleibe, die geeigneten Anordnungen zu treffen, um Störungen der Verhandlungen abzuwenden

sowie aus dem Wortlaut des Gesetzes,

und

zu

unterdrücken.

folgt aber keineswegs,

Daraus,

daß den Vor­

sitzenden, der sein subjektives Ermessen walten läßt, für die von ihm angewendete

Maßregel und deren Folgen keine Verantwortung trifft; vielmehr legen gerade

jenes unbeschränkte Ermessen

und

der Umstand, daß der Richter nicht nur

berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, für Aufrechterhaltung der Ordnung zu

sorgen, ihm die Pflicht auf, die gehörige Aufmerksamkeit anzuwenden und unter

Erwägung aller Umstände sorgfältig zu prüfen, ob eine Veranlassung vorliegt, welche das gewählte Mittel zu rechtfertigen vermag, und ob er bei dessen An­ wendung nicht seine anderweiten Amtspflichten verletzt, zu welchen im Streit­

fälle auch die gehörte, Sorge dafür zu tragen, daß sowohl im Interesse des Staates als der Parteien die sämtlichen zur Verhandlung anstehenden Sachen

in der dazu bestimmten Sitzung erledigt werden.

BG. begeht hiernach keine

Gesetzesverletzung durch die Annahme, es sei nach den tatsächlichen Umständen

jedes einzelnen Falles zu beurteilen, ob ein genügender Grund für die ergriffene

Maßregel als vorhanden zu erachten sei.

Seine weitere Feststellung aber, daß

ein genügender Grund nicht vorliege, beruht auf einer tatsächlichen Würdigung der eingehend erörterten einzelnen Umstände und ist im Wege der Revision

mit Erfolg nicht anfechtbar.

Anders könnte die Sache beurteilt werden, wenn

Bell, behauptet hätte, er sei infolge des Verhaltens des Gerichtsschreibers so erregt gewesen, daß er sich für unfähig gehalten habe, weiter seine richterliche

Tätigkeit in der Sitzung auszuüben.

Eine derartige Begründung für die von

ihm getroffene Maßregel der Aufhebung der Sitzung hat Bekl. jedoch nicht

geltend gemacht, vielmehr wiederholt hervorgehoben, daß er die Fortsetzung der Sitzung mit dem Ansehen des Gerichts für unvereinbar gehalten habe. Über Gerichtsvollzieher s. Nr. llOff., 518ff. u. die folgende Nr.

510. Gerichtsschreiber.

Einrede der Teilung.

Hl. 304/94 v. 26. 2. 1895.

Seuff. Bd. 50 Nr. 249 (Anhalt. S.).

Ein Gerichtsschreiber wurde auf Ersatz der Piozeßkosten verklagt, weil er die vor­ geschriebene Übertragung der Terminsbestimmung auf das für den Bekl. bestimmte Klage­ exemplar verabsäumt hatte. Er schützte Einrede der Teilung vor, weil der Ger.-Vollz. bei der ihm obliegenden Beglaubigung unterlassen hatte zu prüfen, ob jenes Exemplar mit dem

Original der Klage, namentlich bezüglich der Terminsbestimmung übereinstimme. die Einrede für begründet.

RG. hob auf.

II hielt

A. d. Gr.

Die bei Windscheid Pand. Bd. 2 § 298 Anm. 10 angeführten Stellen der Digesten und des Kodex betreffen nur den besonderen Fall, wo die Mit­

glieder eines Magistratskollegiums (magistratus municipales) die ihnen ge-

7. Abschn. ttit. 25. Unerlaubte Handl. §§ 8^2 ff. Verletzung einer Person.

351

meinsam obliegende Fürsorge für die gehörige Bevormundung eines Pupillen verletzt haben und wegen dieses gemeinsamen Verschuldens haftbar werden.

Ein allgemeines Prinzip läßt sich in dieser Vorschrift, die mit der Unteilbarkeit der Amtspflicht zusammenhängt, nicht finden, vielmehr gilt im allgemeinen der

entgegengesetzte Grundsatz, daß die aus gemeinsamer Verschuldung Verhafteten

auf die Einrede der Teilung keinen Anspruch haben (fr. 1 § 14 de tutel. et Am wenigsten aber läßt sich obige Vorschrift auf den vor­

rat. 2 T. 3).

liegenden Fall anwenden, wo zwischen dein Ger.-Vollz.

8t.

weder

in

Ansehung

verkl. Gerichtsschreiber und dem

ihrer Amtspflicht noch

ihres Verschuldens ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.

in

Ansehung

Hier liegt viel­

mehr ein selbständiges Verschulden eines jeden der beiden Beamten vor; die Einrede der Teilung kommt daher dem Bekl. nicht zu statten. Schadensersatz wegen Verletzung einer Person ($$ 842 ff.).

511. III. v. 28. 4.1885. Vgl. CPO. 8 256.

Senfs. Bd. 41 Nr. 2 S. 2.

RAnz. 1885 Beil. 6 S. 291 (Celle).

Nach den Behauptungen des Kl. ist durch den Schuß der Daumen der

rechten Hand seines Sohnes für immer gelähmt, die Sehkraft des linken Auges

desselben für immer erheblich gemindert und außerdem dessen Gesicht verun­ staltet.

Sind diese Behauptungen wahr, so liegt schon jetzt nach dem gewöhn­

lichen Lauf der Dinge vor, daß durch die Beschädigung, welche der Sohn des Kl. erlitten hat, eine Beeinträchtigung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit des­

selben in irgend einer Weise eintreten,

für ihn also

ein Vermögensschaden

entstehen wird, vorausgesetzt, daß derselbe nicht vor Erreichung eines Alters,

in welchem seine Erwerbsfähigkeit überhaupt erst eintritt, versterben sollte.

Es

handelt sich daher nicht, wie BG. meint, um einen Ausspruch über das Be­

stehen eines völlig ungewissen, bloß möglichen Rechtsverhältnisses zwischen Kl.

und Bekl., dessen Existenz davon abhängig ist, ob und welche Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des jetzt noch im Kindesalter stehenden Sohns des Kl.

möglicherweise eintreten wird, sondern um ein schon gegenwärtig bestehendes und nur seinem Umfange nach

unbestimmtes Rechtsverhältnis,

dessen Fest­

stellung keineswegs eine bloß theoretische, sondern für Kl. auch eine wesentliche praktische Bedeutung hat.

Der Umstand aber, daß möglicherweise der Verletzte

den Eintritt seiner Erwerbsfähigkeit nicht erlebt und also die an sich festgestellte Schadensersatzpflicht des Bekl.

faktisch nicht zur Geltung kommt,

kann

die

erhobene Feststellungsklage nicht ausschließen. Operationspflicht des Verletzte«. 512. IV. 244/90 v. 22. 12. 1890. (Breslau).

Gr. 35 S. 401 Nr. 15.

IW. 1891 S. 100 Nr. 33

Es ist allerdings nicht richtig, daß jemand, welcher durch einen andern verletzt ist und einen Schadensersatzanspruch gegen denselben erheben will, sich unbedingt allen Operationen zu unterwerfen habe, welche zu seiner vollständigen

352

Bürgerliches Gesetzbuch.

IL Buch. Recht der Schuldverhältniffe.

oder möglichst vollständigen Wiederherstellung führen können, widrigenfalls die

Folgen der Verletzung seinem eigenen Verhalten zuzuschreiben seien.

Anderer­

seits kann er aber nur dann einen Ersatzanspruch erheben, wenn er selbst das­

jenige, was in seinen Kräften steht, zu seiner Heilung getan, und insbesondere die Heilmittel, welche die Wissenschaft an die Hand zu geben vermag, in ver­

nünftiger Weise benutzt hat.

Sein Verhalten muß auch in dieser Beziehung

demjenigen eines vernünftigen Menschen entsprechen.

besondere um eine Operation,

Handelt es sich ins­

so läßt sich zwar nicht als allgemeine Regel

aufstellen, daß es auf die Schwierigkeit und Schmerzhaftigkeit derselben nicht ankomme, wofern sie nur, soweit die menschliche Voraussicht reicht, zu einem Erfolg führen werde.

Man wird vielmehr auch insoweit als Maßstab das

Verhalten eines vernünftigen Menschen unter solchen Umständen annehmen müssen und dabei auch die Erheblichkeit des Übels, welchem durch die Operation

abgeholfen oder vorgebeugt werden soll,

nicht außer Betracht lassen dürfen.

ob

der Verletzte die Vornahme einer

Dasselbe gilt in betreff Operation

der Frage,

wegen ihrer Gefährlichkeit

man es nicht als gerechtfertigt ansehen

verweigern

dürfe.

Insbesondere wird

können, wenn eine Operation, welche

nach vernünftigem Ermessen besondere Gefahren nicht mit sich führt, wegen

Gefahren, die nur in der Einbildung des Verletzten beruhen, abgelehnt wird.

Damit ist selbstverständlich nicht gesagt, daß übertriebene subjektive Vorstellungen von der Schmerzhaftigkeit und der Gefährlichkeit einer Operation auch dann

keine Berücksichtigung verdienen, wenn gerade durch diese Einbildung die Gefahr für das Leben und die Gesundheit des Verletzten in bedenklichem Grade erhöht oder der Erfolg des ärztlichen Eingriffs in Frage gestellt wird.

513. III. 147/90 v. 30. 1. 1891. IW. 1891 S. 138 Nr. 28. Seuff. Bd. 46 Nr. 189 (Kassel). Es ist in Übereinstimmung mit der Entsch. des RG. vom 22. Dez. 1890

Rep. VI244/90 [f. vorige Nr.j davon auszugehen, daß die Weigerung eines Ver­

letzten die zur Wiederherstellung oder Besserung seiner Gesundheit erforderliche Operation zu dulden, unter Umständen sehr wohl die Einrede der Arglist gegen

seinen Anspruch auf Schadensersatz begründen kann, insbesondere dann, wenn die

nötige Operation nach den Regeln der ärztlichen Wissenschaft ganz gefahrlos ist und bei regelmäßigem Verlauf der Dinge enffprechende Aussicht auf Erfolg bietet.

514. Brmeffimg der Rente bet Tötung des Ernährers (§ 844). III. v. 18. 9. 1883.

Seuff. Bd. 39 Nr. 106 S. Ib9 (Thür. S.).

Was die Höhe der zuerkännten Rente betrifft, so hat BG. die Möglichkeit

eigenen Erwerbs seitens der Kl. bei Bestimmung des Betrags außer Betracht gelassen, weil sie einen Anspruch darauf habe, daß ihr der zu Lebzeiten ihres

Mannes taffächlich bezogene Unterhalt ersetzt und sie in der früheren Lage er­ halten werde, in welcher sie nicht genötigt war, ihren eigenen Unterhalt durch

den Verdienst von Lohnarbeit zu bestreiten.

Diese Annahme ist nicht rechts-

7. Abschn. CiL 25. Unerlaubte Handl. §§ 8^2 ff. Verletzung einer Person.

353

Es handelt sich nicht um Bestimmung der Höhe einer Alimentation,

irrig.

wo freilich das Bedürfnis und folgeweise die Erwerbsfähigkeit des zu Alimen-

tierenden von Bedeutung wird, sondern um Vergütung des zugefügten Schadens.

Das zu vergütende Interesse besteht aber in Gewährung dessen, was Kl. bei Lebzeiten des Mannes gehabt hat und voraussetzlich auch weiter gehabt haben Ihr eigener Verdienst kommt hierfür nicht in Betracht.

würde.

Von diesem

Gesichtspunkt aus ist auf der Grundlage des Haftpflichtgesetzes auch bereits vom RG. entschieden worden (Entsch. Bd. 5 S. 110, Senfs. Bd. 37 Nr. 119. Bd. 7 S. 144, Senfs. Bd. 38 Nr. 24; ROHG. Bd. 13 S. 24).

[. h. zur Fortschaffung des wild ablaufenden Wassers, ALR. I 8, §§ 102, 103) oder zur Entwässerung

des Grundstücks des

Bekl. erforderlich wären.

Zum Zwecke der Förderung

einer Bewässerungsanlage, um die es sich vorliegend handelt, kann nach Lage der Gesetzgebung Bekl. derartige Einrichtungen

auf

dem

Grundstück

der Kl.

und der übrigen unterliegenden Besitzer nicht einmal gegen Entschädigung bean­ spruchen, und es ist also um so weniger von der Kl. zu verlangen, daß sie

um Benachteiligungen, welche die Bewässerungsanlage des Bekl. ihr verursachen

könnten, abzuwenden, solche Einrichtungen auf ihre Kosten Herstelle. 582. Vertretung des RMil.Fiskus.

Rechtsweg.

III. 225/89 v. 24. 9. 1889. E. Bd. 24 Nr. 6 S. 36 (Aurich, Celle). Vgl. oben Nr. 13.

Bekl. hat auf seinem Kasernenhofe unmittelbar neben dem Garten und nur 50 Schritte

vom Hause des Kl. entfernt Schießstände errichtet.

Kl. klagt auf Anerkennung seines Eigen­

tums, Unterlassung des Schießens event. Vorrichtungen gegen den damit verbundenen Lärm.

Nach den im Urteile v. 9. März 1888, Bd. 20 S. 148, ausgesprochenen Grundsätzen ist davon auszugehen, daß der RMil.Fiskus in Prozessen durch

die Landeskontingentsverwaltung vertreten wird.

Welche Behörde innerhalb

der Landeskontingentsverwaltung für diese den Prozeß zu führen hat, richtet sich nach der betreffenden Landesgesetzgebung, sofern nicht in der Reichsgesetz­

gebung dieserhalb spezielle Anordnungen getroffen sind.

geltenden Rechte sind dies die Intendanturen. Norm des geschriebenen Rechtes.

Nach dem in Preußen

Allerdings besteht hierfür keine

Von jeher sind aber die im § 13 Abs. 1

und § 14 der Geschäftsinstr. f. d. Regierungen v. 23. Okt. 1817 ausgesprochenen Grundsätze analog auch auf die Korpsintendanturen, als die dem Kriegsmin. unmittelbar untergeordneten Provinzialbehörden, welche die alleinige Zwischen­

instanz zwischen dem Kriegsmin. und den unteren Militärbehörden bilden (vgl.

Publik, des Kriegsmin. v. 10. Febr. 1828, v. Kamptz' Annalen Bd. 12 S. 204),

zur Anwendung gebracht.

(Vgl. Vers, des Kriegsmin. v. 6. Aug. 1828, v. Hell­

dorf, Dienstvorschr. der Königl. preuß. Armee Bd. 2 Abt. 4 S. 446 und Cirk.Reskr. des Justizmin. v. 4. Juli 1828, v. Kamptz' Annalen a. a. O. S. 789.)

Insofern daher der RMil.Fiskus der richtige Bekl. ist und für den angeblichen Rudorfs, Reichsgerichts-Entscheidungen. Bd. I.

26

unberechtigten Eingriff in die Privatrechte des Kl. verantwortlich gemacht werden

könnte, muß auch die Intendantur als die gesetzliche Vertreterin der Landes-

Wenn die Vorinstanz anscheinend

kontingentsverwaltung aufgefaßt werden.

annimmt,

daß im

vorliegenden Falle

das Kriegsmin. zur Vertretung des

RMil.Fiskus deshalb befugt und verpflichtet sei, weil dieses nach § 3 der Anleit. v. 7. Dez. 1888 die für den Bau von Schießständen erforderliche all­

gemeine Genehmigung zur Anlage dieser Schießstände erteilt habe, so ist dem nicht beizutreten, da die Verwaltung der Kasernen und Kasernenhöfe den In­

tendanturen unterliegt und der RMil.Fiskus vom Kl. in seiner Eigenschaft als

Eigentümer der der Verwaltung der Intendantur unterstellten Kasernen in Anspruch genommen wird.

Hiernach ist es rechtsirrtümlich, wenn in den Vor­

instanzen die Klage wegen der mangelnden

Befugnis der Intendantur zur

Vertretung des RMil.Fiskus abgewiesen ist.

Die Abweisung der Klage erscheint aber gleichwohl gerechtfertigt, weil der Rechtsweg in dieser Sache für unzulässig zu erachten ist.

kann hier,

Dahingestellt bleiben

ob die Zulässigkeit des Rechtsweges anzunehmen sein würde, wenn

auf Entschädigung geklagt wäre.

Eine solche Klage ist nicht erhoben.

Geklagt

ist vielmehr auf Unterlassung einer vermeintlich die Rechte des Kl. beeinträch­ tigenden Handlung des Truppenkommandos, welche seitens des letzteren zum

Zwecke der militärischen Ausbildung der Truppen angeordnet ist.

Die Aus­

bildung der Truppen geschieht aber auf Grund des Militärhoheitsrechtes, und wenn in Ausübung dieses Rechtes Verletzungen des Privateigentumes vor­

kommen, so mag, was hier nicht zu entscheiden, unter Umständen eine Ent­ schädigungsklage zulässig sein, eine Klage auf Unterlassung dieser Handlung

ist aber nach § 36 der Verordn, v. 26. Dez. 1808 ausgeschlossen.

583. Immission unerträglichen Gestankes.

VI. 418/95 v. 16. 4.1896.

E. Bd. 37 Nr. 45 S. 172 (Bremen, Hamburg).

Die Verurteilung des Bekl. zu einem bestimmten Verhalten in Ansehung derjenigen Grundstücke, die er selbst inne hat, ist überhaupt unstatthaft.

Die

Kl. hat als Eigentümerin ihres Grundstückes nur ein Recht darauf, daß Bekl.

die unerträgliche Einwirkung auf dieses unterlasse; weiter reicht die negatorische Klage überhaupt nicht.

Daher ist auch das eventuelle Klagegesuch, Bekl. zur

völligen Unterlassung der Lagerung von Fäkalien zu verurteflen, formell nicht

zu rechtfertigen; wie Bekl. es anfangen möchte, die Bewirkung von unerträg­

lichem Gestanke auf dem Grundstücke der Kl. zu vermeiden, müßte unter allen Umständen zunächst ihm überlassen bleiben.

§ 26 Gew.O. hat für den Fall,

daß die benachteiligenden Einwirkungen auf das Nachbargrundstück von einer mit obrigkeitlicher Genehmigung errichteten gewerblichen Anlage (vgl. §§ 16,

24 Gew.O.) ausgehen, den Wirkungskreis der negatorischen Klage noch mehr eingeschränkt, aber damit nicht etwa seinerseits bewirkt, daß in solchen Fällen

jetzt der benachteiligte Nachbar jemals die Herstellung bestimmter jene Ein-

3. Abschn.

Tit. 4.

Ansprüche aus dem Eigentums.

§§ 985ff.

Wirkungen ausschließender Einrichtungen zu verlangen berechtigt wäre.

403 Wenn

dort vorgeschrieben ist, daß in solchen Fällen nicht auf Einstellung des Ge­

werbebetriebes geklagt werden könne, so ist damit einerseits gesagt, daß ein direkt auf solche Einstellung gerichteter Klagantrag in den Fällen des § 26 auch dort ausgeschlossen sein solle, wo er bis dahin zulässig war.

Andererseits und außerdem bedeutet jene Bestimmung in Verbindung mit der weiteren Vorschrift, wonach nur auf Herstellung von Einrichtungen, welche

die benachteiligende Einwirkung ansschließen, oder, wo solche Einrichtungen un­

tunlich oder mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes unvereinbar sein sollten,

auf Schadloshaltung geklagt werden kann, nur noch das, daß der

negatorisch Belangte seinerseits die Einrede vorschützen kann, es seien keine Einrichtungen tunlich und mit einem gehörigen Betriebe seines Gewerbes ver­ einbar, welche die im Klagantrage bezeichnete Einwirkung auf das Grundstück

des Kl. verhindern würden, und es sei daher die negatorische Klage hier über­

haupt ausgeschlossen, und bleibe nur eine Klage auf Schadloshaltung übrig. So auch Seuff. Bd. 38 Nr. 6, Bolze Bd. 11 Nr. 63, Bd. 12 Nr. 46, RG. Bd. 36 Nr. 42 S. 178 (nicht entgegen RG. Bd. 13 S. 57).

Aus dem Ausgeführten ergibt sich, daß Rev.Kl. freilich mit entschiedenem Unrechte gemeint hat, nach § 26 Gew.O. hätte Kl. im Klagantrage die von ihr verlangten Einrichtungen bestimmt bezeichnen müssen, daß er dagegen mit Recht event, geltend gemacht hat, dem allgemein gefaßten Anträge der Kl. hätte

das BG. event, auch nur mittels einer ebenso allgemein gefaßten Verurteilung entspreche»! dürfen ...

584. Immission von Rauch. III. 241/90 v. 13. 3.1891.

Gr. Bd. 35 S. 666 Nr. 29 (Kiel).

Es ist nicht Aufgabe des Kl. zur Begründung seiner Klage darzulegen, welche zur Beseitigung der schädlichen Immissionen geeignete und mit dem Be­

triebe der Fabrik vereinbarliche Einrichtungen getroffen werden können, und es

ist auch nicht Aufgabe des Richters, von Amtswegen bestimmte Vorschriften hierüber zu erteilen.

585. Genehmi-ungsbedürsttgr FruerungsAnlage. GewO. %% 16f„ 24 f. III. 186/97 v. 19. 11. 1897. E. Bd. 40 Nr. 49 S. 183 (Braunschweig). BG. geht davon aus, daß § 26 RGew.O. dem, an sich begründeten, An­ träge (auf Untersagung übermäßiger Immission von Ruß und Flugasche aus

den Schornsteinen der verkl. Zuckerraffinerie) nicht entgegenstehe. Zu den nach dem § 16 daselbst der Genehmigung bedürfenden Gewerbebetrieben gehöre die

Zuckerraffinerie nicht.

Zwar sei der Bekl. nach und nach die Anlegung und

der Betrieb von 23 Dampfkesseln genehmigt, auch bei mindestens

11

wegen

der zu befürchtenden Flugasche die Bedingung der Anlegung und regelmäßigen Reinigung großer Flugaschekammern gestellt.

Genehmigt seien aber nur die

26*

Dampfkessel, nicht die Heizungs- und Feuerungsanlagen,

und der Schutz des

§ 26 RGew.O. stehe nur den genehmigten Anlagen zu ... Die gegen diese

Entscheidung gerichtete Revision konnte keinen Erfolg haben.

Es ist davon auszugehen, daß es im allgemeinen keinen Unterschied macht,

ob die Immissionen infolge eines Gewerbebetriebes, oder anderer Vorrichtungen erfolgen.

Für das

gern. R.,

das

eine Klage auf Einstellung des Gewerbe­

betriebes nicht kennt, ist der § 26 nur dadurch von Bedeutung geworden, daß

in der jetzigen Fassung des Gesetzes nicht nur jene Klage beseitigt ist, sondern positiv nur Klagen auf Herstellung von schützenden Einrichtungen, event, auf Schadensersatz zugelassen, Klagen auf Unterlassung der Immission also aus­

geschlossen sind.

Jedenfalls ergibt aber die Fassung, daß der § 26 nur auf

die mit obrigkeitlicher Genehmigung errichteten, einer gewerbepolizeilichen Ge­ nehmigung bedürfenden Anlagen anwendbar ist.

Hierunter fallen zunächst die

im Z 16 genannten gewerblichen Anlagen, zu denen aber die Zuckerraffinerien

nicht gehören.

Der erk. S. hat jedoch schon wiederholt ausgesprochen,

daß

der § 26 sich auch auf die nach § 24 der gewerblichen Genehmigung bedürftige Anlegung und Betreibung von Dampfkesseln beziehe, ist auch im vorliegenden Falle auszugehen.

und von dieser Ansicht

Jni Gegensatze zu den Fällen des

§ 16, in denen die gesamte gewerbliche Anlage mit allem, was dazu gehört, der gewerbepolizeilichen Genehmigung bedarf, ist diese im § 24 ausdrücklich auf einen bestimmten Teil, die Dampfkessel, beschränkt, gegen deren besondere Ge­

fahren die Nachbarn geschützt werden sollen.

Die Gewerbebetriebe selbst werden,

falls sie an sich nicht genehmigungsbedürftig sind, es auch nicht dadurch, daß sie Dampfkessel benutzen wollen oder benutzen.

Daher hat der erk. S. bereits

am 4. Dez. 1894 (Rep. III. 203/94) ausgesprochen, daß der Schutz des 8 26

RGew.O. nur der genehmigten Dampfkesselanlage, nicht aber dem Betriebe der mit dieser Anlage verbundenen und ein Ganzes bildenden Dampf- und Dynamo­

maschine gewährt, mithin der gegen Belästigungen durch diese an sich zustehende Klaganspruch durch den 8 26 nicht eingeschränkt sei.

Der jetzt vorliegende Fall

unterscheidet sich allerdings dadurch, daß nicht die Verwendung des in

Dampfkesseln bereits erzeugten Dampfes für den Maschinenbetrieb

den

in Frage

steht, sondern der Betrieb der die Kessel speisenden Feuerungsanlage, ohne die eine Benutzung der angelegten und genehmigten Dampfkessel nicht möglich ist. Aber das praktische Resultat für den Gewerbebetrieb ist dasselbe, mag man

den

erzeugten Dampf nicht verwenden,

oder ihn

überhaupt nicht erzeugen

können, und entscheidend ist, daß die Feuerungsanlage, die in manchen Fällen schon vor der Anlegung der Dampfkessel bestanden haben mag, ihr Betrieb

und das Brennmaterial der Genehmigung nicht bedurften und nicht speziell

genehmigt sind.

Zwar ist die Genehmigung der Dampfkessel von der

An­

legung von Flugaschekammern und anderen Einrichtungen abhängig gemacht; aber gerade diese Form zeigt, daß für die Feuerungsanlage die Genehmigung

nicht nötig und nicht erteilt, sondern nur von den für sie gemachten Vor-

Z. Abschn. Tit.

Ansprüche aus dem Eigentums.

§§ 985ff.

405

schriften, wie es nach Abs. 2 des § 24 zulässig ist, die Genehmigung der Kessel Es kann nicht zweifelhaft sein, daß, wenn die vor­

abhängig gemacht war.

geschriebenen Aschekammern nicht eingerichtet würden, zwar nicht der Betrieb der Dampfkessel, wohl aber der Gewerbebetrieb im übrigen, falls er ohne diese

möglich ist, zulässig war.

Daran ändert endlich auch nichts die Bestimmung

des § 24, daß die für die Genehmigung zuständige Gewerbebehörde die Zulässig­

keit der Anlage zugleich nach den bestehenden bau-, feuer- und gesundheits­

polizeilichen Vorschriften zu prüfen hat.

vorschriften unterliegt,

wie jede andere,

sonstigen Polizei­

Diesen und den

so

auch jede

gewerbliche

und

jede

Feuerungsanlage; mit der gewerbepolizeilichen Genehmigung hat dies an sich

nichts zu tun.

Daß die Prüfung hier der Gewerbebehörde zugewiesen ist,

erklärt sich, ebenso wie im § 18, daraus, daß eine solchen Vorschriften wider­ sprechende Anlage überhaupt nicht genehmigt werden darf, und daß eine gleich­ zeitige Würdigung aller polizeilichen Gesichtspunkte bei Prüfung des Gesuches

aus praktischen Gründen dringend wünschenswert ist.

In demselben Sinne hat sich auch der bay. Verwalt.-G.Hof am

7. Dez.

1880 (Entsch. Bd. 2 Nr. 55 S. 291), ausgesprochen.

Schadensersatz. 588. III. 118/83 v. 9. 10. 1883.

Subjektives Verschulden.

E. Bd. 10 Nr. 41 S. 142 (Altona, Kiel).

Ob es richtig ist, daß mit der negatorischen Klage nur dann Schadens­ ersatz gefordert werden darf, wenn der widerrechtliche Eingriff in das Eigentum auf einem Verschulden beruht, kann unerörtert bleiben, da die negatorische Klage eine Handlung voraussetzt, bei der sich der Handelnde des Eingriffes in fremdes Eigentum bewußt werden kann und muß, es sich hier aber um die Einwirkung einer unabsichtlich eingetretenen Explosion handelt.

587. 388/97 v. I I. 5. 1898. IW. 1898 S. 401 Nr. 50.

Vgl. § 823.

Es kann sich nur fragen, ob Bekl. für den Schaden verantwortlich ist,

der dadurch entstanden ist, daß während seiner Besitzzeit der rechtswidrige Zu­

stand, der Anlaß zur Klage gegeben hat, bestanden hat. weiteres bejaht.

I hat dies ohne

Es ist hierbei aber übersehen, daß wie bei der Negatorienklage

(Gr., Bd. 32 S. 890) so auch bei der konfessorischen Klage (Gr., Bd. 27 S. 893)

der

Anspruch

auf

Schadensersatz gemäß

den

allgemeinen

Vor­

schriften über Schadensersatz durch eine Verschuldung desjenigen, der einem

fremden dinglichen Recht zuwider gehandelt hat, bedingt ist.

Die Frage ist

hiernach dahin zu stellen, ob Bekl. dadurch ein vertretbares Verschulden be­

gangen hat, daß er die bei seinem Erwerb auf dem belasteten Grundstück vor­ gefundenen Baulichkeiten hat weiter bestehen lassen.

Diese Frage ist zu ver­

neinen, da er nach Lage der Umstände, namentlich da sie schon seit 12 Jahren bestanden hatten, wohl annehmen durfte, daß Kl. seine Genehmigung hierzu

erteilt habe (vgl. Dernburg, 5. Ausl., Bd. I S. 612/613, Note 14.

Seine

Gutgläubigkeit ist aber durch die Aufforderung des Kl. zur Entfernung der

Es war nunmehr seine Pflicht, diese alsbald abzubrechen.

Gebäude beseitigt.

588. I. 705/81 v. 29. 3. 1881. E. Bd. 6 Nr. 61 S. 217. Seuff. Bd. 38 Nr. 7 S. 11 (Frankfurt a. M.).

Die Verurteilung zum Schadensersätze entspricht den Gesetzen, soweit sie sich auf die Zeit seit der Klagerhebung bezieht, welche nach CPO. in dieser

Beziehung an die Stelle der Litiskontestation getreten ist.

Daß der mit der Negatoria Belangte soweit auf das Interesse des Kl. zu verurteilen ist, rechtfertigt sich für die Zeit nach dem Urteile damit, daß

der Bell, dem Urteile nicht Genüge leistet, für die Zeit des Prozesses ent­

spricht es dem allgemeinen Grundsätze, daß der siegreiche Kl. durch das Urteil dasjenige erhalten soll, was er gehabt haben würde, wenn im Augenblicke der

Litiskontestation das Urteil hätte erfolgen können.

Der Prozeß geht insoweit,

als dieser Grundsatz durchgeführt ist, auf Gefahr des Bekl.

Dagegen darf nicht mit der Negatoria schlechthin, auch für die Zeit vor­ der Klagerhebung das Interesse des Kl., welches er daran hatte, daß sein

Eigentum nicht verletzt wurde,

gefordert werden;

gemeinen Rechtsprinzipien widersprechen.

denn es würde dies all­

Die Negatoria ist auch da begründet,

wo das Eigentum durch ein lediglich objektives Unrecht verletzt wird.

Der

Umstand aber, daß jemand durch seine Handlung objektiv ein fremdes Recht verletzt, begründet wohl einen Anspruch auf Beseitigung des Fortbestandes dieses objektiv widerrechtlichen Verhaltens, er reicht aber nicht aus, um eine Ver­

pflichtung des Urhebers jener Verletzung zum Schadensersätze zu begründen —

Jhering, Das Schuldmoment S. 6 ff. —, es muß dazu ein weiterer Rechts­ grund hinzutreten, sei es eine subjektive Verschuldung des Schadensstifters, sei

es ein Vertrag etwa des Inhaltes, daß die von ihm beabsichtigte Handlung auf seine Gefahr gehe, sei es ein anderer Grund, welcher diesen Übergang der

Gefahr auf den Handelnden rechtfertigt u. bergt Nun wird sich in vielen Fällen, wenn gegen den Urheber der Verletzung negatorisch geklagt wird, das Moment der Verschuldung aus der Erzählung

des tatsächlichen Vorganges ergeben, durch welche die Verletzung begründet ist, so daß beim Mangel der Darlegung entschuldigender Momente die bewußte oder

fahrlässige Rechtswidrigkeit ohne weiteres festzustellen ist.

Allein im vorliegen­

den Falle handelt es sich um die bisher sehr bestrittene Frage, wieweit der Grundeigentümer gegen den Nachbar wegen eines Lärm und Erschütterung er­

zeugenden Gewerbebetriebes den Anspruch auf Abänderung der entsprechenden

Vorrichtungen hat.

In dem landgerichtlichen Urteile ist bezeugt, daß dieselbe

in Franffurt a. M. früher konstant verneinend entschieden worden ist; dazu

kommt, daß der Bekl. die Konzession zu seiner Anlage mit Genehmigung der

Kl. erhalten hat.

Unter solchen Umständen läßt sich daraus, daß, wie nunmehr

Ansprüche aus dem Eigentums.

3. Abschn. Tit. 4.

§§ 985ff.

407

in diesem Prozesse erkannt ist, die Anlage des Bell, objektiv das Recht der Kl. verletzt, nicht ohne weiteres ableiten, daß die Verletzung auch dem Bekl. als Schuld anzurechnen sei.

Andere Tatsachen, aus welchen sich die Haftung

des Bekl. für den Schadensersatz ergeben könnte, sind nicht behauptet. 589. Urteilssassung.

III. 186/97 v. 19. 11. 1897. Vgl. bei §§ 906 ff.

E. Bd. 40 Nr 49 S. 183 (Braunschweig).

Zunächst ist der Eigentümer nicht verpflichtet, das Eindringen übermäßiger belästigender Immissionen,

namentlich auch von Ruß und Flugasche, aus den

Nachbargrundstücken zu dulden; er kann mit der Negatorienklage aus die Unter­ lassung übermäßiger Immissionen klagen, und der Richter kann in dieser Fassung

verurteilen,

wie der Revision zuzugeben ist, eine große Un­

obgleich darin,

bestimmtheit liegt.

Diese im Urteile zu beseitigen, ist jedoch nicht möglich; denn

die Unbestimmtheit liegt nicht allein darin, daß je nach dem Zusammenwohnen der Menschen und den in den verschiedenen Ortschaften vorherrschenden Be­

schäftigungen, je nachdem ein landwirtschaftlicher, oder ein industrieller Bezirk in Frage steht, das Maß der nach Billigkeit zu ertragenden und andererseits der übermäßigen Belästigungen ein verschiedenes sein wird, sondern durch Worte

ist im voraus eine feste Begrenzung in der Urteilssormel überhaupt nicht zu

geben.

Vielmehr

wird

stets

einzelnen Fällen,

also

in

nur in den in der Zukunft etwa eintretenden

der Zwangsvollstreckung,

geprüft

und entschieden

werden können, ob die konkrete Belästigung als eine übermäßige im Sinne des

erlassenen Urteiles anzusehen ist. Verpflichtung zur Duldung (§ 1004 Ms. 2).

590. V. 59/91 v. 9. 5. 1891.

IW. 1891 S. 396 Nr. 35.

Vgl. Art. 124 EG.

Für den negatorischen Anspruch aus der Immission ist es gleichgültig, ob die Fenster mit oder ohne Einwilligung angelegt sind.

Da die Fenster (sowohl

nach § 137 Tl. 1 Tit. 8 des ALR. als auch beiläufig nach § 1 Tit. IV der Berliner Observanzen) bestimmt sind, Licht und Luft zu gewähren, so wird der

Nachbar, der sich dieselben auf Grund des Gesetzes oder über das Maß des

Gesetzes hinaus gefallen läßt, dadurch nicht verpflichtet, sich die Immissionen gefallen zu lassen,

die ihren Weg durch jene Fenster nehmen, insbesondere

nicht gehindert, solche Maßregeln zum Schutz gegen die Immissionen zu erwirken,

wie sie der BR. angeordnet hat. 591. in. 18/90 v. 22. 4. 1890.

Hatte der Bekl. das

IW. 1890 S. 182 Nr. 18. an

sein Wohnhaus angrenzende Grundstück zum

Zwecke einer gewerblichen Anlage verkauft, welche die Errichtung eines Dampf­

hammers regelmäßig

mit sich bringt, so mochte daraus seine Verpflichtung

hergeleitet werden, sich diejenigen Unannehmlichkeiten gefallen zu lassen, welche

ein solcher Geschäftsbetrieb für bewohnte Nachbargrundstücke zur unvermeidlichen Folge hat.

Keinesfalls ist aber aus dem ihm bekannten Zwecke des Ankaufes

seines bisherigen Grundstücks seine Einwilligung dazu herzuleiten, daß dort ein Dampfhammer von

derartiger Konstruktion und

in so

unmittelbarer Nähe

seines Wohngebäudes erbaut werde, daß letzteres durch dessen Betrieb in seiner Substanz geschädigt, und die Möglichkeit angemessener Vermietung infolge fort­ gesetzter heftiger Erschütterungen ausgeschlossen werde.

Hier handelt es sich um

eine gegen den Widerspruch des Kl. mit obrigkeitlicher Genehmigung erfolgte

neue Anlage eines Dampfhammers seitens des Bekl., welche für den Kl. die gedachten nachteiligen Folgen herbeigeführt hat, und ist dagegen die erhobene

negatorische Klage innerhalb der gesetzlichen Grenzen des § 26 StrPO. mit

Recht gerichtet und als begründet anerkannt. 592. Eigentumsbeweis bei Besitz eines Sparkaffenbuches (§ 1006).

IV. 240/96 v. 28. 1. 1897. IW. 1897 S. 176 Nr. 39. Da das Sparkassenbuch unstreitig auf den Namen der Frau T., der Erb­

lasserin der Bekl. geschrieben war, sich auch zur Zeit des Todes der Frau T.

in deren Nachlaß befunden hat, so geht das BG. unter Bezugnahme auf die (sich aus den §§ 18, 179 des ALR. Tl. I Tit. 7 ergebende) Vermutung für

die Redlichkeit und Rechtmäßigkeit des Besitzes mit Recht davon aus, daß die Kl. das Eigentumsrecht ihres Erblassers, des Ehemannes T., an dem Spar­

kassenbuch zu beweisen haben.

Dieser Auffassung steht auch nicht das reichsgerichtl.

U. E. Bd. 11 S. 241 (s. o.) entgegen.

Denn wenn

daselbst ausgeführt ist,

es sei für die Eigentumsfrage der Umstand, daß ein Sparkassenbuch auf den Namen eines anderen geschrieben worden, als desjenigen, welcher die darin

verbrieften Einzahlungen geleistet hat, an sich nicht entscheidend, so befindet sich

hiermit, ganz abgesehen von der Verschiedenheit des damals entschiedenen gemein­ rechtlichen Falles, die Annahme des BG. nicht in Widerspruch.

Dasselbe er­

achtet es an sich nicht für ausgeschlossen, daß das Sparkassenbuch, obgleich es

auf den Namen der Ehefrau T. geschrieben war, dennoch dem Ehemann T. bis zu seinem Tode gehörte, es regelt vielmehr nur die Beweislast, und zwar

nach Lage der Umstände mit Recht, dahin, daß diese den Kl. obliege.

Titel 5.

Miteigentum (§§ 1008 ff.). Vgl. Nr. 536.

593. Confessoria von Miteigentümern (§ 1011).

V. 148/85 v. 18. 11. 1885.

IW. 1886 S. 25 Nr. 62.

Den Miteigentümern eines Grundstückes ist es gestattet, das einem jeden

von ihnen zustehende Recht auf Benutzung einer mit dem Grundstücke ver­

bundenen Servitut als Sonderrecht ohne Zuziehung der anderen Miteigentümer konfessorisch geltend zu machen.

4. Abschnitt. Erbbaurecht (§§ 1012 ff.). 594. Erbbaurecht auf beliebigen Widerruf.

III. 358/97 v. 18. 3. 1898.

Senfs. 53 Nr. 216 (Thür. S.t

Die Rev. bestreitet wegen des Widerrufsrechtes das Vorhandensein eines dinglichen (Erbbau-) Rechtes.

Die Frage, ob der Eigentümer ein dingliches

Recht habe begründen wollen, entscheide sich allein danach, ob er sich in einer

ihn selbst und jeden späteren Eigentümer bindenden Weise der Einwirkung auf das begründete Recht habe entschlagen wollen; wie eine Grnndgerechtigkeit, die jederzeit durch den Willen des Eigentümers des belasteten Grundstücks wider­

rufen werden könnte, ein rechtliches Unding sein würde, so sei auch ein superfiziarisches Recht an einem Gebäude, dessen Niederlegung der Eigentümer der

Grundstücke jederzeit ohne Entschädigung verlangen könne, rechtlich nicht möglich. Diesen Erwägungen

kann nicht beigetreten werden.

Der Vergleich mit der

Prädialservitut spricht nicht für sondern gegen die Rev.

Ursprünglich waren

allerdings bei Prädialservituten weder Zeitbestimmungen noch Befristungen zu­ gelassen, weil die Servitut bestimmt war, den Interessen eines anderen Grund­ stücks dauernd zu dienen; das spätere r. R. hat aber nach fr. 4 pr. de serv. 8. 1. solche Überbestimmungen und selbst die Klausel quamdiu volam zugelassen.

Ist nun in der Doktrin einstimmig anerkannt, daß eine superficies unter Befristung und auflösender Bedingung begründet werden kann, so fehlt es an einem ausreichenden Grunde, der Überbestimmung quamdiu volam die Geltung

zu versagen oder wegen dieser Bestimmung dem Rechtsverhältnisse die Dinglich­ keit abzusprechen. oder

Entscheidend kaun immer nur der Wille der Kontrahenten

des Testators sein.

Ist dieser auf Begründung

dinglichen) und ver­

erblichen und veräußerlichen Rechts, auf eigentumsgleiche Benutzung eines aus

fremdem Boden stehenden Gebäudes gerichtet, so kann dem Umstande, daß der Eigentümer den Widerruf Vorbehalten hat, nicht die Bedeutung beigemessen werden, daß dadurch das gewollte Recht nicht zustande komme und die Ver­

leihung

trotz

des

entgegenstehenden

Willens der

Kontrahenten

oder

des

Testators nur als precarium bestehe.

5. Abschnitt. Dienstbarkeiten. Titel 1: Grunddienstbarkeiten (§§ 1018 ff.). 595. Nenrini res sna servil. V. 266/83 v. 6. 12. 1883.

IW. 1884 S. 61 Nr. 63.

Vgl. aber Nr. 521.

Der Eigentümer zweier Grundstücke kann für das eine Grundstück auf

dem andern eine Servitut bestellen, wenn auch nur mit der Wirkung, daß

dieselbe erst mit der Aufhebung der Personalunion ins Leben tritt, und den

das verpflichtete Grundstück mit der Belastung

erwerbenden Besitzer ihrem

Inhalte gemäß verbindet, vgl. Strieth. A. 39 S. 288.

596. V. 334/84 v. 15. 4. 1885. IW. 1885 S. 198 Nr. 25.

Man muß davon ausgehen, daß der Eigentümer zweier Grundstücke, wenn

er das eine in der Weise nützt, daß es den Zwecken des andern dient, nur das Wenn jedoch in solchem

ihm als Eigentümer zustehende Gebrauchsrecht ausübt.

Falle das dienende Grundstück in andere Hände übergeht, so nimmt die kon­ stante Judikatur sowohl des gern, als des preuß. Rechts an, daß es eines neuen Akts behufs der Begr. einer Grundgercchtigkeit nicht bedarf, sofern der

Veräußerer und der Erwerber gewollt haben, daß die bisherige Benutzungsart Das früher tatsächliche Ver­

des dienenden Grundstücks fortbestehen sollte.

hältnis verwandelt sich alsdann in ein rechtliches, der Gebrauch des Eigen­ tümers geht in eine Grundgerechtigkeit über.

Einer besonderen Manifestierung

des Willens bei dem Vertragsschluß (bezügl. der Subhastation) bedarf es nicht.

War der Wille des Eigentümers beider Grundstücke,

daß die Parzelle des

Kl. zu Gunsten des Brauereigrundstücks die Röhrenleitung aufnehmen sollte, schon früher gefaßt und betätigt, und war eine Änderung bis zu der

Veräußerung (Subhastation) hierin nicht eingetreten, so ging das Grundstück

des

Kl.

mit

worfen war,

derjenigen

Beschränkung, welcher

es

bisher

tatsächlich unter­

nunmehr als Grundgerechtigkeit belastet in das Eigentum des

Kl. oder seines Vorbesitzers über.

Ob dem Erwerber desselben die Einrichtungen

zur Ausübung der Gerechtigkeit speziell bekannt waren, erscheint ohne Bedeutung.

Er erwarb es

mit

aus der

den

bisherigen

Benutzungsart folgenden Be­

schränkungen. 597. V. 5/88 v. 14. 3.1888.

IW. 1888 S. 190 Nr. 43.

Der BR. geht von der richtigen Rechtsanschauung aus, daß im Zweifel eine Grundgerechtigkeit auch schon dann als bewilligt gilt, wenn ein Grundstück so veräußert wird, wie es besessen und benutzt wurde, falls der Veräußerer

bisher zu dessen Bewirtschaftung ein zweites ihm gehöriges Grundstück namentlich mittels dauernder Anlagen in Anspruch genommen hatte.

(Dernburg, Bd. 4

S. 755 4. Ausl.; vgl. Entsch. des RG. Bd. 13 S. 251.) 598. V. 278/90 v. 25. 2.1891.

IW. 1891 S. 213 Nr. 49.

Das RG. hat (U. v. 15. April 1885, Entsch. Bd. 13 S. 249) folgende

Sätze ausgesprochen: Der Eigentümer zweier Grundstücke übt nur das ihm als

Eigentümer zustehende Gebrauchsrecht aus, wenn er das eine in der Weise nutzt, daß es den Zwecken des anderen dient.

Wenn jedoch in solchem Falle

das dienende Grundstück in andere Hände übergeht, so bedarf es eines neuen

Aktes behufs Begr. einer Grundgerechtigkeit nicht, sofern der Veräußerer und der Erwerber gewollt haben, daß die bisherige Benutzungsart des dienenden

Grundstücks fortbestehen sollte.

Das früher tatsächliche Verhältnis verwandelt

sich alsdann in ein rechtliches, der Gebrauch des Eigentümers geht in eine Grundgerechtigkeit über.

Einer besonderen Manifestierung des Willens beim

5. Abschn. Tit. V

Grunddienstbarkeiten.

§§ (0(8 ff.

Vertragsschlusse bezw. der Subhastation bedarf es nicht.

411

War der Wille des

Eigentümers beider Grundstücke, daß das eine derselben dem andern in be­ stimmter Weise dienen sollte, schon früher gefaßt und betätigt, und war eine Änderung bis zur Subhastation hierin nicht eingetreten, so geht das subhastierte

Grundstück mit derjenigen Beschränkung, welcher es bisher tatsächlich unter­ worfen war, nunmehr als mit einer Grundgerechtigkeit belastet in das Eigentum

des Erstehers über.

Ob dem letzteren die Einrichtungen zur Ausübung der

Gerechtigkeit speziell bekannt waren, erscheint ohne Bedeutung.

Er erwirbt das

Grundstück mit den aus der bisherigen Benutzungsart folgenden Beschränkungen.

... Das RG. findet umsoweniger Veranlassung, von jener Entscheidung wieder abzugehen, als es damit keineswegs einen Schritt weiter gegangen ist, als das

preuß. OTrib., sondern lediglich die von letzterem für freiwillige Verkäufe ge­ fundenen Sätze auf die Zwangsversteigerung übertragen hat, als aber diese Übertragung auch im Interesse der Sicherheit des Verkehrs geboten erscheint.

599. Rachbarschaftserfordernis. III. v. 3. 3.1882.

Seuff. Bd. 37 Nr. 296 S. 405 (Kassel).

BG. hat den Schafhaltern der kl. Gemeinde das Recht zugesprochen, ihre

Schafe zum Zweck der Wüsche in den Hirschhagener Teichen über die Grund­ stücke des Bekl. zu treiben.

Nach den vorliegenden lokalen Verhältnissen ist

die Ausübung dieses Rechts nicht möglich, ohne das in Mitte liegende Stück c

des Forstorts Steinbach in Anspruch zu nehmen; ein Servitutenrechl auf dieses letztere Grundstück ist aber von Kl. in dem gegenwärtigen Prozeß nicht recht­ zeitig geltend gemacht.

Nichtsdestoweniger hat BG. nicht gegen die für Grund­

dienstbarkeiten maßgebenden Rechtssätze verstoßen, indem er den Anspruch der

Kl. in demjenigen Umfange, in welchem er zur Zeit erhoben ist, als ein durch

Verjährung erworbenes Recht anerkannte.

Das Erfordernis der sog. Vicinitüt

bei Prädialservituten ist kein absolutes, kein derartiges, daß ein unmittelbares Nebeneinanderliegen oder ein fortgesetztes privatrechtliches Durchgangsrecht vor­

auszusetzen wäre; es genügt, wenn solche räumliche Verhältnisse bestehen, daß

das eine Grundstück zu Gunsten des anderen benutzt werden kann, wenn also nicht zur Zeit des gerichtlichen Erkenntnisses über die Servitut die Beschaffenheit

des zwischenliegenden Grundstücks eine Unmöglichkeit ihrer Ausübung begründet.

600. Bestimmung des Umfangs. I. v. 24. 3. 1880.

Seuff. Bd. 36 Nr. 13 S. 20 (Bremen, Hamburg).

Es handelt sich nicht um eine der Bekl. persönlich eingeräumte Berechtigung, sondern um eine Realservitut, nämlich um die dem zur Zeit der Bekl. gehörigen Grundstück Nr. 210b gegenüber dem kl. Grundstück Nr. 210a zustehende Durch­

fahrtsgerechtigkeit.

Maßgebend für den Inhalt und den Umfang dieser Ge­

rechtigkeit ist daher nach bestimmten Rechtsgrundsätzen nicht etwa das lediglich

persönliche Interesse des jedesmaligen Eigentümers des herrschenden Grundstücks,

sondern vielmehr das Bedürfnis des letzteren, d. h. seines Eigentümers als solchen, nicht auch als Eigentümers anderer Grundstücke oder wegen sonstiger

persönlicher Verhältnisse. Geht nun hiernach die auf dem Grundstück Nr. 210 a ruhende Servitut

nicht über das sich aus dem Bedürfnis des herrschenden Grundstücks Nr. 210b ergebende Maß hinaus, so wird dieses Bedürfnis allerdings ein verschiedenes

sein, je nachdem man das Grundstück Nr. 210b als ein für sich bestehendes

selbständiges Ganzes oder als bloßes Zubehör eines andern Grundstücks oder als Bestandteil eines größeren Grundstücks betrachtet.

Es wäre also an sich

rechtlich möglich, daß bei Bestellung der Servitut der Wille der Beteiligten

auch, ja vielleicht vorzugsweise, dahin gegangen sei, indirekt dem anstoßenden Grundstück Nr. 204 den Vorteil einer Fahrverbindung mit der Osterstraße über

die Grundstücke Nr. 210b und Nr. 210a zu verschaffen, d. h. das Interesse

des Grundstücks Nr. 204 mit dem Interesse

des

herrschenden

Grundstücks

Nr. 210b zu identifizieren und den Inhalt sowie das Maß der Ausübung der Servitut demgemäß stillschweigend zu erweitern. Dies als gewollt anzunehmen genügen aber die Örtlichkeit und die sonstigen Umstände keineswegs.

601. Realgewerbelast zu Gunsten des Fiskus. Gastwirtschastsbetrieb. V. 293/98 v. 18. 2. 1891.

Seusf. Sb. 54 Nr. 171 (Landr. ©.).

Vgl. Nr. 101 ff. u. § 1090. Aus dem Grundstück des Bekl. ist die von feinem Vorbesitzer übernommene Verpflichtung

eingetragen, „daß bet Eigentümer in dem Hause Gast- ober Schaukwirtschasl nur mit Ge­ nehmigung des Kgl. Bergsiskus betreiben bars".

Bergfiskus klagt aus Untersagung von Zu-

wiberhanblungen re.; Bekl. wendet ein, die eingetragene Belastung sei nach §§ 1, 10 Gew.O. ungültig, da sie nicht bloß auf seinem Grundstück, sondern noch aus 49 anderen Grundstücken derselben Gemeinde haste und einen unzulässigen Eingriff in die Jndividualsreiheit darstelle. Der Einwand ist in allen Jnstauze» verworfen. A. d. Gr.:

Rev. rügt, daß BG. es unterlassen habe, die Einwendung des Bekl. unter

dem in den U. v. 14., 17. 12. 1897 IW. 1898 S. 77, 78 Nr. 41, 42 zur Geltung gebrachten Gesichtspunkte zu prüfen, daß die durch die streitige Be­

lastung herbeigeführte Beschränkung der

wirtschaftlichen

Tätigkeit dergestalt,

namentlich nach Zeit und Ort übermäßig sei, daß durch sie die Erwerbsfreiheit des Belasteten

als

aufgehoben

angesehen werden

muß.

Der Angriff

geht

fehl... die Erwägung, daß das räumliche Gebiet, auf welches sich das Unter­ sagungsrecht des Kl. erstreckt, ein verhältnismäßig kleines sei und daß daher für die Entfaltung

erwerbender Tätigkeit burd) Ausübung der Gast- und

Schankwirtschast dem Bekl. genügender Spielraum verbleibe, erscheint völlig

ausreichend, zumal da es sich um eine Beschränkung der Gewerbebetriebsfreiheit handelt, der nicht wie bei den kaufm. Konkurrenzverboten eine bestimmte Person als solche unterworfen ist, die sich vielmehr an den Besitz eines Grundstücks

knüpft.

Daß aber jemand unter Umständen ein sehr berechtigtes Interesse

daran haben kann, von einem bestimmten Grundstück einen

bestimmten Ge-

5. Abschn.

Tit. (.

§§ (0(8 ff.

Grunddienstbarkeiten.

413

Werbebetrieb fern zu halten, liegt ebenso auf der Hand, wie, daß eine zum Schutz eines solchen Interesses getroffene Vereinbarung nicht in das Prinzip

der Gewerbefreiheit eingreift, da sie das Recht des anderen Kontrahenten, außer­ halb seines Grundstücks tätig zu sein, völlig unberührt läßt. 602. Zu Gunsten ganzer Territorien.

III. 638/80 v. 23. 11. 1880. (Gotha, Jena). Vgl. § 1105.

E. Bd. 4 Nr. 38 S. >31.

Seuff. Bd. 37 Nr. 9 S. 14

Was sodann die Verpflichtung zur Übernahme einer Röhrenleitung auf das erkaufte Areal anlangt, so wird durch den Vertrag allerdings ein bestimmtes einzelnes Grundstück des Kl. nicht bezeichnet, zu dessen Gunsten die Leitung

dienen soll, vielmehr als Ziel nur im allgemeinen der Ort Elgersburg an­

gegeben.

Dies muß indessen zur Begründung einer Servitut genügen.

Denn

wie das deutsche Recht überhaupt die Möglichkeit zur Bestellung von länd­ lichen Grunddienstbarkeiten mit mannigfaltigerem Inhalt und in weiterem Um­ fang anerkennt als das r. R., so hat es namentlich nicht schlechthin festgehalten

an dem Erfordernis, daß die Dienstbarkeit lediglich zum Nutzen eines bestimmten

einzelnen Grundstückes bestellt werden könne, läßt sie vielmehr in mannigfachen Anwendungen

(namentlich

bei Beholzigungsrechten, Weide-

und Hutgerecht­

samen rc.) auch zu Gunsten ganzer territorialer oder personaler Kreise zu, wofern nur das durch die Servitut zu befriedigende Bedürfnis könkret begrenzt ist und den Charakter der Dauer (perpetua causa)

trägt.

Von diesem Ge­

sichtspunkt aus ist auch dem Abkommen, welches hier in Frage steht, die recht­

liche Anerkennung nicht zu versagen. 603. Zu Gunsten einer Stadtgemeinde.

III. 299/90 v. 20. 3. 1891.

IW. 1891 S. 254 Nr. 27 (Celle).

Nach den Feststellungen des BG. wurde durch den in das Grundbuch ein­ getragenen Revers vom 8. März 1876 dem zu stimmenden Magistrat der Stadt Hannover eine Servitut des Inhalts bestellt, daß jedermann den fraglichen Weg benutzen könne, jedoch nur zum Zweck des Zuganges von der Joseph­ straße ab zu den betreffenden Grundstücken der Mitkontrahenten, insbesondere

nicht, um auf diesem Wege zu dem Grundstücke Langelaube 12 zu gelangen,

daß die Bestellung einer solchen Servitut zulässig, ist bereits vom III. CS.

(U. v. 6. Okt. 1885, Entsch. Bd. 15 S. 214/) auf dessen Ausführungen lediglich verwiesen werden kann, ausgesprochen. 604. Z« Gunsten einet Eisenbahn. VI. 356/95 v. 24. 2.1896. Gr. Bd. 40 S. 40 S. 1006 Nr. 89 (Berlin). Bgl. Art. 105 ff., Gew.U. § 26.

Kl. (der auf Ersatz von Brandschaden infolge von Funkenauswurf einer

vorbeifahrenden Lokomotive klagt) hat für sich und seine Besitznachfolger gegen*) Das Citat ist unzutreffend!

die Verpflichtung übernommen, sich die Be­

über dem bekl. Eisenbahnfiskus

lästigung und Gefährdung durch den Funkenauswurf aus den vorbeifahrenden Lokomotiven und

gefallen

Gefährdungen

lassen.

zu

enthalten

Danach

mehr

nicht

einen

stücke bestehenden Eigentumsrechte.

Eingriff in

derartige Belästigungen

die an dem kl. Grund­

Es ist nicht abzusehen, weshalb eine der­

artige Verpflichtung nicht als Grundgerechtigkeit oder Servitut für ein Grund­ stück sollte konstituiert werden können.

herrschenden Grundstück.

Rev. meint, es fehle hier an einem

Das herrschende Grundstück ist der Eisenbahnkörper.

Hiergegen wird eingewandt, Bekl. habe sich die Rechte in der Vereinbarung der Parteien für den Eisenbahnbetrieb und nicht für das Eisenbahnplanum ein­ räumen lassen.

Allein es steht der Bestellung einer Grundgerechtigkeit oder

Servitut für den auf einem andern Grundstücke stattfindenden Gewerbebetrieb

ein rechtliches Hindernis nicht entgegen; auch in einem solchen Falle gereicht die Gerechtigkeit zum Nutzen des herrschenden Grundstücks.

Hier ist die Grund­

gerechtigkeit oder Servitut für den Eisenbahnbetrieb bestellt, welcher auf dem in der Nähe des klägerischen Gehöfts liegenden Eisenbahnplanum stattfindet. Die Nutzbarkeit dieses Eisenbahnplanums wird dadurch erhöht.

Dasselbe ist

also, soweit es sich um die Grundgerechtigkeit handelt,

als das herrschende

Grundstück in Verhältnis zu den klägerischen anzusehen.

Kl. hätte allerdings

auf die Beseitigung der mit dem Eisenbahnbetrieb verbundenen Eingriffe in

klagen können.

seine Eigentumsrechte

nicht

aus

Grunde

warum

diesem

die Bestellung

Allein es ist nicht

einer

einzusehen,

Grundgerechtigkeit

aus­

geschlossen sein könnte, nach welcher diese Eingriffe den rechtswidrigen Charakter verlieren, den sie insoweit haben, als

dadurch Privatrechte verletzt werden.

Die praktische Bedeutung der Grundgerechtigkeit besteht dann in dem Verzicht auf Ersatz

des durch

die

Einwirkungen

des

Eisenbahnbetriebs

entstehenden

Schadens.

605. Waldservitute« und Forstkultur. III. 12/93 v. 21. 4.1893. E. Bd. 31 Nr. 37 S. 178 (Darmstadt). Vgl. Art. 55 EG. BG. geht davon aus, daß alle an Waldungen bestehenden Dienstbarkeiten

in ihrer Ausübung den Forstordnungen und der Forsthoheit unterworfen seien,

daß sich der Berechtigte zwar forstwirtschaftlich und forstpolizeilich notwendige

Beschränkungen gefallen lassen müsse, daß dagegen willkürliche auf dauernde Entziehung der Gerechtsame abzielende Maßregeln ausgeschlossen seien, und daß bei der

Entscheidung

über

die

Zulässigkeit

etwaiger

Einschränkungen

der

Nutzungsbefugnisse des Servitutberechtigten nicht das Belieben des Waldeigen­ tümers ausschlaggebend sei.

führung,

daß bei

Hiergegen wendet sich die Revision mit der Aus­

Kollisionen

zwischen Waldservituten und

Forstkultur die

Befugnisse des Waldeigentümers denjenigen des Servitutberechtigten vorgingen,

daß es mindestens dem billigen Ermessen des ersteren anheimgestellt bleiben müsse, die Art der Ausübung der servitutischen Rechte nach der Leistungs-

fähigkeit des belasteten Waldes zu regeln und als zweckmäßig erkannte Betriebs­

änderungen vorzunehmen. Dieser Angriff ist nicht begründet.

Vom Standpunkte des (gemeinen deutschen Privatrechts) sBGB.j aus ist

der Waldeigentümer durch das Bestehen eines Beholzungsrechtes an der Vor­ nahme zweckmäßiger Forstkulturen nicht gehindert, sofern diese zur Erhaltung

des Waldes dienen.

Es liegt in der Natur der Sache und ergibt sich aus

Gründen des öffentlichen Wohles, daß das Waldeigentum wirtschaftlich behandelt werden muß.

Deshalb ist jede auf dem Walde haftende Dienstbarkeit solchen

Einschränkungen unterworfen, welche einerseits mit der Ausübung der Servitut

verträglich sind und andererseits dem Waldeigentümer einen billigen Nutzen

belassen.

Entsteht aber Streit über die Grenzen der beiderseitigen Befugnisse,

so kann deren Ausgleichung nicht dem Ermessen des Waldeigentümers anheim­

gestellt werden; es hat vielmehr

hierüber in der nämlichen Weise, wie hin­

sichtlich anderer Privatrechte, der Richter zu befinden.

Wenn die Rev. darauf

hinweist, daß dem Waldeigentümer mindestens die Befugnis zugestanden werden

müsse, den Nutzungsberechtigten wegen der Einhegung der streitigen Wald­ distrikte durch Öffnung anderer gleichartiger schadlos zu halten, BG. daher mit

Unrecht der hierauf gestützten Einrede des Bekl. Beachtung versagt habe, so ist

auch dieser Ausführung nicht beizutreten.

Da der ganze Waldkomplex des

Forstrevieres S. servitutpflichtig ist, so braucht sich die klagende Gemeinde

keine Entziehung einzelner Teile desselben gefallen zu lassen, sobald die Voraus­ setzungen zur Ausübung ihres Rechtsbesitzes überhaupt gegeben sind. 606. Kellerrecht.

m. 406/81 v. 17. 3.1881.

E. Bd. 4 Nr. 40 S. 135.

Vgl. EG. Art. 115, 124.

Der RevKl. hat ohne Grund bestritten, daß das sogenannte Kellerrecht

überhaupt der Inhalt einer städtischen Prädialservitut abgeben könne.

Zwar ist

anzuerkennen, daß eine Prädialservitut, welche ihrer Natur nach zeitlich un­

begrenzt ist, nicht auch ihrem Umfange nach so unbegrenzt konstituiert werden kann, daß sie das Eigentum selbst ganz oder nahezu erschöpft.

Hiervon ist

aber auch bei dem Kellerrecht nicht die Rede, wenn man nur im Auge behält,

daß es sich nicht um Bestellung einer Servitut an dem Kellerraum, sondern um eine Servitut an dem ganzen Hausgrundstücke handelt und es immer

nur ein verhältnismäßig geringer Teil dieses letzteren ist, um dessen mehr oder weniger umfangreiche Ausnutzung es sich fragt.

607. Unteilbarkeit der Grunddienstbarkeit (§§ 1025, 1026).

III. 281/85 v. 19. 3.1886. IW. 1886 S. 152 Nr. 29 (G-m. R.). Das Prinzip der Unteilbarkeit von Servituten hat nur den Sinn, daß

ein Bruchteil einer Servitut nicht existieren, also auch weder erworben noch verloren werden kann, auch nicht durch Teilung des herrschenden oder dienenden

Grundstücks.

Nicht aber auch bedeutet sie, daß nicht auch ein Teil des dienenden

Grundstücks von der ganzen Servitut entlastet werden könnte, sei es in der

Hand des bisherigen Eigentümers, sei es nach teilweiser Veräußerung in der

Hand des Erwerbers, noch hat sie den Sinn, daß nicht einzelne in der Gerecht­

same liegende Befugnisse aufgegeben und die Servitut auf die übrigen beschränkt werden könnte. 608. Änderung der Benutzungsweise. IV. 4/89 v. 15. 3.1889.

IW. 1889 S. 175 Nr. 29 (Sem. R.).

Die Prädialservitut will das Bedürfnis des herrschenden Grundstücks be­ friedigen, wird daher der Regel nach für die Dauer geschaffen; eine Änderung der Benutzungsweise

hat mithin auf den

der Servitut keinen

Fortbestand

Einfluß, wenn nicht nachgewiesen werden kann,

daß die Servitut nur mit

Rücksicht auf die zur Zeit der Bestellung stattgefundene Benutzung und nur für diese Benutzung geschaffen worden ist. 609. Actio confessoria.

Wegegerrchtigkkit.

V. 132/94 v. 17. 10. 1894.

Gr. Bd. 40 S. 828 Nr. 47 (Berlin).

Es ist rechtsirrtümlich, wenn BG. den Satz aufstellt, daß es zur Be­

gründung eines Untersagungsrechts (des Wegeberechtigten gegen die Benutzung des Weges durch andere) nicht des Nachweises der Ausschließlichkeit des Wege­

rechts bedarf; es liegt vielmehr in der Natur des Wegerechts, daß gleiche Rechte verschiedenen Berechtigten eingeräumt werden können, ohne daß diese sich gegen­

seitig in der Ausübung hindern .. . G. sagt zwar weiter: „Und auch tatsächlich kann kein Zweifel sein,

daß jeder,

der den Weg

durch Gehen, Reiten oder Fahren benutzt, in das Wegerecht eingreift". Allein dieser Satz entbehrt, wenn damit gesagt sein soll, daß durch das Gehen, Reiten oder Fahren anderer Personen die Ausübung des Wegerechts seitens

der Kl. gehindert wird, der tatsächlichen Unterlage.

Es kann sich hiernach nur fragen, ob im vorliegenden Falle aus dem

Inhalt des das Wegerecht begründenden Vertrages die Ausschließlichkeit desselben

herzuleiten ist. 610. Aktivlegitimatio« einzelner Gcm.-Mitglieder zur Geltendmachung von Gem.-Servit«trn. III. 103/99 v. 19. 9. 1899. (Hannover, Celle).

E. Bd. 44 Nr. 34 S. 145.

Senfs. Bd. 55 Nr. 63

Wie RG. schon öfter (z. B. i. S. Stadt R. w. Finanzministerium in Schwerin, Rep. III 228/96) ausgesprochen hat, und

anscheinend auch BG.

nicht in Abrede nimmt, ist auch bei Gemeindeservituten zum besten der Gemeinde­

angehörigen die Gemeinde selbst die berechtigte Person.

Ihr, der juristischen

Person selbst, steht das Recht zu; sie allein kann darüber verfügen, und die

Gemeindeangehörigen

üben das Recht nicht als ein zu

ihrer individuellen

5. Abschn.

Tit.

Grunddienstbarkeiten.

§§ 10(8 ff.

417

Rechtssphäre gehörendes Recht, sondern nur aus dem Rechte der Gemeinde aus. Haben aber die Gemeindeglieder kein eigenes Recht, so würde das Recht, das sie im Prozeßwege geltend machen, können.

auch nur das Recht der Gemeinde sein

Ganz abgesehen aber auch davon, daß der einzelne nicht ohne weiteres

nls Vertreter der Gemeinde angesehen werden kann, würde diese Auffassung,

daß er als Vertreter der Gemeinde handelte, folgerecht auch dahin führen, daß fein Prozeß auch für die Gemeinde Rechtskraft begründete; eine Konsequenz,

die auch von den Vertretern der hier mißbilligten Ansicht wegen ihrer prak­ tischen Folgen als unmöglich anerkannt wird.

Nach dem Satze: ohne Recht

keine Klage, kann daher auch bei Gemeindeservituten zu Gunsten der Gemeinde­ mitglieder allein die berechtigte Gemeinde selbst für die Klage als aktiv legitimiert

erachtet werden, und muß daher Kl. mangels seiner Aktivlegitimation mit der Klage abgewiesen, und die auf seinen Antrag erlassene einstweilige Verfügung

ausgehoben werden ... Über die a. conf. gegenüber Gastwirtjchaftsbetrieb vgl. Nr. 601.

611. Teilweise Freiheitserfitzung (§ 1028). III. 95/84 v. 3. 7. 1884.

E. Bd. 14 Nr. 53 S. 211 (Ulm, Stuttgart).

BG. hat die angestellte Konfessorienklage zurückgewiesen, weil der Kl. als

Besitzer des angeblich herrschenden Grundstückes alle Veranlassung gehabt hätte, auf die Entfernung des vom Bekl. errichteten Bauwesens zu dringen oder zum

mindesten sein Recht ausdrücklich zu wahren, und da er eine derartige Ein­ sprache während der Verjährungszeit unterließ, die ganze Dienstbarkeit durch

usucapio libertatis erloschen sei. Aber daraus, daß Kl. die Geltendmachung seines Rechtes dem errichteten

Schuppen gegenüber versäumt hat, kann nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß ihm die ganze Dienstbarkeit verloren gegangen sei.

Sonst wäre eine teil­

weise Erlöschung der Realservituten durch usucapio libertatis gar nicht denk­ bar, weil in jeder Handlung, die zu dieser Usukapion führen kann, eine Ver­

letzung des betreffenden Servitutenrechtes zu finden ist, die den Berechtigten zur Wahrung seines Rechtes veranlassen muß.

Hier kommt in Betracht, daß, wie der Augenschein lehrt, an einer Ecke des dienenden Grundstückes auf einem Raume, welcher nur einen geringfügigen Teil des gesamten Grundstückes ausmacht, ein verhältnismäßig niedriges und unbedeutendes Bauwesen, nämlich der in Frage stehende Schuppen, errichtet worden ist, und die Verjährungszeit hindurch bestanden hat.

Sind die Voraus­

setzungen einer usucapio libertatis in betreff dieses Schuppens vorhanden, sa

läßt sich darum das gleiche nicht auch in Beziehung auf den übrigen weitaus

größten Teil des Grundstückes behaupten, welcher unbebaut geblieben, jedenfalls nicht während der ganzen Berjährungszeit bebaut gewesen ist.

Die Erlöschung

des ganzen Dienstbarkeitsrechtes bezw. die Befreiung des gesamten dienenden

Grundstückes könnte in Frage kommen, wenn das letztere durchweg überbaut Rudorfs, Reichsgerichts-Entscheidungen. Bd. I.

27

oder in dasselbe hinein ein Bauwesen gestellt worden wäre, neben welchem ber

Unüberbaute Teil des Grundstückes seine Bedeutung und ein Interesse für das-

herrschende Grundstück verloren hätte.

Davon ist aber bei den vorliegenden

Verhältnissen das Gegenteil der Fall.

Titel 2. Nießbrauch (§§ 1030 ff.). 612. Überlassung der Ausübung a« einen anderen.

III. 19/86 v. 11. 5. 1886. heim, Celle).

E. Bd. 16 Nr. 20 S. 110. Seuff. Bd. 42 Nr. 20 (Hildes­

Es ist der von dem LG. vertretenen Ansicht beizustimmen, daß durch den Verzicht der Ehefrau des Bell, auf ihr Nießbrauchsrecht das dem letzteren in

rechtswirksamer Weise übertragene Recht zur Ausübung dieses Nießbrauches nicht beseitigt sei.

Derjenige, welchem von dem Nießbraucher die Ausübung,

des Nießbrauches übertragen wird, erwirbt dadurch nicht bloß ein obligatorisches Recht gegen den Veräußerer des Nießbrauches, sondern ein Recht, den ihm der

Ausübung nach abgetretenen Nießbrauch kraft eigenen Rechtes geltend zu machen. Die Ausübung des Nießbrauches stellt sich als Gegenstand eines Rechtes dar, über welches selbständig verfügt werden, und welches derjenige, dem es abgetreten

ist, gegen den Eigentümer und Dritte geltend machen kann (1. 11 § 2 Dig. de

pignor. 20,1). Das abgetretene Recht auf Ausübung des Nießbrauches unterliegt aller­ dings den Erlöschungsgründen des Hauptrechtes, des Nießbrauchrechtes selbst. Allein es bleibt bestehen, wenn der Usufruktuar auf den Nießbrauch freiwillig

dem Eigentümer gegenüber verzichtet, da ein solcher Verzicht das abgetretene, der Dispositionsbefugnis des Usufruktuars entzogene Recht auf die Ausübung

des Nießbrauches nicht trifft, indem derjenige, welcher die Ausübung des Nieß­ brauches einem Dritten übertragen hat, wenn er auch seinerseits dem Eigen­

tümer gegenüber sein Recht aufgeben kann, das Recht über die Ausübung des Nießbrauches anderweit zu disponieren, verloren hat. 613. Wirkung der Abtretung der Ausübung.

III. v. 6. 4 1880.

Seuff. Bd. 35 Nr. 189 S. 274 (Kassel).

Dem App.-Richter muß recht gegeben werden, daß er davon ausging, dem Kl. durch die Übertragung der Ausübung des Nießbrauchs nicht bloß ein obligatorisches, lediglich der Witwe H. gegenüber geltend zu machendes Recht

erwachsen.

Wer einem anderen die Ausübung seines Nießbrauchs einräumt,

gestattet ihm, daß er dieses Recht in seinem ganzen Umfange zum eigenen Vorteil ausübe.

Der Cessionar des Ususfrukts kann nicht nur die betreffenden

'Nutzungen ziehen, sondern er darf auch der Rechtsmittel sich bedienen, welche

zum Schutze der abgetretenen Berechtigung gegeben sind.

Darin liegt, daß der

Cessionar eines Nießbrauchs das ihm cedierte Recht seinem Cedenten als auch

dritten Personen gegenüber zur Geltung bringen kann.

Diese Konsequenz ist

5. Abschn. Dienstbarkeiten.

Tit. 2.

Nießbrauch.

§§ (030 ff.

419

in der rechtlichen Natur der Verhältnisse begründet und von den Rechtsquellen

unzweideutig anerkannt (1.11 § 2 Dig. de pignor. 20,1): War der Nießbrauch

der Witwe H. am 27. Juni 1878 in der bemerkten Weise auf den Kl. über­

gegangen, so standen die Nutzungen desselben von diesem Zeitpunkte an nicht mehr der Witwe H. zu, sie konnten also auch nicht als ein ihr gehöriges

Aktivum zu Gunsten ihrer Gläubiger sequestriert oder gepfändet werden.

614. Berwirkung durch Mißbrauch? (§§ 1051 ff., 1061 ff.) III. 19/86 v. 11.5.1886. E. Bd. 16 Nr. 20 S. HO (Hildesheim, Celle). Vgl. Nr. 612.

Die Ansicht, daß der Nießbrauch bezw. das Recht auf Ausübung desselben durch Mißbrauch des Rechtes, schlechte Bewirtschaftung des Nießbrauches ver­ wirkt werde, ist nicht für begründet zu erachten.

615. Erlöschen des Nießbrauchs einer offenen Handels-Gesellschaft. II. 459/85 v. 28. 4. 1886.

E. Bd. 16 Nr. 1 S. 1 (Dresden).

Daß eine offene Handelsgesellschaft als solche dingliche Rechte an Grund­

stücken, also auch die persönliche Dienstbarkeit des Nießbrauches erwerben kann,

ergibt sich aus der Vorschrift des § 124 HGB.

Ist der Gesellschaft ein Nieß­

brauch eingeräumt, so steht er dem Gesellschaftsvermögen zu, dieses als selb­

ständiges, vom Privatvermögen der Gesellschafter getrenntes Ganze gedacht, wie es nach Art. 119ff. HGB. gedacht werden muß.

Die Gesellschafter sind zwar

befugt, über das Recht zu verfügen, indessen lediglich zu Gesellschaftszwecken. Sie sind nicht Inhaber des Rechtes in dem Sinne, daß sie dasselbe, wie ein

ihnen für ihre Person zukommendes Recht handhaben, mithin zu Privatzwecken

ausüben dürften. Wenn das BG. weiter noch das Nießbrauchsrecht für die Dauer des wider die Gesellschaft anhängigen Konkursverfahrens — und mehr ist nicht zu­

gesprochen — als fortbestehend betrachtet hat, so war hierin eine irrtümliche Anwendung der Vorschriften von § 131 Nr. 3 und § 145 HGB. nicht zu finden.

Der § 131 erklärt allerdings die Gesellschaft mit der Konkurseröffnung

für „aufgelöst".

Hiermit ist jedoch nicht ausgesprochen, daß von diesem Zeit­

punkte ab die bereits begründeten Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten

ohne weiteres zu bestehen aufhören.

Beschränkte persönlich» Dienstbarkeit (§§ lOSOsf.).

616.

III. 638/80 v. 23.11.1880. E. Bd. 4 Nr. 38 S. 131 (Gotha, Jena). S. o. Nr. 601. Was die ... Verpflichtung zur Übernahme einer Röhrenleitung auf das

erkaufte Areal anlangt, so wird allerdings ein bestimmtes einzelnes Grundstück nicht bezeichnet, zu dessen Gunsten die Leitung dienen soll, vielmehr als Ziel

nur im allgemeinen der Ort Elgersburg angegeben.

Begründung einer Servitut genügen.

Dies muß indessen zur

Denn ... das deutsche Recht ... hat

nicht schlechthin festgehalten an dem Erfordernis, daß die Dienstbarkeit lediglich

zum Nutzen eines bestimmten einzelnen Grundstückes bestellt werden könne, läßt 27*

Bürgerliches Gesetzbuch.

420

III. Buch.

Sachenrecht.

sie vielmehr in mannigfachen Anwendungen (namentlich bei Beholzigungsrechten, Weide- und Hutgerechtsamen rc.) auch zu Gunsten ganzer territorialer oder

personaler Kreise zu, wofern nur das durch die Servitut zu befriedigende Be­ dürfnis konkret begrenzt ist.

617. III. 464/81 v. 4.11.1881. E. Bd. 7 Nr. 53 S. 164 (Darmstadt). Bei der Übertragung der Baumgartenwiese an J. ist den seitherigen Eigen­ tümern, ihren Nachkommen und event, den übrigen Schiffern zu N. auf ewige

Zeiten das Recht eingeräumt worden, ihre Wasserfahrzeuge zum Schutze gegen den Eisgang zubringen.

unter bestimmten Modalitäten

auf

jenem Grundstücke unter­

Damit ist die Servitut nicht nur hinsichtlich der Berechtigten selber,

sondern auch rücksichtlich des Umfanges der ihnen zustehenden Befugnisse genügend

begrenzt und derselben der Charakter der Dauer beigelegt. 618. Gemeinde-Servitut für das Publikum.

III. 137/85 v. 6. 10. 1885. S. 266 (Meiningen, Jena).

E. Bd. 14 Nr. 54 S. 214.

Senfs. Bd. 41 Nr. 17.3

Wie vom RG. bereits ausgesprochen ist (vgl. Entsch. Bd. 4 Nr. 38 S. 132

und Bd. 7 Nr. 53 S. 164), hat die moderne Rechtsentwickelung den römisch­ rechtlichen Grundsatz, daß eine Grunddienstbarkeit nur zum Besten eines be­

stimmten Grundstückes bestehen kann, nicht festgehalten, vielmehr

auch

das

Bestehen einer Grunddienstbarkeit zu Gunsten eines ganzen territorialen oder

personellen Kreises zugelassen, sofern dieselbe nur die Befriedigung eines konkret begrenzten Bedürfnisses zum Gegenstände hat und den Charakter der Dauer

Hiernach kann

(perpetua causa) an sich trägt.

auch eine Gemeinde zum

Besten ihrer Gemeindeangehörigen die Inhaberin einer Servitut sein, und es kommen als Servituten, welche einer Gemeinde zustehen, nicht bloß häufig Weide- und Hutungs-, sowie Waldnutzungsgerechtigkeiten, sondern auch Wege­

gerechtigkeiten, insbesondere Kirchen- und Schulwege (vgl. Seuff. A. Bd. 8

Nr. 113, Bd. 26 Nr. 4), und in dem Bd. 4 a. a. O. behandelten Falle auch

eine Wasserleitungsgerechtigkeit vor.

Kann aber einer Gemeinde eine Wege­

gerechtigkeit zustehen, so kann man es auch nicht für rechtlich unstatthaft halten, daß eine Gemeinde an einer dem Zwecke des Vergnügens und der Erholung

dienenden Privatanlage (Park, Garten u. dergl.) eine Servitut des Inhaltes besitze, daß ihre Gemeindeangehörigen berechtigt seien, dieselbe zu besuchen und sich daselbst diesen Zwecken entsprechend aufzuhalten.

Wenn ferner in bem

vorliegenden Vertrage der zeitige Inhaber der dienenden Anlagen auch noch

zur gehörigen Unterhaltung derselben dinglich verpflichtet worden ist, so kann, wie gleichfalls in dem angezogenen reichsgerichtlichen Urteile bereits erkannt ist, auch die Gültigkeit einer solchen, zu einer Leistung verpflichtenden Reallast

nicht in Zweifel gezogen werden.

Nun soll freilich kraft der in Rede stehenden

Servitut das Recht zum Besuche der Schloßberganlagen nicht bloß den Ange­

hörigen der klagenden Gemeinde, sondern jedermann, dem gesamten Publikum

gewährt fein, und ebenso wird jetzt von der Kl. das servitutische Recht an dem fraglichen Fahrwege dahin in Anspruch genommen, daß derselbe zum Besuche

der Anlagen von jedermann soll benutzt werden dürfen; allein auch die recht­

liche Statthaftigkeit einer solchen Ausdehnung der Servitut ist nicht zu bean­ standen.

Denn

der

Umfang,

in

welchem

eine

einer

Gemeinde

zustehende

Servitut rechtlich zu existieren vermag, kann nur abhängen von dem Umfange des bezüglichen Interesses der Gemeinde.

Eine Gemeinde ist aber vermöge

ihres Interesses an der Hebung des Verkehres in ihrem Bezirke und der ihr

obliegenden Fürsorge für die dortigen Verkehrsanlagen aller Art auch daran interessiert, daß die in der Gemeinde verkehrenden Auswärtigen an der Be­ nutzung

der den

Gemeindeangehörigen

zum Gemeingebrauche

offenstehenden

Verkehrsanlagen teilnehmen dürfen . . .

7. Abschnitt. Reallasten (§§ 1105 ff.). Vgl. Art. 113 ff. EG. 619. Reallaft-Berechtigtrr.

III. 251/87 v. 31.1.1888.

IW. 1888 S. 123 Nr. 17.

Daß die einer Reallast gegenüberstehende Gerechtsame nicht vermöge recht­ licher Notwendigkeit mit einem herrschenden Grundstück unzertrennlich verbunden sein muß, daß sie vielmehr recht wohl einer Person, selbst einer physischen, zustehen kann, verkennen auch die Rkl. nicht und kann überhaupt nicht bezweifelt

werden.

Andererseits nehmen die Vorderrichter zu ihren Gunsten an, daß wo

Gerechtsame und Last einem meierrechtlichen Verbände ihre Entstehung ver­ danken, die erstere als Realrecht mit dem Gute unzertrennlich verbunden ist,

dergestalt, daß sie von diesem nicht einseitig und willkürlich getrennt und auf

ein anderes Subjekt übertragen werden kann.

Sie verneinen aber jenen Ent­

stehungsgrund, weil ein meierrechtlicher Verband in dem Landesteile, in welchem

das llägerische Gut und die beklagtischen Bauerstellen gelegen sind, nicht bestanden habe.

Hierin liegt eine tatsächliche Feststellung, welche durch Bezugnahme auf

Geschichtsquellen nicht anfechtbar ist. 620. Gegenseitige Reallasten.

I. 237/83 v. 3. 10.1883. E. .Sb. 10 Nr. 47 S. 172. Gr. Sb. 28 (8) S. 246 Nr. 3 (Rostock). Dauernde Lasten und Rechte der fraglichen Art — (Arbeiten der klagenden

Büdner (vgl. EG. z. BGB. Art. 63] für das Gut des Bekl. in der Heu- und Roggenernte, Hilfe beim Richten von Gebäuden u. s. w. gegen bestimmten Tage­ lohn u. a. jährliche Emolumente) — sind in der Form der Reallasten sehr wohl denkbar.

Freilich sind die Reallasten der Regel nach nur auf Verhält­

nisse angewendet, in welchen einseitige Verpflichtungen in der Weise geregelt werden sollen, daß das verpflichtete Subjekt durch den Besitz eines Grundstückes bestimmt wird, während das berechtigte Subjekt entweder durch den Besitz eines

Grundstückes oder durch einen anderen Zustand oder auch individuell gegeben ist.

Begrifflich steht aber nichts entgegen, das durch den Besitz bestimmte

berechtigte Subjekt zugleich für Leistungen, welche als konnexe Gegenleistungen für das Forderungsrecht erscheinen, zum verpflichteten

Subjekte auf Grund

seines Besitzes zu machen und auf diesem Wege dem auf gegenseitige Leistungen abzielenden Verhältnisse den Charakter einer gegenseitigen Reallast mit ent­ sprechendem Forderungsrechte zu verleihen.

Voraussetzung eines solchen Ver­

hältnisses ist die Natur der gegenseitigen Leistungen.

Handelt es sich um solche

gegenseitige Leistungen, welche sich nach dem Willen der Beteiligten niemals

erschöpfen,

vielmehr

in

einer

einheitlichen,

auf

ihre dauernde Gewährung

gerichteten Obligation aufgehen sollen, so ist ein solches Verhältnis seiner Natur

nach wohl geeignet an den Besitz eines bestimmten Grundstücks auf beiden

Seiten angeknüpft zu werden. 621. Inhalt einer Reallast.

Regulierung einer Turmuhr.

III. 638/80 v. 23. 11. 1880. E. Bd. 4 Nr. 38 S. 131. (Golha, Jena). Vgl. Nr. 601 u. 615.

Seuff. Bd. 37 Nr. 9

Es ist nicht abzusehen, weshalb die vom Käufer des Schlosses Elgersburg übernommene Leistung (bie im Schlosse befindliche Turmuhr stets in richtigem

Gang zu halten), ungeeignet wäre, den Inhalt einer Reallast zu bilden, da dieser keineswegs auf die durch die Geschichte überlieferten Arten beschränkt ist,

vielmehr jede Verbindlichkeit aufnehmen kann, welche im übrigen den Bedin­ gungen dieser Rechtsform entspricht. 622. Priefteracker-Nutzuug gegen Kano«.

III. 52/84 v. 26.9.1884. E. Bd. 12 Nr. 43 S. 176 (Ratibor, Breslau). Vgl. Nr 984.

Wenn es nach deutschem Rechte gestattet war, an den Besitz eines Grund­

stückes obligatorische und gewerbliche Rechte der mannigfachsten Art (z. B. die den Reallasten entsprechenden Rechte, Retraktrechte, Bannrechte rc.) zu knüpfen, so wird ein grundsätzliches Bedenken sich auch nicht gegen einen Vertrag erheben

lassen, durch welchen die landwirtschaftliche Benutzung eines Grundstückes dem

jeweiligen Besitzer eines anderen Grundstückes gegen die Bezahlung eines Kanons dauernd übertragen wird.

Der jährliche Kanon erscheint als eine wahre, auf

dem berechtigten Grundstücke hastende Reallast, für welche als Gegenleistung der Besitz und der Genuß eines Grundstückes dem zur Leistung der Reallast Verpflichteten gewährt wird. 623. Altenteil. Hostslast. III. 325/84 v. 10. 3.1885. E. Bd. 13 Nr. 44 S. 186 (Detmold. Celle). Vgl. EG. Art. 96 u. Pr. AG. z. BGB. Art. 15, sowie V. 216/90 v. 10.1.1891. E. Bd. 27 Nr. 55 S. 230 (Ratibor, Breslau).

Das preuß. OTrib. hat in konstanter Judikatur angenommen, daß Alten­ teile, welche sich der Verkäufer bei Überlassung bäuerlicher Grundstücke vor-

behält, den Charakter von Reallasten besitzen, und zwar nicht bloß in betreff der­ jenigen Rechte des Auszüglers, welche aus dem Grundstücke selbst gewährt werdest, wie Wohnungsrechte, sondern in betreff aller dem Gutsannehmer auferlegten

Leistungen.

(Vgl. Rehbein, Entsch. des OTrib. Bd. 2 S. 178 ff., namentlich

Entsch. Bd. 27 S. 283, Bd. 29 S. 301; Strieth. A. Bd. 12 S. 329, 342.) Das OTrib. hat in diesen Erkenntnissen weiter ausgesprochen, daß Real­ lasten zu den an sich dinglichen Rechten gehören, und daß ihre Eintragung in

das Grundbuch erfolgt, nicht weil die Berechtigung dadurch dinglich werden soll, sondern weil und insofern sie dinglich ist.

Dieser Rechtsansicht des OTrib.

hat sich das RG. angeschlossen.

«24. Fruchtzinsrecht.

I. 42/80 v. 29. 5. 1880. E. Bd. 1 Nr. 129 S. 360. Senfs. Bd. 36 Nr. 52 S. 73 (Lübeck). Vgl Art. 113 EG. Die Verbindlichkeit, von einem landwirtschaftlichen Grundstück jährlich eine

bestiminte Quantität von Feldfrüchten als Zins zu entrichten, wird, sofern nicht ein anderer Inhalt derselben durch Gesetz oder Vertrag festgesetzt oder

aus dem Besitzstände zu

entnehmen ist, bald dahin verstanden, daß die zu

leistende Quantität von den auf dem zinsbaren Gut im Zinsjahr gezogenen

Früchten zu entrichten sei, bald dahin, daß die zu leistenden Früchte nur der Gattung

nach

bestimmt

und

entweder

solche,

wie sie

auf

dem

belasteten

Grundstück überhaupt erzeugt zu werden Pflegen, oder Früchte der bestimmten

Gattung

in

marktgängiger Ware von mittlerer

empfangbarer Beschaffenheit

(vgl. Entsch. des OAG. Rostock von Budde u. Schmidt Bd. 6 S. 294) zu liefern seien.

Es mag dahingestellt bleiben, welche dieser Auffassungen den

Vorzug verdient,

wenn es sich um einen Fruchtzins handelt,

Zusammenhang mit

einem

Leihe-

oder Pachtverhältnis

als

welcher ohne

eine

für

sich

bestehende Reallast auf dem Grundstück haftet. Bildet dagegen der Fruchtzins die Gegenleistung für die Überlassung des Nutzungsrechts an dem Grundstück,

von welchem er zu entrichten ist, so erscheint ohne Zweifel die zuerstgedachte Auffassung der Verpflichtung gerechtfertigt.

Sie entspricht der Natur eines

derartigen Rechtsverhältnisses, welches darauf abzielt, den Grundeigentümer für

die Aufgebung des Fruchtertrages,

den er bei eigener Bewirtschaftung des

Grundstücks jährlich gezogen haben würde, durch einen Teil des jährlichen Ertrages zu entschädigen und den Rest desselben dem Besteller für die Be­

wirtschaftung des Grundstücks zu überlassen, mag der dem Grundeigentümer abzugebende Teil des jährlichen Fruchtertrages in einer Quote (wie bei dem eolonus partiarius, fr. 25 § 6 loc. cond. 19. 2) oder in einer festen Quan­

tität bestehen. des Grundstücks

Diese Ordnung des Verhältnisses, welche einerseits dem Besteller die Erfüllung seiner Verbindlichkeit erleichterte, andrerseits

dem Grundeigentümer den regelmäßigen Eingang seines Anteils an dem Frucht­ erträge sicherte, entsprach jedenfalls zu der Zeit dem beiderseitigen Vertrags-

willen, als bei noch wenig entwickelter Geldwirtschaft die Überlassung

von

Grundstücken an Bauern durch erbliche oder nichterbliche Leihe zuerst in Ge­

brauch kam (vgl. Arnold z. Gesch. des Eigentums 1861 S. 65). Sie erscheint aber auch jetzt noch als die regelmäßige, wo in neuerer Zeit die Überlassung bäuerlicher Grundstücke zu Nutzungsrecht gegen Entrichtung

eines jährlichen Fruchtzinses als ein Überrest der alten Naturalwirtschaft bei­ behalten worden ist, da die Entwickelung der Geldwirtschaft zwar die Ver­

drängung der Fruchtzinsen und deren Ersatz durch Geldabgaben, nicht aber eine Umgestaltung der beibehaltenen Fruchtzinse zur Folge hatte.

Um einen Fruchtzins dieser Art handelt es sich in dem gegenwärtigen Rechtsstreit.

Wenngleich die Parteien unterlassen haben, die Vertrüge bei­

zubringen, auf welchen das Recht der Bell, an ihren Stellen beruht, oder doch nähere Angaben über den Inhalt derselben und den Ursprung des zwischen

den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses zu machen, so geht doch aus der Bezeichnung des Kl. als Gutsherrschaft, der Bell, als Hauswirte und der frag­ lichen Abgabe als Pachtkorn, sowie aus dem ausdrücklichen Anführen in der

Klageschrift, daß Bell, diese Abgabe „für die Nutzung ihrer Hufen" zu ent­

richten haben, wenigstens so viel hervor, daß dieselbe die Gegenleistung für die Einräumung des Nutzungsrechts an den Stellen der Bell, bildet.

625. Abgaben an den Grundherrn.

III. 266/87 v. 9. 3. 1888. IW. 1888 S. 187 Nr. 32. So wenig es der Natur der Reallasten widerstreitet, daß dem Eigentümer eines Grundstücks von demjenigen, der ein abgeleitetes Recht an demselben hat, Abgaben in der Form der Reallasten geleistet werden, so wenig erscheint es bei dem Verhältnis, in welchem früher die bäuerlichen Grundbesitzer zum Guts­ herrn standen, ausgeschlossen, daß die Bauern, mochten sie auch erst durch die

Verfestung ein rechtlich gesichertes dingliches Recht im römisch-rechtlichen Sinne

an ihren Grundstücken erlangen, schon vor der Verfestung Abgaben an den

Grundherrn zahlten,

welche mit

Rücksicht

auf ihre

Unveränderlichkeit und

Gleichmäßigkeit als auf den Grundstücken lastende Reallasten erscheinen, wie denn auch nach der Feststellung des BG. die qu. Abgaben in den Festebriefen

zum Teil als „auf dem Grundstücke bereits liegende Lasten" bezeichnet werden.

626. Holzbezug.

III. 220/84 v. 9. 12. 1879. IW. 1885 S. 33 Nr. 36. Der Inhalt des streitigen in dem Kontraste zwischen den Grundherrn und dem Müller vereinbarten Rechtsverhältnisses kann nur dahin aufgefaßt werden,

daß der Grundherr zum Vorteile des Besitzers der Mühle etwas tue, nämlich

das zur Reparatur der Mühle nötige Holz gewähre, während zugleich der Berechtigte sich zur Zahlung des Stammgeldes und Hauerlohns, auch zur Abfuhr des Holzes bereit erklärt.

Jene vom Grundherrn gegen den Müller über-

nommene Verpflichtung zur Reichung des Reparaturholzes zeigt die wesent­ lichen Merkmale

einer Reallast.

Der Natur der

Reallast

als einer dem

Grundstückseigentümer obliegenden Verpflichtung widerspricht es auch in keiner

Weise, daß das erforderliche Holz nach dem angenommenen Vertragswillen der Kontrahenten dem Müller auch auf solchem Terrain angewiesen werden durfte, auf welches das belastete Grundstück eine Holzgerechtigkeit hatte.

zu

Woher der

einem Handeln verpflichtete Grundstückseigentümer die Leistung

nimmt,

berührt die rechtliche Natur der Leistung nicht; dem Vertragswillen der Kon­

trahenten bezw. dem Ermessen des Verpflichteten ist keine Schranke zu setzen und kann mithin der vom Revkl. auch gegenüber einer etwaigen Reallast geltend gemachte Satz servitus servitutis esse non potest überall nicht in Frage kommen. 627. Unübertragbarkeit der Reallastbrrechtigung.

III. 102/84 v. 28. 11. 1884.

E. Bd. 12 Nr. 50 S. 201 (Oldenburg).

Das Wesen eines Realrechtes besteht in der Verknüpfung der Berechtigung mit einem bestimmten Grundstücke, und ein Realrecht kann daher nur fort­

bestehen als Recht desjenigen Grundstückes, welchem es durch seine Entstehung angehört. Folglich ist die Übertragung eines Realrechtes auf ein anderes

Rechtssubjekt



nicht bloß auf eine Person,

sondern auch auf ein anderes

Grundstück — unter Erhaltung der Identität des Rechtes überhaupt unaus­ führbar; sie ist nur in dem Sinne und in der Weise rechtlich möglich, daß

unter Aufhebung des bisherigen Realrechtes zugleich zum Ersätze desselben eine andere,

auf dieselbe Leistung

sich richtende, personelle oder reale, Reallast­

berechtigung neu konstituiert wird. umwandlung

nicht

durch

eine

Deshalb kann

einseitige

aber eine solche Rechts­

Verfügung

des

Eigentümers

des

berechtigten Grundstückes, sondern nur nach Maßgabe der über die Begründung und Aufhebung von Reallasten geltenden Grundsätze bewerkstelligt werden.

8. Abschn. Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld. Tit. 1 (§§ 1113 ff.). 628. Sicherheit für künftige Forderungen.

III. 185/87 v. 25. 11. 1887.

IW. 1888 S. 27 Nr. 57.

Unter Hinweis auf die Entsch. des RG. I 54/86, s. o. Nr. 87, ist geltend gemacht, daß, wenn für künftig entstehende Forderungen Sicherheit gewährt werde, im Zweifel anzunehmen sei, daß die Sicherheit bestellt werden solle für

den Kredit, welche der eine Kontrahent dem anderen gibt.

Im Zweifel würden

daher auch nur die Forderungen durch die bestellte Sicherheit gedeckt, welche der Kreditgeber mit dem Willen des Kreditnehmers wider diesen erwerbe, nicht

aber auch solche Forderungen, die er ohne Wissen und Willen des letzteren

erworben habe, z. B. wie in vorliegendem Falle Forderungen aus Wechseln, welche von einem Dritten auf den Gläubiger indossiert sind und aus welchen

der Schuldner haftet.

Zu §§ 1127 ff. vgl. Art. 75.

629. Pfandfreie Veräußerung (88 1121, 1122).

von

V. 221/89 v. 18.12. 1889.

Zubehörstücken

eines

verpfändeten

Grundstücks

E. Bd. 25 Nr. 5 S. 18 (Bartcnstein, Königsberg).

Ob die Veräußerung durch einen freiwilligen Rechtsakt des Eigentümers

erfolgt oder ob ein persönlich oder dinglich berechtigter Gläubiger sie im Wege der Zwangsvollstr, herbeiführt, ist . .. gleichgültig.

Auch bei einem Verkaufe

im Wege der Zwangsvollstr, erlischt das Pfandrecht mit der räumlichen Trennung der Zubehörstücke von dem Grundstücke.

Dieselben gehen pfandfrei in das

Eigentum des neuen Erwerbers über und die Hypothekengläubiger haben als

solche an dem durch ihre Veräußerung erzielten Erlöse kein besseres Recht als

jeder andere Gläubiger des früheren Eigentümers.

(Vgl. Turnau GBO. zu

§ 30 des preuß. Eigenth.Erwerbsges. RG.Urt. v. 30. 3. 1881, Ztschr. f. pr. R.

Bd. 2 Nr. 3 S. 3.) ... Dieselben rechtlosen Folgen treten aber auch bei dem Verkaufe der Pertinenzien durch den Konk.Verw. ein .. . Vgl. KO. § 127.

630. Gefährdung der Sicherheit (88 1133ff.). VI. 114/92 v. 22. 9. 1892.

E. Bd. 30 Nr. 33 S. 111 (Hamburg).

Vgl. § 880.

Bekl. hatte sich dem Kl. vertragsmäßig verpflichtet, mit einem ihm in einem Grundstücke des letzteren zugeschrieben stehenden Hypothekposten in der Priorität zu rücken, sobald das aus dem Grundstücke zu erbauende Haus putzfertig, die Fenster eingesetzt und die Treppen

gestellt sein würden.

Das weitere ergibt sich aus den folgenden Gründen:

... Bekl. hat sich ... darauf berufen, daß das Gebäude so erhebliche

Schäden

und

Mängel aufweise,

daß

es

ihm

nicht denjenigen

Grad

von

hypothekarischer Sicherheit gewähren könne, der bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrage vorausgesetzt sei, weswegen ihm das Zurücktreten in der Priorität trotz an sich eingetretener Bedingung nicht zugemutet werden dürfe.

Mit Recht hat BG. grundsätzlich diese Einwendung als dem wahren Sinne

eines Vertrages über pfandrechtliche Sicherung entsprechend zugelassen und ferner auch darin, daß jene Schäden und Mängel großenteils erst entstanden sein

mögen, nachdem Bekl. trotz Putzfertigkeit des Gebäudes, eingesetzter Fenster und gestellter Treppen mit seinem Hypothekposten zu rücken sich geweigert hatte, keinen Gegengrund gefunden.

Denn was den letzteren Punkt betrifft, so hat

OLG. mit Recht angenommen, daß Bekl. damals nicht im Verzüge sich befunden

habe, und zwar deshalb, weil das Gebäude auf das Nachbargrundstück über­ gebaut gewesen sei und übergehangen habe, so daß die Giebelmauer erst noch habe abgerissen und neu errichtet werden müssen.

631. Erlöschen des Pfandrechts an einem Weinlager durch Rückgabe der Schlüssel? (§ 1253). III. 258/92 v. 28. 1. 1893.

Seuff. Bd. 50 Nr. 8 (Braunschweig).

In dem ursprünglichen Verpfändungsvertrage

war

Vgl. Nr. 516.

von vornherein in

Aussicht genommen, daß dem Verpfänder der zeitweise Zutritt zum Keller zur

Entnahme und zum Neueinlegen von Vorräten gestattet werden solle.

Dem­

entsprechend hat der Gemeinschuldner in der Zeit vor der Konkurs-Eröffnung

öfter den Kellerschlüssel anvertraut erhalten und nach gemachtem Gebrauch zurückgeliefert.

BG. leitet hieraus für jeden Fall einer solchen Anvertrauung

eine Aufhebung und Rückeinräumung der Jnhabung der Pfandsache und damit •ein Erlöschen des Pfandrechts her;

zugleich

Schlüssel eine Wiederverpfändung gefunden. Rev.Kl. als nicht genügend begründet an: achtet werden.

wird in der Rücklieferung der

Die letztere Annahme greift der diese Rüge muß für zutreffend er­

Indessen ist doch richtig entschieden.

Die Annahme, daß mit

pen einzelnen inzwischen erfolgten Gestattungen des Zugangs jedesmal

ein

Wechsel der Jnhabung am Lager verbunden gewesen sei, ist rechtsirrtümlich.

Es steht tatsächlich fest, daß die zeitweise Gestattung des Zugangs

und

die

Ausantwortung des Schlüssels nur dem bezeichneten, im Verpfändungsvertrage gedachten Zwecke dienen sollten. Bei Übergabe der Schlüssel zu verschlossenen

Gelassen, in denen Ware lagert, ist zu unterscheiden, ob sie geschieht, damit der

Empfänger die räumliche Herrschaft über das Lager erlange, oder ob der Zutritt

nur zum Zweck des Abholens einer gewissen Quantität von Ware gestattet sein

solle (Jahrb. f. Dogmatik Bd. 26 S. 314).

In dem letzteren hier vorliegenden

Falle wird nur an den abgeholten Waren Besitz erworben.

Die Jnhabung am

Weinlager im ganzen sollte von dem Pfandgläubiger nicht eingeräumt werden

und es fehlte auch dem Gemeinschuldner der nach der rechtlichen Natur des konsensualen Jnhabungswechsels notwendige Wille der Besitzergreifung.

Dann

aber hat Bekl. vor der Konk.-Eröffnung den Pfandgewahrsam nie verloren.

Titel 2.

Grundschuld.

Reuteuschuld (§§ 1191 ff.).

632. Abtretung von Grundschulden durch Indossierung.

V. 213/85 v. 9. 1.1886. Gr. Bd. 30 Nr. 10 S. 1033 Nr. 100 (Hamm). Bgl. 274. Auf dem Grundschuldbriefe befindet sich ein Indossament auf L. Sch. mit der Unterschrift des Kl.

Dasselbe lautet: „Für mich an die Ordre des Herrn

L. Sch. Wert erhalten. 30. Juni 1880. V." In diesem Indossament hat BG. ohne Rechtsirrtum eine zur Übertragung der Grundschuld geeignete Cession

gefunden. Denn für die Cession sind bestimmte Worte gesetzlich nicht vor­ geschrieben; das Indossament aber ist die gesetzliche Form der Übertragung be­

stimmter verbriefter Ansprüche unter Beschränkung der gegen den Indossatar

zulässigen Einreden und mit Begr. einer Regreßpflicht gegen den Indossanten; wo diese Abweichungen von der gewöhnlichen Abtretung der Forderungen nicht eintreten, weil das Gesetz das Indossament als solches nicht zuläßt, behält das­ selbe doch als Übertragung des Gläubigerrechts seine Gültigkeit, vorausgesetzt nur, daß in ihm der Übertragungswille genügenden Ausdruck gefunden hat.

«Bgl. Bd. 27 S. 1038; Dernburg, pr. R. Bd. 2 § 88.)

Daß aber letzteres

in obigem Indossament geschehen ist, hat BG. aus seiner Fassung entnommen.

Zwar sagt es an einer späteren Stelle der Urteilsgründe, es sei nicht erkennbar,

ob durch das Indossament nur eine Verpfändung oder eine Abtretung des

Grundschuldbriefs beabsichtigt gewesen; aber die dieser Stelle folgenden Sätze machen klar, daß mit jener nicht die vorher konstatierte Übertragung des vollen

Gläubigerrechts auf den Sch. in Frage gestellt, sondern nur erörtert werden sollte, ob der Übereignung der Forderung der Zweck zum Grunde lag, dem Sch. Sicherung für einen Anspruch zu gewähren, unbeschadet also seines Rechts,

Dritten gegenüber als Cessionar über die Grundschuld zu disponieren.

(Entsch.

des RG. Bd. 13 S. 200 [I. 431/84; o. Nr. 41 91 nm.].)

Insoweit also ist die Revision unbegründet.

9. Abschnitt. Pfandrecht an bewegt. Sachen n. Rechten (§§ 1204 ff.). Über den Begriff der Sicherheit für „ alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen"

vgl. I. 54/86 v. 7. 4. 1886. Hamburg), Nr. 87 u. 672.

E. Bd. 18 Nr. 47 S. 232.

Seuff. Bd. 41 Nr. 262 (Bremen,

633. Verpfändung von Legitimationspapieren (Hypothekenbrief).

V. 3/86 v. 15. 5.1886.

IW. 1886 S. 239 Nr. 49.

Nach den im Pachtverträge gebrauchten Worten ist dem Bell, der Hypo­ thekenbrief als Faustpfand übergeben worden und die Vorderrichter haben dem­

entsprechend die dadurch beabsichtigte Sicherstellung rechtlich als Bestellung eines Faustpfandes aufgefaßt, deren Möglichkeit sie verneinen.

Allerdings bestehen

über die rechtliche Möglichkeit eines Faustpfandes an Beweis- und Legitima­ tionspapieren, in welche Kategorie der in Streit befindliche Hypothekenbrief gehört, verschiedene Ansichten.

Sie ist bejaht worden in einem Erk. des preuß.

OTrib. v. 14. Febr. 1870 (Entsch. Bd. 63 S. 79), und ebenso v. ROHG. (Entsch. Bd. 3 S. 159, Bd. 6 S. 198, Bd. 18 S. 12); dagegen hat sich die

Entsch. Bd. 9 S. 243 mehr ablehnend ausgesprochen, und entschieden verneint worden ist die Frage v. 1. Sen. des RG. (Entsch. v. 12. Febr. 1881, Bd. 3

S. 153 u. v. 10. Juni 1882, Bd. 10 S. 40).

Für die verneinende Ansicht

wird im wesentlichen geltend gemacht, daß Papiere, welche bloß zum Beweise

einer Forderung bezw. bloß zur Legitimation dienen — nicht also zugleich, wie

z. B. die Jnhaberpapiere, Träger der Forderung selbst sind — zwar immerhin für die beteiligten Personen von Wert und Wichtigkeit seien, jedoch

keinerlei

selbständigen Vermögens- und Verkaufswert besäßen und aus diesem Grunde

der Fähigkeit ermangelten, im Wege des dem Pfandgläubiger als wesentlichster Inhalt seines Pfandrechts zustehenden Verkaufsrechts zu

desselben zu führen.

einer Befriedigung

(Vgl. auch Exner, Pfandrechtsbegriff 99 v. 15. 6.1899.

IW. 1899 S. 497 Nr. 39.

Der § 37 des Reichsbeamtenges. erfordert, daß die von dem Beamten bekleidete Stelle im Etat aufgeführt sei, und diese Vorschrift würde keinen Sinn

haben, wenn man sie dahin auslegen wollte, daß schon diejenigen, die aus einer

im Etat stehenden Pauschalsumme ihre Vergütung erhielten, eine etatsmäßige Stelle bekleiden, da dann jeder auf Kündigung angestellte Beamte einen Pensions­ anspruch erheben könnte und die Voraussetzung, von der § 37 diesen Anspruch

abhängig mache, überflüssig wäre.

Diese Erwägungen sind als zutreffende an­

zuerkennen. — Eingehend begründet. 813. Begiu« der pensionsfähtgen Post-Dienstzeit.

Nebenamt (88- 1, 44).

II 391/98 v. 21. 3. 1829. IW. 1899 S. 283 Nr. 21. BG. ist zutreffend davon ausgegangen, daß dem Kl. infolge seiner Pen­ sionierung als Vorsteher des Postamtes in Clotten Ruhegehalt gemäß den Be-

stimmungen

des

RGes. v. 31. März 1873 zusteht.

dieser seit Sept. 1891

Denn der Kl. war in

ihm definitiv und mit Ruhegehaltsberechtigung über­

tragenen amtlichen Stellung nach Art. 50 der RVerf. verpflichtet, den An­ ordnungen des Kaisers Folge zu leisten, war also nach § 1 des Reichsbeamtenges. Reichsbeamter im Sinne dieses Gesetzes, und finden dessen Bestimmungen

auf ihn Anwendung.

Wenn der Bell, dem gegenüber auszuführen versucht hat,

daß dieses Gesetz für die Frage, von welchem Zeitpunkte ab die Dienstzeit bei Bemessung der Pension zu rechnen sei, nicht angewendet werden dürfe, weil nach Art. 48 Abs. 2

der RVerf. der Reichs- bezw. Bundesgesetzgebung die­

jenigen Post- und Telegraphenangelegenheiten entzogen seien, deren Regelung nach den damaligen, in der pr. Post- und Telegraphenverwaltung maßgeben­

den Grundsätzen der reglementarischen oder administrativen Anordnung über­

lassen gewesen seien, zu denselben aber gerade die Bestimmung des Beginnes der Dienstzeit für die Festsetzung des Betrages der Pension solcher Postbeamten gehört habe, — so hat das OLG. mit Recht diesem Einwande gegenüber hervor­

gehoben, daß das Reichsbeamtenges. nach seinem Inhalte und dessen Begr. dem Reiche gegenüber die Rechte der Reichsbeamten, namentlich auch in Rücksicht

auf ihre Pensionierung, einheitlich und erschöpfend für das ganze Reich reichs­ gesetzlich geregelt hat, und daneben landesgesetzliche Bestimmungen, soweit die­

selben nicht in dem RGes. selbst aufrecht erhalten sind, ihre Geltung ver­ loren haben.

Mit Unrecht behauptet Bekl., daß der § 44 deshalb nicht zu

Gunsten des Kl. angezogen werden könne, weil derselbe im Reichsdienste ein

anderes Amt außer dem Amte als Verwalter des Postamtes zu Clotten nicht bekleide, also ein Hauptamt im Reichsdienste nicht inne habe.

Denn letzteres

verlangt das Gesetz nicht, dasselbe spricht nur von reichsdienstlichen Neben­ ämtern,

ohne des Hauptamtes überhaupt Erwähnung zu tun.

Ein solches

Nebenamt setzt allerdings begrifflich ein Hauptamt, aber keineswegs ein reichs­

dienstliches Hauptamt voraus, und BG. hat zutreffend aus den von ihm an­

geführten Motiven des Gesetzes sowie aus dem Umstande, daß das Gesetz da, wo es auf die Anstellung in einem unmittelbaren Staatsamte Gewicht legt,

dies ausdrücklich hervorhebt, gefolgert, daß das im § 44 unterstellte Hauptamt

sowohl ein unmittelbares, als auch ein mittelbares Bundesstaatsamt, also in

Preußen auch das Amt eines Bürgermeisters sein kann. der Kl. infolge seiner

War aber hiernach

am 1. Juni 1897 als Reichspostbeamter eingetretenen

Pensionierung ruhegehaltsberechtigt, so hat auch das OLG. ohne Rechtsirrtum den Beginn der für die Höhe der Pension maßgebenden Dienstzeit v. 30. Juni 1870 an,

als

dem Tage der ersten

eidlichen Verpflichtung des Kl. für den

Postdienst, gerechnet, wenn auch damals der Kl. nur auf Kündigung und ohne Pensionsberechtigung angestellt war.

Das Gesetz macht keinen Unterschied, ob

der Beamte bei seiner Anstellung voll oder nicht voll beschäftigt, ob er auf Kündigung oder definitiv, mit Ausschluß der Pensionsberechtigung oder als

pensionsberechtigt angestellt war, wenn er nur im Augenblicke seiner Pensionierung

Linführungsgesetz z. BGB.

536

ruhegehaltsberechtigt war.

2. Abschn. Verhältnis z. d. Aeichsgesetzen.

Ebensowenig trifft die Rüge des Bell, zu, daß das

OLG. durch seine Berechnung der Dienstzeit des Kl. den Grundsatz verletzt habe, daß an sich die Gesetze keine rückwirkende Kraft haben, denn nicht das OLG., sondern das Reichsbeamtenges. selbst hat seinen bezüglichen Vorschriften rückwirkende Kraft beigelegt.

814. Staatsdienftbegriff (§ 46).

II. 497/81 v. 21. 3. 1882. Die Frage,

oder

Bundesstaates

E. Bd. 6 Nr. 29 S. 105 (Straßburg, Kalmar).

ob jemand im Sinne des § 46 Ziff. 2 im Dienste eines der Regierung

eines

zu einem Bundesstaate gehörigen

Gebietes sich befunden habe, ist nicht auf Grund der Gesetze über die Beamten

(Dienerpragmatik) des betreffenden Partikularstaates, sondern nach den Prin­

zipien des Reichsrechtes zu beurteilen.

Es folgt dies aus dem Zwecke des

Reichsbeamtenges., ein einheitliches Recht für sämtliche Reichsbeamten zu schaffen,

aus dessen §§ 70, 71, worin auch betreffs erworbener Ansprüche der An­ wendung des partikulären Rechtes bestimmte Schranken gezogen sind, aus dem

letzten Absätze des § 46 und aus § 52.

Durch § 46 Abs. 2 in Verbindung

mit § 45 sind zu Gunsten der Reichsbeamten solche partikularrechtliche Be­ stimmungen beseitigt, wonach der eigentliche Staatsdienst oder das zur Pension berechtigende Beamtenverhältnis nicht schon mit dem Eintritte in den Dienst

für den Staat oder mit der Beeidigung für solchen beginnt, sondern erst von einem späteren Zeitpunkte — etwa der

landesherrlichen Bestallung — an,

nnd durch den § 52 werden prinzipiell Landesgesetze ausgeschlossen, wonach die im Kirchen-, Hofdienste u. dergl. Angestellten

in

Bezug

auf Pension

den

Staatsbeamten gleichgestellt sind. Das Reichsrecht enthält nun

zwar,

abgesehen

von

dem hier nicht in

Betracht kommenden § 359 StGB, keine Definition des Beamten, sondern nur

einzelne Vorschriften, bei welchen der Begriff vorausgesetzt wird; es ist daher unter Berücksichtigung dieser einzelnen Bestimmungen unter Anwendung all­ gemeiner Rechtsgrundsätze aus den gegebenen Tatsachen festzustellen, ob ein

Reichsbeamter im Sinne des § 46 Ziff. 2 sich im Dienste eines Bundesstaates befunden habe. 815. Gleichstellung von Reichs- «nd Staatsdienst bei Berechnung der Dienstzeit.

IV. 65/99 v. 12. 5. 1899. Es ist

IW. 1899 S. 442 Nr. 29.

eine organische bundesstaatliche Verbindung zwischen sämtlichen

deuffchen Einzelstaaten hergestellt, mit der es nicht vereinbar erscheint, in dem gegenseitigen Verhältnisse derselben von fremden oder ausländischen Staaten zu reden.

Dieser Verbindung hat seitdem auch die Gesetzgebung im Reiche und

in Preußen Rechnung getragen.

Insbesondere ist dies auf dem hier fraglichen

Gebiete der vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten geschehen, indem in einer Reihe von Gesetzen dem Reichs- nnd dem Staatsdienste die gleiche Geltung

zugesprochen ist. Dahin gehören u. a. das Reichsbeamtenges. v. 31. März 1873, §§ 46, 57, das Reichsmil.-Pensionsges. v. 27. Juni 1871 (Fassung des Ges.

v. 22. Mai 1893), § 107, wie das pr. Pensionsges. für die unmittelbaren

Staatsbeamten v. 27. März 1872, §§ 14, 27; denn nach diesen Vorschriften ist wesentlich gleichmäßig bestimmt, daß bei Berechnung der Dienstzeit auch die Zeit, während deren sich ein Beamter des Reichs im Dienste eines Bundes­ staats oder ein preußischer Beamter im Dienste des Reichs befunden hat, zur

Anrechnung kommen, andererseits die Pension so lange ruhen soll, als der pensionierte Beamte das

deutsche Jndigenat verliert oder im Reichs- oder

Staatsdienste ein anderweitiges, unter Hinzurechnung der Pension das frühere Diensteinkommen

übersteigendes Einkommen bezieht.

Angesichts dessen würde

auch ein etwaiges Bedenken, ob eine Anstellung in einem außerpreußischen

Bundesstaate dem Beamten die gleichen finanziellen Garantiern, wie eine An­

stellung in Preußen gewähren möchte, der Berechtigung entbehren.

Einen der

vorstehenden Auffassung entsprechenden Standpunkt hat bereits das ROHG.

(U. v. 11. Febr. 1876, Entsch. Bd. 19 S. 378) angenommen. 816. Teilnahme an einem Feldznge (g 49).

IV. 508/82 v. 29. 1. 1883.

IW. 1883 S. 84 Nr. 31.

Die Vorschrift des § 49 findet nach ihrem Schlußsätze im zweiten Alinea auf die Vergangenheit überhaupt keine Anwendung.

— der Satzstellung und

Nach der äußeren Fassung

der Druckweise — könnte es zwar den Anschein ge­

winnen, als ob sich die einschränkende Vorschrift über die zeitliche Anwendbar­ keit des § 49 nur auf den, im zweiten Alinea zum Ausdruck gekommenen Gedanken beziehe,

wonach die Bestimmung, ob eine militärische Unternehmung

als ein Feldzug anzusehen, der Entscheidung des Kaisers überlassen bleibt, nicht

auf die im ersten Alinea sanktionierte Anrechnung eines Kriegsjahres für die Teilnahme an einem Feldzuge; allein diese Annahme wäre unberechtigt und

dem Willen des Gesetzgebers zuwider. 817. Unterbrechung der Dienstleistung (§ 50).

IV. 395/97 v. 12. 5. 1898.

IW. 1898 S. 391 Nr. 22.

Die für die Beurteilung maßgebenden reichsrechtlichen Bestimmungen geben

keinen Anhalt dafür, daß es in der Absicht des Gesetzes liegt, grundsätzlich

diejenige Zeit, während welcher der Beamte seinen Dienst tatsächlich nicht aus­ übt, er, wie hier geschehen, beurlaubt wird, also eine Unterbrechung der Dienst­ leistung eintritt, der Anrechnung auf die Dienstzeit zu entziehen.

§ 50 sieht

den Fall eines Festungsarrestes oder einer Kriegsgefangenschaft besonders vor

und trifft unter Hinweis auf die für die Pensionierung der Militärpersonen geltenden

gesetzlichen

Bestimmungen

(§ 24

des

Reichsmil.-Pensionsges.

v.

27. Juni 1871, RGBl. S. 275) eine einschränkende Anordnung, inwieweit die

Zeit einer solchen Haft bei Bemessung der Dienstzeit anzurechnen sei.

Diese

538

Ginführungsgesetz 3. BGB.

2. Abschn. Verhältnis 3. d. Reichsgesetzen.

Vorschrift ist eine singuläre, die nur im gegebenen Falle Anwendung findet. Sie stellt sich als eine Ausnahmevorschrift dar, die als solche die Annahme rechtfertigt, daß im allgemeinen eine Unterbrechung der Dienstleistung den Lauf

Daß dies die Auffassung des Gesetzes ist, läßt

der Dienstzeit nicht aufhebt.

sich auch aus dem Wesen des Beamtendienstverhältnisses folgern.

818. Dienfttinkomme» im Reichs- oder Staatsdienste (§§ 57 ff.). IV. 132/91 v. 17. 9. 1891. (Berlin).

E. Bd. 28 Nr. 15 S. 80.

IW. 1891 S. 514 Nr. 18

Das BG. hat angenommen, ein Diensteinkommen im Reichs- oder Staats­ dienste könne nur derjenige beziehen, welcher Reichs- oder Staatsdiener, mithin im Reichs- oder Staatsdienst angestellt, also Beamter des Reichs oder Staats

sei.

Das Gericht findet diesen Sinn der Vorschrift schon in dem Wortlaute

des erwähnten § 57 klar ausgesprochen

und sieht ferner in den folgenden

§§ 58 und 59 eine Bestätigung seiner Auffassung insofern, als diese Vor­ schriften, von welchen der § 58 den Fall des Wiedereintritts in den Reichs­

dienst, der § 59 den Eintritt in den Staatsdienst betrifft, die Anwendungs­

fälle des § 57 erschöpfen.

Dieser Auffassung ist beizutreten.

819. „Grundsätze" des Bundesrats. IV. 46/97 v. 25. 11. 1897.

IW. 1898 S. 78 Nr. 44.

Vgl. Nr. 727 f.

Der Anspruch des Kl. hat, wie BG. zutreffend annnnmt, zur Voraus­

setzung, daß demselben während seines Probedienstjahres gesetzlich *]4 des etatsmüßigen Stelleneinkommens

eines Telegraphenassistenten

zugestanden hätten.

Die Existenz dieser Voraussetzung ist vom BG. aus der Erwägung verneint, daß die vom Bundesrat 1882 erlassenen Grundsätze für die Besetzung der

Subaltern- und Unterbeamtenstellen bei den Reichs- und Staatsbehörden mit

Militäranwärtern lediglich eine Instruktion für die Verwaltungsbehörden, nicht aber zugleich eine gültige Rechtsverordnung enthielten. nicht beigetreten werden.

Dieser Auffassung kann

Eingehend begründet.

Zu §§ 70, 71 vgl. II. 138/91 v. 22. 9.' 1891. IW. 1891 S. 476 Nr. 32.

820. Dienstenthebung (§§ 125 ff.). VI. 29/95 v. 22. 4. 1895.

E. Bd. 35 Nr. 11 S. 36 (Bremen, Hamburg).

... Die erste vorläufige Dienstenthebung des Kl. trat infolge seiner Ver­ haftung im gerichtlichen Strafverfahren kraft des Gesetzes ein (§ 125 Ziff. 1)

und dauerte bis zum Ablaufe des zehnten Tages nach Wiederaufhebung des Verhaftungsbeschlusses (§ 126 Abs. 1), mithin bis zum 26. Jan. 27. Febr. verfügte die oberste Reichsbehörde die Einleitung

Erst am

des förmlichen

Disziplinarverfahrens und beschloß anderweit, den Kl. vorläufig des Dienstes zu entheben.

Bekl. will diese zweite Dienstenthebung als Fortsetzung der während

des gerichtlichen Verfahrens eingetretenen Suspension betrachtet wissen. stehen aber die Vorschriften des Reichsbeamtengesetzes entgegen.

Dem

Die frühere

Suspension beruhte auf dem § 125 Ziff. 1; die spätere wurde gemäß § 127 angeordnet, indessen nicht rechtzeitig, sondern erst mehr als vier Wochen nach

Wiederaufhebung des Verhastungsbeschlusses.

Hier ist nun darüber nicht zu

entscheiden, ob eine im Disziplinarverfahren vor Ablauf der zehntägigen Frist

nach der Haftanfhebnng erfolgte Dienstenthebung als Aufrechthaltung der vorher

im gerichtlichen Strafverfahren stattgefundenen Dienstenthebung aufzufassen sei.

Jedenfalls aber kann dies nicht von einer Dienstenthebung gelten, welche erst nach Verfluß der zehn Tage ausgesprochen wird.

schriften, Abs. 2 Satz 3 § 126.

Letzteres folgt aus den Vor­

Danach soll für die im Abs. 1 erwähnte Zeit

von zehn Tagen die im § 128 vorgesehene Gehaltskürzung nicht eintreten,

„wenn nicht vor Ablauf derselben die Suspension vom Amte im Wege des

Disziplinarverfahrens beschlossen wird".

Läßt also

die oberste Reichsbehörde

die zehn Tage verstreichen, ohne die Fortdauer der Suspension zu beschließen,

so ist dem im Strafverfahren freigesprochenen Beamten das ihm innebehaltene

Gehalt nach § 130 Abs. 1 vollständig nachzuzahlen.

821. Vorläufige Dienstenthebung (§§ 128, 130). IV. 115/88 v. 22. 10. 1888. E. Bd. 22 Nr. 7 S. 41. (Münster, Hamm).

IW. 1888 S. 428 Nr. 16

Der Anspruch auf Nachzahlung des [bet Amtssuspensions iuuebehaltenen

Diensteinkommens

ist lediglich durch die Tatsache der Freisprechung des An­

geschuldigten bedingt, und solche liegt im gegenwärtigen Falle vor.

schauung des Bekl. steht auch die Sinne des

Gesetzes

entgegen.

Der An­

rechtliche Natur der Amtssuspension im

Die

Amtssuspension — vorläufige

enthebung — hat nicht den Charakter der Dienstentlassung.

Dienst­

Sie bezweckt nur,

den Beamten, der einer strafbaren Handlung oder eines Dienstvergehens be­ schuldigt ist, während des schwebenden Verfahrens von der Ausübung der Amts­

funktionen zu entbinden.

Der Beamte verbleibt also trotz der Suspension in

seinem Amte und behält den rechtlichen Anspruch auf sein volles Dienstein­ kommen.

Die Anordnung wegen der teilweisen Jnnebehaltung des letzteren ist

nur eine Arrestmaßregel, die dazu dient, den Fiskus sicher zu stellen wegen der

Untersuchungskosten und der Kosten der Stellvertretung, welche letztere der Be­ amte, wenn es zu seiner Bestrafung kommt, als durch seine Schuld verursacht

(abgesehen

von

dem Falle des § 130 Abs. 2) zu tragen

hat.

Aus solcher

Rechtslage folgt aber mit Notwendigkeit, daß, wenn der Beamte freigesprochen

und damit festgestellt wird, daß seine Suspension materiell nicht gerechtfertigt gewesen, ihm das innebehaltene Diensteinkommen ungekürzt nachgezahlt werden muß.

§ 130 Abs. 1 spricht die Verpflichtung des Fiskus zur Nachzahlung

des innebehaltenen Teiles

des Diensteinkommens

bei der Freisprechung des

Beamten unbedingt aus, ohne den Fall auszunehmen, wenn nach vorangegangener

rechtskräftiger Verurteilung des Beamten die Freisprechung auf Grund erwirkter Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgt, obgleich Anlaß gegeben war, dieser

540

Linführungsgesetz

BGB.

2- Abschn.

Verhältnis z. d. Reichsgesetzen.

Ausnahme, wenn sie beabsichtigt wurde, besonderen Ausdruck zu leihen, da in

den meisten der zur Zeit des Erlasses des Gesetzes in den Bundesstaaten gelten­ den StPO, ein dem Wiederaufnahme-Verfahren der RStPO. entsprechendes Verfahren vorgesehen war (vgl. Hahn, Materialien S. 261, 382 ff.).

Defektenbeschluß (§§ 141, 144).

822. IV. v. 5. 2.1885. Seuff. Bd. 40 Nr. 233 S. 244. Vgl. E. Bd. 12 Nr. 32 S. 143. § 144 bestimmt, daß gegen den

Defektenbeschluß dem Beamten sowohl

hinsichtlich des Betrages als hinsichtlich der Ersatzverbindlichkeit der Rechts­ weg zusteht. lich

Dadurch ist die Grenze der Zulässigkeit des Rechtswegs deut­

bezeichnet.

Gegenstand

der gerichtlichen

Entscheidung

sollen

nur

die

Fragen sein: ob und in welcher Höhe eine Verpflichtung des Beamten zum Ersatz materiell begründet sei? Wird die

erste Frage durch

das Gericht verneint,

so macht dies den

Defektenbeschluß allerdings materiell wirkungslos und insofern ist die gerichtliche

Klage gegen den Beschluß gerichtet.

Der Beschluß wird unausführbar, da das

richterliche Urteil seinen materiellen Inhalt beseitigt.

Auch dies beruht freilich

auf dem Fehlen einer gesetzlichen Voraussetzung für den Erlaß des Beschlusses, nämlich einer Handlung oder Unterlassung des Beamten, welche denselben nach dem Gesetz dem Fiskus zum Ersatz verpflichtet, allein diese Voraussetzung ist

ein Bestandteil der materiellen Begründung des Beschlusses.

Davon verschieden ist die Frage: ob die im § 141 angegebenen formellen und den dasselbe ab­

Voraussetzungen für das Defektenfeststellungsverfahren schließenden Defektenbeschluß vorliegen.

Diese Frage gehört nicht dem Privat­

recht, sondern dem publizistischen Verhältnis des Staats zu dem Beamten an.

Dieselbe kann nicht im Rechtswege, sondern nur im Wege der in § 144 Abs. 1 ausdrücklich erwähnten „Beschwerde im Jnstanzenzuge" erledigt werden.

Nur

der materielle Inhalt des Beschlusses, nämlich die Feststellung, daß dem Fiskus

an den Beamten ein Anspruch auf den festgesetzten Geldbetrag zusteht, betrifft das Privatrecht, privatrechtliche

und es kann daher der Richter darüber befinden, ob dieser

Anspruch

des

Fiskus,

welcher

freilich

verhältnis entspringt, nach den Gesetzen begründet ist.

aus

dem

Beamten­

Dies ist die Bedeutung

des § 144. Hiernach wird dem in Strieth. A. Bd. 17 S. 99 mitgeteilten Erk. beigetreten, welches vom OTrib. auf Grund der pr. V. v. 24. Jan. 1844 (auf welcher die betr. Satzungen des Reichsbeamtenges. wesentlich beruhen), erlassen ist; es werden

die davon abweichenden Ausführungen des neueren Erk. desselben Gerichtshofs v. 4. Sept. 1857 (Entsch. Bd. 36 S. 382) reprobiert.

823. VI. 27/92 v. 28. 4. 1892. IW. 1892 S. 315 Nr. 24, 25 (Hamburg). Hier handelt es sich um diejenige Klage, deren Anstellung nach § 144 in

^Verbindung mit § 28 Abs. 1 des Reichsbankges. zur erstrebten Beseitigung der

Rechtswirkung des Defektenbeschlusses des Reichsbankdirektoriums formell not­

wendig war, und für solche Klagen ist die ausschließliche Norm -gegeben in

§ 153

des Reichsbeamtenges.,

wonach,

die

falls

Abfassung

des

Defekten­

beschlusses durch die oberste Reichsbehörde geschehen ist, diese die Vertretung des

Reichsfiskus

übernimmt.

Bei der aus § 28 Abs. 1 des Reichsbankges.

folgenden entsprechenden Anwendung auf die Reichsbank ergibt sich, daß an

sich nur das Reichsbankdirektorium, welches nach § 2 der K. V. v. 19. Dez. 1875 unter B, I hier der „obersten Reichsbehörde" gleichsteht, und welches

im

vorliegenden

Falle

den

Defektenbeschluß

abgefaßt

hatte,

zu

verklagen

gewesen wäre. Die rechtliche Beurteilung der Sache gestaltet sich verschieden, je nachdem

man sich als die zu entscheidende Frage nur die denkt, ob die gesetzlichen Voraus­

setzungen für den vom Reichsbankdirektorium gefaßten Defektenbeschluß in der Tat gegeben gewesen seien, oder die, ob die vom Kl. bestellte Amtskaution über­

haupt für den entstandenen Defekt hafte.

Denn nicht in jedem Falle, wo ein

Reichsbeamter, bezw. Reichsbankbeamter für einen Defekt verantwortlich ist, ist nach § 141 Raum für einen von der zuständigen Behörde abzufassenden Defekten­

beschluß; vgl. Laband, Staatsrecht d. D. Reiches (Ausl. 2), Bd. 1 § 48, S. 459. Die Amtskaution aber haftet nach § 28 Abs. 1 und § 40 Abs. 1 des Reichs­ bankges. in Verbindung mit § 1 der K. V. betr. Pensionen u. Kautionen d.

Reichsbankbeamten, v. 23. Dez. 1875 und § 10 des RGes., betr. die Kautionen

der Reichsbeamten, v. 2. Juni 1869 der Reichsbank für alle vom Kl. aus

seiner Amtsführung zu vertretenden Schäden

und Mängel an Kapital und

Zinsen, sowie an gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Ermittelung

des Schadens, also nicht bloß für die durch Defektenbeschluß ihm zur Last zu

bringenden Beträge.

Faßt man nun die vorliegende Klage als nur auf An­

fechtung des Defektenbeschlusses als solchen im Sinne des § 144 abzielend auf,

so würde in Frage kommen, ob nicht der Beweis, daß der Defekt durch Arglist

oder grobes Versehen des Kl. verursacht sei, der Bekl. obliege,

und ob nicht

event, bei der Annahme des BG., daß ein solcher Beweis erbracht sei, die Ver­ letzung einer revisibeln Rechtsnorm im Spiele sei.

Gegenstand

Sieht man dagegen als den

des Rechtsstreites die Frage an, ob der Kl. überhaupt für den

fraglichen Defekt civilrechtlich zu haften habe, so kommt es

hervorgehobenen Punkte nicht an.

auf die soeben

Denn insoweit sind nur die allgemeinen

Grundsätze des maßgebenden bürgerlichen Rechtes über die Haftung eines Be­ amten für Sachen, die ihm und anderen Beamten gemeinsam zur Aufbewahrung und Bewachung anvertraut sind, in Anwendung zu bringen; dieses maßgebende

bürg. R. ist hier nach § 28 Abs. 1 des Reichsbankges. in Verbindung mit § 19 Abs. 1 des Reichsbeamtenges. das in Hamburg geltende gern. d. R., und nach diesem kann es keinem Bedenken unterliegen, daß jeder der beteiligten Beamten

für das Fehlende solidarisch ersatzpflichtig ist, insofern er nicht darlegt und be­

weist, daß dasselbe ohne sein Verschulden abhanden gekommen ist.

542

Einführungsgesetz z. BtSB.

2. Abschn. Verhältnis z. d. Aeichsgesetzen.

KK 149—155: Verfolgung vermögensrechtlicher Ansprüche. 824. II. 253/84 v. 14.11.1884. E. Bd. 12 Nr. 16 S. 71 (Straßburg, Kalmar). § 149 erklärt den Rechtsweg über vermögensrechtliche Ansprüche der Be­

amten aus ihrem Dienstverhältnisse „mit den in den nachfolgenden Paragraphen enthaltenen Maßgaben" für statthaft.

In § 155 wird sodann die Entscheidung der

Verwaltungsbehörde darüber, ob und von welchem Zeitpunkte an ein Beamter einst­ weilig in den Ruhestand zu versetzen fei, für die Beurteilung der vor dem Gerichte

geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche für maßgebend erklärt. Der klare,

unzweideutige Wortlaut dieser Bestimmung, welche zu den

„Maßgaben" gehört, auf welche der § 149 verweist, führt nun zu der Aus­ legung, daß damit den Gerichten die Nachprüfung darüber entzogen ist, ob die Verwaltungsbehörde aus zureichendem gesetzlichen Grunde und auf genügend festgestellte Tatsachen hin den Beamten aus seinem Anite entfernt, einstweilig

oder definitiv in den Ruhestand versetzt habe; denn maßgebend für die Be­

urteilung der geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche sind die ge­ dachten Entscheidungen nur, wenn für eben diese Beurteilung die Tatsache, daß

der Beamte, wie im gegebenen Falle, einstweilig in den Ruhestand versetzt sei, mit der rechtlichen Folge unanfechtbar feststeht, daß nur danach, d. h. also nur

auf der Grundlage, daß es sich um vermögensrechtliche Ansprüche eines einst­ weilig in den Ruhestand versetzten Beamten handele, der Umfang dieser An­

sprüche richterlich bestimmt werden soll. Bei der anderen Auslegung, welche in den Kreis der gerichtlichen Er­

der Rechtmäßigkeit des Ausspruches der Ver­

wägungen auch die Prüfung

waltungsbehörde zieht, wodurch der Beamte in einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist, nach welcher also das Gericht auch zuständig wäre, die vermögens­ rechtlichen Ansprüche auf der entgegengesetzten Grundlage festzusetzen, daß der Beamte mangels der rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen nicht in den einstweiligen Ruhestand habe versetzt werden dürfen, wäre der Ausspruch der

Verwaltungsbehörde für die Beurteilung der vermögensrechtlichen Ansprüche offen­ bar nicht maßgebend.

Schon an diesem Zusammenhänge der §§ 149—155

und an der aus dem klaren Wortlaute sich notwendig ergebenden Folgerung

muß jeder Versuch scheitern, dem § 155 eine die richterliche Zuständigkeit er­ weiternde Auslegung zu geben.

825. II. 230/91 v. 15. 12. 1891.

IW. 1892 S. 41 Nr. 12.

Die Entscheidung beruht auf der Annahme 1. daß gemäß § 155 die von der Verwaltungsbehörde getroffene Entscheidung, daß der Kl. nicht arbeits- und

dienstunfähig sei, für das Gericht maßgebend erscheine,

2. daß auch die aus

dem RG. v. 15. März 1886 hergeleiteten vermögensrechtlichen Ansprüche eines Be­ amten

gegen

den Fiskus

den Vorschriften

der §§ 149—155

des

Reichs-

beamtenges. unterworfen seien. In Bezug auf beide Rechtsfragen sind die Ausführungen des ÄG. für zutreffend zu erachten.

826.

I. 843/80 v. 24.11.1880.

E. Bd. 3 Nr. 28 S. 91 (Frankfurt a. M.)

Die Kündigung des Dienstes

ist keine Entfernung aus dem Amte im

Sinne des155, weil hierunter die im § 73 erwähnte Disziplinarstrafe zu verstehen ist.

Der Erlaß des Generalpostamtes enthält keine Entscheidung

darüber, ob Kl. in den Ruhestand zu versetzen, sondern nur darüber, ob ihm

eine Pension zu bewilligen sei; er enthält auch keinen Ausspruch darüber, ob Kl. dienstunfähig sei, da der Grund, weshalb dem Gesuch um Bewilligung eines Ruhegehaltes nicht zu entsprechen sei, nicht angegeben, mithin nicht ersichtlich

ist, ob die erbetene Pension wegen Mangels der im § 53 geforderten Nach­ weisung der Dienstunfähigkeit oder wegen der stattgehabten Kündigung oder

aus irgend einem anderen Grunde versagt worden ist.

827.

II. 233/96 v. 4.12. 1896.

E. Bd. 38 Nr. 79 S. 298 (Trier, Köln).

Zu erwähnen ist, daß § 155 im wesentlichen dieselben Bestimmungen ent­ hält, wie § 5 des pr. Ges. v. 24. Mai 1861.

Die §§ 149—155 sind dem

Ges. v. 24. Mai 1861 nachgebildet (Mot. z. Reichsbeamtenges. am Schlüsse).

Das Reichsbeamtenges. enthält aber auch in § 55 wörtlich dieselbe Vorschrift wie § 24 des Pr. Ges. v. 27. März 1872.

Es ist also auch im Reichs­

beamtenges. der Zeitpunkt, mit welchem der Beamte in Ruhestand versetzt werden soll, in gleicher Weise wie für Preußen genau bestimmt. in demselben Reichsbeamtenges. § 155 vor, daß lediglich

Gleichwohl schreibt die Verwaltungs­

behörde über den Zeitpunkt der Jnruhestandsetzung des Beamten zu entscheiden

habe.

Es besteht also bezüglich der hier zu entscheidenden Frage

(Zeitpunkt

der Pensionierung) für die deutschen Reichsbeamten derselbe rechtliche Zustand,

wie für die preußischen Beamten.

828.

IV. 282/93 v. 1. 2. 1894.

E. Bd. 32 Nr. 31 S. 120 (Glatz, Breslau).

Die Bestimmungen der §§ 149,152, 153, wonach über vermögensrechtliche Ansprüche der Reichsbeamten aus ihrem Dienstverhältnisse der Rechtsweg zu­ gelassen, und die Entscheidung in letzter Instanz dem ROHG. übertragen ist,

finden

in Gemäßheit des § 157 auf Soldaten nur in dem hier nicht vor­

liegenden Falle eines Defektenverfahrens (§§ 134—148) Anwendung. Ebenso IV. 431/93 v. 21. 5. 1894. E. Bd. 33 Nr. 109 S. 410 (Berlin) u. IV. 240/92 v. 17.12.1894. E. Bd. 34 Nr. 111 S. 419 (Berlin).

829. Ausschlndfrist. VI. 150/93 v. 25. 9.1893. (Dresden).

E. Bd. 31 Nr. 23 S. 130.

Als endgültige Entscheidung

IW. 1893 S. 504 Nr. 20

erscheint die Entscheidung,

welche in ab­

schließender Weise den Pensionsanspruch in der Weise festsetzt, daß aus der­ selben mit voller Bestimmtheit der gewährte Betrag und der Ausschluß ander­

weitiger Regelung im ordentlichen Verwaltungsinstanzenzug hervorgeht.

setzt voraus,

Dies

daß die oberste Verwaltungsbehörde einen Endbescheid erlassen

544

«Änführungsgesetz z. BGB.

hat.

Demgemäß ist aber auch schon dieser den Pensionsbetrag festsetzende und

denselben

dem

Berechtigten

2. Abschn. Verhältnis z. d. Reichsgesetzen.

kundmachende

Bescheid

der

obersten

Militär­

verwaltungsbehörde die endgültige Entscheidung, von deren Bekanntmachung die

Ausschlußfrist läuft.

Wie das ROHG. hinsichtlich der in § 150 für die Klage­

erhebung festgesetzten, von der Eröffnung der Entscheidung der obersten Reichs­ behörde an laufenden Ausschlußfrist (Entsch. v. 21. Febr. 1879, Bd. 24 S. 411)

erörtert hat,

steht es dem Beteiligten

nicht zu,

den Beginn der Frist durch

an keine Zeitschranke gebundene Bitten oder Anträge hinauszuschieben. Zik § 159 und der A«sführ«ngs-B. t>. 23.11. 1874 vgl. III. 163/87 v. 9. 3. 1888. E. Bd. 20 Nr. 34 S. 151 (Kassel), s. o. S. 9 Nr. 13.

Art. 44, 45.

Reichsmilitärgesetz.

830. Dauernder Aufenthalt (§ 11).

StrS. III. 3265/88 v. 4. 2. 1889.

IW. 1889 S. 102 Nr. 7.

Vgl. Nr. Iss.

Die Entsch. darüber, ob der ehemalige Reichsangehörige bei seiner Rückkehr

in Deutschland einen „dauernden" Aufenthalt genommen

hat, muß erfolgen

unter Berücksichtigung der damals bei der Aufenthaltsnahme erkennbar in die Erscheinung getretenen Absichten des Betreffenden nach Maßgabe der objektiv

vorliegenden Verhältnisse des Zurückgekehrten, wie sie sich nach der Rückkehr gestaltet haben.

In Zweifelsfällen ist es

auch gestattet, aus der Dauer des

tatsächlich abgelaufenen Aufenthalts Rückschlüsse zu ziehen auf die entscheidende Absicht des Betreffenden, wie sie bei Beginn der Aufenthaltsnahme gestaltet war.

831. Benachteiligung von Gerichtsvollziehern dnrch Einberufung (8 66). IV. 371/84 v. 5. 3. 1885. (Magdeburg, Naumburg).

E. Bd. 13 Nr. 13 S. 35.

IW. 1885 S. 160 Nr. 16

Die allgemeine Zusicherung des § 66 Abs. 1, daß die Beamten durch ihre

Einberufung zum Militärdienste in ihren bürgerlichen Dienstverhältnissen keinen

Nachteil erleiden sollten, wird im Abs. 2 dahin bestimmt, daß denselben ihre Stellen, ihre Anciennität und ihr persönliches Diensteinkommen, sowie alle sich

daraus ergebenden Ansprüche gewahrt bleiben sollen.

Es wird daher in jedem

einzelnen Falle zu prüfen sein, auf welches Einkommen der betroffene Beamte

gegenüber dem Reiche, Staate oder der Gemeinde, von der er angestellt ist, nach Maßgabe der bezüglichen allgemeinen Vorschriften oder seines speziellen

Dienstvertrages einen begründeten Anspruch hat, wie denn auch der letzte Abs. des § 66 die näheren Bestimmungen hierüber den einzelnen Bundesregierungen überlassen hat.

In dieser Beziehung steht dem Klaganspruche nicht schon der

Umstand entgegen, daß die Ger.-Vollz. ihr amtliches Einkommen in erster Reihe

nicht aus der Staatskasse erhalten, da nach § 11 des StaatsminBeschl. v. 22. Jan. 1831 hierauf allein nichts ankommt.

Als entscheidend ist aber an­

zusehen, daß den zunächst auf den Bezug der Gebühren für ihre Amtshandlungen

angewiesenen spr.j Ger.-Vollz. vom Staate z. Z. nur ein Jahreseinkommen von

Art. H6.

Personenstandsgesetz.

§§ (ff.

545

1800 Mk. gewährleistet ist, auf welches das gesamte Diensteinkommen, mit

Ausschluß der Vergütungen für bare Auslagen, zur Anrechnung kommt (§§ 23, 27 der pr. Gelc.-VollzO.).

Es muß angenommen werden, daß sich auf diesen Betrag

die Haftung des Staates auch im Falle des § 66 beschränkt.

Denn nach dieser

Vorschrift steht dem zum Militärdienste einberufenen Beamten nicht ein Anspruch

auf Ersatz jedes durch die Einberufung erlittenen Schadens, sondern nur ein solcher auf den Fortbezug seines Diensteinkommens zu, und letzteres ist für die Ger.-Vollz., soviel deren Anspruch an den Staat anlangt, auf den Jahresbetrag von 1800 Mk. fixiert. Über diesen Betrag hinaus hat Kl. einen Anspruch

all die Staatskasse aus dem Dienstverhältnisse überhaupt nicht (vgl. auch § 14

des StaatsminBeschl. v. 22. Jan. 1831 vo. „fixierte Besoldung").

Der § 66

a. a. O. verleiht aber nicht neue Ansprüche, sondern will nur die bestehenden wahren. Zu 8 74 (Wohnsitz): vgl. IW. 1883 S. 135; BGB. § 9 u. Art. 32.

Art 46. 832. Standesbeamter.

Personenstandsgesetz.

Gemeindebeamter (§§ 4 ff.).

IV. 326/96 v. 29. 3. 1897.

E. Bd. 39 Nr. 66 S. 262 (Erfurt, Naumburg).

... Die durch den Gemeindevorstand unter Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde ernannten besonderen Standesbeamten sind allerdings nach

§ 4 Abs. 4 Gemeindebeamte.

Sie sind dies aber nur in ihrer Eigenschaft als

Standesbeamter, und zwar auf Grund der Bestimmung des gedachten RGes.,

welches daneben in § 5 ausspricht, daß die durch die höhere Verwaltungs­ behörde erfolgte Genehmigung zur Bestellung jederzeit widerruflich ist.

Macht

die Verwaltungsbehörde von diesem Widerrufsrechte Gebrauch, so erledigt sich

damit das

Amt des

besonderen Standesbeamten.

Dem BG. muß deshalb

darin beigetreten werden, daß Kl., welcher in solcher Weise, infolge eines die

Genehmigung zu seiner Bestellung widerrufenden Oberpräsidialerlasses,

aus

seiner standesamtlichen Stellung geschieden ist, die Eigenschaft eines Gemeinde­

beamten gleichzeitig mit dem ihm übertragen gewesenen Amte verloren hat, und daß er sich demgegenüber für die von ihm behauptete Fortdauer seiner Gemeinde­ beamtenqualität auf die Vorschrift des § 56 Ziff. 6 der StädteO. v. 30. Mai

1853 nicht berufen kann, weil er von dem Gemeindevorstande nur als Standes­ beamter mit der sich aus § 5 ergebenden Beschränkung angestellt worden war.

Dieser Auffassung steht auch die Entstehungsgeschichte der hier in Frage kommenden Bestimmungen des RGes. nicht entgegen. 833. Falsche Beurkundung (§§ 1, 13, 15). StrS. I 448/89 v. 28. 3. 1889,

IW. 1889 S. 200 Nr. 80.

Das Gesetz betrachtet, wie sich aus den §§ 1, 13 und 15 das. ergibt, als rechtlich erhebliche Tatsachen nicht bloß die allerdings in erster Linie in Betracht kommenden Tatsachen der Geburt, der Verehelichung und des Todes an sich,

sondern auch diejenigen Tatsachen, deren Beurkundung aus dem Grunde vorNudorff, Rcichsgcrichts-Entscheidungcn.

Bd. I.

35 -

546

Linführungsgesetz z. BGB.

2. Abschn. Verhältnis z. d. Aeichsgesetzen.

geschrieben ist, weil durch sie eine Garantie für die Richtigkeit der erstgenannten

Tatsachen gewonnen werden wollte.

Hierher gehören

insbesondere die Tat­

sachen, daß die mündliche Anzeige von einer Geburt und einem Sterbefall von dem beurkundenden Standesbeamten entgegengenommen, daß vor ihm die hier­ über im Register niedergelegte Eintragung den Anzeigenden vorgelesen, vo>r

ihnen als mit der mündlichen Anzeige übereinstimmend genehmigt und wenn möglich unterzeichnet wird.

Vgl. Entsch. in Strass. Bd. 13 S. 116 ff.

Eine

von dem Standesbeamten bezüglich dieser Tatsachen vorsätzlich begangene falsche

Beurkundung fällt daher auch in dem Falle, wenn die beurkundete Tatsache

der Geburt oder des Sterbefalles rc. an sich der Wahrheit entspricht, unter den § 348 Abs. 1 StrGB.

834. Intellektuelle Urkundenfälschung (§§ 17, 25, 26). StrS. I 1940/89 v. 28. 1. 1889. IW. 1889 S. 472 Nr. 28. Neben einem Vergehen in Beziehung auf den Personenstand ideell kon­

kurrierend liegt nicht eine intellektuelle Urkundenfälschung nach § 271 StrGB. vor, wenn der Eheniann vor dem Standesamte, vor welchem seine Ehe ge­

schlossen ist, nachträglich sich zur Vaterschaft des von ihm in Wirklichkeit nicht

erzeugten, von seiner Ehefrau vor der Eheschließung unehelich im Bezirke eines anderen Standesbeamten

geborenen

Kindes

bekennt, dessen

Geburt in

das

Geburtsregister des Standesamts seines Geburtsorts eingetragen ist, und diese Anerkennung der Vaterschaft vor dem Standesamt der Eheschließung beurkunden läßt.

des

Die selbständige Beurkundung der Vaterschaft in dem Geburtsregister letzteren

kann

nicht

als

ordnungsmäßig

vollzogener Eintrag angesehen

werden und auch nicht als Grundlage zu einem Vermerk in dem Geburts­

register desjenigen Standesamtes dienen, vor loelchem die Geburt des Kindes beurkundet ist.

835. Öffentliche Urkunde (§§ 1, 12, 14, 17, 19).

StrS. IV. 386/85 v. 3. 3.1885. IW. 1885 S. 234 Nr. 21. Eine in das Standesregister eingetragene Erklärung, welche in Abwesenheit des Standesbeamten von einer zu dessen Vertretung nicht befugten Person entgegen genommen und eingetragen ist, bildet keine öffentliche Urkunde, wenn

sie auch nachträglich vom Standesbeamten unterzeichnet wurde.

836. Eintragung (§ 22). StrS. III. 1442/87 v. 13. 7. 1887. IW. 1887 S. 401 Nr. 23. Die Feststellung der Straße und des Hauses einer Stadt, in welcher eine zum Standesregister anzumeldende Geburt erfolgt ist, kann nicht als rechts­ unerheblich

behandelt werden.

Als Vorsatz einer hierüber eine falsche Be­

urkundung bewirkenden Person genügt das Bewußtsein, daß der beurkundende Beamte die genaue Angabe des Orts für rechtserheblich hält.

837. Eidesstattliche Versicherung (§ 27).

StrS. II. 3049/88 v. 28. 12. 1888.

IW. 1889 S. 94 Nr. 15.

Dem Standesbeamten steht nicht die Befugnis zu, in einem die Beurkundung einer Geburt bezweckenden Verfahren — speziell behufs einer gemäß §§ 27

und 81 vorzunehmenden

nachträglichen

Beurkundung

von Geburtsfällen —

eidesstattliche Versicherungen abzunehmen.

S. dagegen § 45. 838. Versicherung an Eidesstatt (§ 45).

StrS. II 2895/85 v. 11. 12. 1885.

IW. 1886 S. 105 Nr. 15.

Die wissentlich falsch abgegebene Versicherung an Eidesstatt von einem

Beamten in einem Falle, in welchem gesetzlich eine solche Versicherung gestattet ist, ist strafbar, ohne daß der Strafrichter zu prüfen hat, ob nach den tatsäch­ lichen Umstünden die Abnahme der Versicherung geboten war. 839. Stand (§ 59).

StrS. I 954/87 v. 21. 5. 1887.

IW. 1887 S. 403 Nr. 8.

Unter „Stand" ist nach § 59 Ziff. 1 nicht der Familienstand, sondern der Berufsstand

zu verstehen.

Deshalb ist es straflos,

wenn eine getrennt

lebende Ehefrau bei der Anzeige des Todesfalls eines Kindes vor dem Standes­ amte sich als Witwe bezeichnet. Kirchliche Trauung (§ 67. Vgl. BGB. § 1588).

840.

StrS. II 2071/87 v. 11. 11. 1887.

IW. 1887 S. 65 Nr. 15.

Ein Religionsdiener, welcher zu den religiösen Feierlichkeiten einer Ehe­ schließung schreitet, nachdem ihm nachgewiesen ist, daß die Ehe im Auslande

in einer dort gültigen Weise geschlossen worden war, ist nicht strafbar.

Als

Vorsatz einer nach § 67 strafbaren Tat genügt das Bewußsein mangelnden Nachweises. 841.

StrS. I 1966/90 v. 16. 10. 1890.

IW. 1890 S. 401 Nr. 6.

Allerdings reicht der gute Glaube des Geistlichen betreffs Abschlusses der Ehe vor dem Standesbeamten nicht hin, ihn straflos zu machen, aber anderer­ seits ist, um ihn bestrafen zu können, das Bewußtsein erforderlich, daß ihm

der Nachweis des Abschlusses einer bürgerlich gültigen Ehe nicht erbracht sei. Genehmigung der Militärbehörde (§ 69). 842.

StrS. Pl Bcschl. 1834/86 v. 13. 11. 1886.

IW. 1887. S. 35 Nr.'12.

Ein Standesbeamter ist nach § 69 strafbar, wenn er unter vorsätzlicher

oder fahrlässiger Außerachtlassung der Vorschriften, welche die Ehe der Militär­

personen von einer Erlaubnis abhängig machen, die Eheschließung einer Militär­ person vollzieht.

548

Linführungsgesetz z. BGB.

2. Abschn. Verhältnis z. d. Reichsgesetzen.

843. StrS- II 1834/86 v. 10. 12. 1886. IW. 1887 S. 35 Nr. 13. Zur Eheschließung eines in seine Heimat beurlaubten Ersatzreservisten ist die militärbehördliche Genehmigung erforderlich.

844. StrS. II 1834/87 v. 11. 11. 1887. IW. 1887 S. 512 Nr. 12. Der die Eheschließung bewirkende Standesbeamte haftet für die Prüfung

der Zulässigkeit der Eheschließung, auch wenn sein Stellvertreter das Aufgebot

angeordnet hatte.

845. Aushebung der ehelichen Gemeinschaft (§ 77 Abs. 1). I. 85/87 v. 4. 6. 1887.

IW. 1887 S. 317 Nr. 21.

Beständige Trennung kann von dem anderen Ehegatten wegen Ehebruchs desselben ohne Lösung des Ehebandes ebensowenig durch Einrede gegen die Klage desselben auf Wiederherstellung des ehelichen Lebens wie durch Klage auf Gestattung der Trennung erreicht werden.

Ehebruchs

Der Ehegatte, welcher wegen

des anderen die Auflösung der Ehe verlangen könnte, aber von

diesem Rechte keinen Gebrauch macht, bleibt bei Aufrechterhaltung der Ehe den

für ihn

Recht,

daraus entspringenden Pflichten unterworfen

die Wiedervereinigung

und hat deshalb kein

mit dem anderen Ehegatten anders

als durch

Erwirkung der Scheidung oder der einstweiligen Gestattung des Getrenntlebens während des Scheidungsprozesses zu verhindern.

Wollte man dies nicht an­

nehmen, so würde, wie das OAG. Wiesbaden (Seuff. A. Bd. 16 Nr. 52) zu­

treffend ausführt, der mit dem Wesen der Ehe unvereinbare Rechtszustand eintreten, daß die Ehe nach wie vor in allen Beziehungen bestehen bliebe und dennoch die Lebensgemeinschaft der Ehegatten aufgehoben wäre.

Vgl. aber BGB. §§ 1576 s.

846. Wirksamkeit für Ausländer. II. 352/88 v. 4. 1. 1881.

E. Bd. 3 Nr. 14 S. 29.

IW. 1881 S. 35 (Dresden).

§ 77 weist die Gerichte an, fortan die Auflösung des Bandes der Ehe

auszusprechen, wenn nach dem bisherigen Rechte auf beständige Trennung der Ehegatten von Tisch und Bett zu erkennen sein würde.

Damit ist für das

ganze Deutsche Reich die lebenslängliche Trennung von Tisch und Bett ab­

geschafft mit der Maßgabe, daß an deren Stelle, sofern nur ein deutsches Gericht zuständig ist, überall eine Auflösung des Ehebandes zu treten hat; gleichviel ob die streitenden Ehegatten Deutsche oder Ausländer sind.

So das

Gesetz auszulegen, erfordert a) der Wortsinn.

Die Vorschrift lautet ganz allgemein: sie unterscheidet

nicht zwischen Deutschen und Ausländern.

Allerdings läßt sich der Ausdruck

„bisheriges Recht" nur auf das inländische Recht beziehen.

Darunter sind

jedoch nicht bloß die für Inländer gegebenen eherechtlichen Bestimmungen be­ griffen, sondern auch Satzungen, welche, dem sogenannten internationalen Privat­

rechte angehörig, die von deutschen Gerichten abzuurteilenden ehelichen Ver-

hältnisse von Ausländern betreffen. Ein Jnlandsgesetz, welches den Richter verpflichtet, die zwischen Ausländern anhängigen Ehestreitigkeiten nach dem im Heimatsstaat des Ehemannes geltenden Rechte zu entscheiden') und demzufolge immerwährende Trennung der Eheleute von Tisch und Bett anzuordnen, ist

nicht minder „bisheriges Recht", wie ein Jnlandsgesetz, in dessen Befolgung zwischen Inländern die nämliche Anordnung zu treffen war. Beiderlei Gesetze

sind durch § 77 Abs. 1 abgeändert. Gesetze der ersten Gattung sind es insoweit, als sie neben dem Reichsgesetze nicht fortbestehen können. Diese international­ rechtlichen ^Bestimmungen behalten ihre Kraft, soweit sie die Statthaftigkeit der Eheauflösung von dem ausländischen Rechte abhängig machen. Dasselbe ent­

scheidet fernerhin noch darüber, ob die eheliche Verbindung der Parteien zu trennen sei. Umstände, denen die Wirkung der Scheidung im Heimatlande des Ehemannes abgesprochen, im Jnlande beigelegt ist, führen nicht zur Scheidung. Umgekehrt hat der Richter auf Grund von Tatsachen, welche das Auslandsrecht als Scheidungsgründe gelten läßt, mit der Ehescheidung vorzugehen ohne Rück­ sicht darauf, wie daL Jnlandsrecht den gleichen Fall behandelt. Nur soll da Scheidung vom Bande erfolgen, wo das einschlagende Auslandsgesetz bloße Trennung von Tisch und Bett verstattet. Hierdurch ist das materielle Ehe­ recht insofern umgestaltet worden, als für alle bei deutschen Gerichten Recht suchenden Ehegatten der nämliche Vorgang, welcher ehedem die beständige Trennung von Tisch und Bett nach sich zog, vom Inkrafttreten des RG. ab eine Scheidung dem Bande nach bewirkt. Diese Auffassung entspricht ferner noch

b) der offenkundigen Absicht des Gesetzgebers. Alle älteren staatsgesetzlichen Vorschriften, welche katholischen Ehegatten gegenüber die Ehe für unauflöslich erklärten und nur die Trennung von Tisch und Bett auf Lebenszeit als Mittel zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft darboten, standen unter dem Einflüsse kirchlicher Lehrsätze. Davon hat die weltliche Gesetzgebung befreit; das dem Dogma einer einzelnen Kirche entnommene Hindernis der Ehebandslösung hat entfernt werden sollen im Einklänge damit, daß das bürgerliche Eheschließungsrecht gleichfalls ohne Berücksichtigung kirchlicher Lehren geregelt worden ist. Die Mot. zu § 76 des Entw. (Stenogr. Ber. 1874/75 Bd. 4 S. 1054) bezeichnen dies ausdrücklich als Zweck des Gesetzes. Ebenso ist bei der Beratung des Gesetzes im Reichstage wiederholt (Stenogr. Ber. Bd. 2 S. 1086, 1087,

1253) hierauf hingewiesen worden. Augenscheinlich würde aber der be­ merkte Zweck nur unvollkommen erreicht sein, wenn die Vorschriften in § 77

nicht auch in Ehestreitigkeiten zwischen Ausländern Anwendung finden sollten. Obwohl die Anwendbarkeit des Gesetzes auf Ausländerehen weder in den

Motiven, noch bei den Reichstagsverhandlungen zur Sprache gekommen ist, gebricht es doch an einem durchschlagenden Grunde, derartige Streitverhältnisse dem §

77

nicht zu unterstellen.

') Art. 17 EG. z. BGB.

Eine Vermutung für den gegenteiligen

550

Ginführungsgesetz z. BGB. 2. Abschn

Verhältnis z. d. Reichsgesetzen.

Willen des Gesetzgebers läßt sich aus den von der Vorinstanz angedeuteten Unzuträglichkeiten nicht herleiten. Daß der Ausländer, dessen Ehe ein deutsches

Gericht, den Gesetzen seines Heimatlandes zuwider, dem Bande nach geschieden hat, Gefahr läuft, in seinem Staate als

nicht geschieden behandelt, bei einer

Wiederverheiratung vielleicht sogar strafrechtlich verfolgt zu werden, daß ferner

das Jnlandsgesetz dem Ausländer die Möglichkeit einer Umgehung der ihn verpflichtenden Gesetze des Heimatsstaates gibt, alles das ist nicht zu verkennen.

Immerhin erlangt der Ausländer durch das Scheidungsurteil des deutschen Gerichts soviel, daß seine Ehe innerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs

als gelöst betrachtet wird; und das kann ihm nach Befinden genügen. Ebenso II. 461/83 v. 22. 4. 1884.

E. Bd. 11 Nr. 9 S. 29 (Leipzig, Dresden).

§ 77 Ms. 2. 847. VI. 153/93 v. 9. 10.1893. E. Bd. 32 Nr. 3 S. 17 (Plauen-Dresden). § 77 Abs. 2 gibt eine mit dem ersten Absätze zusammenhängende Übergangs­

vorschrift.

Dem vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erlassenen Urteile auf be­

ständige Trennung von Tisch und Bett wird die Kraft eines Scheidungsurteiles

verschafft, demnach den rechtskräftig von Tisch und Bett getrennten Ehegatten

die Möglichkeit der Wiederverheiratung eröffnet. Es handelt sich bei Abs. 2 um ein Ausnahmegesetz; von der Regel, daß

rechtskräftige Urteile den darin geordneten Rechtszustand unabänderlich fest­ stellen, gestattet das Gesetz eine Abweichung.

Diese Abweichung gilt von den

inländischen Urteilen, darum aber nicht ohne weiteres auch von den im Aus­ lande ergangenen.

Letztere beruhen auf einer anderen,

Vorschriften nicht übereinstimmenden Gesetzgebung.

mit den inländischen

Jedenfalls aber geht aus

dem Gesetze selbst klar hervor, daß es sich nur auf Urteile deutscher Gerichte bezieht.

Bei den Worten:

„Ist vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz in

Kraft tritt, auf beständige Trennung von Tisch und Bett erkannt worden,"

kann nur an das deutsche Rechtsgebiet gedacht worden sein, in welchem eine beständige Trennung von Tisch und Bett bisher möglich war, fortan jedoch

durch § 77 Abs. 1 ausgeschlossen ist. Sollte §77 Abs. 2 auch auf Erkenntnisse aus anderen Rechtsgebieten Anwendung finden, in denen, wie in Österreich, auch jetzt noch die beständige Trennung von Tisch und Bett verfügt werden

kann, so würde die Beschränkung des § 77 Abs. 2 auf Erkenntnisse, welche vor

dem Inkrafttreten des Gesetzes gesprochen sind, keinen Sinn geben.

Denn für

diese Beschränkung fehlte, wenn Urteile außer-deutscher Gerichte dem Gesetze mit unterstellt werden, jeder Grund.

848. 107/83 v. 1. 6. 1883. E. Bd. 9 Nr. 20 S. 98. Gr. Bd. 1884 S. 199 Nr. 29 (Dresden). Die Annahme des BG., daß die Vorschrift im § 77 Abs. 2 auf Ehe­

trennungen der vorliegenden Art keine Anwendung finde, verstößt nicht gegen das Gesetz.

Nach der Behauptung des Kl. sind er und seine Ehefrau zwar

für immer von Tisch und Bett getrennt worden, aber nicht durch richterliches Erkenntnis, sondern gemäß §§ 103 ff. des österr. Allg. BGB. durch Vertrag, im Wege freier, wennschon unter Mitwirken des Gerichtes, zustande gekommener Vereinbarung. Mag immerhin der Ausspruch des Gerichtes, welcher die von beiden Teilen verlangte Trennung bewilligte, nach österreichischen Gesetzen dieselbe Rechtswirkung haben, wie das auf einseitiges Verlangen erlassene Trennungsurteil und sollte selbst der Grund jener reichsgesetzlichen Vorschrift dafür sprechen, die einverständlich von Tisch und Bett getrennten Ehegatten ebenso zu behandeln, wie die durch Urteil getrennten, so wird doch die vertrags­ mäßige Ehetrennung von den Worten des Gesetzes nicht getroffen. Die Worte lassen keinen Zweifel über die beschränkte Tragweite der gesetzlichen Bestimmung. Das Gesetz erfordert ein Trennungsurteil, somit einen förm­ lichen Richterspruch, welcher nur in streitigen Rechtssachen erteilt wird. Die richterliche Bestätigung eines Vertrages gehört dagegen zu den Gegenständen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit, fällt also nicht unter den zweiten Absatz des § 77. 849. StrS. IV. 311/88 v. 14. 2. 1889.

IW. 1889 S. 132 Nr. 10.

Daß in § 77 Abs. 2 mit den Worten „vor dem Tag, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt," der in § 79 des Gesetzes festgesetzte Tag, d. i. der 1. Jan. 1876 gemeint ist, kann nicht bezweifelt werden. Art. 47.

Wuchergesetz.

Vgl. bei BGB. § 138 Abs. 2 Nr. 114 u. 115. 850. Auslegung des aufgehobenen Art. 3, jetzt BGB. §§ 134, 138.

II. 146/84 v. 27. 5. 1884.

E. Bd. 11 S. 191 Nr. 38 (Düsseldorf, Köln).

Durch die Urkunden wird nämlich eine fällig gewesene Forderung des Kl. von 3500 £ gegen Erhöhung ihres Betrages auf 4800 £ gestundet und stellt BG. unangefochten fest, daß dieser Prolongationsvertrag ein wucherliches Geschäft sei, indem Kl. die augenblickliche Not- und Zwangslage des Bekl. ausgebeutet habe; es kann auch darüber kein Zweifel sein, daß der Vorteil, welchen sich Kl. für die Stundung zusichern ließ, sich als ein übermäßiger im Sinne von Art. 1 bezw. §§ 302 a, 302 b StGB, darstellt. Dieses Stundungsgeschäst und die aus Grund desselben vom Bekl. aus­ gestellten Urkunden sind demnach gemäß (Art. 3 des Ges.) [§§ 138,139 BGB.j ungültig, und zwar ihrem ganzen Inhalte nach. Dies ergibt sich nicht nur aus dem klaren Wortlaute des Ges., sondern auch aus dessen Mot., welche S. 15,16 ausdrücklich hervorheben: „Indem (er, Art. 3) [§ 138 BGB.j aus­ spricht, daß Verträge, welche gegen die §§ 302 a, 302 b verstoßen, ungültig sind, läßt (er) [§ 139 BGB.j zugleich, was den Bestand des Vertrages als solchen betrifft, eine Teilung des einheitlichen Rechtsgeschäfts nach dem das Kapital betreffenden Inhalte nicht zu.

552

2. Abschn. Verhältnis z. d. Reichsgesetzen.

Linführungsgesetz z. BGB.

851. I 133/83 v. 28. 3. 1883. E. Bd. 8 Nr. Nr. 24 ®. 98. (Berlin). Vgl. Art. 82 WO.

IW. 1883 S. 186 Nr. 29

Da die Wechselverbindlichkeit nicht aus dem Rechtsgeschäfte, welches die

Wechselerklärung veranlaßt hat, sondern aus dem in Wechselform ohne Angabe

des Schuldgrundes gegebenen Zahlungsversprechen entspringt, so zieht auch die Ungültigkeit jenes Rechtsgeschäfts, selbst wenn sie auf einem gesetzlichen Verbote

desselben beruht, die Ungültigkeit der Wechselobligation nicht nach sich.

Ein

in Ausführung eines tvucherlichen Vertrags formgerecht ausgestellter Wechsel begründet mithin eine gültige und klagbare Wechselforderung.

Es kann jedoch

unter den Voraussetzungen der § 82 WO. der Wechselklage die Einrede des

Wuchers entgegengesetzt werden,

da

(nach Art. 3 Abs. 2) die Rückgabe des

Wechsels gefordert, mithin auch vor Rückgabe des Wechsels der darauf gestützten

Klage durch Einrede begegnet werden kann.

Art. 48, 49. 852. III. 197/83 v. 2. 11. 1883.

Es ist außer Streit, daß G.

Kurhessen

Reliktengesetze.

E. Bd. 10 Nr. 21 S. 82 (Kassel).

einen Pensionsanspruch

Vgl. Nr. 889.

zur Zeit der Toxischen Postverwaltung in von

jährlich

400 Mk.

für seine Hinter­

bliebenen erworben und diesen Anspruch als sein wohlerworbenes Recht beim Übergange Kurhessens auf den preußischen Staat behalten hat. Hieraus folgt, daß,

wenn Preußen in der Folge ein Pensionsgesetz eingeführt hätte, nach welchem die Hinterbliebenen des G. eine geringere Summe als 400 Mk. erhalten würden, jener

Anspruch dadurch in Kraft getreten wäre, daß die G.schen Relikten die Ergänzung

der Summe bis zu dem eben genannten Betrage verlangen könnten.

Keineswegs

aber würde der von G. erworbene Anspruch dazu geführt haben, daß seine Relikten

ohne weiteres die frühere Pension neben der neuen preußischen zu fordern gehabt

hätten.

Denn eine Garantie, wie sie der preußische Staat gegenüber den vormals

Taxisschen Postbeamten übernommen hat, ist nur dahin zu verstehen, daß in dem

neuen Dienstverhältnisse, in welches die Beamten eintreten, die von ihnen bereits erworbenen Pensionsansprüche ungemindert zu verbleiben haben.

Wenn und

soweit daher in dem neuen Dienste Witwen- und Waisengelder verabreicht werden, insoweit erschöpft sich das im früheren Dienste erworbene Recht, und der be­

treffende Anspruch des Beamten fällt, weil befriedigt, ganz oder teilweise hinweg. Wie auf den preußischen Staat, so müssen die vorstehenden Grundsätze

auch auf das Deutsche Reich in seinem Verhältnisse zu dem verstorbenen Ehe­ manne der Klägerin zutreffen.

Art. 54. Festungs-Rayongesetz. 853. Matzgebender Zeitpunkt für die Entschädigung (§ 35).

II. 115/89 v. 2. 7.1889. E. Bd. 24 Nr. 5 S. 29. IW. 1889 S. 327 Nr. 10 (Köln).

Der Sinn des § 35 unter Abs. 1 und 2 ist dahin festzustellen, daß die Grundlage für die zu gewährende Entschädigung die gesetzlichen Beschränkungen

bilden sollen, welchen das Grundstück in seiner Beschaffenheit zur Zeit der Ab­ steckung der Rayonlinien von da an unterworfen ist und daß behufs Bestimmung

des hierdurch verursachten Minderwerts, welchem die Entschädigung entsprechen soll, der bisherige Wert des Grundstücks in der gleichen Beschaffenheit ohne Berück­

sichtigung der Preisverhältnisse, welche nach der Bekanntmachung des Reichskanzlers

sich gebildet haben, festzusetzen ist. Vgl. U. des OLG. für Bayern v. 15. Dez. 1881, Entsch. 1883 Bd. 9 S. 427 ff., Hirths Ann., 1880 S. 241—254.

II. CS. i. S.

Görgens c. Reichsfiskus v. 2. Juli 1889 Nr. 115/89 II. Bgl. auch das U. dieses Gerichtshofes v. 29. 4. 1880 in Seuff. Bd. 35 Nr. 217 S. 316, wo es heißt:

„Den primären und für sich allein ausreichenden Entscheidungsgrund, durch

welchen BG. seinen Ausspruch rechtfertigt, bildet die Erwägung, daß wegen Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung von Festungen, welche bei Erlassung des Reichsgesetzes schon bestanden, — von dem hier nicht gege­

benen Falle einer Armierung abgesehen — auf Grund dieses Gesetzes eine Entschädigung überhaupt erst dann gefordert werden

könne, wenn ein Neu­

oder Verstärkungsbau stattfinde und infolgedessen die Festungsrayons nach Vor­ schrift des Reichsgesetzes abgesteckt werden, daß es aber im gegebenen Falle an

diesen

Voraussetzungen mangle.

Die Richtigkeit dieses Entscheidungsgrundes

wird auch in Ansehung der ihm unterstellten rechtlichen Anschauung durch die ganze Anlage des Reichsgesetzes, durch dessen einzelne Bestimmungen und ihren

Zusammenhang bewährt. Berechtigter (§ 36 Ms. 4). 854. II. 240/86 v. 20. 11.1886. Kolmar).

E. Bd. 17 Nr. 8 S. 33 IW. 1886 S. 448 Nr. 18 (Metz-

§ 36 Abs. 4 bestimmt, daß die Rente an den jeweiligen im Rayonkataster

eingetragenen Besitzer des Grundstücks zu bezahlen sei.

Damit ist zwar nicht,

reichsrechtlich das Grundstück zum Träger des Forderungsrechtes, die Eintragung nicht zur Bedingung der materiellen Berechtigung, wohl aber ist sie in der

Weise zur formalen Voraussetzung für die Rechtsverfolgung gegen den Fiskus

gemacht, daß dieser rechtsgültig durch Zahlung an den Eingetragenen befreit wird und nicht verpflichtet ist, mit einem nicht im Rayonkataster Eingetragenen über dessen angeblich besseres Recht einen Prozeß zu führen.

Diese Auslegung

ergibt sich aus dem Wortlaute und dem Zusammenhangs der einzelnen Bestim­

mungen des Gesetzes, sowie aus den Vorarbeiten zu demselben.

Vorarbeiten ergibt sich,

Aus diesen

daß das Gesetz über die materielle, privatrechtliche

Berechtigung an der Rente nicht entscheidet, daß dasselbe insbesondere kein

Obligationsverhältnis schafft, dessen berechtigtes Subjekt das Grundstück ist, daß es aber anderseits die Legitimation dem Fiskus gegenüber von der Ein­ tragung als Besitzer im Rayonkataster abhängig macht.

das Gesetz auch von den Schriftstellern verstanden.

Ann. 1874. S. 1079/1080.

Laband, StR. III S. 392.

In diesem Sinne wird

Vgl. Seydel in Hirth

554

Ginführungsgesetz z. BGB.

2. Abschn.

Verhältnis z. d. Reichsgesetzen.

IW. 1887 S. 291 Nr. 15.

855. IV. 8/37 v. 9. 5.1887.

Die Festungsrayon-Entschädigung besteht in dem Ersatz derjenigen Werts­ minderung, welche ein Grundstück zufolge der durch das Rayongesetz demselben auferlegten Benutzungsbeschrünkung

Gestalt

der

Kapitalsabfindung

für den Besitzer erleidet, und

an

den

zeitigen

Besitzer,

in

wird

Gestalt

in der

Rente an den jeweiligen, im Rayonkataster bezeichneten Besitzer geleistet (vgl.

§§ 35, 36).

Danach bildet sie ein dem Grundbesitzer als solchem zustehendes

Forderungsrecht. 856. Hinterlegung der Kapitalsentschädigung

37).

E. Bd. 22 Nr. 5 S. 31. IW. 1888 S. 24 Nr. 43

V. 140/88 v. 26. 9. 1888. (Thorn, Marienwerder).

Für die Revisionsinstanz handelt es sich in dieser Sache nur um die Entscheidung der Rechtsfrage, ob die Kapitalsentschädigung, welche der Kl. auf Grund des Reichsges. v. 21. Dez. 1871, zugesprochcn ist für die Einbeziehung

von ihr gehörigen Grundstücken in den ersten Rayon eines neu erbauten Forts der Festung Thorn, wegen der auf diesen Grundstücken eingetragenen Hypo­

theken gegen den Widerspruch der Kl. und lediglich auf den Antrag des Bekl. mit befreiender Wirkung für diesen zu hinterlegen ist.

BG. hat diese Frage

im Gegensatze zum ersten Richter bejaht und Kl. verurteilt, anzuerkennen, das; sie durch die Hinterlegung bezüglich ihres Anspruches abgefunden sei.

Es mußte auf die eingelegte Revision der Ansicht des ersten Richters beigetreten werden.

Das angezogene Gesetz gedenkt der Rechte Dritter nur in seinem § 37: „Welche Rechte anderen Realberechtigten an der Entschädigung zustehen,

bestimnlt sich nach den Landesgesetzen."

Diese Vorschrift schließt sich an die Weisung des vorhergehenden Para­ graphen, es werde die in Rente zu zahlende Entschädigung abgeführt an den

jeweiligen im Rayonkataster bezeichneten Besitzer des Grundstückes, welchem die Beschränkung auferlegt ist.

Daß die im Rayonkataster gegebene Bezeichnung des Besitzers trotz aller Sorgfalt die Möglichkeit offen

wirkliche Eigentümer ist,

läßt, daß der

bezeichnete Besitzer nicht der

läßt sich nicht verkennen.

§ 36 an sich und in

seiner Verbindung mit dem folgenden § 37 hat also jedenfalls den Zweck, dem

Reichsfiskus

die

Befreiung von

seiner

Entschädigungsverpflichtnng zu

sichern, wenn er die Entschädigung zahlt an den nach der Bezeichnung des

Rayonkatasters

sich

ergebenden Grundstücksbesitzer.

ausdrücklich nur von Zahlung einer Rente die Rede. der Fall, handelt.

wenn es sich

um

Es ist zwar

im § 36

Gemeint ist aber auch

die Gewährung der Entschädigung in Kapital

Diese Art der Entschädigung soll nach § 36 Abs. 1 (vgl. auch § 40

letzt. Abs.) geleistet werden, wenn die durch die auferlegte Beschränkung bewirkte Wertsverminderung

des Grundstücks

mindestens

ein Drittel des bisherigen

Werts beträgt und der Besitzer die Kapitalentschädigung verlangt.

Ohne dieses

Verlangen bleibt es bei der Rente, also auch in dem Falle, in welchem wegen der Wertsverminderung um mehr als ein Drittel die Sicherheit der auf dem Grundstück eingetragenen

die nach pr. R. (ALR. Tl. I Tit. 14

Hypotheken,

§ 188) bei Landgütern nur innerhalb der beiden ersten Drittel des Wertes -gegeben ist, gefährdet sein kann.

Weil nun auch unter dem „Besitzer", welchem

in dem gesetzten Falle die Wahl überlassen ist zwischen Rente und Kapital,

nur der Besitzer nach Ausweis des Rayonkatasters verstanden werden kann,

so darf man davon ausgehen, es habe das Gesetz mit der Vorschrift, es sei die Rente an jenen Besitzer zu zahlen, jede Art der Entschädigung gemeint, unter der Regel auch den nur durch den Willen des Besitzers entstehenden

Ausnahmefall einbegreisend.

Der Zweck der beiden §§ 36 und 37 ist aber

nicht erschöpft dadurch, daß der Reichsfiskus durch die Bezeichnung der Person, an welche die Entschädigung gezahlt werden soll, gesichert wird gegen Ansprüche

anderer Eigentumsprätendenten, wie solches schon vom RG. (vgl. RG.Entsch. Bd. 17 S. 35) angenommen worden ist, sondern auch in dem Falle, in welchem

dinglich Berechtigte im engeren Sinne, wie hier Hypothekengläubiger, bei der Wertsverminderung des Grundstücks und der dafür zu zahlenden Entschädigung

interessiert sind, soll die Verpflichtung des Reichsfiskus, wenigstens für das pr.

R.,

erfüllt

sein

durch

die

Zahlung

Rayonkataster bezeichneten Besitzer.

der

Entschädigung

an

den

im

Das Rayongesetz läßt in seinem § 41

letzt. Abs. nur im Falle der „Enteignung", worunter nur der der Eigentums­ entziehung verstanden werden kann, das in den Landesgesetzen geordnete Ver­

fahren eintreten.

Bezüglich der bloßen Rayonbeschränkung bewendet es bei

dem Verfahren, wie es im Rayongesetze geregelt ist, da dem RGes. gegenüber nur in den von demselben besonders vorgesehenen Füllen das Landesgesetz An­

wendung findet.

Dieses Verfahren erfaßt aber in keiner Weise die Rechte der

Realberechtigten, soweit es sich nicht um die Feststellung des Besitzers handelt. Der Rayonkataster bietet

keinen Platz

treffenden Grundstück haftenden Lasten.

für

die Aufnahme der auf dem

be­

Das im Fall des Streits über die

Verpflichtung des Reichsfiskus zur Entschädigung

überhaupt oder

über

die

Höhe des letzteren in §§ 39 ff. vorgeschriebene Verfahren hat, so lange der

Fiskus nicht zur Entziehung des betreffenden Grundstücks übergeht, gleichfalls nichts zu schaffen mit der Ermittelung der das Eigentum beschränkenden Rechte

Dritter.

Für diese Ermittelung

gebricht

es,

so

lange

nur

eine Rayon­

beschränkung in Frage steht, an einer dem Fiskus im Gesetze gegebenen Be­ rechtigung, sich der dafür nötigen Beihilfe anderer Behörden zu bedienen, die

nur (in §§ 10 und 11) vorgesehen ist, soweit die Aufstellung des Rayonplans

und Rayonkatasters es erfordert. einem

anderen

pr. Ges.

mangelt,

Aus diesen Gründen und weil es auch an

welches

die

streitige

Verpflichtung

zur

Hinterlegung im vorliegenden Falle auferlegt, kann dem § 37 a. a. O. neben der bereits erwähnten nur noch die Bedeutung beigelegt werden, daß es der

Linführungsgesetz z. BGB.

556

2. Abschn.

Verhältnis z. d. Reichsgesetzen.

Initiative der anderen Realberechtigten überlassen bleiben müsse, ihre etwaigen nach Landesrecht zustehenden Rechte zur Geltung zu bringen; so lange dies

nicht geschehen und nicht in entsprechender Weise geschehen ist, muß der Reichs­ fiskus der Zahlungsvorschrift des § 36 nachkommen.

857. Evtschädigmigsklagen sind gegen den Rrichsfiskns, vertreten durch den Reichskanzler.

$it richten.

Umfang der Entschädigung.

V. 269/83 v. 12. 12. 1883. Bgl. Nr. 11 ff., 582.

Entziehung von Grundwasser.

Gr. Bd. 28 S. 1118 Nr. 116 (Marienwerder).

Die Festung Thorn ist im Königreich Preußen belegen; aber ihre Werke

stehen im

Eigentum des Reichs, RG. v. 25.

1873 S. 113 und 123). tums

und in

u. v. 30. Mai 1873 (RGBl.

Die Klage ist gestützt auf Mißbrauch dieses Eigen­

zweiter Linie auf die vermöge des Expropriationsrechts dem

Exproprianten obliegende Verpflichtung zur Entschädigung. Recht gegen den Reichsfiskus aus

dem Verwaltungsrecht

Anspruch.

Sie ist daher mit

gerichtet; denn es handelt sich nicht um einen

der

preußischen Militärverwaltung entfließenden

Zur Vertretung des Reichsfiskus ist (wenn nicht besondere Gesetze

anders verordnen) der Reichskanzler berufen; unbestrittener Angabe zufolge ist von

ihm die Kommandantur zu Thorn zur Vertretung in diesem Prozeß ermächtigt.

In der Sache selbst ist der Anspruch des Klägers mit Recht zurückgewiesen.

Das pr. ALR. gewährt dem Grundeigentümer kein Eigentum, auch kein eigentumähnliches Recht an dem in seinem Grundstück befindlichen Grundwasser; er darf dasselbe zwar fassen und benutzen, aber er hat bloß vermöge seines

Grundeigentums, keinen Anspruch dahin, daß ihm dasselbe nicht durch Anlagen

anderer Grundeigentümer in ihren Grundstücken geschmälert oder dem Stande nach

gesenkt werde.

bewirkt sein.

Nur darf eine derartige Anlage nicht in der Absicht zu schädigen

Vgl. Scheele, Wasserrecht S. 90; Nieberding, Wasserrecht S. 96,

103, 127, 128; ALR. I. 8 §§ 26ff.

Es ist richtig, daß dieser Rechtslage auch die Spezialvorschrift des § 130 ALR. I. 8 entspricht.

Wenn der § 16 des Vorflutedikts vom 15. Nov. 1811

unter b von der Untersuchung „ob nicht durch die beabsichtigte Entwässerung andere Grundbesitzer leiden werden" und das Gesetz vom 23. Januar 1846

(GS. S. 26) in dem § 1 Nr. 2 und § 3 Nr. 3 von den „Entschädigungen

wegen der von der Entwässerung zu erwartenden Senkung des Wasserstandes" redet, so ist dabei an Entwässerungen mittels Ableitung über fremde Grund­ stücke respektive an spezielle Titel zum Recht

auf Untersagung

der Wasser­

ableitung oder Wasserstandsenkung gedacht.

Die angebliche Tatsache also, daß die Tieferlegung des Grundwasserstandes

durch die Wasserableitung auf dem Grundeigentum des Bekl. das klägerische Eigentum ausgetrocknet und für den Kl. geschädigt habe, ist ungeeignet, den

Schadensersatzanspruch des Kl. zu begründen.

Denn daß „Mißbrauch" nicht

vorliegt, ist im BU. ohne erkennbaren Rechtsirrtum festgestellt.

Die Berufung auf das Enteignungsgesetz v. 11. Juni 1874 ist an sich zulässig; denn es handelt sich nicht um „Entwässerung im Interesse der Landes­ kultur" (§ 54 dieses Ges.). Und wenn auch die Enteignung des Streifens zur Verlängung des Ableitungskanals nicht im durchgeführten Expropriations­ verfahren stattgefunden Hatz sondern die Abtretung nach eingeleitetem Ent­ eignungsverfahren und nach aufgestelltem Enteignungsplan freiwillig erfolgt ist — §§ 16, 17 —, so wäre doch an sich die Entschädigung nach Maßgabe

der für das Expropriationsverfahren bestehenden Normen zu gewähren, also nicht bloß als Ersatz des vollen Wertes des abgetretenen Streifens (§ 8),

sondern unter Umständen auch als Ersatz der Nachteile, welche die durch die Abtretung ermöglichte Entwässerung dem übrigen Grundbesitz des Kl. zu­ gefügt hat. Aber es muß dem BG. darin beigestimmt werden, daß wenn, wie hier, nach eröffnetem Enteignungsverfahren die freiwillige Abtretung unter Ver­ einbarung und Zahlung eines bestimmten Preises erfolgt, mangels ausschließen­ der Umstände angenommen werden muß, dieser Preis umfasse die ganze Ent­ schädigung, welche dem Abtretenden nach Maßgabe des Enteignungsgesetzes ge­ bührt, namentlich also auch die Vergütung der Nachteile, welche durch den Betrieb der Anlage, zwecks deren Herstellung expropriiert resp, abgetreten worden, für den Restbesitz entstanden sind oder voraussichtlich entstehen können. Denn die Rechtsansicht, welche zu der im Tit. II. des Ges. normierten Entschädigung

auch die Vergütung jener Nachteile rechnet und dem Exproprianten auflegt, beruht gerade auf der Erwägung, daß wenn Grund und Boden nicht zwangs­ weise, sondern freiwillig zu einer beabsichtigten und kündbar gemachten Anlage verkauft wird, der Verkäufer den Preis verständigerweise auch in Veranschlagung jener Nachteile bestimmt, daß er, wenn dieser Preis nicht bewilligt wird, die freiwillige Veräußerung weigert, daß also rechtlich die zwangsweise Ent­ eignung selbst auch betreffs jener Nachteile als zur Entschädigung verpflichtend angesehen werden muß. 858. Beweiswürdigung (K 42).

II. 225/87 v. 2. 12.1887.

IW. 1887 S. 24 Nr. 43

Nach § 13 Abs. 1 des EG. zu CPO. werden die prozeßrechtlichen Vor­ schriften der Reichsgesetze durch die CPO. nicht berührt. § 42 des Reichs-

Rayon-Ges. ist aber auch durch die weiteren Vorschriften des erwähnten § 13 nicht außer Kraft gesetzt worden. BG. hat nun allerdings mit Unrecht an­

genommen, § 42 Abs. 3 des erwähnten Gesetzes, welcher lediglich sagt, daß das Ergebnis der Beweisaufnahme vom Gericht nach freier Überzeugung zu würdigen sei, stimme mit § 287 CPO. überein.

Eine solche Überein­

stimmung besteht keineswegs. Vielmehr gibt § 42 lediglich dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung Ausdruck, der auch in § 287 CPO. Aufnahme gefunden hat.

558

Linführungsgesetz z. BGB.

Art. 55.

5. Abschn.

Verhältnis z. d. tandesgesetzen^

Privatrechtsverhältniffe an Gegenständen des öffent­ lichen Rechts. A. Öffentliche Straßen, Plätze, Anlagen.

Über öffentliche Flüsse und Gewässer vgl. Art. 55, 65; über Siele, cloaca publica, über interdictum ne quid in loco publico fiat Art. 66 und Nr. 524, 527; über Brückengerechtigkeit an einem öffentlichen Kanal Art. 106 ff. Nr. 524, 527. 859. III. 200/85 v. 27.11. 1885. IW. 1886 S. 20 Nr. 40 (gern. R). Öffentliche Straßen und Plätze, welche im Eigentum einer Gemeinde

stehen, sind dem Privatrechtsverkehr keineswegs in dem Sinne entzogen, daß

sie nicht den Gegenstand obligatorischer Verbindlichkeiten bilden könnten und

vollends kann davon nicht die Rede sein, daß eine Gemeinde durch unberechtigte Verwendung und Bestimmung des Grundstücks zum öffentlichen Gebrauch sich

solchen Verpflichtungen entziehen dürfte.

Vielmehr bleiben diese bestehen und

können, wie alle anderen privatrechtlichen Verpflichtungen, auch im Rechtsweg

geltend gemacht werden. 860. V. 324/86 v 16. 2.1887.

IW. 1887 S. 105 Nr. 46 (ALR.).

Es ist, wie für den vorliegenden Fall gerade die anderen Personen gegen Entgelt erteilte Befugnis zu besonderer Benutzung von Straßenflächen zeigt,

durch den Begriff der öffentlichen Straße nicht ausgeschlossen, daß dieselbe dem öffentlichen Verkehr nur soweit dient, als nicht einzelnen besondere, diesen

Verkehr einschränkende Rechte daran zustehen, und es ist deshalb auch der Er­

werb solcher besonderen Rechte

durch Ersitzung nicht

undenkbar.

Daß der

Inhalt dieser Rechte durch die dauernde und vorzugsweise Nutzung der Straße zu solchen Zwecken gebildet wird, zu denen die Straße in vorübergehender Weise

von jedermann gebraucht werden

kann, wie zum Hinstellen von Wagen und

sonstigen Geräten, kann begrifflich keinen Unterschied machen.

Die Möglichkeit,

daß eine solche dauernde Nutzung in dem guten Glauben eines bestehenden be­

sonderen Rechtes geschehe, ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß unter anderen

Umständen die gleiche Nutzung auch unter Mißbrauch der Verkehrsfreiheit, also in bösem Glauben, vor sich gehen kann.

Diese letztere Möglichkeit nötigt

nur den Richter zu besonders sorgfältiger Prüfung, ob im Einzelfalle ein Mißbrauch der Straße oder die gutgläubige Absicht besonderer Nechtsübung vorliegt. 861. IV. 95/88 v. 29. 6. 1888.

IW. 1888 S. 337 Nr. 24 (ALR.).

Daß diesem Mietverträge der öffentlich rechtliche Charakter der Straßen und Plätze wie die Nichtausschließlichkeit des daran eingeräumten Gebrauchs keineswegs entgegensteht, ist im U. des RG. v. 7. 7. 1884 (Pr. JMBl. 1884

S. 209) näher dargelegt. S. die folgende Nr.

862. IV. 99/84 v. 7. 7. 1884.

IW. 1884 S. 225 Nr. 31 (ALR.).

Hiernach (Ges. v. 26. April 1872, Gew.O. § 68; Strieth. A. Bd. 25 S. 158; Bd. 99 S. 333; OTrib. Entsch. Bd. 81 S. 18) ist eine öffentliche städtische Straße an sich nicht untauglich, Gegenstand eines Mietsvertrages zu

sein, und sie wird zu einem solchen dadurch gemacht, daß einer Gesellschaft der Gebrauch derselben zum Betriebe einer Pferdebahn gegen Entgelt eingeräumt wird.

Es ist dies eine Nutzung der Straße und die Nutzung eines solchen Gemeinde­

wegs steht dem Eigentümer,

der Gemeinde, zu (Dernburg pr. PR. 1 S. 257).

Ebenso in Bezug auf Privatrechte an

stoßenden um ihn herumführenden

einem unmittelbar an den Kirchhof

Wege: V. 30/88 v. 23. 6. 1888.

Gr. Bd. 32

'S. 1011 Nr. 75 (Hamm).

863. Grundgerechtigkeit auf Überbrückung eines öffentlichen Kanals. V. 55/93 v. 3. 6. 1893.

Gr. Bd. 37 Nr. 59 S. 1012.

IW. 1893 S. 369 Nr. 85

Bgl. Art. 85.

(Posen).

Durch den aus schiffahrtspolizeilichen Gründen verfügten und im März 1890 aus­ geführten Abbruch der „Schaafbrücke", die über den im Privateigentum des Fiskus stehenden

Bromberger Kanal führte, sind die Kl. von ihren jenseits des Kanals liegenden Wiesen ab­

geschnitten worden. Sie haben gegen den Fiskus auf Wiederherstellung der Brücke event, aus Schadensersatz geklagt. Beide Klageanträge wurden von I und II abgewiesen; NG. hat

bezüglich der Schadensersatzklage aufgehoben und die Sache insoweit zurückverwiesen. Jetzt hat BG. den Schadensanspruch der Kl. dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Rev. des Bekl. ist verworfen.

BG. gibt folgende Gründe: Eine Schädigung der Kl. durch Wirtschafts­

erschwerung liege zweifellos vor. — Die von den Kl. beanspruchte Grund­ gerechtigkeit habe in der Überbrückung des Kanals bestanden, also den Kanal als Grundstück betroffen.

Der Kanal stehe im Eigentum des Bekl. und sei,

zwar nicht wegen des fiskalischen Eigentums, aber doch wegen seiner Bestimmung zur Schiffahrt, also zu einem öffentlichen Zwecke, den öffentlichen Sachen zu­

zurechnen.

Aber dadurch werde der Erwerb einer Grundgerechtigkeit am Kanal,

soweit sie mit dem öffentlichen Zweck vereinbar sei, nicht ausgeschlossen.

Daß

die Benutzung der Schaafbrücke früher mit den Interessen der Schiffahrt vereinbar

gewesen sei, ergebe sich aus dem Verhalten des Fiskus, und zwar sei dies die ganze Ersitzungszeit hindurch, 44 Jahre, vom März 1890 zurückgerechnet, der

Fall gewesen.

Aus den Zeugenaussagen ergebe sich zugleich, daß Kl. und ihre

Vorbesitzer die Brücke zu Privatzwecken und als Privatrecht benutzt hätten, und

dies werde auch durch andere (näher angeführte) Umstände bestätigt.

Diese

Benutzung durch Kl. habe fortwährend, ohne Unterbrechung, auch nicht bloß

bittweise stattgefunden, Bekl. habe sie geduldet, weil er sich dazu für verpflichtet gehalten habe.

Mithin sei der Eingriff in dieses Recht nach § 75 der Eint,

z. ALR. ein geeigneter Titel für die von den Kl. an den Staat erhobene Ent­ schädigungsforderung. Die gegen diese Entscheidung erhobenen Revisionsangriffe sind nicht ge­

rechtfertigt.

560

Ginführungsgesetz z. BGB.

3. Abschn. Verhältnis z. d. Landesgesetzen.

Dies gilt zunächst von der Ausführung, daß nicht der dem Bell, gehörige Kanal, sondern die Schaafbrücke selbst den Gegenstand einer etwaigen Grund­

gerechtigkeit der Kl. bilden würde, weil diese sowohl ein Eigentumsrecht als die

Unterhaltungspflicht bezüglich der Brücke ablehnten.

Nach den Anführungen

der Parteien kann die Brücke nur entweder dem Bekl. oder den Kl. gehören und in beiden Fällen besteht die von den Kl. in Anspruch genommene Grund­

gerechtigkeit in dem Recht, den Kanal mittels dieser Brücke zu überschreiten; an der Benutzung des Brückenkörpers, wenn dieser nicht über dem Kanal läge, haben sie kein Interesse.

Welche der Parteien das Eigentum an der Brücke

besitzt und sie zu unterhalten hat, ist hierbei gleichgültig.

864. Dauer der Berkehrsentziehuug. V. 54/89 v. 25. 5. 1889.

IW. 1889 S. 295 Nr. 41.

§ 581 I 9 ALR. lautet:

„Wenn eine Sache durch Gesetze dem bürger­

lichen Verkehr ganz entzogen worden, so kann sie durch keine Verjährung er­

worben werden."

Daß städtische Straßen und öffentliche Plätze in Städten

zu diesen durch Gesetz dem bürgerlichen Verkehr entzogenen Sachen gehören, so lange sie ihrer Bestimmung nicht entzogen sind, ist in Doktrin und Praxis

nicht streitig.

Vgl. Kochs Komm, zu § 15 des ALR. T. 1 Tit. 4; Dern-

burg pr. PR. Bd. I § 67.

Eine bloß tatsächliche andere Benutzung derselben

oder deren Teile genügt nicht, ihnen die Eigenschaft einer öffentlichen Sache

zu entziehen.

Eine solche Benutzung durch Privatbesitz, eine Behandlung der­

selben als Gegenstand des Privateigentums, ist die Voraussetzung einer jeden

Ersitzung, es würde deshalb die Bestimmung des § 581 von keiner Bedeutung sein, wenn eine solche Entziehung ansreichen sollte, die Ersitzung zu ermöglichen.

Deshalb muß dafür ein Akt der zuständigen Behörde hinzukommen, welche die ^Bestimmung für den öffentlichen Zweck aufhebt.

Ob es dieserhalb einer

ausdrücklichen Erklärung bedarf, oder ob konkludente Handlungen ausreichen

(vgl. Dernburg a. a. O.; Entsch. des OTrib. S. 92 Bd. 51) kann dahin gestellt bleiben (Fiskus c. Stadt Swinemünde).

865. Übergang des Eigentums an Chausseen auf die Gemeinden. II. 146/87 v. 28. 10. 1887. IW. 1887 S. 502 Nr. 29.

Vgl. Nr. 870.

§ 18 des Ges. v. 8. Juli 1875 hat den Eigentumsübergang ausdrücklich an die Übernahme der Unterhaltung geknüpft, und daraus folgt, daß wo diese Voraussetzung nicht zutrifft, ein solcher Übergang nicht stattfindet.

In dem

Sinne ergibt sich aus der Verbindung von Abs. 1 und 2 des § 18 eit., daß,

was die nicht ausgebauten Straßen betrifft, welche in die Verwaltung und Unterhaltung Dritter übergehen, ein Eigentumsübergang auf die Kommunal­

verbände ausgeschlossen erscheint.

Das führt mit Notwendigkeit zu der An­

nahme, daß ein Gleiches auch bezüglich der ausgebauten Straßen gelten

muß, wenn im gegebenen Fall begründete Rechte Dritter entgegenstehen.

Nach

Auffassung des Gesetzes bildet die Übertragung des Eigentums der Staats­ chausseen mit ihren Nutzungen und Partinenzien neben der Gewährung der Rente des § 20 eit. das Äquivalent für die mit der Übernahme der Ver­

waltung und Unterhaltung verbundenen Lasten und ist deshalb der Eigentums­ übergang von der wesentlich gleichen Voraussetzung als die Überweisung der Rente, abhängig gemacht. Rechte der Gemeinde» an iiffentlichen Wege».

866. V. 181/88 v. 24. 10. 1888.

IW. S. 446 Nr. 19.

Daß das den Gemeinden an den Gemeindewegen zustehende Vermögens­

recht Eigentum

sei,

folgt allerdings aus deren Zweckbestimmung nicht not­

wendig; denkbar ist auch ein den Gemeinden zustehendes Nutzungsrecht für den Verkehr neben dem Eigentum eines Andern an dem Wegekörper.

BG. verstößt

über nicht gegen Rechtsnormen, wenn es, dieses als Ausnahmeverhältnis an­

sehend, aus den auf Seiten der Gemeinde festgestellten Besitzhandlungen (Be­ nutzung der Wege für den öffentlichen Verkehr, Bepflanzung und Unterhaltung)

«ine Vermutung für das Eigentum der Gemeinde,

wie sie dem vollständigen.

Besitze überhaupt zur Seite steht, herleitet, welche durch Gegenbeweis entkräftet

werden müßte, aber nicht entkräftet worden ist, da der Separationsrezeß kein Eigentum und keinen Eigentumsanspruch eines Andern beurkundet, und

der

Bekl. sich, statt einen andern Eigentümer auch nur zu nennen, auf die An­ deutung der Möglichkeit beschränkt hat, daß ein solcher existiere (in den Worten: „aus der Öffentlichkeit des Weges folge nicht ohne Weiteres ein Eigentums­

recht der Gemeinde"). 867. V. 267/88 v. 16. 1. 1889. Gr. Bd. 33 S. 420 Nr. 12 (Berlin). Vgl. Nr. 527. Wenn auch Kl. durch Vertrag und Übergabe nicht das Eigentum an den [im Grundbuch nicht verzeichneten) Straßen und Plätzen Berlins erworben haben sollte, so steht doch ihre Legitimation zur Klage aus einem anderen Grunde außer Zweifel. Durch Vertrag und Übergabe ist sie vollständige Besitzerin der Straßen und Plätze geworden und als solche hat sie gegen jeden

anderen,

als

den

Flusses ausdrücklich anerkannt (ALR. I 9 § 262, II 15 § 70), und es kann dabei rechtlich keinen Unterschied machen, ob, was in den bezeichneten Gesetzes­

stellen zunächst vorgesehen ist, der alte Flußlauf eingeht oder neben dem neuen

bestehen bleibt, ob der neue Flußlauf in den alten irgendwo wieder einmiinbetr oder die Richtung zu

bedarf

nicht

der

einem andern Flusse oder zum

Entscheidung,

ob

hiernach

IDfeere

Dernburg

(pr.

nimmt. PR.

Bd.

Es 1

§ 253 4. Ausl. S. 644) mit Recht alle künstlichen Gräben und Kanäle, soweit

nicht besondere gesetzliche Bestimmungen für sie bestehen, zu den (Privat-) Flüssen

rechnet; jedenfalls muß man mit Nieberding (Wasserr., 2. Aust, von Franst

§ 13 S. 60) die tatsächliche Bestimmung des künstlich angelegten Wasserlaufes, als Teil eines von Natur vorhandenen Flusses (auch als Arm eines solchen)

zu dienen, für entscheidend ansehen, und das Beweisthema ist somit ungenau bloß auf die Tatsache der natürlichen Entstehung des Mühlgrabens gestellt

worden.

Daraus, daß solche künstlich hergestellten Wasserstrecken, welche ihrer'

tatsächlichen Bestimmung nach Teile eines Flusses sind, auch rechtlich von dem Flusse nicht unterschieden werden dürfen, ergibt sich zugleich, daß die Entscheidung

der Frage, ob ein

gewisser

Wasserlauf

ein Fluß sei, die gegenwärtig sich

bietende Erscheinung in erster Linie berücksichtigt werden muß, nicht aber ohne

solche Rücksicht demjenigen, der auf die Eigenschaft des Wasserlaufes als Fluß einen Anspruch stützt, der Beweis der natürlichen Entstehung des Wasserlaufes

auferlegt werden darf, ein Beweis, der, sobald irgend einer bestimmten Strecke eines Wasserlaufes, der im ganzen unzweifelhaft als Fluß sich darstellt, die natürliche Entstehung bestritten würde, wohl in den meisten Fällen ebenso unerbringlich sein würde, wie der Beweis des Gegenteils.

Daraus, daß der Graben die Mühle des Bell, treibt, folgt nicht, daß er Zubehör der Mühle ist.

Auch wenn derselbe von der früheren Eigentümerin

der Mühle, der Stadt Herzberg, angelegt, vielleicht gar zunächst zum Zwecke

des Mühlenbetriebes angelegt sein sollte,

so würde daraus nicht folgen, daß

der Graben mit der Mühle an den Bekl. veräußert worden sei.

mindestens der ausschließliche Besitz

Es müßte

des Müllers hinzukommeii, und einen

solchen Besitz anzunehmen bietet der Tatbestand keinen Anhalt; die erhebliche

Ausdehnung des Grabens, der oberhalb der Stadt Herzberg beginnt und unter­ halb der Stadt endet, macht vielmehr das Gegenteil wahrscheinlich (vgl. Strieth. A. Bd. 89 S. 61, Gruch. Bd. 31 S. 924).

Es bleibt also, wenn der Mühl­

graben kein Fluß ist, immer noch die Möglichkeit, daß er nicht oder nicht aus­ schließlich Eigentum des Bekl. ist.

Aber selbst wenn der Mühlgraben als

Eigentum des Bekl. anzusehen, würde damit die Entscheidung noch nicht ge­

geben sein.

Denn im §§ 99 ALR. I 8, welcher die Hemmung des Ablaufes

an Privatflüssen zum Nachteile der Nachbarn

und Uferbewohner untersagst

müssen nach dem Zwecke der Vorschrift, wie nach dem Zusammenhänge, tu

welchen dieser Paragraph mit dem mit dem folgenden § 100 durch das Wort

Wasser- und Mühlenrecht nach AtR.

Art. 65.

697

„Vielmehr" gebracht ist, wenigstens diejenigen künstlichen und im besondern

Eigentum stehenden Wasserzüge unter den Privatflüssen mitverstanden werden, durch welche das Wasser „seinen

ordentlichen

und gewöhnlichen Ablauf" hat

(Strieth. A. Bd. 49 S. 56).

1040. Entschädigungspflicht der Benutzer. VI. 344/96 v. 27. 3. 1897. IW. 1897 S. 280 Nr. 48. Nach § 99 des MR. Tl. I Tit. 8 §§ 1, 13 des Ges. v. 1843 war Bell, befugt, das Wasser der Ruhr — die nach der Feststellung von I an dieser

Stelle Privatfluß ist — für ihre Zwecke zu benutzen und abzuleiten.

Wenn

dabei nichts zum Nachteil der anderen Uferbesitzer geschehen, insbesondere kein Rückstau über die Grenzen des eigenen Grundstücks hinaus und keine Über­

schwemmung oder Versumpfung fremder Grundstücke stattfinden durfte, so folgt daraus nicht, daß allgemeinen Grundsätzen zuwider Bekl. für allen, auch den nicht voraussehbaren und daher im Rechtssinne zufälligen Schaden, der infolge der Anlage an fremden Grundstücken durch Überschwemmung eingetreten ist,

haftet (vgl. U. des RG. v. 21. Nov. 1895 VI 223/95, IW. 1896, S. 84).

Der Nachweis des Kausalzusammenhanges zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Bestehen der Wehranlage kann für sich allein den Schadensersatz­

anspruch nicht rechtfertigen.

1041. Widerspruchsrecht des Mühlenbesttzers gegen Anlage». V. 231/92 v. 11. 1. 1893. IW. 1993 S. 108 Nr. 48. BG. befindet sich in Übereinstimmung mit der begründeten Rechtsprechung,

des pr. OTrib. (vgl. Strieth. A. Bd. 11 S. 6, Bd. 14 S. 73), indem es bei Anwendung der §§ 1, 13 Nr. 1 des Ges. v. 28. Febr. 1843 davon ausgeht,

daß dem Mühlenbesitzer nur dann ein Widerspruchsrecht gegen eine Anlage,

durch

welche

zusteht, wenn

ein

seinem

Rückstau

bewirkt wird,

unter gewöhnlichen Verhältnissen,

bei mittlerem

Mühlenbetriebe

diese Folge

schädlicher

Wasserstande, nicht bloß unter ungewöhnlichen Umständen auf kurze Zeit möglicher­ weise eintritt.

Es setzt sich damit auch nicht in Widerspruch durch die Annahme,

daß das für gewöhnlich auf längere Zeit im Winter eintretende Zufrieren nicht

unter die außergewöhnlichen Verhältnisfe falle; denn es ist im einzelnen Falle nach den besonderen Tatumständen zu bemessen, ob eine Eisstopfung zu den

gewöhnlichen oder außergewöhnlichen Verhältnissen zu rechnen ist.

Unzuläsfige Zuführungen.

Vgl. Art. 67.

1042. Immission von Grubenwasser. V. 6/79 v. 21. 4. 1880.

E. Bd. 2 Nr. 59 S. 208 (Recklinghausen. Münster).

Ob § 43 des Ges. v. 1843 sich auf die aus den Bergwerken ablaufenden

Grubenwasser bezieht,

kann

dahingestellt

bleiben.

Jedenfalls

ist

hier

der

698

Einführungsgesetz j. BGB. Z. Abschn. Verhältnis z. d. tandesgesetzen.

Polizeibehörde nur

die Wahrung des

öffentlichen Interesses

anheimgegeben.

Bez. fraglicher Privatrechte tritt das ordentl. Prozeßverfahren ein, wie vom OTrib. wiederholt — namentlich auch bez. der Beschädigungen durch Gruben­ wasser angenommen worden ist1)

Aus

§ 1 des Ges. v. 1843

Angriff zu.

steht der

Nichtigkeitsbeschwerde

auch

kein

Dieser Paragraph handelt in Verbindung mit §§ 13 ff. von den

Rechten des Uferbesitzers, und es enthält weder das zweite Erk. noch das in

Bezug genommene erste die Feststellung, daß Bekl. ein Stück Ufer an dem Seiden-Holterbach, in den sie das Grubenwasser ableitet, besitzt. Übrigens berechtigt das in den allegierten Paragraphen dem Uferbesitzer eingeräumte

Benntzungsr. an dem im Privatfluß vorhandenen Wasser den Uferbesitzer nicht zur Zuleitung von fremdem Wasser, insbesondere nicht von schädlichen Gruben­

wässern.

Hierin liegt nicht die gestattete Benutzung des Flußwassers, sondern

eine Verwertung des durch das Bett des Privatflusses geschaffenen Abzugs-

Kanales, die in dem angeführten Gesetze nicht für erlaubt erklärt wird.

Dem

Prinzip nach darf auch die Benutzung seitens des einen Uferbesitzers in den Rechtskreis der Benutzung des anderen Uferbesitzers, der ebenfalls reines und

brauchbares Wasser zu beanspruchen hat, nicht hinübergreifen, vgl. die Gründe

des PlBeschl. des OTrib. v. 7. Juni 1862, Entsch. Bd. 23 S. 252, 259, 261, 263, falls nicht besondere gesetzliche Vorschriften maßgebend sind.

1043. Schuldhafte Immission. VI. 147/96 v. 12. 11. 1896.

Es ist nicht richtig,

IW. 1897 S. 31.

daß der

oberhalb

Vgl. § 69.

liegende Uferbesitzer

an

einem

Privatfluß sich jeder den unterliegenden Besitzer irgendwie schädigenden Zuleitung in den Fluß enthalten müsse.

Die Flüsse dienen ihrer natürlichen Bestimmung

zufolge zur Aufnahme und Abführung von Flüssigkeiten, und die Grenze, die dabei im Interesse der unterliegenden Besitzer nicht überschritten werden darf,

läßt sich nach den Grundsätzen des Nachbarrechts nicht dahin bestimmen, daß jede Schädigung der

unterliegenden Besitzer unterbleiben müsse, selbst dann, wenn

diese Schädigung nur infolge eines nicht gewöhnlichen Gebrauchs eintritt, den der unterliegende Besitzer von seinem Eigentum macht.

Es würde dies zu

«iner Beschränkung des oberhalb liegenden Besitzers in seinem Eigentumsr. führen, die diesen in einen ungerechtfertigten Nachteil gegenüber dem den völlig

ungehinderten Gebrauch seines Eigentums beanspruchenden Nachbar versetzt.

Der

letztere muß solche Zuleitungen dulden, die das Maß des Regelmäßigen, Gemein­ gewöhnlichen nicht überschreiten, selbst wenn dadurch die absolute Verwendbar­

keit des ihm zufließenden Wassers zu jedem beliebigen Gebrauche irgendwie *) Erk. des 3. S. v. 19. Juni 1865; Brassert Zeitschr. s. Bergr. Bd. 7 S. 95; des 2. S. v. 14. Juli 1864; Strieth. Bd. 53 S. 335; des 5. S. 27. Juni 1865; Strieth. Bd. 60 S. 82, 98; des 3. S. v. 7. Juli 1879 Nr. 341/111. - Nieberding, Massen. S. 47, 142 Abs 2 U. 3,149.

Art. 65.

Wasser- und Mühlenrecht nach ALR.

699

beeinträchtigt wird (Entsch. des RG., Bd. 16 S. 178; IW. 1894 S. 29 Nr. 88).') Eine Prüfung von

diesem Gesichtspunkte hat nicht stattgefunden; es müßte

dabei in Betracht kommen, daß hier nur die Unverwendbarkeit des Wassers zu

einem bestimmten, nicht gerade gewöhnlichen Gebrauch behauptet wird.

Ferner

aber haftet der Bekl. für den Schaden dann nicht, wenn ihn kein Verschulden

trifft

(vgl. IW. 1893 S. 569 Nr. 46).

Er hat behauptet,

daß

er

das

behördlich empfohlene, ganz zuverlässige Hulvasche Klärungsverfahren eingeführt habe, auch von einem seitdem bis zum Jahre 1892 eingetretenen Schaden an

der Fischzucht des Kl. ihm nichts bekannt geworden sei.

Hierin liegt auch die

Behauptung, daß Bekl. das Hulvasche Verfahren für geeignet gehalten und halten durfte, um die Abwässer unschädlich zu machen.

habe

Ist dies der Fall,

so konnte er den Schaden nicht voraussehen und haftet, soweit nicht spezielle Verbotsgesetze in Frage kommen, für den Schaden nicht (§§ 6, 11, 13 des MN. Tl. I Tit. 3; §§ 4, 16 das. Tl. I Tit. 6).

Auch nach dieser Richtung

hin fehlt jede Prüfung.

1044. Zuführung vou Schlammabgiingen und bergt.

V. 224/87 v. 7. 12. 1887. Die dem

Gr. Bd. 32 S. 691 Nr. 29 (Hamm).

BG. zu Grunde

liegenden

tatsächlichen Feststellungen gehen

dahin, daß der Bochumer Bach in seiner ganzen Ausdehnung von der Stadt Bochum bis herunter zu den Wiesen des Kl. in erheblicher Weise verschlammt

ist, daß das Bachwasser von dunkler, auch schmutzig-gelber Färbung und höchst

übelriechend, der (zwischen der Stadt und den Wiesen des Kl. liegende) Mühlen­ teich ganz mit Schlammwasser angefüllt ist, und daß dieser Zustand mit den

in der Urteilsformel bezeichneten Anlagen der Bekl. in ursachlichem Zusammen­

hänge steht.

Weiter ist vom BG. festgestellt, daß, sobald das unreine Bach­

wasser in den Mühlenteich gelangt und dort zu langsamerem Fließen und zeit­ weisem Stillstände gezwungen wird, eine vollständige Zersetzung und faulige

Gärung eintritt, welche sich durch starke Trübung, Aufsteigen von Gasblasen und üblen Geruch zu erkennen gibt, und daß in diesem Zustande das Wasser

zu den Grundstücken des Kl. gelangt, wo es anscheinend tiefgründige Schlamm­ ablagerungen bildet.

BG. erachtet die zu diesem Zustande Ursache gebenden

Immissionen der Bekl. für solche, welche qualitativ das Maß des Regelmäßigen,

Gemeinüblichen in einer den Kl. erheblich schädigenden Weise übersteigen und über die natürliche Bestimmung des Bachbettes hinausgehen.

Daß möglicher­

weise auch andere, als Bekl. in ungebührlichem Maße Schmutzwasser in den Bach einleiten, wird nicht für einen Grund erachtet, das Verfahren der Bekl. für statthaft zu erklären.

Die auf diese Erwägungen gestützte Enffcheidung folgt der Rechtsauffassung,

welche in mehrfachen Entscheidungen des RG., der jetzigen Rev. gegenüber

*) S. Sinnt, zu Nr. 1045.

700

Einführungsgesetz

BGB. Z. Abschn. Verhältnis z. d. tandesgesetzen.

v. 4. Dez. 1886 und 15. Okt. 1887 ausgesprochen, und an welcher festzuhalten ist.

Ob eine Immission in einen Privatfluß das in

diesen Entscheidungen

als unzulässig bezeichnete Maß erreicht, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles zu entscheiden.

Ebenso: V. 79/86 v. 18. 9. 1886. IW. 1886 T. 324 Nr. 32. Gr. Bd. 31 S. 926 Nr. 64 (Hamm). V. 220/86 v- 4. 12. 1886. IW. 1887 S. 50 Nr. 50. Gr. Bd. 31 S. 416 Nr. 20 (Hamm). V. 308/86 v. 7. 2. 1887. IW. 1887 S. 73 Nr. 35. 1045. Ist Schädigung Voraussetzung unstatthafter Immission?

Mehrheit von Jmmittrnten.

Urteilsfaffung.

V. 22/88 v. 4. 4. 1888.

E. Bd. 21 Rr. 55 S. 298 (Münster, Hanim).

BG. schließt sich in Beantwortung der Frage, inwieweit Immissionen in Privatflüsse den

unterliegenden Uferbesitzer zum Widerspruche berechtigen,

der Entsch. des RG. v. 2. Jnni 1886, Bd. 16 S. 178/) und verschiedenen jüngeren Entscheidungen an.

Er stellt demgemäß zunächst fest, daß die Im­

missionen aus den Schächten der Bell, das Maß des Regelmäßigen und Ge­ meinüblichen übersteigen, sowohl in Rücksicht ans die Menge des der Emscher

zugeleiteten

und

mit einem Verluste durch Verdunstung ic. von nur etwa

2 °/0 bis zu den Grundstücken des Kl. hinabgelangenden Wassers, als auch insbesondere wegen der mitgeführten Quantität von Salzen, welche den pflanz­

lichen und tierischen Organismen nachteilig sind.

Wenn BG. aus der Tat­

sache, daß eine große Zahl anderer Zechen im Emschergebiete, auch einige Städte,

in neuerer Zeit ähnlich große Wassermengen, wie drei von den vier bei dem Prozesse beteiligten Zechen, in die Emscher ableiten, nicht die Folgerung zieht,

daß derartige Zuleitungen Folgerung dann

gemeinüblich seien, auch, wie er

nicht ziehen würde,

hinzufügt,

diese

wenn solches schon seit 30—40 Jahren

geschähe, so ist damit weder, wie die Bell, meinen, das gleichmäßige Bestehen

einer gewissen Art von Einrichtungen während einer bestimmten längeren Zeit,

eine Art von Unvordenklichkeit, als zum Begriffe der Gemeinüblichkeit erforder­ lich bezeichnet, noch auch ist damit grundsätzlich die Möglichkeit geleugnet, daß sich für einen bestimmten Kreis von Beteiligten, eine bestimmte Gegend rc. eine

Benutzungsweise des Eigentums als die dort gemeinübliche im Gegensatze zu dem überall, wo Menschen in geordneten Verhältnissen zusammenleben, Ge­

bräuchlichen herausbilden kann, und daß auch diese den Anspruch auf Duldung seitens der dadurch in ihrer absoluten Eigentumsfreiheit eingeschränkten Nachbarn

haben mag.

Vielmehr nimmt BG. auf die Würdigung der konkreten

tat­

sächlichen Verhältnisse sich beschränkend, an, daß bei der erheblichen quantitativen

Abweichung dessen, was die Zechen (und einige Städte) tun, von dem, was sonst infolge des Zusammenlebens von Menschen gebräuchlich ist, nicht die Verfahrungsweise der Zechen (und der einzelnen Städte) als die im Emscher-

*) V. 334/86 v. 2. 6. 1886 (Essen, Hamm), bctr. Ableitung von Abfallwässern in den Sälzerbach, einen Privatfluß: Rr. 1047.

Wasser- und Wühlenrecht nach ALR.

Art. 65.

sie

angesehen

gemeinübliche

gebiete

bestehe;

und

als

ohne

dürfe,

werden

Rücksicht,

Moment,

tatsächliches

besonderes

Quantität des Wassers die Zuleitung der Zechen von

701

welches sonst

wie

lange

neben

üblichen

der

Zu­

leitungen unterscheidet, hebt er dann noch den Salzgehalt des Grubenwassers

hervor...

Zur Begründung der Eigentumsklage ist die Feststellung, daß die Im­ mission der Bekl. ihrem Maße und ihrer Art nach das Gemeinübliche über­ steige, an sich ausreichend. Doch würde es, wie BG. in Übereinstimmung mit den

vom RG. ausgesprochenen

Einwand

geben, wenn Kl. von

Grundsätzen

seinem

annimmt,

Widerspruchsrechte

eigener Interessen Gebrauch machen wollte.

den

Bekl. einen

ohne Verletzung

Dagegen ist zur Begründung der

Klage der Nachweis einer durch die Wasserzuführung der Bekl. dem Kl. zu­ gefügten Schädigung nicht erforderlich.

Deshalb wird die Klage nicht beseitigt

durch den Einwand der Bekl., daß ihre Wasserzuführung nicht für sich allein, sondern

nur etwa in Verbindung mit

anderen Zechen her uni

die

Interesse

nachteilig wirke.

den

gleichartigen Zuführungen

Einrede des mangelnden Interesses des geht

eben

von

Daß das letztere der Fall ist, genügt, Kl. zu widerlegen.

Sein

auf Beseitigung der durch das Zusammenwirken einer

Reihe von Immissionen bewirkten Schädlichkeit.

Vollständig kann Kl. dieses

Ziel zwar nur erreichen, indem er sein Klagerecht gegen alle diejenigen, welche zur Ungebühr zuleiten, oder doch gegen einen namhaften Teil derselben geltend

macht.

Aber weil eine Rechtsgemeinschaft

unter den mehreren solchergestalt

Zuleitenden nicht besteht, und weil gegen jeden derselben die Zulässigkeit der Klage nur von Art und Maß seiner Znleitung abhängt, steht keinem von ihnen die Einrede zu, daß andere neben oder vor ihm belangt werden müßten.

Die Ansicht der Rev., daß unter mehreren Jmmittenten derjenige der rechte Bekl. sei, in dessen Verfahren die wesentliche Ursache der Übelstände zu finden sei, geht von der unrichtigen Unterstellung aus, daß der Nachweis einer schädigenden Wirkung der Immission neben dem Nachweise ihres Übermaßes

zur Begründung der Klage gehöre. das

Erheben

der Klage

gegen

Ein Dulden der Schädlichkeit, welches

nur einzelne der Jmmittenten als arglistig

oder schikanös erscheinen ließe, folgt noch nicht daraus, daß nicht eine größere

Zahl

von Zechen

gleichzeitig

und in einem Prozesse belangt ist; vielmehr

läßt sich ein successives, oder selbst ein nur teilweises Vorgehen aus manchen anderen Gründen erklären.

Selbst wenn Kl. mit einzelnen Zechen über das

Recht der Zuleitung pastieren würde, so würde auch das eine nicht unzulässige

Art der Geltendmachung seines Eigentumes am Flußbette sein und den Best,

keinen Einwand geben.

Daß aus dem Bestehen anderer ungebührlicher Immissionen der auf Unter­ lassung einer solchen Belangte einen Einwand nicht entnehmen könne, ist übrigens

auch in anderen Fällen, z. B. in Sachen B. wider V. Rep. V. 220/86 (v. 4. Dez. 1886) vom RG. angenommen worden ...

702

«Linführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis z. d. tandesgesetzen. Der die Verurteilung der Bell, beschränkende Zusatz, nach welchem ihnerr

die Wasserzuleitung „in der bisherigen Weise" untersagt ist, ist durch die Er­ wägung, daß eine das Maß des Regelmäßigen und Gemeinüblichen nicht über­

schreitende oder den Kl. nicht belästigende Zuleitung den Bell, nicht untersagt werden kann, gerechtfertigt und zugleich in ihrer Bedeutung dahin klargestellt, daß.

das gegen die Bell, erlassene Verbot eine innerhalb dieser Grenzen liegende Zuleitung nicht treffen, wohl aber jede darüber hinausgehende Zuleitung um-

fassen soll. Anliegrrrechte. 1046. V. 856/81 v. 19. 4.1882.

Gr. Bd. 27 S. 148 Nr. 2 (Hamm).

Die Vorschriften der landrechtlichen Gesetzgebung über das rechtliche Ver­

hältnis eines Privatflusses zu den Eigentümern der anliegenden Grundstücke werden in sehr verschiedener Weise aufgefaßt. Nach der einen Ansicht stehen die Privatstüsse im privaten Eigentums

der Uferbesitzer nach der Ausdehnung ihres Uferbesitzes und bis zur Mitte

Es wird dies Recht als Ausfluß ihres Eigentums an den

des Gewässers.

am Ufer gelegenen Grundstücken und der Kontinuität des Bodens unter bem Wasser angesehen.

Diese Ansicht hat das OTrib. auf Grund des ALR. II

15 §§ 39, 73, I 9 §§ 225—273 in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen. (31. Aug. 1846, Entsch. Bd. 15 S. 361; 3. Nov. 1864, Entsch. Bd. 52 S. 38,

namentlich S. 40; 2. Dez. 1870, Entsch. Bd. 64 S. 34, namentlich S. 39.) Derselben

Meinung sind Scheele (Wasserr. S. 18, 26, 29, 31, 53, 55,

89) und Dernburg (Lehrbuch des pr. Privatr. 3. Aufl. Bd. 1 S. 620 bei Note

4 und 5).

Wie Scheele (a. a. O. S. 18) mitteilt, hatte der erste Entw. z. Allg.

Gesetzb. die Nutzungen der Privatflüsse ausdrücklich den Uferbesitzern in § 37 zugesprochen.

Dieser § 37 wurde nur deshalb gestrichen, weil man die dies­

fällige Bestimmung in einen der speziellen Titel aufnehmen wollte, und dies ist später vergessen worden.

Auch RG. hat (28. Okt. 1880, Entsch. Bd. 3

S. 275)/) wo allerdings nicht über einen Privatfluß, sondern über einen Land­ see zu befinden war, angenommen,

„daß das Eigentum an einem Landsee,

ebenso wie an einem Privatflusse, den Anliegern nach der Ausdehnung des Uferbesitzes und bis zur Mitte des Gewässers als Ausfluß ihres Eigentums­

rechts an den am Ufer liegenden Grundstücken" zusteht. Übereinstimmend ist v. V. S. OTrib. (Strieth. A. Bd. 75 S. 15, 24. Nov. 1868) für

einen

nach rhein. R. zu beurteilenden Fall ausgeführt, daß der

Wasserlauf eines Privatflusses trotz seiner ewigen Erneuerung als ein iden­ tisches und fortbestehendes Objekt anzusehen und dem Privateigentum der Ufer­

besitzer unterworfen sei. Abweichend will OTrib. IV (16. Dez. 1853, Entsch. Bd. 27 S. 46) das Eigentum an den Privatflüssen nicht nach den allgemeinen Grundsätzen des

’) Falsch citiert statt S. 245; s. o. Nr. 1034.

Art. 65.

Wasser- und Mühlenrecht nach AkR.

708

Eigentums beurteilt (S. 49) und die sonst in dieser Beziehung maßgebenden Konsequenzen über Benutzung und Verfügungsbefugnisse

über das Eigentum

auf das Recht der Uferbesitzer an dem Flußbette und an dein Wasserschutze

eines Privatflusses nicht angewendet wissen (S. 50). Förster

(Theorie

und

Praxis

des

heutigen

gern. pr.

PR.,

2. Ausl.

Bd. 3 S. 140, 141) geht davon aus, daß das Flußbett Eigentum der Ufer­

besitzer ist, und daß diese ein — nur uneigentlich als

Eigentum zu bezeich­

nendes, ausschließliches Benutzungsrecht des überfließenden Wassers innerhalb

der Grenzen ihres Grundstücks und bis in die halbe Breite des Flusses Haben-

Lette und v. Rönne (Die Landeskulturgesetzgebung des pr. Staates Bd. 2 Abt. 2 S. 630 Note) nehmen an, daß das Landrecht vom Uferbesitze nur ein­

zelne Nutzungsbefugnisse auf den Fluß abhängig mache, nirgends das Eigentums­ „Vielmehr ist" — so heißt es weiter — „bezüglich der

recht an demselben.

eigentlichen Substanz

des Privatflusses

wegender oder befruchtender Kraft),

des fließenden Wassers (dessen be­

bei den legislativen Verhandlungen über

das Ges. v. 28. Febr. 1843 wiederholt anerkannt:

„daß das Wasser vermöge

seiner wechselnden Natur, so lange es nicht geschöpft und abgeleitet, so lange

es also ein Teil des Flusses ist, sich der ausschließlichen Nutzung und Ver­

fügung eines einzelnen Uferbesitzers, mithin auch der Okkupation, dem Begriffe des

Besitzes

wie

des

Eigentums

entziehe

und

als nes

rullius

betrachtet

werden müsse."

Nach Nieberding (Wasserr. und Wasserpolizei im pr. Staate) sind Privat­ flüsse dem Eigentumsrechte nicht unterworfen (S. 35, 133 bei Note 2). An dem

in ihnen

befindlichen

Wasser

steht niemandem

das Eigentum zu (@. 35).

Der gemeine Gebrauch ist jedem freigegeben, der befugterweise an die Ufer gelangen kann (S. 133,134).

Die besonderen — neben dem

gemeinen Ge­

brauche — möglichen Nutzungen des Wassers stehen in Ermangelung beson­

derer Rechtstitel in der Regel den Uferbesitzern als ein Ausfluß ihres Eigen­ tums an den angrenzenden Grundstücken zu (S. 36, 136).

Bezüglich deK

Flußbettes nimmt Nieberding an, daß auch dieses dem Eigentum entzogen ist (S. 38),

daß

aber

einzelne an

demselben

ungeachtet des darin fließenden

Wassers noch mögliche Nutzungen denjenigen gebühren, denen die Nutzungen an dem Wasser zustehen, also den Uferbesitzern.

Sobald aber das Wasser

einzelne Teile des Bettes verläßt, hören diese alsbald auch auf, von dem

privativen Besitze ausgeschlossen zu sein und fallen nach festbestimmten Regeln

dem Eigentümer wieder anheim (S. 38).

Die Ufer hält Nieberding als Teile

der anstoßenden Besitzungen und dem Privateigentum unterliegend (S. 37, 38).

Die Denkschrift, mit welcher der Entw. z. Ges. v. 28. Febr. 1843 über die Benutzung der Privatflüsse den

ständischen Ausschüssen

vorgelegt wurde„

saßt die landrechtlichen Grundsätze über die Privatflüsse dahin auf, „daß die Nutzungen der Privatflüsse nach der Theorie des LR. zu den Gegen­

ständen des Privateigentums gehören, geht aus den Bestimmungen in den

704

Linführungsgesetz j. BGB. 3. Abschn. Verhältnis z. d. Landesgesetzen.

§§ 225—273 I. 9

und §§ 39—43 II. 15

hervor.

Natur dieses Rechts aber sind die Vorschriften unzureichend.

Über

die besondere

des LR. unbestimmt und

Nur über einzelne Nutzungsrechte, über das Fischereir., das

R. zu Alluvionen, die Mühlengerechtigkeit ic. enthält es bestimmte Grund­ sätze; über die Nutzung des Elements selbst, der Masse des fließenden Wassers,

fehlt es an ausdrücklichen Vorschriften."

Es wird sodann in der Denkschrift der leitende Grundsatz für die in dem neuen Ges. projektierten Vorschriften über die Benutzung des Wasserschatzes dahin

angegeben: „So ist denn in Übereinstimmung mit der Auffassung der Provinzial­ behörden und im Anschlüsse an rc. die Nutzungsbefugnis des in den Privat­ flüssen enthaltenen Wasserschatzes als ein Gegenstand des Privateigentums

anerkannt worden, der, wo nicht besondere Rechtstitel ein anderes feststellen,

dem Uferbesitzer als Annexum seines Eigentums an Grund und Boden zusteht." (Beil, zur Allg. pr. Staatszeitung vom Jahre 1812 Nr. 303 S. 2193). Einer so verschiedenen Auffassung also auch die Vorschriften der land­

rechtlichen Gesetzgebung über die Rechtsverhältnisse der Privatflüsse fähig sein mögen, so ergibt sich doch für dieselben der Grundsatz, daß sie, wenngleich unter

sehr erheblichen Beschränkungen, im Privateigentume stehen, und daß dieses Privateigentum

gebührt.

in

Ermangelung

anderer

Rechtstitel

den

Ufereigentümern

Die Gesetze selbst legen diesem Eigentum an den Privatflüssen im

öffentlichen Interesse, im Interesse der anderen am Flusse Berechtigten, insbe­ sondere der Stauungsberechtigten erhebliche Einschränkungen auf.

Einschrän­

kungen und Belastungen des Eigentums werden aber nicht vermutet (ALR. I 19 § 14).

Soweit diese Einschränkungen nicht durch Naturgesetze oder Willens-

«rklärungen bestimmt sind (ALR. I 8 § 25), äußert das Eigentum seine volle Wirkung, insbesondere auch bezüglich der ihm innewohnenden Ausschließlichkeit

(ALR. 18 81). Diese dem Kl. zur Seite stehende Ausschließlichkeit des Eigen­

tums begründet für Bekl. die Verpflichtung, den Rechtsgrund nachzuweisen, uns welchem sie zur Einleitung ihres Grubenwassers in die fraglichen Privat­ flüsse ermächtigt sein will (ALR. I. 7 §§ 181, 182).

Es wird hiermit übrigens

nicht, wie irrtümlich deduziert ist, eine Benutzung des Wasserschatzes dieser Privatflüsse in Anspruch genommen, sondern lediglich das Recht, den in dem

Flußbett geschaffenen Abzugsweg zur Abführung benutzen.

(Vgl.

OTrib.

v.

7. Juli 1879,

des

fremden

Brasserts

Zeitschr.

Wassers

für

zu

Bergr.

Bd. 21 S. 249, 253, RG. v. 21. April 1880, Entsch. Bd. 2 S. 208, namentlich S. 210.)»)

BG. findet darin, daß nicht behauptet ist, die zugeleiteten Wasser seien «an sich schädlich, einen Grund zu der Annahme, es liege kein Eingriff in das

Eigentum oder in das Nutzungsrecht des Kl. vor.

') Oben Nr. 1042.

Diese Schlußfolgerung ist

Art. 65. unstatthaft.

Wasser- und Mühlenrecht nach AtR.

Ges. v. (84(3.

705

Vermöge der Allsschließlichkeit des Eigentums ist der Eigentümer

befugt, jeden Eingriff eines Dritten in sein Eigentum zurückzuweisen, selbst wenn eine schädliche Einwirkung damit nicht verbunden ist. Daß die Un­ schädlichkeit eines Eingriffs in das Privateigentum die Zulässigkeit dieses Eingriffs nicht rechtfertigt, ist auch vom RG. II. HS. v. 2. Mai 1881 (Nr. 804/1880)

angenommen, wo es sich um die Zuleitung von angeblich nicht schädlichem Sielwasser in die im fiskalischen Privateigentum befindlichen Kanüle der Festung W. handelte. Ebenso spricht sich das Erk. des Gerichtshofes z. Entsch. d. Kompetenzkonfl, v. 12. Nov. 1881, in welchem in einer der vorliegenden ähn­ lichen Streitsache über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu befinden war, dahin aus, daß die Unterscheidung zwischen schädlichen und nicht schädlichen Gruben­ wassern die Auffassung bezüglich der Zulässigkeit des Rechtsweges nicht ändere, „da auch in der Zuleitung von sogenanntem nicht schädlichem Grubenwasser

ein Eingriff in die Privatrechte des Uferbesitzers gefunden werden" kann (Brasserts Zeitschr. Bd. 23 S. 247, 249). Hiernach kommt es auf Prüfung der der Bekl. etwa zur Seite stehenden Rechtsgründe an. Aus den gesetzlichen Vorschriften über die Entwässerung und über die Gewährung der Vorflut läßt sich das von den Bekl. beanspruchte Ableitungsrecht nicht begründen. § 99 ALR. I. 8 verbietet, in den Privatflüssen durch Hemmung ihres Ablaufes zum Nachteile der Nachbarn und Uferbesitzer etwas vorzunehmen. § 7 des Ges. v. 1843 (GS. S. 11) legt den Uferbesitzern die Verpflichtung auf, diese Privatflüsse soweit zu räumen, als es zur Beschaffung der Vorflut

nötig ist. In gleicher Weise ist nach ALR I. 8 § 100 ein jeder die über sein Eigentum gehenden Gräben und Kanäle, wodurch das Wasser seinen ordentlichen und gewöhnlichen Ablauf hat, zu unterhalten verbunden. Aus diesen Be­ stimmungen ist zu entnehmen, daß das Gesetz das Bett der Privatflüsse, Gräben und Kanäle als das natürliche Ableitungsmittel desjenigen Wassers ansieht, welches nach den Bodenverhältnissen diesen Betten zufließt, und daß das Gesetz die volle Wirksamkeit dieses Ableitungsmittel sichern will.

Vgl. Lette und v. Rönne, Landeskulturgesetzgebung Bd. 2 (Abt. 2) S. 577, 583 C 1. Aber eben nur für das auf natürlichem Wege zufließende Wasser ist Borflut zu gewähren, nicht für das durch künstliche Leitungen zugeführte. Ebenso: Lette und v. Rönne a. a. O. S. 581, 2a; Nieberding, Wasserrecht

S. 65, 66, 142. Die Vorschriften des MR. I. 8 §§ 102 ff. über Gewährung der Vorflut

sind in dem Ges. v. 1811 (GS. S. 352) und in der zusätzlichen Bestimmung im Art. 3 des Ges. v. 11. Mai 1853 (betr. unterirdische Ableitungen, GS. S. 113) erheblich erweitert. Bei überwiegendem Vorteile für die Bodenkultur und unter Gewährung vollständiger Entschädigung kann jeder Grundbesitzer verlangen, daß ihm das Ziehen von Abwässerungsgräben durch fremden Bodeu Rudorfs, Reichsgerichts-Entscheidungen.

Bd. I.

45

706

Ginführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis z. d. kandesgesetzen.

gestattet wird, selbst zur Ableitung

von Teichen

und Seen (Ges. v. 1811

§§ H-14).

Jedes mit Umgehung des in den §§ 15 ff. des Ges. v. 15. Nov. 1811 vorgeschriebenen Verfahrens bewerkstelligte eigenmächtige Ableiten des Wassers in oder aus das Nachbar-Grundstück ist unberechtigt und mit der Negatorien­

klage abwendbar.

(OTrib. v. 2. Dez. 1870, Strieth. A. Bd. 80 S. 117.)

Die Vorschriften über Entwässerungsanlagen stehen also der Bekl. nicht zur Seite. (Übereinstimmend Brasserts Zeitschr. Bd. 21 S. 254.)

Bekl. gründet ihr Zuleitungsrecht unter Anrnsung von § 1 des Ges. v. 1843 insbesondere darauf, daß sie mit dem Besitzer des am Präsidentenbache

gelegenen H.'schen Hofes einen Traddevertrag geschlossen habe, auf diese Weise

Uferbesitzerin dieses Privatflufses geworden sei, und ihr als solcher das Recht der Mitbenutzung dieses Privatflusses, insbesondere zur Ableitung ihres Gruben­ wassers zustehe.

Es ist verfehlt, die Befugnis zu einer Entwässerungsanlage and dem Ges. v. 28. Febr. 1843 herleiten

zu wollen, weil dieses Gesetz im Interesse der

Wasserbenutzung zu Bewässerungen ergangen ist.

Nach dem Eingänge des

Gesetzes beruht dasselbe auf einer Revision der gesetzlichen Vorschriften über

die Benutzung der Privatflüfse, „mit besonderer Rücksicht auf die Erfahrungen, welche in neuerer Zeit über die Verwendung des fließenden Wassers zur Ver­

besserung der Bodenkultur gemacht worden sind".

Dem entsprechend enthält

das Gesetz auch nur unter den allg. landespoliz. (nicht Privatrechtlichen) Be­ stimmungen der §§ 2—12 Verbote gegen die Verunreinigung und Verengung,

der Flüsse (§§ 3—6) und eine Bestimmung über Räumung derselben (§ 7).

Die in den §§ 1, 3 ff. gegebenen Vorschriften über die Benutzung des Wassers seitens der Uferbesitzer regeln eben nur die Benutzung des Wassers haupt­ sächlich im Interesse der Bodenkultur. In Ansehung der Benutzung des Wassers

zu

Mühlen

ic.

wird auf die bestehenden Gesetze verwiesen (§ 1 letzter Satz).

(Vgl. Scheele, Wasserr. S. 57; Nieberding, Wasserr. S. 17, 18; Lette

und v. Rönne, Landeskulturgesetzgebung Bd. 2 S. 633, 635 I. 636 Nr. 4 und 5, S. 637, 641 bei 1, S. 646 V. 1.) OTrib. v. 7. Juli 1879 (Brassert's Zeitschr. Bd. 21 S. 249 namentlich S. 253) und RG. (21. Okt. 1880 Entsch. Bd. 2 S. 208 namentlich S. 210)'> ist bereits ausgeführt, daß dem Bergwerkseigentümer nicht das Recht zusteht,,

fremde Wasser, insbesondere schädliche Grubenwasser in einen Privatfluß zu leiten, daß er vielmehr behufs Beseitigung dieser Wasser bei den Verwaltungs­

behörden ein Enteignungsverfahren nachzusuchen habe (Allg. Bergges. §§ 135 ff.,.

§ 142).

Daselbst ist auch schon die Annahme widerlegt, als ob er durch den

Erwerb von Uferbesitz zu einer solchen Ableitung befugt werden könne, weil eben in der prätendierten Zuleitung nicht eine im Ges. v. 1843 dem Uferbesitzev

•) Oben Nr. 1042.

Art. 65.

Wasser- und Mühlenrecht nach AtN.

707

Ges. v. {843.

freigegebene Benutzung des Flußwassers zu finden ist, sondern der Anspruch auf Benutzung des Flußbettes als Abzugskanal. Überdies sind die Nutzungs­

rechte des Uferbesitzers im Ges. v. 1843 nach Beseitigung des ursprünglichen Entwurfs § 15 (vgl. pr. Staatsztg. 1842 S. 2199, 2243) nur in beschränktem

Umfange an andere Grundbesitzer übertragbar (Ges. §§ 24, 25 Nr. 5, § 19 Nr. 2).

Vgl. OTrib. Bd. 52 S. 113, 116; Nieberding S. 136, 139 oben,

S. 140, 131, 168; Scheele S. 49.

Hiernach ist der Abweisungsgrund des Berufungsrichters nicht durchgreifend. Ebenso V. 63/84 v. 27. 9. 1884.

1047. V. 334/86 v. 2. 6 1886.

Gr. Bd. 29 Beil. S. 873 Nr. 63 (Hamm).

IW. 1886 S. 251 Nr. 23 (Hagen, Hamm).

RG. hat sich in wiederholten Entscheidungen der in Doktrin und Praxis

verbreitetsten Auffassung angeschlosien, daß das Eigentum der Privatflüffe unter

den aus ihrer Natur und den positiv gesetzlichen Bestimmungen sich ergebenden Einschränkungen den Ufereigentümern je für ihre Uferstrecke zusteht.

Es liegt

keine genügende Veranlassung vor, diesen einmal gewonnenen Rechtsstandpunkt aufzngeben.

Wenn nun auch in diesem Eigentum am Privatflusse ein Eigen­

tum an der, der ausschließlichen Herrschaft des Einzelnen durch die entzogenen fließenden Wasserwellen nicht enthalten ist, das Eigentum sich somit auf das Eigentum am Bette und auf eine gewisse Verfügungsbefugnis über den von

dem vorüberfließenden Wasser eingenommenen Raum und über das jeweilige vorüberfließende Wasser selbst beschränken muß, so folgt doch aus dem Eigen­ tum auch in dieser Gestaltung das Recht, unbefugte Eingriffe jedes Dritten,

insonderheit auch des oberliegenden Uferbesitzers abzuwehren, und zwar dieses ohne den besonderen Nachweis, daß durch solche Eingriffe dem Eigentümer ein

Nachteil zugefügt wird, und

unabhängig von den aus der Zufügung eines

Nachteils entstehenden besonderen Rechtsfolgen. Aus diesen Vordersätzen und aus der weiteren Ausführung, daß aus den Vorschriften des positiven Rechts über

die Entwässerung und die Gewährung der Vorslut sich ein Recht, dem Privat­

flusse Wasser oder sonstige Flüssigkeiten durch künstliche Leitung zuzuführen, sich

nicht

begründen

lasse,

ziehen

die

angeführten

Entsch.

des

RG.

den Schluß, daß der Uferbesitzer jeder oberhalb seines Besitzes stattfindenden Zuleitung, außer der des auf

natürlichem Wege

zufließenden

Wassers

zu

widersprechen befugt sei. Die durch den gegenwärtigen Streitfall veranlaßte wiederholte Prüfung hat indessen zu der Überzeugung geführt, daß dieser Schluß nicht ohne jede Einschränkung aufrecht erhalten werden kann. Allerdings

besteht keine positive Rechtsvorschrift darüber, in welchem Umfange der ober­

liegende Uferbesitzer oder derjenige, welcher, ohne selbst Uferbesitzer zu sein, mit diesem Einverständnis handelt, dem unterhalb liegenden Uferbesitzer gegen­ über ein Recht hat, des Flusses als Ableitungskanals sich zu bedienen.

Das

Gesetz über die Benutzung der Privatflüsse v. 28. Febr. 1843 insbesondere regelt diese Frage nicht.

Neben seinen ausführlichen Bestimmungen, welche die Ord-

45*

Linführungsgesetz 3; BGB. 5. Abschn. Verhältnis 3. d. tandesgesetzen.

708

nung der Benutzung des Wasservorrats, insbesondere zur Bewässerung,

be­

zwecken, spricht es in seinen §§ 3—6 nur einige die Zuführung fremder Stoffe

aus Rücksichten auf das Gemeinwohl beschränkende Verbot aus, welche von den

Polizeibehörden zu handhaben und welche, wie auch der BR. mit Recht an­ nimmt, für die Privatrechte der Uferbesitzer nicht maßgebend sind.

Mangels

einer positiv-rechtlichen, unmittelbar anwendbaren Vorschrift kann aber nur von der aus der Sache selbst sich ergebenden Erwägung ausgegangen werden, daß

der

private ebenso

wie der öffentliche Fluß innerhalb seines Zuflußgebietes

der von der Natur gegebene Rezipient ist, nicht bloß für das aus dem Boden von dessen Oberfläche von selbst absließende Wasser, sondern vermöge

und

der Bedingungen, unter denen menschliche Ansiedelung und Bodenbenutzung naturgemäß vor sich gehen muß, auch für dasjenige Wasser, das aus wirt­

schaftlichen Gründen

künstlich

fortgeschafft werden muß, wie nicht minder für

mancherlei Stoffe, welche dem

wirtschaftlich benutzten Wasser sich beimengen

und vor dessen Ableitung nicht wieder ausgeschieden werden können.

Die Be­

nutzung der Flüsse zu einer derartigen Ableitung ist älter, als die Bildung

irgend welcher Rechtsnormen über das Eigentum an den Flußläufen; sie ist

in gewissem Maße unvermeidlich und unentbehrlich, und die Verpflichtung, sie zu

gestatten,

gehört

insoweit

zu

den durch

„die Natur bestimmten

Ein­

schränkungen des Eigentums" an den Flußläufen, denen jeder sich unterwerfen muß.

(ALR. Tl. I Tit. 8 § 25).

Bei fortschreitender Bevölkerungsdichtigkeit

und Industrie kann allerdings die Benutzung der Flüsse als Ableitungskanäle

eine Ausdehnung gewinnen, welche die berechtigten Interessen anderer gefährdet. Bei

öffentlichen Flüssen und bei derjenigen

Benutzung

von

Privatflüssen,

welche das Gemeinwohl beeinträchtigt, ist es eine der polizeilichen Aufgaben des

Staates, die erforderlichen Grenzen zu ziehen.

Bei der Kollision mit privat­

rechtlichen Interessen, wie es die des unterhalb

liegenden Uferbesitzers

sind,

muß das Prinzip den Ausschlag geben, daß die Ausschließlichkeit und Will­

kürlichkeit des Gebrauchsrechts des einen

Eigentümers ihre

notwendige Be­

grenzung findet in der dem anderen Eigentümer ebenfalls zustehenden Aus­ schließlichkeit und Willkürlichkeit (Entsch. OTrib. Bd. 23 S. 259).

So wenig

es sich mit der Ausschließlichkeit und Willkürlichkeit des Gebrauchsrechts des oberliegenden Eigentümers vertragen würde, wenn ihm die Benutzung seines Eigentums am Flußlaufe zu jeder den Unterliegenden irgendwie berührenden

Immission versagt sein sollte, so wenig ist es mit den Rechten des Unterliegen­ den vereinbar, daß er jede beliebige Immission zu dulden habe.

Es würde

auch mit dem Grundsätze der Ausschließlichkeit des Eigentums nicht zu verein­

baren sein, wenn dem Unterliegenden zur Begründung des Einspruches gegen

eine Immission neben der Berufung auf sein Eigentum noch der Nachweis einer besonderen Schadenszufügung auferlegt werden sollte.

Wohl aber leitete

aus jenem Prinzipe schon das röm. R. in einem anderen Falle, in welchem natur­ gemäß die freie Verfügung eines Eigentümers über sein Grundstück nicht ohne

Art. 65.

Wasser- und Mühlenrecht nach AkR.

Ges. v. (8H3.

709

jede Rückwirkung auf andere Grundstücke bleiben kann, nämlich soweit es sich um den

an und für sich jedem Eigentümer freistehenden Gebrauch der Luft­

säule über seinem Grundstücke handelt, den Satz ab, daß der Eigentümer eines Grundstücks Alles das

von

dem Eigentümer

des Nachbargrundstücks dulden

muß, was als regelmäßige Folge der gemeingebräuchlichen Eigentumsausübung

erscheint, wie mäßigen Rauch, Staub u. bergt, während er zum Wider­ sprüche berechtigt ist, wenn die Überleitung derartiger Stoffe durch die Luft in ungewöhnlichem Maße, etwa als Folge eines besonderen außergewöhnlichen

Gebrauches des Nachbargrundstücks geschieht und diesem Satze hat auch die Wissenschaft und Praxis des pr. R. sich angeschlossen.

Die Anwendung des

gleichen Grundsatzes auf die Zuleitungen durch Vermittelung des fließenden Wassers führt dahin, daß der dadurch betroffene unterhalb liegende-Uferbesitzer

sich

diejenigen

Zuleitungen, mögen

sie

in

einer

bloßen Vermehrung

des

Wasservorrats oder in der Beimengung fremder Stoffe bestehen, gefallen lassen muß, welche das Maß des Regelmäßigen, Gemeinüblichen, nicht überschreiten, selbst wenn dadurch die absolute Verwendbarkeit des ihm zufließenden Wassers

zu jedem beliebigen Gebrauche irgendwie beeinträchtigt wird (insofern erleidet die Äußerung des RG., daß der Unterliegende reines und brauchbares Wasser zu beanspruchen habe, Entsch. Bd. 2 S. 210,') eine Modifikation); daß dagegen

der Unterliegende jeder dieses Maß überschreitenden Zuleitung als einem Ein­

griffe in sein Eigentum zu widersprechen befugt ist.

Daß eine über das Ge­

meinübliche hinausgehende Zuleitung von Wasser oder von fremden Stoffen,

wenn schon keine direkt nachweisbare Beschädigung, so doch eine über das, was als naturgemäße Folge des Zusammenlebens anzusehen ist, hinausgehende somit

ungebührliche Belästigung des unterliegenden Uferbesitzers mit sich bringt, also eine Verletzung des Eigentumsrechts dieses ohne weiteres angenommen werden.

liegenden der Nachweis frei

bleiben,

letzteren ist, muß der Regel nach

Für den Ausnahmefall würde dem Ober­

daß seine,

wenn auch ungebräuchliche,

Zuleitung den Unterliegenden nicht, oder nicht anders, wie der ganz gemein­

übliche Gebrauch des Flusses, belästige, daß also der Unterliegende von seinem Widerspruchsrechte ohne jede wirkliche Verletzung eigener Interessen, d. h. zur

Chikane des Oberliegenden (vgl. ALR. T. I Tit. 8, § 28) Gebrauch machen wolle.

Ob eine bestimmte Art der Zuleitung zu einem Flusse nach Stoff und

Umfang das Maß des Gemeinüblichen überschreite, kann nur nach den tatsäch­

lichen Umständen des Einzelfalles beurteilt werden.

1048. AK 2-6 des Grs. o. 1843. V. 265/83 v. 8. 12. 1883.

IW. 1884 S. 62 Nr. 70.

Die §§ 2—6 des Ges. v.

28. Febr.

1843 enthalten

allgemeine Be­

stimmungen über die Benutzung von Privatflüssen; sie geben den Berwaltungs-

') Oben Nr. 1042.

710

Linführungsgesetz z. BGB. 5. Abschn. Verhältnis j. d. kandesgesetzen.

behörden Befugnisse zum Einschreiten im allgemeinen Interesse.

Einen privat­

rechtlichen Anspruch gibt die Verletzung dieser Vorschriften an sich nicht, ein solcher muß nach den Vorschriften der §§ 13 ff. begründet werden, welche von

den Rechten der Adjazenten handeln. 1049. Polizeiliche Anordnung der Räumung.

V. 236/85 v. 27.1.1886.

Gr. Bd. 30 S. 1002 Nr. 89 (Posen).

Insoweit die Klage nicht direkt auf Beseitigung einer polizeilichen An­

ordnung gerichtet ist, bezweckt sie, dem bisher von der Polizeibehörde in einer Anzahl von Räumungsfällen eingehaltenen Verfahren den Boden zu entziehen

und der wiederholten Inanspruchnahme des Kl. vorzubeugen.

Dies konnte Kl.

mit Erfolg aber nur durch eine Klage gegen die wirklich Verpflichteten, weil

ein

Rechtsstreit zwischen

zwei Nichtverpflichteten

niemals

dasjenige positive

Resultat geben kann, welches das öffentliche Interesse im Fall des § 5 des Ges. v.

11. Mai 1842 erheischt (vgl. Entsch. des OTrib. Bd. 47 S. 309).

Es braucht sich daher ein Nichtverpflichteter auf eine Klage eines anderen, der

seine eigene ihm durch die Behörde angesonnene Verpflichtung von sich ab­

zulehnen

sucht,

nur

einzulassen, wenn

dem Kl. sonst ein

negatorisch gegen jenen zu klagen — zur Seite steht.

Rechtsgrund



Rev. führt aus, daß

ein solcher berechtigter Anlaß zur Klage durch den Eingriff in das Eigentum

gegeben sei, dessen sich der Bekl. dadurch, daß er die fraglichen polizeilichen

Verfügungen veranlaßt, schuldig gemacht habe.

nicht für richtig erachtet werden.

Es kann aber diese Ausführung

Nach dem ohne Grund als verletzt bezeichneten

§ 7 des Ges. v. 28. Febr. 1843 ist die Polizeibehörde ermächtigt, diejenigen, welchen die Räumung obliegt, hierzu anzuhalten, und hat, wenn Streit unter

den Beteiligten entsteht, das Recht und die Pflicht vorläufiger Entscheidung, wobei sie insbesondere den Besitzstand, d. h. die bisherige Ausübung zu be­

rücksichtigen hat.

Wenn nun Bekl., der an der Räumung des Bogdanka-Baches

als Mühlenbesitzer ein besonderes Interesse hatte, die Räumung bei der Polizei­

behörde in Antrag brachte, so kann hierin, auch wenn er dabei auf den bis­ herigen Besitzstand verwiesen, ein Eingriff in das Eigentum oder den Rechts­

bereich des Kl. nicht gefunden werden. resp,

seiner Mühle,

gegen

Das Bekl. dabei ein vermeintlich ihm

den Kl. als Besitzer eines ehemaligen Mühlen­

grundstückes zustehendes privatives R. geltend

gemacht

rühmt hat, ist vom Kl. nicht behauptet worden.

oder

sich dessen be­

Das Angehen der Polizei­

behörde von feiten des Bekl. um Anordnung der Räumung und Verteilung

der Kosten in bisheriger Art, kann als tatsächliche Behauptung eines ent­ sprechenden Rechts nicht angesehen werden.

Es wäre an sich nicht ausgeschlossen, daß Kl. das Nichtvorhandensein eines Rechtsverhältnisses, auf Grund dessen er dem Bekl. gegenüber zur Beteiligung

an der Räumung des Bogdanka-Baches verpflichtet sei, im Wege der Fest­ stellungsklage (EPO. § 256) unabhängig von der ergangenen polizeilichen Ver-

sügurig ausführen könnte.

Die Begründung der Klage, sowie ihr Antrag bot

aber keinen Anhalt, dieselbe von diesem Gesichtspunkte aufzufassen. 1050. Userei-rntmn und Flußeigentum.

Daß

den

nach

Fischereirecht.

Gr. Bd. 31 S. 1001 (Königsberg).

V. 160/86 v. 13. 10. 1886.

im Gebiete

des ALR. gemeingültigen Grundsätzen

dem

llfereigentümer eines Privatflusses bis zum Nachweise des Gegenteils das Eigen­ tum bis zur Mittellinie des Flusses zustehe, nimmt BG. in Übereinstimmung mit der konstanten, von den neueren Schriftstellern durchweg gebilligten Praxis

des OTrib. wie des RG. an.

Statt weiterer Belege genügt der Hinweis auf

die angeführten, sowie auf die bei Gruch. Bd. 27 S. 148 und Bd. 29 S. 873

abgedruckten Entsch. des RG. in deren ersterer auch die Literatur über die Frage erschöpfend

nachgewiesen ist.

Auch in der Entsch. v. 2. Juni 1886')

hat RG. diesen Standpunkt festgehalten, und die dagegen vom Rev.Kl. erhobenen

Bedenken bieten keinen Anlaß, davon abzuweichen.

Es ist über diese Bedenken

nur folgendes zu bemerken:

1. Die §§ 39—42 ALR. II. 15 wie das Ges. v. 1843, insbesondere dessen SS 1 und 8, sprechen aus, daß die Privatflüsse Gegenstand des Privateigentums,

also grundsätzlich weder Eigentum des Staates, noch res nullius sind.

Darüber,

wem das Eigentum der Privatflüsse zustehe, sprechen die §§ 39—42 a. a. O. sich nicht aus, es war dazu aber auch an dieser Stelle im System des Gesetzbuches

keine Veranlassung.

Das Ges. v. 1843 läßt die Möglichkeit offen, daß das

Privateigentum an nicht schiffbarem Flusse einem anderen als dem Uferbesitzer,

zustehe, es regelt sowohl solche Befugnisse und Pflichten des Ufereigentümers, welche ihm zustehen ohne Rücksicht darauf, ob er zugleich Eigentümer des Flusses

ist, als auch solche, welche ihm nur zustehen, wenn er zugleich Eigentümer des

Flusses ist. Daß das Ges. es aber als die Regel ansieht, daß das Ufereigentum und das Eigentuni am Flusse längs des Ufers sich decken, erhellt sowohl daraus,

daß der

§ 1

des

Ges. in

den

angeführten

Worten

das

Eigentum

eines

anderen am Flusse als die Ausnahme hinstellt, wie auch beispielsweise aus § 7 das.,

wo das Ges. die Räumungspflicht als Verpflichtung

bezeichnet,

des

Uferbesitzers

ohne eines besonderen Eigentümers des Flusses, welcher, falls ein

solcher vorhanden, selbstverständlich statt des Uferbesitzers räumungspflichtig, weil allein räumungsberechtigt sein würde, auch nur zu gedenken.

In der Tat

bildet auch für den Fall, daß ein besonderer Eigentümer des Privatflusses nicht nachzuweisen ist, die Annahme,

daß die Ufereigentümer je für ihre Strecke

und Flußseite auch die Eigentümer des Flusses sind, die einzig mögliche An­

wendung des gesetzlich ausgesprochenen Satzes, daß die Privatflüsse im Privat-

«igentume stehen. *) Entsch. Bd. 16 S. 178.

Siehe Anm. zu 1045.

712

Linführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis z. d. Landesgesetzen. 2. Die §§ 225 ff. ALR. I. 9 regeln den Erwerb der Anspülungen, Inseln-

und verlassenen Flußbette zu Gunsten der Userbesitzer gleichförmig für öffent­

liche und für Privatflüsse.

Dadurch wird indessen nicht ausgeschlossen, daß

der innere Rechtsgrund dieses Erwerbes bei den beiden Kategorieen von Flüssen

ein verschiedener, und daß er insbesondere bei den Privatflüssen in der Unter­ stellung eines an dem mit Wasser bedeckten Flußbette schon bestehenden Eigen­

tums der Uferbesitzer zu suchen ist.

Daß übrigens die Angerapp auf der hier streitigen nicht schiffbaren Strecke ein Privatfluß sei, hat BKl. nicht, wie in OTrib.-Enffch. Bd. 80 S. 136 mit­ geteilt, in Abrede gestellt.

Zum Nachweise der Ersitzung des Eigentums am Flusse hat der Rev.Kl. einzig darauf sich berufen, daß er seit rechtsverjährter Zeit die Fischerei ver­ pachtet habe.

Daß das Fischereirecht, wenn es besteht,

nicht notwendig ehr

Ausfluß des Eigentums am Fischwasser sei, ist schon in den, Erk. des RG. v. 28. Okt. 1880 (Bd. 3 S. 249)J) gezeigt worden.

Der vom Rev.Kl. als ver­

letzt bezeichnete § 177 ALR. I. 9 sagt nun, daß die Fische in geschlossenen

Gewässern, d. i. in solchen, welche sich über die Grenze des Grundstücks nicht erstrecken (§ 176), dem Eigentümer des Grundstücks gehören, d. h. nicht Gegen­ stand des Erwerbes durch Besitzergreifung, des Fischereirechts, sind.

Wenn er

aber auch sagte, daß in der Regel das Fischereirecht dem Eigentümer des Ge­

wässers zustehe, so würde daraus nicht umgekehrt gefolgert werden dürfen, daß Jeder, dem ein Fischereirecht zusteht, bis zum Gegenbeweise Eigentümer desGewässers sei. 1051. Bewässerung.

Viehtränke.

V. 75/88 v. 26. 5.1888.

E. Bd. 21 S. 302 (Münster, Hamm).

Die Benutzung des vorbeifließenden Wassers zur Bewässerung und zur'

Viehtränke hat als eine berechtigte im Gesetze mehrfach Ausdruck gefunden.

BG. hat festgestellt, daß Kl. das Wasser der Emscher da, wo er Adjazent ist, für diese Zwecke nicht mehr verwenden kann.

Es fragt sich also nur: Ist der

Anspruch des Kl. gegen Bekl. deshalb nicht begründet, weil sie nicht für sich allein die Beschädigung bewirkt und auch nicht bewirkt haben würde ohne die Mitwirkung der gleichartigen Benutzung durch andere Zechen? rc. w. vorher. 1052. Rechte an einem von den Grundstücken verschiedener Befitzer umgebenen Gewäster.

II. H. 413/81 v. 13. 4. 1882. Gr. Bd. 15 S. 943 Nr. 89 (Breslau). In konstanter Praxis hat das OTrib. angenommen, daß der ini ALR. I. 9 § 176 ausgesprochene Rechtsgrundsatz:

Teiche, Hälter, Seen und andere geschlossene Gewässer, welche sich nicht über die Grenze des Grundstücks erstrecken, in welchem sie liegen, sind in der Regel als das Eigentum des Grundherrn anzusehen,

') Oben Nr. 1034.

Art. 65.

lvaffer. und Mühlenrecht nach ALR.

Ges. v. (8^5.

713

nicht allein auf den Fall sich beziehe, daß ein solches Gewässer innerhalb der

Grundstücksgrenzen eines Grundstücksbesitzers liegt, sondern auch die Regel für

den Fall aufstelle, daß dasselbe von den Grundstücken verschiedener Grundstücks­ besitzer (Adjazenten) umgeben wird.

Es ist dieses aus der die Eigentumsver­

hältnisse an dem Bett abgelassener Landseen betreffenden Vorschrift der §§ 268 ff. a. a. O. hergeleitet, wonach, wenn die Eigentumsanteile mehrerer Interessenten

an dem See selbst nicht bestimmt gewesen sind, der abgelassene Grund unter die Uferbesitzer nach den für verlassene oder zngelandete Flußbetten gegebenen Bestimmungeit und gegen Entschädigung derer verteilt werden soll, welche, ohne

Uferbesitzer zu sein, nutzbare Rechte in dem See auszuüben hatten.

Entsch. Bd. 15 S. 361, Bd. 52 S. 40, Bd. 64 S. 39.

Vgl. OTrib;-

Der innere Zu­

sammenhang des § 176 mit den §§ 268 ff. liegt auf der Hand.

Die Recht­

sprechung des OTrib. ist daher vollständig zutreffend.

1053. Zurückleitungspflicht des Uferbefitzers. V. 27/89 v. 18. 5. 1889. IW. 1889 S. 298 Nr. 51. Die gesetzliche Verpflichtung des Uferbesitzers zur Zurückleitung (Ges. 1843

§ 13, 2) erstreckt sich nur auf das von ihm aus dem Flusse (dem an seinem Grundstücke von Natur vorüberfließenden Wasservorrate) abgeleitete Wasser; wenn aber durch eine einheitliche Anlage, wie es das vorliegende Unternehmen

der Bell, ist, einerseits der Wasservorrat im Flußbette künstlich vermehrt, dann aber diese Vermehrung dem Flußbette in gleicher Weise wieder entzogen toitbr so wird dadurch im Resultate an dem natürlichen Wasservorrate, über welchen

nach der Absicht des Gesetzes der Oberliegende nicht ohne Rücksicht auf die

Interessen der Unterliegenden verfügen soll, nichts geändert; eine solche Anlage würde somit jedem Uferbesitzer kraft seines Eigentums am Flußbette sreistehen

und ein Widerspruchsrecht des Unterliegenden nicht begründen. keinen Unterschied machen,

Es kann auch

ob die künstliche Zuleitung der demnächst wieder

abgeleiteten Wassermenge durch

Einführung eines besonderen Wasserstromes

in den Fluß, oder durch bessere Erschließung der in dessen Zuflußgebiete vor­ handenen Wasserschätze geschieht. Haben aber wie in Übereinstimmung hierinit

das BG. anerkennt, Kl. nur insofern einen Anspruch auf Zurückleitung des von der Bell, abgeleiteten Wassers, als die Ableitung auch solches Wasser um­

faßt, welches nicht erst durch Bell, selbst dem Flusse zugeführt war, so kann

der zur Begründung der Klage erforderliche Nachweis eines Schadens nicht schon auf die Tatsache gestützt werden, daß Bekl., nachdem sie den Wasservorrat

vermehrt hat, Wasser in einer für den Mühlenbetrieb erheblichen Menge fort­ leite; eine den Anspruch auf Schadensersatz und Wiederherstellung des früheren

Zustandes begründende Rechtsverletzung besteht vielmehr nur dann, wenn eine in diesem Sinne erhebliche Wasfermenge jetzt fortgeleitet wird, während hier­

vor der Kanalisation und bis zu dieser der Mühle aus der faulen Netze zufloß.

(Meliorations-Genossenschaft der Labischin Bromberger Netzwiesen c. FalkenbergI

Linführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis 3. ö. tandesgesetzen.

714

1054. Teilweise Ableitung. V. 127/98 v. 25. 5. 1898. IW. 1898 S. 450 Nr. 51. Unbegründet ist die Ausführung der Revision, daß die Entnahme des

Wassers im vorliegenden Falle keine Ableitung im Sinne des § 13 Nr. 2 des Privatflußges. v. 28. Febr. 1843 darstelle.

Kl. selbst behauptet, daß er

Wasser ans dem Privatflusse bis zu seiner Wasserstation leite und daß er den nicht verbrauchten Teil des Wassers in den Fluß zurückleite. gesetzlichen Voraussetzungen der Ableitung gegeben.

Damit sind die

Unrichtig ist auch die An­

sicht, daß § 13 Nr. 2 auf nur teilweise Wasserablcitungen nicht Anwendung finde.

Das Ges. selbst unterscheidet in dieser Hinsicht nicht.

Es mag der Re­

vision zugegeben werden, daß der Uferbesitzer das im natürlichen Flußbette vor­

überfließende, sowie das abgeleitete Wasser zuin Nutzen seines Ufergrundstückes und der darauf befindlichen gewerblichen und industriellen Anlagen gebrauchen und verbrauchen darf (vgl. Nieberding- Frank, Wasserr., S. 301 ff.).

Sein

Recht ist aber ein subjektiv-dingliches, dessen Ausübung nur zum Nutzen des

Ufergrundstückes, nicht im Interesse der Grundstücke dritter und ebensowenig im Interesse nicht am Privatflusse gelegener Grundstücke des Uferbesitzers statt­

haft ist.

Der etwa statthafte Verbrauch des Wassers muß sich auf dem Ufer­

grundstücke vollziehen.

Erstreckt sich ein einheitlicher gewerblicher oder industrie-

«ller Betrieb weit über die Grenzen des Ufergrundstückes hinaus, dann kann

nicht mehr die Rede davon sein, daß das in diesem Betriebe verbrauchte Wasser

Lum Nutzen des Ufergrundstücks verbraucht ist, insbesondere dann nicht, wenn

das abgeleitete Wasser zum Zwecke des Verbrauches auf andere Grundstücke geschafft wird (vgl. Nieberding-Frank S. 257 ff., und 301 ff.).

hier der Fall.

Dies aber ist

Auf dem Ufergrundstücke werden im wesentlichen nur die Loko­

motiven mit Wasser gespeist; verbraucht wird das von den Lokomotiven fort­ geschaffte Wasser zum größten Teile auf weit abgelegenen Betriebsstrecken. Zum

Nutzen des Ufergrundstücks dient auch kein Teil des verbrauchten Wassers,

sondern lediglich zum Nutzen eines einheitlichen Betriebes,

welcher sich im

wesentlichen auf anderen Grundstücken vollzieht.

1055. Pmnpeinrichtml- Ableitung ! VII. 179/00 v. 19. 10. 1900.

E. Bd. 47 Nr. 71 S. 291 (Breslau).

Mögen auch z. Zt. des Erlasses des Ges. v. 28. Febr. 1843 Ableitungen nur in der Weise üblich gewesen sein, daß dem Flußwasser ein Ablauf aus dem Bette durch das natürliche Gesetz der Schwere eröffnet wurde, so ist der

Begriff der Ableitung doch nicht auf diesen Tatbestand einzuschränken, sondern wird auch erfüllt, wenn das Herausgehen von Wasser aus dem Flußbett in der

Weise ermöglicht wird, daß das Wasser zunächst durch ein in dauernder Weise tätiges Pumpwerk in die Höhe gehoben und erst dann seinem Laufe durch

das Gesetz der Schwere überlassen wird.

Die Benutzung einer derartigen Ein­

richtung erfüllt aber den Tatbestand des § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Ges. anderer-

Art. 65.

Wasser- und Mühlenrecht nach AtR.

Ges. v. J8^3.

715

seits dann nicht, wenn das ausgepumpte Wasser von dem Anlieger voll­

ständig verbraucht wird, so daß die Zurückleitung von Wasser in das ursprüng­

liche Flußbett, wie § 13 erfordert, gar nicht erfolgen kann; denn das Ges. v. 1843 verbietet dem Anlieger an einem Privatflusse keineswegs, aus demselben

Wasser zum Verbrauch auf dem angrenzenden Grundeigentum

zu entnehmen, vielmehr gehört solche Befugnis unbestrittencrmaßen zu den aus dem Eigentum am Flußbett sich ergebenden Rechten.

1056. Änderung der Zuleitungspflicht durch Vertrag.

II. 213/96 v. 24. 11.1896.

E. Bd. 38 Rr. 75 S. 274 (Trier, Köln).

Nach § 13 Ziff. 2 des Ges. v. 28. Febr. 1843, welches insoweit im Ge­

biete des rhein. R. an die Stelle des im wesentlichen gleiche Bestimmungen enthaltenden Art. 644 BGB. getreten ist, unterliegt das dem Uferbesitzer nach

§ 1 zustehende Recht zur Benutzung des

vorüberfließenden Wassers der Be­

schränkung, daß das abgeleitete Wasser in das ursprüngliche Bett des Flusses zurückgeleitet werden muß, bevor dieser das Ufer eines fremden Grundstückes

berührt.

Die Ableitung

zuleitung

ist objektiv

des Wassers aus

einem Privatfluß ohne Wieder­

und verletzt die Rechte der unterliegenden

unberechtigt

Uferbesitzer, auch wenn denselben ein aktueller Schade dadurch wird.

nicht zugefügt

Durch die Feststellung der mangelnden Einwirkung auf den Mühlen­

betrieb der Kl. kann daher der auf das Ges. über die Privatflüsse gestützte Klagansprnch nicht beseitigt werden.

BG. hat sodann die streitige Wasserzuleitung zu den L.fchen Wiesen auf Grund des Vertrages v. Juli 1893 um deswillen für eine berechtigte erklärt,

weil diese Wiesen unterhalb an den Lieserbach angrenzen und dem Eigentümer

derselben daher an sich ein Recht auf die Benutzung dieses Wassers nach § 1 Dabei wird anerkannt und ausgesprochen,

des mehrbezogenen Ges. zustehe.

daß die Verpflichtung der Wiederzuleitung des Wassers in den Lieserbach den

Kl. gegenüber allerdings bestehe, aber nicht auf feiten des Bekl., sondern auf

Diesen

feiten der X.schen Verwaltung.

beigepflichtet werden.

rechtlichen Ausführungen kann nicht

Der llferbesitzer an einem Privatflusse hat, wie früher

nach Art. 644 C. c., so jetzt nach dem § 1

des Ges. ein Recht auf die Be­

nutzung des Wassers nur, soweit dasselbe in dem Bachbett an seinem Grund­

stücke vorbeifließt.

Wo das Bett sein Grundstück berührt, darf er das Wasser

dem Bache entnehmen, mit der Verpflichtung der Wiederzuleitung, bevor der Fluß sein Grundstück verläßt.

Ein Recht an dem Wasser, das noch oberhalb

seines Grundstückes sich befindet,

hat er nur insoweit,

als er die Wieder­

zuleitung von dem benutzenden Oberlieger beanspruchen kann.

Gerade in dieser,

der Natur der Verhältnisse entsprechenden Art des Benutzungsr. findet das in

Frage stehende quasiservitutische Verhältnis im Interesse der sämtlichen Ufer­ besitzer seine naturgemäße Regelung und Beschränkung.

Danach kann die künst­

liche Zuleitung des Wassers von einem oberhalb gelegenen Teile des Flusses

716

Linführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis

d. tandesgesetzen.

auf ein unterhalb an denselben angrenzendes Grundstück, insbesondere wenn infolgedessen das abgeleitete Wasser vollständig verbraucht wird, entgegen dem

Rechte des Unterliegers nicht auf das gesetzliche Benutzungsr. des durch die Zuleitung bewässerten Grundstückes gegründet werden.

Die von dem Bell, der

L.schen Verwaltung vertraglich eingeräumte Wasserableitung ist daher den Kl.

gegenüber, soweit lediglich die gesetzlichen Verhältnisse maßgebend sind, un­ berechtigt, und die auf der gegenteiligen rechtlichen Annahme beruhende Ab­

weisung der Klage kann nicht aufrecht erhalten werden.

Insbesondere ist es

nicht richtig, daß Kl. nur einen Anspruch an die L.sche Verwaltung auf Wieder­ zuführung des Wassers in das Bachbett erheben könnten.

Die Rechtswidrigkeit

liegt schon, wie vorerörtert, in der Ableitung in Verbindung mit den sich von selbst ergebenden Folgen, und diese ist herbeigeführt und veranlaßt durch Bekl.

Die X.sche Verwaltung wäre, wenn von ihr die Wiederzuführung verlangt

würde, in der Lage, geltend zu machen, daß sie das abgeleitete Wasser nicht

auf Grund des Ges., sondern auf Grund eines Privatvertrages

beziehe, daß

daher die gesetzlichen Vorschriften auch rücksichtlich der Wiederzuführnng auf

das vorliegende Verhältnis nicht anwendbar seien;

und es würde dann die

Annahme des BG. tatsächlich dahin führen, die Kl. völlig rechtlos zu stellen.

1057. Berhältnis u»n § 246 ALR. II. 15 u. pr. Ges. v. 1843 § 16.

V. 55/90 v. 21. 6. 1890.

E. Bd. 26 Rr. 55 S. 294 (Allenstein, Königsberg).

Die Vorderrichter stimmen darin überein, daß der erst im Jahre 1847

errichteten Mühle des Kl. diese Bestimmungen

des § 16, insbesondere der

Schlußsatz des § 16 des Ges. v. 28. Febr. 1843 nicht zu statten kommen, auch

nicht, weil dem Kl. ein ausdrücklich verliehenes Recht im Sinne dieser Vor­ schrift nicht zur Seite stehe.

polizeibehörde

erteilte

Die dem Vorbesitzer des Kl. seitens der Landes­

Genehmigung zur

Errichtung der Mühle könne

als

Verleihung eines Rechtes nicht angesehen werden. Dem ist zuzustimmen.

Die gegenteilige Auslegung,

vgl. Lette und von

Rönne, Landeskulturgesetzgebung S. 660; auch Dernburg, pr. PR. Bd. 1 § 255

N. 6 a. E., ist schon mit dem Wortlaute der Vorschrift schwer vereinbar; sie

widerlegt sich aber auch aus dem Zusammenhänge des Ges. und findet in dem Grunde und Zwecke

des letzteren keine Unterstützung.

Hätte der Gesetzgeber

nur die in Zukunft gesetzwidrig (d. h. ohne die vorgeschriebene polizeiliche Ge­

nehmigung) errichteten Triebwerke von dem den bereits rechtmäßig bestehenden Triebwerken

gewährten

Schutze ausschließen wollen,

so würde er die Aus­

schließung der künftig anzulegenden Triebwerke nicht, wie geschehen, als Regel mit

der durch den Zwischensatz ansgedrückten Ausnahme haben aussprechen können. Daß das nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen, darüber läßt auch die Entstehungsgeschichte des Ges. keinen Zweifel.

Nach der Fassung des 8 16 im

Entw. des Ges. ist es klar, was unter einem ausdrücklich verliehenen Rechte

im Schlußsätze dieses Paragraphen verstanden worden ist, nämlich das unter

Wasser- und Nühleurecht nach AkR.

Art. 65.

e Gemeinschafts- und Gesellschaftsverhältnis,

welches sich aus deutschem Boden

mit dem Bergbau

entwickelt und den eigentümlichen Zuständen und Bedürfnissen des letzteren an­ gepaßt hat", — die Mitbeteiligten an einer Mutung bilden nicht eine Gewerk­

schaft; denn das Recht aus der Mutung ist nicht ein bedingtes Bergwerks­

eigentum.

Das

Bergwerkseigentum

entsteht erst

durch

Verleihung —

das

Bergwerkseigentum ist kein Sacheigentuni, sondern eine Berechtigung, dasselbe wird aber zu den unbeweglichen Sachen gerechnet (§ 50) — unterliegt bezüglich

der Veräußerung den allgemeinen für das Grundeigentum geltenden Vorschriften

(§ 52 Mot. 56), und es ist nicht die Cession die Veräußerungsform, sondern es war dies früher der Veräußerungsvertrag und die Übergabe und es ist dies (nach Ges. v. 5. Mai 1872 § 1) gegenwärtig die Auflassung. — Dies gilt

namentlich auch für die Veräußerung ideeller Anteile, wenngleich durch diese

Veräußerung

eine Gewerkschaft entsteht,

deren

Anteile (Kuxe) alsdann

die

Eigenschaft beweglicher Sachen haben (§§ 94, 101). 1099. Übertragung von Kuxanieilen (§§ 101, 105). II. 81/90 v. 25. 3. 1890.

IW. 1890 S. 165 Nr. 31 (S. aber die folg. Nr.).

Nach den hier maßgebenden Vorschriften des ALR. Tl. I Tit. 11 §§ 376, 377 und 382 geschieht die Übertragung der Rechte durch Cession und es be­ stimmt § 393, daß „durch die Erklärung des Cedenten, daß der Andere das

abgetretene Recht von nun an als das feinige auszuüben befugt sein soll, und durch die Annahme dieser Erklärung das Eigentum des Rechts auf den neuen Inhaber übergeht".

Diese Regel greift unbedenklich auch bei Anteilsrechten an

einer Gewerkschaft, den Kuxen — § 101 des Bergges. — Platz.

(Vgl. Brassert,

Bergges. S. 301.) Bezüglich der letzteren schreibt dann der § 105 vor, das; zur Übertragung der Kuxe die schriftliche Form erforderlich ist. In der land­

rechtlichen Jurisprudenz besteht nun Einverständnis darüber, daß es der Schrift­ form nur für die rechtsübertragende Erklärung des Cedenten — § 377 cit. — bedarf,

während

die Acception

auch mündlich und selbst durch konkludente 48*

756

Linführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis z. d. kandesgesetzen.

Handlungen, z. B. durch Annahme der Cessionsurkunde geschehen kann.

Vgl.

Rehbein, Entsch. des OTrib. Bd. II S. 261; Brassert a. a. O. S. 302 oben.

Daraus folgt nun, daß, wenn auch die Cession, wie das OLG. hervorhebt, ein Vertrag ist, doch die Annahmeerklärung kein die Gültigkeit des Cessionsaktes bedingendes Formerfordernis bildet. 1100. Kauf- oder CesfionS-Strmprl bei Kurübertragung (§ 105). IV. 51/91 v. 13. 4. 1891.

E. Bd. 28 Nr. 55 S. 259 (Breslau).

Zum § 105 bemerken die Mot. (S. 202): Die Bestimmungen über die Übertragung der Kuxe entsprechen den all­

gemeinen Rechtsgrundsätzen und helfen einem dringenden Bedürfnisse ab,

indem die Veräußerung der Kuxe durch die seitherigen Formen in nachteiliger Weise erschwert war.

Die für die Umschreibungen im Gewerkenbuche an­

gegebenen Erfordernisse sichern die Richtigkeit des letzteren.

Sonach hat das Allg. Bergges. nicht vorgeschrieben, daß Cession die Form der Übertragung der Kuxe sei, sich vielmehr auf die Vorschrift der schriftlichen Form der Übertragung beschränkt und diese Erleichterung der Form der Über­ tragung damit motiviert, daß die bisherigen Formen die Veräußerung in nach­ teiliger Weise erschwert hätten.

In dem Ber. d. Komm, des AH. ist zu den

§§ 104—106 bemerkt, daß diese Bestimmungen den Formen entsprechen, welche für den Verkehr mit Namensaktien in der Regel eingeführt sind und sich bei

Aktiengesellschaften

als zweckmäßig bewährt haben.

Ber. des AH. 1865 Bd. 7 Nr. 126 S. 1233.

Vgl. Anl. z. d. stenogr.

Man ist sonach, wie anzu­

nehmen, auch hier davon ausgegangen, daß Kuxe, wie Namensaktien, durch Kauf­ vertrag übertragen werden können.

Sodann ist in den Mot. z. § 109 bemerkt:

„Es ist eine besondere Bestimmung über die Exekution in den Anteil eines Gewerken erforderlich, weil die bestehenden Vorschriften auf diesen Fall nicht

Passen.

Eine Forderung in ihrem Sinne ist der Anteil eines Gewerken

nicht, vielmehr repräsentiert derselbe die Mitgliedschaft an der Gewerkschaft,

den Inbegriff aller mit dieser Mitgliedschaft verbundenen Rechte und Pflichten,

also ein besonderes Vermögensrecht."

Diese Ausführung ist zutreffend. Ist aber der Kux kein Forderungsrecht, so ist einerseits die Übertragung desselben nicht Abtretung eines Forderungs­ rechtes im Sinne des § 377 ALR. I. 11 [§ 398 BGB.) und es steht anderer­ seits nichts entgegen, dieses „Vermögensrecht" als eine — unkörperliche —

Sache im engeren Sinne des § 3 Tit. 2 das. und demzufolge die Abtretung

des Eigentumes derselben gegen eine bestimmte Geldsumme als Kauf im Sinne des § 1 Tit. 11 anzusehen, wobei, wie bereits dargelegt worden ist, nicht in Be­ tracht kommt, daß eine Übergabe der verkauften Sache eben wegen ihrer unkörper­ lichen Natur nicht stattfinden kann. (Vgl. Koch, Allg. Bergges., Anm. zu § 105.) Rep. II. 34/90 (IW. 1890 S. 165 Nr. 31) v. 25. März 1890 (vorige Nr.j

steht dieser Auffassung nicht entgegen.

Art. 67.

Bergrecht,

pr. Allg. Bergges. v. (865.

757

1101. Übertragung solidarischer Kuxe und Kuxanteile. II. 134/86 v. 22. 10. 1886.

IW. 1886 S. 362 Nr. 54.

Wenn es richtig ist, daß H. die ihm verliehenen Kuxe und selbst Kux­

anteile an verschiedene Personen mit denselben Rechten, wie er sie gehabt hatte, übertragen konnte, so war doch nach der Auslegung des BG. das in Rede

stehende Recht nicht mit jedem einzelnen Kux und Kuxanteile verknüpft, sondern die früheren Miteigentümer des ganzen Bergwerks waren darin übereingekommen,

daß nur die sämtlichen Inhaber der ursprünglich dem H. allein verbliebenen Kuxe gemeinschaftlich das Recht sollten ausüben dürfen.

Eine derartige vertrag­

liche Bestimmung steht weder mit den Vorschriften des zur Zeit der Vertrags­ schließung maßgebenden Ges. v. 12. Mai 1851, noch mit dem Allg. Bergges.

v. 24. Juni 1865, soweit dieses auf die bereits früher vorhandenen Bergwerke Anwendung findet, in Widerspruch.

1102. Dividendtuauspruch der Kuxbesitzer (§ 102). III. 292/92 Ml. 3.1892.

Gr. Bd. 36 S. 693 Nr. 26 (Frankfurt a. M.).

Das Bergges. enthält keine Bestimmung darüber, wie es mit der Ermitte­ lung und der Verteilung des Ertrages aus dem Bergwerksbetriebe unter die

mehreren Beteiligten eines Bergwerks — die Gewerken — zu halten sei.

Es

beschränkt sich in § 102 aus die Anordnung, daß die Gewerken nach dem Ver­

hältnisse ihrer Kuxe an

dem

Gewinne

und

Verluste

teilzunehmen

haben.

Weder ist die regelmäßige und jährliche Ziehung einer Bilanz vorgeschrieben, noch

können die in dieser Beziehung für Aktiengesellschaften und Genossen­

schaften geltenden Vorschriften auf die Rechtsverhältnisse der Kuxinhaber An­

wendung finden.

Denn die Gewerkschaft hat kein festes Grundkapital, über

welches periodisch Rechenschaft abzulegen wäre.

Das Anlagekapital wandert bei

dem Bergwerksbetriebe in den ausgeschriebenen und einbezahlten Zubußen in die

Grube, von deren Besitz der Bestand der Gewerkschaft abhängt, und kehrt mit dem erzielten Gewinne in den verfügbaren Ertrag der geförderten Produkte zurück.

Gleichwie die Gewerkschaft die zum Bergwerksbetriebe erforderlichen Zubußen ohne Beschränkung auf eine zum Voraus festgesetzte Summe, jedoch unbeschadet

der jedem Gewerken nach § 130 des Bergges. zustehenden Befugnis der Anheim­ stellung seines Kuxes, von den Mitbeteiligten einziehen kann, so ist auch der Regel nach die Festsetzung der Dividende ohne Zeitbeschränkung dem jedesmaligen

Beschlusse der Gewerkschaft überlassen.

Voraussetzung für einen klagbaren An­

spruch der Gewerken auf Verteilung der festgestellten Dividende ist nur, daß der bezügliche Beschluß in statutenmäßiger Weise zustande gekommen, daß derselbe nicht

innerhalb 4 Wochen nach seiner Fassung gemäß § 115 als den Interessen der

Gewerkschaft widerstreitend durch Anrufung des zuständigen Gerichts angefochten worden und daß endlich die ermittelte Ausbeute zur Zeit der Verteilung wirklich

vorhanden ist.

(Vgl. Klostermann, Lehrb. § 25.

Komment. Anm. 222 zu § 102.

Busse, Das ABG. nebst Entsch. des OTrib. S. 75 ff.)

758

Linführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis z. d. kandesgesetzen. Daß nun hier diese Voraussetzungen für das Forderungsrecht des Kl.

vorliegen, ist unter den Parteien nicht bestritten.

Nach allgemeinen Grund­

sätzen konnte daher der Klaganspruch nicht durch die Behauptung und den Nachweis allein, daß der angenommene Gewinn in Wirklichkeit nicht bestehe

oder nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Bilanzziehung nicht habe fest­

gestellt werden dürfen, beseitigt werden, da es ja der Gewerkschaft freisteht, den zur Verteilung bestimmten und gebrachten Gewinn sofort wieder als Zubuße

einzufordern; es bedurfte vielmehr BG. zur Anfechtung des fraglichen Gewerken­

beschlusses der

Behauptung und tatsächlichen

Begründung

eines

bei

dessen

Fassung untergelaufenen entschuldbaren Irrtums. Ebenso V. 259/91 v. 13. 2. 1«92.

IW. 1892 S. 225 Nr. 41.

/

1103. Ziibilße des Nießbrauchers und bei ungeteiltem Kuxeigrntum. (§§ 101, 102). V. 439/98 v. 17. 5.1898.

E. Bd. 44 Nr. 52 S. 211 (Duisburg, Hamm).

Kl. (die Gewerkschaft) verlangte von den Bekl., den Erben der verstorbenen Gewerken A. und B., nämlich von der Witwe des A. und den Kindern des anderen B., rückständige Zubußen von den auf den Namen der beiden Erblasser geschriebenen 24 Kuxen. In erster Instanz wurden sämtliche Bekl. gemeinschaftlich verurteilt. Auf B. der Bekl. zu 1 (der Witwe, welcher die Nutznießung des Nachlasses A. mit der Bestimmung vermacht war, daß sie die volle Ausbeute beziehen und die Zubußen be­

zahlen solle) wurde Bekl. zu 1 verurteilt, sich wegen eines Betrages von 6000 Mk. nebst Zinsen, zu dessen Zahlung die anderen Bekl. als Erben des A. verurteilt waren, die Zwangs­ vollstreckung in den Nachlaß ihres verstorbenen Ehemannes M. Sch. gefallen zu lassen. Rev. der mitverklagten Witwe, sowie Anschließung der Kl. sind zurückgewiesen. A. d. Gr.

Das Prinzip der Unteilbarkeit der Kuxe neueren Rechts schließt ein durch Erbgang oder Rechtsgeschäft entstandenes ungeteiltes Eigentum mehrerer Per­ sonen an einem Kuxe oder einer Mehrheit von Kuxen selbstverständlich nicht aus.

In diesem Falle stehen die zwei oder mehreren Miteigentümer zwar der

Gewerkschaft als eine Einheit gegenüber, dergestalt daß sie ihre gewerkschaft­

lichen Rechte nur gemeinschaftlich oder durch einen gemeinschaftlichen Bevoll­ mächtigten ausüben können

und der Gewerkschaft

gegenüber gemeinschaftlich

verpflichtet sind (vgl. Klostermann-Fürst, Allg. Bergges. Bem. 4 zu § 101; Oppenhoff, Allg. Bergges. Anm. 571); aber daraus folgt noch nicht eine soli­

darische Verpflichtung der Einzelnen.

Die Entsch. der Frage kann nur aus

den Grundsätzen (des ALR.) über Schuldverhältnisse mit mehreren Verpflich­ teten gewonnen werden, für deren Anwendung allerdings die rechtliche Natur

und Entstehung der Forderung selbst, wie sie sich aus dem Bergges. ergibt, maßgebend' bleibt.

Eine allgemeine Vermutung für die solidarische Haftung

mehrerer Mitverpflichteter ist (im ALR.) nirgends ausgesprochen. ALR. 1.5) sprechen nur schlossenen Verträgen.

von

der Verpflichtung

aus

(§§ 424 ff.

gemeinschaftlich

abge­

Im übrigen tritt solidarische (korreale) Haftung meh­

rerer Mitverpflichteter nur dort ein, wo sie ausdrücklich vorgeschrieben ist; andernfalls gilt anteilige, oder, wenn die Unteilbarkeit des Gegenstandes oder

Des Rechtsverhältnisses es erheischt, gemeinschaftliche Haftung, die sich, soweit

Art. 67.

Bergrecht,

pr. Allg. Bergges. v. {865.

759

gemeinschaftliches Vermögen der Mitverpflichteten als Objekt der Befriedigung

nicht vorhanden ist, naturgemäß in anteilige Haftung der Einzelnen auflösen wird.

Allerdings kann die gemeinschaftliche Verpflichtung auch eine solidarische

sein oder zu einer solchen werden (z. B. bei Miterben nach der Teilung); das

setzt aber immer eine entsprechende gesetzliche Vorschrift voraus.

An sich folgt

aus der ungeteilten Gemeinschaft mehrerer Schuldner nicht die Haftung des

Einzelnen für das Ganze. Hierüach könnte man zur Annahme einer solidarischen Verpflichtung der (Erblasser) Brüder A. und B. nur durch Anwendung der Vorschriften (des

ALR.) über Korrealverträge (§ 424 I. 5) gelangen.

Diese Anwendung ist

aber ausgeschlossen, weil es, an einem auf die Entrichtung der Zubußen ge­

richteten Vertrage zwischen der Gewerkschaft einerseits und den Miteigentümern des Kuxes andererseits fehlt, die Verpflichtung zur Zahlung der Zubuße viel­ mehr auf der gesetzlichen Vorschrift des § 102 beruht.

Insbesondere kann der

Gewerkschaftsbeschluß, durch den die Umwandlung der alten Gewerkschaft in

eine solche neueren Rechtes stattgefunden hat, nicht als vertragsmäßiger Grund

der

Beitragspflicht

der

Gewerken

angesehen

werden.

Die

gesetzliche

Ver­

pflichtung der Gewerken, nach Verhältnis ihrer Kuxe die erforderlichen Bei­ träge zu zahlen (§ 102) besteht auch für die Gewerkschaften alten Rechts und erleidet durch die Mobilisierung der Kuxe grundsätzlich keine Änderung. Waren aber die ursprünglichen Miteigentümer der Kuxe, A. und B. nicht

solidarisch für die Gewerkschaftsbeiträge verhaftet, so fehlt es an jedem Rechts­

grunde, den dem Nießbrauch der Witwe M. Sch. unterliegenden Nachlaß ihres Mannes als Befriedigungsobjekt auch für denjenigen Anteil der rückständigen

Beiträge gelten zu lassen, welchen Bekl. 2 bis 6 als Erbeserben des B. ver­ schulden.

Daß der BR. die beiden Brüder als je zur Hälfte an den 24 Kuxen beteiligt angesehen hat, erscheint (nach § 2 ALR. I. 17) wohl berechtigt.

1104. Gültigkeit eines Gewerkendeschluffes (§ 112). V. 221/86 v. 8. 12. 1886. E. Bd. 17 Nr. 42 S. 171. IW. 1887 S. 59 Nr. 77 (Dortmund, Hamm). Nach § 112 ist zur Gültigkeit eines Gewerkenbeschlusses erforderlich, daß alle Gewerken anwesend oder unter Angabe des zu verhandelnden Gegenstandes zu der Versammlung eingeladen worden sind.

Das Einladungsschreiben zur

Gewerkenversammlung enthält die Tagesordnung und in dieser die Angabe: „Antrag auf Bewilligung von Betriebsmitteln."

Damit ist zugleich ausge­

sprochen, daß die Versammlung berufen sein soll, darüber zu beschließen, in

welcher Art die Betriebsmittel beschafft werden sollen.

Diese generelle Be­

zeichnung des Gegenstandes der Tagesordnung erscheint auch allein sachgemäß,

wo verschiedene Wege zur Erreichung eines Zwecks zur Erledigung eines Gegen­ standes der Verhandlung möglich sind.

Denn andernfalls würde die Gewerken-

. 9. 7. 1890.

E. Bd. 26 Nr. 64 S. 334.

IW. 1890 S. 290 Nr. 51

(Münster, Hamm).

Nach § 94 Tit. 4 bilden zwei oder mehrere Mitbeteiligte eines Bergwerks eine Gewerkschaft, für welche Gesellschaftsform die Bestimmungen der §§ 94

bis 132

a. a. O.

Rechtsverhältnisse

zur Anwendung der

kommen.

Mitbeteiligten

Nach

§ 133 aber können die

eines Bergwerks

durch

Vertrag oder

sonstige Willenserklärung auch anderweit geregelt, mithin auch eine bereits be­

stehende Gewerkschaft in eine andere gesetzlich zulässige Gesellschaftsform um­ gewandelt werden, wozu nur ein einstimmig gefaßter Gewerkschaftsbeschluß er­ fordert wird.

Im Fall einer solchen

Umwandlung bleibt das Rechtssubjekt

dasselbe, ein Wechsel im Eigentum findet nicht statt, und ebensowenig

Veränderung in den rechtlichen Beziehungen zu dritten Personen;

eine

die neue

Gesellschaft bleibt den Gläubigern wie den Schuldnern der bisherigen Gewerk­

schaft gegenüber verpflichtet wie berechtigt,

nicht auf Grund einer Succession,

sondern als dasselbe Rechtssubjekt in neuem Gewände. Die Sache wurde zurückverwiesen,

weil nicht aufgeklärt Ivar, ob Umwandlung oder

Veräußerung des Gewerkschaftsvermögens und inwieweit stattgefunden habe.

Die neue Ver­

handlung vor dem BG. ergab, daß eine eigentliche Umwandlung in eine A.-G. nicht statt­

gefunden, sondern daß die Gewerkschaft sämtliche Aktiva und Passiva in die Aktiengesell­ schaft so eingebracht hatte, daß jeder Gewerke für einen Kux Aktien beanspruchen kann.

766

Linführungsgesetz 5. BGB. 3. Abschn. Verhältnis z. d. tandesgesetzen.

1116. V. 220/91 v. 9. 1. 1892. E. Bd. 28 Nr. 83 S. 358 (Münster, Hamm). Die Eigenart des vorliegenden Falles liegt vorzugsweise darin, daß es eine Gewerkschaft ist, welche mit ihrem Bergwerke auch ihre sonstigen Aktiva

und zugleich ihre Passiva in die von ihr mitgegründete Aktiengesellschaft ein­

geworfen hat.

Damit hat die bisherige Gewerkschaft zu existieren aufgehört.

(Vgl. Klostermann, Allg. Bergges. 4. Ausl. S. 202; Brassert, Allg. Bergges. S. 279; Turnau, GBO. Bd. 2 S. 133.)

Zwar ist in Theorie und Praxis an­

genommen, daß eine Gewerkschaft durch ihre infolge Veräußerung des Berg­ werkseigentumes eintretende Auflösung ihre Eigenschaft als juristische Person

nicht sofort verliert, daß diese vielmehr so lange fortdauert, als unverteiltes

Vermögen der Gewerkschaft vorhanden ist.

(Vgl. Werner in Gruchot Bd. 20

S. 483; Brassert, a. a. O. S. 280 ff., Entsch. des ROHG. Bd. 19 S. 190.)

Aber die gedachte Voraussetzung für die Fortdauer der Gewerkschaft als ver­

pflichteten Rechtssubjektes liegt hier nicht vor,

da die Gewerkschaft nicht bloß

ihr Bergwerkseigentum, sondern ihr gesamtes Vermögen in die Aktiengesell­ schaft eingeworfen hat, und das Äquivalent dafür in Gestalt von Aktien bezw.

in Gelde nicht der Gewerkschaft als solcher, sondern den Kuxinhabern, also den

einzelnen Gewerken, zu teil geworden ist.

Es fehlt also an jedem Objekte für eine

nach Auflösung der Gewerkschaft zum Zwecke der Befriedigung ihrer Gläubiger

vorzunehmende Vermögensliquidation und damit an der Grundlage für die Fiktion des Fortbestehens der Gewerkschaft zum Zwecke dieser Liquidation. Man könnte an den Befreiungsanspruch denken, welcher aus der Übernahme der Passiva seitens der Aktiengesellschaft der Gewerkschaft gegen letztere erwachsen sei.

Aber ein solcher

Befreiungsanspruch stellt keinen selbständigen Vermögenswert dar, aus dem eine

Befriedigung der Gewerkschaftsgläubiger erfolgen könnte.

Es setzt ja auch gerade

das voraus, was erst aus ihm bewiesen werden soll, nämlich, daß die Gewerkschaft aus den von der Aktiengesellschaft übernommenen Schulden noch belangt werden kann.

Eine Beweisführung aus der Annahme eines solchen Befreiungsanspruches

würde also (weil eine petitio principii enthaltend) nicht zulässig sein. Wenn nun bisher die Rechtsprechung im Falle

der Veräußerung

eines

Vermögensinbegriffes mit Aktiven und Passiven dem Gläubiger die direkte Klage gegen den Übernehmer ohne das Hinzutreten besonderer rechtsbegründender

Tatsachen als Regel versagt hat, so ist dabei doch überall vorausgesetzt, daß dem Gläubiger sein Anspruch gegen den ursprünglich Verpflichteten verbleibt.

Ist das nicht der Fall, weil das bisher verpflichtete Rechtssubjekt mit der Ver­ äußerung seines Vermögens, an welches seine rechtliche Existenz gebunden war,

untergegangen ist, so erweist sich jene Regel als unanwendbar.

1117. Auflösung der Gewerkschaft durch Konsolidation? I. 258/88 v. 28. 11. 1888. E. Bd. 23 Nr. 43 S. 202. Nr. 33. IW. 1889 S. 50 Nr. 33 (Schweidnitz, Breslau).

Gr. Bd. 33 S. 1049

Das Bergges. enthält keine Bestimmungen über die Auflösung der Gewerk­

schaften und über die Folgen der Auflösung.

Die hierher gehörigen Fragen

Art. 67.

Bergrecht,

pr. 2111g. Bergges. v. 1865.

767

sind daher, insoweit sich nicht etwa aus dem Wesen der Gewerkschaft Modifi­

kationen ergeben, nach den für juristische Personen geltenden allg. Grundsätzen zu entscheiden.

Die Frage, ob durch die Vereinigung sämtlicher Kuxe in einer

Hand die Gewerkschaft aufgelöst wird, ist in der Praxis wie in theoretischen

Erörterungen S. 109).

verschieden

beantwortet

worden

(Zeitschr.

f. Bergr. Bd. 26

Die Möglichkeit, daß die juristische Person erhalten bleibt, obwohl

nur ein Mitglied vorhanden ist, ergibt sich nicht bloß bei den vom Staate genehmigten

Gesellschaften.

Die

Anwendung

dieser Bestimmungen

auf die

Gewerkschaft würde daher nur dann zu verneinen sein, wenn das Wesen der Gewerkschaft einer solchen Anwendung entgegenstände. Dies ist nicht der Fall: vielmehr ist der Umstand, daß die Vereinigung sämtlicher Kuxe in einer Hand

eine äußerlich nicht hervortretende Tatsache ist, die jeden Augenblick wieder­ beseitigt werden kann, geeignet, jene Bestimmungen gerade hier als besonders praktisch und dem Verkehrsbedürfnis entsprechend erscheinen zu lassen.

So

lange die Vereinigung dauert, kann zwar von einer Gewerkversainmlung nicht

die Rede sein, wohl aber können von den allein vorhandenen Gewerken mit Wirkung für die Gewerkschaft Beschlüsse gefaßt werden; ebenso ist eine Ver­ tretung der Gewerkschaft durch den Repräsentanten, den Grubenvorstand oder

sonstige Bevollmächtigte möglich.

Die Auflösung der Gewerkschaft wird demnach

nicht schon infolge jener Tatsache, sondern erst dann anzunehmen sein, wenn der Alleineigentümer der Kuxe einen bestimmten auf die Auflösung gerichteten

Willen in äußerlich erkennbarer Weise kundgegeben hat.

1118. Auflösung von Gewerkschaften durch Verzicht der Mitbeteiligten? (§§ 131 ff.) II. 29/90 v. 28. 3. 1890.

IW. 1890 S. 198 Nr. 32.

Das Bergges. enthält keine Vorschriften über die Gründe, welche die Auflösung

einer bestehenden Gewerkschaft herbeiführen. Die einzigen Beteiligten waren aller­ dings ursprünglich außer dem Kl. nur die beiden Bekl., welche in Ausübung des

ihnen nach § 132 zustehenden Rechtes auf ihre Beteiligung Verzicht geleistet

haben, indem sie ihre Kuxscheine dem Kl. einsandten.

Dieser Verzicht hatte aber,

wie der BR. zutreffend ausführt, nicht den Eigentumsübergang der Anteile

auf den Kl. zur Folge, vielmehr waren in diesem Falle nach den §§ 131 und 132, sofern die Gewerkschaft nicht anderweitig verfügte, die aufgegebenen An­

teile durch den Repräsentanten zu Gunsten der Gewerffchaft zu verkaufen, und erst nach Feststellung der Unverkäuflichkeit trat das Zuwachsr. ein, welches

durch Zuschreibung in dem Gewerkbuche zu verwirklichen war.

Daß irgend eine

dieser Verfügungen stattgefunden habe, daß insbesondere die Löschung der beiden Bekl. in dem Gewerkbuche erfolgt sei, wird nicht behauptet.

Der Repräsentant

ist daher noch heute in der Lage, den Verkauf der Anteile vorzunehmen, und falls derselbe gelingt, hat die Gewerkschaft in keinem Augenblicke zu bestehen

aufgehört.

während

Mit Recht wird daher von dem Vorderrichter angenommen, daß. dieses

Zustandes der Schwebe die Gewerkschaft in

ihrer Rechts-

768

Linführungsgesetz z. BGB. 5. Abschn. Verhältnis z. d. kandesgesetzen.

subjektivität, Verfassung und Vertretung fortbesteht, die Gewerkschaft also zur Erhebung der Klage legitimiert war.

1119. Fortbestehen der Gewerkschaft nach Veräußerung des Bergwerks. V. 39/89 v. 3. 4. 1889.

IW. 1889 S. 214 Nr. 38.

Abgesehen davon, daß ein Einwand in dieser Beziehung nicht erhoben ist, war der freilich nicht unbestrittenen Ansicht beizutreten, nach welcher eine Ge­ werkschaft auch nach der Veräußerung ihres Bergwerks, soweit es sich um Er­

füllung ihrer vor

der

Veräußerung

entstandenen

Verbindlichkeiten

Dritten

gegenüber handelt und so lange sie noch anderes Vermögen besitzt, dessen Vor­ handensein namentlich bei freiwilliger Veräußerung geltend zu machen Sache der Einrede ist, als rechts- und prozeßfähiges Subjekt fortbesteht.

Titel 5. Bon den Rechtsverhältnissen zwischen den Bergbautreibenden und den Grund­ besitzern (§§ 135-155).

Abschn. 1. Bo« der Grundabtretung (§§ 135—147). 1120. Das Hangende und die Erdoberfläche. V. 187/88 v. 27. 10. 1888.

IW. 1888 S. 446 Nr. 20.

Versteht man unter dem Hangenden das gesamte Deckgebirge bis zu Tage, also einschl. der Erdoberfläche, so

kann doch die letztere als im Sinne des

§ 135 zur Benutzung für den Bergbau in Anspruch genommen nicht angesehen werden, wenn die Niederziehung des Hangenden für den planmäßigen Fort­

betrieb des Bergbaues nur insoweit notwendig ist und demgemäß von dem Bergbautreibenden erstrebt wird, als dies zur Ausfüllung der ausgekohlten

Abteilung erforderlich, die Fortpflanzung des Einbruchs aber bis zur Tages­ oberfläche durch die Zwecke des Bergbaues nicht geboten ist.

Planmäßiges Zubruchebaucn. 1121. V. 358/85 v. 7. 11. 1885.

IW. 1886 S. 32 Nr. 74.

Der BR. erwägt, daß das Zubruchegehen der Erdoberfläche nach unter­ irdisch erfolgtem Abbau nur als eine Folge des letzteren, nicht aber als ein

Grubenbau anzusehen sei, der wie Schächte und Stollen den Zweck habe, das

Mineral aufzuschließen und zu fördern.

Wären die hier gemachten Voraus­

setzungen im konkreten Falle zutreffend, wäre also das Zusammenbrechen der Erdoberfläche nur eine, wenn auch vorauszusehende Folge des unterirdischen

Abbaues, so müßte dem

BG. beigetreten und die in

dem

Zubruchebauen

liegende Schadenzufügung lediglich nach §§ 148 ff. des Bergges. beurteilt werden, da es nach letzterem keinen Unterschied macht, ob der Schaden vorausgesehen

werden konnte oder nicht.

In diesem Falle würde also eine Kautionspflicht

des Bergbautreibenden nicht begründet And die angegriffene Entscheidung gerecht­ fertigt sein.

BG. geht aber weiter, indem es den §§ 135 ff. die Anwendung

auch dann versagt, wenn das Zubruchegehen planmäßig, d. h. in der in dem

Art. 67.

Bergrecht,

pr. Allg. Bergges. v. (865.

minister. Erl. v. 27. Juni 1881 angegebenen Weise geschieht.

769

Diese Auffassung

ist rechtsirrtümlich, indem sie den Unterschied verkennt zwischen einer schädlichen

Einwirkung auf das Grundeigentum, die bloß Folge bergbaulicher Tätigkeit ist, und einer solchen Einwirkung, deren beabsichtigter Erfolg zugleich als Mittel

zum Zweck, nämlich für den weiteren Betrieb des Bergbaues dienen soll und technisch notwendig ist.

Wenn, wie es in dem minister. Erl. heißt, die Ge­

winnung der Kohle selbst ohne das Zubruchebauen der Oberfläche nicht aussührbar ist, wenn — wie es dort ferner heißt — im Falle die beabsichtigte

Wirkung (d. h. das Zubruchegchen des Hangenden innerhalb einer bestimmten

Frist) ausbleibt, der Abbau entsprechend modifiziert werden muß, also nicht in der planmäßigen Art fortgeführt werden kann, so kann sehr wohl im konkreten

Falle das Zubruchebauen einer bestimmten Fläche als Mittel zum Zweck der Gewinnling der Kohlen angesehen werden, und es ist in solchem Falle die

fragliche Fläche für den planmäßigen Betrieb des Bergbaues notwendig und wird von den Bergbautreibenden genommen.

für diesen Zweck

tatsächlich in Anspruch

Das aber ist die Voraussetzung des § 135 a. a. O.

Es handelt

sich hierbei nicht um Einschiebung eines neuen in dem gedachten Paragraphen nicht vorgesehenen

Falles, sondern es wird, wenn die Fortsetzung der plan­

mäßigen Gewinnung der Kohle selbst von dem rechtzeitigen Zubruchegehen der

ubgebauten Flüche abhängig ist, die letztere gleich wie beim Tagebau als zu den

Grubenbauen selbst in Anspruch genommen, anzusehen sein.

1122. V. 333/86 b.-^—?-1887. BG. nimmt an:

IW. 1887 S. 321 Nr. 37.

ein den Bestimmungen der §§ 135 ff. zu unterstellendes

planmäßiges Zubruchebauen sei dann vorhanden, wenn der Bergmann absichtlich das Zubruchegehen des Hangenden herbciführt, wenn hierdurch Tagebrüche be­ wirkt werden und die Grundstücke, unter denen der Abbau stattfindet, bis zur Oberfläche berührt werden, bersten oder einsinkcn.

Es muß,

Dies ist irrig.

nm die Anwendbarkeit der §§ 135 ff. hier zu begründen, nicht bloß die Aus­

füllung der abgebauten Abteilung durch das Hangende im Plane des Berg­ bauenden liegenden und für die Fortsetzung des Abbaues notwendig sein, sondern es muß darüber hinaus die planmäßige Fortführung des Bergbaues davon abhängig sein, daß auch die Erdoberfläche zu Bruche geht, der Einbruch des

Hangenden also sich bis zu Tage fortpflanzt.

Nur.in diesem Fall kann von

einer Benutzung der Oberfläche, wie sie §§ 135 ff. voraussetzt, die Rede sein.

Der Kausalnexus zwischen der Füllung des ausgekohlten Bruches und dem Einbruch der Erdoberfläche genügt hierzu nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn er vorausgesehen werden mußte, der schädliche Erfolg unvermeidlich war.

Freilich muß auch in solchem Fall der schädliche Erfolg als (indirekt) gewollt -angesehen werden, aber er ist nicht als Mittel zum Zweck gewollt.

Ohne den

Nachweis eines von dem bloßen Kausalnexus zu unterscheidenden inneren Zu­

sammenhanges zwischen dem Zubruchegehen der Erdoberfläche und der durch Rudorfs, Reichsgerichts-Entscheidungen.

Bd. I.

49

letzteres bedingten Fortführung des Betriebes ist der Fall nicht gegeben, daß. „die Gewinnung der Kohle selbst ohne das Zubruchebauen der Oberfläche nicht

ausführbar", daß „die Fortsetzung der planmäßigen Gewinnung der Kohle von dem rechtzeitigen Zubruchegehen der abgebauten Fläche" (d. h. der Fläche,

unter welcher der Abbau stattgefunden hat) abhängig ist.

Nur in diesem ) Im wesentlichen gleichlautend mit den §§ 135 ff. 148 des pr. Allg. Bergges. tu 24. Juni 1865; vgl. Reichsges. v. 15. März 1881 Ziff. 1 (RGBl. S. 38).

Art. 67.

Bergrecht,

dem widersprechen dürfte.

pr. Allg. Bergges. v. (865.

771

Etwaige Beschädigungen der Oberfläche des Grund­

stückes berechtigen diesen nur, vom Bergwerksbesitzer Schadensersatz zu fordern Dagegen gibt die bergrechtliche Verleihung dem Gruben­

(Art. 141 a. a. O.).

besitzer nicht das Recht, eigenmächtig in das Eigentum an der Erdoberfläche

einzugreifen und hiervon, wenn er ihrer bedarf, den Grundeigentümer auszu­ schließen.

Ist für den Betrieb des Bergbaues die Benutzung eines fremden

Grundstückes notwendig, so muß der Grundbesitzer dies, er sei Eigentümer oder

Nutzungsberechtigter, an den Bergwerksbesitzer abtreten.

Dieser darf aber das

Grundstück nicht eigenmächtig in Besitz nehmen, sondern hat, wenn nicht eine

gütliche Einigung mit dem Grundbesitzer zu erzielen ist, zuvor die Abtretung nach Vorschrift der Artt. 126 ff. des Bergges. herbeizuführen.

Bis dahin hat

er sich jeden Eingriffes in das Oberflächeneigentum zu enthalten.

dem zuwider, so

Handelt er

setzt er sich nicht nur der Eigentumsfreiheitsklage und den

possessorischen Rechtsbehelfen aus, sondern

er hat auch in allen Fällen dem

beschädigten Grundeigentümer das volle Interesse zu ersetzen.

Auch die Klage

aus Art. 141 des Bergges. ist dem Eigentümer hier nicht zu versagen, wenn

sonst deren Voraussetzungen vorliegen.

Dagegen gibt das Gesetz dem Grund­

besitzer nicht das Recht, den Grubenbesitzer zur Herbeiführung des Abtretungs­

verfahrens zu zwingen, sondern es unterliegt lediglich dem Ermessen des Berg­

werksbesitzers, ob er von den ihm in den Artt. 126 ff. beigelegten Befugnissen Gebrauch machen will oder nicht.

Die Frage, ob dem Grubenbesitzer, der planmäßig die Erdoberfläche zu Bruche baut, ein Recht, die Abtretung zu fordern, zusteht, ist, wie Arndt (Allg.

Bergges. S. 144,

146) zutreffend bemerkt, im wesentlichen eine tatsächliche.

Die Beantwortung hängt davon ab, ob in einem solchen Abbaue, wie beim

Tagebaue, ein unmittelbarer Eingriff in das Oberflächeneigentum oder ein unterirdischer Bergbaubetrieb zu finden ist.

Im vorliegenden Falle bedarf die

Frage keiner Entscheidung. Außer Streit ist, daß bisher eine Grundabtretung nicht stattgehabt hat,

Bekl. vielmehr

mit seinem

zurückgewiesen ist.

hierauf gerichteten

Anträge in

allen

Instanzen

Daraus ergibt sich, daß Bekl. den Abbau, den er selbst

für einen Eingriff in das Oberflächeneigentum ansieht, erst dann beginnen

durfte, wenn er entweder infolge gütlicher Einigung oder infolge Abtretungs­ beschlusses das Recht zur Besitzergreifung erlangt hatte.

wenn man

das

von

Bekl. hat daher, selbst

ihm beanspruchte Enteignungsrecht anerkennen müßte,

durch den vorzeitigen Abbau rechtswidrig in das Eigentum der Kl. eingegriffen

und ist ihnen deshalb zum Schadensersätze verpflichtet, gleichviel ob man die Klage als eine negatorische, eine aquilische oder eine aus Art. 141 des Berg­ ges. hergeleitete anzusehen hat. — Steht dem Bekl. das Enteignungsrecht nicht zu, so regeln sich die erhobenen Ansprüche lediglich nach der zuletzt erwähnten Vorschrift.

In allen Fällen ist hiernach der Bekl. verpflichtet, den durch das

Zubruchebauen bewirkten Schaden den Kl. zu ersetzen.

772

Linführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis

d. tandesgesetzen.

Sollte es dem Bekl. später gelingen, die Abtretung herbeizuführen, so

würden dadurch die vorher entstandenen Entschädigungsforderungen nicht berührt Der Schätzung ist dann der Zustand der Grundstücke zu Grunde zu

werden.

legen, den sie zur Zeit der Abtretung haben werden, und die Enteignungs­ behörde ist, da die Beschädigung nicht eine Folge der Abtretung ist, nicht befugt,

bei Feststellung der Entschädigungssumme die frühere Beschädigung zu berück­ (Vgl. RG. U. v. 4. April 1883, Daubenspeck, Bergrechtl. Entsch.

sichtigen.

S. 183.) Mit Unrecht

beruft sich Bekl. auf die RG.-Entsch. v. 7. Nov. 1885,

4. Mai 1887, 27. Okt. 1888 (a. a. O. 196—203). Rechtsfalle

hatten

In dem dort entschiedenen

sich die Parteien vertragsmäßig dahin geeinigt, daß der

Grundeigentümer dem Bergwerksbesitzer die von diesem in Anspruch genommene Grundstücksoberfläche abzutreten, und der Bergwerksbesitzer jenem die festgesetzte

Sicherheit zu leisten habe, wenn die unter den Parteien bestehende Meinungsverschiedenheit über die Anwendbarkeit des § 135 des pr. allg. Bergges. zu Gunsten des Kl. entschieden werden sollte.

Eine solche Einigung liegt in dem

jetzt zu entscheidenden Falle nicht vor; der Streit ist vielmehr allein nach dem Ges. zu beurteilen. 1123. Abtretungspflicht und freiwillige Abtretung.

V. 303/88 v. 9. 2. 1889.

IW. 1889 S. 145 Nr. 39.

Zuzugeben ist, daß im Fall freiwilliger Abtretung die Vorschriften des Abschn. von der Grundabtretung (§§ 135 ff.) nur dann zur Anwendung kommen können,

wenn die Abtretung zu den im § 135

des

fremden Grundstücks

notwendig war.

angegebenen

bergbaulichen

Eine hiervon verschiedene Frage ist es, ob die Benutzung

Zwecken verfolgt.

zu den

im

§ 135 angegebenen Zwecken

wirklich

Diese Frage kann entscheidend nur in Betracht kommen, wenn

es sich um die Abtretungspflicht des Grundbesitzers handelt, insbesondere wenn dieser die Abtretung verweigert.

Die Entscheidung dieser Frage, welche wesent­

lich eine technische ist, liegt in diesem Fall ausschließlich den Verwaltungs­ behörden ob (§ 142, § 145 Abs. 2 a. a. £>.).

Verlangt der Bergwerksbesitzer Die

Abtretung zu bergbaulichen Zwecken im Sinne der §§ 64 und 135, und

der

Grundeigentümer findet keinen Grund, die Notwendigkeit der Abtretung zu

bezweifeln oder zu bestreiten, und kommt demgemäß eine gütliche Einigung

zustande, so kann hinterher ein Streit über die Notwendigkeit nicht mehr auf­ kommen. als

zu

Wollte der Bergwerksbesitzer die Notwendigkeit der von ihm selbst

bergbaulichen

Zwecken

erforderlich

verlangten

Abtretung

hinterher

bestreiten, um sich seiner Verpflichtungen aus § 137 zu entziehen, so würde er dolos handeln.

Zur Klagebegründung aber gehört der Nachweis der Not­

wendigkeit der Abtretung nicht; denn die im § 137 erwähnten Verpflichtungen

des Bergwerksbesitzers haben ihren Grund

wesentlich in der

Abtretung und Benutzung des Grundstücks zu

den

Tatsache der

in § 135 angegebenen

Art. 67.

Bergrecht,

pr. Allg. Bergges. v. (865.

773

Zwecken, dagegen ist die Notwendigkeit der Benutzung wohl die Vorbedingung

für die Abtretungspflicht des Grundbesitzers, nicht aber für die Entschädigungs­ pflicht des Bergwerksbesitzers, nachdem einmal die Abtretung erfolgt ist.

Daß

in dem Vertrage die abzutretenden Flächen nicht individuell bezeichnet sind,

„die zu bergbaulichen Zwecken erforderlichen

vielmehr der Bekl. das Recht,

Ländereien" selbst zu okkupieren, eingerüumt worden ist, macht keinen Unterschied,

wenn nur die tatsächlich okkupierten Flächen zu den unter § 135 fallenden

Zwecken in Besitz genommen und benutzt worden sind. Meinung,

daß

das

Bewußtsein

Der BR. hat für seine

daß

der Kontrahenten,

die

Abtretung

in

Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung dazu geschehe, positiv festgestellt werden müsse,

auf eine Entsch.

Dieser

berufen.

des OTrib. in Strieth. A.

Entscheidung

lag

ein

von

dem

72, S. 162

Bd.

vorliegenden

sich

wesentlich

verschiedener Fall zu gründe.

1124. Grundabtretung und Enteignung (§ 138). V. 121/97 v. 3. 11. 1897.

IW. 1897 S. 647 Nr. 51, 52 (Kassel).

BG. legt § 142 dahin aus, daß der Grundeigentümer, der sich auf § 138

beruft,

das

Verlangen

auf

Abnahme

des

Grundstücks

zunächst

bei

den

Enteignungsbehörden zu stellen habe, und daß diese in allen Fällen darüber

in erster Reihe zu befinden hätten, der Grundstückseigentümer aber die Ent­ scheidung des Gerichts über diese Frage erst dann begehren könne, wenn die

Enteignungsbehörden

seinem

Anträge

nicht

stattgegeben

Rev. hiergegen erhobenen Angriffe sind unbegründet.

hätten.

Die' von

Zunächst spricht hiergegen

der Wortlaut des § 142, der die Entscheidung darüber, ob der Bergwerks­ besitzer

zur

Erwerbung

des

Enteignungsbehörden zuweist.

Eigentums

verpflichtet

sei,

ausdrücklich

den

Hinzu kommt, daß der Bergwerksbesitzer auch

dann verpflichtet ist, das Eigentum zu erwerben, wenn die Benutzung nach drei Jahren noch fortdauert.

Daraus erhellt, daß abweichend vom § 25 Abs. 7

des Enteignungsges. der Antrag auf Erwerb des Grundstücks vom Grund­ eigentümer auch dann noch gestellt werden kann, wenn ihm die Benutzung des

Grundstücks infolge Beschlusses der Enteignungsbehörden schon entzogen und die

Vergütung

dafür schon

festgesetzt war, daß

also

nach Erledigung des

Antrags des Bergwerksbesitzers auf Antrag des Grundeigentümers ein völlig

neues Enteignungsverfahren zulässig ist, dessen Grundlage der § 138 bildet. Rev. verkennt aber auch das Wesen der bergrechtlichen Enteignung, wenn sie meint, der Grundstückseigentümer dürfe die Rechte aus § 138 im gerichtlichen Verfahren geltend machen, wenn er auch im Vorverfahren ein solches Verlangen

nicht gestellt gehabt habe. Grundeigentümer dem

Das Allg. Bergges. stellt als Regel auf, daß der

Bergwerksbesitzer das

Grundstück

nur

zur vorüber­

gehenden Benutzung abzutreten, und dieser das Grundstück zurückzugewähren hat,

wenn

es

für

die Zwecke des Bergbaues

entbehrlich

geworden.

Der

Enteignungsbeschluß hat sich in diesem Falle nur zu verhalten über den Ersatz

Linführungsgesetz z. BGB. 5. Abschn. Verhältnis z. d. tandesgesetzen.

774 der

entzogenen

Nutzungen,

die Rückgewähr

und

die Kautionsleistung

Erfüllung der dem Bergwerksbesitzer obliegenden Verpflichtungen.

für

Ganz anders

ist der Inhalt des Beschlusses, wenn der Bergwerksbesitzer das Grundstück zu

erwerben verpflichtet ist.

Hier greifen im wesentlichen die allgemeinen Grund­

sätze der Enteignung Platz, und es ist insbesondere der Wert des Grundstücks

zu ermitteln, den der Bergwerksbesitzer dem Grundeigentümer als Vergütung zu gewähren hat.

Die Enteignung unterliegt hiernach, je nachdem die eine

oder die andere Art der Abtretung stattfindet, wesentlich verschiedenen Grund­

sätzen, und dem Gesetzgeber, der eine Vorprüfung der Entschädigungsfrage durch die Verwaltungsbehörden vorgeschrieben hat, würde eine Inkonsequenz zur Last

fallen, wenn anzunehmen wäre, daß der Grundeigentümer im Falle des § 138 die Entscheidung über die Übernahme des Grundstücks unter Umgehung der Verwaltungsbehörden zur Entscheidung des Gerichts bringen dürfe. — Von

ähnlichen Grundsätzen

geht der

Minister

der

öffentlichen

Arbeiten

in

der

Rekursinstanz aus: die jetzt herrschende Praxis erachtet es für unzulässig, daß

der Grundeigentümer erst in der Rekursinstanz mit dem Anträge hervortrete, daß der Bergwerksbesitzer das Grundstück zu Eigentum erwerbe (f. Brassert,

Zeitschr. Bd. 28 S. 112 und Bd. 29 S 134). Fehl geht die Ausführung der Rbkl., daß durch den Antrag auf Über­ nahme des Grundstücks der Anspruch auf Entschädigung für die entgehenden

Nutzungen ausgeschlossen werde. Denn erstens ist der Antrag bei der zuständigen Behörde noch nicht gestellt und es hängt von dem Belieben der Kl. ab, ob sie den Antrag überhaupt stellen werden.

Sodann wird durch die Erwerbung des

Grundstücks der Beschluß der Enteignungsbehördeu, der die Entschädigungs­

rente festgesetzt hat,

nicht mit rückwirkender Kraft aufgehoben, sondern bleibt,

wenn nicht eine Abänderung der Rente durch das Gericht erfolgt, bis zu dem

Zeitpunkt maßgebend, wo der Bergwerksbesitzer das Eigentum erlangt (Allg. Bergges. § 146). Ändert das Gericht den Beschluß, so bleibt das Urteil des Gerichts bis zu diesem Zeitpunkt bestimmend.

1125. Wafferbenutzungsrechte. Nach dem Allg. Bergges.

ist nur die Überlassung eines fremden Grund­

stückes zur Benutzung Gegenstand des Rechtes des Bergwerkseigentümers, und nur zur Herstellung der in dem § 135 genannten bergbaulichen Anlagen kann die Abtretung verlangt werden. Wasserberechtigungen

Eine analoge Ausdehnung ist unstatthaft.

(das heißt Wasserbenutzungsrechte) unterliegen dem

Expropriationsrechte nicht.

BG. deutet zutreffend

den

von

der Bekl. einzuschlagenden

Weg

an,

indem es sagt: „das im § 135 des Bergges. eingeräumte Expropriationsrecht genüge vollständig, § 135 erwähne auch ausdrücklich die Wasserläufe als eine

Anlage, zu deren Herstellung der Bergwerksbesitzer die Grundabtretung verlangen könne."

Die Bekl. kann, wenn ihr dies zweckdienlich erscheint, das Benutzungs-

Art. 67.

pr. Allg. Bergges. v. {865.

Bergrecht,

775

recht an geeignet gelegenen Grundstücken erwerben, um auf denselben einen

Kanal zur Ableitung der Grubenwässer anznlegen, oder um zur Befreiung derselben von den schädlichen Stoffen Klärteiche oder andere Anstalten zu

errichten.

Selbst die Erwerbung von Privatslüssen im Wege der Expropriation

wird für zulässig erachtet. Inwieweit dies ausführbar ist,

da § 135 dein Bergwerkseigentümer kein

Recht auf Eigentumserwerb, sondern nur das Recht auf Abtretung zur Be­

nutzung zugesteht, kann dahin gestellt bleiben, zumal über diese Fragen lediglich die Verwaltungsbehörden zu befinden haben würden (§ 142).

Die Nichtigkeitsbeschwerde beruft sich für ihre Ansicht, daß es überhaupt keines Expropriationsverfahrens bedürfe, auf die Ausführung in Achenbachs

Gem. d. Bergr. (S. 170 ff. § 51).

Der Bergwerkseigentümer sei da, wo die be­

treffende Wasserzuführung zum Betriebe des Bergbaues erforderlich ist, was

durch Sachverständige nachzuweisen (S. 177), hierzu ohne jegliches amtliches

Verfahren befugt,

ohne sich der Gefahr der Untersagung durch die Gerichte

auSzusetzen (S. 176), und dem beschädigten Grundeigentümer stehe in einem

solchen Falle nur ein Anspruch auf Entschädigung zu (S. 174, 175). In dieser Allgemeinheit kann diese Ausführung als richtig nicht anerkannt

werden.

Aus

der im Bergwerkseigentume enthaltenen Befugnis, alle Vor­

richtungen unter und

über Tage zu treffen,

die erforderlich sind, um das

verliehene Mineral zu gewinnen (§ 54), aus dem Rechte zur Anlegung von

Hilfsbauten (§ 60), und aus dem Expropriationsrecht (§§ 64, 135 ff.) ergibt sich eine so umfassende Berechtigung des Bergwerkseigentümers nicht.

Selbst

bei gewöhnlichen Beschädigungen durch den Bergbau gilt nach der Rechtsprechung des OTrib. der richtige Satz, daß zunächst alles so viel als möglich in den früheren Zustand

versetzt werden muß (§ 148 Bergges., ALR. I. 6, §§ 79 ff.).

Es ist also doch vor allem die Beschädigung möglichst zu verhüten.

Berwergseigentum ist vor dem Grundeigentume gesetzlich

Bevorzugung gilt aber eben nur in

bevorzugt.

den vom Gesetze gezogenen

Das

Diese

Schranken.

1126. Vollständige Entschädigung (§§137 ff.). V. 380/85 v. 12. 5. 1886.

Gr. Bd. 30 (10) S. 1011 Nr. 34 (Hamm).

BG. erkennt an, daß nach §§ 134 ff. ein Kunst- und Handelsgärtner, wenn

ihm ein Stück seines zu seinem Gewerbebetriebe dienenden Landes enteignet wird, eine dem höheren Ertragswert einer Kunst- und Handelsgärtnerei ent­

sprechende höhere Entschädigung beanspruchen dürfe; es steht also insoweit auf demselben rechtlichen Standpunkt, wie Kl.;

es hat aber die Anwendung dieses

Grundsatzes auf den vorliegenden Fall abgelehnt, weil das fragliche Terrain, abgesehen von einem vorübergehenden Versuch im Jahre 1879, tatsächlich nicht

zum Betriebe der Kunst- und Handelsgärtnerei, sondern als Ackerland benutzt worden ist, und Kl. nicht dargetan habe, daß dasselbe für den gedachten Betrieb

eingerichtet, und er in der Entschädigungssumme in der Tat nicht gedeckt sei.

An sich würde also Kl. eine besondere Entschädigung für die zeitweilige Ver­ hinderung der Bewirtschaftung des nördlichen Teils seines Grundstücks gemäß §§ 137 und 139 beanspruchen dürfen.

Es kann auch dem Kl. diese Entschädigung nicht mit dem ersten Richterschön aus dem Grunde versagt werden, weil Bekl. vor dem erwähnten Vergleich zur Herstellung der Überfahrt nicht verpflichtet gewesen, jedenfalls mit Erfüllung dieser Verpflichtung nicht in Verzug geraten sei. Denn die Verpflichtung des Bergwerksbesitzers, den Grundbesitzer für die entzogene Nutzung vollständig zu entschädigen, ist nicht durch ein schuldbares Verhalten des ersteren, insbesondere

in Erfüllung bei der Enteignung übernommener Verpflichtungen bedingt. BG. fügt aber jenem Grunde des ersten Richters einen zweiten selbständigen Ent­ scheidungsgrund hinzu, indem es erwägt, daß Kl. die Schuld an dem Umstande, daß er das Trennstück mangels einer Überfahrt angeblich nicht bewirtschaften konnte, sich selbst zuzuschreiben habe, da er bei der Verhandlung vor der Enteignungskomm. außer der von dem Bekl. hergestellten Einfriedigung mit ver­ schließbarer Pforte andere Einrichtungen nicht beantragt und dann auf die Aufforderung des Bergrats von D., in dieser Richtung seine Wünsche zu äußern, keine Antwort erteilt habe. Wenn BG. hierin ein kulposes Verhalten,

einen Mangel an Diligenz erblickt, so kann hierin ein Rechtsirrtum nicht gefunden werden. Die Feststellung des kulposen Verhaltens aber schließt den

Anspruch auf Entschädigung insoweit aus, als der fragliche Nachteil ohne dasselbe voraussichtlich vermieden worden wäre (Entsch. d. RG. Bd. 5, S. 253). Daß dies der Fall, hat BG., indem es die Schuld an dem Nachteil dem Kl. beimißt, offenbar angenommen. 1127. KailtionsLerechtigtrr nach § 137.

V. 161/94 v. 14. 11. 1694.

E. Bd. 34 Nr. 54 S. 217 (Halle, Naumburg).

Dem BG. ist darin beizutreten, daß die Kautionsbestellung nach § 137 zu jeder Zeit während der Dauer der Benutzung des Grundstückes zu Berg­ bauzwecken und von jedem Grundeigentümer gefordert werden kann, wenn nicht

vertraglich etwas anderes festgesetzt ist. Zunächst ergibt sich aus dem Wortlaute des § 135, daß als für den Betrieb des Bergbaues abgetreten auch solche Grundstücke gelten, welche zu einer für Betriebszwecke bestimmten Eisenbahn abgetreten sind.

Aus der Ab­

tretung eines Grundstückes zur Benutzung für Bergbauzwecke entstehen in allen Fällen für den Bergwerksbesitzer die beiden Verpflichtungen: dem Grundbesitzer für die entzogene Nutzung jährlich im voraus vollständige Entschädigung zu leisten und das Grundstück nach beendeter Benutzung zurückzugeben. Diesen Verpflichtungen tritt für den Fall, daß durch die Benutzung eine Wertsver­

minderung des Grundstückes eingetreten ist oder voraussichtlich eintreten wird, (vgl. Brasserts Kommentar S. 366 Nr. 5) als dritte hinzu, daß der Berg-

Art. 67.

Bergrecht.

£r. Allg. Bergges. v. (865.

777

Werksbesitzer bei der Rückgabe des Grundstückes dessen Minderwert ersetzen und daß er auf Verlangen des Grundbesitzers schon bei der Abtretung des Grund­

stückes zur Sicherung Kaution bestellen muß.

der Erfüllung

dieser Verpflichtung eine angemessene

Aus der Formulierung des diese Bestimmungen ent­

haltenden § 137 hat BG. mit Recht geschlossen, daß der Grundbesitzer, wenn

er schon bei der Abtretung des Grundstückes die Bestellung der Kaution ver­

langen dürfe, diese jedenfalls auch später fordern könne.

Ferner findet es

darin, daß der Kautionsanspruch dem Grundbesitzer als solchem zugesprochen

ist, ausgedrückt, daß dieser Anspruch nicht nur von dem Grundbesitzer, welcher

das Grundstück freihändig oder zwangsweise zum Bergbaubetriebe abgetreten hat, sondern auch vou dessen Besitznachfolgern während der ganzen Dauer der

Nutzungsentziehung geltend gemacht werden kann. Hierfür sprechen auch folgende Erwägungen.

Den Ersatz des Minderwertes muß der Bergwerksbesitzer bei der

Rückgabe des Grundstückes nach beendeter Benutzung leisten.

Wenn auch im

Gesetze nicht ausdrücklich gesagt ist, welchem Grundbesitzer der Ersatz zu leisten sei, so ergibt sich dies mittelbar doch daraus, daß die Ersatzleistung bei der Rückgabe des Grundstückes geschehen soll.

sOhne sie] bliebe den: derzeitigen

Grundbesitzer nur das entwertete Grundstück, welches sich in seinem dermaligen

Zustande für die fernere anderweite Benutzung durch ihn vielleicht gar nicht oder doch nicht in dem Maße, wie bis zu dessen Abtretung, eignete.

Der­

zeitige Grundbesitzer wäre geschädigt, und deshalb muß auch er entschädigt Hiernach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der nach dem Ges.

werden.

zu leistende Ersatz des Minderwertes demjenigen gebührt, welcher z. Z. der Rückgabe der Eigentümer des abgetretenen Grundstückes ist.

Dies steht auch

im Einklänge mit der Bestimmung im § 141.

Abschn. 2. Vo« dem Schadensersätze für Beschädigungen des Grundeigentums

. (.§§ 148-152)?)

1128. Örtlich maßgebendes Bergrecht. V. 298/88 v. 24. 4.1889. Seufs. Bd. 44 Nr. 161. IW. 1889 S. 246 Nr. 12 (Celle). BG., welches die Anwendung des pr. Ges. rechtfertigt mit der Tatsache der Einwirkung des in Braunschweig betriebenen Bergbaues auf ein pr. Grund­ stück, hat nicht unterschieden zwischen der im bergbaulichen Sinne vollendeten

Handlung (die hier vorgenommenen und vollendeten sein sollen auf nichtpr. Gebiet) und der nach der Vollendung eintretenden besonderen Wirkung.

Die

dem Bergbau auferlegte Verpflichtung, den durch ihn dem Grundeigentume zu­ gefügten Schaden zu ersetzen, ist eine sog. obligatio ex lege, welche dem Ges.

untersteht, wo die Handlung vorgenommen wird, welche die Obligation be­

gründet.

An der Individualität der Betriebshandlung wird dadurch

geändert, daß sich mit ihr schädliche Einwirkungen verknüpfen.

*) Vgl. Nr. 458.

nichts

Durch diese

Verbindung wird zwar die Ersatzpflicht konkret, aber es bleibt immer die Hand­ lung, welche als solche die Obligation begründet; daß ohne Schaden von keinem

Schadensersatz gesprochen werden kann, dieser Satz ist deshalb ohne Bedeutung, weil er auch bei eigentlichen Deliktsobligationen zutrifft, bei denen unbestritten

nicht der Ort des hervortretenden Schadens, sondern der Ort der Delikts­ handlung für die Bestimmung des maßgebenden Gesetzes entscheidend ist.

Eine

Bestimmung, welche dem Grundeigentümer jeden Anspruch gegen Beschädigung

durch den Bergbau abschneidet, kann für das Gebiet des d. PR. nicht oder doch nicht mehr als gültig anerkannt werden. Vgl. Stobbe, d. PR. II § 141, 143 Nr. 9, Seuff. Ä. Bd. 26 Nr. 51. Auch besteht, abgesehen von Parti­

kulargesetzgebungen neuerer Zeit, für das gern. R. nicht das dem pr. R. be­

kannte und im § 151 aufgenommene Institut der dreijährigen Verjährung gegen Ansprüche aus außerkontraktlicher Beschädigung.

Vgl. Mot. z. § 719

des Entw. BGB. (Stadt Goslar c. Kommunionharzbehörde). 1129. Allgemeine Grundsätze.

V. 259/91 v. 13. 2. 1892. IW. 1892 S. 226 Nr. 43. Richtig ist, daß sich auch im Falle des § 148 Allg. Bergges. die Ermittelung

und die Ausgleichung des Schadens nach den Grundsätzen des Civilr. regeln. 1130. Bergschaden, Begriff, Entschädigungspflicht (§§ 148 ff.).

V. 210/92 v. 21. 12.1892. E. Bd. 30 Nr. 73 S. 250. IW. 1893 S. 109 (Beuchen, Breslau). Mit dem BG. ist davon auszugehen, daß die im § 148 anerkannte Legal­ obligation des Bergwerksbesitzers sowohl aktiv, als passiv einen persönlichen

Charakter hat, und daß die Verpflichtung mit dem Zeitpunkt, wo der Schade

entstanden ist, zur Vollendung gelangt.

Der Kl., der den Anspruch lediglich

aus eigenem Recht erhebt, ist hiernach zur Klage nur dann legitimiert, wenn

der Schade, für den er Ersatz fordert, während seiner Besitzzeit entstanden ist. Der Bergwerksbesitzer ist verpflichtet, für allen Schaden, der dem Grund­

eigentum oder dessen Zubehörungen durch den Betrieb des Bergwerks zugefügt wird, vollständige Entschädigung zu leisten, ohne Unterschied, ob der Betrieb

unter dem beschädigten Grundstück stattgefunden hat oder nicht, ob die Be­

schädigung von dem Bergwerksbesitzer verschuldet ist, und ob sie vorausgesehen werden konnte oder nicht.

Hiernach erfordert das Ges. zur Begründung des

Entschädigungsanspruchs in objektiver Beziehung nichts weiter, als daß ein

Schade an dem Grundeigentum des Kl. entstanden ist, und daß dieser Schade mit dem Betrieb des Bergwerks im ursächlichen Zusammenhänge steht.

Die

Art und Weise, wie der Kausalzusammenhang hergestellt wird, ist dabei ohne

rechtliche Bedeutung. — Der Begriff des Schadens ist im Berggesetz nicht defi­ niert und muß deshalb nach den Vorschriften des allgem. Civilr. beurteilt werden.

(Nach § 1 Tl. I Tit. 6 ALR.) ist darunter jede Verschlimmerung zu verstehen,

Art. 67.

Bergrecht,

pr. Allg. Bergges. v. (865.

779

die eine Person an ihrem Vermögen erleidet. Zur vollständigen Entschädigung gehört der Ersatz des gesamten (positiven) Schadens und des entgangenen Ge­ winnes. (§ 7 a. a. O.) Hieraus ergibt sich, daß der Eigentümer des beschädigten Grundstücks für alle mit dem Betriebe des Bergwerks im Zusammenhänge stehenden Vermögensnachteile, mögen sie unmittelbar oder mittelbar durch den Bergbau veranlaßt sein, Ersatz fordern kann, und daß es keineswegs erforderlich

ist, daß die Integrität des Grundstücks infolge der Einflüsse des Bergbaues aufgehoben werde oder auch nur eine Einbuße erleide. Es genügt, daß das Grundstück entwertet wird, und daß die Entwertung ohne den Betrieb des Bergbaues nicht eingetreten wäre, also hier, daß die Parzellen bisher zu Bau­

plätzen geeignet waren, diese Eigenschaft aber durch die von dem Bergbau drohende Gefahr verloren hatten. § 150 Abs. 2 steht dem nicht entgegen. Ebenso: V. 471/84 v. 24. 6. 1885. Gr. Bd. 30 S. 142 Nr. 6 (Hamm). S. Nr. 1137.

1131. Zuleitung von Grubenwasser. V. 415/96 v. 19. 6. 1897.

IW. 1897 S. 429 Nr. 45, 46 (Hamm.)

Ein Eingriff in das Eigentum liegt nicht bloß'dann vor, wenn der Dritte schädliche Substanzen, die geeignet sind, die Benutzung des Wassers zu hindern, dem Privatflusse zuführt, sondern auch wenn die Zuleitung sonst das Maß des Regelmäßigen und Gemeinüblichen übersteigt. Dieser allgemeinen Rechtsregel unterliegt auch der Bergwerksbesitzer, der die erschrotenen Grubenwasser in einen Privatfluß leitet. Allerdings darf der Grundeigentümer vom Bergwerks­ besitzer nicht Maßregeln verlangen, die zur Einstellung des Betriebes führen müßten, aber der Bergwerksbesitzer, den hierfür die Beweislast trifft, kann sich hierauf erst dann berufen, wenn er alle Mittel erschöpft hat, die geeignet sind, den Eingriff in das Eigentum des Uferbesitzers zu verhüten. Dies sind bei Verunreinigung des Wassers in erster Reihe Klärvorrichtungen und ähnliche Anlagen und wenn diese versagen, Enteignung des Flußlaufs. Ist der Ein­ griff in das Eigentum das Produkt der Zuleitung mehrerer Zechen, so können die einzelnen Bekl. die negatorische Klage des Uferbesitzers nicht durch den Einwand von sich abwenden, daß die Zuleitung des Einzelnen nicht für sich allein, sondern nur in Verbindung mit anderen Zuleitungen schädlich wirke. Von diesen Grundsätzen, an denen das RG. in gleichmäßiger Rechtsprechung

bisher festgehalten hat, geht auch BG. aus. Die hiergegen erhobenen Aus­ stellungen, im wesentlichen die Ausführungen von Achenbach (Das gern. d. Bergr. I S. 170 ff.) und von Strohn (Brafferts Zeitschr. Bd. 7 S. 109), sind in den U. v. 21. April 1880, 2. Juni 1886 (Entsch. Bd. 2 S. 208 und Bd. 16 S. 178) eingehend widerlegt worden. Wenn Rev. dagegen geltend macht, daß die Ableitung der Grubenwasser von dem Betriebe des Bergwerks unzertrenn­ lich sei, und der Grundeigentümer nicht dessen Einschränkung verlangen dürfe, sondern sich mit einer Entschädigung begnügen müsse: so verkennt sie die recht­

liche Bedeutung des § 54 Allg. Bergges., der dem Bergwerksbesitzer nicht das

780

«Linführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis z. d. kandesgesetzen.

Recht gibt, unmittelbar in fremdes Eigentum, namentlich in das Oberflächen­ Allerdings entsteht, wenn die Rechtsstörung sich nicht

eigentum, einzugreifen.

auf andere Weise beseitigen läßt, ein Konflikt zwischen den Rechten des Berg­

werksbesitzers und denen des Grundeigentümers; aber der Konflikt wird durch

das Gesetz nicht dadurch gelöst, daß der Grundeigentümer sich in allen Fällen mit einer Entschädigung zu begnügen hätte, sondern dadurch, daß dem Berg­

werksbesitzer das Recht beigelegt ist, die Abtretung des beanspruchten Wasser­ laufs im Wege der Enteignung zu verlangen (§ 135 Allg. Bergges.). Nach § 196 des Allg. Bergges. steht die polizeiliche Aufsicht über den Betrieb

den Bergbehörden zu;

aber wie in dem Erk. des Kompetenzgerichtshofes v.

12. Nov. 1881 (Stölzel, Rechtspr. des Gerichtshofes z. Entsch. der Kompetenz­

konfl. S. 498) zutreffend ausgeführt ist, handelt es sich bei Klagen vorliegender

Art lediglich um Privatrechte, für die das Gericht zuständig ist, und daraus

folgt, daß das Gericht auch die Frage zu beantworten hat, ob ein Eingriff in das Eigentum vorliege, und wie die Rechtsstörung zu beseitigen sei.

Ob die

Bergbehörde zur Wahrung des öffentlichen Interesses davon abweichende 9(11=

ordnungen treffen darf, ist hier nicht zu erörtern, da nach dieser Richtung hin Einwendungen nicht erhoben worden sind.

Ebenso: V. 6/82 v. 9. 10. 1882. Gr. Bd. 27 S. 1012 Nr. 90. S. Art. 65. VI. 106/88 v. 14. 6. 1888. Gr. Bd. 32 Nr. 83 S. 1046 Ziff. 3 (Hamm). V. 39/89 v. 3. 4. 1889. Gr. Bd. 33 S. 1055 Nr. 84 (Hamm). Vgl. Nr. 1134. 1132. Unterbrechung des Gewerbebetriebes durch Beschädigung eines Gebäudes.

V. 40/82 v. 20. 12. 1882.

Gr. Bd. 27 Nr. 89 S. 1011 (Hamm).

Diese lediglich aus dem Gesetze entspringende Entschädigungsverpflichtung ist auf den „dem Grundeigentume oder dessen Zubehörungen" Schaden beschränkt.

verursachten

Wie die Mot. z. Reg.-Vorlage (S. 88 zu 3) unter Be­

zugnahme auf ein Präjudiz des OTrib. v. 11. März 1859, Nr. 1462, bemerken,

sind unter den Zubehörungen z. B. auch industrielle Anlagen zu verstehen.

Sind behufs des Betriebes eines gewissen Gewerbes besondere Einrichtungen

und Anlagen in dem dazu benutzten Gebäude erforderlich, so werden nach Be­ schaffenheit des Falles Störungen in dem Fortbetriebe dieses Gewerbes, welche in bergbaulichen Beschädigungen des Gebäudes ihren Grund haben, unter die­ jenigen Beschädigungen zu rechnen sein, für welche nach § 148 der Bergwerks­

besitzer verhaftet ist.

Im vorliegenden Falle behauptet Kl., daß es ihm wegen

der Reparaturen, die an seinem durch den Bergbau der Berkl. beschädigten Gebäude notwendig sind, während eines dreimonatlichen Zeitraumes unmöglich sein werde,

den Schankbetrieb und .den Spezereiwarenhandel, welche er bis

dahin in seinem Gebäude ausgeübt hat, fortzusetzen, daß er vielmehr diesen Geschäftsbetrieb bis zur Beseitigung der Beschädigungen an dem Gebäude werde

aussetzen müssen und daß ihm hierdurch der liquidierte Gewinn aus dem Ge­ schäfte entgehe.

Es kann also das Gebäude zu dem Zwecke, zu welchem Kl.

dasselbe bestimmt hat, nicht benutzt werden und hierin liegt eine Beschädigung

des Grundstücks.

Die Geschäftsunterbrechung und der Gewinnverlust aus dem

Geschäfte ist eine mittelbare Folge der Beschädigung, und der zur vollständigen

Entschädigung verpflichtete Bergwerkseigentümer auch zum Ersätze dieses ent­ gangenen Gewinns verbunden (ALR. I. 6 § 7, §§ 3, 5, 6). 1133. Senkung der Bodenfliiche.

V. 224/86 v. 13. 11. 1886.

IW. 1886 S. 453 Nr. 37. Bgl. Nr. 1149.

Nicht jede Veränderung, welche infolge des Bergbaues dem Grundeigentum widerführt, gibt dem Eigentümer einen Anspruch aus § 148 des Allg. Bergges. Es mutz ein Schaden d. h. eine Verschlimmerung des Vermögenszustandes des

Eigentümers (§ 1 Tit. 6 T. I ALR.), die sich in einer Verminderung des

Ertrags- oder Verkaufswerts des Grundstücks ausdrückt, entstanden sein.

Aus

der Senkung einer Bodenflüche ergibt sich eine solche Wertverminderung an sich

noch nicht.

Zudem hat die Beweisaufnahme ergeben, daß diese Senkung einer

Bestellung und weiteren Ausnutzung des Ackers nicht entgegensteht. Bei diesem

Resultat der Beweiserhebung hätte Kl. das Vorhandensein eines Schadens durch

Angabe derjenigen Nachteile dartun müssen, welche dem Acker aus der Senkung eines Teiles desselben erwachsen sind.

Er hat aber laut Tatbestand auf Be­

fragen des Vorsitzenden tatsächliche Momente für eine infolge der fraglichen Senkung eingetretene Verminderung des Werts des Grundstücks anzugeben sich außerstande erklärt.

Hiernach fehlt es dem Anspruch des Kl., soweit er aus

der Senkung des Ackers hergeleitet ist, an einem wesentlichen Teil des Klag­ grundes, nämlich der schlüssigen Behauptung eines vorhandenen Schadens. 1134. Unmittelbare Schäden.

V. 217/97 v. 15.1.1898.

IW. 1898 S. 149 Nr. 31.

Es ist die Ansicht abzuweisen, daß der Bergwerksbesitzer nach § 148 nur

für solche Schäden

aufzukommen habe,

Bergbaubetriebes wären.

welche eine unmittelbare Folge des

Wie das NG. in gleichmäßiger Rechtsprechung bisher

angenommen hat, ist der Bergwerksbesitzer, wenn sonst die Voraussetzungen jener Gesetzesbestimmung gegen ihn vorliegen, verpflichtet, dem Grundeigentümer

allen Schaden zu ersetzen, der auf den Betrieb des Bergwerks zurückzuführen ist, gleichviel ob dieser dabei mittelbar oder unmittelbar wirksam gewesen; der

Bergwerksbesitzer ist ersatzpflichtig, sobald zwischen seinem Betriebe und der Be­ schädigung des Grundstücks ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl. RGU.

v. 9. Okt. 1882, 24. Juni 1885, Daubenspeck Entsch. S. 242 und 287)?) Ver­ fehlt ist die Bezugnahme der Bekl. auf das U. v. 8. Febr. 1890 (a. a. O.

S. 221).

Darin ist nur der Begriff des Bergbaubetriebes klargestellt und

ausgesprochen, daß darunter nach § 148 nur der Bergwerksbetrieb im engeren Sinne, d. h. die Anstalten und Einrichtungen zu verstehen seien, die der Förde­

rung des Minerals dienten, nicht aber Anlagen, die lediglich zu dem Zwecke

*). ©. Anm. zu Nr. 1131 u. Nr. 1137.

782

Linführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis

d. kandesgesetzen.

errichtet wären, einen durch den Bergbau entstandenen Schaden zu beseitigen.

— Daß ein Naturereignis, wofür das Zusammenbrechen der Schlotten zweifellos zu erachten ist, bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat, ändert nichts in der Beurteilung der Sache.

Der ursächliche Zusammenhang zwischen der

Trockenlegung des Salskebaches und dem Betriebe des Bergwerks wird durch diese Tatsache nicht ausgeschlossen; dies würde nur dann der Fall sein, wenn der Zusammenbruch der Schlotten die Abtrocknung auch dann

hervorgerufen

haben würde, wenn der Grubenbau nicht vorhanden gewesen wäre.

Wie BG.

feststellt, ist dies Naturereignis erst dadurch schädlich geworden, daß die in die

Tiefe fließenden Wasser den Weg in die Grubenbaue der Bekl. fanden und

hier entfernt werden mußten, um den ferneren Betrieb des Bergwerks zu er­ möglichen.

Das Zusammenbrechen der Schlotten ist hiernach nur ein Faktor,

der bei Entstehung des Schadens mitgewirkt hat; doch die wirkliche Ursache ist die Hebung der in das Bergwerk eingedrungenen Wasser, eine Handlung, ohne die das Mineral nicht gewonnen werden kann, die sonach einen wesentlichen

Teil des Bergwerksbetriebes bildet.

1135. Entschädigung für Verlust der Bauplatzeigenschast. V. 415/97 v. 4. 6. 1898. IW. 1898 S. 450 Nr. 52. Mit dem BG. ist davon auszugehen, daß Kl. Entschädigung in Kapital

(den durch Entziehung der Bauplatzeigenschaft bewirkten Minderwert des Grund­ stücks) nur dann zu fordern berechtigt ist, wenn das Grundstück diese Eigen­

schaft dauernd verloren hat.

Ist anzunehmen, daß der Grund und Boden in

absehbarer Zeit seine frühere Festigkeit und Tragfähigkeit wieder erlangen werde,

so kann der Kl., wenn sich das Ende der Bodenbewegungen noch nicht mit

Sicherheit übersehen läßt, nur Entschädigung in Rente verlangen, die nach den

Nachteilen zu bemessen ist, welche ihm daraus erwachsen, daß das Grundstück vorübergehend zum Bau nicht verwendbar ist.

Bei sich fortsetzenden Boden­

bewegungen kann ein gänzlicher Verlust der Bauplatzeigenschaft,

der die Er­

stattung des Minderwerts nach sich zöge, erst dann angenommen werden, wenn feststeht, daß der durch die Einwirkung des Bergbaues gelockerte und seiner

Tragfähigkeit beraubte Grund und Boden in absehbarer Zeit nicht die frühere

Festigkeit wieder erlangen wird.

Da sich die Entwertung des Grundstücks als

Bauplatz erst mit diesem Zeitpunkt vollendet, so ist er auch für die Ermittelung

des Minderwerts entscheidend, und kommt nichts darauf an, ob schon früher

Bodenbewegungen stattgefunden haben, selbst wenn sie mitwirkend gewesen sein sollten (vgl. U. des RG. v. 16. Sept. 1885, Daubenspeck, bergrechtliche Entsch.

Bd. I S. 304).

1136. Entschädig««- für Wasserentziehung. n. 106/91 v. 12. 6.1891. IW. 1891 S. 402 Nr. 43. Die Rev. faßt den § 148 des Bergges. dahin auf, daß die Entschädigung

bei Wasserentziehung in der Regel durch Gewährung einer Rente zu erfolgen

Art. 67.

Bergrecht,

pr. Allg. Bergges. v. {865.

783

habe, eine Kapitalabfindung aber nur in dem Falle gerechtfertigt sei, wenn fest­ gestellt werde, daß die Wasserentziehung eine dauernde sei.

Diese Unterscheidung

wird von dem Ges. nicht gemacht; es wird vielmehr dem Ermessen des Richters

anheimgestellt, ob er eine Kapitalabfindung für erforderlich, oder nach den Um­

ständen des Falles die Bewilligung einer Rente für eine ausreichende Ent­

schädigung erachte.

Die Zuerkennung eines Kapitals verletzt daher nicht das

Ges., aber der Richter stellt auch ausdrücklich fest, daß es sich im vorliegenden Falle um einen fortdauernden Schaden handle.

1137. Beschädigung einer Gasleitung als Zubehör des Grundeigentums. V. 471/84 v. 24. 6.1885.

Gr. Bd. 30 S. 142.

IW. 1885 S. 277 Nr. 48 (Hamm).

Das Rohrnetz einer Gasanstalt, deren Betrieb nicht nur die Erzeugung,

sondern auch die Zuleitung des Gases an die Konsuinenten umfaßt, stellt sich, wenn nicht als Bestandteil, so doch mindestens als Zubehör der Gasanstalt selbst und der für letztere errichteten Gebäude dar, deren Zwecken es dient und mit denen es in feste und dauernde Verbindung gesetzt ist.

Es erscheint hierbei

gleichgültig, in wessen Grund und Boden die Röhren sich befinden, da der die Zubehöreigenschaft bedingende

äußere

und

innere Zusammenhang

mit

der

Hauptsache dadurch nicht aufgehoben wird, daß ein Zubehörstück räumlich in den Bereich eines fremden Grundstücks sich erstreckt.

Mit Recht also hat BG.

die beschädigten Gasleitungsröhren — soweit sie im Eigentum der Klägerin

stehen — als Zubehör des Grundeigentums der letzteren angesehen und dem­ gemäß den

§ 148

auf

den

infolge des Bergbaues der Bell, an denselben

unmittelbar entstandenen Schäden

angewendet.

Das Ges. unterscheidet nicht

zwischen unmittelbaren und mittelbaren Schäden; da aber die Entschädigung

für allen Schaden und vollständig zu leisten ist, so muß unbedenklich auch der mittelbare Schade (§ 3 Tit. 6 Tl. I ALR.) in die Entschädigungspflicht des Bergwerksbesitzers

einbezogen

werden

S. 640 RG.Entsch. v. 9. Okt. 1882.

(Dernburg, pr. PR., 4. Ausl. Bd. 1 Brassert Zeitschr. Bd. 24 S. 500).

Vorausgesetzt ist nur, daß der Schade an dem Grundeigentum Zubehörungen entstanden ist.

oder seinen

Ein dem Grundeigentum erwachsener Schade

liegt aber vor, wenn und insoweit dasselbe entwertet worden ist, und zwar ist

hierbei nicht nur der Wert der Substanz, sondern auch

der Nutzungs- resp.

Gebrauchswert in Betracht zu ziehen und nicht bloß eine dauernde, sondern auch eine vorübergehende Entwertung zu entschädigen, demgemäß aber auch für

die bis zur Wiederherstellung der beschädigten Sache oder Ersatz des Kapital­ wertes eingetretenen Ausfälle an Nutzungen und die durch Verminderung des

Gebrauchswertes des Grundstücks dem Eigentümer etwa erwachsenen vermögens­

rechtlichen Nachteile dem letzteren Ersatz zu leisten.

Anderenfalls würde der

Grundeigentümer nicht zu der ihm gebührenden vollständigen Entschädigung, gelangen.

(RGU. v. 20. Okt. 1882, Brassert a. a. O. Bd. 25 S. 396.)

Im

vorliegenden Fall ist der Schade unmittelbar an den Gasleitungsröhren, als»

784

Ginführungsgesetz z. BGB. .5. Abschn. Verhältnis z. d. kandesgesetzen.

nach

der bereits oben gebilligten Annahme des BG. an Zubehörungen des

Nun ist es unzweifelhaft ein den Ertrags­

Grundeigentums der Kl. entstanden.

wert der Gasanstalt selbst bedingendes Moment, ob die Röhren, welche dazu

bestimmt sind, das erzeugte Gas in sich aufzunehmen und den Konsumenten zuzuführen, gut funktionieren

oder

nicht.

Eine Gasanstalt mit

brüchigen,

schlecht zusammengefügten Röhren wird infolge des dadurch verursachten Gas­

verlustes teurer produzieren, deshalb weniger Nutzen abwerfen und folglich einen geringeren Wert haben, als unter sonst gleichen Umständen eine Gas­

anstalt mit fehlerlosem Röhrensystem.

Es ist also klar, daß, wenn infolge des

Bergbaues der Bekl. die Gasleitungsröhren der Kl. Brüche erlitten haben und undicht

geworden

sind,

hierdurch

beschädigten Röhren aufgehoben

in

erster

Linie

der Gebrauchswert

der

aber

der

oder doch beeinträchtigt,

Ertragswert der Gasanstalt selbst vermindert worden ist.

dadurch

Insofern liegt ein

dem Grundeigentum der Kl. selbst erwachsener Schade vor, der sich keineswegs

deckt mit den durch zur Ausbesserung der Brüche und Undichttgkeiten erforder­

lich gewordenen Kosten, sondern auch den der Kl. durch das infolge jener Brüche und Undichtigkeiten eingetrctene, resp, vermehrte Entweichen des Gases

erwachsenen Verlust umfaßt.

Das Quantum des entwichenen Gases bildet

hierbei nicht sowohl das Objekt des Schadensbetrages als vielmehr den Maß­

stab, nach welchem die durch die Beschädigung der Röhrenleitung eingetretene

Entwertung der Gasanstalt, also des Grundeigentums der Kl. zu bemessen ist. 1138. Verschuldung des Bergschadens (§ 150).

V. 282/90 v. 28. 1. 1891.

IW. 1891 S. 142 Nr. 39.

Die Nev. behauptet, daß die angefochtene Entsch. auf Verletzung dieses

Ges. insofern beruhe, als BG. rechtsirrtümlich die Voraussetzungen desselben den

Voraussetzungen

Grund.

des

§ 150

Die Voraussetzungen

der

gleichgestellt

beiden

habe.

Diese Rüge ist

Paragraphen

in

ohne

Ansehung

der

Voraussehbarkeit der den zu errichtenden Anlagen durch den Bergbau drohenden

Gefahr sind wesentlich die gleichen.

Ob die Gefahr bei Anwendung gewöhnlicher

Aufmerksamkeit (§ 150) oder — wie sich der § 116b Tit. 16 Tl. II des

ALR. ausdrückt — vernünftigerweise vorauszusehen Unterschied.

war,

begründet

keinen

Beide Paragraphen setzen eine Fahrlässigkeit, ein Versehen des­

jenigen voraus, der die erkennbare Gefahr unbeachtet läßt, und mit der Ver­ neinung eines solchen Versehens wird die Anwendung sowohl des einen wie des anderen Ges. ausgeschlossen.

Eigenes Verschulden des Beschädigten. 1139. Anwendung gewöhnlicher Aufmerksamkeit (§ 150).

V. 29/84 v. 5. 7. 1884. . E. Bd. 11 Nr. 77 S. 334 (Beuchen, Breslau). BG. hat sich keiner Rechtsverletzung

Ausdruck

schuldig gemacht,

in § 150 „Anwendung gewöhnlicher

wenn

Aufmerksamkeit"

für

es

den

gleich-

Art. 67.

Bergrecht,

pr. Allg. Bergges. v. (865.

785

bedeutend mit „Vermeidung eines groben Versehens" hält, und wenn es die tatsächlichen Umstände von diesem Gesichtspunkte aus prüft.

Bekl. beruft sich

zwar für seine Annahme, daß schon ein mäßiges Versehen die Verhaftung ) Va. 13/82 v. 21. 9. 1882 (Berlin). — 2) S. Nr. 1413. Nudorff, Reichsgerichts-Entscheidungen.

darin

Gehöft zu dem durch die Bahn

Linführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis z. d. Landesgesetzen.

094

der Passage auf dem Bahnübergänge sei nicht eine Folge der Enteignung; sie treffe wie den Kl., so auch andere Eigentümer, von deren Grundstücken nichts

enteignet worden; Kl. habe also hierfür keinen Anspruch auf Entschädigung. Bekl. versucht mit dieser Aufstellung eine Beseitigung der feststehenden Rechtspr.

des RG. (vgl. Entsch. Bd. 13 S. 244T) und dortige Allegate); mit Unrecht; denn da die teilweise Enteignung des Grundstücks des Kl. zum Zwecke gerade des Unternehmers erfolgt ist, welches die Bewirtschaftung des Restgrundstückes

beschwerlicher und kostspieliger macht, so ist der für den Enteigneten hierdurch

entstehende Schade als eine Folge der Enteignung selbst anzusehen.

Der An­

griff gegen die Berechnung des Schadens nach Proz. des Grundstückswerts

erledigt sich dadurch, daß derselbe Betrag in dem Gutachten selbst durch eine besondere Berechnung der zugefügten Nachteile gefunden ist.

Gr. Bd. 26 S. 1064 Nr. 158 (Posen).

Vgl. V. 637/81 v. 18. 5. 1881.

1382. Einfluß des Erlöschens einer Servitut auf die Wertschätzung (§ 8).

V. 100/92 v. 17. 9. 1892. (Naumburg).

E. Bd. 30 S. 176.

IW. 1892 S. 435 Nr. 34

Den vollen Wert des abzutretenden Grundstücks hat der Unternehmer, zu dessen Gunsten enteignet wird, von dem Falle der vertragsmäßigen Übernahme einer (dann selbstredend in Anrechnung zu bringenden) privatrechtl. Grundstücks­

belastung (§ 45 des Ges.) abgesehen, immer zu zahlen; mehr ausnahmsweise, indessen nicht an den Eigentümer, sondern an andere Nutzungsberechtigte, in dem

hier nicht interessierenden Falle des § 11 des Ges., niemals aber weniger. Das Bestehen

einer

Servitut, wie jede

andere

dingliche Last

(Hypothek,

Real­

last rc.) kann den Ertrag und die Verwertbarkeit des Grundstücks für den Eigentümer beeinträchtigen, ändert aber den Wert des Grundstückes an sich

nicht;

die

Wertschätzung

eines

mit Hypotheken,

Servituten rc.

belasteten

Grundstücks kann zu keinem anderen Ergebnis führen, als die eines lastenfreien

Grundstücks.

Deshalb ist es unrichtig, wenn

der

BR. das

Erlöschen

der

Servitut durch die Anlage der Straße, zu deren Zweck die Enteignung geschehen ist, als eine durch jene Anlage herbeigeführte und deshalb nach § 10 des Ges. bei der Abschätzung nicht zu beachtende Erhöhung des Wertes des Grundstücks

bezeichnet; die Belastung hatte eben den Wert des Grundstücks nicht gemindert. Erst bei der Frage, ob und welchen Anteil der Realberechtigte an dem Werte

des, durch die Enteignung auch ihrem Recht entzogenen Grundstücks zu bean­ spruchen habe, kommt der Wert der Realberechtigungen in Betracht. Frage aber berührt nicht den Unternehmer.

Diese

Den Realberechtigten ist zwar

mit Rücksicht auf ihr Interesse an der Feststellung der nach dem Gesamtwerte

des Grundstücks zu bemessenden Entschädigung eine Einwirkung auf diese Fest­ stellung selbst eingeräumt (§§ 30, 46), aber nur zu dem Zwecke, deren Erhöhung soweit zu betreiben, daß sie wegen ihrer Ansprüche gedeckt werden.

*) S. Nr. 1413.

1383. Mehrwert durch Belegenheit am Kanal (§ 8).

III. 141/88 v. 12.10. 1888.

IW. 1888 S. 433 Nr. 26.

Bei der Beurteilung der Sache ist davon auszugehen, daß es sich für die Kl. muc um einen rein tatsächlichen Vorteil gehandelt hat, welcher ihnen durch

die Benutzung der zwar im Eigentum des Staats stehenden, aber doch für den allg. Verkehr

bestimmten öffentlichen Wasserstraße erwuchs.

Diesen Vorteil

haben die Kl. durch die Enteignung eines Teils ihres Grundbesitzes verloren; die Bewirtschaftung ihres Platzes ist dadurch erschwert worden.

BG. hat an­

genommen, daß Bekl. verpflichtet ist, den Kl. für den Verlust dieses Vorteils bezw. für die wirtschaftlichen Nachteile Entschädigung zu gewähren, welche den

Kl. durch den infolge

der Abtretung

eines Teils ihres Grundbesitzes

getretenen Verlust des Wasserwegs entstanden sind. zu billigen.

ein­

Diese Entscheidung war

daß der Staat als Eigentümer des Kanals

Man kann zugeben,

in der Lage gewesen wäre, den Kanal zu verlegen oder denselben als öffent­

liche Wasserstraße einzuziehen,

ohne daß daraus für den Staat eine Ver­

pflichtung entsprungen wäre, diejenigen zu entschädigen, welchen die Benutzung

des Kanals bisher zum Vorteil gereichte. es sich hier nicht.

Allein um etwas derartiges handelt

Der Kanal bestand als öffentliche Wasserstraße und ist

auch heute noch eine solche.

Die Möglichkeit, daß der Staat eine einmal be­

stehende öffentliche Wasserstraße wieder einziehen oder dem öffentlichen Verkehr entziehen werde, ist eine so entfernte, daß sie füglich bei der Wertschätzung des

Grundbesitzes der Kl. außer acht gelassen werden kann.

Hätten daher Kl. ihren

ganzen Grundbesitz abtreten müssen, so würde zum vollen Werte desselben im

Sinne des § 8 zweifellos auch

der Vorteil mitberücksichtigt werden müssen,

welcher durch die Lage desselben am Kanal und die daraus entspringende Er­

leichterung der Bewirtschaftung gegeben war.

Nun ist zwar den Kl. nur ein

Teil ihres Grundbesitzes enteignet, aber gerade derjenige, durch dessen Besitz

den Kl. die fortdauernde Ausnutzung des Wasserweges nach dem gewöhnlichen Lglff der Dinge gewährleistet war.

Es findet daher hier der § 8 Abs. 2 An­

wendung, nach welchem die Entschädigung zugleich dem Mehrwert, welchen der

abzutretende Teil durch seinen örtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Ganzen hat, sowie den Minderwert umfaßt, welcher für den übrigen

Grundbesitz durch die Abtretung entsteht.

1384. Aufrechnung des Vorteils mit dem Nachteil der Enteignung (§ 8).

II. 40/97 v. 9. 4.1897. IW. 1897 S. 299 Nr. 37 (Bonn, Köln). Es ist kein rechtlicher Grund vorhanden, aus welchem der Vorteil, welcher

durch die Anlage der Kronprinzenstraße für das dem Bekl. verbliebene Eigen­

tum erwachsen ist, auf dessen Entschädigungsanspruch aus der Enteignung auf­ gerechnet werden könnte.

’) S. dasselbe hiernach.

Die Enteignung hat gemäß § 14 des Fluchtl.Ges.')

nach den Vorschr. der §§ 24 ff. des Expropriationsges. stattgefunden; nach t- 8

besteht die Entschädigung in dem vollen Werte des abzutretenden Grundstücks; und nach § 57 sind alle den Vorschr. desselben entgegenstehende Bestimmungen aufgehoben, die Art. 30, 49 und 54 des Ges. v. 16. Sept. 1807, betr. die Austrocknung der Sümpfe rc. find in diesem Ges. nicht ausgenommen, daher

mit Recht in dem angegriffenen U. für unabwendbar erklärt worden.

Auch

handelt es sich nicht um einen durch die Enteignung für das dem Bell, ver­ bliebene Restgrundstück verursachten Minderwert, wegen dessen die Frage ent­ stehen könnte, ob darauf der Vorteil angerechnet werden dürfte, welchen speziell

dieses Restgrundstück durch die Enteignung etwa erlangt hat...

der Ausführung des BG.

beizupflichten,

Ebenso ist

daß das nach dem Fluchtl.Ges. v.

2. Juli 1875') im Jahre 1886 erfolgte Alignement, als Vorbereitung und Ein­

leitung der demnächstigen Anlage der Kronprinzenstraße, einen Bestandteil dieser neuen Anlage bildet, und daher die durch das in dem Alignement enthaltene Bau­

verbot hervorgerufene Wertverminderung des Eigentums des Bekl. nach § 10- des Enteignungsges. ebensowenig bei der Bemessung der Entschädigung in Anschlag gebracht werden darf, wie eine durch die Neuanlage hervorgerufene Werterhöhung.

1385. Berücksichtigung der Nachteile der Anlage und des Unternehmens (§ 8).

II. 24/91 v. 26. 3. 1891. IW. 1891 ®.*227 Nr. 21. Die erhobenen Angriffe gehen von folgenden beiden Sätzen aus:

1. daß

bezüglich des Minderwerts des Restgrundstücks nur die durch die Enteignung

selbst, nicht die durch die Anlage, für welche die Enteignung erfolgt,

ent­

stehenden Schäden in Betracht gezogen werden dürften, während es sich hier nur

um durch die

Eisenbahnanlage

und

den

Eisenbahnbetrieb

verursachte

Schäden handle; 2. daß für die in Rede stehenden Nachteile deshalb keine Ent­ schädigung zu leisten sei, weil sie auch alle anderen benachbarten Grundstücke, von denen nichts enteignet sei, treffen, und weil auch das kl. Grundstück, wenn

nichts von ihm weggenommen worden und die Eisenbahn an ihm vorbeigeführt worden wäre, dieselben Nachteile erleiden würde.

Was den ersten Satz be­

trifft, so ist er zwar früher ausgestellt, aber längst als unrichtig aufgegeben

und in konstanter Rechtspr. anerkannt worden, daß auch die durch die Anlage und das Unternehmen herbeigeführten Nachteile mit zu berücksichtigen sind, weil gerade der Grundbesitzer erst durch die Enteignung genötigt worden ist,

sich

diese Anlage und den mit derselben in Verbindung stehenden Betrieb gefallen

zu lassen.

Vgl. Eger, I, S. 194, II.

Von dem zweiten Satze ist nur soviel

richtig, daß in jedem einzelnen Falle des Kausalnexus zwischen der Enteignung bezw. der Anlage oder dem Betriebe derselben und dem entstehenden Nachteile

erwiesen sein muß, und daß solche Nachteile nicht zu berücksichtigen sind, bei welchen es an diesem ursächlichen Zusammenhänge fehlt.

Aber nachdem einmal

der vom OLG. in Bezug genommene I R. mit hinreichender Begr. den Zul) S. dasselbe hiernach.

sammenhang zwischen den in Rede stehenden Nachteilen und der Anlage, bezw. dem Betriebe der Eisenbahn festgestellt hat, kann die sich daran knüpfende Ent­

schädigungspflicht des Unternehmers

nicht durch den Hinweis auf die bloße

Möglichkeit, daß die Eisenbahn auch ohne Enteignung eines Teiles des kl.

Grundstücks an diesem Grundstücke hätte vorbeigeführt werden können, beseitigt werden.

Es wird hier Bezug genommen auf RG.Entsch. Bd. 13 S. 246?)

Ebenso: II. 79/88 v. 26. 6.1888. IW. 1888 S. 338 Nr 28. 1386. Berücksichtigung eines mögliche« Gewerbebetriebes (§ 8).

V. 276/91 v. 27. 2. 1892. Gr. Bd. 36 S. 1104 Nr. 93 (Naumburg).

Vgl. 1419.

Es entspricht dem Ges. und der Rechtspr., daß im Falle einer Teilenteig­

nung bei der Frage nach dem Minderwert des Restgrundstückes, und zwar nach gleichen Grundsätzen, wie im Falle der Enteignung des ganzen Grund­

stückes, die darauf betriebene gewerbliche Anlage mitzuberücksichtigen ist, und das nicht ohne weiteres nach der bisherigen Betriebsart und nach deren Um­ fange,

sondern

(auch)

nach

deren

Betriebsfähigkeit.

Ebenso

aber, wie in

wiederholten Entsch. ausgesprochen ist, daß nicht die bloße Möglichkeit der Er­ richtung, und wenn die Umstände sich günstig gestalten, der künftigen Ver­

wertung eines Gebäudes einem Grundstücke die Eigenschaft eines als solchen zu schätzenden Bauplatzes gibt, daß vielmehr Tatsachen (bestehende Nachfrage nach Bauplätzen in der Lage des Grundstückes) hinzukommen müssen, welche

die Verwertbarkeit des Grundstückes als Bauplatz mit Sicherheit erkennen lassen, ebenso ist auch die Tatsache, daß ein Grundstück nach Lage und Beschaffenheit zu einem bestimmten Gewerbebetrieb sich eignet, nicht für genügend erachtet

worden, um die Möglichkeit dieses Gewerbebetriebes als werterhöhenden Faktor für das Grundstück anzuerkennen, so lange nicht ein Einfluß dieser Möglichkeit

auf die Verwertbarkeit des Grundstückes, insbesondere auf seinen Verkaufswert mit Sicherheit zu erkennen war.

Dem entspricht es, wenn BG. die Berück­

sichtigung der Benutzungsfähigkeit dahin beschränkt, daß sie nur insoweit zu

würdigen sei, als sie auf der Beschaffenheit des Grundstücks selbst beruhe, nach allen objektiven Verhältnissen

Aussicht (nämlich

sicher erkennbare Aussicht)

auf Verwirklichung habe, daß die Benutzungsfühigkeit eine gegenwärtige, für jeden rationell wirtschaftenden Besitzer verwertbare in dem Sinn sein müsse, daß der vorgestellte Betriebsumfang nach den bereits gegebenen Verhältnissen

mit Sicherheit zu erwarten sei, während bloß unsichere Hoffnungen keine Be­

rücksichtigung finden können. 1387. Umfang und Zeitpunkt der Entschädigung.

V. 303/90 v. 11. 3. 1891.

Vorläufige Einigung (§§ 8, 13,16).

IW. 1891 S. 227 Nr. 20 (Magdeburg, Naumburg).

Kl. als Grundstückseigentümer mußten sich die Versagung von Bauten: über die Fluchtlinie hinaus gefallen lassen, Bekl. war berechtigt, ihnen die für

») S. Nr. 1413.

998

Ginführungsgesetz z. BGB. 5. Abschn. Verhältnis z. d. Landesgesetzen.

die Straßen bestimmte Grundfläche zu entziehen, Kl. hatten wegen dieser Be­

schränkung und Entziehung einen Entschädigungsanspruch, 1. wenn die zur Straße bestimmte Fläche auf Verlangen der Bekl. für den öffentl. Verkehr ab­ getreten wurde, 2. wenn das Grundstück bis zur neuen Fluchtlinie von Ge­

bäuden freigelegt wurde.

Während durch diese Bestimmungen des § 13 nicht

nur die Voraussetzungen, unter welchen, sondern auch Zeitpunkt, wann Ent­ schädigung gefordert werden kann, festgesetzt worden, ist der Umfang der Ent­ schädigung, sofern, was vorliegend nicht der Fall, das Strafges. nicht ab­

weichende

Bestimmungen

enthält, wie

bei

und

anderen Entziehungen

Be­

schränkungen des Grundeigentums lediglich nach dem Enteignungsges. zu be­ urteilen.

(Vgl. Entsch. des RG. Bd. 2 S. 279,') Bd. 8 S. 239.)*)

Da im

gegenwärtigen Falle nur ein Teil des Grundbesitzes der Kl. in Anspruch ge­

nommen ist, umfaßt die Entschädigung gemäß § 8 Abs. 2 Enteignungsges. zu­ gleich den Minderwert, welcher für den übrigen Grundbesitz durch die Abtretung

entstanden ist.

An diesem gesetzlichen Umfange der Entschädigung ist auch

dadurch nichts geändert worden, daß die Beteiligten sich, wie es § 16 des Ent­

eignungsges. vorsieht,

über den Gegenstand der Abtretung zum Zweck der

sofortigen Abtretung des Eigentums unter Vorbehalt nachträglicher Feststellung der Entschädigung geeinigt haben.

Diese Einigung, wenn sie sich nicht zugleich

auf die Entschädigung erstreckt, ersetzt nur die definitive Planfeststellung.

1888. Verbindungsweg. Minderwert (§ 8). II. 114/91 v. 23. 6. 1891.

IW. 1891 S. 422 Nr. 74.

Durch die Bahnanlage wurde dem kl. Restgrundstücke die bisherige Ver­ bindung mit der Bachstraße, welche der genannte Weg vermittelte, genommen, und es wäre dasselbe von der letzteren abgeschnitten worden, wenn nicht der Fiskus durch

den

fraglichen Parallelweg eine anderweite Kommunikation zu jener Straße

eröffnet hätte.

Insoweit nun hier ein Ersatz geschaffen ist, haben daher Kl. über­

haupt einen Schaden nicht erlitten, und kann deshalb auch in dieser Beziehung von einem nach § 8 Abs. 2 abzugeltenden Minderwerte keine Rede sein.

Wenn dem­

gegenüber die Revis, das Argument betont, daß es sich hier von einem durch die

Bahnanlage für das Restgrundstück entstandenen Vorteile handele, der bei der Entschüdigungsfrage nicht in Betracht kommen könne, so beruht das auf einer

irrigen Auffassung.

Die Bahnanlage ist' ein einheitliches Ganzes, zu dem auch

der fragliche längs des Dammes sich hinziehende Weg gehört.

1889. BenutzmtgSfiihigkeit in bebautem und unbebautem Zustande (§ 8). V. 328/90 v. 1. 4. 1891.

IW. 1891 S. 317 Nr. 41 (Berlin).

Zu Gunsten des Eigentümers, dem

nach § 8 des Enteignungsges. der

volle Wert des enteigneten Grundstücks gewährt werden soll, ist zwar davon

auszugehen,

daß er die Entschädigung nicht bloß nach

der augenblicklichen,

*) Va. 385/79 v. 24. 6. 1880 (Paderborn). — 2) S. Nr. 1392.

möglicherweise wenig erschöpfenden Benutzungsart, sondern nach der Ausnutzungs­

fähigkeit fordern darf, allein soweit die nach der Fähigkeit unterstellte Aus­ nutzung reicht, kann

gebracht werden.

nicht gleichzeitig die wirkliche Ausnutzung in Rechnung

Wenn also im vorliegenden Falle der Wert der enteigneten

71 qm tm Gegensatz zu dem früheren wirklichen Ertrage der darauf stehenden

Gebäude nach der „normalen Ausnutzungssähigkeit"

geschätzt ist, also unter

Voraussetzung einer anderen Bebauung als die bisherige, so kann der Wert der letzteren als selbständiger Faktor jedenfalls dann nicht in Betracht kommen, wenn, wie der BR. unterstellt, „die

vollständige Ausnutzung der Baufläche

durch ihren (bet Gebäude) Abbruch bedingt ist".

Die vom BR. gemißbilligte

Konsequenz, „daß eine unbebaute Baustelle ebenso hoch vergütet werden müßte,

wie ein bebautes Grundstück", ist nicht zu leugnen, aber auch mit den Grund­ sätzen des Enteignungsges. wohl vereinbar: es steht dem Eigentümer frei, den Wert seines Grundstücks nach der bisherigen Benutzungsart zu fordern, will er aber seiner Forderung eine mögliche höhere Ausnutzung unterstellen, die ohne Abbruch der bisherigen Gebäude nicht zu erreichen ist, so kann er den Wert

der letzteren, die bei Verwirklichung der ins Auge gefaßten Möglichkeit eben

nicht verhanden wären, nicht daneben in Rechnung stellen.

1390. Berechnung entgangene» Gewinns durch Torfstich (8 8).

V. 152/84 v. 3. 12. 1884. IW. 1885 S. 39 Nr. 58. In Übereinstimmung mit § 1, wonach die Enteignung der Grundstücke nur „gegen vollständige Entschädigung" erfolgen darf, bestimmt der § 8, daß

die Entschädigung „in dem vollen Werte des Grundstücks einschließlich der

enteigneten Zubehörungen und Früchte" bestehen soll. von entgangenem Gewinn zugesichert. wärtige Benutzungsart an.

ziehen.

Damit ist auch der Ersatz

Es kommt nicht bloß auf die gegen­

Auch die Benutzungsfähigkeit ist in Betracht zu

Deshalb ist auch der Wert des in einem Grundstück befindlichen eine

besondere nutzbare Verwendung gestattenden Bodenbestandteile, hier der Wert

des Torfes — zu berücksichtigen. S. 216 unten,

218.)1)

(RG. HS. v. 24. Okt. 1882.

Entsch. Bd. 8

Daraus folgt aber nicht, daß Kl. den kapitalisierten

Reingewinn aus dem Betriebe des Torfstiches beanspruchen kann.

Denn nach

§ 10 kann die bisherige Benutzungsart bei der Abschätzung nur bis zu dem­ jenigen Geldbeträge Berücksichtigung finden, welcher erforderlich ist, damit der

Eigentümer ein anderes Grundstück in derselben Weise und mit gleichem Er­ trage benutzen kann.

Die bisherige Benutzungsart ist, sowie die Benutzungs­

fähigkeit nur ein Umstand mehr, um den Wert des Grundstücks in seiner konkreten Lage zu ermitteln.

BG. geht davon aus, daß es auf Ermittelung des

Verkaufswertes der enteigneten Ländereien ankommt.

Er hat Beweis dafür

erhoben, für welchen Preis in den letzten Zeiten Torfgrundstücke in Ziegnitz

*) IVa. 214/82 (Posen); s. auch Nr. 1416 ff.

1000

Ginführungsgesetzz. BGB. 3. Abschn. Verhältnis 3. d. kandesgesetzen.

von ähnlicher Art und in der Nachbarschaft der veräußerten Flächen gelegen,

verkäuflich gewesen sind und hat demnächst den dem Kl. gebührenden „vollen Wert" nach den höchsten bei diesen freihändigen Verkäufen zu erzielen gewesenen Preisen ... Mark für den Morgen bestimmt.

Von dem so ermittelten Ver­

kaufswerte des ganzen Grundstückes hat er die Beträge abgezogen, welche dem Kl. nach dem Vertrage bereits zugesichert sind und den Seit, zur Zahlung des Überschusses verurteilt.

Diese Festsetzungen entsprechen den gesetzlichen Vor­

schriften und stimmen im wesentlichen mit den Grundsätzen überein, von denen

in dem oben allegierten Erk. des HS. und in dem Erk. des III. CS. vorn

27. Jan. 1880, UI. 208/79, ausgegangen ist.

1391. Wirtschaftlicher Zusammenhang (§ 8). III. 184/84 v. 25. 11. 1884.

IW. 1885 S. 39 Nr. 59.

Unrichtig ist, daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne des § 8

nur dann vorliege, wenn das enteignete Grundstück in irgend einer Hinsicht

für

die wirtschaftlichen Bedürfnisse des

Ganzen

notwendig sei, ein

solcher

Zusammenhang ist vielmehr auch schon dann anzunehmen, wenn das fragliche

Grundstück geeignet ist, den wirtschaftlichen Bedürfnissen des Ganzen zu dienen

und diesen Zwecken gedient hat, für die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Ganzen

von dem Eigentümer benutzt worden ist.

Ebenso ist es unrichtig, wenn gegen­

über der Behauptung der Kl., das; ihnen die aus dem enteigneten Grundstücke

seit einer langen Reihe von Jahren zum Verstopfen der in dem Mühlenwehr

entstandenen

Risse

entnommenen

Plaggen unentbehrlich

seien,

BG.

darauf

Gewicht legt, daß das fragliche Grundstück nicht in einer dauernden Weise den

Bedürfnissen des Mühlengewerbes diene, auch nicht diesem Gewerbe als solchem, sondern lediglich dem zu Bedürfnissen des zufällig schadhaften Wehres diene. Darauf, daß das enteignete Grundstück dauernd und ununterbrochen den wirt­ schaftlichen Bedürfnissen des Ganzen diene, kann es für den Begriff des wirt­ schaftlichen Zusammenhangs nicht entscheidend ankommen, sondern es genügt,

daß es diesen Bedürfnissen dient, so oft eben diese hervortreten.

Das ent­

eignete Grundstück dient aber in concr. dem auf den übrigen Grundstücken der Kl.

betriebenen Mühlenbetriebe, wenn es das Material und zwar das unentbehrliche und von den Kl. anderweit nicht zu beschaffende Material liefert, um die für den Mühlenbetrieb notwendigen Anstalten,

das

Wehr

bei

eintretenden Be­

schädigungen in den Zustand zu versetzen, welcher für den Betrieb notwendig ist.

1392. Wann muß die Bebanungseigenschast vorhanden sein (§ 8; Fluchtl.Gcs. § 13). I. 39/82 v. 18. 8.1882. E. Bd. 8 Nr. 61 S. 238 (Frankfurt a. M.). Vgl. Nr. 1471.

Die kl. Stadtgemeinde behauptet, daß das Grundstück die Eigenschaft seines zur Bebauung geeigneten] zu dem für die Feststellung der Entschädigung maß­

gebenden Zeitpuntte nicht mehr

gehabt habe,

weil

durch die 1873 erfolgte

Feststellung der Straßen und Baufluchtlinie und das Ortsstat. von 1876 die

Artt. (09ff.

pr. Lnteignungsgesetz v. ((. 6. f87^.

1001

Baufreiheit aufgehoben und hiermit die Benutzung des Grundstückes als Bauplatz

ausgeschlossen gewesen sei.

Daraus, daß das Grundstück nicht mehr Bauplatz

sei, für die Beschränkung der Baufreiheit aber nach § 13 des Ges. v. 2. Juli 1875 •)■ keine Entschädigung gewährt werde, zieht Kl. den Schluß, daß bei Abschätzung

des Wertes desselben die frühere Bauplatzeigenschaft nicht in Anschlag gebracht werden dürfe.

Wenn

es

nun auch richtig ist,

daß

das Grundstück zu dem gedachten

Zeitpunkte als Bauplatz nicht mehr zu gebrauchen war,

so

ergibt sich doch

hieraus nicht der von Kl. gezogene Schluß. Nach § 8 besteht die Entschädigung Werte des abzutretenden Grundstückes.

herige Benutzungsart,

wenngleich

ausschließlich maßgebend,

für die Abtretung in

dem

vollen

Bei Abschätzung desselben ist die bis­

gemäß § 10 zu berücksichtigen,

doch nicht

da sie nur als Beweismittel für die Benutzbarkeit

des Grundstückes in Betracht kommt und die Möglichkeit einer vorteilhafteren

anderen Benutzungsweise daneben in Anschlag zu bringen ist. Liegenschaft der Bekl. wurde daher, wenngleich

Der Wert der

sie bisher nur als Gärtnerei

und Gartenland benutzt war, doch durch ihre Tauglichkeit als Bauplatz mit­ bestimmt.

Wäre die Abtretung derselben, was der kl. Gemeinde freistand, zur

Zeit der Feststellung des neuen Bebauungsplanes alsbald verlangt worden, so

Hütte ihr Wert als Bauplatz bei Bemessung der Entschädigung in Anschlag gebracht werden müssen.

Dadurch aber,

daß das Verlangen der Abtretung

auf eine spätere Zeit verschoben worden ist, hat die Entschädigungspflicht der

Kl. sich nicht dahin verändert, daß ohne Rücksicht auf die Bauplatzeigenschaft

nur der nach der bisherigen Benutzungsart berechnete Wert zu ersetzen wäre. Zwar ist es richtig,

daß bei Ermittelung der Entschädigung für Entziehung

des Grundeigentumes der Wert maßgebend ist, welchen dasselbe zur Zeit der Enteignung hat.

Auch ist nicht zu bezweifeln,

daß etwaige zu dieser Zeit

bestehende gesetzliche Eigentumsbeschränkungen zu berücksichtigen sind, sofern der

Wert des Grundstückes dadurch beeinträchtigt wird.

Allein es ist unstatthaft,

dies auch auf solche Beschränkungen anzuwenden, welche gerade durch die neue

Anlage veranlaßt sind,

8 10 Abs. 2 schreibt vor, Grundstück

erst infolge

deren Ausführung

die Enteignung ermöglichen soll.

daß eine Wertserhöhung,

welche das abzutretende

neuen Anlage erhält,

bei Bemessung der Ent­

der

schädigung nicht in Anschlag kommen soll.

Hieraus ist der Grundsatz abzuleiten,

daß überhaupt nur der seitherige Wert des abzutretenden Grundstückes maß­ gebend sein und eine jede erst durch die neue Anlage herbeigeführte Veränderung

dieses Wertes unberücksichtigt bleiben soll.

Daher ist auch eine dadurch herbei­

geführte Wertsverminderung außer Anschlag zu lassen und insbesondere auch

eine gesetzliche Eigentumsbeschränkung nicht

zu berücksichtigen,

wenn sie

mittelbar oder mittelbar erst infolge der neuen Anlage eingetreten ist. *) S. dasselbe hiernach bei Art. 111.

un­

Dieser

Zusammenhang mit der neuen Anlage besteht jedenfalls hinsichtlich der Be-

schränkung der Baufreiheit, welche den zur [Strassen] Verbreiterung bestimmten,

sowie den zwischen der Straßen- und Baufluchtlinie gelegenen Teil des Grund­ stückes dadurch betroffen hat, daß über die Fluchtlinie hinausgehende Bauten nach § 11 des Ges. v. 2. Juli 1875 ’) versagt werden konnten.

Was den hinter

der Baufluchtlinie gelegenen Rest des Grundstückes betrifft, so kann dahingestellt

bleiben, ob auch die durch das Ortsstat. bewirkte Beschränkung der Baufreiheit als eine Folge der neuen Anlage zu betrachten und aus diesem Grunde bei

der Schätzung nicht zu berücksichtigen war.

wie feststeht,

Es kommt darauf nicht an, weil,

nach Feststellung der Baufluchtlinie der Rest des Grundstückes

wegen Mangels der erforderlichen Tiefe als Bauplatz nicht

mehr verwendet

werden konnte und diese Entziehung der Bauplatzeigenschaft unzweifelhaft eine Folge der neuen Straßenanlage ist.

Somit führen die Grundsätze des Ges. v. 11. Juni 1874 dahin, daß die frühere Bauplatzeigenschaft mit Recht bei der Abschätzung berücksichtigt worden ist, in welcher Beziehung kein Unterschied zu machen ist zwischen dem Teile der

Liegenschaft, dessen Abtretung die kl. Gemeinde verlangt hat, und dem Reste derselben, dessen Übernahme von der Bekl. auf Grund des § 9 Abs. 1 oder

des als Anwendung dieses § 9 erscheinenden vorletzten Abs. des § 13 des Ges. v. 2. Juli 1875 *) verlangt worden ist.

Ebenso II. 94/92 v. 13. 5.1892. Art 111, Fluchtlinienges. §§ 11, 13.

IW. 1892 S. 284 Nr. 51 (Köln).

Dgl. Nr. 1421 u.

1393. Schätzung des Werts „an und für sich" von Vorgärten (§ 8). V. 300/93 v. 7. 3. 1894.

Gr. Bd. 38 S. 1092 Nr 108 (Naumburg).

Der in der früheren Rev.-Jnst. erhobene Angriff, daß dem Kl. durch die

Bewertung der enteigneten Flächen als den bebauten Flächen gleichwertiges Vorgartenterrain und die Berechnung eines Minderwertes der Restgrundstücke

aus der durch den Verlust der Vorgärten bedingten Verminderung ihres Miet­

werts für einen und denselben Nachteil eine doppelte Entschädigung zu teil

werde, wurde für unbegründet erachtet und bemerkt, daß die von den Sach­ verständigen angewendete Methode zur Feststellung des Werts der enteigneten

Flächen neben dem Minderwert der Restgrundstücke ungeeignet sei, da sie zu der gerügten Doppelentschädigung mindestens führen könne. Der Irrtum der (erneut vernommenen) Sachverständigen liegt darin, daß sie den Wert „den die enteignete Fläche an und für sich hat", dem Werte gleich

achten, den sie als „Vorland" des ganzen noch unbebauten Grundstücks haben würde, während man unter dem Wert, den eine enteignete Fläche an und für

sich hat (dem objektiven Wert), gegenüber dem Mehrwert, der ihr vermöge ihres örtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhanges mit einem größeren Ganzen

*) S. dasselbe hiernach bei Art. 111.

zukam, und dem Minderwert, der aus der Abtretung für den übrigen Grund­ besitz des Eigentümers entsteht (§ 8 Abs. 2), nur denjenigen Wert verstehen

kann, der aus ihrer Benutzungsfähigkeit als Trennstück ohne Rücksicht aus ihren bisherigen Zusammenhang mit dem Restgrundstück sich ergibt. Dieser rein objektive Wert steigert sich zum „vollen Wert", d. h. zu demjenigen Wert, den l>as enteignete Stück für den Eigentümer hatte, durch Berücksichtigung jenes Mehrwerts und Minderwerts im Sinne des § 8 Abs. 2, doch so, daß die ^Vorteile, die dem Restgrundstück aus dem bisherigen Zusammenhänge erwuchsen und durch den Verlust des enteigneten Grundstücks entzogen werden, nicht

gleichzeitig, und zwar weder ganz noch zum Teil, als einen Minderwert des Restgrundstücks und einen Mehrwert des enteigneten Teiles bedingend in Be­ tracht kommen können. Wenn nun dem Kl. durch den Minderwert der Rest­ grundstücke diejenigen Vorteile vergütet werden, welche aus dem Vorhandensein der die Sicherheit und Annehmlichkeit der Wohnungen erhöhenden Vorgärten erwüchsen, so kann nicht außerdem dem Vorgartenterrain ein Wert beigemessen werden, der aus einer Benutzungsfähigkeit desselben als Teil eines größeren Ganzen abstrahiert wird, die mit der Bebauung der Grundstücke und Anlage der Vorgärten sich erschöpft hat. Konnten die fraglichen Flächen dem Kl. keinen größeren Nutzen gewähren, als durch ihre Verwendung als Vorgärten, so kann auch nur nach diesem Nutzen der Wert bemessen werden. 1394. Baulandseigenschast (§ 8).

V. 355/97 v. 20. 4. 1898.

IW. 1898 S. 379 Nr. 93.

Die Rev. ist unbegründet. Es steht fest, daß die dem Kl. enteignete Flüche bereits in dem städtischen Bebauungsplan von 1878 als Straßenland verlangt worden ist und es kommt daher nach der konstanten Judikatur des RG. (vgl. u. a. Entsch. Bd. 17 S. 162/) Bd. 28 S. 278)") darauf an, ob für das enteignete Terrain bereits damals die Baulandseigenschast in Anspruch genommen werden konnte. 1395. Benutzungsfähigkeit als Bauland (§ 8).

V. 211/86 v. 27.11.1886.

E. Bd. 17 S. 162. IW. 1887 S. 23 Nr. 38 (Berlin).

Die Benutzungsfähigkeit oder eine sichere Aussicht, daß das Grundstück

dieselbe in Zukunft erlange, in Wahrheit vorhanden sein, oder doch vorhanden gewesen und infolge der Enteignung, d. h. im kausalen Zusammenhänge mit letzterer verloren gegangen sein. (Vgl. RG.Entsch. Bd. 8 S. 237.)8) Im vor­ liegenden Fall erhellt nicht, daß das Grundstück der Kl. in seinen hier in Rede

stehenden Teilen zu irgend einer Zeit als Bauplatz hätte benutzt oder durch

Verkauf verwertet werden können, also auch nicht, daß ihm diese Eigenschaft etwa durch die Aufstellung des Bebauungsplanes genommen worden sei. Durch !) S. folgende Nr. — *) VI. 104/91 v. 9. 7. 1891 (Berlin). — ’) Nr. 1392.

1004

LinführungsgesetzBGB. Z. Abschn. Verhältnis z. d. kandesgesetzen.

den Bebauungsplan aber, welcher die in Rede stehende Fläche zu Straßenterrain bezw. Vorgartenland bestimmt, wurde die Bebauung derselben, so lange der

Bebauungsplan nicht abgeändert wurde, definitiv ausgeschlossen.

Wenn also

die enteigneten und abzutretenden Flächen als Bauplatz geschätzt wurden, so

entspricht dies nicht der Wirklichkeit, der so ermittelte Preis stellt weder den Ertrags- noch den Verkausswert des abzutretenden Grundstücks dar, sondern beruht auf der Fiktion eines tatsächlich nicht bestehenden Zustandes, entspricht

also nicht dem nach 8 8 zu ersetzenden vollen Werte.

Es kann auch nicht eine

durch den Bebauungsplan herbeigeführte und also mit der in Ausführung des

letzteren bewirkten Enteignung in Kausalverbindung stehende Entwertung des Grundstücks angenommen und bei Feststellung der Enteignungsentschädigung als ein aus der Enteignung sich ergebender Nachteil berücksichtigt werden, so lange nicht erhellt, daß das fragliche Terrain vor dem Bebauungsplan Bau­

platzqualität gehabt, oder solche ohne den Bebauungsplan voraussichtlich er­ halten haben würde.

Hierfür fehlt es aber an jedem Anhalt.

Allerdings ist

der Berliner Bebauungsplan von 1862 nicht publiziert worden und es ist in

Anlaß eines aus der Versagung einer Bauerlaubnis hergeleiteten Schadens­ anspruchs vom RG. angenommen (Entsch. Bd. 6 S. 295) *) und seither in kon­ stanter Praxis festgehalten worden, daß ein behördlich festgestellter Bebauungs­

plan nicht schon durch seine bloße Existenz, sondern erst durch seine Veröffent­ lichung oder in deren Ermangelung durch seine Anwendung im Einzelfalle die

davon betroffenen Grundstücke mit der Servitut der Nichtbebaubarkeit in öffent­

lichem Interesse belaste.

Mag nun auch demgemäß im vorliegenden Fall die

erwähnte öffentlich rechtliche Servitut vor der Enteignung noch nicht zur recht­

lichen Existenz gelaugt sein, so folgt daraus nicht, daß der aus der Existenz des Bebauungsplans sich ergebende tatsächliche Zustand der Unbebaubarkeit bei

Abschätzung des abzutretenden Grundstücks nicht zu berücksichtigen sei.

Denn

der Wert einer Sache, insbesondere eines Grundstücks, wird wesentlich auch

durch bloß tatsächliche Verhältnisse bedingt und, so wie Vorteile, die einem Grundstück aus seiner Lage faktisch erwachsen, den Wert desselben erhöhen,

auch wenn dem Eigentümer auf die Fortdauer desselben ein Rechtsanspruch nicht zusteht (vgl. Loebell Note 11 zu § 8), so kann die faktisch bestehende Un­ bebaubarkeit der bezüglichen Grundstücksteile nicht aus dem Grunde unbeachtet

bleiben, weil dieser faktische Zustand sich noch nicht zu einem Rechtszustand

gestaltet hatte.

Bei der nach Behauptung der Bekl. den Kl. nicht unbekannten

Existenz des Bebauungsplans konnten diese nicht daran denken, die außerhalb

der durch den Bebauungsplan festgesetzten Baufluchtlinie belegenen Teile ihres Grundstücks als Bauterrain zu verwerten, und wären dieselben als solches über­ haupt nicht verkäuflich gewesen.

*) V. 733/91 v. 14. 1. 1882 (Berlin); auch Va. 60/81) v. 21. 10. 1880. S. 935 Nr. 62 (Arnsberg).

Gr. Bd. 25.

1396. Entstehung der EntschädigungSberechtignng durch Publ. des Bebauungsplans.

V. 81/88 v. 2. 7. 1888. Was die Frage betrifft, Eigenschaft

eines

Bauplatzes

IW. 1888 S. 338 Nr. 27. ob auch dem unbebaut gewesenen Terrain die

bei

der Wertsberechnung

beizumessen

erscheint auch hier die Rev.-Beschwerde nicht ohne Grund.

sei,

so

Es sieht nämlich

die Erwägung des BR., „daß der Kl. diese Fläche bereits im Jahre 1885,

also mit der durch den Bebauungsplan festgesetzten Beschränkung erworben und

daß eine Cession der etwaigen Rechte seines Vorbesitzers an ihn nicht statt­ gesunden hat", augenscheinlich im Widerspruch mit dem in der Entsch. des RG. Bd. 6 S. 295 aufgestellten und seither sestgehaltenen Grundsatz, daß die aus

einem behördlich festgestellten aber nicht publizierten Bebauungsplans sich er­ gebenden Beschränkungen des Eigentums erst mit der nachträglichen Publikation

oder in deren Ermangelung mit der Anwendung im Einzelfalle in rechtliche Wirkung treten, so daß derjenige entschädigungsberechtigt wird, in dessen Besitz­

zeit die fragliche Beschränkung in der angegebenen Art rechtliche Existenz ge­ winnt, gleichviel, ob demselben die tatsächliche Existenz des Bebauungsplans

schon vorher bekannt war oder nicht.

Ebenso: VI. 236/88 v. 6. 12. 1888. IW. 1889 S. 51 Nr. 35. V. 320/98 v. 19. 4. 1898. E. Bd. 43 Nr. 86 S. 358 (Berlin). S. Nr. 1399; vgl. auch die vorige Nr. 1397. Entschädigung für die Umlegung von Zugongswegen.

V. 48/87 v. 30. 4. 1887.

Bauplatzqualität (§ 8).

IW. 1887 S. 322 Nr. 38 und 39.

Wenn BG. feststellt, daß die Zugangswege nicht Gegenstand des Enteignungsverf. gewesen sind, und daraus folgert, daß aus der Umlegung der Wege in Gemäßheit des Enteignungsges. ein Schaden überhaupt nicht geltend

gemacht werden könne,

so befindet

es

sich durchaus

in Einklang mit der

Judikatur des RG., das in konstanter Praxis an dem Satz festhält, daß nach

den: erwähnten Ges. eine Entschädigung nur insoweit zu gewähren ist, als ein Kausalzusammenhang zwischen der Enteignung und der Entwertung des Grund­ stücks besteht.

Kl., welcher Bauplatzqualität behauptet, hat nichts weiter nach­

zuweisen, als daß das Grundstück vermöge seiner Lage und Beschaffenheit zur

Besetzung mit Gebäuden geeignet ist, und daß es sich nach dem gewöhnlichen

Lauf der Dinge in naher Zukunft als Bauplatz hätte verwerten lassen.

Fehl

geht aber BG., wenn man seine Ausführung dahin verstehen muß, daß es noch außerdem vom Kl. den Nachweis fordert, daß ihm schon ein Angebot für

Parzelle n gemacht worden, und daß ein Mangel an Bauplätzen im Orte vorhanden war.

Das erstere Moment kann unter Umständen zur Begr. einer

auf eine entgangene Verkaufsgelegenheit gegründeten Jnteresseforderung dienen, ist aber an sich für die Wertsermittelung ohne Bedeutung. — Der Mangel zur Bebauung geeigneter Stellen in einem Orte kann unter gewissen Verhältnissen

ein Argument dafür bilden, daß sich ein Grundstück als Bauplatz verwerten läßt, ein Erfordernis für die Bauplatzqualität dagegen bildet dieser Umstand

nicht.

BG. wird sich bei nochmaliger Prüfung des Sachverhalts bestimmt

darüber auszusprechen haben, ob die Grundstücke des Kl. z. Z. der Umlegung

der Wege zur Bebauung geeignet und als Baustellen verkäuflich waren und

event, ob und inwieweit sie durch die Wegeverlegung entwertet sind.

Vgl. I. 39/82 v. 18. 8. 1882. E. Bd. 8 S. 238 (1392). III. 72/84 v. 17. 6. 1884. E. Bd. 13 Nr. 57 S. 244 (f. Nr. 1413). IVa. 17/83 v. 12. 6. 1883. E. Bd. 9 Nr. 74 S. 276. V. 637/81 v. 18. 5. 1881; Gr. Bd. 26 S. 1064 (Posen). 1398. Wertminderung in Voraussicht der Enteignung.

V. 327/87 u. 7. 3. 1888.

IW. 1888 S. 174 Nr. 34 (Berlin).

Der Sachverständige hat bei Berechnung des Mietsvertrages die Jahre

1883 und 1884 aus dem von dem BG. gebilligten Grunde ausgeschieden, weil

die

1882

seit

schon

in Aussicht stehende Enteignung

Ertrages herbeigeführt habe. nicht angefochten worden.

einen Rückgang

des

Die tatsächliche Grundlage dieser Erwägung ist

Ist sie aber richtig, so entspricht es den Prinzipien

des Enteignungsges., daß gleich einer Werterhöhung (§ 10 Abs. 2) auch eine Wertverminderung, welche das abzutretende Grundstück infolge des die Ent­

eignung veranlassenden Unternehmens erführt, bei Abmessung der Entschädigung nicht in Anschlag zu bringen ist.

welche mit der Enteignung im

Wollte man wertmindernden Umstünden,

ursachlichen Zusammenhang stehen, einen die

Höhe der Entschädigung herabdrückenden Einfluß einräumen, so würde der Eigentümer nicht das volle Äquivalent für das infolge der neuen Anlage zunächst im Werte verminderte,

erhalten.

Das Prinzip des

sondern ihm gänzlich entzogene Grundstück

vollständigen

Ausgleichs

zwischen Vermögens-

aufopferung und Entschädigung (§ 8) erheischt, daß in einem solchen Fall bei

Feststellung des Werts des enteigneten Grundstücks unter Umständen auf eine

frühere von der bevorstehenden Enteignung noch unbeeinflußte Zeit zurück­ gegangen werden muß, unbeschadet des Grundsatzes, daß für die Feststellung der Entschädigung im allgemeinen die Zeit der Enteignung maßgebend ist.

Der

Eigentümer hat solchen Falls Anspruch auf den Wert nicht wie er faktisch

z. Z. der Enteignung ist, sondern wie er in dieser Zeit gewesen sein würde, wenn das Unternehmen nicht schon vorher einen wertmindernden Einfluß aus­

geübt hätte.

1399. Entschädigung für Mietausfälle (§ 8).

V. 320/98 v. 19. 4.1899.

Pr. Fluchtlinienges. §§ 1, 13, 14.

E. Bd. 43 Nr. 86 S. 356 (Berlin).

Nach den Grundsätzen des Enteignungsrechtes (vgl. Bd. 31 S. 215) kann

der Eigentümer, dem infolge der Einleitung des Enteignungsverfahrens schon vor Vollziehung der Enteignung die Nutzung des abzutretenden Grundstückes entzogen oder geschmälert worden ist, hierfür eine besondere Entschädigung

neben dem

nach

beanspruchen ...

§

8

des

Enteignungsges.

zu

ersetzenden Grundstückswert

Artt. 109ff.

pr. Enteignungsgesetz v. ((. 6. (87^.

BG. geht insofern fehl, als es

1007

unter Enteignungsverfahren im Sinne

der erwähnten Entsch. des RG. lediglich das Verfahren vor der Enteignungs­ eine

behörde versteht und

des Grundstückes durch

„Inanspruchnahme"

die

Stadtgemeinde im Sinne jenes U. nicht eher als vorhanden annimmt, als nicht auf Grund der erfolgten Fluchtlinienfestsetzung die Stadtgemeinde die Ab­

tretung des Grundstückes für den öffentlichen Verkehr verlangt hat (§ 13 Abs. 1 Ziff. 1 des Ges. v. 2. Juli 1875).

Das erwähnte U. des RG. erklärt aus­

drücklich den Unternehmer für entschädigungspflichtig auch wegen solcher Nach­ teile, die dem Eigentümer als Folge nicht der Vollziehung der Enteignung,

sondern des auf Entziehung des Eigentums gerichteten Verfahrens erwachsen sind, und findet den Grund dieses Anspruches in dem Eingriff in das Privat­

eigentum, der mit der Enteignungserklärung abschließt, aber „schon mit der des Grundstückes

Inanspruchnahme

also mit Ein­

durch den Unternehmer,

leitung des Enteignungsverfahrens" (b. h. des auf Entziehung des Eigentums

gerichteten Verfahrens) „beginnt". Dieses erste Stadium des Enteignungsverfahrens, enthaltend die vorläufige

und endgültige Planfeststellung, wird bei der auf der (Grundlage einer nach

den Vorschriften des Ges. v. 2. Juli 1875 stattgehabten Fluchtlinienfestsetzung erfolgenden Enteignung ersetzt durch das in diesem Ges. vorgeschriebene Ver­ fahren, welches

und

dahin geordnet ist, daß der Gemeindevorstand die Slraßen-

Baufluchtlinien

im

Einverständnisse mit

der

Gemeindevertretung

und

unter Zustimmung der Ortspolizeibehörde festzusetzen und nach erfolgter Offen­

legung

und nach

Erledigung

der etwa erhobenen Einwendungen den Plan

förmlich festzustellen und abermals offen zu legen hat (§§ 1, 7, 8 des ange­

führten

Ges.).

Dieses

feststellung nach §§

Verfahren

entspricht

völlig

dem

Gange der Plan­

15 ff. des Enteignungsges. und bietet,

wie dieses,

dem

nachfolgenden Verfahren auf Feststellung der Entschädigung und Vollziehung

der Enteignung die unverrückbare Grundlage, sobald die Gemeinde bei ein­

tretendem Bedürfnis oder auch, wie im vorliegenden Falle, sofort die Abtretung der zur Anlage oder Erweiterung einer Straße planmäßig bestimmten Flächen verlangt.

Insofern steht also auch die Fluchtlinienfestsetzung, gleich der Plan­

feststellung des Enteignungsges., in organischem Zusammenhänge mit der nach­ folgenden Enteignung.

Unter diesen Umständen konnte es im vorliegenden Falle keinem Bedenken

unterliegen, in der zum Zwecke der Erweiterung des Schloßplatzes getroffenen Fluchtlinienfestsetzung den ersten Akt des auf Entziehung des Eigentums der davon

betroffenen Grundstücke gerichteten Verfahrens zu erblicken und anzunehmen, daß

dadurch diese Grundstücke für die Stadtgemeinde zu dem angegebenen Zweck in Anspruch genommen worden sind.

Hieraus ergibt sich die Anwendbarkeit der

Grundsätze des U. (Bd. 31 S. 215) auf den vorliegenden Fall. Die Vorschriften des Ges. v. 2. Juli 1875

stehen dem

nicht entgegen.

Nicht die Fluchtlinienfestsetzung an sich mit den daraus nach §§ 11, 12 des

1008

Linführungsgesetz z. BGB. 5. Abschn. Verhältnis z. d. kandesgesetzen.

Ges. sich ergebenden Beschränkungen ist es, was die Entwertung der kl. Miet­

räume herbeigeführt haben soll, sondern die nahe und begründete Aussicht auf

die Enteignung selbst, und nicht in der Fluchtlinienfestsetzung als solcher liegt der die Stadtgemeinde zur Entschädigung verpflichtende Eingriff in das Eigen­

tum der Kl., sondern in der damit an den Tag getretenen Inanspruchnahme

des Grundstückes zur Ausführung der beschlossenen Anlage.

Die Enteignungs­

entschädigung — und nach richtiger Auffassung handelt es sich um einen Teil derselben — kann nicht nach anderen Grundsätzen bemessen werden, je nachdem der Enteignung eine Fluchtlinienfestsetzung nach dem Ges. v. 2. Juli 1875

vorangegangen ist, oder eine Planfeststellung nach dem Enteignungsges. Es kommen dabei hauptsächlich drei Momente in Betracht:

1. die erste

Aufstellung und Vorlage des Planes durch den Gemeindevorstand; 2. die Ge­

nehmigung des Planes durch die Gemeinde oder Gemeindevertretung; 3. die erste Offenlegung des Planes nach § 7 des Ges. v. 2. Juli 1875.

Das

Gericht hat sich für den erstgedachten Zeitpunkt entschieden, weil nach § 1 des

Ges. der Gemeindevorstand, wenn auch im Einverständnis mit der Gemeinde

und unter Zustimmung der Ortspolizeibehörde, die Fluchtlinien festzusetzen hat, und weil in dem von ihm aufgestellten Projekte zuerst die Grundstücke bezeichnet sind, welche zur Ausführung desselben abgetreten werden müssen. 1400. Entgangene Annehmlichkeiten.

n. H. 880/80 v. 5. 11. 1881.

Gr. Bd. 26 S. 1140 Nr. 191 (Hamm).

Es ist schon in dem Erk. des RG. v. 26. Mai 1880 (Entsch. Bd. 2 S. 238) darauf hingewiesen, daß durch § 8 des Ges. keineswegs jede Berück­ sichtigung der durch die späteren Anlagen verursachten Nachteile für das Rest­

grundstück unbedingt ausgeschlossen sei, sondern nur die solcher nachteiligen

Folgen der Anlagen, welche mit der Enteignung in keinem ursächlichen Zu­ sammenhang ständen, vielmehr in ihrer Art auch eingetreten sein würden, wenn die Enteignung lediglich Nachbarland betroffen hätte.

Ferner ist in dem Erk.

v. 23. Mai 1881 näher begründet, daß auch nachteilige Folgen des Unter­ nehmens, für welches die Enteignung erfolgt ist, zwar nicht unbedingt, aber

jedenfalls insoweit zu vergüten seien, als sie den bisherigen Eigentümer nicht getroffen hätten, wenn ihm nichts enteignet wäre. In dem vorliegenden Falle kann aber nicht in Zweifel gezogen werden,

daß die von den Sachverst. festgestellte Entwertung des kl. Restgrundstücks in ursächlichem Zusammenhang mit der Enteignung steht und nicht hätte eintreten können, wenn die Enteignung nicht erfolgt wäre.

Denn die Eisenbahn durch­

schneidet das kl. Gut, Kl. war Eigentümerin des Terrains, auf welchem die Bahn das Gut durchschneidet, war also berechtigt, jede ihrem Gut nachteilige

Anlage auf diesem Terrain zu verbieten, und nur durch die Enteignung ist ihr

diese Befugnis entzogen und die Möglichkeit geschaffen, durch Anlage der Bahn diejenigen Nachteile für das Gut zu verursachen, welche die Sachverst. als das-

■selbe entwertend bezeichnet haben, namentlich die Störung der Ruhe und des

ländlichen Aufenthaltes durch die Nähe der Eisenbahn am Hause, sowie die

Aufhebung der Abgeschlossenheit des Gütchens nach außen durch Niederlegung des größten Teils der der Kl. gehörig gewesenen Kastanien-Allee, Beseitigung

des Walles und Grabens und der Tannenschutzwand, und Gewährung eines treten Einblicks auf die Gebäude und Anlagen von dem Eisenbahndamme und

Alle diese Nachteile

dem dem Hause näher gerückten öffentlichen Wege aus. hätten das kl. Grundstück, welches eben wesentlich zum

Sommeraufenthalte

tnente, ohne die Enteignung nicht treffen können und sind daher unzweifelhaft

Folgen der Enteignung, für welche nach § 8 Entschädigung geleistet werden muß.

1401. Erhöhung von Grund und Boden.

V. 191/86 v. 6. 11. 1886.

Mittelbare EnteignungSfolge (§ 8).

IW. 1886 S. 455 Nr. 42.

§ 1851. 8 ALR. gibt dem Eigentümer nicht ein besonderes Recht auf Erhöhung seines Grund und Bodens, beschränkt vielmehr ihn in dieser Beziehung in Ausübung seiner Eigentumsrechte zu Gunsten des Nachbars. Eigentum Beschränkte

kann

Einwand niemals erheben.

Der solchergestalt in seinem

aus dieser Beschränkung selbstverständlich einen

Unterliegt eine Erhöhung

des Bodens der ein­

schränkenden Bestimmung des § 185 nicht, so folgt doch daraus nur, daß deren Beseitigung nicht aus dem Nachbarr. gefordert werden kann, keineswegs aber, daß die durch die Erhöhung unmittelbar herbeigeführten Nachteile, wenn sie sich mittelbar als Folgen

einer Enteignung

darstellen und eine Wertsver­

minderung des dem Expropiaten verbliebenen Restgrnndstücks bedingen, von der nach § 8 festzustellenden Enteignungs-Entschädigung auszuschließen wären. Es handelt sich bet Feststellung der Enteignungs-Entschädigung auf Grund des Ges. v. 11. Juni 1874 wesentlich nur um die Feststellung des vollen Wertes des

enteigneten Stückes, bezw. des durch die Enteignung verursachten Minderwerts

des Restgrundstücks.

Bei dieser Wertschätzung kommen aber faktische Vorteile,

welche das von der Enteignung betroffene Grundstück genossen und, bezw. der Eigentümer, durch die Enteignung verloren hat, naturgemäß in Betracht, selbst

wenn ein Rechtsanspruch

auf die Fortdauer

hätte (vgl. ßoebell a. a. O. zu § 8 S. 59).

dieser Vorteile nicht bestanden

Die Enteignung selbst mit allen

ihren Folgen ist der Eingriff in die Rechtssphäre des Eigentümers, es bedarf

nicht der Feststellung so vieler einzelner Eingriffe, als Faktoren für die Er­ mittelung der Entschädigung geltend gemacht werden.

Es genügt überall die

Feststellung des Kausalzusammenhanges, d. h. es muß feststehen, daß die wert­

mindernde Veränderung nicht eingetreten wäre, wenn die Enteignung stattgefunden hätte.

nicht

Das hat aber BG. ausreichend festgestellt.

1402. Wertschätzung bei dinglicher Belastung des eigenen Grundstückes (§ 8).

V. 82/94 v. 11. 7.1894. E. Bd. 33 Nr. 71 S. 303 (Berlin). Der Ausgangspunkt des BG., daß

schon die rechtliche Belastung des

Grundstückes mit den Nutzungsrechten zu Kirchen- und Schulzwecken eine bei Rudorfs, ReichSgcrichts-ErUscheidungen.

Bd.I.

64

1010

Linführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis z. d. tandesgesetzen.

Bemessung der Enteignungsentschädigung zu berücksichtigende Wertsverminderung,

bewirke, wird mit Recht angegriffen.

RG. hat bereits (vgl. Entsch. Bd. 30

S. 176) *) und ebenso in Rep. V. 173/92 v. 19. Nov. 1892 entschieden, daß eine

privatrechtl. Belastung des enteigneten Grundstückes nicht geeignet sei, den dem Eigentümer zu ersetzenden Wert herabzumindern.

Der Grund ist der, daß dem

Eigentümer nach § 8 der volle Wert des abzutretenden Grundstückes ersetzt werden soll, daß dingliche Lasten zwar den Ertrag und die Verwendbarkeit des

Grundstückes für den Eigentümer beeinträchtigen können, jedoch den Wert des

Grundstückes an sich nicht ändern, und daß in allen Fällen, wo nicht eine noch über

den vollen Wert des Grundstückes hinausgehende besondere Entschädigung für

die Nutzungsberechtigten zu leisten ist (§ 11), der dem Eigentümer zu ersetzende

Wert auch die Entschädigung der Nutzungsberechtigten, mit denen der Eigentümer

sich auseinanderzusetzen hat, mit einschließt, also auch aus diesem Grunde den vollen Wert des Grundstückes umfassen muß und soll.

Das Verhältnis zwischen

dem Eigentümer und den Nutzungsberechtigten ist eine den Unternehmer der Enteignung nicht berührende Angelegenheit dritter Personen, es kann wieder beseitigt werden, und sobald es beseitigt wird, hört auch die gegenwärtige Be­ schränkung des Eigentümers im vollen Gebrauche seines Eigentumes wieder auf.

Müßte der

Eigentümer

begnügen, den

sich

mit

einer Abfindung

für den

Gebrauchswert

gegenwärtig das enteignete Grundstück für ihn und für den

Nutzungsberechtigten

besitzt, so

erhielte er also nicht den vollen Wert des

Grundstückes, den das Ges. ihm gewährleistet hat; andererseits erhielte aber der Unternehmer in dem fortan lastenfreien Grundstücke dessen vollen Wert, ohne daß er diesen voll zu bezahlen brauchte.

1403. Wrrtvermindenmg des Restgrundstücks durch Eisenbahnanlage. HS. 21/83 v. 26. 7.1883. IW. 1883 S. 245 Nr. 68. RG. hat mehrfach (Entsch. Bd. 5 S. 248,2) Bd. 7 S. 258 ff.)8) den Grund­

satz ausgesprochen, daß die durch Anlagen und den Betrieb der Eisenbahn

herbeigeführte Wertsverminderung des Restgrundstücks als Folge der zum Zwecke des Eisenbahnunternehmens ausgeführten Enteignung zu betrachten und nach

§ 8 Abs. 2 zu vergüten ist.

Allerdings ist dabei eine Einschränkung dahin

gemacht worden und zu machen, daß die bezüglichen Nachteile alsdann nicht als Folge der Enteignung zu betrachten sind, wenn sie auch ohne dieselbe eingetreten

sein würden.

Es versteht sich jedoch, daß, um dies annehmen zu können, es-

gewiß sein muß, daß der Eintritt der Nachteile auch ohne die Enteignung

erfolgt wäre (Förster, Theorie und Praxis § 106 Note 35).

Es muß von

dem Unternehmer nachgewiesen werden, daß die Bahn, wenn sie nicht den Weg genommen hätte, den sie tatsächlich genommen hat, in einer dieselben oder —

soweit es sich um die Differenz handelt — wenn auch geringere, so doch auch

') V. 100/92 v. 17. 9. 1892 (Naumbg.). — 2) Va. 826/80. — ’) Va. 13/82; vgl. 1406.

Artt. (09ff.

pr. Lnteignungsgesetz v. ((. 6. (87^.

1011

immerhin Nachteile für das enteignete Grundstück zur Folge habenden Nähe

aufgeführt worden wäre.

Bloße Möglichkeiten bleiben selbstverständlich gegen­

über dem wirklich vorhandenen Sachverhältnisse außer Betracht.

Daß in diesem

Sinne die oben in Bezug genommenen Entsch. des RG. anzuwenden sind, hat

RG. bereits im U. v. 31. März 1883 I. 139/83 ausgeführt. 1404. Entschädigung des individuellen Wertes (§§ 8, 10).

V. 175/93 v. 4.11.1893.

E. Bd. 32 Nr. 73 S. 298 (Berlin).

Die Frage, inwieweit der langjährige Betrieb des Optikergeschäftes in dem

enteigneten Grundstücke bei Feststellung der Enteignungsentschädigung zu berück­ sichtigen sei, ist vom Gesichtspunkte des sogenannten individuellen Wertes aus

zu beurteilen, das heißt desjenigen Wertes, den das enteignete Grundstück für die Kl. hatte.

Daß der nach

8 zu erstattende volle Wert des abzutreten­

den Grundstückes den individuellen Wert mitumfaßt, hat BG. ausdrücklich an­

genommen, und es ist dem mit der aus § 10 Abs. 1 sich ergebenden Ein­ schränkung beizutreten. Allerdings ist behufs Ermittelung des vollen Wertes eines enteigneten

Grundstückes, auf dessen Ersatz der Eigentümer nach § 8 Anspruch hat, zunächst

der objektive, das heißt der dem Grundstücke an

und

für sich

beiwohnende

durch seine Benutzungsfähigkeit bedingte Wert (der gemeine Wert des § 112 ALR. I. 2), festzustellen, und es wird in diesem reichlich zu bemessenden Werte

der Eigentümer in der Regel die ihm gebührende „vollständige Entschädigung" (§ 1) finden.

Trifft dies aber in einem gegebenen Falle nicht zu, so würde

es eine Verletzung des in § 1 an die Spitze gestellten Prinzipes

sein, wenn

man dem Eigentümer den Ersatz der durch den gemeinen Wert des Grund­

stückes nicht gedeckten Nachteile versagen wollte, welche ihm aus der Entziehung seines Eigentumes erwachsen.

Diesem Prinzipe wird vollständig nur Rech­

nung getragen, wenn der Eigentümer den Wert ersetzt erhält, welchen das enteignete Grundstück für ihn hatte.

Daß dabei der sogenannte Affektionswert,

der Wert der besonderen Vorliebe ausgeschlossen bleibt, liegt in der Natur der Sache, weil

derselbe jeder

realen Grundlage entbehrt und

Meinung des Eigentümers besteht (§ 115 a. a. O.).

nur in der

Dagegen nötigt das

Prinzip der „vollständigen Entschädigung", bei Bemessung des „vollen Wertes" im Sinne des § 8 alle vermögensrechtlichen Vorteile zu berücksichtigen, die dem Eigentümer aus dem Besitze und der Benutzung des Grundstückes erwachsen

und durch die Enteignung entzogen werden.

Der Vermögensstand des Eigen­

tümers soll nach der Enteignung kein schlechterer sein, als er vorher war. Dieser Satz bedingt mit Notwendigkeit, daß bei Ermittelung des vollen Wertes des enteigneten Grundstückes neben dem Werte, den dasselbe nach seiner Benutz­

barkeit für jeden Besitzer (Käufer) haben würde, das besondere vermögens­

rechtliche Interesse zu berücksichtigen ist, welches der Besitz und die Benutzung

desselben für den bisherigen Eigentümer hatte.

Linführungsgesetz z. BGB. 5. Abschn. Verhältnis

1012

d. kandesgesetzen.

Diesen überwiegenden Gründen gegenüber läßt sich auch aus der Ent­ stehungsgeschichte des § 8 eine Einschränkung der Erstattungspslicht auf den

objektiven Wert des abzutretenden Grundstückes nicht herleiten.

S. 105ff.; Baehr und Langerhans (1. Ausgabe)

S. 33;

(Vgl. Eger

dagegen

Loebell

S. 47ff.; Dernburg, Pr. PR. 4. Ausl. Bd. 1 S. 73/74.)

Minderung des Wertes des Reftgrundftückes (§ 8). 1405. HS. 213/82 v. 23. 1. 1883. IW. 1883 S. 130 Nr. 83. Nicht zu bezweifeln ist, daß, wenn die teilweise Enteignung eines Bau­ grundstücks geschieht zum Zwecke eines Unternehmens,

welches die Bebauung

des Restgrundstücks kostspieliger macht, oder gar die Zulässigkeit derselben in

Frage stellt, dies von nachteiligem Einfluß auf den Wert des Restgrundstücks

ist und daß dieser Einfluß nicht erst mit der Ausführung des Unternehmens,

sondern schon mit der Enteignung wirksani wird, welche die Ausführung mit Gewißheit erwarten läßt.

Der so herbeigeführte Minderwert des Restgrundstücks

stellt sich mithin nicht als eine Folge des Unternehmens, sondern als eine Folge

der Enteignung dar, die ohne die letztere der Eigentümer nicht getroffen haben würde, da ihm ohne dieselbe das Recht zugestanden Hütte, die nachteilige Anlage

aus seinem Grundstücke zu verbieten, auch bei unterbliebener teilweiser Ent­

eignung nicht von dem Bahnunternehmen an sich, sondern von der Nähe der dann anders zu tracierenden Bahnlinie die Einwirkung baupolizeilicher Be­

schränkungen abhängen folg. Nr.j.)

würde.

(Vgl. Entsch. d. RG. Bd. 7 S. 258

[in der

Auch jener Minderwert ist ihm somit nach 8 8 zu vergütigen.

1406. I. 139/83 v. 31. 3. 1883. IW. 1883 S. 189 Nr. 48. Das Grundeigentum kann (§ 1) nur aus Gründen des öffentlichen Wohls für ein Unternehmen,

dessen Ausführung

fordert, entzogen oder beschränkt werden.

die Ausübung des Enteignungsr. Die Enteignung

geschieht mithin

stets behufs Ausführung eines bestimmten Unternehmens, welches in der die Enteignung anordnenden Verordnung oder Verfügung bezeichnet werden muß

(§§ 2, 3) und dessen Ausgebung den Verlust des Enteignungsrechts nach sich zieht (§ 42).

Da die Pflicht zur Abtretung nur in Beziehung auf dieses mit

dem öffentlichen Wohl zusammenhängende Unternehmen besteht,

so kann auch

bei dem dieser Pflicht entsprechenden Rechte auf Entschädigung von dem Unter­

nehmen, welches die Abtretung veranlaßt, nicht abgesehen werden.

Die Ent­

schädigung wird also nicht bloß dafür, daß das Eigentum überhaupt abgetreten

wird, sondern auch dafür geleistet, daß dasselbe gerade für dieses Unternehmen abgetreten wird.

Daher müssen auch diejenigen Nachteile, welche durch Her­

stellung und Betrieb desselben voraussichtlich den Restgrundstücken erwachsen

werden, bei Festsetzung der Entschädigung nach § 8 Satz 2 in Anschlag gebracht werden.

Sind solche Nachteile, wie RG. angenommen hat (Entsch. Bd. 7 S. 266),

sogar dann zu ersetzen, wenn sie durch Errichtung und Benutzung einer Eisen-

bahnanlage nicht enteigneten Grundstücken erwachsen, so können dieselben um

so weniger bei Festsetzung der Entschädigung bei der Enteignung unberücksichtigt gelassen werden. 1407. Voller Wert bei Teilenteignung (K 8).

II. 169/91 v. 13. 10. 1891.

IW. 1891 S- 519 Nr. 39.

Der volle Wert, welchen § 8 Abs. 1

feststehender Rechtsprechung des RG.

der

dem Enteigneten zuspricht, ist nach reichlich bemessene

objektive Wert,

welcher, wie der BR. richtig anführt, durch die Benutzungsfähigkeit des ent­ eigneten Grundstücks bestimmt wird.

Handelt es sich,

wie im vorliegenden

Falle, nicht um Enteignung des einzigen und ganzen Grundstücks einer Person, sondern um Teile eines Grundstücks oder Grundbesitzes, muß also, wie § 8 Abs. 2 bestimmt, dem Enteigneten nicht nur der Mehrwert, welcher dem abzu­

tretenden Teil wegen seines Zusammenhangs mit dem Ganzen zukommt, sondern auch der Minderwert ersetzt werden, welcher dem Nestgrundbesitz aus der Ent­

ziehung eines Teils erwächst, so ist jener objektive Wert in der Art bestimmend, daß

die Benutzungsfähigkeit

des

verbleibenden

Restes

des ursprünglichen Gesamtgrundbesitzes

verglichen

und

so

mit der

der Minderwert des letzteren

gefunden wird.

Vgl. IVa. 214/82 v. 14. 10. 1882. E. Bd 8 Nr. 55 S. 214. V. 191/82 v. 28.11.1882. Gr. Bd. 27 S. 1045 Nr. 109 (Berlin). 1408. Schätzung im Fall der Teilenteignung (§ 8 Abs. 2).

V. 281/93 v. 14. 2. 1894. E. Rd. 32 Nr. 87 S. 350 (Magdeburg, Naumburg). Mit § 8 Abs. 2 ist keineswegs gesagt, daß die Entschädigung in

allen

Fällen die Teilenteignung aus dem vollen Werte des Teilstückes und dem durch

das Ges. bezeichneten Mehrwerte und Minderwerte, als aus drei selbständigen behufs Feststellung der Entschädigung zusammen zu rechnenden Faktoren besteht. Abgesehen davon, daß der Minderwert, welcher für das Restgrundstück durch die Abtretung entsteht, der Regel nach auf demselben Standpunkte beruht, wie

der durch den Zusammenhang

bedingte Mehrwert des Trennstückes, nämlich

auf dem Nutzen, den das Trennstück dem Ganzen leistete, daß sich also Minder­ wert und Mehrwert in solchen Fällen decken, sind auch Fälle denkbar, in denen ein Teil einer größeren Fläche enteignet wird, ohne daß dadurch der Wert der nicht enteigneten Fläche vermindert wird, ohne daß das Teilstück also durch den Zusammenhang

einen höheren Wert hatte, als den

Nutzungsfähigkeit begründeten.

durch

seine eigene

Der Zweck des Ges. ist nur der, dem Eigen­

tümer in den Fällen, wo der abgetretene Teil vermöge der Dienste, die er dem

übrigen Grundstücke leistete, einen höheren Wert, als den gewöhnlichen Verkaufs­ wert hat, diesen höheren Wert zu sichern. Übersteigt aber der Verkaufswcrt

des Trennstückes den Nutzen, den der Eigentümer aus demselben vermöge des Zusammenhanges mit dem übrigen Grundbesitze ziehen konnte, so kann von einem Mehrwerte des Trennstückes überhaupt nicht die Rede sein, und wirk

1014

Linführungsgesetz 3. BGB. Z. Abschn. Verhältnis z. d. kandesgesetzen.

der Minderwert des Restgrundstückes durch den Preis den Trennstückes gedeckt. Wenn der Rev.Kl. ausführt, es hätte festgestellt werden müssen, zu welchem Preise das Teilstück hätte verkauft werden können, und wie hoch die im übrigen ihm entstandenen Nachteile zu schätzen seien, so übersieht er, daß das Trennstück nicht gleichzeitig verkauft werden und dennoch zur Errichtung eines Seitenflügels, wenigstens mittelbar, benutzt werden kann. 1409. Benutzung des Restgrundstücks nach seiner bisherigen Bestimmung (§ 9). III. 56/91 v. 2. 6. 1891. IW. 1891 S. 403 Nr. 47.

Die „Bestimmung", welche § 9 unterstellt, ist nicht eine dem Grundstück als solchem innewohnende Eigenschaft, sondern lediglich der wirtschaftliche Zweck, zu welchem der Expropriierte bis jetzt sein Grundstück tatsächlich benützt hatte. Künftige mögliche Bestimmungs- und Benützungsarten bleiben außer Betracht

und ebenso fallen alle Verwendungszwecke hinweg, .welche, wenngleich sie schon bisher von dem Expropriierten beabsichtigt wurden, doch noch nicht in die äußere Erscheinung getreten waren. Sodann setzt § 9 voraus, daß das Restgrundstück so, wie das ganze Grundstück bisher verwendet wurde, „zweckmäßig" nicht mehr­ benützt werden kann. Nach dem Vorherbemerkten kommt es nicht darauf an, was der Kl. bei Erwerbung seines Grundstücks beabsichtigte, auch nicht darauf, wie hoch der ihm durch die Expropriation zugefügte Schaden zu taxieren sei. Dieser letztere Gesichtspunkt ist für die Bemessung der Entschädigungssumme nach 8 8, nicht aber für die spezielle Vorschrift des 8 9 entscheidend, deren Anwendung immer verlangt, daß die Fortsetzung der seitherigen Benützung des Grundstücks durch eine partielle Expropriation unmöglich oder untunlich ge­ worden ist. ' Zerstückelung und Verkleinerung (§ 9). 1410. II. 81/91 v. 10. 6. 1891. IW. 1891 S. 402 Nr. 45. Vgl. 1450.

Wenn BG. die Spezialvorschrift des 8 9 cit. dahin auslegt, daß derselbe lediglich dann Platz greife, wenn durch die infolge der Abtretung herbeigeführte Verkleinerung oder Zerstückelung die verminderte Brauchbarkeit des Restgrund­ besitzes verursacht sei, und demnach annimmt, daß die nachteiligen Folgen der Bahnanlage selbst für die Frage der Anwendbarkeit des 8 9 cit. außer Be­ tracht zu bleiben hätten, so beruht das auf einer richtigen Gesetzesauffassung, und ist in dieser Beziehung auch ein Angriff nicht geltend gemacht. Vgl. Eger S. 228, Loebell S. 63 Nr. 3. U. des RG. v. 4. Dez. 1885, Rep. II 9/1885.’) (S. folg. Nummer.)

1411. II. 9/85 v. 4. 12. 1885.

IW. 1886 S. 34 Nr. 79.

§ 8 Abs. 2 stellt die allgemeine Regel auf, daß im Falle die Enteignung

nur einen Teil eines bestimmten Grundstücks trifft, der Eigentümer für diesen in Anspruch genommenen Teil, sowie für den Minderwert des Restgrundstücks *) Ebenso HS. 103/82 v. 10. 4. 1883.

IW. 1883 S. 204 Nr. 80.

Artt. (09ff. entschädigt wird,

pr. Enteignungsgesetz v. ((. 6. (87^.

1015

daß aber eine Pflicht des Enteignenden, auch solche Rest­

parzellen gegen Entschädigung zu übernehmen,

nach § 9 nur in dem Falle

eintritt, wenn das Grundstück durch die Enteignung eine solche Zerstückelung

oder Verkleinerung erleidet,

daß erstere nach ihrer bisherigen Bestimmung

nicht mehr zweckmäßig benutzt werden können.

1412. V. 116/88 v. 30. 6. 1888.

IW. 1888 S. 352 Nr. 36.

Eine Wertsverminderung des Restgrundstücks hatte Kl. daraus hergeleitet, daß trotz der Verkleinerung des Gutes die

unterhalten werden müßten.

gleichen Arbeitskräfte wie früher

Der BR. tritt hier den Ausführungen des Kl.

und den einen Minderwert aus dem angegebenen Grunde annehmenden Gut­

achten einiger Sachverständigen mit der Erwägung entgegen: es sei an Stelle

des enteigneten Landes das Entschädigungskapital, an Stelle der Naturalerträge,

der Zinsengenuß getreten, ein Minderertrag also gar nicht vorhanden.

Diese

Erwägung ist vom Rkl. mit Recht als rechtsirrtümlich angegriffen worden. Sie verstößt gegen das Prinzip

des

§ 8

des Enteignungsges., welcher im

Fall einer Teilenteignung dem Eigentümer als Teil der ihm gebührenden Ent­ schädigung neben dem Wert der enteigneten Grundstücksteile auch den Minder­

wert des Restgrundstücks sichert.

Dieser Minderwert ist aber objektiv zu be­

stimmen und steht in keiner Beziehung zu dem Nutzen, welchen der Eigentümer

aus einem Kapital ziehen kann, welches

lediglich den Wert des enteigneten

Landes ohne Rücksicht auf seine bisherige Verbindung mit dem Restgrundstück

deckt und zu decken bestimmt ist. 1413. Kausalzusammenhang u. Berechnung bei Teilentetgnung. III. 72/84 v. 17. 6. 1884.

E. Bd. 13 Nr. 57 S. 244 (Stade, Gelle).

Wenn die teilweise Enteignung eines Grundstückes zum Zwecke eines Unter­ nehmens erfolgt, welches die Bewirtschaftung des Restgrundstückes beschwerlicher

und kostspieliger macht, so ist der für den Enteigneten hierdurch entstehende

Schade als eine Folge der Enteignung selbst anzusehen, durch welche dem bis­

herigen Eigentümer des Teilgrundstückes das Recht entzogen wird, die seinem übrigen Besitztume nachteilige Anlage zu verhindern.

Der Enteignete ist solchen­

falls im vollen Maße nur dann entschädigt, wenn ihm sein Interesse daran ersetzt wird, daß er durch die Enteignung gezwungen ist,

einen Teil seines

Grundstückes zur Ausführung des schädigenden Unternehmens abzutreten.

(Vgl.

Entsch. Bd. 7 S. 262 ff.)1) Die Tatsache, daß dem Kl. ein Teilgrundstück enteignet wurde und seine Behauptung, daß ihm in unmittelbarer Folge hiervon ein Schade durch er­ schwerte Bewirtschaftung, mithin durch Wertsverminderung seines Restgrund­

stückes erwachsen sei, sind an und für sich geeignet, seinen Entschädigungs­

anspruch

zu

substanziieren.

Beseitigt kann

dieser Anspruch

nicht dadurch

1016

Linführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis z. d. kandesgesetzen.

werden, daß die Nachbarn des Kl., welche ähnlichen Schaden durch die Bahn­ anlage erleiden, einen gleichen Anspruch zu erheben nicht berechtigt sind.

Dies-

aus dem einfachen Grunde nicht, weil den betr. Nachbarn nichts enteignet wurde,

weil ihnen gegenüber kein Expropriationsfall vorliegt, weil also diese unter anderen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen stehen als Kl., dessen An­

spruch in den obligatorischen Beziehungen wurzelt, welche durch die Enteignung

zwischen ihm und der Expropriantin herbeigeführt sind.

Auch der von BG.

als möglich hingestellte Umstand, daß Kl. den gleichen Schaden gehabt Hütte,

wenn

ihm nichts enteignet und die Bahnanlage unmittelbar an der Grenze

seines ungeteilten Grundstückes entlang geführt worden wäre, vermag die so­

fortige Abweisung der Klage nicht zu rechtfertigen.

Von dieser fingierten Mög-

lichkeit kann der Anspruch eines Expropriaten nicht abhängig sein, welcher aus Grund der durch das wirklich ausgeführte Bahnunternehmen geschaffenen Ver­

hältnisse erhoben ist und nach Maßgabe dieser Verhältnisse begründet erscheint. Allerdings greift auch bei Expropriationsansprüchen, wie bei allen Arten von

Schadensersatzforderungen der Grundsatz Platz, daß ein Kausalzusammenhang zwischen dem

ersetzt verlangten Schaden

und der zum Schadensersätze ver­

pflichtenden Tatsache bestehen muß, daher der Anspruch wegfällt, falls erwiesener­

maßen der Schade auch dann eingetreten sein würde,

wenn die zum Ersätze

verpflichtende Handlung nicht vorgenommen worden wäre.

Die bloße Mög­

lichkeit dagegen, daß der Schade auch ohnedies eingetreten wäre, ist nicht ge­ eignet, die im übrigen begründete Ersatzpflicht auszuschließen.

Ebenso ist erkannt v. I. CS., 31. 3. 1883 (1406). III. CS., 23.1.1885. III. 265/8 i (Nr. 1378). Via. 149/99 v. 6. 10. 1899. E. Bd. 44 Nr. 78 S. 331 (Berlin). III. v. 1. 7.1884. Senfs. Bd. 40 Nr. 114 S. 173 (Celle). 103/82 v. 10. 4. 1883. Gr. Bd. 28 S. 461 Nr. 19 (Königsberg). Va. 385/79 v. 24. 6.1880. E. Bd. 2 Nr. 75 S. 279.

1414. Verhältnis des § 9 zum Fluchtl.Ges. g 13.

V. 10/93 v. 6. 5. 1893. E. Bd. 31 S. 272. Vgl. Nr. 1377, 1414, 1456, 1461.

IW. 1893 S. 319 Nr. 50 (Stettin).

Es ist anzunehmen, daß die Vorschriften des § 9 durch § 13 Abs. 3 des

Fluchtl.Ges. für den Bereich des letzteren nicht ersetzt, sondern ergänzt sind, daß also der Eigentümer in den Fällen des § 13 die Übernahme des ganzen Grundstücks sowohl dann verlangen kann, wenn das Restgrundstück nicht mehr zur Bebauung geeignet ist,

als auch dann,

wenn dasselbe nach seiner bis­

herigen Bestimmung nicht mehr zweckmäßig benutzt werden kann, und unterliegt

es weiter

auch

keinem Zweifel, daß insbesondere Abs. 3 des § 9 auch für

Teilenteignungen auf Grund des Fluchtl.Ges. gilt.

(Eingehend begründet.)

1415. BrmltzungSart u. Nutzungsfähigkeit (§ 10). HS. 194/82 v. 28.11. 1882.

IW. 1883 S. 54 Nr. 48.

Soweit bei der Enteignung der Nutzungswert die Grundlage der Ab­

schätzung abgibt, kann es weiter auch keinem Zweifel unterliegen, daß nicht bloß

Artt. {09ff.

Pr. Lnteignungsgeseß v. {{. 6. {87^.

1017

die bisherige Benutzungsart, wenn auch nur diese in dem Enteignungsges. (§ 10)

ausdrücklich Erwähnung gefunden hat, sondern die Nutzungssähigkeit den Maß­ stab geben muß, wie dies auch bereits in mehreren Entscheidungen des U. HS.

des RG. (z. B. Nr. 363 v. 1881) angenommen worden ist.

Allerdings muß

diese Nutzungsfähigkeit eine gegenwärtige, für jeden Besitzer verwertbare in dem Sinne sein, daß nicht nur die in Rede stehende Benutzungsart nach den bereits gegebenen Verhältnissen möglich, sondern auch der berechnete Reinertrag nach diesen

Verhältnissen mit Sicherheit zu erwarten ist, während bloß unsichere Hoffnungen keine Berücksichtigung finden können (cf. OTrib.Erk. Entsch. Bd. 86 S. 75).

1416. Bisherige Benutzungsart (§ 10). V. 225/91 v. 23. 11.1892.

IW. 1892 S. 156 Nr. 24.

Der Ausdruck: „bisherige Benutzungsart" im § 10 kann nicht dahin ver­

standen werden,

daß es dabei gerade auf

einen bestimmten Tag ankomme,

sondern es ist ein längerer Zeitraum ins Auge zu fassen, innerhalb dessen eine

regelmäßige Benutzung stattfindet, und wenn diese kurz vor der Enteignung durch höhere Gewalt oder eine sonst zufällig in dem Grundstück eingetretene

Veränderung unterbrochen war, so ist zu prüfen, ob damit die bisherige Be­

nutzungsart dauernd verhindert oder eingeschränkt worden wäre,

oder ob es

sich nur um eine vorübergehende Unterbrechung handelte, welche, wenn die Ent­ eignung nicht stattgefunden

hätte, durch Wiederherstellung des früheren Zu­

standes beseitigt werden konnte und voraussichtlich beseitigt worden wäre. auch

£>at

der Eigentümer die vor Zustellung des Entschädigungsbeschlusses ein­

getretene Verschlechterung seines Grundstücks allein zu tragen, so kann er doch

durch die Enteignung nicht noch schlechter gestellt werden, als er ohne diese ge­

wesen wäre, d. h. es darf ihm der in der Wiederherstellbarkeit des beschädigten Grundstücks für ihn liegende Vorteil in keiner Beziehung, also auch nicht im

Sinne des § 10 Abs. 1 entzogen werden.

1417. V. v. 19. 11. 1892. IW. 1893 S. 51 Nr. 54. Es bleibt zu berücksichtigen die zeitige Beschaffenheit der enteigneten Grund­

stücke als Wege, ihre ihnen vom Eigentümer selbst gegebene Besfimmung, den

Zugang zu den angrenzenden Villenbesitzungen zu vermitteln. Diese bisherige Be­ nutzungsart der Grundstücke bildet einen in § 10 Abs. 1 des G. ausdrücklich

anerkannten Gesichtspunkt für die Wertsermittelung: auf sie, nicht wie BG.

irrtümlich annimmt auf eine andere Benutzungsfühigkeit (durch Anpflanzung,

von Obstbäumen), bezieht sich die in diesem Paragraphen gegebene Beschränkung auf denjenigen Geldbetrag, welcher erforderlich ist, damit der Eigentümer ein anderes Grundstück in derselben Weise und mit gleichem Ertrage benutzen kann.

1418. V. 310/86 v. 26. 1. 1884. IW. 1884 S. 99 Nr. 64. § 10 bestimmt, daß die bisherige Benutzungsart bei der Abschätzung nur bis zu demjenigen Geldbeträge Berücksichtigung finden könne, welcher erfvrder-

GinführungsgesetzBGB. Z. Abschn. Verhältnis z. d. Landesgesetzen.

1018

lich, damit der Eigentümer ein anderes Grundstück in derselben Weise und mit

gleichem Ertrage benutzen kann.

Dabei ist indes — was die Beschränkung

angeht — vorausgesetzt, daß es sich um ein Ertragsgrundstück handelt, und daß der Ersatz des gemeinen Werts den Eigentümer deshalb nicht vollständig

entschädigen würde,

weil aus der besonderen

bisherigen Benutzungsart

höherer Ertragswert des Grundstücks resultiert.

ein

Selbstverständlich muß, wenn

letzterer beansprucht wird, der Ertrag angegeben und erwiesen werden.

Aber

es gibt eine Kategorie von Fällen, in welchen ein gegen den gemeinen Wert

höherer Ertrag entweder kaum nachweisbar oder überhaupt nicht vorhanden,

gleichwohl aber die bisherige Benutzungsart für die Entschädigung maßgebend ist.

Dies sind die Fälle, in denen es sich um Grundstücke handelt, die entweder

vermöge ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu anderen Grundstücken des Ex-

propriaten einen Sonderertrag schwer

konstatieren lassen oder

aber — wie

z. B. ein städtisches Krankenhaus, eine Schule ?c. — überhaupt nicht Ertrags­ zwecken, sondern zur Genügung der dem Enteigneten vermöge seiner individuellen Lage obliegenden Aufgaben dienen.

Für diese Fälle besteht das Entschädigungs­

prinzip gleichfalls darin, daß dem Enteigneten derjenige, den gemeinen Wert

des Grundstücks übersteigende Geldbetrag zu gewähren ist, welcher ihn in den Stand setzt, ein anderes Grundstück zu erwerben und so einzurichten, daß

dasselbe in derselben Weise wie das enteignete benutzt werden kann.

1419. Beschaffung eines Ersatzgrundstücks (§ 10 Abs. 1). V. 276/91 v. 27. 2. 1892.

Gr. Bd. 36 S. 1104 Nr. 93 (Naumburg). Vgl. 1386.

§ 10 Abs. 1 trifft den Fall der Abschätzung nach der seitherigen tatsäch­ lichen Benutzungsart des enteigneten Grundstückes. fähigkeit des Grundstückes für ein bisher

Aber wenn die Benutzungs­

nicht darauf betriebenes Gewerbe

geschätzt werden soll, so bedarf es keiner besonderen Gesetzesvorschrift, um den

selbstverständlichen Satz zu rechtfertigen, daß der Enteignete voll entschädigt ist, wenn er die Kosten des Erwerbes und der Einrichtung eines anderen Grund­

stückes erhält, auf welchem erweislich der Betrieb in gleicher Art und mit gleichem Vorteile möglich ist.

Ebenso im Falle der Teilenteignung: kann die

durch dieselbe eintretende Wertsverminderung des Restgrundstückes durch neue

Einrichtungen aus dem Restgrundstücke selbst gehoben werden, so kann die Werts­ verminderung nicht richtiger, als nach den Kosten dieser neuen Einrichtungen

geschätzt werden; daß vorliegend außerdem noch der Erwerb eines anstoßenden Landstückes und dessen Einrichtung nötig werden würde, ändert grundsätzlich

nichts.

Erforderlich ist nur, daß mit Zuhilfenahme eines solchen Landstückes

die Wertsverminderung ausgeglichen werden kann.

Dazu muß dargetan werden,

daß ein bestimmtes Landstück zur Verfügung steht, welches diejenigen Ein­

richtungen möglich macht, die zur Wiederherstellung der durch die Teilenteignung gestörten Benutzungsfähigkeit des Restgrundstückes nötig sind, und ein solches

Landstück hat Rev. bezeichnet.

Daß das zu Hilfe zu nehmende Grundstück,

welches im vorliegenden Falle zugleich Ersatzstück nicht für ein enteignetes, sondern für ein durch die Bahnanlage von dem Überreste abgetrenntes Teilstück bilden soll, diejenigen Einrichtungen, welche es zu dieser Bestimmung geeignet

machen würden, schon fertig trage, ist nicht nötig, da es nur darauf ankommt,

rechnungsmäßig festzustellen, wie hoch sich die aus dem Preise dieses Grund­ stückes und den Kosten der auf diesem, wie auf dem Grundstücke des Klägers

selbst zu

treffenden

Einrichtungen zusammensetzenden

Gesamtkosten belaufen,

welche erforderlich sind, damit Kl. den Betrieb, zu welchem sein Grundstück vor der Enteignung hätte nutzbar gemacht werden können, auch nach der Enteignung

ebenso wie vorher einrichten könnte.

Mit der Zahlung dieses Betrages ist der

Schaden des Kl. ausgeglichen.

1420. Kosten der Anschaffung des Ersatzgrundstücks.

V. 107/88 v. 15. 6. 1888.

IW. 1888 S. 316 Nr. 24.

Nach § 8 hat der Eigentümer Anspruch auf den vollen Wert des ab­

zutretenden

Grundstücks;

bei Feststellung dieses Werts ist nach § 10 auch

auf die bisherige Benutzungsart des Grundstücks Rücksicht zu nehmen, jedoch

nur bis zu demjenigen Betrage, welcher erforderlich ist, damit der Eigentümer ein anderes Grundstück in derselben Weise und mit dem gleichen Ertrage be­ nutzen kann.

Die Kosten der Anschaffung und Einrichtung eines Ersatzgrund­

stücks sind daher nicht als solche zu erstatten, sondern sie bilden nur die (obere) Grenze, bis zu welcher der den gemeinen Wert übersteigende Nutzungswert des enteigneten Grundstücks vergütet werden soll.

Immer bildet nur der Wert

des enteigneten Grundstücks den Gegenstand der Entschädigungsforderung, nicht der für die Beschaffung eines Ersatzgrundsstücks tatsächlich gemachte Aufwand. Die bezügliche Erwägung des BG. wird von der Rev. mit Unrecht als gegen

§ 10 verstoßend angegriffen.

Insbesondere aber kam der Eigentümer die für

die Anschaffung und Einrichtung eines Ersatzgrundstücks aufgewendeten Kosten

im vollen Betrage dann nicht ersetzt verlangen, wenn das neue Grundstück das enteignete im Werte übertrifft.

Er wird sich in solchem Fall die Werts­

differenz von dem Betrage der zur Erstattung liquidierten Anschaffungskosten kürzen lassen müssen, weil ihm sonst auf Kosten des Unternehmers ein Vorteil zuwachsen würde, auf welchen er keinen Anspruch hat.

1421. Verhältnis von § 10 zu in Flnchtlinienges. (HK 11, 13.).

II. 94/92 v. 13. 5.1892. IW. 1892 S. 284 Nr. 51 (Köln). (§ 10 Abs. 2).

Vgl. Nr. 1392 Anm.

Nach § 13 Nr. 1 des Fluchtl.Ges. tritt infolge des Fluchtlinienplanes die Entschädigungspflicht der Gemeinden ein, wenn und soweit dieselbe Abtretung

des Grundeigentums beansprucht, woraus von selbst folgt, daß, wenn es zur

zwangsweisen Abtretung kommt, für das Maß der Entschädigung lediglich die für die Enteignung gegebenen Vorschriften maßgebend sind und insbesondere

eine Abweichung von dem [in § 10 Abs. 2 ausgesprochenen) Grundsätze nicht

Linführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis 5. d. Landesgesetzen.

1020

stattfindet.

Das Bauverbot, welches nach § 11 des Ges. v. 2. Juli 1875 mit

der Offenlegung des Planes beginnt, wirkt auf die Entschädigungsfrage nur

indirekt ein und zwar insofern, als es den Eigentümer verhindert, auf der be­ troffenen Fläche Neu-, Um- und Ausbauten vorzunehmen und

dadurch die

Entschüdigungspflicht der Gemeinde für den Fall, daß dieselbe zur Enteignung

schreitet, zu erschweren.

Weiter geht in dieser Beziehung die Wirkung des 8 11

nicht, insbesondere hindert derselbe weder den Eigentümer, durch Verbesserung

der Benutzungsfähigkeit der fraglichen Grundfläche den Wert derselben zu er­ höhen, noch beraubt er ihn des Vorteils, welcher ihm aus einer von seinem Willen unabhängigen Wertserhöhung erwächst, wozu insbesondere diejenige ge­ hört, welche mit der Eigenschaft als Bauland an einer anderen als der neu eröffneten Straße verknüpft ist, sei es, daß diese Eigenschaft schon vor dein Ftuchtlinienplan vorhanden war oder unabhängig von dem gegenwärtigen Unter­

nehmen in der Zwischenzeit zwischen dem Fluchtlinienplan und der Enteignung, genauer der Zustellung des Entschädigungsbeschlusses, erworben wurde.

1422. Eiuflutzlofigkeit des Zweckes der Enteignung ans die Wertschätzung (§ 10).

VI. 183/92 t>. 19. 12. 1892.

IW. 1893 S. 109 Nr. 51.

Die Frage, ob nicht das Haus durch seine jetzige Lage unmittelbar an

der Straße, behufs deren Anlegung die Enteignung stattgefunden hat, eine

Werterhöhung erfahren hat, darf bei der Abschätzung eines Minderwertes nach dem pr. Enteignungsges. überhaupt nicht berücksichtigt werden.

Ebenso V. 192/87 v. 9. 11. 1887. IW. 1888 S. 46 Nr. 107. 1423. Werterhöhung infolge der neuen Anlage (g 10 Abs. 2).

I. 14/84 v. 5. 7. 1884. IW. 1884 S. 227 Nr. 40. Nach § 10 Abs. 2 kommt eine Werterhöhung, welche das abzutretende

Grundstück erst infolge der neuen Anlage erhält, bei der Bemessung der Ent­

schädigung nicht in Anschlag.

Durch den Ausdruck „infolge" ist nicht bloß

die zeitliche Aufeinanderfolge, sondern ein ursachlicher Zusammenhang zwischen der Herstellung oder Benutzung der neuen Anlage und der Werterhöhung er­ fordert.

Zur Annahme dieses Zusammenhangs ist es keineswegs erforderlich,

daß der eingetretene Erfolg eine notwendige oder eine unmittelbare Folge der neuen Anlage sei. 1424. Schade« von Pächtern und Mietern (§ 11).

VI. 50/92 v. 12. 5. 1892. (Frankfurt a. M.). Inhalt und Wortlaut

E. Bd. 29 Nr. 67 S. 273.

des Ges. zwingen

IW. 1892 S. 324 Nr. 46

zu der Annahme,

daß

durch

dasselbe dem Pächter und Mieter ohne Rücksicht darauf, ob ihn nach dem für

das Pacht- und Mietverhältnis maßgebende Civilr. dingliche oder nur obliga­ torische Rechtsstellung zukommt, der Anspruch auf Entschädigung gegen Unter­

nehmer mit der in § 11 ausgesprochenen Maßgabe gewährt werden soll.

§ 11

redet ganz allgemein.

Die Übereinanderstellnng der Nutzungs-, Gebrauchs-

»nd Servitutberechtigten einer- und der Pächter und Mieter andererseits ge­

stattet nicht den Schluß, daß das Ges. hier nur diejenigen Pacht- und Mietr. im Auge habe, welche nach dem für sie geltenden Rechte dinglicher Natur sind.

Diese Unterstellung erscheint geradezu ausgeschlossen, wenn man erwägt, daß das Ges. für die ganze pr. Monarchie bestimmt ist. 1425. Entschädigungsanspruch der Pächter (§ 11).

II. 252/92 v. 3. 1. 1893.

IW. 1893 S. 90 Nr. 50, 51 (Aachen, Köln).

Die Ansicht, daß § 11 den Pächtern einen Entschädigungsanspruch gegen

den Enteigner nur in denjenigen Landesteilen gewähre, in denen das Pachtr. die Eigenschaft eines dinglichen Rechts habe, kann

als richtig nicht anerkannt

werden, weil das für den Umfang der ganzen Monarchie gegebene Ges. weder in § 11 noch an allen anderen Stellen jene Unterscheidung macht und, wie

das U. des RG. v. 12. Mai 1892 (Entsch. Bd. 29 S. 273)') näher ausführt, sonstige Gründe nicht obwalten, welche dazu berechtigten, jene Unterscheidling

in das Ges. hineinzutragen. Das Ges. in § 11 gewährt dem Pächter gegen den Enteigner einen An­ spruch auf Ersatz des ihm durch die Enteignung entstandenen Schadens nur

insoweit, als derselbe nicht in der für das enteignete Grundeigentum bestimmten

Entschädigung begriffen ist. 1426. Verwirkung des Anspruchs der Mieter durch Nichtbeteiligung (§ 11).

V. 60,89 v. 11. 3. 1889.

E. Bd. 24 Nr. 43 S. 205.

IW. 1889 S. 298 Nr. 56.-)

Dem BG. ist darin beizutreten, daß der Mieter den ihm durch § 11 des Enteignungsges. zustehenden Anspruch gegen den Unternehmer nicht dadurch

verwirkt, daß er sich bei den administrativen Vorverhandlungen trotz erlassener

Ladung nicht beteiligt.

Mit Recht hat BG. hervorgehoben, daß das gesetzliche

Präjudiz, welches für den Fall der Nichtbeteiligung gestellt ist, nur dahin geht,

daß die Entschädigung ohne Zutun der Ausbleibenden festgestellt werden würde. Dagegen kann es als eine richtige Auslegung des Ges. nicht erachtet werden, daß BG. weiter folgert, es habe der Beteiligte, welcher sich nicht gemeldet und

für den deshalb eine besondere Entschädigung nicht ausgeworfen, daß die Ent­

schädigung bestimmende Resolut der Verwaltungsbehörde auch nicht für seine Person besonders zugestellt worden sei, das Recht erlangt, nunmehr ohne Zeit­ beschränkung, wie sie im § 30 durch die sechsmonatliche Frist gegeben, seinen Entschädigungsanspruch im Rechtswege zu verfolgen.

Diese Auslegung

hat

von vorne herein gegen sich, daß sie eine Lücke im Ges. voraussetzt, die gewiß

nicht gewollte Lücke, daß der Nebenberechtigte (§ 11) durch seine Willkür sich von dem Verfahren anschließen kann, welches, soweit nicht die Hauptbeteiligten,

') S. Nr. 1424. 2) Ebenso Va. 773/80 v. 30.6.1881.

E. Bd.5 Nr. 76 S. 281 (Magdeburg, Naumburg).

1022

Ginführungsgesetz z. BGB. 3. Abschn. Verhältnis

d. Landesgesetzen.

der Unternehmer und der Grundeigentümer unter sich eine besondere Einigung treffen (§ 16), allgemein für notwendig erachtet ist, und namentlich auch dazu dienen soll, dem Unternehmer binnen bestimmter Zeit über den Umfang der Ansprüche der Beteiligten Kenntnis zu geben.

1427. Feststellung der Entschädigung nicht notwendig in einem Akt. IW. 1886 S. 363 Nr. 59.

V. 93/86 v. 25. 9. 1886.

In der rechtlichen Natur der Expropriationsentschädigung liegt kein Grund, eine Feststellung der Entschädigung in mehreren Teilen für grundsätzlich un­

statthaft zu erklären.

Charakterisiert sich auch die Enteignung nach der für

den vorliegenden Fall maßgebenden landrechtlichen Auffassung als (Zwang-)

Kauf und faßt man hiernach die Entschädigung des Expropriaten als Kauf­ preis auf, so kann doch — ganz abgesehen davon, daß für die Expropriation keineswegs alle Konsequenzen des Kaufgeschäfts zu ziehen sind — nicht zu­ gegeben werden, daß die Feststellung dieses Kaufpreises immer nur in einem einzigen Akt geschehen könne und müsse.

Freilich ist der Kaufpreis ein ein­

heitlicher und es ist auch in mehreren Entsch. des RG. (vgl. Bd. 2 Nr. 63

S. 243 j1) Bd. 14 Nr. 70 S. 268 ss. die folg. Nr.)) die Notwendigkeit einer ein­ heitlichen der Festsetzung Expropriationsentschädigung betont worden, aber in

dem Sinne, daß die einzelnen Entschädigungstitel nur Rechnungsfaktoren sind und deshalb nicht jeder getrennt für sich, sondern nur in Berücksichtigung der für die übrigen aufgestellten Berechnung zur Abgeltung gelangen dürfen.

Er­

weist sich z. B. ein später eingeklagter Entschädigungstitel als bereits abgegolten durch eine früher zugesprochene Entschädigung, oder als mit derselben unver­ einbar, so wird sich daraus allerdings die Notwendigkeit einer Abweisung ergeben. Aber das ist eine Frage, die erst aus den besonderen Umständen jedes einzelnen

Falls beantwortet werden kann.

1428. Einheitlichkeit der Entschiidignng. Zulässigkeit des Rechtsweges. V. 19/98 v. 22. 6. 1898.

IW. 1898 S. 489 Nr. 42.

RG. hat allerdings ausgesprochen: „Es ist unzulässig, einen Teil der ent­ eigneten Fläche herauszugreifen und für diesen einen besonderen Wert ohne

Rücksicht auf den Wert des Ganzen zu berechnen.

Die enteigneten Flächen sind

Teile eines im Zusammenhänge stehenden Grundbesitz desselben Eigentümers. Die Berechnung der geleisteten Entschädigung mag sich aus verschiedenen Posi­

tionen zusammensetzen.

Rechtlich aber erscheint die Summe dieser Position

als eine einheitliche, nämlich als die Entschädigung für das gesamte, dem zu­

sammenhängenden Grundbesitz entzogene Areal.

Ist der Grundbesitzer mit dieser

Gesamtentschädigung nicht zufrieden, weil nach seiner Meinung einzelne wesent­

liche Rechnungsfaktoren unberücksichtigt geblieben oder falsch berechnet sind, so hat er eine vollständig neue, "der von ihm behaupteten Sachlage entsprechende

*) Vb. 35/80 v. 26. 5. 1880 (Breslau).

Artt. 109ff. Berechnung aufzustellen."

pr. Lnteignungsgesetz v. ff. 6. (87^. (Entsch. Bd. 2 S. 243.)

1023

Und hieraus ist gefolgert:

„Daß nach Beschreitung des Rechtsweges nur von der einen Seite die einzelnen

Ansätze, aus welchen die Entschädigung sich zusammensetzt, auch zum Vorteile derjenigen Partei, welche den Regierungsbeschluß nicht angefochten hat, in der gerichtlichen Entsch. geändert werden können, sofern nur die Gesamtentschädigung keine Änderung zum Vorteile derselben erleidet." (Entsch. Bd. 14 S. 268

sNr. 1442]); vgl. Bolze Bd. 1 Nr. 1384, Bd. 6 Nr. 763.

Eine Entsch. dahin,

daß die Gerichte auch in dem Falle, in welchem die Parteien nur einen streitig gebliebenen Ansatz unter Übergehung der übrigen durch Einigung festgestellten

Ansätze zur gerichtlichen Entsch. gebracht haben, bei Feststellung des streitigen

Ansatzes auch die festgestellten Ansätze zu erörtern habe, um möglicherweise durch Erhöhung dieser zu einer Erhöhung der Gesamtentschädigung bis zu

deren zulässigem Betrage zu gelangen, ist aber nicht ergangen.

Vielmehr ist

in dem von Bolze in Bd. 9 unter Nr. 569 mitgeteilten Urteile angenommen, daß einzelne Entschädigungsansprüche, die neben dem Ansprüche auf Ersatz des

vollen Wertes von der Enteignungsbehörde anerkannt und in einem bestimmten Betrage dem Expropriaten zugesprochen sind, bei Beschreitung des Rechtswegs ausgeschieden werden können mit dem Erfolge, daß dieselben als außer Streit

anzusehen und bei Berechnung des Betrages für die streitigen Ansätze außer

Betracht zu lassen sind. nicht stützen.

Auf Entsch. des RG. kann der Bekl. also seine Rüge

Es würde den Rechtsgrundsätzen von Vertrügen widersprechen, sollte

dem einen Vertragschließenden gestattet sein, einseitig von einer Einigung über eine

ihm vom anderen Teile zu gewährende Entschädigung wider abzugehen und seinem

vertraglichen Gebundensein entgegen eine höhere Entschädigung ohne besonderen Grund zu verlangen.

Solchen Grund deutet Bekl. an, indem er bemerkt, daß die

Entschädigungen vergleichsweise nur bedingt festgesetzt seien, nämlich unter der Be­ dingung, daß die durch den Enteignungsbeschluß festgesetzte Gesamtentschüdigung

ihm ungekürzt verbleibe.

Von solcher bedingten Verabredung ergeben aber weder

die vom BG. mitgeteilten Vorverhandlungen noch der Enteignungsbeschluß des

Bezirksausschusses etwas. Sie wird durch die Sachlage geradezu ausgeschlossen, da dem Bekl. der Betrag der ihm zufallenden Gesamtentschädigung z. Z. des Vertrags­

abschlusses nicht bekannt war, er also an dessen Aufrechterhaltung auch keine Be­ dingung knüpfen konnte.

Daß ein Vertrag unter besonderen Bedingungen ge­

schlossen sei, wird auch nicht vermutet (ALR. Tl. I Tit. 5 § 229).

Das RG.

tritt dem BG. darin bei, daß die Parteien an die durch Vergleich erfolgte Fest­

setzung der Entschädigungsansprüche gebunden sind und daß diese bei der Entsch.

über den streitig gebliebenen Anspruch außer Betracht bleiben mußten.

BerhSltnis zwischen Verwaltnngs- und Gerichtsverfahren. 1429. V. 186/88 v. 27. 10. 1888.

IW. 1888 S. 448 Nr. 24.

In § 8 liegt die Vorschrift nicht bloß, daß die Entschädigung nicht hinter

diesem Maße zurückbleiben, sondern auch, daß sie dasselbe nicht überschreiten

Linführungsgesetz z. BGB. 5. Abschn. Verhältnis z. d. Landesgesetzen.

1024 soll.

Sie gilt sowohl für die Verw.-Behörde, welche die vorläufige ^Bestimmung

der Entschädigung zu treffen hat, wie auch für den Richter.

Dieser würde

aber außerstande sein, der ihm gegebenen Aufgabe zu genügen, wenn er an

die Positionen, aus denen sich die Summe der Entschädigung im Verw.-Versahren bildet, insoweit gebunden sein sollte, als sie nicht angegriffen sind.

Er

würde dadurch zu einer Schätzung gelangen können, welche im Widersprüche stände mit seiner Überzeugung von der Höhe des vollen Wertes des Gegen­ standes der Enteignung oder doch behindert sein, sich eine solche Überzeugung zu verschaffen.

Hat nur d:r von der Enteignung betroffene Teil den Rechts­

weg beschritten, so bleibt die bezeichnete Aufgabe an sich dieselbe, nur mit der

Maßgabe, daß der Unternehmer die gegen ihn im Vorverfahren festgestellte Entschädigungssumme zahlen muß, wenn sich auch finden sollte, daß dieselbe

nach richterlicher Schätzung zu hoch gegriffen ist. Ebenso in der Auffassung der Einheitlichkeit der Entschädigung V. 116/88 v. 30. 6. 1888.