Substantia - Sic et Non 9783110327137, 9783110326710


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German Pages 565 [567] Year 2008

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Erwin Tegtmeier: Parmenides – Begründerder Substanzphilosophie
Holger Gutschmidt: Aspekte der Substanztheoriein der voraristotelischen PrinzipienundNaturlehre
Damian Caluori: Plotinus on Primary Being
Kristell Trego: Manifestation et Existence –Théophanie et dévoilement de l’ousia chezJean Scot Érigène
Abraham D. Stone: Avicenna
Kristell Trego: Essentielle Substance – lerenouveau de l’ousiologie dans l’oeuvre de s.Anselme de Cantorbéry
Ludger Jansen: Die Struktur der Substanzenbei Thomas von Aquin
Carl Ledsham: Duns Scotus
Harald Berger: Der Substanzbegriff imspätmittelalterlichen Nominalismus
Jörg Lauster: Unfassbar – Nikolaus vonKues’ Philosophie der Substanz
Andreas Brandt: (Fast) selbständiges Ding,denkend oder ausgedehnt – die Substanznach Descartes
Konrad Cramer: Gedanken über SpinozasLehre von der All-Einheit*
Antonella Lang-Balestra: Varius multiplexmultiformis – Die Lehre der individuellenSubstanz im Discours de Métaphysique vonLeibniz∗
Stefan Büttner-von Stülpnagel: John LockesBegriff der Substanz
Kiki Berk: Berkeley on Substance
Karl Hepfer: David Hume – Substanz alsFiktion
Jindřich Karásek: Substanzkategorie undkategorische Urteilsform
Thomas Auinger: Substanz und Begriff – ZuHegels Begriffsbestimmung des Begriffsanhand der Kategorie der Substanz1
Pierfrancesco Basile: Monadologie undRelationen – Whitehead, Russell und dieAblehnung der Substanz-Metaphysik
Svaneke Schüler: Jean-Paul Sartre – einVertreter des Substanzendualismus?
Daniel von Wachter: Substanzen phänomenologischuntersucht – Roman IngardensSubstanzontologie
Erwin Tegtmeier: Wesenlose Substanz(Gustav Bergmann)
Mark Textor: P. F. Strawson – Substanzenund identifizierende Bezugnahme1
Christian Kanzian & Joseph Wang:Substanzen in der analytischen Ontologie
Holger Gutschmidt, Antonella Lang-Balestra& Gianluigi Segalerba: Substantia – Sic etNon
Mitarbeiterverzeichnis
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Substantia - Sic et Non
 9783110327137, 9783110326710

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Holger Gutschmidt • Antonella Lang-Balestra • Gianluigi Segalerba (Hrsg.) Substantia - Sic et Non

Philosophische Analyse Philosophical Analysis Herausgegeben von / Edited by Herbert Hochberg • Rafael Hüntelmann • Christian Kanzian Richard Schantz • Erwin Tegtmeier Band 27 / Volume 27

Holger Gutschmidt Antonella Lang-Balestra Gianluigi Segalerba (Hrsg.)

Substantia - Sic et Non Eine Geschichte des Substanzbegriffs von der Antike bis zur Gegenwart in Einzelbeiträgen

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2008 ontos verlag P.O. Box 15 41, D-63133 Heusenstamm www.ontosverlag.com ISBN 978-3-938793-84-8 2008 No part of this book may be reproduced, stored in retrieval systems or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, microfilming, recording or otherwise without written permission from the Publisher, with the exception of any material supplied specifically for the purpose of being entered and executed on a computer system, for exclusive use of the purchaser of the work

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Inhalt Vorwort..............................................................................

7

1 Erwin Tegtmeier: Parmenides – Begründer der Substanzphilosophie.........................................................................

9

2 Holger Gutschmidt: Aspekte der Substanztheorie in der voraristotelischen Prinzipien- und Naturlehre....................

17

3 Gianluigi Segalerba: Aspekte der Substanz in Aristoteles

35

4 Damian Caluori: Plotinus on Primary Being.....................

85

5 Kristell Trego: Manifestation et Existence – Théophanie et dévoilement de l’ousia chez Jean Scot Érigène .................

105

6 Abraham D. Stone: Avicenna.............................................

133

7 Kristell Trego: Essentielle Substance – le renouveau de l’ousiologie dans l’œuvre de s. Anselme de Cantorbéry....

149

8 Ludger Jansen: Die Struktur der Substanzen bei Thomas von Aquin ..........................................................................

181

9 Carl Ledsham: Duns Scotus...............................................

211

10 Harald Berger: Der Substanzbegriff im spätmittelalterlichen Nominalismus ..................................................

235

11 Jörg Lauster: Unfassbar. Nikolaus von Kues’ Philosophie der Substanz.......................................................................

257

12 Andreas Brandt: (Fast) selbständiges Ding, denkend oder ausgedehnt – die Substanz nach Descartes ........................

273

13 Konrad Cramer: Gedanken über Spinozas Lehre von der All-Einheit .........................................................................

301

Inhalt

14 Antonella Lang-Balestra: Varius multiplex multiformis – Die Lehre der individuellen Substanz im Discours de Métaphysique von Leibniz .................................................

327

15 Stefan Büttner-von Stülpnagel: John Lockes Begriff der Substanz .............................................................................

351

16 Kiki Berk: Berkeley on Substance ......................................

365

17 Karl Hepfer: David Hume – Substanz als Fiktion..............

383

18 Jindřich Karásek: Substanzkategorie und kategorische Urteilsform (Kant)..............................................................

391

19 Thomas Auinger: Substanz und Begriff – Zu Hegels Begriffsbestimmung des Begriffs anhand der Kategorie der Substanz.......................................................

421

20 Pierfrancesco Basile: Monadologie und Relationen – Whitehead, Russel und die Ablehnung der Substanz-Metaphysik .........................................................

445

21 Svaneke Schüler: Jean-Paul Sartre – Ein Vertreter des Substanzendualismus?........................................................

461

22 Daniel von Wachter: Substanzen phänomenologisch untersucht – Roman Ingardens Substanzontologie.............

473

23 Erwin Tegtmeier: Wesenlose Substanz (Gustav Bergmann)

489

24 Mark Textor: P. F. Strawson – Substanzen und identifizierende Bezugnahme .............................................

499

25 Christian Kanzian & Joseph Wang: Substanzen in der analytischen Ontologie .......................................................

521

26 (Nachwort der Herausgeber:) Substantia – Sic et Non......

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Mitarbeiterverzeichnis........................................................

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Vorwort Dieser Sammelband stellt eine Geschichte des Substanzbegriffes und seiner Interpretationen in Einzelbeiträgen dar. Die wichtigsten Merkmale dieses Begriffes und seiner philosophischen Funktionen werden durch die Erörterungen einflußreicher Positionen von Parmenides bis in die Gegenwart herausgearbeitet und kritisch diskutiert. Der Substanzbegriff ist ein Schlüsselbegriff des philosophischen Denkens bis zur Neuzeit, und selbst in der Gegenwart finden sich Verteidiger seiner Verwendung. Darüber hinaus führt dieser Begriff in das Zentrum einiger wichtiger Denkrichtungen westlicher Philosophie wie Metaphysik, Logik, Ontologie und philosophischer Theologie. Er ist daher wie kaum ein anderer Begriff dazu geeignet, die Denkbewegungen abendländischen Philosophierens, insbesondere im Bereich der theoretischen Philosophie, zu verdeutlichen und zu konkretisieren. Die einzelnen Substanztheorien werden von unseren Autoren ausführlich und gründlich erörtert. Bezüge zu anderen Theorien und übergreifende Fragestellungen werden durchwegs berücksichtigt. Insofern nähert sich der Band einer Einführung in die Geschichte der Philosophie anhand ihrer Substanzontologien an. Allerdings verzeichnen die Beiträge der Autoren auch die Probleme und Defizite der jeweils von ihnen besprochenen Theorien. Dabei sind die Beiträge durchaus von den verschiedenen Interpretationsrichtungen und Betrachtungsweisen geprägt, die die jeweiligen Bearbeiter vertreten. Sie sind aber von Kollegen geschrieben, die in diesen Bereichen selber durch neuere Forschungsarbeiten hervorgetreten sind oder unmittelbar vor dem Abschluß solcher Arbeiten stehen. Bis auf den Text von Konrad Cramer handelt es sich bei den hier versammelten Arbeiten auch stets um Originalbeiträge. Wir danken in diesem Zusammenhang dem Klett-Cotta Verlag, Stuttgart, für die freundliche Erlaubnis, den Beitrag von Cramer nachdrucken zu dürfen. Es wurde darauf geachtet, daß in diesem Werk möglichst viele Aspekte des Substanzbegriffes und seiner historischen Entwicklung vorgestellt und daher auch möglichst viele Theorien berücksichtigt werden. Durch die auch für einen solchen Band gebotene Beschränkung waren allerdings hie und da Abstriche hinzunehmen. Darüber hinaus haben in vereinzelten Fällen zugesagte Artikel die Herausgeber leider nicht mehr erreicht.

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Vorwort

Gleichwohl dürfte es derzeit auf dem internationalen Buchmarkt kein vergleichbar repräsentatives Werk zu diesem Thema und seiner Geschichte und, so weit sich sehen läßt, überhaupt kein Werk, daß sich dem Thema auf diese Weise nähert, geben. Die Texte der Beiträger haben Einführungs- und Überblickscharakter. Wir hoffen daher, daß die hier versammelten Aufsätze auch für Wissenschaftler benachbarter Wissensgebiete und für Studenten der Philosophie einen guten Einstieg in eines der faszinierendsten Kapitel des abendländischen Denkens gewähren. Zum Abschluß sei dem Ontos-Verlag und seinem Verlagsleiter, Herrn Dr. Rafael Hüntelmann, für die gute Betreuung sowie den Herausgebern von Philosophical Analysis für die Aufnahme des Bandes in ihre Reihe gedankt. Die Herausgeber1

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Die Herausgeber haben darauf verzichtet, die Beiträge dieses Bandes in jeder Hinsicht zu harmonisieren. So sind manche der deutschen Beiträge in alter, manche in neuer Rechtschreibung verfaßt. Wiederum verzeichnen manche Texte ihre Literaturangaben in den Fußnoten, andere in einer Bibliographie am Ende des Beitrages. Solche Eigentümlichkeiten, soweit sie erkennbar zum Stil eines Verfassers gehören, wurden durchgängig respektiert.

Erwin Tegtmeier: Parmenides – Begründer der Substanzphilosophie 1. Substanz als eigentlich Seiendes Was mit dem Lateinischen „substantia“ (zu Deutsch also etwa „das Tragende“) übersetzt worden ist, war hauptsächlich das Altgriechische „ousia“, wie es Platon und Aristoteles verwenden. „ousia“ ist aber von „einai“ („Sein“) abgeleitet und bedeutet schlicht „Seiendes“. Allerdings handelt es sich um eine doppelte Substantivierung von „einai“, die eine größtmögliche Verstärkung ausdrückt. Die deutsche Entsprechung von „ousia“ wäre demnach etwa „das eigentlich Seiende“. Substanz in diesem Sinne kann dann natürlich nicht eine Kategorie neben anderen sein und das ist ousia sogar bei Aristoteles nicht, obwohl er zwei Kategorien von Substanzen und acht Kategorien von Akzidenzien unterscheidet. Denn das Akzidenz („symbebekos“) ist kein eigentlich Seiendes, sondern nur etwas an einem Seienden und die Substanzkategorien sind Subkategorien. In allen Substanzontologien kann man eine Tendenz zur Einkategorienontologie entdecken, wenn man den Unterschied zwischen eigentlich und uneigentlich Seiendem beachtet und ernst nimmt. Das Problem des eigentlich Seienden nun hat Parmenides zuerst aufgeworfen. Allerdings ohne das gesteigerte Wort „ousia“. Ihm liegt der Abstufungsgedanke, den Platon später hereinbringt, fern. Dem eigentlich Seienden stellt er nicht ein schwächer Seiendes, sondern das Nichtseiende gegenüber. Parmenides’ eigentlich Seiendes ist denn auch nur das im strengen Sinne Seiende bzw. das Seiende, das der strengen Nachprüfung standhält. Es ist nicht ein in höherem Grade Seiendes wie bei Platon und Aristoteles. Parmenides hat im damals griechisch besiedelten Unteritalien gelebt. Die Lebensdaten sind nicht genau bekannt. Er hat jedenfalls vor Sokrates gelebt und wird deshalb zu den sogenannten Vorsokratikern gerechnet. Laut Platon ist der junge Sokrates dem alten Parmenides noch begegnet. Wie sein Lehrer Xenophanes legt auch Parmenides seine Auffassungen in dichterischer Form dar. Sein Lehrgedicht ist nicht vollständig überliefert. Man nimmt aber an, daß die erhaltenen Fragmente dessen wesentliche Teile umfassen. Parmenides legt seine Lehre der Göttin Dike in den Mund. Da es in der griechischen Mythologie die Göttin der Gesetzlichkeit ist, kann man dies so verstehen, daß die Lehre sich auf Gesetze stützt, auf die logischen

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Parmenides

Gesetze nämlich, insbesondere auf das des ausgeschlossenen Widerspruchs. Parmenides ist der erste europäische Philosoph, der eine explizit logische Beweisführung hat und der die logische Gesetzlichkeit zum Thema macht. Die Unumstößlichkeit logischer Gesetze faßt Parmenides als Festhalten durch die Göttin Dike auf. Was die Göttin Dike als Weg des Seins in Parmenides’ Lehrgedicht verkündet und vorschreibt, ist vor allem eine strenge und konsequente Einhaltung der logischen Gesetze. Der Weg, vom dem sie abbringen will, der Weg des Nichtseins, führt über logische Nachlässigkeit und Widersprüchlichkeit, insofern auch Nichtseiendes neben Seiendem in der Erkenntnis akzeptiert wird. Man bekommt den Eindruck, daß der Weg des Nichtseins von der Mehrheit der Menschen beschritten wird und im Laufe des Lehrgedichts erweisen sich die gewöhnlichen Dinge und die gesamte wahrgenommene Welt als Nichtseiendes. Die gewöhnliche Erkenntnis, insbesondere die Wahrnehmung, wird von Parmenides in den Bereich des Irrtums verwiesen. Parmenides gebraucht allerdings das Wort „Meinung“ (doxa) im Gegensatz zu „Wahrheit“ (alēthes) (Fragment 4, 29-30). Parmenides hebt also mit seiner Terminologie die Ungeprüftheit der gewöhnlichen Erkenntnis hervor. Seine strenge Prüfung zeigt jedoch ihre Irrtümlichkeit. Parmenides’ Lehrgedicht lassen sich mehr oder weniger deutlich logische Beweisführungen gegen wesentliche Charakteristika der wahrgenommenen Dinge entnehmen und zwar gegen das Entstehen und Vergehen, gegen die Veränderung und gegen die Vielheit bzw. Komplexität überhaupt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß man es mit den Anfängen einer Theorie und Anwendung der Logik in der Philosophie zu tun hat und es erforderlich ist, die Beweisführungen zu rekonstruieren. 2. Das Nichtsein der wahrgenommenen Dinge Parmenides bringt gegen das Entstehen und Vergehen (ich fasse sie als „Werden“ zusammen) vier klar auszumachende Argumente vor: das ontologische, das logische, das epistemologische und das kausale Argument. Alle vier haben als Angelpunkt die Problematik der Nichtexistenz und sie gehen von der gewöhnlichen Auffassung aus, daß Werden ein Übergang zwischen Existenz und Nichtexistenz ist. Diese Auffassung dient also allen vier Argumenten als Prämisse. Das ontologische Argument (Parmenides Fragmente 2, 6 und 8) führt zu dem Schluß, daß Werden nicht existiert, weil es Nichtexistenz einschließt. Das logische Argument (Fragment 7) kommt zu demselben Ergebnis aufgrund des Gesetzes vom ausgeschlossenen Widerspruch und des Umstandes, daß Werden Existenz und Nichtexistenz desselben Dings in einer Konjunktion zusammenbringt. Das epistemologische Argument

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(Fragment 8,2-9) hat die Conclusio, daß Werden nicht erkennbar ist. Es geht von der Voraussetzung aus, daß Nichtexistentes nicht erkennbar ist, und daß als Ganzes nicht erkennbar ist, was zu Teilen nicht erkennbar ist. Das kausale Argument (Fragment 8) führt zu dem Ergebnis, daß Entstehen unerklärbar ist, wobei es davon ausgeht, daß Nichtexistentes nicht als Ursache in Frage kommt. Parmenides’ Argumente gegen die Veränderung sind nicht so deutlich wie die gegen das Entstehen und Vergehen, das ganz im Vordergrund steht. Anscheinend hat Parmenides die Veränderung, also den Verlust von Eigenschaften (einschließlich relationaler Eigenschaften) und ihre Ersetzung durch andere, auch als ein Entstehen und Vergehen aufgefaßt, mithin als einen Übergang zwischen Sein und Nichtsein. Das leuchtet unter zwei Gesichtspunkten ein. Zum einen entsteht bei der Veränderung der Besitz einer bestimmten Eigenschaft durch ein bestimmtes Ding und der Besitz der durch die neue Eigenschaft verdrängten alten Eigenschaft vergeht. Zum anderen unterscheidet Parmenides nicht zwischen existenziellem und prädikativem „ist“ („estin“). Und der Verlust und der Gewinn einer Eigenschaft E durch ein Ding a ist ja ein Übergang zwischen dem Umstand, daß a E ist, zum Umstand, daß a nicht E ist, also zwischen dem Ist und dem Ist-Nicht, zwischen dem Sein und dem Nichtsein. Parmenides’ Einwand gegen eine Vielheit von Dingen scheint zu sein, daß sie Nichtsein und Nichtseiendes voraussetzen (Fragment 8, 20-25). Er versteht dabei den leeren Raum, der die materiellen Dinge trennen müßte, um ihre Vielheit zu ermöglichen, als Nichtseiendes. Einen analogen Einwand scheint er gegen die Komplexität, also gegen die innere Geteiltheit materieller Dinge zu haben: er nimmt offenbar an, daß auch die Teile desselben Dings durch leeren Raum getrennt werden müssten. Parmenides’ Argument gegen die Vielheit und Komplexität ist angreifbarer, weil es von mehr nicht-logischen Prämissen abhängt. Es sind Prämissen hinsichtlich der Natur des Raumes. Wer der Auffassung ist, daß der Raum in nichts anderem als räumlichen Relationen besteht, wird sie nicht akzeptieren und auch ein Verfechter einer absolutistischen Auffassung, der sich den Raum aus Orten zusammengesetzt denkt, hat guten Grund, einen leeren Raum für seiend zu halten. Im übrigen richtet sich das Argument nur gegen eine Vielheit von räumlichen Entitäten. Dadurch wird eine Vielheit oder ein Komplex von nicht-räumlichen Entitäten (wie z.B. Universalien oder Sachverhalten) nicht ausgeschlossen. 3. Parmenides’ Seinskennzeichen Wie in der Logik heute noch üblich, schließt Parmenides von der Widersprüchlichkeit auf die Nichtexistenz der gewöhnlichen Dinge. Es blieb Kant vorbehalten, von der Widersprüchlichkeit auf eine

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bewußtseinsabhängige Existenz zu schließen, was immer das sein soll. Die Widersprüchlichkeit spielt jedoch nur in einem Teil der Argumente eine Rolle, wenn auch in dem größten und stärksten Teil. Ansonsten schließt Parmenides auch aus ihrer Unerkennbarkeit und kausalen Unerklärbarkeit auf die Nichtexistenz der Wahrnehmungsobjekte. Aufgrund seiner Argumente stellt Parmenides dann Kennzeichen für Seiendes zusammen, eben für solches, gegen das seine Argumente nicht vorgebracht werden könnten. Die Kennzeichen sind erwartungsgemäß die folgenden: daß das Seiende nicht entsteht und nicht vergeht, daß es sich nicht verändert, daß es einfach ist, und daß es nur eines davon gibt. Parmenides behauptet damit gegen alle Wahrnehmung und allein aufgrund logischer Prüfung, daß es nur ein einfaches, unveränderliches Seiendes gibt. Er vergleicht das einzige Seiende mit einer wohlgerundeten Kugel und erläutert, daß es eine letzte Grenze habe und allseits vollendet sei, weil kein Nichtseiendes seine Homogenität beeinträchtige (Fragment 8, 50-55). Dabei tritt wieder hervor, wie stark Parmenides räumlich denkt, auch wenn er sich bewußt ist, zu vergleichen (er benutzt das Wort „isopales“). Parmenides’ Kennzeichen des Seins (Ewigkeit, Unveränderlichkeit, Einfachheit) nun haben Philosophiegeschichte gemacht. Sie sind zu Kriterien der Substanz geworden, die bis in die Gegenwart beibehalten wurden. Allerdings ist die Ewigkeit schon früh zu relativer Dauerhaftigkeit abgeschwächt worden. Man beachte nun den Unterschied zwischen Kennzeichen und Merkmalen. Merkmale der Substanz definieren diese, Kennzeichen sind nur Charakteristika, die damit in gesetzmäßigem Zusammenhang stehen. Parmenides’ Kennzeichen stehen und fallen mit den zugehörigen Argumenten und sie setzen eine unabhängige Bestimmung des eigentlich Seienden bzw. der Substanz voraus. Dagegen definieren Merkmale erst die Kategorie. Weil Parmenides’ Kennzeichen als Merkmale genommen wurden, ist es kaum zu einer Überprüfung der Stichhaltigkeit seiner Argumente gekommen. Zugleich hat man sie wegen des radikalen Gegensatzes ihrer Konsequenzen zu unserer Wahrnehmung herablassend behandelt, vor allem Aristoteles nahm diese Haltung ein (Aristoteles: Physica 185a). Platon hat die Entwicklung der Substanzphilosophie entscheidend beeinflußt, zum Einen dadurch, daß er lehrte, die Beschaffenheiten („eidos“) der Wahrnehmungsdinge erfüllten die Merkmale des eigentlich Seienden, und zum Anderen durch seine Abstufung des Seienden, in der das in höchsten Grade ist, was die Merkmale voll erfüllt. Die Wahrnehmungsdinge, die die Merkmale nicht erfüllen, stuft Platon aber doch als Seiende ein, wenn auch als in geringerem Grade Seiende. Dies stand in eklatantem Gegensatz zu Parmenides’ strengem Seinsbegriff, der nur das eigentlich Seiende zuläßt und alles Andere ins Nichtseiende verweist. Aristoteles hat sich noch weiter davon entfernt, indem er neben Seinsgraden auch noch Seinsweisen unterschied im Zusammenhang mit

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seiner These der Mehrdeutigkeit des Wortes „ist“ („estin“), wobei er einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Bedeutungen dadurch herstellt, daß er eine Zentralbedeutung auszeichnet, von der die anderen abhängen sollen. Parmenides behandelt das „ist“ noch als eindeutiges Wort. Vor allem Aristoteles hat dafür gesorgt, daß die tiefen Einsichten Parmenides’ nicht verstanden und gewürdigt wurden. Er kümmert sich im Grunde nur um das eher schwache kausale Argument. Das ontologische, meint er, sei durch seine These von der Mehrdeutigkeit des „ist“ überholt (Aristoteles: Physica 185a). Und Platon verteidigt das Nichtsein mit Beispielen, in denen das „ist“ im Sinne von „ist identisch mit“ gebraucht wird, also nicht im Sinne von „existiert“ (Platon: Sophistes 255e, 256a). Nichtsdestoweniger, oder vielleicht gerade deswegen, sind Parmenides’ ontologisches und epistemologisches Argument immer noch Herausforderungen für die Metaphysik. Die meisten der heute verfochtenen philosophischen Analysen des gewöhnlichen Dings und seiner Erkenntnis scheitern an diesen Argumenten, z.B. diejenigen, die die Widersprüchlichkeit des Entstehens und Vergehens durch Relativierung auf Zeitpunkte vermeiden sollen. Wenn man aus Parmenides’ ontologischem Argument die Größe der Schwierigkeit einzusehen gelernt hat, wird man bereit sein, die gewöhnliche Auffassung des Werdens, in der Zeit und Existenz verquickt sind, in Frage zu stellen. Nur mit einer Trennung von Zeit und Existenz, nach der man Entstehen und Vergehen nicht mehr als Übergang zwischen Existenz und Nichtexistenz, sondern bloß als zeitlichen Anfang oder zeitliches Ende auffaßt, kann man dem ontologischen Argument entgehen. (s. Tegtmeier: Zeit und Existenz, Teil I, und ders.: Parmenides’ Problem of Becoming and its Solution). Daß eine solche Trennung ein radikales Umdenken mit weitreichenden Konsequenzen notwendig macht, verdeutlicht, wie schwer seine Argumente wiegen und wie tief seine Einsichten waren. Allerdings ist das Umdenken dabei nicht so radikal wie das von Parmenides selbst verfochtene. Es geht nur darum, das Werden anders zu denken, nicht darum, alles Werdende als Nichtseiendes zu verwerfen. 4. Parmenides’ Beschränkung In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, auf eine mehr als 2000jährige Geschichte der Substanzphilosophie zurückblickend, hat Gustav Bergmann fünf Komponenten des Substanzbegriffs unterschieden (G. Bergmann: Realism, Section 6), man könnte auch sagen, fünf Rollen, die man die Substanzen in der Substanzphilosophie hat spielen lassen. Diese Fünfteilung scheint mir treffend, und ich will sie deshalb auf Parmenides

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Parmenides

anwenden, um zu fragen, wie weit Parmenides der Substanztradition angehört und wie weit er ihr vorgearbeitet hat. Substanzen dienen nach Bergmann 1. als Individuatoren, 2. als Träger ihrer Eigenschaften, 3. als Minimalobjekte, 4. als Fortdauerndes (über Zeit und Veränderung hinweg) und 5. als Agens. Zu der dritten Rolle erläutert Bergmann, daß er sie eigentlich nur im Hinblick auf die Substanzlehre Brentanos in die Zusammenstellung gebracht hat. Durch diese fünf Rollen löst die Ontologie mit der Kategorie der Substanz bis auf das Universalienproblem alle Grundprobleme der Ontologie, nämlich das der Komplexität (insbesondere des Zusammenhangs von Ding und Eigenschaft), das der Individuation und das der Fortdauer (dadurch, daß die Substanz immer dieselbe bleibt). Was das Substanz als Agens angeht, so wird dadurch kein ontologisches Problem im engeren Sinne gelöst, sondern eines der Biologie, zumal Aristoteles damit vor allem Organismen gerecht werden will. Außerdem fiel es den Kritikern der Substanzphilosophie nicht schwer, die Agenskonzeption als dunkel, verworren und wenig erklärungskräftig hinzustellen. Wenn man diese Liste an Parmenides’ Substanz anlegt, so kann man feststellen, daß die Beschränkung auf eine einzige Substanz dazu führt, daß diese alle Rollen erfüllen kann, außer vielleicht der des Agens. Es tut der Vollständigkeit von Parmenides’ Ontologie keinen Abbruch, daß die Substanz nicht die Rolle des Agens spielen kann, zumal die Konzeption des Agens ohnehin diffus ist. Jedoch kommt man nicht umhin zuzugestehen, daß hier wie anderwärts die Vollkommenheit in der Beschränkung liegt. Mit nur einem Seienden stellen sich naturgemäß die meisten ontologischen Probleme gar nicht erst, wie das der Komplexität, das der Individuation, das der Relationen und das der Universalien. Schwacher Punkt von Parmenides’ monistischer Ontologie ist zweifellos ihre gänzliche Unvereinbarkeit mit der Wahrnehmung. Da Parmenides sich in seiner Ontologie auf die Situation einer einzigen einfachen Entität beschränkt, ist sie nicht auf die Wahrnehmungswelt anwendbar. Für diese nicht-existierende Welt skizziert Parmenides auch eine Theorie, die jedoch nicht ontologisch, sondern kosmologisch ist. Platon und Aristoteles waren bemüht, den Wahrnehmungsdingen doch einen gewissen ontologischen Status zu verschaffen. Dieses Bemühen ist bei Aristoteles noch stärker und zentraler als bei Platon. In der Substanzphilosophie überhaupt ist es zentral, zumal die Substanzphilosophie die meiste Zeit mit dem Aristotelismus zusammenfällt. Bei Aristoteles hat das gewöhnliche, wahrgenommene Ding keine Halbexistenz wie bei Platon, sondern eine volle Existenz, allerdings auf Kosten seiner Eigenschaften und aller nichtdinglichen Phänomene wie z.B. Relationen und Sachverhalten.

Erwin Tegtmeier

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Literatur Austin, S.: Parmenides. New Haven/London 1986 Bergmann, G.: Realism. Madison 1968 Coxon, A. H.: The Fragments of Parmenides. Assen/Maastricht 1986 Owen, G. E. L.: Logic, Science, and Dialectic. London 1986 Parmenides: Über das Sein. Griechisch/Deutsch. Stuttgart 1981 Parmenides: Die Anfänge der Ontologie, Logik und Naturwissenschaft. Die Fragmente, hrsg., übers. und erläutert von E. Heitsch. München 1974 Tegtmeier, E.: Parmenides’ Problem of Becoming and its Solution, in: Philosophiegeschichte und Logische Analyse 2 (1999) Tegtmeier, E.: Zeit und Existenz. Parmenideische Meditationen. Tübingen 1997 Verdenius, W. J.: Parmenides – Some Comments on his Poem. Groningen 1942

Holger Gutschmidt: Aspekte der Substanztheorie in der voraristotelischen Prinzipienund Naturlehre I. Vorbemerkung In der Erörterung der Stellung der voraristotelischen Ontologie für das Substanzproblem ist der Sachverhalt zu berücksichtigen, daß der Begriff ‚Substanz’ in den Schriften der vorsokratischen Denker sowie der Sophisten und Platons faktisch nicht vorkommt.1 Diese Schriften beschäftigen sich nur der Sache nach mit Fragen, die dann in der späteren Philosophie Elemente des Substanzdenkens geworden sind. Sie tun dies jedoch nicht in Zusammenhang mit speziellen Überlegungen zum Einzelding oder zum Bezugsgegenstand prädikativer Aussagen, sondern vornehmlich im Rahmen der Suche nach letzten Prinzipien der Naturerklärung sowie solchen der Begründung von wissenschaftlichen Aussagen überhaupt. Im engeren Sinne ontologische Fragen werfen nur die Eleaten (Parmenides und Melissos) sowie Platon auf. Auch hier ist aber zu beachten, daß die Überlegungen dieser Autoren vor allem darauf ausgehen, ein angemessenes Verständnis dessen zu finden, was mit dem Ausdruck ‚Sein’ bezeichnet wird. Jedoch geht ihre Definition von ‚Sein’ weit darüber hinaus, die Bedeutung dieses Ausdrucks bloß zu klären.2 Vielmehr soll sie eine Wesensdefinition von Sein bieten; auch soll der entsprechende Ausdruck nicht in seiner alltagssprachlichen Bedeutung verwendet werden, sondern als theoretischer Terminus in Bezeichnungen und Beschreibungen von dem, was wahrhaft und wirklich besteht.3 Dies zeigt sich unmittelbar in der sowohl bei Parmenides als auch bei Platon gebrauchten Gegenüberstellung von Sein und Schein/Meinung.4 Die Verwendung des 1

Was allerdings nicht bedeutet, daß die von Aristoteles in seiner Substanztheorie verwendeten Ausdrücke, usia und eidos, nicht bereits zuvor in ontologischen Diskussionen auftreten, vgl. etwa H. H. Berger, Ousia in de Dialogen van Plato, Leiden 1961; Rainer Marten, Ousia im Denken Platons, Meisenheim am Glan 1962; Michael Frede, Being and becoming in Plato, Oxford Studies in Ancient Philosophy Suppl. Vol., 1988, S. 37-52. 2 Vgl. Andreas Graeser, Platons Ideenlehre, Bern 1975, S. 148. 3 Vgl. zu Parmenides den Artikel von Erwin Tegtmeier in diesem Band. Die dort gegebene Darstellung der parmenideischen Seinslehre wird hier vorausgesetzt und nicht noch einmal erörtert. 4 Vgl. etwa DK (Diels/Kranz, Fragmente der Vorsokratiker) 28 B 2, B 8; Politeia 508 df.

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Voraristotelische Prinzipienlehre

Seinsbegriffs bei Platon und den Eleaten besitzt insofern eine kritische Funktion: ‚Sein’ bezeichnet das, was sich nur auf letzte Gründe zurückführen läßt und mit logischer Notwendigkeit gesagt werden kann. Damit verweist der Seinsbegriff auch in diesen Theorien auf Gründe, die in Naturerklärungen fungieren können, etwa Naturgesetze, erste Ursachen oder metaphysische Prinzipien, welche aber deshalb nicht selbst auch Natursachverhalte darstellen müssen. Auf diesen Unterschied verweist bereits Parmenides, und seine Position ist bei Platon noch viel detaillierter ausgearbeitet. Danach sind die obersten Prinzipien allein durch das Denken (noein) und nicht durch Naturforschung begründbar. Indessen gilt auch für sie, daß sie die Verfassung der wirklichen Welt erklären (v.a. bei Platon). Sie können die Welt aber dadurch erklären, weil sie solche Eigenschaften besitzen, die Erklärungsgründe idealerweise besitzen sollten: sie sind ewig, unveränderlich, durch sich selbst bestimmt und eines, im Denken erkennbar, und es läßt sich das Seiende auf sie zurückführen, in seinen Gegebenheitsweisen aber auch, wie bei Platon, bewerten.5 Sie erfüllen dadurch ähnliche Funktionen wie die kosmologischen Prinzipien in den Theorien der Vorsokratiker. Doch verdankt sich ihre Herkunft nicht allein Überlegungen hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit, d.h. ihrer Erklärungsmacht, sondern mindestens ebensosehr solchen zum Begründungsproblem. Der Ausdruck ‚Sein’ in der eleatischen und platonischen Philosophie bezieht die Erklärungsgründe auf besondere Begründungsstandards, die zum einen selbst das Resultat eines abstrakten oder „reinen“ Denkens sind, die zum anderen aber auch die Abstraktheit und Reinheit der Erkenntnis solcher Erklärungsgründe fordern. In der Funktion, die die „Seinsgründe“ und Naturprinzipien erfüllen, zeigen sich die stärksten Berührungspunkte zur Aristotelischen Substanztheorie.6 Die Substanzen bei Aristoteles – seien es die Einzeldinge (usiai) als letzte, unteilbare Beziehungspunkte von Aussagen und als das wahrhaft Selbständige in der Welt,7 seien es die Formen der Dinge (eide), die in der späteren Substanztheorie das sind, was das Einzelne zu etwas macht, das wesentliche Eigenschaften besitzt, und die darüber hinaus das Unvergängliche am Einzelnen bezeichnen8 – sind ähnlich wie die vorsokratischen Prinzipien (archai, aitiai) oder die platonischen Ideen (ideai) die Grundelemente des Ganzen. Sie haben mit diesen gemein, daß sie hinsichtlich ihrer Existenz und ihrer Qualitäten nicht auf anderes 5

Als erster hat dies Melissos, laut Diogenes Laertios IX, 24 ein Schüler des Parmenides, für den Begriff des Seins systematisch formuliert, vgl. den Kommentar des Simplikios zur aristotelischen Physik, Simpl. In Phys. 103, 13ff. Ähnliche Aussagen finden sich aber bereits in Parmenides’ Lehrgedicht, so zu den Prädikaten des Ungeschaffenseins, der Unveränderlichkeit sowie der Vollkommenheit, DK 28 B 8, 5-49. 6 Vgl. hierzu den Beitrag von Gianluigi Segalerba in diesem Band. 7 So die frühe Substanzkonzeption in der Kategorienschrift, vgl. Arist. Kat. 4f. 8 Met. Z 2f., 1028 b 33ff.

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zurückgeführt werden können und daß mit Rekurs auf sie das Was-Sein der Dinge und Sachverhalte erklärt zu werden vermag. Im Gegensatz aber zu Platon und vielen vorsokratischen Autoren kennt Aristoteles keine höchsten und letzten Gattungen, auf die sich wiederum das viele verschiedene Was-Sein der Gegenstände und Sachverhalte zurückführen ließe und die gleichsam die Realdefinition von ‚Sein’ angäben. Die Ontologie des Aristoteles und damit auch ihr Substanzbegriff bleiben formal.9 Demgegenüber zeigen viele Vertreter der Philosophie vor Aristoteles die Tendenz, nicht nur die Kriterien anzugeben, die das zu erfüllen hat, was „Sein“ oder „Seiendes“ genannt werden kann, sondern zugleich auch inhaltlich zu beschreiben, was und von welcher Art das ist, das diese Kriterien erfüllt. Beide Formen des Substanzbegriffs – die „formale“ des Aristoteles einerseits und der Versuch andererseits, (höchste) Genera des Seins zu beschreiben und alles Übrige durch sie zu erklären – haben die weitere Geschichte des Substanzkonzeptes bis in die Neuzeit bestimmt. II. Vorsokratik Die Vorsokratiker sind vor allem an Theorien der Naturentstehung und Naturerklärung interessiert. Selbst für Parmenides gilt, daß er neben der Seinslehre eine Kosmologie entwickelt hat,10 wenn auch nur als Systematisierung derjenigen Auffassungen, die die „Doxa“, das an Wahrnehmungen und Erfahrungserkenntnis orientierte Naturverständnis, von der Welt hat. Ihr gegenüber ist aber für Parmenides und Melissos die Seinslehre vorrangig, und zwar derart, daß die beobachtbaren Naturphänomene im Grunde geradezu irreal bzw. „Schein“ sind.11 Der erste unter den Vorsokratikern, der schon in der Antike12 als Denker eines Seinsgrundes angesehen wurde, ist Thales. Allerdings beruht diese Ansicht gänzlich auf der Darstellung des Aristoteles, der in Metaphysik Alpha erklärt, daß Thales die These vertreten habe, das Wasser sei der materielle Grund von allem.13 Die Schwierigkeiten, die mit dieser 9

„Zu sein heißt für Aristoteles vielmehr, eine ousia bzw. Substanz oder eine Qualität oder eine Quantität oder etwas anderes dergleichen zu sein.“ Michael Frede, „Sein; Seiendes I“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. 9, Basel 1995, Sp. 170ff., hier Sp. 173. 10 DK 28 B 8, 53-61, sowie den Aetios-Bericht, DK 28 A 37. 11 Simplikios De caelo, 558, 21, zur Kritik des Melissos an der Weltauffassung des gesunden Menschenverstandes, und zuvor bereits Parmenides DK 28 B 1, 28-32, B 6, B 8, 53ff. 12 Hippolytos, Ref. I, 1. 13 Met. A 983 b 6ff. An einer anderen Stelle (De cael. 294 a 28f.) behauptet Aristoteles allerdings nur, daß Thales gesagt habe, daß die Erde auf dem Wasser

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aristotelischen Darstellung verbunden sind, sind vielfältig. Eine wichtige Schwierigkeit ist, daß Aristoteles’ Darstellung in Metaphysik Alpha zwischen mehreren Positionen schwankt, nämlich (a) daß das Aufruhen der Erde auf dem Wasser die Erderschütterungen (Beben) erklärt, (b) daß das Wasser der Ursprungsort des Lebendigen und alles dessen, was „feucht“ (hygros) ist, ist und (c) daß das Wasser (wie bei den Dichtern der Okeanos und die Thetys) als das Prinzip des Entstehens verstanden werden kann. – Eine andere Schwierigkeit besteht darin, daß Aristoteles in De caelo, wo er ein zweites Mal auf die Position des Thales zu sprechen kommt, die These, daß das Wasser eine Art „Ursprung“ darstellt, nicht mehr erwähnt (s. Fußnote 13). Berücksichtigt man aber den Charakter der Forschungen, die sonst von Thales berichtet werden,14 sowie seine „hylozoistische“ Tendenz, auch viele unbelebt erscheinenden Dinge als lebendig oder beseelt anzusehen,15 sollte man bei aller gebotenen Vorsicht vermuten, daß die von Thales de facto vertretenen Thesen eher unter (a) und (b) zu finden sind.16 Erst bei den auf Thales nachfolgenden Naturphilosophen, Thales’ milesischen Mitbürgern Anaximander und Anaximenes, finden sich Theorien, die ein monistisches Grundprinzip (arche) als Erklärungsgrund für die Eigenschaften und Veränderungen des Kosmos annehmen und dessen Wirkungsweise zu beschreiben versuchen. Dabei ist sich bereits Anaximander des Problems bewußt, daß eine qualitative Bestimmung des Prinzips dessen Funktion als Grund oder Ursubstanz des Kosmos beeinträchtigt. Seine Bezeichnung als „Unbegrenztes, Grenzenloses“ (apeiron) weist darauf hin. Unklar ist allerdings, wie genau sich Anaximander die Funktion des Begründens dachte.17 Das Apeiron ist zumindest in dem Sinne „unbegrenzt“, daß es den ganzen Kosmos umfaßt.18 Darüber hinaus ist es, wie gesagt, auch qualitativ unbestimmt.19 schwimme (so auch Met. 983 b 20f.). Vgl. auch Senecas Darstellung in Nat. III, 14 (= DK 11 A 15). 14 Vgl. v.a. den Herodot-Bericht über Thales’ technische und astronomische Fähigkeiten, Her. I, 74f. 15 Die überlieferten Thesen sind, daß laut Thales „alles voll von Göttern“ sei (Arist. De an. 411 a 8f.) sowie daß selbst Magnetstein und Bernstein eine „Seele“ (psyche) besitzen müssen, da sie anderes zu bewegen vermögen (Diog. Laert. I, 24). 16 Vgl. hierzu auch Keimpe Algra, Die Anfänge der Kosmologie, in: A. A. Long (Hg.), Handbuch Frühe Griechische Philosophie (orig. The Cambridge Companion to Early Greek Philosophy, 1999), Stuttgart 2001, S. 47f. 17 Vgl. zum Folgenden die luzide Analyse in G. S. Kirk, J. E. Raven, M. Schofield, Die vorsokratischen Philosophen (orig. The Presocratic Philosophers, 19832), Stuttgart 2001, S. 115ff. 18 Der von Aristoteles (Physik Gamma, 203 b 7) sowie Theophrast (laut Hippolytos, Ref. I, 6, 2) in ihren Darstellungen gebrauchte Ausdruck ist „periechein“. 19 Arist. Phys. Gamma, 204 b 22 (auch wenn die Begründung, daß eine qualitativ bestimmte Grundsubstanz ihre Gegensätze (etwa das Feuer gegenüber dem Wasser als Grundprinzip bei Thales) gar nicht erst hätte entstehen lassen können, u. U. auf Aristoteles selber zurückgeht, vgl. Kirk/Raven/Schofield (Anm. 17), S. 124).

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Es scheint auch eine Lenkungsfunktion über die Veränderungen und Bewegungen des Kosmos auszuüben,20 aber dies nicht unmittelbar, sondern über Gegensätze (enantiai),21 die aus dem in sich homogenen Grund, dem Apeiron, entstanden oder gezeugt worden sind und deren Wechselbeziehung den Kosmos und die Himmelskörper hervorbringt.22 Will man das berühmte Zitat, das Theophrast von Anaximander überliefert (der erste Originaltext der antiken Philosophie!), auf die Gegensätze anwenden,23 dann behauptet Anaximander, daß die entgegengesetzten natürlichen Substanzen (die enantiai) in einem Wechselspiel stehen, welches notwendigerweise immer zum Ausgleich durch die Gegenwirkung der einen Substanz auf die vorherrschende andere führt.24 Das Apeiron „regiert“ den Kosmos also durch ein fortwährende Veränderungen hervorrufendes Miteinander von Differenz und Ausgleich. Anaximander gehört somit auch bereits zu den Philosophen, die die Wirkungsursache von Veränderungen angegeben haben, obwohl Aristoteles ihn in seiner Darstellung der historischen Entwicklung der Theorie der Ursachen in Metaphysik Alpha nicht ausdrücklich nennt. Jedoch hat Anaximander die Wirkungsursache nicht terminologisch vom „Materieprinzip“ unterschieden, und er hat dadurch, daß er die Ursache der Veränderungen und die Materie in ein Prinzip verlegte, neue Probleme erzeugt. So bleibt in Anaximanders Theorie unklar, wie aus Einem Vieles, wie aus dem Qualitätslosen Qualitäten und wie aus dem Ruhenden25 Bewegung hervorgehen kann. Anaximenes, der in der Antike als Schüler des Anaximander angesehen wurde,26 hat darauf anscheinend so reagiert, daß er die Abstraktheit des anaximandroschen Apeiron zurückgenommen und einen, wenn auch äußerst feinen Grundstoff in Gestalt der „Luft“ (aer) als Prinzip angenommen hat.27 Die qualitativen Veränderungen sind auch bei Anaximenes das Resultat einer Art von Grundgegensatz, der jedoch selbst nur quantitativ bestimmt ist: als Verdichtung und Verdünnung der Luft. Anaximenes hat mithin die Schwierigkeit, Qualitätsveränderungen aus 20 21

Aristoteles gebraucht in seiner Darstellung das Wort „kybernan“, Phys. 203 b 7. Der Hauptgegensatz scheint derjenige zu sein, der mit den Gegensatzpaaren von Warmem und Kaltem bzw. Feuer und Luft in Zusammenhang steht, welche eine entscheidende Rolle in der Kosmologie spielen (vgl. DK 12 A 10). 22 Vgl. besonders den Simplikios-Bericht über die Darstellung Anaximanders bei Theophrast, In Phys. 24, 13 (= DK 12 A 9). 23 Kirk/Raven/Schofield (Anm. 17), S. 130f. 24 „Aus welchen (sc. seienden Dingen) die seienden Dinge ihr Entstehen haben, dorthin findet auch ihr Vergehen statt ‚gemäß der Notwendigkeit, denn sie geben einander Recht für das Unrecht nach der Ordnung der Zeit’“. (Simplikios In Phys. 24, 17, vgl. DK 12 A 9) 25 Kirk/Raven/Schofield (Anm. 17), S. 140. 26 Diog. Laert. II, 3; Simplikios In Phys. 24, 26f. 27 Simplikios loc. cit. (= DK 13 A 5); Hippolytos Ref. I, 7, 1ff. (= DK 13 A 7). – Die Konnotation des lebenspendenden Atem, des „Lebensodem“, ist wohl nicht zufällig.

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einem Prinzip zu erklären, durch ihre Uminterpretation als Wechsel von Quantitäten zu lösen versucht. Auch das Problem der Entstehung der Bewegung scheint Anaximenes auf ähnliche Weise gelöst zu haben, indem er davon ausgegangen ist, daß der Aer ununterbrochen in Bewegung ist.28 Mit den milesischen Naturphilosophen sind einige wichtige Grundgedanken in die Prinzipientheorie eingeführt worden, die bis zu Platon relevant bleiben sollten. Zum einen wird die Existenz des Ganzen (des Kosmos) durch die Existenz des oder der Grundprinzipien erklärt. Um die natürlichen Veränderungsprozesse (die Metamorphosen) sowie die Mannigfaltigkeit dessen, was ist, zu begreifen, werden diese Prinzipien zum anderen gleichsam dadurch „dynamisiert“, daß sie in eine enge Verbindung mit einem oder mehreren Gegensatzpaaren gebracht werden, deren Wechselspiel Veränderungsprozesse verständlich machen soll (ohne daß aus den überlieferten Testimonien und Fragmenten genau deutlich würde, wie). Im Zentrum der philosophischen Betrachtung stehen hierbei v.a. Naturvorgänge, kosmologische und biologische Prozesse – selbst wenn Anaximander den Ausdruck „dike“ („Recht(-sordnung)“) zur Beschreibung der Gesetzmäßigkeiten gebraucht, durch die die Veränderungen bestimmt sind, oder wenn Anaximenes den Aer auch zum Prinzip und Grundstoff für die Götterwelt29 erklärt. Die Ausrichtung der Theorie auf Natursachverhalte bleibt, mit einigen Ausnahmen, bis zu den Atomisten bestehen.30 Auch der Gebrauch von Gegensatzpaaren als Erklärungsgründen wird für viele Vorsokratiker zum wichtigen Bestandteil ihrer Positionen. Während die Ansichten des Xenophanes keine wesentlichen Neuerungen darstellen,31 hat Heraklit das Problem der Veränderung gründlicher durchdacht. Die Thesen der ionischen Naturphilosophen (zu denen der topographischen Herkunft nach auch Xenophanes, ja Heraklit selbst gehörten) waren ja darauf ausgerichtet, Veränderungen durch Angabe der Materieursachen und der Wirkungsursachen (gleichsam der hinter den Veränderungen stehenden „Kräfte“) vor allem zu erklären. Demgegenüber 28 29 30

Vgl. Cicero De nat. deor. I, 10, 26 (= DK 13 A 10). Vgl. DK 13 A 7, A 10. Vgl. des Aristoteles Bemerkung, daß Sokrates der erste gewesen sei, der wissenschaftliche Fragestellungen auf die Ethik angewandt habe, Met. My, 1078 b 17ff. 31 Zu seiner These, daß die Welt durch eine Mischung von Erde und Meer bestimmt sei, vgl. etwa Hippolytos Ref. I, 14, 5f.; Aristoteles hat in Met. Alpha, 986 b 18ff. Xenophanes’ Lehre vom „einen“ Gott mit der Lehre der Eleaten in Verbindung gebracht und daraus so etwas wie die Vorgängerversion der parmenideischen These vom einen, unbewegten Sein gemacht. Hierfür gibt es aber kaum Anhaltspunkte, zumal Aristoteles an der betreffenden Stelle selbst nicht recht zu verstehen scheint, was Xenophanes meint („Xenophanes ... drückte sich nicht deutlich aus“). Wahrscheinlicher ist, daß diese These in den Kontext von Xenophanes’ berühmter Kritik an der anthropomorphen Gotteslehre der Dichtung gehört (vgl. DK 21 B 14), zumal auch von Xenophanes neben dem einen Gott die Existenz einer Vielzahl weiterer Götter angenommen wird (DK 21 B 23).

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erörtert Heraklit eine besonders wichtige Grundlage für alle diese Theorien, die aber von ihren Autoren bis dahin nicht hinreichend diskutiert worden war. Heraklit erkennt, daß die Berechtigung ihrer Ansätze darauf beruht, eine Antwort auf die Frage zu geben, wieso das, was sich verändert und in Gegensätze aufspaltet, doch als eines und dasselbe den gesamten Kosmos nach gleichbleibenden Gesetzen beherrschen kann. Seine Lösung darf als Fortführung der für Anaximander in Anspruch genommenen These (s. o.) gelten, daß das Wechselspiel die Gegensätze regelmäßig zum Ausgleich führt, so daß eine Art dynamischen Gleichgewichtes entsteht, welches die Veränderungsprozesse durchzieht und lenkt. Heraklit hat diesen Gedanken konsequenter und radikaler formuliert. Eine Reihe von Aussagen ist überliefert, in denen er plastisch, wenn auch stark metaphorisch seine Ansicht vorträgt.32 Danach stehen die Einheit des Kosmos und die Gegensätze, in die der Kosmos zerfällt – in die auch die Dinge und Sachverhalte angeordnet sind – in einem bikonditionalen Verhältnis zueinander, Heraklit spricht zuweilen sogar von „Identität“.33 Das heißt, die Einheit des Ganzen besteht nur dadurch, daß es sich in Gegensätze aufspaltet und derart verändert. Die Gegensätze und ihre Mannigfaltigkeit sind damit notwendige Bedingungen für das Bestehen des einen Kosmos geworden. Heraklit unterläßt es, bestimmte Gegensatzpaare als grundsätzlich auszuzeichnen, sondern nennt eine Fülle von ihnen als Beispiele. Dabei tritt ein typisches Argumentationsmuster auf, das zeigt, daß unter diesen Gegensätzen auch der Wechsel der Eigenschaften an einem Gegenstand zu verstehen ist. Danach kann ein und derselbe Gegenstand a einmal unter das Prädikat „F“ und einmal unter „nicht-F“ fallen, abhängig von der Perspektive, aus der a betrachtet wird. Für alles, was als Gegenstand von Aussagen in Frage kommt – seien es Dinge, Eigenschaften von Dingen, Sachverhalte oder Prozesse – gilt, daß es immer eine zweite Perspektive gibt, aus der über es mit ebensoviel Recht das gegenteilige Prädikat (d.h. zumindest „nicht-F“) ausgesagt werden kann. Umgekehrt gilt jedoch auch, daß es nicht möglich ist, daß etwas besteht, das nicht – wenn auch manchmal auf geheimnisvolle Weise – mit seinem Gegenteil verknüpft ist.34 Heraklits Position ist nicht etwa, die 32

Z. B. DK 22 B 8 („Das Widerstreitende – zusammentretend; und aus dem Differenten – die schönste Harmonie.“), B 10 („Verbindungen: Ganzheiten und keine Ganzheiten, Zusammentretendes – Sich Absonderndes, Zusammenklingendes – Auseinanderklingendes: sowohl aus allem eines, wie auch aus einem alles.“), B 60 („Der Weg hinauf und hinab ist ein und derselbe.“), B 88 („Dasselbe ist Lebendiges und Totes und Waches und Schlafendes und Junges und Altes. Denn dieses umschlagend ist jenes und jenes umschlagend dieses.“). Vgl. auch Aristoteles, Eth. Eud. 1235 a 25f. 33 DK 22 B 60, B 88 (s. vorige Anm.); vgl. auch DK 22 B 67. 34 DK 22 B 51 („Sie (sc. die Menschen (?)) verstehen nicht, wie das, das sich voneinander unterscheidet, mit sich zusammengeht: eine gegenspännige Verbindung wie bei Bogen und Leier.“), B 54 („Nichtoffenkundige Harmonie ist stärker als offenkundige.“), B 123 („Natur liebt es sich zu verbergen.“).

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Einheit in den Gegensätzen zu leugnen, sondern vielmehr die, zu zeigen, daß diese Einheit nicht unabhängig von den Gegensätzen beschrieben werden kann.35 Das Verhältnis von Einheit und Differenz entfaltet sich in der Zeit, wovon der stete Wandel im Kosmos herrührt. Dieser Wandel ist jedoch weder auf ein bestimmtes Endziel ausgerichtet,36 noch scheint er besonders geordnet zu verlaufen.37 Vielmehr muß man das o.g. Wort vom „Wechselspiel“ für Heraklit ernst nehmen: Einheit und Differenz stehen im Kosmos in einer spannungsreichen Beziehung, die als Streit (eris) und Krieg (polemos) der Gegensätze auftritt.38 Obwohl Heraklit nicht, wie die Milesier, eine Ursubstanz des Kosmos lehrt, findet er doch in einem Element diese durch die Einheit von Einheit und Differenz geprägte Natur des Ganzen besonders gut und exemplarisch zum Ausdruck gebracht. Dieses Element ist das Feuer. Wenn Heraklit die Welt ein „ewiglebendiges Feuer“ nennt und Meer und Festland als Formen (tropai) des Feuers bezeichnet,39 meint er nicht etwa, daß sie buchstäblich aus Feuer bestünden, sondern daß, wie das Feuer die Dinge verzehrt, um dann selbst zu verlöschen, so auch Wandel und Übergang zwischen den Elementen und den Zuständen des Kosmos erfolgen. Mit Heraklit ist der erste Autor faßbar, der die Erklärung der Welt nicht an der Identifikation von Ursubstanzen, ersten und allgemeinen Materieprinzipien, orientiert, sondern vielmehr versucht, das Grundprinzip des Kosmos in einer abstrakten und formalen Weise zu bestimmen, in Gestalt einer relationslogischen „Grundformel“. Der von Heraklit gewählte Ansatz schließt es geradezu aus, ein Materieprinzip angeben zu können, das über konkrete, eben materiehafte Eigenschaften verfügt, da alles Konkrete nur in Gegensatzbeziehungen auftreten und deshalb auch nur eine eingeschränkte Erklärungsmacht besitzen kann. Die „Grundformel“ trägt bei Heraklit den schlichten Namen „logos“, und neben der sicher programmatischen Namengebung deuten auch weitere Aussagen Heraklits darauf hin, daß er den Logos für allgemeingültig und allgemein erkennbar gehalten, d.h. als Resultat einer rationalen Weltbetrachtung angesehen hat.40 In gewissem Sinne ist damit durch Heraklit ein Element in die 35

Allerdings scheint Heraklit die Frage, warum ein jedes Ganzes im beschriebenen Sinne „gegensatzförmig“ auftritt, nirgends erörtert zu haben. 36 Heraklit betont die Ewigkeit dieses Prozesses in DK 22 B 30. 37 Zwar spricht Heraklit an einer Stelle von Harmonie (DK 22 B 54, s. Anm. 34), so daß man an Pythagoras’ Wertschätzung der Harmonie erinnert sein könnte, aber Heraklits Bezugnahme ist auf bezeichnende Weise dadurch relativierend, daß er die Verborgenheit der wahren Harmonie hervorhebt. 38 DK 22 B 53 („Krieg ist der Vater aller Dinge und von allem der König ...“), B 80 („Es ist nötig zu wissen, daß der Krieg allgemein ist und das Recht im Streit besteht, und daß sich alles gemäß dem Streit und d.h. gemäß der Notwendigkeit ereignet.“). 39 Vgl. DK 22 B 30f. 40 Vgl. DK 22 B 1, B 2, B 50, B 72 u.ö. Das Wort, mit dem Heraklit den Logos charakterisiert, ist „xynon“ („gemeinschaftlich“, „allgemein“, auch „gleich“, vgl. B

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Philosophie eingetreten, das zuvor nur implizit eine Rolle gespielt hat und das durch die Kritik der Eleaten an Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteilen eher verdunkelt wurde. Philosophie ist nicht mehr nur das Ergebnis einer mehr oder weniger ingeniösen Hypothesenbildung und auch nicht nur Sache von Naturforschern, sondern prinzipiell Allgemeingut aller Menschen, die ihre Welt denkend betrachten. Diese Allgemeinheit rührt auch daher, daß sie Grundgedanken, gleichsam Schlüssel zum Verständnis von Welt und Mensch lehrt und einsichtig macht, durch die sich der Einzelne im Kosmos selbständig orientieren kann. Zwar setzt ein solches Verständnis von Philosophie die Möglichkeit einer von Erfahrungssachverhalten unabhängigen Begründung des oder der Prinzipien des Kosmos voraus, doch sind darin zugleich auch eine gewisse Befreiung von der aufwendigen Naturforschung sowie der Gedanke der allgemeinen Lehrbarkeit dieser Prinzipien beschlossen. Sowohl die Konzeptionen der Pythagoreer, des Anaxagoras und des Seinsdenkens der Eleaten, als auch später die Theorien von Platon und Aristoteles sind ohne diese Entwicklung kaum vorstellbar. – Heraklit hat sich recht verächtlich über die Qualität des Philosophierens seines unmittelbaren Vorgängers Pythagoras geäußert,41 doch hat Pythagoras neben seinen Lebensregeln und seiner Lehre von der Metempsychosis mindestens zwei in unserem Zusammenhang nennenswerte Gedanken vorgetragen, die später von den Pythagoreern des fünften Jahrhunderts systematisch ausgearbeitet wurden und von dort auch einflußreich für das Werk Platons und insbesondere den Bereich seiner sog. „ungeschriebenen Lehre“ geworden sind. Das sind42 zum einen die hohe Bedeutung der Harmonie für den Kosmos und für das Leben des Einzelnen und zum anderen die Entdeckung, daß sich musikalische Harmonien – also besondere Fälle von „Harmonie“ – in Zahlenverhältnissen ausdrücken lassen. So erkennen bereits die frühen Pythagoreer, daß sich die musikalischen „Harmonien“ der Quarte, Quinte und Oktave mit den Grundzahlen von 1 bis 4, der sog. „Tetraktys“, definieren lassen. Die ganze Ordnung des Kosmos erscheint ihnen in der Folge insgesamt als eine solche durch Zahlenverhältnisse beschreibbare „Harmonie“. Unter „Harmonie“ bei den Pythagoreern muß man sich wohl eine schöne, regelhafte, wahrscheinlich auch besonders dauerhafte Verbindung oder Anordnung der Dinge vorstellen. Während bei den frühen Schülern 103). Heraklit vertrat wohl die Auffassung, daß die Einsicht in den Logos auch die Grundlage der politischen Gesetzgebung und des menschlichen Verhaltens darstellen könne, vgl. B 114. 41 Vgl. DK 22 B 40, B 129, worin insbesondere der Vorwurf der verständnislosen Vielwisserei begegnet. 42 Vgl. die Vita Pythagorae des Jamblich, c. 82 (= DK 58 C 4), vgl. auch Arist. Met. Alpha, 985 b 23ff.

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des Pythagoras, den sog. „Akusmatikern“,43 die sich v.a. an den Lebensregeln (akusmata) des Pythagoras orientierten, die Harmonie als Prinzip der individuellen Lebensführung (wie es sich in den Regeln und den Praktiken der pythagoreischen Gemeinschaft konkretisierte) verstanden worden war – haben spätere Generationen der pythagoreischen Gemeinschaft (die sog. „Mathematiker“) die Harmonie zum Gegenstand ihres Nachdenkens erwählt und versucht, sie als Ordnung des ganzen Kosmos über Zahlen und deren Verhältnisse zu erfassen und zu definieren.44 Infolgedessen wurde nun alles Mögliche – Gerechtigkeit, Seele, Zeit (kairos) – in Zahlen bzw. ihre Eigenschaften übersetzt. Die „Mathematiker“ haben hiermit ein Modell für das beansprucht, das Heraklit noch pauschal den „Logos“ genannt hat. Dieses Modell steht, entsprechend dem heraklitischen Logos (s. o.), nicht nur für eine besonders ökonomische Beschreibung der Welt; es stellt vielmehr auch die Prinzipien heraus, auf welche der Kosmos faktisch gegründet sein soll. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang das, was Aristoteles und Aetios von den astronomischen Thesen des Philolaos von Kroton, eines Pythagoreers des späten fünften Jahrhunderts, berichten.45 Danach hat jener – anscheinend aufgrund der pythagoreischen Ansicht von der Zehnzahl als Inbegriff einer harmonischen Ordnung46 – eine entsprechende Anzahl Planeten für das Sonnensystem angenommen und, da sich am Himmel nur neun Planeten ausmachen ließen, die Existenz des zehnten – „Gegenerde“ (antichthon) benannt – postuliert. Dieses Beispiel zeigt, daß die Pythagoreer in ihren Theorien nicht nur versucht haben, adäquate Erklärungen für Beobachtungen zu liefern und ihre Beobachtungen systematisch zu ordnen, sondern daß sie auch dazu bereit waren, diese Beobachtungen an den Theorien selber zu messen und ggf. zu korrigieren. Aristoteles hat dies klar gesehen und ensprechend kritisiert.47 Ein weiteres Indiz für die Ansprüche, die die späteren Pythagoreer mit ihrer Zahlenmetaphysik verbunden haben, ist die Nachricht,48 daß ein Zeitgenosse des Philolaos, Eurytos von Tarent, die Erkenntnis, daß 43 44

Porphyrios, Vit. Pyth. 37 (= DK 18 C 2). Vgl. besonders die aufschlußreiche Darstellung des Aristoteles, loc. cit. Die wichtigste Aussage in diesem Text findet sich in den Zeilen b 32ff., worin Aristoteles lapidar erklärt, daß für die Pythagoreer der Kosmos und die Dinge ihrer Natur nach den Zahlen glichen und daher die Zahlen die Elemente alles Seienden (stoicheia panton) seien „und der ganze Himmel sei Harmonie und Zahl“! 45 Arist. loc. cit., sowie besonders De cael. 293 a 18ff.; Aetios II, 7, 7 (= DK 44 A 16). 46 Vgl. DK 44 B 11. 47 Arist. De cael., loc. cit.: „Sie (sc. die Pythagoreer) suchen dabei (sc. mit ihren astronomischen Thesen) nicht nach Theorien (logous) und Ansichten (doxas) für (pros) die Erscheinungen, sondern umgekehrt reduzieren sie die Erscheinungen auf bestimmte ihrer Theorien und Ansichten und trachten, sie mit diesen zu schmücken (synkosmein).“ 48 Arist. Met. Ny, 1092 b 8f.; Theophrast Met. 6 a 15f. (= DK 45 A 2).

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geometrische Figuren durch natürliche Zahlenverhältnisse bestimmt sind, auf andere Seinsbereiche anwandte und so durch Rechensteine die Zahl des Menschen, des Pferdes usw. bestimmte. Dies scheint darauf hinzuweisen, daß diejenigen Zahlen, die für die Dinge standen, aus den Grundzahlen und weiteren Prinzipien durch Folgerungsbeziehungen gewonnen, gleichsam systematisch abgeleitet werden konnten. Damit ist der Gedanke der Logoshaftigkeit des Kosmos in einer sehr weitgehenden Form verwirklicht. Man ist an die Substanztheorien des 17. Jahrhunderts erinnert, die auf „geometrische Weise“ ihre metaphysischen Theoreme aus wenigen Basissätzen und Definitionen ableiteten.49 Die Pythagoreer haben eine Prinzipientheorie entwickelt, die besonders anspruchsvollen Forderungen an eine Theorie zu genügen scheint. Sie ist abstrakt, formal und anscheinend auch deduktiv. Sie ist verhältnismäßig ökonomisch, weil sie aus wenigen Grundzahlen alle übrigen Zahlwerte (und damit die Definitionen aller übrigen Dinge) zu erzeugen bzw. darzustellen vermag. Innerhalb der pythagoreischen Schule gab es auch Tendenzen, die Zahlentheorie den monistischen Konzepten der Ionier anzunähern, dadurch daß auch die ersten Zahlen aus noch grundlegenderen Prinzipien gewonnen werden sollten.50 Kosmologische Fragen verschwinden indessen weitgehend oder treten in den Hintergrund, wie auch die Angabe von Ursachenerklärungen. Der zeitliche Aspekt im Verhältnis des Grundes zum Begründeten ist gänzlich eliminiert. Ähnlich wie bei Heraklit geht es um die Herausarbeitung der logischen Struktur der Welt,

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Die Pythagoreer und Heraklit unterscheiden sich aber darin, daß die Pythagoreer eine ganze Seinsordnung und ihre Systematik beschreiben, während Heraklit das Seiende nur durch die Grundgedanken von Veränderung und Gegensätzlichkeit charakterisiert und seine Theorie des Seienden auch nur darin besteht, das in allen Veränderungen und Gegensätzen anzutreffende Grundprinzip herauszuarbeiten und das Seiende durch dieses zu erklären. 50 Insbesondere Aristoteles, der die von den Pythagoreern beeinflußte akademische Prinzipienlehre von der „Eins“ und der „unendlichen Zweiheit“ vor Augen hatte (vgl. hierzu die materialreiche Darstellung von Hans-Joachim Krämer, Ursprung der Geistmetaphysik, Amsterdam 1964, etwa S. 45ff.), berichtet öfter davon, so etwa an der schon genannten Stelle Met. 985 b 23ff. oder auch 987 b 22ff., vgl. auch Physik 203 a 1f. Danach sind das „Gerade“/„Begrenzte“ (peperasmenon) und das „Ungerade“/„Unbestimmte“ (apeiron) die „Elemente“ (stoicheia) der Zahlen. Die Eins (hen) ist dasjenige, das beide Qualitäten besitzt. Aus der Eins aber „entstehe die Zahl, und die ganze Welt bestehe, so behaupten sie, aus Zahlen“. So kann man, je nach Interpretation, entweder Apeiron und Peperasmenon als die Grundprinzipien von allem ansehen, oder sogar die Eins. Nicht nur durch die Wortwahl („apeiron“) wird die Nähe zu Anaximander deutlich. Aristoteles’ Darstellung wird teilweise unterstützt durch das Zitat, das Stobaios aus Philolaos’ Schrift Über das Weltall bringt, in der Philolaos dafür argumentiert, daß die Welt aus Unendlichem (apeira) und Begrenzendem (perainonta – ein mathematischer Fachterminus) bestehe (DK 44 B 2, vgl. Diog. Laert. VIII, 84f.).

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und ähnlich wie bei Heraklit erlaubt ein derartiges Wissen die Orientierung des Einzelnen im Ganzen, und dies auch ethisch und politisch.51 Der pythagoreische Ansatz findet in den Theorien von Empedokles, Anaxagoras und den Atomisten keine Nachfolge, was sicher auch damit zusammenhängen dürfte, daß Pythagoras selber nichts Schriftliches hinterlassen hat und die Ausarbeitung und Fortführung seiner Ansichten durch Philolaos und andere erst im Verlauf des fünften Jahrhunderts erfolgte. Rezipiert worden sind aber sowohl Parmenides als auch die milesischen Naturphilosophen. Entgegen der Abwertung der Kosmologie durch Parmenides versuchen alle diese Autoren, eine neue Kosmologie zu entwickeln.52 Sie interpretieren dabei Parmenides’ Ablehnung vom Sein des Nichtseienden als undenkbar so, daß sie sie nur auf Prozesse des Entstehens und Vergehens beziehen. Die qualitative Mannigfaltigkeit wird zu diesem Zweck in die Prinzipien selbst verlegt, so daß die Grundsubstanz nun, wie Aristoteles sich ausdrückt, zugleich „Eines und Vieles“ ist.53 Allerdings bedeutet dies auch, anders als es die aristotelische Bemerkung suggeriert, daß die Grundsubstanz streng genommen nicht mehr nur eine einzige sein kann. Die genannten Autoren sind vielmehr Vertreter eines Prinzipienpluralismus. Empedokles etwa unterscheidet deutlich zwischen den Materieursachen, d.h. den „Wurzeln aller Dinge“ (d.i. den vier Elementen, wahrscheinlich Feuer, Luft, Wasser, Erde54), und den zwei in ständigem Kampf miteinander befindlichen Wirkungsursachen „Liebe“ (philotes) und „Streit“ (neikos), deren Namen nur poetische Ausdrücke für ‚Einheit’/‚Verbindung’ und ‚Vielheit’/‚Differenz’ sind. Die 51

Betrachtet man nur die Form der Darstellung, könnte man vermuten, daß es eine größere Nähe der italischen Philosophen untereinander gibt als etwa zu Heraklit. Tatsächlich aber hat Heraklit eine größere Nähe zu den frühen italischen Philosophen als die folgenden Empedokles, Anaxagoras und Atomisten, obgleich Empedokles Sizilier ist. Denn alle diese Denker suchen wieder nach materialen und kausalen Naturprinzipien, wiewohl sie stereotyp Parmenides’ Interdikt von Transformationsprozessen, d.h. daß „Nichtseiendes nicht sei“, in ihren Schriften anführen (Empedokles: DK 31 B 8, B 12; Anaxagoras: DK 59 B 17; Leukipp: DK 29 A 22; Leukipp und Demokrit: DK 67 A 6). – Zu untersuchen bliebe freilich, inwiefern auch Heraklits Lehre vom Theorietyp her in einer größeren Nähe zu Parmenides’ Ontologie steht, als es vielleicht aus einer parmenideischen Perspektive zunächst erscheinen mag. (Vgl. hierzu Simplikios In Phys. 117, 4ff. (= DK 28 B 6) mit Heraklits Aussage in DK 22 B 49a.) Vor allem in der älteren Literatur wird hingegen gerne der Gegensatz von Parmenides und Heraklit3 herausgestellt, vgl. z. B. Wilhelm Capelle, Die griechische Philosophie, Berlin 1971 , Bd. 1, S. 80. 52 Empedokles etwa rechtfertigt, im Gegensatz zu Parmenides und Melissos, ausdrücklich die Sinnenwahrnehmung, vgl. Sextus Empiricus Adv. Math. VII, 125 (= DK 31 B 3), obwohl es bei Theophrast heißt, Empedokles sei ein Schüler und Verehrer des Parmenides und der Pythagoreer gewesen (DK 31 A 7). – Eine differenzierte Haltung zu den Sinnen nimmt allem Anschein nach auch Demokrit ein, vgl. DK 68 B 11. 53 Arist. Physik 187 a 20f. (hen kai polla). 54 Vgl. die Fragmente des Lehrgedichtes Über die Natur DK 31 B 6, sowie DK 31 B 21.

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Zustände und Veränderungen des Kosmos sind Resultat der Vermischungen und Trennungen der Elemente durch Liebe und Streit. Empedokles vertritt damit eine These, die auch Parmenides schon erwähnt hatte, aber nur in seiner Kosmologie „für den Volksgebrauch“: daß Werden und Vergehen für die Unverständigen als Mischung und Trennung von Elementen verständlich gemacht werden können.55 Auch Anaxagoras favorisiert eine Lösung von dieser Art. Die Wirkungsursache in seinem Ansatz ist nun der „Geist“ (nus), der zwar einerseits Vernunft und Seele besitzt, zum anderen aber auch etwas Materielles, wenngleich von besonders feiner Konsistenz, darstellt. Anaxagoras’ eigentliche Materieursachen sind aber elementare Entitäten, vergleichbar den Atomen der Atomisten, nur mit zwei entscheidenden Unterschieden: zum einen, daß diese Elemente (homoiomerien, „Gleichteilige“, nennt sie Aristoteles; Samen (spermata) heißen sie an einer Textstelle des Anaxagoras56) faktisch alle Qualitäten in sich enthalten, selbst wenn bestimmte Qualitäten in ihnen zu überwiegen scheinen; zum anderen, daß sie unendlich teilbar sind, und zwar so, daß auch jeder einzelne Teil wieder alle Qualitäten in sich enthält. Distinkte Elemente, wie in der Lehre des Empedokles, finden sich bei Anaxagoras nicht mehr. Bei den Atomisten schließlich ist das Problem der Qualität dadurch gelöst, daß die Qualitäten der Dinge auf körperliche, also quantifizierbare Eigenschaften der kleinsten Teile – wie äußere Form oder Größe – reduziert sind. Die letzten, unteilbaren Substanzen (atomoi) sind durch die Verschiedenheit hinsichtlich ihrer Gestalt und Größe befähigt, Zusammenballungen zu bilden, die wiederum zur Entstehung von Körpern im Kosmos führen. Prinzipien der Vielfalt sind „Form“ (schema), „Ordnung“ (taxis) und „Position“ (thesis) der Atome im Verbund.57 Veränderung und Bewegung sind dadurch möglich, daß es neben den Atomen gleichursprünglich und „um nichs weniger als die Atome“ (Aristoteles) den leeren Raum (kenon) gibt.58 Ein eigenes Bewegungsprinzip setzen die Atomisten nicht mehr an: die Atome sind von jeher in Bewegung!59 An der Behandlung des Kenon läßt sich im übrigen gut die Parmenides-Rezeption der Prinzipienpluralisten studieren: das Leere ist zwar „nichtseiend“ (hat keine positiven Qualitäten), aber es existiert („ist“ also zugleich) und kann daher wie die Atome als Prinzip fungieren. Möglich ist dies nur dadurch, daß Parmenides’ Verbot, 55

Als Elemente treten in der Darstellung des Parmenides das „leichte“ Licht und die „schwere“ Finsternis auf, vgl. DK 28 B 8, Zeile 50ff., sowie DK 28 A 37. 56 Arist. Phys. loc. cit.; ferner DK 59 B 4. 57 Vgl. das bekannte Beispiel in Arist. Met. 985 b 16ff. Vgl. ferner Arist. De generatione et corruptione 315 b 6f. 58 Vgl. Arist. Phys. 213 b 1ff. zum „Leeren“. Zum Ganzen Arist. Frg. 208 (Rose) (= DK 68 A 37) und Arist. Met. 985 b 4ff. 59 DK 68 A 57, vgl. zu Leukipp Arist. De gen. et corr. 325 a 23ff. Vgl. ferner DK 68 A 40, Zeile 2.

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Nichtseiendes anzusetzen, nur noch auf Existenz bezogen wird, nicht mehr aber auf Qualität. So kann das Leere existieren, ob es gleich keine dinglichen, d.h. materiellen Eigenschaften besitzt.60 Mit den atomistischen Theorien über die Grundsubstanz endet die Reihe der vorsokratischen Ansätze. Zwar wird der Atomismus in der hellenistischen Philosophie, v.a. bei Epikur und seiner Schule, wieder aufgenommen. Aber seine Stärke liegt doch in erster Linie darin, daß er keinerlei „metaphysische“ Prinzipien wie das Apeiron, den Nus oder den Logos annehmen muß, die auf geheimnisvolle Weise den Kosmos lenken und durch ihre Definition im Grunde bereits voraussetzen, was allererst erklärt werden müßte. Seine Stärke ist insofern seine inhärente Skepsis. Er kann auf vernünftige Lenkungsmächte des Kosmos ebenso verzichten wie auf die Annahme, der Kosmos sei durch Harmonie oder die Teleologie seiner Bewegung (kinesis) bestimmt. Zugleich macht dies aber auch seine Schwäche aus. Die atomistische Theorie gibt eine wenig überzeugende Erklärung des Reichtums und der erkennbaren Ordnung des Kosmos. Sie reduziert, wie anscheinend bereits die Lehre des Anaximenes (s. o.), die Qualitäten auf Quantitäten (hier der Zahl oder der Ausdehnung), ohne sie tatsächlich begreiflich zu machen. Die qualitative Vielfalt des Wirklichen scheint vielmehr nur Schein zu sein. Ebenso wenig überzeugt übrigens auch Demokrits atomistische Erkenntnistheorie, die sowohl das Denken als auch das Wahrnehmen über die Atome, ihre Schwingungen und die dadurch abgesonderten „Bilder“ (eidola) verstehen möchte.61 Eine solche Erkenntnistheorie mag vielleicht als Theorie der Erklärung von Wahrnehmungen und Gedanken dienen können, aber sie gibt kaum Hinweise zu den Fragen nach ihrer Wahrheit oder Falschheit. Das Oszillieren zwischen idealistischen und materialistischen Ansätzen sowie die Vielfalt der möglichen Betrachtungsweisen zeigten, daß die vorsokratische Theoriebildung in eine gewisse Sackgasse geraten war. Schon zu Lebzeiten Demokrits und anderer vorsokratischer Denker bildet sich daher eine Art Gegenbewegung zu diesen Kosmosspekulationen aus: die Sophistik. Die Sophistik läßt sich gewiß nicht nur als „Gegenbewegung“ verstehen. Doch ihre Hinwendung zu Argumentationstechnik, Logik und Rhetorik, ihre starke Beschäftigung mit Fragen der praktischen Philosophie, v.a. Politik und Recht, und der relativistische Anstrich vieler ihrer Thesen lassen sie ganz automatisch einen Kontrapunkt zum umfassenden naturphilosophischen Denken der Vorsokratiker und seinem Erklärungsanspruch bilden.62 Ein gutes Beispiel 60 61

Vgl. Arist. Met. loc. cit. Vgl. zu Geist und Seele etwa Arist. De anima 405 a 6ff., ferner Lukrez De rerum natura III, 370ff.; zur Wahrnehmung DK 68 A 135, ferner Sext. Emp. Adv. Math. VII, 135ff. 62 Insbesondere Protagoras werden eine Reihe von agnostischen und relativistischen Positionen nachgesagt, vgl. Diog. Laert. IX, 50-56, sowie Sextus Empiricus,

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für die „sophistische“ Behandlung eines solchen Problems wie der Definition von „Sein“ ist Gorgias’ Text Über das Nichtseiende, der in ausführlichen Berichten überliefert ist. Gorgias argumentiert in seinem Text mit einer Fülle von (dialektisch angeordneten) logischen, naturphilosophischen und anderen Argumenten dafür, daß entweder nichts ist; oder daß, wenn es etwas gibt, es nicht erkannt werden kann; oder daß, selbst wenn es erkannt werden kann, man darüber nichts auszusagen vermag.63 Zumeist wird dieser Text als Kritik an der eleatischen Seinslehre verstanden.64 Aber ganz gleich, wie man ihn und andere Äußerungen der Sophisten zu Wahrheits- und Erkenntnisfragen im Einzelnen interpretiert: ihre Existenz ist doch ein Beleg dafür, daß sich die Begründungsanstrengungen der vorsokratischen Theoriebildung ernsthaften Herausforderungen ausgesetzt fanden. III. Platon Dies bezeichnet die Ausgangssituation des Wirkens von Platon, der gegen Ende der sophistischen sowie der letzten vorsokratischen Theoriebildungen anfing, selbst philosophisch zu arbeiten (Beginn des 4. Jhdts. v. Chr.). Platon hat eine Fülle von Überlegungen und Argumente zum Sein und zu den Seinsgründen erarbeitet und hätte also eine eigene ausführliche Darstellung verdient. Es macht allerdings sowohl die Größe als auch die Grenze des platonischen Philosophierens aus, daß es sich selten festlegt, so daß die Rekonstruktion der platonischen Theorie seit jeher besonderen Schwierigkeiten ausgesetzt ist. Erschwert wird dies noch dann, wenn man zu den Dialogen und Briefen auch die antiken Berichte über die „sogenannte ungeschriebene Lehre“ (Aristoteles) mitberück-sichtigt.65 Deswegen seien hier nur die wichtigsten Grundgedanken mitgeteilt und dies im Hinblick darauf, inwiefern sie sich an die Diskussion der vorangegangenen Theorien anschließen lassen. Phyrrhoneioi Hypotyposeis I, 216ff. (zum Homo-mensura-Satz). Vgl. auch insgesamt die Dissoi Logoi (Text nach Th. M. Robinson, Contrasting Arguments, Salem (NH) 1984). 63 Vgl. den Bericht, den Sextus Empiricus gibt, Adv. math. VII, 65ff. (= DK 82 B 3). 64 Vgl. Thomas Buchheim, Gorgias von Leontinoi. Reden, Fragmente, Testimonien, Hamburg 1989, S. XVIff.; ferner Paul Woodruff, Rhetorik und Relativismus: Protagoras und Gorgias, in: Long (Hg.), Handbuch Frühe Griechische Philosophie (vgl. Anm. 16), S. 279. – Eine andere Interpretation bietet G. B. Kerferd, The sophistic movement, Cambridge 1981, S. 94ff. 65 Neben dem in Anm. 49 genannten Buch von Hans-Joachim Krämer siehe ferner ders., Arete bei Platon und Aristoteles, Heidelberg 1959, sowie Konrad Gaiser, Platons ungeschriebene Lehre, Stuttgart 1963. Vgl. zu einer neueren Bewertung der Thesen der „Tübinger Schule“ der Platonforschung: Franz von Kutschera, Platons Philosophie, Paderborn 2002, Bd. 3, S. 149ff.

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Platon teilt mit den Eleaten und vielleicht auch mit Xenophanes66 die Kritik an der Möglichkeit, aus Wahrnehmung und damit aus bloß empirischer Erkenntnis sicheres Wissen zu gewinnen.67 Ein solches ist nur aus reiner, apriorischer Erkenntnis möglich.68 Eine derartige Erkenntnis wird über „Ideen“ (ideai) gewonnen.69 Sie fungieren zum einen wie bloße Eigenschaftsbegriffe.70 Sie werden zwar durch Erfahrungen wiedererinnert,71 ihr Ursprung liegt aber in einer reinen Beziehung der unsterblichen Seele, die selbst von der Seinsart der Ideen ist, zum Reich der Ideen, d.h. der reinen Wesenheiten (Noeta).72 Zum anderen fungieren diese Ideen aber auch wie „Seinsgründe“ der Dinge und ihrer Eigenschaften. In verschiedenen Dialogen wird etwa gesagt, daß ein Gegenstand x die Eigenschaft F durch die Idee von F besitze.73 Der Ausdruck, mit dem die Beziehung bezeichnet wird, kraft deren etwas durch die Idee das ist, was es ist, ist zumeist „Teilhabe“ (methexis). Aus den platonischen Schriften wird nicht klar, wie diese Teilhabebeziehung genau zu verstehen ist. Während Platon in früheren Dialogen davon ausgeht, daß sie eine direkte, unmittelbare ist, werden im Timaios die Ideen als Vorbilder (paradeigmata) dargestellt, an denen sich eine göttliche Schöpfergestalt (demiurgos) bei der Erschaffung des Kosmos orientiert.74 Eine Annahme, daß die Welt geschaffen und gelenkt wird von einer vernünftigen und beseelten Wirkungsursache, findet sich ferner in den Nomoi („Gesetzen“).75 Im Timaios wird die Kosmologie, die auch die Wohlgeordnetheit und Harmonie der geschaffenen Welt zeigen soll, jedoch dadurch, daß sie lediglich als Mythos dargelegt wird, und ebenso durch Bemerkungen über ihre bloße Wahrscheinlichkeit, entwertet.76 Die 66 67 68 69

Vgl. das Zitat bei Sextus Empiricus, Adv. Math. VII, 49 (= DK 21 B 34). Vgl. Politeia 508 d. Vgl. etwa Phaidon 65 df. Zwar kennt auch Platon den für Aristoteles so wichtigen Ausdruck „usia“. Doch bedeutet dieser Ausdruck bei Platon im Allgemeinen dasselbe wie der von ihm gebrauchte Ausdruck „idea“, nämlich das unveränderliche Wesen einer Sache (vgl. etwa Prot. 349 b) oder das unveränderliche Sein im Gegensatz zum Nichtsein (vgl. Politeia 479 c). (Es sei hier auch auf die Bemerkung in Abschnitt 1 von Erwin Tegtmeiers Parmenides-Beitrag in diesem Band hingewiesen, wonach der Ausdruck „usia“ in der griechischen Philosophie grundsätzlich als „das eigentlich Seiende“ übersetzt werden kann.) Die Theorie der Usia ist bei Platon also formal die Ideenlehre. – Siehe hierzu neben der in Anm. 1 genannten Literatur auch den übersichtlichen Artikel „Substanz“ von Jens Halfwassen, in: HWPh Bd. 10 (s. Anm. 9), Basel 1998, Sp. 496f. 70 Vgl. Protagoras 330 c: Die Gerechtigkeit ist dasselbe wie ‚gerecht sein’. 71 Platons Anamnesistheorie wird v.a. im Dialog Menon dargelegt, vgl. aber auch Phaidon 72 eff.. 72 Phaidon 78 bff. 73 Euthyphron 6 d, Hippias maior 287 c, Phaidon 99 dff. 74 Timaios 28 cff. Die Welt wird deshalb auch als „Abbild“ (eikon) bezeichnet. 75 Nomoi 891 bff. Diese Ursache wird hier einfach „Seele“ (psyche) genannt. 76 Timaios 29 c, 48 d, 59 cf. – Die Ähnlichkeit zur Position des Parmenides wird noch dadurch erhöht, daß Platon an der zuletzt genannten Textstelle diese

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kosmologischen Überlegungen bilden insofern auch nicht das Zentrum von Platons Werk. Gleichwohl zeichnen sich hier Elemente einer kosmologischen Prinzipientheorie ab:77 eine Art eigenschaftsloser Materie (chora78), die alles aufzunehmen vermag (pandeches); die Ideen als Vorbilder der Dinge; die Mischung aus den Ideen (d.i. die geschaffene Welt); und die Wirkungsursache dieser Mischung (d.h. der Demiurg). Eine ähnliche, wenn auch abstraktere und in ihrer Wortwahl an die Pythagoreer erinnernde Unterscheidung findet sich im platonischen Philebos.79 Unter diesen Prinzipien ist es die Materie, die für den ewigen Wandel der Welt und für die qualitativen und graduellen Abstufungen der Dinge verantwortlich ist.80 Die Ideen hingegen, als das, was die Materie bestimmt, sind ewigseiend und unveränderlich. Platon zeigt sich hier als Prinzipienpluralist, der im Kern die Vier-Ursachen-Lehre des Aristoteles vorwegnimmt. Allerdings wird die Herkunft der Prinzipien nicht erörtert. Erkennbar ist ferner, daß Platon eine Hierarchisierung unter den Prinzipien vornimmt: die ewigseienden Dinge sind mehr „seiend“ als das, was stoffartig ist. Dies zeigt auch, daß die Prinzipien in zwei Gruppen zerfallen: das, was die Seinsart der Seele und Ideen hat, und das, was eher zum stofflichen, physischen Bereich gehört. Platon ist damit zu einem der Vorläufer der Unterscheidung von res extensa und res cogitans in der rationalistischen Philosophie geworden. Während Platons Ideenlehre kaum Vorbilder aufweist (am ehesten wären noch die Pythagoreer zu nennen, die die Wesenheiten der Dinge über Idealzahlen zu bestimmen versuchten, s.o.), zeigt die Kosmologie Elemente der Lehren von Heraklit, Anaxagoras, den Pythagoreern u.a. auf. In der Parmenides-Rezeption hat sich Platon an die zweite Generation der vorsokratischen Philosophen gehalten. Denn auch für Platon bezieht sich das Verbot des Parmenides, über Nicht-Seiendes zu sprechen, nur auf solches, das nicht existiert. Um aber das Richtige vom Falschen zu unterscheiden, muß von dem gesprochen werden können, das gewisse Eigenschaften nicht hat (wobei es um prädikatives Sein geht).81 Insofern „ist“ Nicht-Seiendes in dieser Hinsicht durchaus. „wahrscheinlichen Betrachtungen“ von den „Untersuchungen zu den ewigseienden Dingen“ abgrenzt. 77 Timaios 48 eff. 78 Vgl. hierzu besonders H. Happ, Hyle. Studien zum aristotelischen Materiebegriff, 1971, Kap. 2.2 (Das Materieprinzip Platons), S. 86ff. 79 Philebos 23 bff.: das Unbegrenzte (apeiron), die Grenze oder das Begrenzte (peras, peras echon), die Mischung (symmisgomenon) aus Begrenztem und Unbegrenztem, die Ursache (aitia) dieser Mischung. 80 Vgl. Kratylos 402 a, Philebos 24 e. 81 Sophistes 255 cff. – Zu den schwierigen und subtilen Unterscheidungen, die Platon an dieser Stelle zum Gebrauch von „ist“ und „ist nicht“ macht, vgl. Michael Frede, Prädikation und Existenzaussage, Göttingen 1967, sowie G. E. L. Owen, Plato on not-being (1967), wiederabgedruckt in: Gregory Vlastos (Hg.), Plato. A Collection

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Platon verbindet über die Ideenlehre als erster erkennbar erkenntnis- und wahrheitstheoretische Fragen mit solchen der Erklärung von dem, was ist. Das hat zum einen damit zu tun, daß Platon vor allem daran interessiert ist, Fragen wie: „Was ist Gerechtigkeit?“, oder: „Was ist das gute und richtige Leben?“, theoretisch entscheiden zu können. Diese Fragen implizieren nicht schon ursprünglich die klassischen kosmologischen und naturphilosophischen Probleme der Erklärung der physikalischen Welt und ihrer Prozesse. Erst die in der Politeia („Staat“) gewonnene Position, daß die Gerechtigkeit als oberste Tugend eine Harmonie der Seele und ihrer Teile darstellt, die wiederum in der Harmonie einer gerechten Gesellschaft und einer sinnhaften Ordnung des Kosmos eingebettet ist,82 führt dann auch zu Erörterungen, die die Prinzipien dieser höheren Ordnungen herausarbeiten und in ihren Wirkungen beschreiben. Platons Überlegungen gehen deshalb auch nicht von Naturbeobachtungen aus, zu denen Gesetze formuliert werden, sondern von theoretischen Annahmen, mit denen Natursachverhalte interpretiert und in einen größeren Zusammenhang gestellt werden. Da das platonische Philosophieren – nicht zuletzt durch seine Auseinandersetzungen mit der Sophistik – von Anbeginn an Fragen der Rechtfertigung von Aussagen und der Bestimmung von Begriffen orientiert ist, stehen Platon die grundsätzlichen semantischen und logischen Probleme im Umgang mit Begriffen wie „Prädikation“, „Existenz“, „Qualität“, „Identität“, „Veränderung“ deutlicher vor Augen als seinen Vorgängern. Andererseits haben diese spezifischen Voraussetzungen des platonischen Philosophierens dazu geführt, daß seine Theorie trotz ihres imposanten Zuschnittes und ihrer vielen Aspekte wohl nicht mehr die innere Einheit besitzt, die etwa die Ontologie des Parmenides oder die atomistische Metaphysik von Leukipp und Demokrit auszeichnet. In diesem Zug des platonischen Philosophierens deutet sich an, was in der Theorie des Aristoteles dann sichtbar wird: daß die Prinzipienlehre nicht mehr das Fundament der gesamten Theorie darstellt, sondern nur noch einer ihrer, wenn auch besonders wichtigen Teile.

of Critical Essays, Notre Dame 1978, S. 223ff. Siehe neuerdings hierzu auch Jan Szaif, Platons Begriff der Wahrheit, Freiburg 1996, S. 412ff. 82 Politeia 441 cff. – Zur Entwicklung von Platons Lehre von den Seelenteilen vgl. Andreas Graeser, Probleme der platonischen Seelenteilungslehre, München 1969.

Gianluigi Segalerba: Aspekte der Substanz bei Aristoteles∗ a) Maßstäbe Die vorliegende Studie will einige Aspekte der Substanz1 bei Aristoteles behandeln; der Grundsatz meiner Untersuchung liegt darin, dass das Konzept „Substanz ()“ an sich selbst eine Pluralität von Sachbezügen aufweist, unter denen drei ontologische Werte am meisten hervorstechen: Substanz als Gegenstand2 (z.B. der individuelle Mensch). ∗

Zu aufrichtigem Dank bin ich dem Österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung für die mir gewährte Lise-Meitner-Stelle verpflichtet (mein Lise-Meitner-Förderprogramm dauerte vom 1. September 2005 bis zum 31. Dezember 2006; während dieses Stipendiums verfasste ich neben anderen Arbeiten auch die vorliegende Studie). Desgleichen möchte ich Herrn Professor Andreas Graeser vom Institut für Philosophie der Universität Bern meine tiefe Dankbarkeit für die von Ihm zu Gunsten dieser Arbeit geleistete Hilfe ausdrücken. Ich möchte dem Institut für Philosophie der Universität Wien für die ausgezeichneten Bedingungen herzlich danken, in denen ich habe arbeiten können. Mein aufrichtiger Dank gilt zudem Herrn Doktor Holger Gutschmidt für seine sorgfältige Korrektur und gründliche Überprüfung meiner Studie. – Diese Studie beschränkt sich wegen der Komplexität des Themas ausschließlich auf die Behandlung derjenigen Aspekte der Substanz, welche meiner Meinung nach am relevantesten sind, um eine erste Vorstellung über die aristotelische Substanzlehre zu erhalten. Ich übernehme und trage selbstverständlich die ganze Verantwortung sowohl für die hier dargelegte Interpretation der Substanz wie auch für die Fehler, die meiner „eigentümlichen“ Verwendung der deutschen Sprache zugeschrieben werden müssen und die in dieser Studie allen Nachprüfungen zum Trotz bedauerlicherweise geblieben sind. 1 Das dem deutschen Wort „Substanz“ entsprechende altgriechische Wort „“ ist in diesem Text auch stets ausschließlich mit dem Ausdruck „Substanz“ wiedergegeben. 2 „Gegenstand“ ist meiner Meinung nach eine der Bedeutungen von Substanz. Die erste Substanz als erste Substanz wird in Kategorien-Schrift 5, 2a11-14 als diejenige Entität definiert, welche nicht in anderem ist und nicht von anderem ausgesagt wird; diese Definition berechtigt meiner Einschätzung nach dazu, die erste Substanz als ein Gegenstand zu interpretieren: Denn aus der Beschreibung dieser beiden Merkmale (siehe dazu Kategorien-Schrift 2, 1a20-b9) lässt sich ersehen, dass die Substanz die Entität ist, welche zu nichts anderem als dessem Eigenschaft gehört. Nun ist der Gegenstand eben das, was nicht zu anderem als eine Eigenschaft von diesem anderen gehört. Eine Qualität gehört zum Beispiel zum Gegenstand (zur Substanz), welcher diese Qualität besitzt, als eine Eigenschaft dieses Gegenstandes, der seinerseits ein Ganzes bildet; ein Gegenstand gehört wiederum nicht zu einer anderen Entität als eine Eigenschaft dieser Entität. Das Nicht-in-anderem-Sein und das Nicht-von-anderem-

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Substanz als Form, als Wesen, als Gestaltungsprinzip eines nicht lebenden, nicht biologischen, nicht organischen Gegenstandes (z. B. Substanz als die Form eines Hauses), und Substanz als Form, als Wesen und als Natur, d.h. als Organisations- und Entwicklungsprinzip eines lebenden Gegenstandes (z.B. Substanz als die Form des individuellen Menschen: In diesem bestimmten Zusammenhang kommt die Substanz der Seele des Menschen gleich). Substanz als Materie eines wahrnehmbaren Gegenstandes, d.h. als Komponente eines aus Materie und Form bestehenden Zusammengesetzten3 (z.B. die Materie des individuellen Menschen). Die Pluralität der Bedeutungen für Substanz muss meiner Einschätzung nach als konstitutiv für das Konzept „Substanz“ gelten; dies impliziert, dass diese verschiedenen ontologischen Werte, wenn auch miteinander verbunden – wie dies im Laufe dieser Arbeit sichtbar wird – gleichwohl weder wechselseitig noch auf eine zusätzliche Bedeutung reduzierbar sind. Dies gilt in dem Sinne, dass diese drei Bedeutungen als primär verstanden werden sollen: Als Substanz kann in gewissen Kontexten die Materie begriffen werden, in anderen Zusammenhängen kann unter Substanz auch wieder die Form verstanden werden, in weiteren Kontexten noch ist mit Substanz der Gegenstand gemeint; die Mehrwertigkeit des Konzeptes Ausgesagt-Werden bestimmen ferner die Bedeutung, welche der selbständigen oder, anders gesagt, unabhängigen Existenz des Gegenstandes zuzuweisen ist: Die Substanz im Sinne von Gegenstand ist in dem Sinne unabhängig existierend, dass sie weder in einer anderen Entität ist, noch von einer anderen Entität ausgesagt wird: Sie wird nicht auf etwas anderes zurückgeführt, als ob sie eine Eigenschaft eines Ganzen wäre. Ihre selbständige Existenz impliziert hingegen nicht, dass die Substanz absolut von nichts abhängt: Denn in dieser Hinsicht würde nur das unbewegte Bewegende selbständig existierend sein und als selbständig existierend angesehen werden können. Das Merkmal „Existentielle Unabhängigkeit“ muss mithin ausschließlich folgendermaßen verstanden werden: Die Substanz im Sinne von Gegenstand ist deshalb existentiell unabhängig, weil sie zu einer anderen Entität als eine Eigenschaft von dieser anderen Entität nicht gehört: Sie ist etwas Determiniertes, Getrenntes und Abgegrenztes von den anderen Entitäten; im Falle der biologischen Substanzen hat ferner die Substanz im Sinne von biologischem Gegenstand ein Organisations- und Entwicklungsprinzip in sich, welches den verschiedenen Phasen ihres Lebens vorsteht, sie zu einem von den anderen Entitäten getrennten Ganzen macht und somit sie von den anderen Entitäten unterscheidet. 3 Für eine seitens Aristoteles vorgelegte Aufzählung der Entitäten, welche als Substanz bezeichnet werden können, ziehe man z.B. die Kapitel Metaphysik Delta 8 und Zeta 2 in Erwägung. Die dort enthaltenen Erläuterungen müssen gleichwohl unter Vorbehalt angenommen werden, weil einigen der in den soeben erwähnten Kapiteln als Substanzen betrachteten Entitäten der Status von Substanz an anderen Stellen der Metaphysik klar abgestritten wird, wie z.B. im Falle der geometrischen Entitäten, der einfachen oder, anders gesagt, der natürlichen Körper (wie Erde, Feuer, Wasser und jeglichen von derartigen Entitäten) und der Teile der Sinnenwesen, welchen das Substanz-Sein in Metaphysik Ny 3, 1090b5-13 (dies gilt für die geometrischen Entitäten) und in Zeta 16, 1040b5-16 (dies gilt für die Teile der Sinnenwesen und für die einfachen Körper; siehe auch Metaphysik Lambda 3, 1070a18-20) aberkannt wird.

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„Substanz“ bildet einen unabdingbaren Punkt in meiner Interpretation, wie dies von der nachstehenden Auslegung bestätigt wird. Neben der Erörterung der unterschiedlichen Bedeutungen für Substanz kommt als ein zusätzliches Anliegen dieser Arbeit heraus, zu zeigen, dass die Substanz – damit den Menschen als Substanz meinend – nicht nur im Hinblick auf ihre äußeren Aspekte beschrieben werden kann, sondern auch auf der subjektiven Ebene bezüglich ihres Verhältnisses zur Realität4 betrachtet werden muss. Denn eine Substanz bildet, wenigstens was seine Bedeutung als Gegenstand anbelangt (falls als Gegenstand eine lebende Entität genommen wird), einen Organismus, welcher in einer Realität lebt; unter den unterschiedlichen Lebensfunktionen will ich in diesem Zusammenhang die Wahrnehmung und das Erlangen der Wahrnehmungsdaten einerseits und die Erkenntnis und den Prozess des Erkenntniserlangens andererseits nach deren Grundlinien schildern. Um der Klarheit willen möchte ich jetzt der Analyse von verschiedenen aristotelischen Texten über die Substanz eine einführende Darstellung der oben genannten grundlegenden Bedeutungen, welche die Substanz haben kann, vorausschicken. Substanz hat die Bedeutung von Gegenstand; in dieser Perspektive lässt sich die Substanz mit drei Arten von Gegenständen identifizieren: Substanz kann ein bestimmter wahrnehmbarer, materieller, entstandener, quantitativ und qualitativ veränderlicher, vergänglicher, lebender, beseelter Gegenstand sein; in dieser Perspektive wird Substanz z.B. von einer 4

In Bezug auf die Verwendung des Wortes „Realität“ und seiner Reichweite soll hier klargestellt werden, dass ich in dieser Studie das Wort „Realität“ und die mit „Realität“ verwandten Worte (z.B. „real-“) für den gesamten Komplex der existierenden Entitäten in Anspruch nehmen werde; das Wort „Wirklichkeit“ werde ich mir dagegen in diesem spezifischen Kontext für die Übersetzung des altgriechischen Wortes „“ vorbehalten (zur Wiedergabe von „“ könnten meiner Einschätzung nach auch derartige Worte und die damit verbundenen Konzepte wie „Verwirklichung“, „Aktualität“, „Realisierung“ und „Realisation“ verwendet werden; diese Konzepte sind in jedem Falle zu berücksichtigen – auch wenn sie tatsächlich von mir nicht verwendet werden –, um die Tragweite des Konzeptes „“ erfolgreich zu interpretieren). Die Übersetzung von „“ mit „Wirklichkeit“ hat sich als empfehlenswert bewährt, um das Verhältnis der altgriechischen Worte „“ und „“ durch die entsprechende Verwandtschaft beizubehalten, welche zwischen den deutschen Worten „Werk“ und „Wirklichkeit“ besteht (beide Worte „Werk“ und „Wirklichkeit“ sind außerdem mit den Worten „“ und „“ nach den zwischen den indoeuropäischen Sprachen bestehenden Verwandtschaften verbunden). Das altgriechische Wort „“ wird in dieser Arbeit mit dem Wort und dem damit verbundene Konzept „Vollendung“ wiedergegeben (man könnte auch das Wort und das entsprechende Konzept „Vollständigkeit“ zur Wiedergabe von „“ verwenden; dieses Konzept ist in jedem Falle zu beachten, um die Bedeutung vom Konzept „“ zu verstehen); das altgriechische Wort „“ wird mit dem Wort „Potenz“ übersetzt (sie kann auch mit dem Wort „Potentialität“ wiedergegeben werden).

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Pflanze, einem Menschen5 oder einem Pferde6 realisiert: Sie ist somit klar Bestandteil des Reiches der Lebewesen; Substanz besitzt infolgedessen eine determinierte Struktur von Eigenschaften, die ihre eigene Essenz ausmacht; sie ist jene Entität, welche aus ihrer eigenen Struktur (aus ihrem eigenen Aufbau) heraus die Potentialität für Veränderung in unterschiedlichen Kategorien darstellt: Sie ist daher potentiell offen für Entstehen, Vergehen, Bewegung7, qualitative und quantitative Änderungen8; dieses generelle „In-Potenz-Sein“ stammt aus der dieser bestimmten Substanz eigenen Art von Materie, nämlich einer veränderlichen und vergänglichen, welche den vier einfachen Körpern Wasser, Luft, Erde und Feuer und den aus diesen Körpern hervorgehenden zusätzlichen komplexeren Gebilden entspricht9. Substanz kann der wahrnehmbare, materielle, ewige, bewegte, unveränderliche, lebende, beseelte Gegenstand sein10. In dieser Hinsicht wird sie vom Himmel, von den Himmelskörpern oder, anders gesagt, von den Gestirnen wie Sonne oder Mond verkörpert; dieser Substanz eignet ausschließlich die Potenz für die Wandlung nach der Kreisbewegung11; sie ist frei von Entstehen und Vergehen sowie von qualitativen und quantitativen Änderungen12; der zirkulären und daher ewigen13 Bewegung dieser Substanzen wird eine dazugehörige, weil auch ewige, Art von Materie, nämlich der erste Körper, der Äther, zugemessen; diese bestimmte 5

Für die Erwähnung von Pflanzen und Menschen als Substanzen siehe z.B. Metaphysik Zeta 2, 1028b9-10, Zeta 7, 1032a18-19 (in diesem letzteren Passus werden diese Entitäten ferner als jene geschildert, welche am vorzüglichsten als „Substanzen“ bezeichnet werden) und Lambda 1, 1069a30-32; für die Angabe von Sinnenwesen und Pflanzen als Substanzen siehe De Caelo III 1, 298a29-32. 6 Für die Angabe von Menschen und Pferden als Substanzen vgl. z.B. KategorienSchrift 4, 1b27-28. 7 Die Potenz für die Bewegung gilt allerdings nur für einige, nicht für alle Sinnenwesen (siehe dazu z.B. De Anima I 5, 410b18-20, II 2, 413b2-5, II 3, 415a6-7, III 9, 432b19-21). 8 Für eine Aufzählung der Veränderungsarten siehe das Kapitel Physik III 1 und die Stelle Metaphysik Lambda 2, 1069b7-14. 9 Für die Angaben hinsichtlich dieser Art von Materie siehe z.B. die Stellen Metaphysik Zeta 7, 1032a20-22 und Theta 8, 1050b6-34, die Kapitel De Generatione et Corruptione II 1, 2, 3, 4, 5, die Kapitel De Caelo I 2, 3, 8, II 3, III 3, 4, 5, 6, 7, 8, und das gesamte Buch De Caelo IV. 10 Für die Schilderung vom Himmel und von den Gestirnen als Substanzen vgl. Metaphysik Zeta 2, 1028b12-13, Metaphysik Lambda 8, 1073a34-36, De Caelo III 1, 298a29-32. Für weitere Elemente über das Substanz-Sein seitens der Himmelskörper weise ich auf die Stelle De Caelo II 12, 292a18-28 hin. 11 Dies kommt einer Veränderung nach der Kategorie des Ortes gleich. 12 D.h. die Himmelskörper bewegen sich, ohne einer Veränderung nach der Kategorie der Substanz ausgesetzt zu sein, weil sie, da sie ewig sind, weder Entstehen noch Vergehen ausgeliefert sind. 13 Die Kreisbewegung ist darum ewig, weil sie keine Bewegung ist, welche von Gegensätzlichem zu Gegensätzlichem stattfindet: Sie hat weder Anfangspunkt noch Endpunkt; folglich ist sie ewig. Für die Analysen hinsichtlich der Ewigkeit der Kreisbewegung siehe die Bücher De Caelo I und die Kapitel Physik VIII 1, 2, 6, 7, 8.

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Materie ist nur dieser Art von Substanz zugehörig14 und zeigt als unvergänglich, unveränderlich und unentstanden keine Potenz, außer für die Kreisbewegung. Substanz kann der übersinnliche, immaterielle, ewige, unveränderliche, unbewegte, lebende, beseelte Gegenstand sein: Angemessene Beispiele dafür sind das erste unbewegte Bewegende (das von Aristoteles als Gott bezeichnet wird) und die Reihe der dem ersten unbewegten Bewegenden untergeordneten zusätzlichen unbewegten Bewegenden15. Diese Art von Substanz ist ohne Dimensionen; da sie keine materiellen Bestandteile hat, zeigt sie keinen Aspekt von Potentialität16: Sie ist an sich selbst vollkommene, reine, unverletzliche Wirklichkeit; ihr Leben ist kontinuierliche Wirklichkeit des Denkens; ihr Wesen ist reine Denktätigkeit, die sich selbst als Objekt ihres eigenen Denkens hat17. Substanz ist demgegenüber die Form oder, anders gesagt, das Wesen eines materiellen und immateriellen Gegenstandes, d.h. sie ist die Form oder, anders gesagt, das Wesen von einer Substanz (eben im Sinne von Gegenstand)18. Sie stellt in dieser Hinsicht die Struktur (bei den Artefakten) und (bei den biologischen Organismen) den zur Wirklichkeit bringenden Faktor eines materiellen Gegenstandes19 dar, welcher die 14

Für die Angaben bezüglich dieser Art von Materie siehe z.B. die Stellen Metaphysik Eta 4, 1044b6-9, Theta 8, 1050b6-34 und die Kapitel De Caelo I 2, 3, 5, 6, II 2. 15 Für die Schilderung der unbewegten Bewegenden als Substanzen vgl. die Kapitel Metaphysik Lambda 6-10. 16 Materie ist an sich selbst Potentialität für Veränderung: Sie impliziert nämlich an sich selbst immer eine Disposition für Wandlung. Siehe dazu Metaphysik Zeta 7, 1032a20-22. 17 Es erweist sich diesbezüglich als unabdingbar, darauf hinzuweisen, dass sich der ontologische Wert des Konzeptes „Substanz“ als Gegenstand noch wenigstens auf manche Artefakte erweitern lässt: Aristoteles räumt in einigen Passagen – wie z.B. in Metaphysik Eta 2, 1043a18-19 – auch handwerklichen Gegenständen den Status von Substanz ein – in der genannten Passage wird z.B. dem Haus der Status von Substanz zuerkannt. Die Lage wird unter diesem Aspekt dadurch noch komplexer, dass Aristoteles auch über diese Klassifikation wieder Zweifel aufkommen läßt, wie in Metaphysik Eta 3, 1043b21-23, worin er das Exempel des Hauses als Substanz in Frage stellt und anscheinend zur Ansicht neigt, ausschließlich den natürlichen Entitäten den Status von Substanz zuerkennen zu wollen. 18 Für die Bedeutung von Substanz als Form oder Wesen siehe z.B. Metaphysik Zeta 7, 1032b1-2, Zeta 7, 1032b14, Zeta 8, 1033b17, Zeta 10, 1035a1-2; De Anima II 1, 412a6-9. Für die Äquivalenz zwischen Form und Wesen verweise ich auf Metaphysik Zeta 7, 1032b1-2 und Zeta 10, 1035b32. 19 Diesbezüglich muss auch darauf hingewiesen werden, dass Aristoteles diese Bedeutung von Substanz auch auf andere Sachlagen anwendet als jene, welche die Substanz als Essenz von unabhängig existierenden Gegenständen betreffen, wie dies in Metaphysik Zeta 7, 1032b2-6 zum Vorschein kommt, worin von der Substanz der Krankheit die Rede ist: Der Status von Substanz kann nämlich auch Entitäten zuerkannt werden, die nicht als Substanzen im Sinne von Essenzen eigenständig existierender Gegenstände gelten (diese Substanzen sind nämlich nicht Essenzen von

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Struktur und das Organisationsprinzip eines derartigen Gegenstandes ausmacht; unter diesem letzteren Gesichtspunkt kann sie auch als die Natur20 eines Gegenstandes angesehen werden (wenn dieser Gegenstand dem Lebewesenreiche angehört: Die Natur ist genau der die Fähigkeiten eines lebenden, organischen Gegenstandes zu Stande bringende Faktor); die Substanz als Form ist die Wirklichkeit, die Vollendung von etwas und wird von Aristoteles in einigen Texten als die Substanz dem Begriffe nach bezeichnet. Demgemäß soll dieses Konzept der Substanz immer von einer gehörigen Vervollständigung begleitet werden: Diese Art von Substanz ist immer die Substanz von etwas, d.h. der strukturierende Faktor, das Entwicklungsprinzip (das ein bestimmtes Entwicklungsprogramm mit sich bringt) von einer bestimmten Entität (sie kann, muss jedoch nicht, die Substanz von einer Substanz im Sinne von Gegenstand sein21); dieser Substanztyp ist nicht in einfachem Sinne zu nehmen, sondern immer als Substanz von etwas zu begreifen22. Es ist in diesem Zusammenhang nicht außer Acht zu lassen, dass Substanz auch das Wesen eines immateriellen Gegenstandes sein kann: Die Denktätigkeit bildet z.B. die Substanz oder, anders gesagt, das Wesen des ersten unbewegten Bewegenden23; da ferner eigenständig existierenden Gegenständen: Denn die Krankheit ist kein Gegenstand, sondern die Eigenschaft eines Gegenstandes). Für ein anderes Beispiel, in welchem das Konzept „Substanz“ nicht auf Essenzen von Gegenständen angewendet wird, siehe De Anima II 6, 418a25, worin als Substanz von etwas sogar die Substanz von Wahrnehmung zur Sprache kommt: Substanz wird damit auf die Essenz der Wahrnehmung angewendet. Schließlich sei hier als zusätzliches Beispiel für eine Anwendung von der spezifischen Bedeutung von „Substanz“ von etwas, welche jedoch sich nicht auf das Wesen von Gegenständen bezieht, die Stelle Zweite Analytiken II 13, 96a34-35 angeführt, worin der Ausdruck „Substanz“ in Bezug auf das Wesen einer Zahl gebraucht wird. 20 Ich meine in diesem Kontext mit „Natur“ das Prinzip der Entwicklung (und den Faktor oder, anders gesagt, das System der Faktoren, welche diese Entwicklung lenken und den Phasen dieser Entwicklung vorstehen) einer biologischen Entität: Die Natur des „Menschen“ als Faktor, welcher das Prinzip der Entwicklung der einzelnen Menschen bildet, stellt ein geeignetes Beispiel für eine derartige Bedeutung von „Natur“ dar; siehe dazu Physik II 1 (für eine Bestätigung dieser Konzeption verweise ich ferner auf Metaphysik Delta 4, 1014b35-1015a19 und Zeta 7, 1032a12-25). Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass von Aristoteles mit „Natur“ in manchen Texten auch die Materie und die materiellen Bestandteile eines natürlichen Gegenstandes gemeint sind, wie dies in Metaphysik Delta 4, 1014b26-35, Delta 4, 1015a7-10 und Zeta 7, 1032a12-25 der Fall ist. 21 Siehe dazu Fußnote 19. 22 Für die Äquivalenz zwischen Wesen und Substanz von etwas siehe z.B. Metaphysik Gamma 4, 1007a20-27. Auch im Hinblick auf das Konzept der Substanz als „Substanz von etwas“ – und somit nicht nur im Hinblick auf die einfachen Substanzen (siehe Fußnote 17) – muss beachtet werden, dass diese Bedeutung sowohl die Substanz von einem materiellen und lebenden wie auch von einem materiellen aber nicht lebenden Gegenstand sein kann, wie dies in Metaphysik Zeta 17, 1041b4-9 deutlich wird, worin die Beispiele von Menschen und von Haus als Substanzen der entsprechenden Gegenstände in Erscheinung treten. 23 Siehe das ganze Kapitel Metaphysik Lambda 9.

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das erste unbewegte Bewegende als Denken des Denkens definiert wird, dürfte man in diesem Falle sagen, dass im ersten unbewegten Bewegenden Subjekt und Objekt einerseits und Substanz als Gegenstand und Substanz als Wesen von etwas andererseits miteinander koinzidieren. Substanz ist ferner die Materie24: Sie lässt sich in die vergängliche und veränderliche einerseits, und in die unvergängliche und unveränderliche andererseits aufteilen; die vergängliche und veränderliche Materie, welche den vier einfachen Körpern Feuer, Wasser, Luft und Erde und deren komplexeren Zusammensetzungen25 entspricht, gehört ausschließlich dem sublunaren Bereich an26; die unvergängliche und unveränderliche Materie, die vom ersten Körper, dem Äther, dargestellt wird, steht allein dem supralunaren Bereich zu27; die Vergänglichkeit einer Art von Materie bringt die Vergänglichkeit der Entitäten mit sich, welche aus dieser bestimmten Art zusammengesetzt sind; hingegen begleitet die Ewigkeit der anderen Art von Materie die Ewigkeit der Entitäten, die aus dieser Art Materie bestehen. Materie weist an sich selbst die Potenz auf, eine bestimmte ontologische Verfassung dank der Wirkung der Form zu erwerben28: Potenz gilt in diesem Zusammenhang als Vermögen für eine Veränderung. Potenz zur Veränderung heißt dem Anschein nach jedoch zumindest in einigen determinierten ontologischen Sachverhalten nicht, Potenz für jede beliebige Veränderung zu sein, da sowohl Materie und Potenz in den natürlichen Prozessen an eine determinierte Entwicklungsrichtung gebunden sind29: Die Materie – d.h. die vergäng24

Für die Bezeichnung der Materie als Substanz siehe z.B. Metaphysik Zeta 10, 1035a1-2, Eta 1, 1042a27-28, Eta 2, 1043a26-28, Theta 7, 1049a35-36, Theta 8, 1050b27, De Anima II 1, 412a6-8. 25 Ein Beispiel dafür kann das Erz sein, das an sich selbst eine komplexere Materie als eben die vier einfachen entstehenden und vergehenden Körper Feuer, Luft, Wasser und Erde darstellt. Bezüglich des Unterschiedes zwischen einer Materie, die einem einfachen Körper entspricht, und einer Materie, welche als erste nicht an sich selbst, sondern nur im Verhältnis zu einem bestimmten Zusammenhang gilt, siehe Metaphysik Delta 4, 1015a7-10, worin zwischen dem Wasser als einfachem Körper und dem Erz als Materie, die aus Modifikationen der einfachen Körper resultiert, unterschieden wird. 26 Dem Feuer und der Luft werden ihrer Natur nach eine senkrechte Bewegung nach oben zugewiesen, dem Wasser und der Erde hinwieder ihrer Natur nach eine senkrechte Bewegung nach unten; siehe dazu De Caelo I 2, 3. 27 Dem ersten Körper, der ewig ist, wird die Kreisbewegung zugesprochen: Die Kreisbewegung, da sie ewig ist, erfordert eine entsprechende Materie, d.h. eine Materie mit der Charakteristik der Ewigkeit. 28 Siehe De Anima II 1, 412a1-22 und Metaphysik Theta 8, 1050a15-16. 29 Um zusätzliche Erhellungen über diesen Punkt zu bekommen, empfiehlt sich die Berücksichtigung z.B. des Kapitels Metaphysik Eta 5: Kurz gesagt unterscheidet das Kapitel Eta 5 zwischen der Materie als Potenz der Disposition und der Form nach einerseits und als Potenz der Privation nach und gegen die Natur andererseits. Hieraus lässt sich ableiten, dass eine gemäß der Natur bestimmte Richtung in Sachen der Entwicklung der Materie vorliegt; dies betrifft wenigstens die biologischen Prozesse. Die tatsächliche Anwesenheit einer bestimmten Entwicklungsrichtung für die Materie

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liche Materie30 – geht gemäß ihrer Disposition auf den Erwerb der Form zu (zumindest jene Materie, welche in Verbindung mit den von der Natur als Form einer Entität diktierten Veränderungsphänomenen steht); das Verlieren der Form bildet wohl eine Veränderung, nicht aber eine Entwicklung hinsichtlich der Richtungstendenz, welche der Materie als Materie einer organischen Entität eigen ist31. Es lässt sich schon aus diesen anfänglichen Beobachtungen ersehen, dass man mit einer komplizierten Verflochtenheit im Verhältnis zum Konzept „Substanz“ konfrontiert wird. Die der Substanz somit zugesprochenen Bedeutungen sind bei allen miteinander bestehenden Verwandtschaften und wechselseitigen Bezügen weder aufeinander reduzierbar, noch auf ein weiteres Element zurückführbar. Denn eines ist es (meiner Auffassung nach), ein Gegenstand zu sein, etwas anderes ist es hingegen, der Faktor zu sein, welcher diesen Gegenstand zu dem macht, was der Gegenstand an sich selbst ist; dieser meiner Ansicht nach unüberbrückbare Unterschied zwischen den in Rede stehenden Bedeutungen für „Substanz“ kommt der Verschiedenheit zwischen dem Konzept der einfachen Substanz und jenem der Substanz von etwas oder der Substanz der (einfachen) Substanz gleich32. innerhalb der biologischen Vorgänge findet eine Bestätigung in Metaphysik Zeta 7, 1032a12-25, Theta 8, 1050a15-16, Lambda 3, 1069b35-1070a2. 30 Denn die ewige Materie ist nur der Veränderung ausgesetzt, welche mit der Kreisbewegung zusammenfällt. 31 Es ist allerdings auch zu beachten, dass die Natur der Materie in Metaphysik Zeta 15, 1039b20-31 als die Potenz, zu sein oder nicht zu sein, gekennzeichnet wird: Dieses Merkmal bildet die Ursache der Sterblichkeit der materiellen vergänglichen Entitäten. Die Materie ist daher nicht immer mit dem Erwerb einer bestimmten Form innerhalb eines Entstehungsprozesses verknüpft: Sie weist auch eine Potentialität zur Zersetzung auf. 32 Der tatsächlichen Erörterung des Konzeptes „Substanz“ muss ich jetzt auch einige Stellungnahmen vorausschicken, welche meine Orientierung im Verhältnis zu einigen Positionen der vorhandenen Forschungsliteratur betreffen: Im Hinblick auf die Interpretation des Konzeptes „Substanz“ bei Aristoteles setze ich mich von allen Deutungen ab, welche das Vorhandensein eines Einschnittes zwischen der Bedeutung von Substanz in der Kategorien-Schrift und der Bedeutung von Substanz in Metaphysik Buch Zeta befürworten. Meine Interpretation von Metaphysik Zeta plädiert nicht für die Anwesenheit einer Zäsur zwischen der Auffassung von Substanz in der Kategorien-Schrift und der Auffassung von Substanz in Metaphysik Zeta, wie es z.B. M. Frede in seinem Aufsatz „Categories in Aristotle“ und Frede-Patzig in ihrem Kommentar über das Buch Zeta der Metaphysik getan haben. Ich pflichte zwar der Auslegung bei, wonach Unterschiede zwischen der Kategorien-Schrift und dem Buch Zeta der Metaphysik in Aristoteles’ Einschätzung über die Substanz, ihr Konzept und ihren Umfang vorliegen, ergreife aber Partei gegen all diejenigen Interpretationen, wonach die Entitäten, die als Substanz gelten können, in beiden Werken voneinander abweichen, wie es jene bestimmte Interpretation behauptet, die als Inhaber der Rolle der Substanz innerhalb der Kategorien-Schrift das Einzelding und innerhalb des Buches Zeta der Metaphysik die partikuläre Form befürwortet. Im Übrigen stimme ich der Hypothese des Einschnittes auch dann nicht zu, wenn als Inhaber der Rolle der

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b) Aspekte der Substanz in der Kategorien-Schrift33 Ich werde nun meine Vorstellung der Substanz mit der Analyse etlicher Stellen der Kategorien-Schrift beginnen. Die erste Stelle, die ich in Betracht ziehen werde, macht gleichsam die Leserin und den Leser mit der Substanz in dem Sinne bekannt, dass sie hier mit bestimmten Entitäten identifiziert wird. Die Stelle Kategorien-Schrift 4, 1b27-2834 lautet: „Substanz (), um es im Umriss zu erklären, ist zum Beispiel ein Mensch, ein Pferd.“

Menschen und Pferde sind demnach Substanzen35: Daraus kann man schon ersehen, dass die Entitäten, welche den Status von Substanz beanspruchen dürfen, jenen des Reiches der Lebewesen gleichkommen; darüber hinaus werden als Substanzen Entitäten angeführt, welche nicht leeren Substrata entsprechen, sondern aus ihrer eigenen Natur heraus etwas Determiniertes Substanz im Buch Zeta der Metaphysik die allgemeine Form angesehen wird (derart ist die Deutung, für die z.B. M. J. Loux in seinem Buch über die Substanz bei Aristoteles plädiert). Ich denke, dass die Bedeutung von erster Substanz als Einzelding, wie sie in der Kategorien-Schrift erklärt wird, in Metaphysik Buch Zeta aufrechterhalten bleibt und dort von der Bedeutung der Substanz als Form eines Einzeldinges zwar begleitet, jedoch nicht ersetzt wird. Selbstverständlich kann die interpretatorische Position, die von mir bezogen wird, unter keinen Umständen für eine negative Beurteilung der oben genannten Forschungen gehalten werden: Ganz im Gegenteil sind diese Studien unentbehrliche und unersetzliche Instrumente zur Analyse der aristotelischen Texte im Allgemeinen und zur Untersuchung des Konzeptes „Substanz“ im Besonderen. 33 Die altgriechischen Ausgaben der aristotelischen Werke, deren Stellen in dieser Arbeit wiedergegeben werden, sind die nachstehenden: Für die Kategorien-Schrift die Ausgabe von L. Minio-Paluello; für die Metaphysik insgesamt die Ausgabe von A. Schwegler, die Ausgabe von H. Bonitz, die Ausgabe von W. D. Ross und die Ausgabe von W. Jaeger (zudem wurde der Lesetext vom Buch Zeta der Metaphysik, welcher im Kommentar von M. Frede – G. Patzig vorgelegt wird und welcher zahlreiche Abweichungen von der Ausgabe von Jaeger aufweist, von mir sorgfältig berücksichtigt); für die Schrift „De Anima“ die Ausgaben von R. D. Hicks und von W. D. Ross. 34 Die in dieser Arbeit zitierten Texte wurden von mir übersetzt, nachdem ich folgende Vorlagen hinzugezogen hatte: Für die Kategorien-Schrift die Vorlage von E. Rolfes und die Vorlage von K. Oehler; für die Metaphysik die Vorlage von A. Schwegler, die Vorlage von H. Bonitz –; i) in der Bearbeitung von H. Seidl und ii) in der neuen Ausgabe von U. Wolf, welche sich auf die Bearbeitung von H. Carvallo und E. Grassi stützt –; noch für die Metaphysik die Vorlagen von F. Bassenge, von H. G. Zekl und von T. A. Szlezák; für das Buch Zeta der Metaphysik die Vorlage von M. Frede – G. Patzig; für die Schrift „De Anima“ die Vorlagen je von W. Theiler und von O. Gigon. 35 Die Auflistung der Arten von Entitäten, aus welchen sich die Realität zusammensetzt, erfolgt in Kategorien-Schrift 4, 1b25-2a4, worin Aristoteles Substanz, Quantität, Qualität, Relation, Wo, Wann, Lage, Haben, Wirken, Leiden erwähnt. Für eine ähnliche Erörterung der Kategorien weise ich auch auf Topik Alpha 9, 103b20-39 hin.

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sind, so dass wir hier von einer essentialistischen Position sprechen können. Da diese Entitäten etwas an sich inhaltlich-wesentlich Determiniertes bilden, können sie nicht als Summe von nebeneinander stehenden Eigenschaften erachtet werden: Ganz im Gegenteil sind sie von einer präzisen konstitutiven Eigenschaft (oder von einem Komplex von konstitutiven Eigenschaften) bestimmt; eine Unterscheidung zwischen wesentlichen und akzidentiellen Eigenschaften zeichnet sich deswegen ab. Diese sind tatsächlich erste Kennzeichen im Aufbau der Deutung von Substanz in der Kategorien-Schrift; dieser Aufbau stimmt mit der Darlegung des Passus Kategorien-Schrift 5, 2a11-19 überein, weil dieselben Beispiele für Substanz wieder gebraucht werden; ferner wird in Kategorien-Schrift 5, 2a11-19 die Substanz als die Entität illustriert, welche sich von keiner anderen Entität aussagen lässt und in keiner anderen Entität ist: „Substanz, die im eigentlichsten, ersten und vorzüglichsten Sinne Substanz genannte, ist die, welche weder von einem zugrunde Liegenden ausgesagt wird, noch in einem zugrunde Liegenden ist (  ), wie zum Beispiel ein bestimmter Mensch oder ein bestimmtes Pferd. Zweite Substanzen werden die Arten genannt, denen die Entitäten, welche im ersten Sinne Substanzen genannt werden, angehören, diese und die Gattungen dieser Arten ( ): So gehört zum Beispiel ein bestimmter Mensch der Art „Mensch“ an, und die Gattung der Art ist das Sinnenwesen36 (); diese werden also zweite Substanzen genannt, wie sowohl der Mensch als auch das Sinnenwesen.“

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Das Wort „Sinnenwesen“ entspricht in dieser Analyse dem altgriechischen Ausdruck „“: Ich habe mich für diese Übersetzung entschieden, die von E. Rolfes in seiner Vorlage der Topik (siehe dazu Seite 205, Anmerkung 11) empfohlen wird, weil Aristoteles der Ausdruck „“ auf die Pflanzen nicht anwendet, da die Pflanzen seiner Meinung nach keine Wahrnehmung haben. Für die aristotelischen Äußerungen, gemäß welcher die Pflanzen keine Wahrnehmung haben, verweise ich auf die Stellen De Anima I 5, 410b22-24, I 5, 411b27-30 (hierin weist Aristoteles explizit darauf hin, dass der Besitz einer Seele das einzige Element ist, welches die Sinnenwesen und die Pflanzen vereinigt), II 2, 413a32-b10, II 3, 414a32-b1, II 3, 414b20-415a13, II 12, 424a32-424b3 (diese letzteren Inhalte werden in III 12, 434a27-30 bestätigt), III 13, 435a24-b3. Die Wiedergabe von „“ mit „Sinnenwesen“ wird von mir deshalb angenommen, weil dieser Ausdruck, indem er auf die Sinneswahrnehmung hindeutet, die von Aristoteles eingeführte Differenz zwischen beseelten Substanzen, denen das Wahrnehmungsvermögen beschieden ist, und beseelten Substanzen, die, wie eben die Pflanzen, des Wahrnehmungsvermögens entbehren, unmittelbar wiedergeben kann oder, anders gesagt, einschließt. Die Wiedergabe von „“ mit „Sinnenwesen“ soll daher die Tatsache widerspiegeln, dass ausschließlich die Entitäten, welche Wahrnehmungssinne besitzen, von Aristoteles als „“ erachtet werden. In dieser Studie werden deshalb unter dem Begriff „Lebewesen“ sowohl Pflanzen wie auch

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Wiederholt wird in diesem Zusammenhang, dass ein bestimmter Mensch oder ein bestimmtes Pferd angemessene Exempel für die Substanz darstellen; das erste Merkmal, mit welchem man in der Definition der Substanz als Substanz konfrontiert wird, besteht in der Bestimmung, dass eine Substanz nie auf etwas anderes zurückgeführt wird: Sie wird nicht von einem anderem zugrunde Liegenden ausgesagt, und sie ist nicht in einem anderem zugrunde Liegenden. Für die Bestimmung des Sinnes, welcher dem In-Etwas-Sein zusteht, weise ich auf den folgenden Passus hin: „…in einem zugrunde Liegenden nenne ich das, was, nicht wie ein Teil in einer Entität vorkommend, nicht getrennt von der Entität sein kann, in welcher es ist (   )…“ (Kategorien-Schrift 2, 1a24-25)

In-einem-zugrunde-Liegenden-Sein bedeutet demnach, nicht getrennt von derjenigen Entität sein zu können, in welcher das, was in dieser Entität ist, ist. Das, was in einem zugrunde Liegenden ist, kommt nicht als eine autonome, eigenständige Entität vor. Es ist dabei zu bemerken, dass man in diesem Kontext eine wichtige Schilderung von zumindest einer Bedeutung, welche wiederum dem Getrennt-Sein zuzuweisen ist, erhält: Das GetrenntSein muss auf einen Zustand der Entitäten bezogen werden, in welchem sie unabhängig von einer anderen Entität existieren; das Getrennt-Sein heißt mithin, autonom zu sein37. Sämtliche Entitäten, welche in einem zugrunde Sinnenwesen verstanden. Der Ausdruck „Sinnenwesen“ ist hingegen den „“ vorbehalten. 37 Denn wenn das In-einem-zugrunde-Liegenden-Sein heißt, nicht getrennt von der Entität sein zu können, in welcher das, was eben in einem zugrunde Liegenden ist, ist, soll wiederum das Getrennt-Sein heißen, nicht in einem zugrunde Liegenden zu sein, so dass das Getrennt-Sein eine Art Autonomie von den anderen Entitäten impliziert. Gegen meine Deutung könnte gewiss der Einwand erhoben werden, dass es gemäß dem Wortlaut von Kategorien-Schrift 2, 1a20-b9 der Fall sein könne, dass das, was von einem zugrunde Liegenden ausgesagt werde, auch nicht in einem zugrunde Liegenden sei: Dies werde jedoch mit sich bringen, dass das, was von einem zugrunde Liegenden ausgesagt werde und nicht in einem zugrunde Liegenden sei, wie genau Mensch, welcher vom bestimmtem Menschen ausgesagt werde, welcher aber in keinem zugrunde Liegenden sei (siehe dazu Kategorien-Schrift 2, 1a20-22), als getrennt erachtet werden könne; dieser Schluss sei jedoch unakzeptabel, denn das, was von einem zugrunde Liegenden ausgesagt werde und in keinem zugrunde Liegenden ist, könne nicht als getrennt eingestuft werden. Dieser Einwand lässt sich vorstellen, wenn man berücksichtigt, dass im Passus Kategorien-Schrift 2, 1a20-b9 mit dem Voneinem-zugrunde-Liegenden-Ausgesagt-Werden eine allgemeine Prädikation gleichsam angedeutet wird, obzwar vom Allgemeinen in diesem bestimmten Zusammenhang nicht die Rede ist, so dass die Entität, welche von einem zugrunde Liegenden ausgesagt wird und in keinem zugrunde Liegenden ist, als ein Allgemeines angesehen werden oder mit einem Allgemeinen gleichgesetzt werden kann. Dieser Einwand ist unter dieser Voraussetzung berechtigt (dazu siehe z.B. Metaphysik Zeta 16, 1040b2527: Kein Allgemeines existiert getrennt neben den Einzeldingen). Ich denke jedoch,

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Liegenden sind, können nicht unabhängig von diesem zugrunde Liegenden existieren, denn sie sind tatsächlich nicht getrennt von den zugrunde Liegenden, in welchen sie sind, in welchen nämlich sie an der Oberfläche der Realität auftreten. Aristoteles will zudem unter dem Merkmal „In-einem-zugrundeLiegenden-Sein“ allem Anscheine nach keine Art von materieller Komponente verstanden wissen38, denn die Materie könnte wohl als Teil einer Entität angesehen werden39; nun ist jedoch in diesem bestimmten Zusammenhang nicht von der Materie die Rede; Aristoteles will deswegen jedwede Äquivalenz zwischen dem Merkmal „Teil-von-etwas-Sein“ und „In-etwas-Sein“ ausschließen. Eine erste Substanz hängt daher von keiner anderen Entität in Bezug auf ihr Instantiiert-Werden ab (eben in dem Sinne, dass sie weder in einer anderen Entität ist noch von einer anderen Entität ausgesagt wird), sie wird auf keine andere Entität um ihrer eigenen Existenz willen bezogen. Somit bildet die erste Substanz eine Entität, welche eigenständig ist40. Überdies tritt kein Unterschied zwischen erster Substanz und der konstitutiven Eigenschaft der ersten Substanz auf: Eine bestimmte Eigenschaft oder ein bestimmter Komplex von Eigenschaften gelten als konstitutiv in Bezug auf die Entität „erste Substanz“; eine Substanz kann dieser Eigenschaften absolut nicht entbehren (es sei denn, dass sie aus dem Feld der Existenz verschwindet). dass im Kontext der Kategorien-Schrift die Reichweite des Getrennt-Seins auf die Gegenüberstellung zwischen den ersten Substanzen, die nicht in einem zugrunde Liegenden sind, und den Einzelentitäten der anderen Kategorien, die ihrerseits in einem zugrunde Liegenden sind und mithin nicht als getrennt angesehen werden können, zu beschränken ist: Die Opposition zwischen Getrennt-Sein und NichtGetrennt-Sein ist meiner Ansicht nach in diesem Zusammenhang ausschließlich auf die Unterscheidung zu beschränken zwischen Einzelentitäten, welche der Kategorie der Substanz angehören, und Einzelentitäten, welche den anderen Kategorien angehören; sie soll nämlich nicht andere Entitäten betreffen. 38 Dieser Punkt wird in Kategorien-Schrift 5, 3a29-32 bestätigt. 39 Dazu siehe z.B. Metaphysik Zeta 10, 1035a2-21, 1035a25-27, 1035b11-12, 1035b31-33: Daraus wird klar, dass die Materie als Teil () einer aus Materie und Form zusammengesetzten Entität gelten kann. 40 Man dürfte sagen, dass eben dank diesen Merkmalen die erste Substanz ein guter Kandidat dafür ist, das zugrunde Liegende für die Entitäten der anderen Kategorien zu repräsentieren: Die erste Substanz wird dann tatsächlich in Kategorien-Schrift 5, 2a342b6 als die Entität gekennzeichnet, welche die Rolle des zugrunde Liegenden für die anderen Entitäten übernimmt. – Im Übrigen ist auf die genaue Determinierung der Bedeutung und Tragweite der Merkmale „Eigenständigkeit“, „Selbständigkeit“ und „unabhängige Existenz“ zu achten, welche der Substanz als Substanz eignen. Denn diese Merkmale bedeuten wohl, dass eine Substanz nicht auf etwas anderes bezüglich ihrer Instantiationsbasis zurückgeführt werden kann (eine Substanz wird nicht in etwas anderem konkretisiert, wie hingegen eine Farbe in einer Substanz immer konkretisiert wird); diese selben Merkmale bedeuten jedoch nicht eine absolute Existenzunabhängigkeit seitens der Substanz: Denn die Substanz „Mensch“ ist zum Beispiel von der Ernährung abhängig, um fortexistieren zu können, und muss wirkende Ursachen (die Eltern) haben, zur Existenz zu gelangen.

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Hierdurch wird auch zwischen der ersten Substanz und der zweiten Substanz unterschieden: Die ontologische Position der zweiten Substanz als Art und als Gattung tritt in diesem Text deshalb als dasjenige auf, das die ersten Substanzen umfasst, weil Arten und Gattungen genau als biologische Mengen oder, anders gesagt, als biologische Klassen der Entitäten fungieren, die in sie fallen; die zweiten Substanzen sind nämlich die biologischen Klassen, d.h. die biologischen Arten und Gattungen der substantiellen Individuen. Die Rolle der zweiten Substanz wird dann in Kategorien-Schrift 5, 2b29-37 bereichert und weiter spezifiziert; die Prädikation der zweiten Substanz ist immer eine Prädikation, welche das „Was ist“41 der ersten Substanzen offenbart: „Es ist aber wohl begründet, wenn nach den ersten Substanzen die alleinigen Arten und Gattungen unter den anderen Entitäten zweite Substanzen genannt werden ( ). Denn sie alleinigen unter den ausgesagten Entitäten machen die erste Substanz erkennbar ( ); denn wofern man angibt, was ein bestimmter Mensch ist, wird man die geeignete Angabe machen (), indem man die Art oder die Gattung angibt – und zwar wird man sie besser ins Licht stellen, wenn man den Menschen, als wenn man das Sinnenwesen angibt –; mit jeder beliebigen der anderen Angaben, welche man eventuell gibt, wird man etwas Andersartiges angegeben haben (), wie wenn man angibt: Es ist weiß, oder: Er läuft, oder etwas Ähnliches; es ist also wohl begründet, wenn diese alleinigen unter den anderen Entitäten Substanzen genannt werden.“

Die wesentliche „Identifikation“ einer ersten Substanz erfolgt allein mittels des begrifflichen Gehaltes42, welcher jeweils von einer zweiten Substanz ausgedrückt wird; keine andere Eigenschaft eignet sich sonst für die Identifikation einer ersten Substanz: Dies gilt in dem Sinne, dass die Eigenschaften, welche eine erste Substanz eventuell besäße, nicht auf dieselbe Ebene zu stellen sind43, weil nicht all diese Eigenschaften die wesentliche Identität einer Entität zum Ausdruck bringen; die Eigenschaften, welche den anderen Kategorien als der Kategorie der Substanz angehören, manifestieren nicht die wesentliche Identität einer ersten Substanz. 41

Man dürfte die Kennzeichnung „wesentliche Prädikation“ für diese Art von Prädikation verwenden. 42 Dieser Gehalt spiegelt eine reale Eigenschaft wider: Er ist keine einfache Klassifikation des Intellektes. 43 Ähnliche Inhalte werden im Kapitel Metaphysik Zeta 1 entfaltet. Ich werde den einschlägigen Passus später zitieren und anschließend die meiner Auffassung nach zwischen der Kategorien-Schrift und Metaphysik Zeta 1 bestehenden Affinitäten darlegen.

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Anhand der soeben zitierten Stellen der Kategorien-Schrift lässt sich meiner Einschätzung nach konstatieren, dass eine gewisse Pluralität von Bedeutungen für das Konzept „Substanz“ schon in der Kategorien-Schrift vorliegt: Denn es wird zwischen der ersten Substanz als Einzelentität einerseits und der zweiten Substanz als (biologischer) Menge (Klasse) und als „Was ist“ zugleich der ersten Substanz andererseits deutlich unterschieden. Die Darstellung der Substanz in der Kategorien-Schrift ist deswegen, bei Lichte besehen, nicht so uniform und eindeutig, wie man auf den ersten Blick denken könnte; eine tatsächliche Mehrdeutigkeit oder, anders gesagt, Mehrwertigkeit des Konzeptes „Substanz“ bahnt sich schon in der Kategorien-Schrift deutlich an; der Umfang des Konzeptes „Substanz“ lässt sich nicht auf die Einzelentität reduzieren. Aristoteles stellt sodann in Kategorien-Schrift 5, 2a34-2b6 klar, wie die reziproken Verhältnisse der Entitäten sind: Die erste Substanz stellt das zugrunde Liegende für alle sonstigen Entitäten dar; diese letzteren existieren tatsächlich immer in Bezug auf eine Substanz, die ihrerseits sie besitzt; ohne erste Substanz besteht keine Möglichkeit der Existenz der anderen Entitäten. In diesem Passus wird deutlich, dass die erste Substanz als Realisierungsbasis oder, anders gesagt, als Existenzgrundlage für die sonstigen Entitäten unentbehrlich ist. Die ersten Substanzen bilden die Entitäten, ohne welche die anderen Entitäten nicht konkretisiert werden könnten; sowohl die zweiten Substanzen wie auch die Entitäten, welche einer anderen Kategorie als der Kategorie der Substanz angehören, zeigen eine augenfällige Abhängigkeit von den ersten Substanzen hinsichtlich der Bedingungen für ihre eigene Existenz44. Es ist hierzu wichtig, zu bemerken, dass die zweiten Substanzen in derselben Weise wie die Entitäten der anderen Kategorien behandelt werden: Sowohl die zweiten Substanzen wie die Entitäten der anderen Kategorien sind nämlich in Bezug auf ihre tatsächliche Existenz von einer ersten Substanz abhängig; zugleich werden sie so behandelt, dass keine Differenz hinsichtlich ihrer Existenz auftritt: D.h. sowohl zweite Substanzen wie Entitäten der übrigen Kategorien werden von Aristoteles mit gleichem Recht in die Realität eingeschlossen; sie gehören alle ausnahmslos der Realität an45. Auch die zweiten Substanzen sollen 44

Die Äußerung der Abhängigkeit der Entitäten, welche den sonstigen Kategorien angehören, von der Substanz – im Sinne von unabhängig existierendem Gegenstand genommen – als ihrem zugrunde Liegenden soll beachtet werden, da eben dieselbe Art Abhängigkeit seitens der Entitäten der sonstigen Kategorien von der Substanz als Gegenstand meiner Ansicht nach in Metaphysik Zeta 1 wiederholt wird; dies bildet meinem Ermessen nach genau den Beweis einer Kontinuität zwischen der Interpretation von Substanz in der Kategorien-Schrift und in der Metaphysik: Es ist meiner Ansicht nach den beiden Texten tatsächlich gemeinsam, dass die Bedeutung von Substanz als Gegenstand zum Vorschein kommt. 45 Einige zusätzliche Merkmale, die jeder ersten Substanz gerade als erster Substanz zukommen, werden in Kategorien-Schrift 5, 3b24-32 und 5, 4a10-21 geschildert: Die

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infolgedessen als existierende Entitäten beurteilt werden, obwohl sie nicht auf der nämlichen Ebene der ersten Substanzen bestehen, und obgleich sie auf die Existenz der ersten Substanzen um ihrer eigenen Existenz willen angewiesen sind; sowohl erste als auch zweite Substanzen, obschon sie unterschiedliche Aufgaben in der Realität wahrnehmen, gehören trotzdem der Realität an. Die zweiten Substanzen entsprechen somit nicht einem reinen Produkt des Intellekts46; sie stellen in ihrer Funktion als Synthesen der wesentlichen Eigenschaften der ersten Substanzen – man könnte diesbezüglich die zweiten Substanzen auch als „Vertreterinnen“ der wesentlichen Eigenschaften bezeichnen – das Spektrum der möglichen ersten Substanzen dar; sie drücken den Bereich der möglichen Arten und Gattungen aus, bringen somit bestimmte Eigenschaften, welche in den ersten Substanzen ihrer Realisierung begegnen, mit sich und begrenzen zugleich den Bereich der möglichen Lebewesen. Des Aristoteles Manöver besteht somit nicht – zumindest meiner Ansicht nach – in einer Aufnahme der ersten Substanzen in die Realität und in einem Verweis der zweiten Substanzen aus der Realität, sondern in eine Aufnahme sowohl der ersten wie auch der zweiten Substanz in die Realität mitsamt der Zuweisung der beiden Entitätstypen an unterschiedliche Sphären der Realität selbst. Es ist in Bezug auf die ontologische Verfassung der ersten und zweiten Substanzen unabdingbar, die Darstellung der ersten Substanz als ein und der zweiten Substanz als einin Augenschein zu nehmen. Diese Darstellung ist besonders relevant für die These der Einführung einer neuen Ontologie seitens Aristoteles und für die Vertretbarkeit der These, dass Aristoteles durch die Unterscheidung zwischen dem Dieses Etwas und dem Qualitativen tatsächlich eine neue Ontologie einführen will; die dazugehörige Stelle Kategorien-Schrift 5, 3b10-21 argumentiert wie folgt: „Jede Substanz scheint ein Dieses Etwas zu bezeichnen ( 47). Bei den ersten Substanzen ist es also unbestreitbar und wahr, dass sie ein Dieses Etwas bezeichnet ( Substanz hat keine ihr selbst gegensätzliche Entität; die Substanz ist die einzige Entität, welche in sich selbst Gegensätze, wenn auch in unterschiedlichen Zeiten, aufzunehmen vermag; keine Entität der sonstigen Kategorien ist hingegen imstande, Gegensätze in sich selbst aufzunehmen; damit werden die Rolle der ersten Substanz als existentieller Basis für die Entitäten der anderen Kategorien und die Abhängigkeit der Entitäten der anderen Kategorien von der ersten Substanz bekräftigt. 46 Der Intellekt findet die zweiten Substanzen, er erfindet sie nicht: Der Intellekt spiegelt in sich selbst die Strukturen der Realität wider. 47 Ich übersetze den altgriechischen Ausdruck „“ mit dem deutschen Ausdruck „Dieses Etwas“:  steht meinem Ermessen nach für das deutsche Demonstrativpronomen, steht für das Wesenswort (von der weiblichen oder männlichen Konkordanz wird bei der Benützung dieser Formel abgesehen: Die Formel wird nämlich auf jede Art von Substanz angewendet, ganz abgesehen von deren Genus).

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). Denn das, was erkennbar gemacht wird, ist unteilbar und der Zahl nach eins ( ). Bei den zweiten Substanzen aber wird zwar ähnlich durch die Form der Benennung der Anschein erweckt, als ob sie ein Dieses Etwas bezeichneten, falls man von Menschen oder von Sinnenwesen spricht; der Anschein ist allerdings nicht wahr, sondern man bezeichnet vielmehr etwas Qualitatives () – denn das zugrunde Liegende ist nicht eins () wie die erste Substanz, sondern der Mensch und das Sinnenwesen werden von vielen zugrunde Liegenden ausgesagt –; indessen bezeichnet das Wort nicht schlechthin etwas Qualitatives ( ), wie zum Beispiel das Weiße tut. Denn das Weiße bezeichnet nichts anderes als ein Qualitatives, dagegen bestimmen die Gattung und die Art das Qualitative in Bezug auf die Substanz ( ) – denn sie bezeichnen eine Substanz von einer Qualität48 (    ) –.“

Das Dieses-Etwas-Sein wird den ersten Substanzen darum zugesprochen, weil sie unteilbar und der Zahl nach eine sind: Das Der-Zahl-nach-einsSein ist allem Anscheine nach für äquivalent mit dem EineKonkretisierung-Sein anzusetzen; jedoch bringt die Tatsache, dass eine Entität von vielen ausgesagt wird, mit sich, dass diese Entität nicht als eine solche angesehen werden darf, welche der Zahl nach eine ist, denn sie wird insofern von einer Pluralität ausgesagt, als sie in einer Pluralität konkretisiert ist: Dies schließt die Möglichkeit aus, dass eine zweite Substanz numerisch eine ist. Das , welches den zweiten Substanzen entspricht, befindet sich in einer jeden ersten Substanz konkretisiert, so dass die zweite Substanz von der Pluralität von Entitäten ausgesagt werden kann, in denen sie konkretisiert ist49: Somit darf die zweite Substanz nicht als die Konkretisierung einer Eigenschaft gelten. Man kann durch die Inhalte dieses Passus feststellen, dass Aristoteles die zweiten Substanzen nicht wie die ersten Substanzen behandeln will, da er den zweiten Substanzen den Rang vom Dieses-Etwas-Sein und somit vom Konkretisierung-Sein abspricht: Die zweiten Substanzen sind nicht Konkretisierungen; sie konstituieren ganz im Gegenteil etwas Qualitatives (), wenn auch – dies darf nicht vernachlässigt werden – ein 48

Im Kapitel Metaphysik Delta 14, das sich mit der Analyse des Begriffes der Qualität befasst, lenkt Aristoteles die Aufmerksamkeit darauf (siehe insbesondere die Stellen 1020a33-b2 und 1020b13-17), dass einerseits zwischen Qualität als Unterschied im Hinblick auf die Substanz und andererseits den anderen Bedeutungen für Qualität rigoros unterschieden werden muss. 49 Die Prädikation registriert die Tatsache des vielfachen Instantiiert-Seins des Komplexes von Eigenschaften (wie die Eigenschaften, die das Mensch-Sein bilden), welchem die zweite Substanz (zum Beispiel die zweite Substanz „Mensch“) entspricht (die zweite Substanz lässt sich auch als die Synthese oder als der Name dieses Komplexes von Eigenschaften darstellen).

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Qualitatives innerhalb der substantiellen Bestimmungen. Aristoteles ist also – bei allen Verschiedenheiten zwischen erster und zweiter Substanz – nicht dazu bereit, die zweite Substanz als eine Qualität schlechthin einzuordnen; er warnt deshalb davor, die zweite Substanz einfach als äquivalent mit einer Qualität einzuschätzen. Denn die zweite Substanz manifestiert die wesentliche Identität einer ersten Substanz, wie es im Passus Kategorien-Schrift 5, 2b29-37, der oben zitiert worden ist, klar geäußert wird, so dass sie nicht einer einfachen Qualität gleichkommen kann. Ich bin der Auffassung, dass Aristoteles, wenn er zwischen Entitäten unterscheidet, welche ein Dieses Etwas sind, und Entitäten, welche nicht ein Dieses Etwas, sondern ein Qualitatives sind, ausschließlich eine Vervielfältigung der Einzelentitäten zu verhindern beabsichtigt, und nicht eine Vervielfältigung der Entitäten überhaupt. Denn Aristoteles sagt nicht, die zweite Substanz sei nichts, sondern behauptet, die zweite Substanz sei kein Dieses Etwas; er schränkt seine Präzisierung ausschließlich auf die Behauptung ein, dass die zweite Substanz kein Dieses Etwas ist. Aristoteles will hiermit verdeutlichen, dass die zweiten Substanzen einen anderen Typ von Entitäten als den Entitätstyp der ersten Substanzen darstellen und insofern auf eine andere Existenzebene gestellt werden müssen; statt den zweiten Substanzen Existenz abzusprechen, will er die Existenz der zweiten Substanzen dadurch legitimieren, dass er ihnen die richtige Position in der Realität zuspricht. Folglich liegt der Zweck des aristotelischen Unterscheidungsmanövers nicht in der absoluten Bestreitung der Realität der Entitäten, welche als zweite Substanzen gelten, sondern in ihrer richtigen Zuweisung an einen eigenen Ort innerhalb des Reviers der Realität: Wohl gehören die zweiten Substanzen nicht der Realitätsebene der Konkretisierungen an, aber sie gehören dennoch der Realität an. Die zweiten Substanzen bringen in dieser Perspektive die wesentliche Identität der ersten Substanzen zum Ausdruck, indem sie die Qualität innerhalb der Substanz entfalten; sie existieren in diesem Sinne als (biologische) Programme: Diese Programme diktieren die den betreffenden ersten Substanzen wesentliche Entwicklung50; eben diese Entwicklung wird von den Konkretisierungen, die von den ersten Substanzen repräsentiert werden, verwirklicht51. 50

Ein Beispiel für diese Entwicklung wird von den unterschiedlichen Phasen des menschlichen Lebens geboten. Die zweite Substanz „Mensch“, welche die Art der einzelnen Menschen ist, sozusagen den wesentlichen Inhalt eines jeglichen Menschen vertritt und von allen Menschen ausgesagt wird, impliziert ein bestimmtes Entwicklungsprogramm, welches jede erste Substanz „Mensch“ durch ihre unterschiedlichen Lebensphasen in sich selbst realisiert. 51 Die Interpretation des wesentlichen Inhaltes einer ersten Substanz muss meiner Ansicht nach immer mit Aristoteles’ Entfaltung des Konzeptes „Natur“ (siehe dazu z.B. Physik II 1) verbunden werden: Das Wesen einer biologischen Entität ist ihre Natur; Natur ist Entwicklungskraft. Auf dieses Thema wird in der vorliegenden Studie

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Auf der Basis der analysierten Stellen der Kategorien-Schrift ist es jetzt an der Zeit, die Merkmale der ersten Substanz als erster Substanz aufzulisten. Diese Merkmale sind die folgenden: Ein Dieses Etwas zu sein. Eine Entität zu sein, die von keiner anderen Entität ausgesagt wird und von welcher alle anderen Entitäten ausgesagt werden. Die Realisierungsbasis (i.e. Realisierungsgrundlage) für alle Entitäten zu sein, welche anderen Kategorien wie Qualität, Quantität, Relation und so weiter angehören, oder welche zweite Substanzen darstellen. Eine Entität zu sein, die numerisch eine ist. Eine Entität zu sein, die keine ihr selbst gegensätzlich seiende Entität hat. Eine Entität zu sein, welche die Gegensätze in sich selbst empfangen kann. c) Aspekte der Substanz in der Schrift „De Anima“ Um das Problem der Substanz aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, will ich jetzt der Schrift „De Anima“ meine Aufmerksamkeit zuwenden. Denn einige Stellen der Schrift „De Anima“ schildern interessante Aspekte zur Mehrdeutigkeit der Substanz. Diese Mehrdeutigkeit manifestiert sich durch das Zuweisen des Status „Substanz“ zu a) der Form, b) der Materie und c) dem aus beiden Zusammengesetzten52; außerdem erklären dieselben Stellen das Verhältnis nicht spezifisch, d.h. mit einem diesem Thema gewidmeten Abschnitt eingegangen; Folgendes muss jedoch stets berücksichtigt werden: Das Wesen einer biologischen Entität ist deren Entwicklungsprinzip und damit deren wirkende Kraft. 52 Mit Blick auf den Ausdruck „das aus beiden Zusammengesetzte“ ist m. E. darauf hinzuweisen, dass der Ausdruck eine Art Formel darstellt, die leicht zu missverstehen ist, da sie das Konkrete als eine einfache Summe von Materie und Form präsentiert, als wäre die zusammengesetzte Substanz der einfachen Formel „Materie + Form“ gleich. Eigentlich spielen Form und Materie keine gleichwertige Rolle in dieser Zusammensetzung: Die Form ist vielmehr das, was die Rolle des die Materie aktualisierenden, organisierenden Faktors spielt; die Materie ist an sich selbst nur die Potentialität, auf welcher dieser aktualisierende Faktor wirkt; Form und Materie dürfen daher in dieser Formel nicht als gleichwertige Faktoren angesehen werden. Die Materie empfängt die Aktualisierung durch die Form oder, anders gesagt, die Form als aktualisierender Faktor wirkt vom Innen selbst der Materie. Denn die Form ist ein wirkender Faktor, der in der materiellen Komponente vorhanden ist: Sie ist nämlich nicht etwas, das vom Außen kommt, als ob die Form etwas Äußerliches im Verhältnis zur Materie wäre. Diese Betrachtungen gelten selbstverständlich in Bezug auf die biologischen Entitäten: Die Form ist für diese Entitäten das Lebensprinzip selbst, welches vom Innen der Organismen wirkt. Bezüglich der Artefakte ist die Form etwas, nach dem ein Agens eine Materie modelliert: In diesem Zusammenhang kommt die Form vom Außen im Verhältnis zur zusammengesetzten Entität; sie ist nicht in der

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von Form und Materie durch das Verhältnis von Vollendung und Potenz, da sie jeweils die Form mit der Funktion der Vollendung und die Materie mit der Funktion der Potenz identifizieren und damit ein Verhältnis von neuen ontologischen Funktionen bezeichnen. Im Passus De Anima II 1, 412a1-22 äußert Aristoteles die Mehrdeutigkeit des Konzeptes „Substanz“ in klarer Weise. Hierbei werden drei Bedeutungen für Substanz festgelegt: Materie, welche die Potenz darstellt; Form, welche die Vollendung darstellt; das aus beiden Zusammengesetzte, welches das Erzeugnis darstellt, das aus den beiden vorangehenden Entitäten resultiert. Diese drei Bedeutungen lassen sich nicht auf ein alleiniges Element zurückführen, obzwar, wie man wird sehen können, reziproke Beziehungen zwischen diesen drei Bezugspunkten tatsächlich bestehen; die Struktur der Ontologie benötigt, so könnte man dies ausdrücken, alle drei Arten von Entitäten und lässt sich insofern nicht auf Reduktionen gründen: „Das von den früheren Philosophen über die Seele Überlieferte sei nun soweit dargelegt: Kehren wir aber wieder gleichsam zu einem neuen Anfang zurück, indem wir versuchen zu bestimmen, was die Seele ist, und welcher ihr gemeinsamster Begriff sein dürfte. Wir nennen nun eine Gattung des Seienden die Substanz (), und von dieser die eine Gattung als Materie (), welche an sich kein Dieses Etwas () ist, die andere Gattung aber als Gestalt und Form (), nach welcher schon ein Dieses Etwas () gesagt wird53, und die dritte Gattung das aus diesen ()54. Die Materie ist Potenz (), die Form aber ist Vollendung (), und dies in zweifachem Sinne, zum einen wie eine Wissenschaft, zum anderen wie das Betrachten55. Substanzen () scheinen am meisten die Körper zu sein, und von diesen die natürlichen. Denn sie sind für das Übrige Prinzipien. Von den natürlichen Körpern haben die einen Leben, die anderen haben es nicht: Leben nennen wir sowohl die Selbst-Ernährung als auch Wachstum und Schwinden. Daher ist wohl jeder natürliche Körper, der am Leben teilhat, eine Substanz (), und zwar im Materie als der Materie eigenes Lebensprinzip. Jedoch auch in diesem Falle ist das Zusammengesetzte nicht als eine Entität zu interpretieren, welche der reinen Summe der beiden Form und Materie entspräche; das künstliche Zusammengesetzte, wie ein Haus, ist immerhin eine Form, welche die materiellen Komponenten strukturiert. Form und Materie sind nie auf die gleiche Stufe zu stellen. 53 Das Dieses Etwas ist die geformte Entität, d.h. die Entität, die in sich selbst eine bestimmte Struktur aufgenommen hat. Die Materie kann kein Dieses Etwas sein: Denn sie ist an sich selbst keine strukturierte Entität. Die Seele macht den Körper zu einer vollendeten Entität und infolgedessen zum Dieses Etwas: Allein dank der Tätigkeit der Form kann das Dieses Etwas entstehen. 54 D.h.: das aus diesen beiden Zusammengesetzte oder, anders gesagt, das aus diesen beiden Hervorgehende, das aus diesen beiden Resultierende. 55 Hier steht die Wissenschaft vermutlich für den einfachen Besitz einer Erkenntnis, das Betrachten seinerseits für die tatsächliche Ausübung dieser Erkenntnis.

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Sinne einer zusammengesetzten Substanz (). Da er aber ein so gearteter Körper ist – denn er besitzt Leben – dürfte die Seele () aber nicht Körper sein. Denn der Körper gehört nicht zu dem, was von einem zugrunde Liegenden ausgesagt wird (), sondern ist vielmehr so als zugrunde Liegendes und Materie ( ). Notwendig also muss die Seele eine Substanz als Form ( ) eines natürlichen Körpers () sein, der in Potenz Leben hat (). Die Substanz ist Vollendung (  ). Also ist sie Vollendung eines solchen Körpers56 (  ).“

Substanz ist eine Gattung des Seienden: Dies ist der erste Punkt, der wahrgenommen und festgehalten werden muss; wenn daher Substanz eine Gattung des Seienden bildet, kommen auch die Elemente dieser Gattung tatsächlichen Elemente des Seienden gleich. Die Natur des Konzeptes „Substanz“ zeigt sich in diesem Passus als klar mehrwertig; als Substanz werden sowohl die Materie, die Form und das aus beiden Zusammengesetzte bezeichnet: Substanz kann demnach die Materie sein, welche an sich selbst kein Dieses Etwas ist und welche die Potenz für etwas bildet; die Materie ist nämlich Potentialität dazu, eine bestimmte Form in sich selbst aufzunehmen und den ungeformten Zustand zu verlassen, um zu einem Zustand des Geformt-Seins überzugehen. Substanz kann demgegenüber die Gestalt oder, anders gesagt, die Form sein, welche der Faktor ist, durch den eine Entität die ontologische Verfassung des Dieses Etwas, nämlich der tatsächlich strukturierten Entität erwirbt; die Form übernimmt die Rolle der Aktualisierung, der Vollendung57, von welcher die Materie zu etwas Organisiertem geführt wird. Im Rahmen des Bereiches der lebenden Körper ist die Seele die Form: Die Seele ist an sich selbst imstande, Leben einem dazu geeigneten Körper zu vermitteln. Die Seele ist die Vollendung eines bestimmten Körpers; sie führt in dieser Hinsicht den Körper zum Leben und ruft den Körper selbst in den Zustand des Wirklich-Seins, nämlich des Lebens und dessen Aktualisierung, d.h. die Seele bringt die Bestandteile und die Lebensfunktionen des Körpers zur eigentlichen Tätigkeit. 56

Auch in De Anima II 2, 414a14-28 besteht Aristoteles auf der Mehrdeutigkeit der Substanz, da Substanz je nach den Kontexten Körper, Seele oder Zusammengesetztes sein kann. 57 Aristoteles versteht unter „ (Vollendung)“ auch den Vollendungsfaktor: D.h. Vollendung und Vollendungsfaktor sind beide Funktionen, welche von der Form verkörpert werden. Tatsächlich ist die ganze Aktivität, welche ein lebender Körper aufweist, direkt von seiner Form hervorgebracht. Der Lebensfaktor ist die Form: Die Tatsache, dass die Form die Vollendung ist, heißt, dass die Form den Lebensfaktor, d.h. der zum Leben leitende Faktor ist.

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Substanz kann als das aus beiden Aspekten, d.h. Materie und Form, Zusammengesetzte gelten: In diesem Gefüge bildet der lebende Körper die mit dem Zusammengesetzten äquivalente Entität; Aristoteles zieht für den Status vom Zusammengesetzten nicht irgendwelche Körper, sondern allein den lebenden Körper in Betracht (ein Körper ohne Leben würde einfach einem Körper ohne Form gleichkommen). In diesem Passus ist nicht nur die Mehrwertigkeit des Konzeptes „Substanz“ zu registrieren: Zu beachten ist ferner, dass die Materie in die Funktion der Potenz und die Form in die Funktion der Vollendung, d.h. des Faktors, der eine gewisse Materie organisiert (woraus die zusammengesetzte Entität resultiert), überführt werden. Das Verhältnis von Materie und Form wird demgemäß in den Konnex „Potenz/Vollendung“ transponiert: Die Position von Materie und Form wird sonach mit zusätzlichen ontologischen Funktionen erklärt. Die Rolle der Substanz im Sinne der Form wird auch im nachstehenden Passus De Anima II 1, 412b10-22 von der Seele übernommen; die Seele ist das Wesen für denjenigen Körper, der eine derartige Seele aufnehmen kann; die Seele ist der Faktor, welcher den Körper zu dem werden lässt, was der Körper an sich selbst potentiell ist, d.h. sie ist der Faktor, welcher die Potentialitäten des Körpers ins Leben ruft: „Allgemein ist nun dargelegt, was die Seele ist. Denn sie ist die Substanz dem Begriffe nach (  ). Dies ist das Wesen (  ) für einen so beschaffenen Körper (), wie wenn eines von den Werkzeugen ein natürlicher Körper wäre, zum Beispiel ein Beil. Denn das Wesen des Beiles wäre seine Substanz (  ), und dies wäre die Seele (); wenn diese getrennt würde58, wäre es kein Beil mehr, es sei denn nur dem Namen nach (  ); nun aber ist es ein Beil. Nicht von einem so beschaffenen Körper ist ja die Seele das Wesen () und der Begriff ( ), sondern von einem natürlichen, so beschaffenen Körper, welcher das Prinzip der Bewegung und Ruhe in sich besitzt. Man muss das Gesagte auch bei den Teilen59 betrachten. Wenn das Auge ein Sinnenwesen wäre (  ), wäre seine Seele die Sehkraft (     ). Denn diese ist die Substanz des Auges dem Begriffe nach60 (    ). Das Auge aber ist die Materie der Sehkraft (    ); im Falle, dass diese sich entfernte, wäre es kein

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D.h.: „wenn diese vom Beil getrennt würde“. D.h.: bei den Teilen der Körper. Man muss immer auf diese bestimmte Spezifizierung achten, durch welche eine Entität als die Substanz dem Begriffe nach bezeichnet wird: Durch diese Spezifizierung wird ein Unterschied eingeführt zwischen dem einfachen Konzept der Substanz, welches einem Einzelding entspricht, und dem Konzept von Substanz von etwas, welches wiederum das Wesen eines Einzeldinges zum Ausdruck bringt.

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Auge mehr, es sei denn nur im namensgleichen ( ) Sinne, wie das steinerne oder das gezeichnete61.“

Die Seele ist demgemäß Substanz dem Begriffe nach; die Seele ist insofern das Wesen für einen dazu angemessenen Körper62. Die Seele als Wesen bildet das Prinzip des Lebens eines Körpers. Denn die Seele ermöglicht, indem sie dem Körper Leben vermittelt, dem Körper selbst die Benützung seiner angeborenen Funktionen. Ohne dieses Wesen und dessen Wirkung auf dem Körper darf man von einem Körper nur in einer homonymen Weise sprechen; der Körper, der von einer Seele beseelt wird, existiert als Körper nur, wenn er eine Seele hat; sonst ist der Körper ein Körper nur in homonymem Sinne: Der Körper ist kein eigentlicher Körper (mehr). Die Seele entspricht in dem Sinne einem bestimmten Körper, dass die Seele die Seele eines Körpers ist, welcher das Prinzip der Bewegung und Ruhe in sich besitzt: Es eignet sich nämlich nicht jeder Körper dazu, eine Seele zu empfangen, sondern nur jener Körper, welcher seinerseits eine tatsächliche Potentialität für das Leben besitzt; die Seele ist das Wesen eines derartigen Körpers, da sie die Funktionen des Körpers ermöglicht. Die Seele ist das, was den Körper aktiviert: Deswegen ist sie das Prinzip des Lebens des Körpers und daher des Körpers eigentliche Essenz. Jegliche Materie, welche eine Komponente eines lebenden Körpers bildet, braucht immerhin die entsprechende aktualisierende Kraft, die ihrerseits allein von der Form geliefert werden kann; wenn der materielle Teil (= das materielle Organ) seinerseits des Wesens oder, anders gesagt, der Substanz dem Begriffe nach beraubt wird, ist der materielle Teil nur in homonymer Weise etwas. Ein unter normalen Umständen beseelter Körper, der ohne Seele ist, ist lediglich in homonymer Weise etwas, denn, eben weil er seine eigenen Funktionen nicht ausüben kann, ist er an sich selbst, d.h. ihrem Wesen nach auch kein eigentlicher Körper mehr. Ein beseelter Körper ist als ein Ganzes anzusehen; d.h. sein Wesen besteht im Beseelt-Sein (und in den Funktionen, welche der zur Sprache kommende lebende Körper genau dank seinem Beseelt-Sein auszuüben imstande ist und tatsächlich ausübt); wenn dieser bestimmte Körper nicht beseelt ist, ist er auch sein eigenes Wesen nicht mehr, denn er lebt nicht und übt mithin seine eigenen Funktionen nicht aus: Er ist somit kein Körper mehr63. Der materielle 61 62

Nämlich: „das steinerne oder das gezeichnete Auge“. Es ist auf die an dieser Stelle zu beobachtende Äquivalenz und Austauschbarkeit zwischen den Kennzeichnungen „Substanz dem Begriffe nach“, „Wesen“, „Substanz von etwas“ und „Begriff“ zu achten: Die Ausdrücke bezeichnen insofern dasselbe, da sie den Faktor angeben, welcher die Lebensfunktionen eines angemessenen Körpers in die Tätigkeit versetzt; ihre Bedeutung fällt in dem hier gegebenen Kontext mit der Seele eines Körpers zusammen; Substanz von etwas und Wesen erweisen sich in dieser Hinsicht als miteinander auswechselbare, kongruierende Faktoren. 63 D.h.: Der nicht mehr beseelte Körper ist nicht mehr imstande, die Funktionen, welche ihm nach seinem Wesen als beseeltem Körper zustehen sollten, auszuüben: Er

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Teil64 stellt eigentlich an sich selbst – d.h. ohne die aktualisierende Kraft der Form – keinen lebenden Teil dar; er erwirbt einen präzisen, weil tätigen, Platz in der Realität nur durch die Form, da nur die Seele ihn zur Ausübung seiner eigenen Funktionen befähigt65. d) Substanz in Metaphysik Zeta 1 Ich möchte im Folgenden einige Aspekte der Behandlung der Substanz in Metaphysik Zeta durchgehen. Die Substanz wird im ersten Kapitel des Buches Zeta mitsamt den anderen Kategorien des Seienden gleichsam vorgestellt; hierin wird sie unter zwei ontologischen Werten, als unabhängig existierendem Gegenstand einerseits und als Essenz dieses Gegenstandes andererseits verstanden. Diese Bedeutungen für Substanz bilden zwei verschiedene konstitutive Elemente der Realität und sollen als solche erörtert werden. Meine Analyse wird mit der Betrachtung von einigen Aussagen einsetzen, die im Kapitel Metaphysik Zeta 1 anzutreffen sind. Auf folgende Weise äußert sich Metaphysik Zeta 1, 1028a10-b2: „Das Seiende () wird in mehreren Weisen gesagt (), wie wir früher in der Untersuchung über die mehrfachen Bedeutungen unterschieden. Denn es bezeichnet einerseits das Was ist und das Dieses Etwas ( ), andererseits bezeichnet es ein Qualitatives oder ein Quantitatives oder ein jedes von dem übrigen so Prädizierten. Während nun in so vielen Weisen das Seiende gesagt wird, ist augenscheinlich, dass das, was Erstes66 von diesen ist, das Was ist ( ) ist, welches genau die Substanz bezeichnet () (denn, wofern ist daher sein eigenes Wesen nicht mehr, so dass er kein eigentlicher Körper mehr ist (dies gilt zumindest für den Umfang der beseelten Körper). 64 Ich beziehe mich in diesem Kontext immer auf einen materiellen Teil oder auf einen materiellen Körper, welcher die Fähigkeit hat, Leben aufzunehmen; es handelt sich dabei immer um zumindest potentiell lebende Körper. 65 Da ohne die aktualisierende Kraft der Seele das Organ jene Funktion (jene Funktionen) nicht auszuüben imstande ist, welche seine eigene Identität ausmacht, ist es kein tatsächliches Organ mehr. Daher wird von einem materiellen Teil gesprochen, der nur in homonymer Weise etwas ist. 66 Die erste Weise des Seienden ist das „Was ist ()“ einer Substanz: Diese Weise wird als erste beschrieben, denn mittels ihrer kommt die Beschreibung des Wesens einer Substanz zustande. Während die anderen Kategorien akzidentelle Eigenschaften einer Substanz darstellen, entfaltet dagegen das „Was ist“ das eigentliche Sosein einer ersten Substanz. Das „Was ist“ identifiziert die erste Substanz bezüglich der Eigenschaft, welche das eigentliche Sein einer Substanz und somit ihr eigenes Wesen ausmacht. Ähnliches wird, nebenbei bemerkt, in Kategorien-Schrift 5, 2b29-37 argumentiert. Daraus lässt sich entnehmen, dass nicht alle Eigenschaften im bestimmten Zusammenhang der wesentlichen Identifikation einer Entität (wie etwa einer Substanz) auf dieselbe Ebene gestellt werden können, denn sie sind dazu nicht gleichwertig.

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wir aussprechen, wie beschaffen () dieses Ding ist, so sagen wir gut oder böse, aber nicht drei Ellen lang oder Menschen; wofern wir aber aussprechen, was es ist (), so sagen wir nicht weiß oder warm oder drei Ellen lang, sondern Menschen oder Gott); die anderen Entitäten aber werden seiend genannt, da die einen Quantitäten, die anderen Qualitäten, die anderen Affektionen, die anderen etwas anderes Derartiges von dem in dieser Bedeutung Seienden sind ( ). Darum könnte man auch bei dem Gehen, dem Gesund-Sein und dem Sitzen in Zweifel sein, ob ein jedes derselben seiend oder nicht seiend ist, und ebenso bei allem anderen dieser Art. Denn keines von jenen besteht an sich () oder ist einer Trennung von der Substanz fähig (), sondern, wofern überhaupt, so gehört vielmehr das Gehende, das Sitzende und das Gesunde zu dem Seienden (). Diese erscheinen aber vielmehr als seiend (), weil sie ein zugrunde Liegendes haben (), das bestimmt ist () (dieses ist nämlich die Substanz und das Einzelne  67), welches unter einer solchen Aussageweise sichtbar wird. Denn das Gute oder das Sitzende werden ohne dieses nicht ausgesagt ( ). Es ist also klar, dass durch diese ( )68 auch ein jedes von jenen ist (), so dass die Substanz dasjenige sein dürfte, was in erster Bedeutung ist () und nicht irgendetwas ist (), sondern schlechthin ist (). Das erste wird nun in vielen Weisen gesagt: Jedoch ist die Substanz unter allen Aspekten erstes, sowohl gemäß dem Begriff wie gemäß der Erkenntnis wie auch gemäß der Zeit. Von allen anderen Entitäten, welche prädiziert werden, ist keine getrennt ( ), diese hingegen ist die einzige ( ); und nach dem Begriff ist die Substanz das erste (denn es ist notwendig, dass im Begriff jeder Entität der Begriff der Substanz vorliegt); und wir denken, dass wir am meisten jede Entität kennen dann, wenn wir erkennen, was der Mensch oder was das Feuer ist, mehr als wenn wir dessen Qualität oder dessen Quantität oder dessen Ort erkennen, weil wir auch von diesen Entitäten jede dann kennen, wenn wir erkennen69, was die Quantität oder was die Qualität ist.“

Die Stelle Metaphysik Zeta 1 zeigt zwei Bedeutungen von „Substanz“: die Substanz als Einzelentität und die Substanz als das Wesen dieser Einzelentität. Die Bedeutungen  und  können meiner Meinung nach nicht auf dieselbe Entität zurückgeführt werden: Denn eines ist es, die Substanz als  zu bezeichnen, weil in diesem Falle die Substanz unter ihrer Bedeutung als Einzelentität verstanden wird (ein 67

Zu notieren ist die Verknüpfung zwischen Substanz und Einzelnem. Das Einzelding wird, zumindest in diesem Kontext, problemlos als Substanz verstanden. 68 D.h. die Substanz. 69 Damit wird sofort deutlich, dass das  nicht allein den Elementen der Kategorie der Substanz vorbehalten ist.

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Beispiel dafür ist der Mensch „Sokrates“); etwas anderes ist es demgegenüber, die Substanz in ihrer Bedeutung als  zu nehmen, und zwar deswegen, weil man sich dann auf die Bedeutung von Substanz als Essenz oder Wesen bezieht (ein Beispiel dafür ist das Wesen „MenschSein“)70. Dieser Punkt stellt eine Kontinuitätslinie mit dem Inhalt der Kategorien-Schrift dar, wird in der Kategorien-Schrift doch die zweite Substanz von den anderen Kategorien dadurch unterschieden, dass sie die wesentliche Identifikation der ersten Substanz ermöglicht. Hier in der Metaphysik wird in zumindest ähnlicher Weise der Inhalt der Substanz als „Was ist“ von den anderen Eigenschaften unterschieden, und zwar in dem Sinne, dass die wesentliche Identität einer Substanz ausschließlich von dem „Was ist“ – welches einer Bedeutung von Substanz entspricht – und nicht von den sonstigen Entitäten zum Ausdruck gebracht wird71. Desgleichen wird hier die Funktion der Substanz als zugrunde Liegenden für die anderen Eigenschaften wieder aufgegriffen; die Eigenschaften, welche nicht der Kategorie der Substanz angehören, werden immer auf eine Substanz, die sie als Eigenschaften besitzt, bezogen: Die Substanz in ihrer Bedeutung als selbständig existierendem Gegenstand gilt 70

Eine Bestätigung der doppelten Bedeutung von Substanz als einfacher Substanz und als Substanz von etwas lässt sich in Metaphysik Zeta 15, 1039b20-27 finden. In diesem Passus werden das Zusammengesetzte und der Begriff in ihrem Status als Substanzen gegenübergestellt und auseinander gehalten: Die wahrnehmbare Substanz wird als die Verbindung zwischen Materie und Begriff beschrieben; die andere Substanz ist der reine Begriff. Diese letztere Bedeutung von Substanz wird auch mit dem Ausdruck wiedergegeben (nämlich das „Haus-Sein“), welcher an sich einer Essenz zukommt, so dass meiner Meinung nach es legitim ist, die Substanz in ihrer Bedeutung als Begriff als äquivalent mit der Substanz in ihrer Bedeutung als Wesen einzustufen. Im Übrigen weist auch Metaphysik Zeta 7, 1032b14 darauf hin, dass die Substanz ohne die Materie dem Wesen gleichkommt. 71 Die tatsächlich vorliegenden Affinitäten zwischen der Substanz als „Was ist“ im soeben zitierten Passus und dem Konzept der zweiten Substanz der Kategorien-Schrift müssen gleichwohl nicht dazu veranlassen, das „Was ist“, von welchem in diesem Passus die Rede ist, oder die Substanz als Wesen oder als Form, wie die Substanz in anderen Stellen von Metaphysik Zeta geschildert wird (siehe Zeta 7, 1032b14 und Zeta 8, 1033b17) als äquivalent mit der zweiten Substanz der Kategorien-Schrift zu betrachten: Z.B. in Metaphysik Zeta 13, 1038b15-16 stellt Aristoteles klar, dass die Substanz nie von etwas anderem ausgesagt wird, was hingegen für die zweite Substanz immer der Fall ist. Ich bin der Meinung, dass Aristoteles im Buch Zeta die Analyse des Begriffes der Substanz so vertieft und diesen Begriff selbst dermaßen entwickelt hat, weil er sich der Gefahr bewusst geworden war, dass ihm wegen seiner Annahme der Existenz zweiter Substanzen Folgendes vorgeworfen werden könnte: Einer Entität, die – wie es die zweite Substanz der Kategorien-Schrift sei – einer Pluralität gemeinsam sei, eine (gewisse) Unabhängigkeit genau durch die Bezeichnung dieser Entität als Substanz gewährt zu haben (wenn auch immerhin als „zweiter“ Substanz). Daraufhin hat Aristoteles den Begriff der Substanz so beschränkt, dass als Substanz nichts Gemeinsames und nichts Allgemeines gelten darf. Infolgedessen verfliegt das Konzept der zweiten Substanz; fernerhin werden Form und Wesen in ihrer Bedeutung als Substanz nicht als etwas Gemeinsames angesehen, sondern immer als diese bestimmte Form und dieses bestimmte Wesen von einer bestimmten Entität betrachtet.

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als Realisierungsbasis oder, anders gesagt, als Existenzgrundlage für die Entitäten, welche unter die übrigen Kategorien fallen. In dieser Realisierungsbasis (d.h. Realisierungsgrundlage) finden die nichtsubstantiellen Entitäten ihren Realisierungsraum. Bezug darauf nehmend, muss bemerkt werden, dass allein der Substanz das Merkmal „GetrenntSein“ zuerkannt wird: Dieses Merkmal ist meiner Ansicht nach in diesem spezifischen Kontext als das Zeichen der eigenständigen Existenz seitens der Substanz in dem Sinne zu deuten, dass die Entitäten der sonstigen Kategorien, weil sie immer eine Substanz als ihre eigene Realisierungsbasis (Realisierungsgrundlage) brauchen, nicht getrennt von einer Substanz existieren können. Die Substanz in ihrer Bedeutung als Gegenstand kann hingegen das Merkmal „Getrennt-Sein“ zugewiesen erhalten, weil eine Substanz z.B. auch ohne den Besitz einer bestimmten Qualität fortzubestehen vermag72, während man auf der Realisierungsebene keine selbständige, d.h. keine unabhängig existierende Qualität vor sich hat, sondern eine Qualität, die an einer Substanz ist und sein muss; die Entitäten der anderen Kategorien benötigen ihrerseits eine Substanz als ihre Realisierungsbasis, um instantiiert zu werden. Mit anderen Worten: Als vorhandene Entität hat man immer Qualitäten und Quantitäten an einer Substanz vor sich. Es ist daher unausweichlich, zwei Bedeutungen für Substanz in diesem Text anzusetzen: Zwar wird die Darlegung des Konzeptes „Substanz“ in den ersten Zeilen des Textes von der Bedeutung der Substanz als Wesens klar dominiert; es ist aber auch zu bemerken, dass die Rolle der Substanz als Realisierungsbasis für die Entitäten der anderen Kategorien im Text ebenso deutlich hervortritt. Denn Quantitäten, Qualitäten, Affektionen und andere mögliche Entitäten werden immer auf eine Substanz, an der sie sind, zurückgeführt. Die danach zitierten Beispiele, welche vom Gehen, vom Gesund-Sein und vom Sitzen handeln, werden ausnahmslos auf eine Substanz bezogen; in dieser Konstellation kann die Bedeutung von „Substanz“ nicht das Wesen sein, sondern muss jener von Substanz als Gegenstand entsprechen. Denn ein Wesen, da es als ein Wesen von etwas 72

Ich interpretiere die Bedeutung des Merkmals „ (getrennt)“ und all der mit „“ verwandten Ausdrücke als Aussage der existentiellen Unabhängigkeit seitens der Entität, welcher Aristoteles dieses Merkmal zuspricht. In diesem spezifischen Kontext wird m. E. das Getrennt-Sein nun den Substanzen zugeschrieben, um einen starken Kontrast zur anderen Denkern eigenen Zuschreibung dieses Merkmales an die Ideen zu bilden, wie der Ursprung der Zuweisung dieses Merkmales in anderen Systemen in Metaphysik My 4 (Zeilen 1078b30-36) und My 9 (Zeilen 1086a31-b13) dargelegt wird: Infolgedessen stellt das System „Substanz“ eine Art Gegenpol zum System „Ideen“ dar. Es ist in dieser Beziehung auch zu sagen, dass in der Schrift „De Ideis“ die Idee sowohl im Argument des Eins über vielen Dingen (siehe dazu Zeile 80.12) wie auch in der zweiten Version des Argument des Dritten Menschen (siehe dazu Zeile 84.23) in Bezug auf Kontexte, welche Platons Positionen oder allerdings sich dem Platon anschließende Positionen beschreiben, als getrennt von den anderen Entitäten, von denen sie prädiziert wird, angesehen wird.

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zu verstehen ist, geht und sitzt nicht; desgleichen lässt sich das GesundSein nicht von Essenzen, sondern von (lebenden) Gegenständen aussagen73; hier ist meiner Einschätzung nach eindeutig von der Rolle der Substanz als des Gegenstandes die Rede: Die Beibehaltung beider Bedeutungen für „Substanz“ erweist sich folglich als unabdingbar74. e) Die wahrnehmbare Substanz als ein Dieses Solche ( ) in Metaphysik Zeta 8 Die ontologische Verfassung einer Substanz im Sinne des wahrnehmbaren Gegenstandes wird in einer erhellenden Weise im Passus Metaphysik Zeta 8, 1033b16-1034a8 geschildert. Dank dieser Stelle ist es möglich, den direkten Widerspruch der Theorie der wahrnehmbaren Substanz zur Ontologie der Ideen zu erkennen: „Aus dem Gesagten ist also augenscheinlich, dass dasjenige, was als Form oder Substanz () benannt wird, nicht wird, wohl aber die nach ihr benannte Zusammensetzung (), und dass in jedem Werdenden eine Materie vorhanden ist, und das eine dies, das andere das ist. Existiert nun eine Kugel neben () diesen Kugeln oder ein Haus neben () den Steinen? Oder, wenn dem so wäre, würde auch nicht einmal ein Dieses Etwas ( ) entstehen, sondern sie bezeichnet das Solche (  ), ist dennoch nicht ein Dieses und ein Bestimmtes75 (     ), sondern man macht und erzeugt aus diesem solches (      ), und falls es erzeugt 73

Dies gilt, es sei denn, dass man die Bedeutung von „Wesen“ als Lebewesen nimmt, was jedoch mit sich bringen würde, dass das Wesen nicht als der Faktor gedeutet wird, der einen Gegenstand zu dem macht, was der Gegenstand ist, sondern selbst als Gegenstand verstanden wird. 74 Hinsichtlich der Zuweisung des Merkmales „Getrennt-Seins“ können wichtige Spezifikationen durch die Betrachtung der Stelle Metaphysik Eta 1, 1042a26-31 erhalten werden, in der das Getrennt-Sein dem Begriffe nach und das Getrennt-Sein schlechthin unterschieden werden: Der Gestalt wird in diesem Kontext nur das Getrennt-Sein dem Begriffe nach zuerkannt, während das Getrennt-Sein schlechthin ausschließlich der zusammengesetzten Substanz zugesprochen wird; Aristoteles scheint damit präzisieren zu wollen, dass das Getrennt-Sein als Zeichen der selbständigen Existenz schlechthin allein jenen Entitäten zuerkannt werden kann, die tatsächlich eigenständig existieren: Während das Zusammengesetzte zu einer unabhängigen Existenz fähig ist, gilt das Gleiche nicht für die Gestalt, da eine Gestalt nun einmal nicht unabhängig von der Entität existieren kann, deren Gestalt sie ist. Die Form ist insofern dem Begriffe nach getrennt, als sie sich von der Materie auf der Ebene der Definition unterscheiden lässt. 75 Für ähnliche Inhalte siehe Metaphysik Beta 4, 999b17-20, Eta 3, 1043b14-23, Lambda 3, 1070a4-30: All diesen Texten ist gemeinsam, dass die formale Ursache, die ihrerseits die Entitäten zu dem macht, was sie an sich selbst sind, keine Entität ist, welche getrennt von den Entitäten existieren kann, von denen sie die formale Ursache darstellt.

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wurde, ist es ein Dieses Solche (     ). Das ganze Dieses (   ), Kallias oder Sokrates, ist nun wie diese bestimmte eherne Kugel (    ), der Mensch aber und das Sinnenwesen ist wie eherne Kugel im generellen Sinne (  ). Es ist also augenscheinlich, dass die Ursache von den Ideen her (), in der Art und Weise wie manche die Ideen () anzusprechen pflegen, wenn gewisse Entitäten neben den Einzeldingen () existieren, sicher im Verhältnis zu den Entstehungsprozessen und den Substanzen unter keinen Umständen nützlich sind; auch würden die Ideen sicher nicht aus diesen Gründen selbständige Substanzen () sein. Bei manchen Fällen ist es gewiss auch augenscheinlich, dass das Erzeugende zwar genauso wie () das Erzeugte ist, jedoch sicher nicht dasselbe (), und auch nicht Eines mit ihm der Zahl nach (), sondern der Art nach (), wie zum Beispiel bei den natürlichen Erzeugnissen – denn der Mensch erzeugt einen Menschen –, wofern nicht etwas gegen die Natur geschieht, wie wenn ein Pferd einen Maulesel erzeugt (und jedoch stehen diese Entitäten in einem ähnlichen Verhältnis. Denn dasjenige, was bei Pferd und bei Esel gemeinsam sein würde, die nächste Gattung, hat keinen Namen bekommen, es würde dennoch wahrscheinlich beides sein, wie eben der Maulesel ist); daher ist augenscheinlich, dass man keine Form als Vorbild aufzustellen braucht ( ) (denn am meisten würden sie in diesen Fällen gesucht. Denn diese sind am meisten Substanzen  ), aber das Erzeugende ist genügend, um das Ding hervorzubringen und der bewirkende Faktor der Form in der Materie zu sein ( ). Das Ganze nun, die derartige Form in diesem Fleisch und in diesen Knochen, ist Kallias und Sokrates (  ); und einesteils ist es verschieden wegen der Materie (denn diese ist verschieden) (), andernteils ist es identisch der Form nach (denn die Form ist unteilbar76) ( ).“

Aristoteles liefert hiermit unentbehrliche Elemente zum Verständnis der Struktur (des Aufbaus) jeder wahrnehmbaren Entität als wahrnehmbarer Entität, wie dies der Fall für eine Substanz als wahrnehmbaren Gegenstand ist. Die Struktur (der Aufbau) dieser Entität ist als ein   darzustellen; dies bedeutet, dass jede Entität dieser Art eine Konkretisierung einer bestimmten Eigenschaft in einer bestimmten Materie darstellt. Jede wahrnehmbare Entität ist nämlich eine Konkretisierung einer Eigenschaft oder eines Komplexes von Eigenschaften in einer Materie; diese Eigenschaften machen die Essenz der wahrnehmbaren Entität aus.

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Für eine zusätzliche Beschreibung der Form als unteilbar siehe Metaphysik Iota 9, 1058b8-11.

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Im Text werden Beispiele betrachtet, die von einer Kugel oder von einem Haus handeln, welchen die Struktur-Formel „ “ zugesprochen wird; dann werden die Beispiele Kallias und Sokrates erörtert, die mit der einzelnen Kugel auf die gleiche Stufe gestellt werden: Es erhellt daraus, dass auch Kallias und Sokrates die ontologische Verfassung des   besitzen. Eine jede dieser Entitäten hat als ihre Struktur eine determinierte Form: Die Form repräsentiert in dieser Hinsicht den Faktor, welcher das Prinzip der Organisation für eine bestimmte Materie bildet; die Form an sich selbst bezeichnet kein Dieses und kein Bestimmtes, weil sie keine selbständig existierende Entität darstellt, sondern den organisierenden Faktor einer zusammengesetzten Entität bildet. Aristoteles ist sich also der Gefahr bewusst, dass durch die Zuweisung der Bedeutung „Substanz“ zur Form77 leicht der Eindruck entstehen könnte, dass die Form eine eigenständige Entität bildet; er will sich offensichtlich durch die Hervorhebung der Position der Form im Revier der Realität als eines „“ gerade gegen diesen trügerischen Eindruck stemmen: Die Form ist nicht etwas, das selbstständig existieren könnte; sie macht kein Dieses und kein Bestimmtes aus; sie stellt hingegen ausschließlich die Beschaffenheit oder, anders gesagt, das „Programm“ des Seins einer bestimmten wahrnehmbaren Entität dar. Die Form eines Gegenstandes ist also an sich selbst kein Gegenstand, sondern nur dessen Strukturprinzip78. Danach wird im Text zwischen der Konkretisierung und den Entitäten, die gleichsam im allgemeinen Sinne genommen und betrachtet werden, unterschieden: Aristoteles hält tatsächlich Entitäten wie die Einzelmenschen Sokrates und Kallias, welche die Struktur des „ “ aufweisen, und Entitäten wie der Mensch und das Sinnenwesen im generellen Sinne, die ihrerseits etwas generell Genommenes repräsentieren (und somit kein eigenständig existierender Gegenstand 77

Am Anfang des letzten Zitates wird die Entität, welche als Form verstanden wird, auch als „Substanz“ bezeichnet (Metaphysik Zeta 8, 1033b17). Diese Benennung erfolgt z.B. auch in Metaphysik Zeta 7, 1032b1-2, worin die Form als „erste Substanz“ bezeichnet wird. 78 Das Problem des Verhältnisses von Gegenstand und dessen Form ist komplex: Beide Entitäten, wenngleich verschwägert und sogar verschwistert, laufen gleichwohl nicht auf dasselbe hinaus, wie sich übrigens schon aus den Stellen von „De Anima“ ergeben hat; allerdings denke ich, dass eine Art der Übereinstimmung zwischen den beiden Entitäten besteht, und zwar in dem Sinne, dass die Form von einem Gegenstand keine von diesem Gegenstand unabhängig existierende Entität bildet: Dies ist wohl der Sinn der in Metaphysik Zeta 6, 1031a15-18 ausgesagten Identität zwischen Einzelnem einerseits und dessen Essenz und dessen Substanz andererseits; ein Einzelnes ist nämlich mit seiner Substanz und Essenz identisch, denn seine Substanz und Essenz bilden nicht Entitäten, welche unabhängig von diesem Einzelnen existieren. Der Zweck der aristotelischen Darlegungen nicht nur in diesen Zeilen aus Zeta 6, sondern im ganzen Kapitel Zeta 6 liegt meiner Ansicht nach darin, eine Vervielfältigung der eigenständig existierenden Entitäten zu vermeiden. Das Wesen einer Entität ist keine eigenständig existierende Entität.

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sind), strikt auseinander79: Das, was Gegenstand ist, ist Gegenstand und existiert eigenständig; das, was kein Gegenstand ist, ist kein Gegenstand und existiert nicht unabhängig von einem Gegenstand. Aristoteles führt dann die Beispiele der bestimmten ehernen Kugel und der ehernen Kugel im Generellen an80. Es sieht so aus, als ob Aristoteles hierdurch die Anwendung des Verhältnisses: Konkretisierung des allgemeinen Zusammengesetzten81 – allgemeines Zusammengesetztes auf dieses Realitätsgefüge neben der zuvor erörterten Unterscheidung zwischen der Form an sich und dem Gegenstand, in welchem die Form konkretisiert wird, hervorheben wollte. Es muss aber ein Unterschied zwischen diesen Beispielgruppen festgehalten werden: Eines ist es, die Form als  dem Zusammengesetzten als   gegenüberzustellen, etwas anderes ist es hingegen, das allgemeine Zusammengesetzte dem individuellen Zusammengesetzten entgegenzusetzen, weil die Form nur formale Eigenschaften besitzt, das allgemeine Zusammengesetzte hingegen sowohl formale als auch materielle Eigenschaften umfasst. Mögen die Glieder der beiden oppositionellen Verhältnisse auch unterschiedlich sein, identisch ist dennoch m. E. das Ziel, das Aristoteles auf der Basis beider Verhältnisse anstrebt: Es sollen nämlich weder die Form an sich noch das allgemeine Zusammengesetzte als selbständig existierende Entitäten, d.h. als unabhängig existierende Konkretisierungen/Instantiationen angesehen werden. Die Form als Form von etwas existiert nicht unabhängig von der Entität, deren Form die Form ist; das allgemeine Zusammengesetzte existiert desgleichen nicht unabhängig von den Konkretisierungen. Aristoteles will jedwede Vervielfältigung von unabhängig existierenden

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Aristoteles will selbst keinen Anlass dazu geben, dass die Form von etwas als eine selbständige Entität interpretiert wird: Dies ist meiner Ansicht nach auch einer der Gründe, weshalb er so nachdrücklich auf diese Spezifikation drängt. 80 Die Stelle Metaphysik Zeta 10, 1035b27-31 kann als eine Bestätigung der Unterscheidung und Einteilung einiger Entitäten in Konkretisierungen von Universalien einerseits und in Universalien andererseits angesehen werden. Eine Einzelentität wie Sokrates, die aus der Zusammensetzung von Materie und Form besteht, wird dem allgemeinen Menschen und dem allgemeinen Pferde gegenübergestellt; nur den Einzeldingen ist in diesem bestimmten Zusammenhang nach Einschätzung des Aristoteles der Status von Substanz zuzusprechen. 81 Zwar wird der Ausdruck „allgemeines Zusammengesetztes“ im gegenwärtigen Zitat aus Metaphysik Zeta 8 nicht verwendet; da sich dieser Ausdruck aber in Metaphysik Zeta 10, 1035b27-31 findet und da die Entitäten, auf welche sich dieser Ausdruck bezieht, dieselben sind wie jene in generellem Sinne aufgefassten von Metaphysik Zeta 8, 1033b25-26, sehe ich mich dazu berechtigt, den Ausdruck auch auf die im Haupttext zitierte Argumentation von Metaphysik Zeta 8 anzuwenden.

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Entitäten, nämlich von selbständig existierenden Instantiationen/ Konkretisierungen vermeiden. Zugleich muss festgestellt werden, dass Aristoteles die von ihm erarbeitete Erklärung der Entitäten und die Präzisierung hinsichtlich der Position der Form jener bestimmten Erklärung der Realität gegenüberstellen will, welche durch den Rückgriff auf die Ideen erfolgt: Aristoteles macht so klar, dass die Annahme von Ideen überflüssig ist, da durch eine umsichtige Analyse des Gesamtprozesses „Entstehung“ und der in diesem Prozess einbezogenen Aspekte festzustellen ist, dass sich die Struktur (der Aufbau) der wahrnehmbaren Entitäten ohne Rekurs auf Ideen erklären lässt. Denn um den Prozess des Entstehens zu erklären wird nur eine hervorbringende Ursache benötigt, welche eine bestimmte Form an eine Materie weitergibt, ohne dass dafür diese selbe Form als eine selbständig existierende Entität verstanden werden müsste; das System der Ideen als Erklärungsmittel wird damit durch das System der Formen als , d.h. als Prinzipien (Programme) der Entwicklung82 der materiellen Gegenstände ersetzt. Man benötigt somit keine unabhängig existierenden Entitäten mehr, die als Ursachen für die den materiellen Gegenständen eigene Entwicklung gelten und die zugleich von den nämlichen materiellen Gegenständen getrennt existieren, um die natürlichen Prozesse an sich zu erklären: Durch die Ideen ließe sich der Generationsprozess hingegen nicht erklären. Die neue Ontologie kommt dank der Erhellung der Position der Form als jener eines „solchen“ und dank der folgerichtigen Eliminierung der Ideen als Vorbilder, d.h. als eigenständig existierender Entitäten zu Stande. Es ist in diesem Sinne äußerst bezeichnend, dass der Deutung der ontologischen Verfassung der Form als eines „solchen“, welches nicht unabhängig existiert, und der Einfügung der allgemeinen Entitäten in den ontologischen Bereich die Polemik gegen die Ideen unmittelbar folgt. Der Text wirkt so, als habe Aristoteles die Einführung von Entitäten, welche „das Solche“ angeben, und von allgemeinen Entitäten in die Ontologie zum Zweck der Eliminierung der Ideen erdacht; der positive Vorschlag wird an die Kritik wiederholt angeschlossen, um die richtige und die falsche Position besonders deutlich voneinander abzuheben.

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Dies gilt im Falle der biologischen Entitäten: Denn diese haben ein Naturprinzip in sich selbst; die künstlichen Erzeugnisse bekommen ihrerseits eine Form durch ein wirkendes Agens.

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f) Aspekte des Verhältnisses von Form und Materie in Metaphysik Zeta, Eta und Theta Das Thema des Verhältnisses von Form und Materie im Rahmen der ontologischen Verfassung eines materiellen Gegenstandes ist zwar komplex, lässt sich aber doch auf eine einfache Formel bringen: Form und Materie können im erörterten Zusammenhang nicht auf identische Weise behandelt werden, weil die von ihnen wahrgenommenen ontologischen Aufgaben unterschiedlich sind. Die Materie ist nur ein Bestandteil des zusammengesetzten Gegenstandes, und dies in dem Sinne, dass die Materie nicht der Faktor ist, der eine Entität zu dem macht, was die Entität an sich selbst ist; die Materie ist die Komponente, die von der Form gestaltet wird; die Materie stellt dasjenige dar, welches durch die Wirkung der Form eine Struktur erhält. Die Materie bildet im Kontext der ontologischen Verfassung einer zusammengesetzten Entität das Potential zur Wandlung in Richtung auf die Struktur (auf den Aufbau) des Gegenstandes, die durch die Form bedingt ist; die Materie bildet gleichsam die notwendige Zutat, die unentbehrliche Ingredienz, ohne welche kein materieller Gegenstand, genau weil er ein materielles Zusammengesetztes ist, bestehen kann. Die Form ist ihrerseits der Faktor – und somit ist sie kein einfacher Bestandteil – welcher die Struktur und das Gestell einer zusammengesetzten Entität repräsentiert; im Falle einer biologischen Entität stellt die Form das Entwicklungsprinzip der in Rede stehenden Entität dar, welches sämtlichen Schritten, nämlich sämtlichen Phasen der biologischen Entfaltung vorgegeben ist; die Form dirigiert dieses Organisationsprogramm: Sie steht dem ganzen biologischen Entwicklungsprozess vor. Die Form ist der verwirklichende, aktualisierende Faktor einer jeden zusammengesetzten natürlichen Entität: Folglich dürfen Form und Materie in der Beobachtung eines wahrnehmbaren Gegenstandes unter keinen Umständen auf dieselbe Ebene gestellt werden; ihr Verhältnis lässt sich niemals als jenes von Komponente zu Komponente deuten, sondern ausschließlich als eines von wirkendem Prinzip (Faktor) einesteils und untergeordneten Komponenten andernteils auslegen. Der erste Text, auf den ich mich in diesem Zusammenhang beziehen möchte, ist Metaphysik Zeta 7, 1032a12-27. Die unterschiedlichen Veränderungsprozesse, zu welchen auch der Entstehungsprozess zu zählen ist, werden in die verschiedenen Kategorien eingereiht. Es wird hierbei klar darauf hingewiesen, dass sich der Prozess des Werdens auf ein Dieses (Kategorie der Substanz), auf eine Größe (Kategorie der Quantität), auf eine Beschaffenheit (Kategorie der Qualität) oder auf einen Ort (Kategorie des Ortes) bezieht; die möglichen Weisen des Werdens hängen also mit den Kategorien zusammen, sie sind von den unterschiedlichen Kategorien im Voraus bestimmt und in die Kategorien eingeteilt. Aristoteles setzt dann

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mit der Analyse des natürlichen Werdens fort, wobei er folgende Prinzipien aufzählt: die Materie, welche den Bestandteil darstellt, aus dem etwas wird83; das Agens, durch dessen Wirkung eine Entität zu etwas wird; das biologische Entwicklungsprogramm, welchem eine Entität und ihre Entwicklung folgen. Als erklärende Exempel für diese Entitäten werden von Aristoteles Menschen, Pflanzen oder generell sämtliche Elemente der Kategorie der Substanz erwähnt84. Zur Aufhellung der Substanz und des Verhältnisses von Form und Materie erbringt das Kapitel Metaphysik Zeta 17 einen fundamentalen Beitrag. Das Kapitel Metaphysik Zeta 17 illustriert, wie das Wesen eines Dinges, die Form eines Dinges und die Substanz eines Dinges zusammenfallen; ferner wird die Rolle der Substanz als Prinzip der Struktur (des Aufbaus) der materiellen Komponenten zur Entfaltung gebracht. Die bestimmte Art und Weise des Verhältnisses der materiellen Komponenten und der Form oder, anders gesagt, Substanz einer Entität, welche an sich selbst den formalen Faktor und folglich keine einfache Komponente darstellt, lässt sich auf der Grundlage etlicher Aussagen herausfinden, die in Metaphysik Zeta 17, 1041b11-33 zu finden sind: „– Da aber das, was aus etwas in der Weise zusammengesetzt ist, dass das Ganze eines ist, nicht wie ein Haufen (), sondern wie die Silbe () –. Die Silbe aber ist nicht ihre Elemente (), und b und a sind nicht dasselbe wie ba, und das Fleisch ist nicht Feuer und Erde (denn wenn sie aufgelöst werden, sind die einen nicht mehr, wie zum Beispiel das Fleisch und die Silbe, die Elemente aber sind noch, und ebenso das Feuer und die Erde): Also ist die Silbe etwas, nicht allein nämlich die Elemente, der Vokal und der Konsonant, sondern auch noch etwas anderes (), und das Fleisch ist nicht nur Feuer und Erde oder das Warme und das Kalte, sondern auch etwas anderes. – Ist es nun notwendig, 83

In den Zeilen 1032a20-22 wird die Eigenschaft der Materie „Potenz, zu sein und nicht zu sein“, darzustellen, zum Ausdruck gebracht. Man kann aber fragen, ob die Materie hierbei ein völlig neutrales Element darstellt oder ob sie im Gegensatz dazu zu einer bestimmten Entwicklung durch einen weiteren Faktor tendiert. Die zweite Auffassung scheint Aristoteles faktisch zu vertreten, wenn man Metaphysik Eta 5, 1044b29-1045a6 berücksichtigt (dies gilt wenigstens für die biologischen Prozesse); diesbezüglich muss gesagt werden, dass die Materie dem Programm folgt, welches von der Form diktiert wird. Die Materie der entstandenen und vergänglichen Entitäten ist allerdings auch einfach als etwas eingestuft, dessen Natur derart ist, dass es sowohl sein als auch nicht sein kann: Genau dies ist auch der Grund dafür, dass die entstandenen wahrnehmbaren Substanzen sterblich sind (siehe Metaphysik Zeta 15, 1039b20-31). 84 Im gegebenen Zusammenhang, der sich mit dem Werden in Entstehungsprozessen auseinander setzt, ist selbstverständlich von der materiellen, entstandenen und vergänglichen Substanz die Rede.

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dass jenes entweder Element sei oder aus Elementen bestehe, so wird, wenn es Element ist, sich dieselbe Ausführung wiederholen (denn aus diesem Element und aus Feuer und Erde wird das Fleisch bestehen und noch aus etwas anderem, so dass es ins Unendliche fortgehen würde); besteht es aber aus Elementen, so wird es offenbar nicht aus einem, sondern aus mehreren bestehen (sonst wird es eben jenes selbige Element sein), so dass wir hier wieder dasselbe sagen werden, wie bei dem Fleisch oder der Silbe. Man würde aber daher meinen, dass dies etwas Bestimmtes () sei und nicht Element, und dass es Ursache davon sei, dass dies Fleisch ist und dies Silbe: Ähnlich verhält es sich auch bei den übrigen. Dies aber nun ist die Substanz eines jeden () (denn dieses ist die erste Ursache des Seins ). Da aber manche Dinge nun nicht Substanzen sind, bei sämtlichen Substanzen aber, welche gemäß einer Natur und von Natur bestehen, würde diese Natur als Substanz erscheinen (), die nicht Element ist, sondern Prinzip () –; Element aber ist das, worin etwas als in seiner dazugehörigen Materie zerlegt wird, wie zum Beispiel das a und das b Elemente der Silbe sind.“

Zahlreiche Punkte sind in diesem Text interessant, wie etwa der Unterschied zwischen einem Ganzem und einem reinen Haufen und die Behauptung, dass das, was ein Ganzes bildet, nicht mit einer einfachen Summe von Elementen85 gleichzustellen ist, sondern etwas mehr oder jedenfalls etwas anderes als diese Summe darstellt. Um diese letzte Differenz zu erklären, greift Aristoteles zu Beispielen, die von den Buchstaben und vom Fleisch handeln: Die Buchstaben sind nicht allein Vokale und Konsonanten, und das Fleisch ist nicht nur Feuer und Erde oder Warmes und Kaltes; sowohl Buchstaben als auch Fleisch sind auch etwas über ihre Komponenten hinaus. Ihre Struktur beläuft sich nicht auf eine einfache Summe der Komponenten. Die Entitäten, welche eine tatsächliche Struktur zeigen und infolgedessen nicht wie ein Haufen zusammengehalten werden, können nicht so angesehen werden, als wären sie mit der reinen Summe ihrer Komponenten äquivalent: Um die Struktur einer derartigen Entität zu erklären, muss auf einen Faktor rekurriert werden, welcher außerhalb des Bereiches der nur materiellen Komponenten anzusiedeln ist. Die Substanz als Form stellt in diesem Zusammenhang ein Organisationsprinzip heraus: Sie steht nicht neben den materiellen Komponenten, sondern bedingt vielmehr ihre ganze Verbindung. Der Grund des bestehenden Unterschiedes zwischen Ganzem einesteils und Elementen des Ganzen andernteils wird von Aristoteles so dargelegt, dass, wenn Silbe und Fleisch in die mit ihnen korrespondierenden 85

Denn dann müsste es so sein, als ob alle Entitäten, welche in der Entstehung eines Ganzen eine Rolle spielen, ausschließlich Bestandteile wären, und ebenso, als ob nichts anderes als Bestandteile bei dieser Entstehung von Belang wären.

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Komponenten aufgelöst werden, Silbe und Fleisch nicht mehr existieren, während die Komponenten ihrerseits noch da sind: Dies bedeutet, dass die Struktur von Silbe und von Fleisch nicht jener des Haufens gleichkommen kann86. Die innere Struktur von bestimmten Entitäten kommt im Falle ihrer Auflösung völlig abhanden und lässt sich nicht in den ursprünglichen Zustand zurückbringen. Daher ist die Struktur von determinierten Entitäten keinesfalls mit der Zusammensetzung, mit dem Gefüge, welche dem Haufen eignen, zu verwechseln; überdies lässt sich diese Struktur nicht wie eine zusätzliche Komponente des jeweiligen Zusammengesetzten ausdeuten. Denn wenn das entsprechende Gebilde aufgelöst worden ist, verbleiben zwar die Elemente, die Struktur ist jedoch nicht mehr da, so dass sie überhaupt nicht als ein einfaches Element interpretiert werden darf. Der Faktor, welcher Fleisch zu Fleisch und Silbe zu Silbe macht, kann infolgedessen nicht mit einem Element verwechselt werden, da er das Organisationsprinzip der jeweils in Rede stehenden Elemente darstellt: Dieses Organisationsprinzip ist gerade die Substanz im Sinne der Form einer Entität87. Die Behandlung der Verhältnisse von Form und Materie darf nicht dazu führen, die Gleichsetzung von Form und Vollendung/Wirklichkeit und die Gleichsetzung von Materie und Potenz aus dem Blick zu verlieren. Die Äquivalenz zwischen Wirklichkeit, Substanz und Form ist ein komplexes Thema: Sie findet ihre meiner Einschätzung nach klarste Erörterung im Kapitel Metaphysik Theta 8, dessen für die vorliegende Arbeit relevantestes Resultat darin besteht, dass Form und Substanz mit der Wirklichkeit einer Entität gleichgesetzt werden. In Metaphysik Theta 8 geht es um das Früher-Sein dem Begriff, der Substanz und der Zeit nach seitens der Wirklichkeit und der Form im Verhältnis zu Potenz und Materie; Aristoteles spricht sich deutlich für das Früher-Sein der Wirklichkeit und der Form im Vergleich zu Potenz und Materie aus. Denn die Form und die Wirklichkeit bilden Faktoren, welche der Entwicklung der Materie zu Grunde liegen und welche diese Entwicklung leiten: Eben durch dieses leitende Wirken ist dieser Vorrang gegenüber Potenz und Materie zu begründen. Im Hinblick auf das Früher-Sein seitens der 86

Vermutlich liegt diese Differenz darin, dass ein Haufen keine endgültige Auflösung erleidet, falls er einmal auseinander genommen wird, und sich wieder aus seinen Komponenten zusammenstellen lässt. 87 Die Stelle Metaphysik Eta 3, 1043b4-14 liefert meiner Ansicht nach eine Bestätigung zu Gunsten der Ausdeutung des Unterschiedes zwischen reiner Summe einer definierten Anzahl von Komponenten einerseits und Zusammensetzung, die eine bestimmte Organisation dieser Komponenten impliziert, andererseits. Als neues Thema im Vergleich zu den Inhalten des Kapitels Metaphysik Zeta 17 zeigt sich an dieser Stelle, dass Aristoteles auf die Unvertretbarkeit des Summe-Modells auch in Beziehung zu den formalen Komponenten besteht, indem er ausführt, dass Mensch nicht Sinnenwesen und Zweifüßiges, sondern etwas anderes neben diesen Bestandteilen ist und es dies ist, was die Substanz der Entität darstellt.

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Wirklichkeit der Substanz nach äußert sich Aristoteles in 1050a15-16 folgendermaßen: „Zudem ist die Materie der Potenz nach, weil sie in Richtung zur Form geht; wofern sie aber tatsächlich der Wirklichkeit nach ist, dann ist sie in der Form88 (  ).“

Die Materie, die an sich selbst eine Potenz für etwas ist, ist auf die Form gerichtet, da die Erreichung des Zustandes der Form durch die Materie die Verwirklichung der der Materie zugehörenden Potentialität ist; wenn sie ihre Wirklichkeit erlangt, bedeutet dies, dass sie den Zustand der Form erreicht hat; deswegen ist die Form als Wirklichkeit das Prinzip der Entwicklung der Materie als Potenz. Die Form bildet in diesem Sinne das Prinzip der Aktualisierung der Materie. Der Passus ist aus dem Grunde bezeichnend, weil er die Äquivalenz zwischen Form und Wirklichkeit belegt: Die Materie und die Form werden in das Verhältnis von Potenz und Wirklichkeit versetzt. Die Merkmale der Wirklichkeit eines Dinges werden in Theta 8 1050a21-23 präzisiert und um neue Elemente bereichert: „Denn das Werk ist Ziel (), die Wirklichkeit aber ist das Werk (); daher ist auch der Name „Wirklichkeit“ vom Werk abgeleitet () und zielt auf die Vollendung hin ().“

Es gilt nach diesem Text die nachstehende Äquivalenz: Wirklichkeit = Werk = Ziel. Das Werk ist das Ziel: Das „Werk“ repräsentiert an sich selbst die erreichte Wirklichkeit eines potentiellen Zustandes. Jeder natürliche Prozess verfolgt ein determiniertes Ziel, wobei dieses Ziel in einem bestimmten Werk oder in einem bestimmten Resultat liegt: Das zustande gekommene Werk ist Wirklichkeit, d.h. etwas, das nicht mehr nur der Potenz nach existiert, sondern im Gegensatz dazu tatsächlich vorhanden ist; deshalb kann diesem zustande gekommenen Werk der Zustand der „Wirklichkeit“ zugesprochen werden. In den Zeilen von Theta 8, 1050b2-3 werden Form und Substanz mit der Wirklichkeit im Grunde sogar identifiziert: „Es ist hieraus augenscheinlich, dass die Substanz und die Form Wirklichkeit ist ().“ 88

In Anknüpfung an diese Tendenz der Materie zur Aufnahme einer Form könnte man die Verhältnisse von Materie und Form als die „Natur“ ansehen: Die Natur bildet das Prinzip der Entwicklung einer Entität, welche dem Lebewesenreich angehört. Dazu siehe z.B. Physik II 1, 193a28-b18 und Metaphysik Delta 4, 1014b35-1015a19.

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Substanz und Form kommen der Wirklichkeit gleich: Das heißt, sie bilden die Wirklichkeit einer Entität im Sinne eines Prinzips, welches dem Gegenstande innewohnt und seiner Entwicklung vorsteht. Die Form ist Wirklichkeit, da sie das potentielle Element, welches die Materie darstellt, zu einer bestimmten Struktur und somit zur Vollendung bringt. g) Die Struktur der Definition in Metaphysik Zeta und Eta Dem Problem der Einheit der Bestandteile der Definition sind die Kapitel Metaphysik Zeta 12 und Metaphysik Eta 6 gewidmet. Die Schwierigkeit, mit welcher sich Aristoteles hier auseinander setzen muss, besteht darin, eine adäquate Rechtfertigung für die Einheit der formalen Teile einer Definition zu finden; Aristoteles will nämlich eine passende Erklärung dafür finden, dass z.B. die formalen Bestandteile „Sinnenwesen“ und „zweifüßig“ nicht zwei einander fremde Komponenten bleiben, sondern in der Definition in eine Einheit gebracht werden. Ich will die Erörterung der aristotelischen Thesen mit Metaphysik Zeta 12, 1037b27-1038a9 beginnen, denn hier taucht der Aufbau der Struktur der Definition auf: „Wir müssen nun zuerst die aus Einteilungen hervorgehenden Definitionen in Augenschein nehmen. Es finden sich nämlich in der Definition nichts anderes als die als erste bezeichnete Gattung und die Unterschiede ( ); die anderen Gattungen sind die erste Gattung und die mit ihr zusammengenommenen Unterschiede, wie zum Beispiel die erste Gattung Sinnenwesen ist, die nächste zweifüßiges Sinnenwesen, und weiter zweifüßiges, ungeflügeltes Sinnenwesen: Auf die gleiche Weise verhält es sich, auch wofern die Definition durch zahlreichere Bestimmungen ausgedrückt wird. Es macht jedoch überhaupt keinen Unterschied, ob die Definition durch viele oder durch wenige Bestimmungen ausgedrückt wird, so dass es auch keinen Unterschied macht, ob durch wenige oder durch zwei; von den zweien aber ist die eine der Unterschied, die andere die Gattung, wie zum Beispiel bei zweifüßigem Sinnenwesen das Sinnenwesen Gattung, das andere Unterschied ist. Wenn nun die Gattung schlechthin nicht neben den Arten als Arten einer Gattung existiert oder, wenn sie existiert, nur als Materie ( ) (denn die Stimme ist wie Gattung und Materie, die Unterschiede aber bringen aus dieser die Arten und die Bestandteile hervor), so ist es augenscheinlich, dass die Definition der aus den Unterschieden hervorgehende Begriff ist ( ).“

Man sollte als Ansatzpunkt für die Analyse dieser Stelle die abschließende Aussage des Zitates verwenden: Die Definition ist der Begriff, der aus den

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Unterschieden (einer Gattung) hervorgeht; die Definition setzt sich aus Gattung und aus Unterschieden zusammen. Als Exempel für eine Gattung wird so etwas wie „Sinnenwesen“ genannt, während als Beispiel für den Unterschied „zweifüßiges“ und „ungeflügeltes“ angeführt werden. Die Definition ist derjenige Begriff, der mittels der Unterschiede hervorgebracht wird, die eine bestimmte Gattung gestalten und diese bestimmte Gattung bis zur Herausstellung der Art hin determinieren. In einer Definition zeigt sich eine Struktur, von welcher ein Teil der Gattung entspricht und ein Teil dem die Gattung determinierenden Unterschied gleichkommt, wie dies für „zweifüßiges Sinnenwesen“ oder auch für „zweifüßiges, ungeflügeltes Sinnenwesen“ der Fall ist. Die Unterschiede determinieren progressiv die Gattung89; die Gattung übernimmt die Rolle der Materie für die durch die Unterschiede erfolgenden Spezifikationen: Die Art der Existenz der Gattung ist genau jene der Materie für die zusätzlichen Determinierungen, welche durch die jeder Gattung zukommenden Unterschiede vorhanden sind, da die Gattung wie die Materie etwas Unbestimmtes und zu Bestimmendes darstellt. Mit Hilfe dieses Schemas wird die Einheit der Teile der Definition gerechtfertigt. Um der Klarheit willen vergleicht Aristoteles die Stimme mit der Gattung und der Materie, die Buchstaben hiergegen mit den Arten, welche gerade durch die Unterschiede zum Vorschein kommen: Die Undeterminiertheit der Gattung, welche die Gattung der Materie und deren Undeterminiertheit ähnlich sein lässt, erlangt durch die Unterschiede eine fortschreitende Bestimmtheit bis hin zu jenen Entitäten, welche nicht mehr weiter determinierbar sind; diese nicht weiter determinierbaren Entitäten sind die Arten: Die Arten kommen jenem Zustand im Aufbau einer Definition gleich, der sich nicht weiter determinieren, nicht weiter unterteilen lässt90; der letzte Unterschied vervollständigt die Definition, die das Wesen all jener Konkretisierungen ausdrückt, welche in die mit der Definition korrespondierende Art fallen: Nach den Arten liegen nur Einzelentitäten vor, d.h. nur Konkretisierungen von den mit den jeweils in Betracht gezogenen Arten entsprechenden Eigenschaften91. Aristoteles mahnt allerdings an, dass bei der Teilung der Unterschiede gemäß dem Unterschied des Unterschiedes eingeteilt werden müsse. Man darf danach z.B. nicht zu „befußt“ „beflügelt“ oder „unbeflügelt“ gesellen, sondern muss „befußt“ vielmehr in „spaltfüßig“ und „nicht-spaltfüßig“ einteilen. Das Feld der Unterschiede muss homogen bleiben. Die soeben vorgetragene Deutung findet eine Bestätigung durch die Stelle Metaphysik 89

Ein Beispiel dafür ist die Angabe von „zweifüßiges“, der dann die Angabe von „ungeflügeltes“ folgt. 90 Dies will bedeuten, dass z.B. im Falle des Komplexes von Eigenschaften, welcher von „zweifüßiges, vernünftiges Sinnenwesen“ gebildet wird, keine zusätzliche Eigenschaftsdeterminierung möglich ist. 91 Anders gesagt, treten nur Elemente der Arten selbst auf.

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Zeta 12, 1038a15-2192, in welcher der letzte Unterschied der Substanz und der Definition einer Entität gleichkommt; jeder letzte Unterschied entspricht einer bestimmten Art und vollendet die Determinierung der Definition dieser Art: Die Art wird dann erreicht, wenn man an den Punkt der Definition gelangt ist, der keine weitere Teilung, d.h. keine zusätzliche Spezifizierung mehr gestattet. Der Vorgang der Konstruktion der Definition ist dadurch vollendet93. Zusätzliche Elemente zur Veranschaulichung der Struktur der Definition lassen sich mit Hilfe einiger Äußerungen vom Kapitel Metaphysik Eta 6 gewinnen. In Metaphysik Eta 6 drängt sich wieder die Frage auf, wie die formellen Teile einer Definition, für welche noch mal die Beispiele „Sinnenwesen“ und „Zweifüßiges“ vorgebracht werden, eine tatsächliche Einheit bilden können. Der Vordergrund der aristotelischen Erläuterung in diesem Kapitel wird deswegen von demselben Problem betroffen, welches schon im Kapitel Metaphysik Zeta 12 behandelt worden ist; dennoch treten andere Elemente im Hintergrund auf. Denn im Kapitel Eta 6 bekommt auch die Einheit zwischen echten materiellen Bestandteilen – d.h. Teilen, welche nicht in übertragenem Sinne „Materie“ genannt werden, wie dies hingegen der Fall für Gattung ist – und Form eine erhellende Antwort; darüber hinaus meldet sich im ganzen Kapitel die neue, nicht zu unterschätzende These zu Wort, gemäß welcher das Verhältnis der formalen Komponenten einer Definition nicht allein mit jenem zwischen Materie und Form, sondern auch mit dem von Potenz und Wirklichkeit gleichgesetzt wird. Das Verhältnis von Potenz und Wirklichkeit wird dem Verhältnis von Materie und Form hinzugefügt, um die Einheit der Teile der Definition besser zu erklären und zu begründen. Im Passus Metaphysik Eta 6, 1045a20-35 fungiert die Einheit von Form und Materie als Exempel zur Erklärung der Einheit der Teile der Definition; zudem wird das Verhältnis von Wirklichkeit und Potenz als ein weiteres Instrument zur Erklärung und Rechtfertigung der Einheit der Teile der Definition eingeführt. Teile der Definition stellen die Materie und dementsprechend die Potenz dar, während Teile der Definition die Gestalt und dementsprechend die Wirklichkeit bezeichnen. Im Rahmen der Zusammensetzung eines Begriffes entspricht ein Teil dieses Begriffes der Materie, ein anderer Teil ist demgegenüber mit der Wirklichkeit zu identifizieren. Es ist nun zu beachten, dass die Funktionen von Potenz und 92

Für weitere Erörterungen über die Definition siehe das ganze Kapitel Zweite Analytiken II 13. 93 Es ist in diesem Zusammenhang nicht außer Acht zu lassen, dass die ontologische Verfassung der Unterschiede immer eine rein formale Verfassung ist, d.h. dass die in Erwägung gezogenen Unterschiede allein formalen Eigenschaften entsprechen. Kein Unterschied, der für die Bestimmung des Wesens relevant ist, wird eigentlich mit den materiellen Komponenten oder, anders gesagt, mit den materiellen Eigenschaften identifiziert. Dieser Punkt lässt sich mittels der Analysen weiter erhellen, welche Aristoteles in den Kapiteln Metaphysik Iota 8-9 vornimmt.

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Wirklichkeit und die Beziehung dieser beiden Funktionen zueinander auch als Mittel zur Erklärung der Einheit einer materiellen Entität verwendet werden: Potenz und Wirklichkeit dienen als Instrument zur Interpretation des Bestehens einer Einheit der zweifelsohne voneinander verschiedenen Bereiche, die einerseits von den formalen Teilen der Definition dargestellt werden und andererseits von den materiellen Teilen des Zusammengesetzen in ihrer durch die Form bewirkten Vereinigung repräsentiert werden. Beide Probleme, nämlich das der Einheit der Teile der Definition und das der Einheit von Form und Materie, können durch die Anwendung des Verhältnisses und d.h. auch der Einheit zwischen Wirklichkeit und Potenz gelöst werden: Die Form bildet die Wirklichkeit für die Materie als Potenz; der Unterschied stellt die Wirklichkeit für die Gattung als Potenz dar; damit kommen diese Entitäten an der Einheit an94. h) Elemente der Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozesse der Seele Der Zweck, einige Punkte in Betracht zu ziehen, welche die Behandlung von Wahrnehmung95 und Erkenntnis in der Schrift „De Anima“ betreffen, liegt hierin, die Tätigkeit der Substanz als Subjekt im Sinne des wahrnehmenden und erkennenden Menschen zu verstehen. Zunächst sei eine Stelle zitiert, welche zu einer ersten Darstellung sowohl der Sphäre der Wahrnehmung wie der Sphäre der Erkenntnis dienen kann; es handelt sich um den Passus De Anima II 5, 417b22-24: „Der Grund davon ist, dass die Wahrnehmung der Wirklichkeit nach auf das Einzelne geht (      ), die Wissenschaft dagegen auf das Allgemeine96 (    ): Diese sind in einem gewissen Sinne in der Seele selbst ().“ 94

In Metaphysik Eta 6, 1045b17-22 spricht Aristoteles sogar von Identität und Einheit zwischen Gestalt und Materie: Die Materie ist der Potenz nach das, was die Gestalt der Wirklichkeit nach ist; das, was der Potenz nach ist, und das, was der Wirklichkeit nach ist, sind in gewissem Sinne eine Einheit. 95 Die Wahrnehmung unterscheidet nach Aristoteles die Seele der Sinnenwesen von der Seele der Pflanzen: Die Pflanzen werden vom einfachen Besitz der Ernährung gekennzeichnet, jedes Sinnenwesen als Sinnenwesen besitzt hinwieder zumindest den Tastsinn (siehe die Kapitel De Anima II 2-3). 96 Aristoteles stuft mehrfach das Allgemeine als das unentbehrliche Objekt der Wissenschaft ein, wie z.B. in Metaphysik Beta 4, 999a24-29, Beta 6, 1003a13-15, My 9, 1086b5-6, My 10, 1086b32-37, und in Nikomachischer Ethik VI 6, 1140b31-32, X 9, 1180b13-16. In Metaphysik Zeta 10, 1035b33-1036a1 wird ferner behauptet, die Definition habe das Allgemeine als ihr eigenes Objekt. Daneben kann man aus diesem letzteren Passus und aus der Stelle De Anima III 8, 431b20-432a6 nicht nur ersehen, dass die Formen eine allgemeine Natur haben, sondern auch, dass die Formen (dazu siehe die inhaltsreichen und weitläufigen Beobachtungen von W. Leszl in seinem Buch über die Schrift „De Ideis“, Seiten 327-329) und die Universalien kein reines

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Wie es sich hieraus ersehen lässt, ist die Wahrnehmung auf die Einzelentitäten gerichtet, die Wissenschaft aber auf die Universalien. Die Identität der je der Wahrnehmung und der Erkenntnis zustehenden Objekte bleibt aber zu bestimmen. Laut De Anima II 6 werden die Entitäten, welche durch die Wahrnehmung erfasst werden, in solche Gegenstände, die einem bestimmten Wahrnehmungssinn eigentümlich sind, und in solche, die von mehr als einem Wahrnehmungssinn erfasst werden, eingeteilt97. In der Erfassung der eigentümlichen wahrnehmbaren Entitäten ist keine Täuschung möglich: Die dieses Gebiet betreffenden Wahrnehmungen sind immer fehlerfrei98; Gesichtsinn, Gehör, Geschmack, Tastsinn und Geruchsinn begehen keine Fehler bezüglich der ihnen zukommenden Wahrnehmungsobjekte, die z.B. von Farbe, Ton, Saft je für Sehen, Hören und Schmecken repräsentiert werden99. Bewegung, Ruhe, Zahl, Gestalt, Größe bilden dahingegen Entitäten, welche als Wahrnehmungsobjekte nicht zu einer bestimmten Wahrnehmungsfähigkeit gehören: Sie werden von mehr als einem Wahrnehmungsorgan erfasst, so dass sie nicht als einer einzigen Wahrnehmungsfähigkeit eigentümlich angesehen werden können; sie müssen infolgedessen als gemeinsame Wahrnehmungsobjekte gelten. In der Wahrnehmung der gemeinsamen Wahrnehmungsobjekte sind im Produkt des Intellekts sind. Der Intellekt findet Formen und Universalien (denn die intellegiblen Formen sind in den wahrnehmbaren Formen, wie es in De Anima III 8, 432a4-5 behauptet wird); der Intellekt ist dazu fähig, Formen und Universalien zu entdecken. Um das Verfahren zu verfolgen und zu analysieren, durch welches das Allgemeine vom menschlichen Intellekt gefunden und abstrahiert wird, ist auf das Kapitel Zweite Analytiken II 19 zu verweisen. 97 Ich gehe in diesem Zusammenhang nicht ausführlich auf die Entitäten ein, welche von Aristoteles als akzidentiell wahrgenommene Entitäten eingestuft werden (siehe De Anima II 6, 418a9 und II 6, 418a20-24); um sie aber innerhalb der Wahrnehmungstätigkeit richtig einzuordnen, soll darauf hingewiesen werden, dass sie den akzidentiellen Inhalt bilden, welcher die Wahrnehmung der eigentümlichen wahrnehmbaren Entitäten begleitet: Z.B. kann eine derartige Sachlage eintreten, dass eine bestimmte Person zusammen mit der Wahrnehmung des Weißen wahrgenommen wird, da sie die Trägerin dieser Qualität ist; nun bildet die Wahrnehmung des Weißen die Wahrnehmung des dem Gesichtssinn Eigentümlichen, während die wahrgenommene Person das akzidentiell Wahrnehmbare repräsentiert (in der Ordnung der Wahrnehmung werden die ontologischen Verhältnisse sozusagen umgestoßen, da eigentlich, ontologisch gesehen, das Weiße etwas Akzidentielles für die Person bildet, die an sich selbst eine Substanz ist). Auch diese Art Wahrnehmung ist dem Fehler ausgeliefert, wie es in De Anima III 1, 425b1-4 bemerkt wird. 98 Allerdings wird in De Anima III 3, 428b18-19 bemerkt, dass die Wahrnehmung der eigentümlichen Entitäten wahr ist oder zumindest Fehlern ausgesetzt ist. Dies gibt den Eindruck, dass Aristoteles dieser Art Wahrnehmung nicht immer eine absolute Unfehlbarkeit zuerkennt. 99 Aristoteles führt so aus, dass innerhalb des Wahrnehmungsprozesses, welcher die eigentümlichen wahrnehmbaren Entitäten betrifft, eine Art Angleichung oder Assimilation und Vereinheitlichung des Wahrnehmungsorgans in Entsprechung zum Inhalt der Wahrnehmung eintritt; siehe z.B. De Anima II 5, 417a17-20, II 5, 418a3-6 und III 2, 425b22-25.

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Unterschied zur Wahrnehmung der eigentümlichen Objekte Fehler möglich100. Die der Erkenntnis zustehenden Objekte werden demgegenüber von den Universalien, von den intellegiblen Formen und von den Essenzen dargestellt, wie dies aus De Anima II 5, 417b22-24, De Anima III 4, 429a10-29, III 4, 429b10-22, III 8, 431b20-432a8 klar hervorgeht. Es ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass Aristoteles nicht ausschließlich der Wahrnehmung der eigentümlichen wahrnehmbaren Entitäten, sondern auch dem Intellekt, der sich auf das Wesen bezieht und insofern er sich auf das Wesen bezieht, völlige Unfehlbarkeit zuerkennt: Diese Auffassung wird in De Anima III 6, 430b26-30 dargelegt. An dieser Stelle wird zunächst die Verschiedenheit der Handlungen erörtert, welche der Intellekt einerseits in Gestalt des Urteilens und andererseits in Gestalt der Erkenntnis von Essenzen vollzieht: Das Urteil, bejahend oder verneinend, kann wahr oder falsch sein; dagegen ist die Handlung der Erkenntnis des Wesens immer unfehlbar. Denn das Erfassen der Wesen dieser Entitäten liegt nicht in einer Form von Urteil und somit nicht in einer Art von Prädikation, die etwas über etwas anderes aussagt und die aus ihrer eigenen Zusammensetzung heraus der Möglichkeit, wahr oder falsch zu sein, ausgesetzt ist, da sie kategorial voneinander verschiedene Elemente verbindet oder trennt101; das Erfassen der Essenzen dieser Entitäten besteht dagegen nur im reinen Akt des Begreifens, der auf diese Entitäten gerichtet wird: Diese werden entweder begriffen oder nicht begriffen; ein Problem von Wahrheit und Falschheit stellt sich in diesem Zusammenhang nicht102. Aristoteles sieht eine Parallele zwischen dem Erfassen der eigentümlichen Wahrnehmung und dem erkennenden Erfassen der Essenz darin, dass beide unfehlbar sind: Wie das Sehen in Bezug auf das ihm zugehörige Objekt unfehlbar ist, so ist es die Erkenntnis im Verhältnis zum bestimmten Gegenstand, der ohne Materie ist. Wahrnehmung und Erkenntnis sind unfehlbar in dem Falle, dass sie mit spezifischen Gegenständen in Berührung treten: Die Wahrnehmung ist unfehlbar im Falle des Erfassens des eigentümlichen Wahrnehmbaren; das Erkenntnisvermögen ist seinerseits unfehlbar im Falle des Erfassens eines Wesens (diesbezüglich wird präzisiert, dass dieses Erfassen – allem Anscheine nach ausschließlich – das Wesen der Entitäten, die ohne Materie sind,

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Siehe De Anima III 3, 428b18-25. Beispiel: „Dieser Mensch ist blass“; „Mensch“ und „blass“ sind kategorial voneinander unterschiedliche Ausdrücke. 102 Ähnliches wird im Passus Metaphysik Theta 10, 1051b17-1052a4 behauptet: An dieser Stelle wird ausgeführt, dass „wahr“ und „falsch“ im Falle der nicht zusammengesetzten Dinge eine andere Bedeutung haben, als „wahr“ und „falsch“ bei den zusammengesetzten Dingen.

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betrifft103). Außerdem koinzidieren das zu erkennende, immaterielle Objekt und der erkennende Intellekt miteinander, wie dies aus De Anima III 4, 430a2-9 hervorgeht: Wenn das zu erkennende Objekt ohne Materie ist, fallen das erkennende Subjekt und das erkannte Objekt zusammen oder, besser gesagt, das Erkenntnisvermögen des Subjektes wird dem Objekt angeglichen; es tritt keine Differenz mehr zwischen ihnen auf104. Die Art und Weise des Verhältnisses, welches die Seele mit den Objekten der Wahrnehmung und der Erkenntnis eingeht, wird ihrerseits in De Anima III 8, 431b20-432a8 folgendermaßen beschrieben: „Die Ausführungen über die Seele jetzt zusammenfassend, sagen wir aufs Neue, dass die Seele in gewisser Weise alles Seiende ist (). Denn das Seiende ist entweder wahrnehmbar oder intellegibel ( ), und die Wissenschaft ist gewissermaßen die wissbaren Entitäten (), die Wahrnehmung ihrerseits die wahrnehmbaren Entitäten (); wie dies zugeht, muss man untersuchen. Die Wissenschaft und die Wahrnehmung verteilen sich auf die Entitäten (), diejenige, welche sich im Zustand der Potenz befindet, auf die Entitäten, welche sich im Zustand der Potenz befinden ( ), diejenige, welche sich im Zustand der Vollendung befindet, auf die Entitäten, welche sich im Zustand der Vollendung befinden ( )105. Die wahrnehmende () und wissenschaftliche Fähigkeit () der Seele sind potentiell diese Entitäten, diese Fähig103

Die Materie stellt einen Störfaktor in der Erkenntnistätigkeit dar; der Intellekt muss den zu erkennenden Gegenstand durch einen angemessenen Abstraktionsprozess aus der Materie befreien, damit der Gegenstand tatsächlich der Erkenntnis zugänglich wird. Weitere Elemente zur Unerkennbarkeit der Materie werden z.B. in Metaphysik Zeta 15, 1039b27-1040a7 erörtert: Da die Materie ein Element der Veränderung darstellt, kann kein Element, welches dem Bereich der materiellen Entitäten angehört, der Erkenntnis tatsächlich zugänglich sein. Für eine Erörterung, die sich anscheinend auf diese Operation der Abstraktion durch den Intellekt bezieht, siehe De Anima III 4, 429b10-22, III 7, 431b12-19. 104 Derartiges findet sich z.B. auch in De Anima III 4, 429b5-7, III 5, 430a19-20, III 7, 431a1-2 und III 7, 431b17. Die aktuale Wissenschaft zeigt keinen Unterschied zum ihr entsprechenden Gegenstand: Sie wird mit dem Gegenstand gleichgestellt, mit ihm identifiziert; dies zeigt seinerseits, dass Aristoteles den Intellekt als dazu fähig ansieht, in sich selbst die Form oder, anders gesagt, die Essenz in ihrer Gesamtheit aufzunehmen. Für das Bestehen einer Parallele zwischen dem Erkenntnisvermögen und dem Wahrnehmungsvermögen hinsichtlich dieser Aufnahmefähigkeit erweist sich De Anima II 12, 424a17-24 als erhellend, worin auch die Wahrnehmung als die Fähigkeit beschrieben wird, die wahrnehmbaren Formen ohne die Materie aufzunehmen. 105 Das Wahrnehmungsorgan existiert nur in Potenz, wenn es nicht an einer tatsächlichen Wahrnehmungstätigkeit, welche ihrerseits immer die Anwesenheit eines Wahrnehmungsobjektes erfordert, beteiligt ist (siehe De Anima II 5, 417a2-9). In De Anima III 7, 431a4-7 führt Aristoteles aus, dass die wahrgenommene Entität den Wahrnehmungssinn vom reinen potentiellen Zustand in den Wirklichkeitszustand bringt.

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keit das Wissbare (), jene Fähigkeit das Wahrnehmbare ()106. Diese Fähigkeiten müssen sodann entweder die Objekte selbst oder ihre Formen sein (). Sie selbst doch nicht. Denn nicht befindet sich der Stein in der Seele, sondern die Form (); also ist die Seele wie die Hand. Denn auch die Hand ist das Werkzeug der Werkzeuge, und so ist der Intellekt die Form der Formen (), und die Wahrnehmung die Form der wahrnehmbaren Entitäten ()107. Da es aber auch keine Entität, wie es scheint, getrennt neben den wahrnehmbaren Größen gibt, so sind in den wahrnehmbaren Formen die intellegiblen ( ), sowohl diejenigen, die abstrakt genannt werden, wie auch all diejenigen, welche Dispositionen und Affektionen der wahrnehmbaren Entitäten sind ( ). Und deshalb könnte jemand, wenn er keine Wahrnehmung hätte, nichts lernen, noch auch begreifen…“

Die Seele ist das Seiende selbst, weil die Seele dazu fähig ist, das Seiende in sich selber zu empfangen. Die Wahrnehmung ist potentiell das Wahrnehmbare, die Wissenschaft ist ihrerseits potentiell das Wissbare. Nun gilt Aristoteles’ Interesse der genauen Bestimmung des Sinnes, welchen Aristoteles’ Aussage hat, dass die Seele das Seiende ist: Die Seele ist nämlich in dem Sinne das Seiende, dass die Seele die Form der wahrnehmbaren und der wissbaren Entitäten ist; die Seele ist insofern die Realität, als sie die Formen der verschiedenen Entitäten in sich selbst aufzunehmen vermag. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass Aristoteles die intellegiblen Formen in die wahrnehmbaren Formen setzt, wodurch er implizit wieder gegen die These, dass die Ideen von den Entitäten getrennt bestünden, von denen sie die Ideen seien, polemisiert. Diese letzteren Aussagen weisen darauf hin, dass der Intellekt eine Abstraktionsarbeit vollziehen muss, um die intellegiblen Formen in den materiellen Entitäten zu erkennen; die nämlichen Aussagen weisen aber auch zugleich darauf hin, dass der Intellekt diese Arbeit tatsächlich durchzuführen vermag108. 106

Für zusätzliche Äußerungen zum Thema, dass der Intellekt potentiell die Formen ist, siehe De Anima III 4, 429a13-18, III 4, 429a27-29, III 4, 429b5-9, III 4, 429b29-430a2. 107 Für weitere Textbestätigungen hinsichtlich der Affinitäten, der Verhältnisse, der Analogien und der Verbindungen, die man in der Behandlung der Wahrnehmung und der Erkenntnis durch Aristoteles eruieren kann, siehe z.B. De Anima III 4, 429a10-22, III 4, 429b10-22, III 7, 431a8. 108 Ich deute die Differenz zwischen dem aktiven und dem empfangenden Intellekt folgendermaßen: Der aktive Intellekt soll dazu dienen, das Tätig-Werden des empfangenden Intellekts zu erklären; denn im Unterschied zur Wahrnehmung, welche immer nur von einem externen Objekt zur Tätigkeit bewegt wird, kann die Denktätigkeit autonom einsetzen; der aktive Intellekt betätigt in dieser Hinsicht den empfangenden Intellekt. Der aktive Intellekt nimmt außerdem die Aufgabe vor, die Erkenntnisgegenstände von der Materie und von den Vorstellungsbildern zu befreien und sie somit für den Erkenntnisprozess durch den empfangenden Intellekt bereitzustellen. Das Potential, d.h. die Fähigkeit des empfangenden Intellektes, die

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Die Seele bildet sowohl in ihrer Wahrnehmungstätigkeit als auch in ihrer Erkenntnistätigkeit ein Empfangsorgan, welches in der Lage ist, die Formen der Wahrnehmung und die der Erkenntnis angemessen aufzunehmen109. i) Die ewige, unbewegte und übersinnliche Substanz in Metaphysik Buch Lambda Das Thema der übersinnlichen Substanz wird von Aristoteles vorwiegend in den letzten fünf Kapiteln des Buches Metaphysik Lambda, im ersten Kapitel des siebten Buches und im sechsten und zehnten Kapitel des achten Buches der Physik aufgeworfen und bearbeitet. Die übersinnliche Substanz wird in Metaphysik Lambda 6, 1071b3-11 dadurch eingeführt, dass Aristoteles die Substanzen in die zwei natürliche und in die eine unbewegte einteilt; Aristoteles’ Rede setzt dann mit der Behauptung der Ewigkeit der Kreisbewegung und der Zeit fort: Da die Zeit als dasselbe wie die Bewegung oder als eine Eigenschaft der Bewegung gelten soll110, so muss auch die Kreisbewegung ewig sein; da ferner die Kreisbewegung ewig ist, muss auch die Ursache dieser Bewegung ewig sein, d.h. es muss auch eine Substanz existieren, welche ewig ist. Denn die ewige Bewegung, da sie eine Entität ist, welche nicht der Kategorie der Substanz angehört, ist notwendig auf eine Substanz um ihrer eigenen Existenz willen angewiesen, welche ihrerseits auch ewig sein muss (die Ewigkeit dieser Substanz gilt nämlich als eine Garantie für die Ewigkeit dieser Bewegung); d.h.: Da eine nicht-substantielle Entität vorhanden ist, die ewig ist, muss auch eine wissbaren Entitäten zu werden, wird vom aktiven Intellekt dadurch in die Tat umgesetzt, dass der aktive Intellekt die materiellen Objekte von ihrer Materie „befreit“; desgleichen befreit der aktive Intellekt die Objekte – welche, um gedacht zu werden, die entsprechenden Vorstellungsbilder brauchen – vom Einfluss der Vorstellungskraft. Für diese Interpretation stütze ich mich auf die Beobachtungen, die im Kommentar von Hicks bezüglich des Kapitels 5 der Schrift „De Anima“ enthalten sind, in welchem die Differenz zwischen aktivem und empfangendem Intellekt eingeführt wird (siehe Seite lxiii der Einführung und Seiten 498-510 der Anmerkungen, insbesondere die Anmerkung zu De Anima III 5, 430a14, Seiten 500501). 109 Für die Identität zwischen der Wirklichkeit des Wahrnehmungssinnes und des wahrnehmbaren Objektes im Akt der Wahrnehmung siehe De Anima III 2, 425b26426a26. 110 Ebendies stellt wiederum einen zusätzlichen Beweis für die Ewigkeit der Bewegung dar: Denn wenn die Zeit das Maß der Bewegung ist, muss auch die Entität, deren das Maß die Zeit ist, ewig sein, so dass auch die Bewegung, da die Zeit ewig und das Maß der Bewegung ist, ewig sein muss. Siehe diesbezüglich die Definition der Zeit als „Maß der Bewegung nach dem früher und dem später“ und die Erhellung der Verbindungen zwischen der Bewegung und der Zeit in Physik IV 11, 220a24-26. Über die Ewigkeit der Bewegung und der Zeit siehe Physik VIII 1-2; über die Ewigkeit der Kreisbewegung siehe das erste Buch von De Caelo.

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ewige Substanz existieren, von welcher die nicht-substantielle Entität um ihrer eigenen Existenz willen abhängt. Die erste Ursache der Kreisbewegung muss reine Wirklichkeit sein; dieser Punkt wird mittels der nachstehenden Stelle Metaphysik Lambda 6, 1071b12-22 bewiesen: „Indes, wenn es etwas gibt, das in der Lage ist, zu bewegen oder hervorzubringen, aber nicht wirksam ist (), so wird es keine Bewegung geben. Denn es kann sein, dass das, was die Potenz dazu besitzt, doch nicht wirksam ist ( ). Es nützt also auch nichts, wenn wir ewige Substanzen ansetzen, wie diejenigen Denker die Ideen ansetzen, wenn nicht ein Prinzip in ihnen vorhanden sein wird, welches eine Veränderung auszulösen vermag; es ist also weder dieses Prinzip hinreichend, noch hinreichend ist eine andere Substanz neben den Ideen. Denn wenn sie nicht wirksam sein wird, wird es keine Bewegung geben. Ferner ist sie auch nicht hinreichend, wenn sie wirksam sein wird, ihre Substanz aber Potenz sein wird (). Denn so wird es keine ewige Bewegung geben; denn es ist möglich, dass das, was der Potenz nach ist, auch nicht ist (). Es muss also ein derartiges Prinzip geben, dessen Substanz Wirklichkeit ist ( ). Ferner müssen diese Substanzen frei von Materie sein. Denn sie müssen ewig sein, wenn überhaupt etwas anderes ewig sein soll. Also sind sie Wirklichkeit ().“

Der Beweis zur Existenz eines unbewegten Bewegenden erfolgt durch die Ewigkeit der Kreisbewegung111: Von der Ewigkeit der Kreisbewegung muss auf die Existenz einer Ursache, und zwar einer angemessenen, der Bewegung selbst geschlossen werden, die auch ewig ist und unter keinem Aspekt potentiell ist, da jedwedes Element der Potentialität ihr tatsächliches Wirksam-Sein als Ursache beeinträchtigen würde. Wenn die Entität, welche imstande ist, die Bewegung hervorzubringen, nicht reine Aktualität ist, ist es auch möglich, dass es keine Bewegung gibt, weil ein Faktor der Bewegung, der nur der Potenz nach einen Faktor der Bewegung darstellen sollte, auch nicht wirksam sein könnte, so dass nicht ausgeschlossen werden könnte, dass die Bewegung unterbrochen würde; wenn der Faktor, der bewegt, nur der Potenz nach wäre, könnte die Bewegung auch nicht ewig sein: Dies widerspräche aber offensichtlich der Annahme der Kontinuität und der Ewigkeit der Bewegung112. Diese Entität muss infolgedessen von der Art sein, dass ihre Substanz reine Wirklichkeit 111

Das erste unbewegte Bewegende ist nur die Ursache der Bewegung des ersten Himmels; die Kreisbewegungen der sonstigen Gestirne werden von zusätzlichen, dem ersten unbewegten Bewegenden untergeordneten unbewegten Bewegenden verursacht. 112 Metaphysik Lambda 7, 1072a19-b4 erbringt weitere Elemente zur Bestimmung der Bewegungen: Das erste Bewegende bewegt, ohne bewegt zu werden. Das unbewegte Bewegende bewegt den ersten Himmel, indem es erstrebt wird: Das unbewegte Bewegende bewegt als Liebesobjekt den ersten Himmel.

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ist. Sie darf nichts Potentielles aufweisen, sie muss vielmehr frei von allen Aspekten der Potenz und frei von allen materiellen Komponenten sein, da die materiellen Komponenten an sich selbst immer ein Element der Potentialität und der Veränderlichkeit repräsentieren113. Am Ende des 7. Kapitels des Buches Lambda (1073a3-13) werden zusätzliche Eigenschaften des ersten Bewegenden geschildert: Es ist Substanz; es ist ewig; es ist unbewegt; es ist getrennt von den wahrnehmbaren Dingen; es ist ohne Größe; es ist ohne Teile und unzerlegbar; es erleidet keine Einwirkung; es erleidet keine qualitative Veränderung114. Bezüglich der Merkmale, welche dem ersten unbewegten Bewegenden zukommen, ist zu bemerken, dass sich diese Merkmale immer als von seiner grundlegenden Beschaffenheit abhängig zeigen, eine reine Wirklichkeit zu sein, die von keinem materiellen oder potentiellen Element auf irgendeine Weise beeinträchtig wird. Der Passus Metaphysik Lambda 7, 1072b14-30 kann uns zur Bestimmung der Tätigkeit und der Art von Leben des ersten Bewegenden verhelfen: Der Passus setzt mit der Behauptung ein, dass sich das Leben des ersten Bewegenden fortdauernd im besten Zustand befindet. Die Lebensweise des ersten Bewegenden ist Denken; bezüglich des Objektes des Denkens durch das unbewegte Bewegende stellt Aristoteles eine Art Proportion auf: Wie das Denken an sich auf das an sich Beste richtet, richtet sich das, was in höchstem Maße Denken ist, auf das in höchstem Maße Beste; das Denken des ersten Bewegenden wird deswegen auf die beste Entität und somit auf sich selbst gerichtet. Das Leben des Gottes, wie diese Entität von Aristoteles bezeichnet wird, besteht in diesem kontinuierlichen, immerwährenden Denken, ist sein Leben doch die Wirklichkeit des Denkens. Das Leben als Wirklichkeit des Denkens repräsentiert die beste Art von Leben. Zusätzliche Erhellungen hinsichtlich der Tätigkeit des Denkens, welche dem ersten unbewegten Bewegenden 113

Die Gestirne, welche wohl keine Potenz dem Entstehen und Vergehen nach zeigen, da sie ewig sind, weisen aber im Unterschied zum unbewegten Bewegenden die Anwesenheit potentieller Elemente auf dem Gebiet der Bewegung auf, weil sie sich in einer Kreisbewegung bewegen: Die zirkulare Bewegung ist nun zwar ewig; sie ist wohl aber, da sie immerhin eine bestimmte Art der Bewegung ist, etwas, das von einem potentiellen Zustand zeugt, auch wenn dieser potentielle Zustand nicht die Substanz und somit nicht die Existenz und das Fortdauern dieser Entitäten betrifft. 114 Der Darstellung der ewigen, unwahrnehmbaren und unbewegten Substanz ist hinzuzufügen, dass das unbewegte Bewegende, welches den ersten Himmel bewegt, nicht die einzige übersinnliche und immaterielle Entität ist: Jedes Gestirn setzt ein einschlägiges Bewegendes voraus; da jedes Gestirn eine ewige Substanz ist, muss auch das entsprechende Bewegende eine ewige und unbewegte Substanz sein (siehe Metaphysik Lambda 8, 1073a23-b3). Diese unbewegten Bewegenden sind auch ihrerseits unbeweglich und ohne Größe: Sie teilen in diesem Sinne die Merkmale des ersten unbewegten Bewegenden, wobei sie jedoch – gemäß den Äußerungen des Aristoteles, die im Kapitel Metaphysik Lambda 10 erörtert werden – im Vergleich zum ersten Bewegenden eine untergeordnete Position einnehmen.

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zukommen, werden im Kapitel Metaphysik Lambda 9 geboten, von dem ich nur die Zeilen 1074b33-1075a5 zitiere: „Sich selbst also denkt der Intellekt, sofern er ja das Vorzüglichste ist, und das Denken ist Denken des Denkens (). Nun haben aber offenbar die Wissenschaft und die Wahrnehmung und die Meinung und die Überlegung immer etwas anderes zum Objekt, sich selbst aber nur nebenbei. Ferner, wenn das Denken und das Gedacht-Werden verschieden sind, in Beziehung auf welches von beiden kommt denn dem Intellekt das Gute zu? Denn das Denken und das Gedachte sind ja nicht dasselbe. Oder vielleicht ist in manchen Fällen die Wissenschaft die Sache selbst (), bei den hervorbringenden Wissenschaften sind, von der Materie abgesehen, die Substanz und das Wesen die Sache, bei den theoretischen Wissenschaften sind demgegenüber der Begriff und das Denken die Sache. Da also das Gedachte und der Intellekt nicht verschieden sind bei allem ( ), was keine Materie hat ( ), so wird es dasselbe sein (), und das Denken wird mit dem Gedachten ein einziges sein ().“

Folgende Präzisierungen hinsichtlich der Natur des Denkens des ersten Bewegenden kommen in diesem Kapitel zur Sprache: Das Denken des ersten Bewegenden kann kein nur potentielles Denken sein (wieder wird das Element der Potentialität vom Bereich der Eigenschaften, welche dem ersten Bewegenden zukommen, ausgeschlossen). Das Denken muss eine aktuelle Tätigkeit sein; das Objekt dieser Denktätigkeit ist etwas, welches dem Göttlichsten und dem Würdigsten entspricht, so dass das erste Bewegende eigentlich nur sich selbst als Objekt dieser Tätigkeit haben kann; da sich keine Veränderung überhaupt dem Intellekt ziemt, erleidet der Intellekt keine Veränderung in der Tätigkeit des Denkens: Jegliche Veränderung für das erste Bewegende könnte nur eine Veränderung zum Schlechteren sein, da sich das unbewegte Bewegende in der besten Position befindet; zudem muss die Hypothese einer Veränderung schon auf Grund der unveränderbaren Natur des unbewegten Bewegenden verworfen werden. Das Denken des ersten Bewegenden kann nicht von etwas anderem verursacht werden, weil sonst das erste Bewegende nicht die beste Substanz wäre, da es nur ein Vermögen zum Denken darstellen würde. Die Tätigkeit des Denkens, die vom ersten Bewegenden vollzogen wird, ist auf keine Weise beschwerlich oder mühsam, da sie reine Wirklichkeit ist und infolgedessen weder sich in einem nur potentiellem Zustand befindet, noch einen Übergang von der Potenz zur Wirklichkeit durchläuft. Nicht in allen Bereichen sind das Denken und das Gedachte dasselbe; nur in einigen Bereichen fällt tatsächlich die Wissenschaft mit der Sache selbst zusammen: Im besonderen Bereich, welcher eine betrachtende Wissenschaft betrifft, koinzidieren der Begriff und das Denken, weil bei

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allem, was ohne Materie ist, das Gedachte und das Denken zusammenfallen; demgemäß sind das Gedachte und das Denken im spezifischen Falle der Denktätigkeit des unbewegten Bewegenden dasselbe. j) Bibliographie Ackrill, J. L., Aristotle’s Categories and De Interpretatione, Translated with Notes, Oxford 1963. Aristoteles, De Anima, übersetzt von W. Theiler, Hamburg 1995. Aristoteles, De Interpretatione, übersetzt von E. Rolfes, Hamburg 1995. Aristoteles, Kategorien. Übersetzt und Erläutert von Klaus Oehler, Berlin 1984. Aristoteles, Kategorien-Schrift, übersetzt von E. Rolfes, Hamburg 1995. Aristoteles, Metaphysik, in der Übersetzung von H. Bonitz, neu bearbeitet mit Einleitung und Kommentar herausgegeben von H. Seidl, griechischer Text in der Edition von W. Christ, 2 Bde., zweite, verbesserte Auflage, Hamburg 1982; dritte, verbesserte Auflage Hamburg 1989 (erster Halbband, Bücher I-VI) – Hamburg 1991 (zweiter Halbband, Bücher VIIXIV). Aristoteles, Metaphysik, in der Übersetzung von F. Bassenge, Berlin 1990. Aristoteles, Metaphysik, in der Übersetzung von H. Bonitz, mit Gliederungen, Registern und Bibliographie herausgegeben von H. Carvallo und E. Grassi, Reinbek bei Hamburg 1966; auf der Grundlage der Bearbeitung von H. Carvallo und E. Grassi neu herausgegeben von U. Wolf, Hamburg 1994. Aristoteles, Metaphysik, übersetzt, mit einer Einleitung und Anmerkungen versehen von H. G. Zekl, Würzbug 2003. Aristoteles, Metaphysik. Übersetzt und eingeleitet von T. A. Szlezák, Berlin 2003. Aristoteles, Vom Himmel. Von der Seele. Von der Dichtkunst. Übersetzt, herausgegeben und für die vorliegende Ausgabe mit einer neuen Vorbemerkung versehen von O. Gigon, München 1987. Aristotelis Categoriae et Liber De Interpretatione. Recognovit Brevique Adnotatione Critica Instruxit L. Minio-Paluello, Oxford 1949 (1), 1992 (10). Aristotelis Fragmenta Selecta, ed. W. D. Ross, Oxford 1955. Aristotelis Metaphysica, ed. H. Bonitz, 2 Bde., Bonn 1848-1849. Aristotelis Metaphysica, Brevique Adnotatione Critica Instruxit W. Jaeger, Oxford 1957. Aristotelis Opera, ex recensione Immanuelis Bekkeri; ed. Academia Regia Borussica; accedunt fragmenta, scholia, index aristotelicus/ addendis

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instruxit fragmentorum collectionem retractavit Olof Gigon, 5 Bde., Berlin-West 1960-1987. Aristoteles, Topik, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Eugen Rolfes. Mit einer Einleitung von Hans Günther Zekl, Hamburg 1992. Bonitz, H., Index Aristotelicus, Darmstadt 1960. Photomechanischer Nachdruck der Ausgabe von 1870. Frede, M., Substance in Aristotle’s Metaphysics, in: Aristotle on Nature and Living Things, edited by A. Gotthelf, Pittsburgh 1985, Seiten 17-26; oder in: Essays in Ancient Philosophy, Oxford 1987, Seiten 72-80. Frede, M., Essays in Ancient Philosophy, Oxford 1987. Frede, M. – Patzig, G., Aristoteles “Metaphysik Z”. Text, Übersetzung und Kommentar, 2 Bde., München 1988. Hicks, R. D., Aristotle De Anima, with Translation, Introduction and Notes by R. D. Hicks, London 1907, Amsterdam 1965, Olms 1990. Kung, J., Aristotle on Thises, Suches and the Third Man Argument, in: „Phronesis“, XXVI, 3 (1981), Seiten 207-247. Leszl, W., Il “De Ideis” di Aristotele e la teoria platonica delle idee. Edizione critica del testo a cura di Dieter Harlfinger, Florenz 1975. Loux, M. J., Primary Ousia. An essay on Aristotle’s Metaphysics  and , Ithaca and London 1991. Ross, W. D., Aristotle’s Metaphysics, A Revised Text with Introduction and Commentary, Oxford 1924. Schwegler, A., Die Metaphysik des Aristoteles. Grundtext, Übersetzung und Commentar nebst erläuternden Abhandlungen. Erster Band. Grundtext und Kritischer Apparat, Tübingen 1847-1848. Unveränderter Nachdruck Frankfurt am Main 1960. Smith, J. A., Tóde ti in Aristotle, in „Classical Review“, 35, (1921), Seite 19.

Damian Caluori: Plotinus on Primary Being Late antique philosophers took a great interest in metaphysics. Indeed, the discipline’s very name, “metaphysics”, goes back to late antiquity.1 One of the main reasons for this great interest can be found in the view – widespread in this period – that an understanding of reality is crucial for our lives and for the destiny and salvation of our souls.2 Only by contemplating and by possessing knowledge of reality – a reality that was thought to be beyond the world of our ordinary experience – is the soul in an uncorrupted state of well being. Metaphysics is precisely the discipline that aims at this understanding. It aims at explaining reality. Given the importance of understanding reality we can see why the study of metaphysics was considered to be of prime importance. How important late antique philosophers considered metaphysics can, for example, be seen from Porphyry’s edition of Plotinus’ writings. Porphyry divided them into six parts (each consisting of nine treatises and hence called an Ennead), one containing treatises devoted to ethics, two containing treatises devoted to physics and three containing treatises devoted to metaphysics. The fact that half of Plotinus’ writings deal with metaphysics clearly shows how hugely important metaphysics was to Plotinus.3 From its very beginning, the central question of metaphysics has been the question “what is being?” Plotinus was the heir of a long tradition of thinking about this question. It had first been explicitly raised, as far as we can tell, in Plato’s Sophistes. Considering the views of his predecessors, Plato has Theaetetus ask: “Or do you think we first have to examine what those who talk about being believe themselves to make clear?” (Soph. 1

Presumably this name originally derives from the place that early editors of Aristotle’s corpus gave to a number of treatises that they found themselves unable to place according to the traditional tripartite division of philosophy into logic, physics, and ethics. Given that these writings, just like the physical writings, are of a theoretical kind, they decided to put them after the physical writings (meta ta physika). Later, when Platonism with its two-world-view (see below) became the dominant philosophy in late antiquity, this place was quite fitting: while physics deals with the sensible world, metaphysics deals with the intelligible world. See Alexander in Metaph. 171, 57 and Asclepius in Metaph. 1, 19-22. For an alternative account see Reiner (1954) 210-237. 2 See, for example, Porphyry Abst. I 29. 3 Some of the most important works on Plotinus are: Armstrong (1940); Schwyzer (1951); Armstrong (1967); Rist (1967); Bréhier (1968); Igal (1992); O’Meara (1992); Gerson (1994). An impressively comprehensive bibliography is Dufour (2001).

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243D) Plato thinks that his predecessors talk about being as if it was clear what they are talking about in doing so. Given what they say about being, however, such clarity is, according to Plato, misplaced. This is why Plato sets himself the task of clarifying what it is that his predecessors are talking about when they are talking about being and at Soph. 246A he explicitly asks the question “what is being?” Plato’s question is referred to by Aristotle in his Metaphysics as “the old and today still pressing question, which leads every time it is asked into difficulties” (Metaph. 1028b2-4). As a first step to answering the question “what is being?” Aristotle distinguishes primary being from all other kinds of being and calls primary being ousia (e.g. Metaph. Z 1, 1028a10ff; Metaph. Θ 1, 1045b26ff.). Beings that are not primary (such as, e.g., qualities or quantities) are not primary because they depend for their being on another kind of being, namely on primary being. A quality, for example, presupposes something that is a primary being (such as, e.g., a man) and of which it is the quality. Thus a quality can only be what it is (namely a quality) because there is something else (namely an ousia) of which it is the quality. This is why a quality is not a primary being. Accordingly, primary beings are primary because they, for their being, do not presuppose any other being. They are simpliciter what they are. Now according to Aristotle, ousia is not only prior in being but also in knowledge (Metaph. Z 1, 1028a36ff.). Aristotle believes that in order to be able to understand non-primary being we first have to understand primary being. Only on the basis of primary being will we be able to explain nonprimary being. Thus, also in this sense non-primary being depends on primary being. But if so then in order to answer the question “what is being?” we primarily have to answer the question “what is ousia?” Accordingly, Aristotle claims that the question “what is being?” actually is the question “what is ousia?” In this sense the question “what is ousia?” is the central question of metaphysics (Metaph. Z 1, 1028b4-7). 4 With Aristotle’s question in mind let us now turn to Plotinus. In order to try to understand what, according to Plotinus, ousia is, it is useful, I think, to look at the things that Plotinus calls ousiai. Plotinus applies the word “ousia” to bodies, to the soul, to the intellect and to the world of Platonic 4

Usually, scholars translate “ousia” with “substance”. Now substances, as we use the word “substance”, are concrete individual beings that are bearers of attributes. In this sense “substance” is already an answer to the question: “what is ousia?” The reason why we use the word “substance” in the way we do can be ultimately found in the Latin tradition of commentaries on Aristotle’s Categories. In this tradition the Latin word “substantia” from which our word “substance” derives, was used to denote the first Aristotelian category, the category of ousia, which primarily consists of individual beings that are bearers of attributes. As we will see, however, according to Plotinus this is not the correct answer to the question “what is ousia?” This is why it is perhaps better not to translate it in this way. For the relation of “substantia” and “ousia” see Arpe (1941) 65–78 and Mann (2000), in particular 11f.

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Forms. Already by looking at this list we can see that Plotinus puts himself into the tradition of Plato and Aristotle. For Plato famously calls the world of Forms ousia. He also holds that intellect and soul are true beings and belong to the realm of ousia (Soph. 248Aff.). Aristotle, while rejecting the world of Platonic Forms, agrees with Plato on the being ousia of soul and intellect, and adds bodies to the list. In what follows I wish to discuss in what sense Plotinus calls each of the items on the list ousia. It will turn out that not all of them are called ousia in the same way. There is only one entity that is ousia in the primary way and hence primarily and properly called ousia. All other beings that are called ousia are not primary ousia. Their being ousia depends, as will turn out, in one way or other on the “ousia-hood” of the primary ousia. To give content to this rather abstract claim let us start with a discussion of the first item on our list: bodies. Ousia in the sensible world: bodies Bodies may seem to be uncontroversial cases of ousia. They are the things that primarily make up the sensible world, the world that surrounds us and that we perceive with our senses. It seems quite plausible to assume that whatever else there might be in the sensible world depends in one way or other on bodies. This view was already held by Aristotle. Thus he claims in Metaphysics Z 2: “Now it seems that ousia most clearly applies to bodies; this is why we say of animals and of plants and of their parts that they are ousiai; but also of natural bodies like fire and water and earth... and what is composed of them... as, for example, the universe and its parts, the stars, the moon and the sun” (Metaph. 1028b8-13). In a first analysis, following what Aristotle has to say about ousia in the Categories, it becomes clear why – at least to start with – we might be inclined to believe that bodies are primary beings. They are primary in the two ways discussed above in relation to such things as qualities or quantities. Whilst qualities, for example, depend on bodies in these two ways, there is nothing on which bodies depend in these two ways. Hence, in a first analysis, bodies seem to be ousiai. Yet, as is well known, Aristotle further analyses the notion of ousia in the Metaphysics. Before considering his further analysis, however, let us see how Aristotle’s view so far discussed relates to Plotinus. In order to do so we have to turn to Ennead VI 3. Ennead VI 3 is the third part of a long treatise called On the genera of Being (Peri tôn genôn tou ontos). The title of the treatise, given by Porphyry, corresponds to the title sometimes given in late antiquity to Aristotle’s Categories. The Categories were named “On the Genera of Being” by philosophers who considered it to be a treatise on the highest genera of being and thus to be a metaphysical treatise. Now Plotinus’

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treatise of the same name was divided by Porphyry into three parts. These three parts have since then been called Ennead VI 1, VI 2, and VI 3 respectively. Ennead VI 1 is devoted to a critique of both Aristotle’s categories and the so-called Stoic categories. Ennead VI 2 is devoted to the genera of being of the intelligible world and Ennead VI 3 is devoted to the genera of being of the sensible world. In the present context we are only interested in the genera of the sensible world since it is to this world that bodies belong. According to Plotinus there are five genera of being in the sensible world: ousia, quantity, quality, motion, and relatives. Although, as already a cursory glance at Plotinus’ list of categories will reveal, there are differences from Aristotle’s categories, we can also detect close parallels. In particular, both contain a category of ousia. Moreover, Plotinus agrees with Aristotle that things of all other categories depend for their being on ousia. For he states that all things that belong to the four other categories are predicated of ousia or are accidents of it (Enn. VI 3, 3, 3-6). So far, Plotinian ousiai (in the sensible world at least) seem to be very similar to Aristotle’s ousiai. Despite these similarities a further analysis reveals important differences between the two notions of ousia. As stated above, Aristotle, in his Metaphysics, goes further in his analysis of ousia. In Metaphysics Z 3 he considers three candidates for being ousia, namely matter, form and the composite.5 According to Aristotle, precisely these candidates are ultimate subjects in one sense or other, and he believes that for something to be an ousia it has to be an ultimate subject (compare also Metaph. ∆ 8, 1017b23-4). In his further analysis matter and composite turn out not to be ousia (at least not in a primary sense) and form remains as the only candidate for being ousia (1029a27-33) and thus becomes the proper subject of his metaphysical enquiry. Although matter and composite are no longer considered to be ousiai in a primary sense by Aristotle there remains the question of their ontological status. If we bear in mind the schema of the categories, it is clear that they do not belong to any of the traditional accidental categories. They are no qualities, no quantities etc. Do they, then, nevertheless belong to the category of ousia and – given that they are not ousiai – how and in what sense? Or do we have to introduce two new categories, namely that of matter and that of the composite? These questions had been discussed in late antiquity from Boethus of Sidon onwards (see Simplicius, in Cat. 78, 4ff.).6 5

I shall write “Form” with a capital “F” to refer to Forms of the Platonic type and “form” with a small “f” to refer to forms of the Aristotelian type. 6 See Moraux (1977) 155 and a more detailed discussion in Chiaradonna (2002) 6577.

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Plotinus readily dismisses the view that matter, form and composite are three distinct genera (Enn. VI 3, 3), one reason being that matter is not a genus at all. But if they all belong to the same genus, namely ousia, then there must be something that they have in common. Plotinus considers several criteria that something has to fulfil in order to be an ousia and thus several characteristics that all three should have in common. He considers, for example, the criterion that something has to be a subject in order to be an ousia. He concludes that even if matter, form, and composite fulfil these criteria, they do so in different ways. Accordingly, Plotinus believes, they are ousia in different senses (Enn. VI 3, 5, 35-39). Since he believes that this analysis does not lead us to an understanding of what ousia is in the sensible world, Plotinus makes a fresh start. At Enn. VI 3, 8, 1, he starts systematically to consider what he now calls “sensible ousia” (instead of “ousia” unqualifiedly). He claims that matter and form, although present in the sensible world, are not ousia, “or at least not sensible ousia” (Enn. VI 3, 8, 4). In doing so, he rejects Aristotle’s further analysis of sensible ousia into matter and form in the following sense. Contrary to Aristotle he does not believe that the analysis of sensible ousia will reveal something that is prior to sensible ousia in the sensible world in such a way as to be ousia properly speaking. While according to Aristotle it will turn out in a final analysis that – properly speaking – (Aristotelian) forms are ousiai, Plotinus does not think so. Plotinus rejects Aristotelian forms as basic entities of the sensible world and argues that the basic entities of the sensible world are sensible ousiai (namely bodies) and that no further analysis of them will reveal something that is – properly speaking – ousia. Despite rejecting Aristotle’s further analysis, Plotinus nevertheless allows for a further (albeit non-Aristotelian) analysis of sensible ousiai. A sensible ousia is, as he defines at Enn. VI 3, 8, 20, “a conglomeration of qualities and matter”, with “qualities” to be understood here in a broad sense including, for example, quantities. In keeping with what we have discussed above Plotinus insists that the things that make up a sensible ousia are not themselves ousiai (Enn. VI 3, 8, 29-30). They are not, for example, Aristotelian forms. Thus, he believes that sensible ousiai are made up of things that are not ousia (Enn. VI 3, 8, 30-31). Instead, the things that make up sensible ousia are matter and qualities (“quality” to be understood in a broad sense). Thus, a quality can be in a sensible ousia in two ways. It can either be a constitutive part of a sensible ousia or it can only be an accident of a sensible ousia without, however, being constitutive of it. In order better to understand this let us look at a particular body as an example, the body of Socrates. Let us assume that Socrates is pale. This quality is constitutive of the ousia of the body of Socrates. If Socrates gets angry and turns red, the redness, although also being a quality of Socrates,

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is not constitutive of him. Instead it is only one of his accidents. To use Plotinian phrases, in the former case the paleness is “hidden in the mixture” and in the latter case the redness “comes as an addition” (Enn. VI 3 8, 24-27). Let us now compare our pale Socrates with John who is not pale by nature but who sometimes, when he sees something shocking, turns pale. Now the paleness of Socrates and the paleness of John (when John is in a state of paleness) do not – as paleness – differ from one another. Nevertheless, Socrates’ paleness is constitutive of Socrates while John’s paleness is only an accident of John and hence not constitutive of him. But does this example not show, one might ask, that Plotinus misses Aristotle’s point? For Aristotle is not only looking for something that is the bearer of accidents when he asks the question “what is ousia?” The ousia of something is crucially what the thing really is and, accordingly, it is our understanding of the ousia that allows us to understand what the thing really is. What Aristotle tries to show in the Metaphysics, is precisely this: what a thing really is, is its form. Plotinus, on the other hand, it seems, does not account for this at all. In claiming that bodies, his primary entities in the sensible world, are made up only of things that are themselves not ousia, he does not account for what bodies really are. As we have seen, his bodies, even the bodies of living beings, are nothing but conglomerations of qualities and matter. Hence, there is nothing within them that accounts for what they are.7 Hence, since bodies are ousiai, the primary beings of the sensible world, he does not explain what ousia in the sensible world is. Plotinus is happy to concede this. At Enn. VI 3, 8, 30ff he states: “And there is no need to object if we make sensible ousia out of what is not ousia; for even the whole is not true ousia but imitates true ousia ...” Thus, Plotinus believes that ousiai in the sensible world are not true ousiai at all. They are mere imitations of true ousia. The fact that they are no true ousiai can precisely be seen in the fact that they lack something that is what they really are. If ousiai in the sensible world are not true ousiai then, clearly, there is nothing in the sensible world – corresponding, for example, to Aristotelian forms – that makes bodies true beings. 8 Plotinus’ view must be seen against the background of a division that is crucial to Plotinus and to every Platonist. It is the division of intelligible world and sensible world that can be found in a famous and highly 7

Perhaps one may object that the soul is the thing that accounts for what the body is. I do not wish to dispute this. However, the soul is not part of the sensible world and, in particular, it is not a constitutive part of the body for whose being it accounts. This is why the soul is not considered here. I will, however, discuss it below. 8 For a discussion of Plotinus’ rejection of Aristotle’s theory of sensible substance and for the historical background of Plotinus’ view in late antiquity see Chiaradonna (1999) 25-57.

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influential passage of Plato’s Timaeus. At Ti. 27D-28A it is claimed: “First of all we have, according to my opinion, to make the following distinction: what is that which always is and has no becoming and what is that which always is becoming and never is? The former is to grasp by thought with reason, being always the same. The latter is subject to opinion by belief with non-rational perception, becoming and passing away but never really being.” Thus, there are two realms, only one of which consists of true being. This is the realm that was to be called the intelligible world by later Platonists. The other realm, as the Timaeus will later reveal, is the sensible world, a world of becoming that never really is. Whatever the details of this basic Platonic division, if the sensible world is such as claimed in this passage, then there is no being in the sensible world, let alone primary being, ousia. This point is well understood by Plotinus. At Enn. VI 2, 1 he starts his discussion of the intelligible world and distinguishes it from the sensible world. At Enn. VI 2, 1, 16ff. he claims: “Since we are now investigating being or the things that are beings, it is first necessary to distinguish between what we call being... and what others think is being, but we call it becoming and say that it is never really being.” In this passage Plotinus clearly alludes to our Timaeus-passage. He even quotes the last few words of it. In numerous other passages, too, we can see that Plotinus holds the two-world-view common among Platonists (e.g. Enn. IV 7, 85, 46-50; Enn. VI 5, 2, 9-16). Thus Plotinus believes that there is an intelligible world and that there is a sensible world and that being and ousia, properly speaking, can only be found in the former. But if Plotinus endorses the Platonic view that there is no being in the sensible world – let alone ousia – we might think that something has gone fundamentally wrong in the former discussion. For we claimed that there are five genera of being in the sensible world. Moreover, we called the first genus of being ousia and identified sensible ousiai with bodies. But now Plotinus seems to be saying that there is no being in the sensible world at all and in particular no ousia. Moreover, at the beginning of this paper I claimed that bodies, sensible ousiai, are among the things that Plotinus calls ousia, and this was the reason for our discussion so far. Why does Plotinus talk of sensible ousiai and why does he call bodies ousia if there is no ousia in the sensible world? We can find a way out of this difficulty in claiming that Plotinus uses the words “being” and “ousia” ambiguously. They are not applied in the same sense when applied to true being and ousia in the intelligible world (we leave open for the moment what this world contains) and when applied to bodies in the sensible world. The introduction of this homonymy is not, as might seem to be the case, ad hoc. It is, rather, a special case of a general principle that Plotinus endorses according to which things that have the same name but do not belong to the same ontological level are

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systematically homonymous. A full discussion of this principle lies outwith the confines of the present paper. For our purposes perhaps the following example helps to explain the function of this principle. Let us assume that according to Platonists there is the (Platonic) Form Human Being and that there are human beings in the sensible world. On the one hand the Form and the sensible things of the same name are not called by the same name accidentally. Instead, there is a systematic ontological connection between the Form Human Being and sensible human beings. For the Form is the principle and paradigm of sensible things of the same name. But Platonists (not least to avoid the Third Man argument) also made sure that the Form Human Being and sensible human beings are not called by the same name synonymously. Sensible human beings are not human beings in the same way, in which the Form Human Being is what it is. Unlike the Form Human Being, sensible human beings are human beings through their participation in the Form Human Being. Accordingly, the Form Human Being and sensible human beings are not called “human being” synonymously. Instead, there is a systematic homonymy. This example suffices, I hope, to give an idea of how Plotinus dealt with the problem that things on different ontological levels are called by the same name homonymously. Let us now apply this principle to Plotinus’ use of the words “being” and “ousia”. There are things called “being” and there are things called “ousia” on different ontological levels. But they are not called “being” or “ousia” synonymously. Instead, they are called “being” or “ousia” homonymously in a systematic way. But if so, then talking of sensible ousia and of being in the sensible world is compatible with denying that there is ousia and being in the sensible world. For there is no true being and no true ousia in the sensible world.9 Let us now return to our discussion of ousia in the sensible world and to a further question one might wish to ask. At the beginning of this paper I listed the soul among the things that Plotinus calls ousia. So one might wonder why bodies are considered the primary beings of the sensible world. Why not souls? For, clearly, in a Platonic framework the soul is ontologically prior to the body. Moreover, the sensible world, as it is described in Plato’s Timaeus, is a composite of body and soul, and so are all corporeal living beings in the sensible world. Plotinus would certainly not disagree with this Platonic claim. Moreover, souls, according to Plotinus, care for their respective bodies. They occupy a “middle rank” among beings (Enn. IV 8, 7, 5), i.e. a middle rank between the world of Platonic Forms and the sensible world. They are, “one might say, 9

Compare also Aristotle’s understanding of being and ousia. Aristotle claims that they are systematically homonymous. For being see, e.g., his analysis in Metaph. Γ 2 and for ousia Metaph. Z 3, 1028b33 and Metaph. Λ 1, 1069a30. See also Morrison (1987).

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amphibious, living by turns the life there [i.e. in the intelligible realm] and the life here [i.e. in the sensible world]” (Enn. IV 8, 4, 31ff.). In so far as souls care for bodies and live their lives in the sensible world, one might think they are in the sensible world. So why are souls not the primary beings of the sensible world? At the beginning of his discussion of the sensible world (Enn. VI 3, 1, 21-31) Plotinus considers this question. True, the soul is active both in the intelligible world and in the sensible world. This is why Plotinus claims, as quoted above, that the soul occupies a middle rank among beings. Thus, in the sense in which the soul is active both in the intelligible world and in the sensible world, it is also present in both worlds. However, the soul’s activity and presence in the sensible world is not essential to the soul. It is only what Plotinus calls the soul’s external activity (as opposed to its internal and essential activity). This external activity consists in the soul’s giving life to bodies (Enn. IV 7, 9, 6). The soul provides the body with everything that is necessary for the latter to be a living body. It keeps its body alive, for example, in taking note of the body’s states. If the body is in a state of needing food the soul will try to act in such a way as to provide it with food. To use another example: in exercising sense perception the soul is able to detect whether there is something around that threatens the body’s health or survival. If the soul sees or hears something that it considers to be a threat for its body’s survival it will usually try to save its body by making it run away or by undertaking some equivalent action. These and many other such actions are activities of the soul in the sensible world. Although the soul has to exercise all these activities in order to care for its body, they are not essential to the soul. Since the soul’s activity in the sensible world is not essential to the soul, the soul does not essentially belong to the sensible world. Instead, it essentially belongs to the intelligible world, the world of true being and ousia (Enn. VI 3, 1, 25).10 I shall consider the soul’s belonging to the intelligible world in the next section of this paper. For the moment it is only important to see that the soul’s activity in the sensible world does not make it a member of this world precisely because its activity here is not essential to it. This is why Plotinus considers bodies – and not souls – to be the primary beings of the sensible world. And for this reason he claims that the soul must be left out in an investigation of the sensible world, “although it is difficult” (Enn. VI 3, 1, 25). In the same passage Plotinus compares the presence of the soul here with the presence of resident foreigners in a city. Just as the resident foreigners have to be left out in a classification of the citizens of a city so the soul has to be left out in an account of the sensible world (ibid.). 10

For a more detailed discussion of the distinction between the soul’s activities in the intelligible and in the sensible world see Caluori (2005).

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To conclude this section of the paper, bodies are the primary beings of the sensible world. Everything else in the sensible world depends on them ontologically, and in this sense they are primary beings. They are, however, not properly called ousia. For the sensible world is not the world of true being and ousia. Rather, it is the world of becoming and change. Sensible ousiai, bodies, are mere images or shadows of true being. They lack an inherent principle, which accounts for what they are (such as Aristotelian forms). Instead, the principle that keeps them in being and alive comes from outside. This principle is the soul. The soul, however, unlike the body, does not belong to this world and is for this reason not the primary being of the sensible world. Ousia in the intelligible world I: the soul The soul, I claimed above, essentially belongs to the intelligible world. Since, moreover, the intelligible world is the world of true being and ousia, the soul’s claim to being ousia seems to be better justified than the claim of bodies. Whether, however, the soul is ousia in the proper and primary sense, remains to be seen. For we know that Plotinus also calls the intellect and the world of Forms ousia. Thus, either the soul is ousia in the same sense as the intellect and as the world of Forms (and all are rightly and primarily called ousia) or the soul, although being rightly called ousia in one way is nevertheless not rightly called ousia in another way.11 In order to establish which alternative holds true, we first have to consider in what sense the soul is called ousia. In a discussion of the Peripatetic view of the soul Plotinus states: “The soul, therefore, does not have its being by being the form of something, but it is an ousia which does not derive its being from its foundation in a body” (Enn. IV 7, 85, 40-41). We have already seen that the soul is not the form of a body. This is important. For were the soul dependent on the body for its being, it would not be ousia, i.e. it would not be primary being. It would rather be something like a quality, in that qualities are dependent for their being on the things whose qualities they are. Were the soul a form of a body in the sense that it had its being from its foundation in a body, it would, just like a quality, depend for its being on the body whose soul it is. Instead of having its being from its foundation in a body, the soul “has being of itself” (Enn. IV 7, 9, 1). This is crucial for its status as being an ousia. For an ousia, as we have learnt from Aristotle, is what it is per se. It does not derive its being from any other being. In our passage Plotinus makes clear that the soul does not derive its being from its foundation in 11

The third option, namely that the soul is rightly and primarily called ousia whilst the intellect and the world of Forms are not, can be ruled out from the start.

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the body. He does not explain, however, whether the soul only has its being of itself as opposed to having its being from its foundation in a body or – what is a stronger claim – whether the soul has its being of itself tout court, i.e. independently of any other being. This is a question to which we shall have cause to return. But first we need to try to understand better why the soul is an ousia and a true being. For while Plotinus claims in the same passage that it is “clear that it [i.e. the soul] is what we call real being” (Enn. IV 7, 85, 46), we might think that this is not so clear. In order to understand Plotinus’ claim it is helpful, I think, to go back to the passage of the Timaeus (27D-28A) discussed above. Plato distinguishes in this passage the world of true being from the world of becoming. Members of the former world fulfil two criteria that members of the latter do not fulfil: firstly, true being must always be and never become and, secondly, true being is always the same. These criteria are not only necessary conditions that something has to fulfil to count as ousia. They also teach us something about ousia, about what ousia is like. We will see both in this and in the next section that everything that is ousia in the intelligible world not only fulfils these two criteria but also that fulfilling these criteria is crucial for what they are. Does the soul fulfil them? Let us first consider the first criterion and ask whether the soul always is and never becomes. The discussion of this question can also be found at Enn. IV 7. In this treatise Plotinus argues, among other things, for the immortality of the soul. His argument relies on a passage in Plato’s Phaedo (Phd. 102Aff.). According to the Phaedo’s final argument for the immortality of the soul, the soul is necessarily always accompanied by life. According to Plotinus’ interpretation this amounts to the claim that the soul is essentially alive and that, for this reason, it always is. But life is not one essential attribute of the soul among others – it is more than that. For Plotinus even identifies the soul with life – at least with life of a certain kind (Enn. IV 7, 11, 9ff.). I shall come back to the qualification “of a certain kind” later. For now let us focus on the claim that the soul and life (of a certain kind) are identical. This identification is helpful in determining what the soul is if we can establish what the life is with which it is identical. Before, however, trying to determine what kind of life the soul is identical with, let us first consider something that might seem puzzling about this identity claim. We might wonder how the soul, if it is life, can fulfil the second criterion stated above: how can it always be the same if it is life? For life seems to be a manifold activity, always changing, motivated by desires that have to be satisfied. Now this picture of life is clearly modelled on the life as seen in the sensible world. We need not assume, however, that this is the only kind of life and that there is not another kind of life, a kind of life that is compatible with the second criterion. As a matter of fact, at least some philosophers in antiquity held the view that there is also a kind of life that

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is unchanging and always the same. Let me put forward two examples to show this. Firstly, God as considered by Aristotle in Metaphysics Λ 7 lives an unchanging life. God’s life exclusively consists of the highest form of thinking (namely intellectual contemplation, noêsis). This thinking is not a process leading, for example, from premises to conclusions, and hence there is no change in the life of God. Instead, God’s thinking, his life, is eternally unchanging and pure actuality, to use Aristotle’s term. Moreover, this kind of life, Aristotle claims, is the best life and thus a life that is better than the life of change that sublunary beings live. Secondly, some pagan Platonists, like those in Ps.Justin’s Quaestiones Christianorum ad Gentiles, thought that the Christian view of a creation in time caused problems because it would imply that God is not unchanging. For God would have had an unrealised potentiality before creating the sensible world. In creating the sensible world at some point in time he would actualise this potentiality and thus change – a claim that was considered incompatible with God’s perfection.12 The second example differs from the first in that the life of God as considered by these pagan Platonists does not only consist of theoretical contemplation. God’s creation of the sensible world rather implies, according to them, a creative activity of God – an activity that leads to the creation of the sensible world. The second example shares with the first the claim that the essential activity of God, even though it is not identical with the essential activity of Aristotle’s God, is also eternally unchanging. How do these examples relate to Plotinus’ view of the soul? We have seen in the last section that the soul is active in the sensible world and that this activity is not essential to the soul. There is, however, another activity of the soul that is essential to it and that is prior to the soul’s activity in the sensible world. This essential activity consists of a certain kind of thinking. The soul thinks about how to create a sensible world in such a way as to make the latter as good as possible. The non-essential activity in the sensible world follows the essential activity of the soul: it results from the soul’s practical thinking about how to create a sensible world. Whatever the relation of the soul’s non-essential to its essential activity is, in exercising an essential activity that is concerned with the creation of the sensible world Plotinus’ soul is similar to the God as conceived of by the pagan Platonists in Ps.Justin. Whilst Ps.Justin does not explicitly have his pagans explain to us what kind of activity God’s essential activity is, Aristotle can help. Plotinus’ soul – like Aristotle’s intellect – is essentially thinking. The kind of thinking of Plotinus’ soul, however, differs from that of Aristotle’s God. This will be crucial later because this difference not 12

See the pagan answer to the fourth question in Ps.Justin, Quaest. Christianorum ad Gentiles 187CD. For a similar worry see Cic. nat. deor. I 21ff.

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only holds between the soul in Plotinus on the one hand and God in Aristotle on the other but also between Plotinian soul and intellect. Whilst the Plotinian intellect thinks noetically (and thus like Aristotle’s God) the soul thinks in a different way, namely rationally (or discursively). This does not imply, however, that the soul’s thinking implies change. Plotinus makes it clear that it does not change (e.g. Enn. IV 4, 11, 11ff.). The difference between the two ways of thinking is rather a difference of articulation. Whilst the intellect grasps its object all at once, as Plotinus puts it, the soul grasps its object in an articulated and structured way. Its thought, unlike that of the intellect, is propositional. The soul’s essential activity thus consists in rational thinking, an activity that – although being different from noetic thinking (or intellection) – does not imply change.13 Moreover, since, as I have claimed above, Plotinus identifies the soul with its essential activity it follows that the soul itself is identical with its rational thinking, its rational thinking being the soul’s essential activity. The view that the life of the soul is unchanging is not only something that Plotinus might wish to claim for the sake of satisfying Platonic criteria. It is also systematically necessary, and this for the following reason. The life of the soul is constitutive for the soul and, as we have seen, even identical with it. Furthermore, it consists of a certain kind of thinking. Now let us suppose the soul’s essential thinking were changeable. Were it changeable, the soul would undergo essential change, i.e. the soul would become another thing every time it thinks something else. For life is an activity and not only a potentiality. Thus, if the soul is life, the soul is an activity. This stands in contrast to another conception of soul, a conception that we find in Aristotle. In Aristotle the soul is something that possesses (or is) the potentiality to be active. It is able sometimes to activate its potentiality and sometimes not to activate it without thereby losing its identity. The Plotinian soul, by contrast, is essentially active. Hence it cannot change its essential activity without thereby losing its identity. But since the soul is immortal, it cannot lose its identity. Hence the soul’s essential thinking must be eternally unchanging. When considered in the context of contemporary approaches to metaphysics, the claim that life is essential to ousia might seem bizarre. Whether it is or not – it is at least not a Plotinian eccentricity. Aristotle, as we have seen, already considered the thing that is primary ousia a living being, a thinking actuality. Plato, too, believed that what really is must be 13

It is often held that, in Plotinus, the thinking of the soul is a process in time. For the reasons given below, this is, as it seems to me, incompatible with Plotinus’ view that the soul is essentially active. Moreover, the claim that the thinking of the soul is propositional does not as such imply that it is a process. For example, at least part of the thinking of the soul is structured in the form of arguments, relating premises to conclusions. This does not make the thinking an activity moving in time from premises to conclusions.

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alive. In his discussion of what being is in the Sophistes, he musters the views of those who believe that only bodies are being, and the views of the friends of Forms in the famous gigantomachia. In this context Plato criticises the friends of Forms for not taking into account that true being must be attributed with life and understanding. He rhetorically asks: “Shall we easily be convinced that true being is neither alive nor thinking but stands revered and holy, unmoved and without understanding?” (Soph. 248E-249A) Plato, like Aristotle (at least as far as primary ousia is concerned) and Plotinus after him, believed that the answer to this question is clearly no: what truly is must be alive and endowed with understanding. This is the background against which to evaluate Plotinus’ view. Plotinus identified the soul as ousia with a life that consists of thinking. We shall see below that this also holds true of the intellect. Since the intellect’s thinking, however, is different from the soul’s thinking, the intellect’s life also differs from that of the soul. This is why Plotinus claims, as we noted earlier, that the life that the soul is, is “a certain kind of life”. The soul is only identical with the life that consists of rational thinking, as opposed to the life that consists of intellectual or noetic thinking. So far, the soul seems to be ousia in the proper sense. It always is unchangingly the same. We have also considered passages where Plotinus explicitly claims that the soul is ousia and real being and that it belongs to the realm of true being and ousia. However, there are also other passages where Plotinus seems to be more reluctant. At Enn. VI 2, 5, 24-25 and at Enn. VI 8, 12, 6 Plotinus calls the soul “a sort of ousia” or “ousia in a qualified sense” (tis ousia). Why so? Because there is one sense, in which the soul crucially is not ousia. We have seen in our discussion of Aristotle that an ousia has to be a primary being in the sense that there is no other being on which ousia depends for its being. The soul, however, is not – in this sense – independent. In order to know how to act in the sensible world, the soul also needs to think about the world of Forms. After all, the world of Forms is the paradigm according to which the sensible world is created. Since the soul wants the sensible world to be an image as perfect as possible of the world of Forms, it needs to know the paradigm. For this reason the contemplation of the world of Forms is essential to the soul. Now the world of Forms also belongs to the intelligible world, to the realm of true being and ousia. Moreover, the world of Forms is ontologically prior to the soul. Thus, since the soul essentially contemplates the world of Forms the soul depends for its being on the world of Forms. Since the world of Forms is being, the soul depends for its being on another being. But if so, the soul is not – in this sense – a primary being. This is the reason, I think, why Plotinus sometimes hesitates to call the soul ousia although the soul, as we have seen, fulfils the criteria for being ousia.

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Ousia in the intelligible world II: the intellect and the world of Forms It is clear from Plato, for example from his simile of the line, that the object of intellectual activity is, for a Platonist, the world of Forms. This does not imply, however, that the world of Forms is prior to and independent of the intellect. Plotinus follows an important strand of the Platonist tradition which denies that it does. Some Platonists, for example, believed that Forms are thoughts in the intellect of God.14 In identifying the world of Forms and the intellect, Plotinus adopts a third course: the intellect, in contemplating the world of Forms, contemplates itself.15 In many ways, Plotinus’ view of the intellect is inspired by Aristotle. Aristotle’s God is not only an intellect, but also, like Plotinus’ intellect, identical with the object of his thought (Metaph. Λ 7 1072b21). True, the object of thought differs. For Plotinus, unlike Aristotle, identifies it with the Platonic world of Forms. Apart from this the two intellects are remarkably similar: Aristotle identifies the divine intellect with the eternal activity of noetic thinking (Metaph. Λ 7 1072b27) and so does Plotinus; the eternal life of Aristotle’s intellect consists in eternally unchanging intellectual thinking and so does the life of Plotinus’ intellect. Following Plato, Plotinus calls the intellect even the perfect living being. At. Enn. VI 2, 21, 57f. he refers to two passages in Plato’s Timaeus, namely 31B and 39E. Plato claims in the former passage that the divine Craftsman creates the sensible world on the basis of the model of the perfect living being (to panteles zôon). In the latter passage the intellect is said to look at the Forms that are in that which is the living being (ho esti zôon). Plotinus understands “the living being” in both passages as referring to the world of Forms which is, accordingly, the living being par excellence. Since the intellect is identical with the world of Forms, it, too, is the perfect living being. In order to understand why Plotinus thinks that the intellect is the perfect living being let us make a fresh start and discuss in what way Plotinus considers the intellect to be ousia. This discussion can be found in Enn. VI 2. As stated earlier, Enn. VI 2 is the treatise about the genera of being in the intelligible world. As was to be expected from a Platonist, Plotinus believes the genera of Being in the intelligible world to be the five greatest genera of Plato’s Sophistes, namely Being, Motion, Stasis, Sameness and Otherness. But he does not only dogmatically state this with reference to Plato. Instead, he tries to argue why these genera must be the highest genera of the intelligible world. 14 15

See Pépin (1956). See Armstrong (1960).

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Before considering how Plotinus develops this view we might wonder why ousia is missing in Plotinus’ list of genera. In order to address this worry we first have to consider in what sense Plotinus talks about genera at all. For Plotinian genera differ in a number of ways from Aristotelian genera. As Plotinus explains at Enn. VI 2, 2, 10-13, for example, genera, as he understands them, are also principles. Aristotle, on the other hand, argues in Metaphysics Z 13-14 that genera are not principles.16 Another difference is more important for our concern. Aristotle’s highest genera are exclusive. If something is a quality, for example, then it is neither an ousia nor a quantity etc. It does not belong to any other highest genus but quality. Plotinian highest genera, on the other hand, are not exclusive. Something’s belonging to one highest genus does not exclude its belonging to another one. This is not only true of the things belonging to highest genera but also of the highest genera themselves. In his understanding of genera Plotinus clearly follows Plato’s account in the Sophistes (251Aff.). For Plato discusses there which of his highest genera “want to get mixed” (256B) with other highest genera. In other words: which of his highest genera participate in which other highest genera. The genus of Being, for example, is participated in by all other highest genera. If a genus did not participate in Being, it would, according to Plato, lack being and thus would not be at all. Since all the other genera are, they must participate in Being.17 This participation does not make Being, however, a higher genus than the other highest genera. It does not reduce the other highest genera to species of Being. As opposed to Aristotle, Plato is entitled to this claim in so far as he does not postulate that genera are exclusive in the sense in which Aristotelian genera are. According to Plotinus, every highest genus gets mixed with every other highest genus. This is even true of the two genera whose possible mixture with one another is rejected by Theaetetus in the Sophistes (252D). I mean the mixture of the genus of Motion and the genus of Stasis. For Plotinus this mixture is not a problem because, according to his understanding, motion must not be identified with change. This is important: as we know from our former discussion, members of the intelligible world do not change. If motion was identical with change and if all other genera participated in motion then they could not be members of the intelligible world – a consequence that would devastate Plotinus’ metaphysics. Motion, rather than being restricted to change, is activity and life quite general. Plotinus states at Enn. VI 2, 7, 4-7: “Life is also in the intellect – if 16 17

See also his discussions in Metaph. B3 and M10. I have claimed above that Platonic genera are also principles. Here we see in what way. For everything that participates in a genus x is x because it participates in x. For example, everything that participates in Being is being because it participates in Being. Being, in this example, is the principle for the being of those things that participate in Being.

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we bring in also intellect and its life then we shall posit as common to all life a single genus, Motion.” This squares nicely with Plotinus’ interpretation of the intellect as a living being. Now life, as we know it, is constituted by many changes. But, as our discussion of the life of the soul has revealed, life need not involve any change at all. Yet the genus of Motion does not in itself guarantee that motion is unchanging. Instead, its participation in another highest genus is responsible for the fact that the genus of Motion is unchanging. This other highest genus is Stasis. Thus, because the genus of Motion participates in the genus of Stasis, the genus of Motion is an unchanging activity or – what amounts to the same – an unchanging life. Accordingly, everything that participates in both the genus of Motion and the genus of Stasis possesses an unchanging life. The three genera discussed so far are distinct from one another and each of them is identical with itself. In order to account both for their being different from one another and for their being identical with themselves, we need, on Platonist terms, to introduce two more genera, namely Otherness and Sameness. Their being different from one another gets explained by their participation in Otherness whereas their identity gets explained by their participation in Sameness. This is why Plato, in Plotinus’ interpretation, introduces these two Forms as highest genera.18 I have claimed above that the five highest genera are not exclusive.19 According to Plotinus it is crucial for each of them to participate in the other highest genera. Thus, for each of them there is a sense in which it is being, alive, unchanging, the same as itself and other than the others. But Plotinus goes further than this. For him, the highest genera together form a whole whose parts they are. They are all “contributing to one nature” (Enn. VI 2, 2, 6-9). This one nature is ousia. As can be seen from the fact that ousia consists of five genera, ousia is not one genus, let alone simpliciter one. Taking up a phrase from Plato’s Parmenides (145A2-3) Plotinus calls ousia one and many. We considered above Plotinus’ assumption that primary being must be alive. But if so then ousia must be being and alive. Since its life must be unchanging we need to introduce Stasis. Since ousia thus possesses many parts that differ from one another, Otherness gets postulated as a further part and since its parts are identical with themselves, Sameness, too, must be a part of ousia. As can already be seen from this, ousia must be manifold. I only wish to note in passing that the manifold of ousia goes even beyond this. For the genera are genera of species. Since these species are, according to the Platonist theory of genera and species, parts of their 18

Plotinus relies for his discussion of Sameness and Otherness (Enn. VI 2, 8, 2543) on Plato’s Soph. 255AB. 19 I shall not discuss why Plotinus believes that there is no further highest genus. He considers this question at length in Enn. VI 2, 9-18.

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genera which, in turn, are parts of ousia, they also belong to ousia. In this way, ousia becomes even more complex than it seemed to be above.20 Ousia is the world of Forms. It is a hierarchically structured and highly unified whole – a whole which consists of many parts. It is important to note that the fact that ousia is the world of Forms does not imply that it is constituted by the sum of all Forms. If it were thus constituted, the constituting Forms would be prior to the whole world of Forms. Since Forms are beings, the world of Forms – as a whole – would not be the primary being. Instead, Forms would be prior to it and thus primary. But if so, the world of Forms would not be ousia in the strict sense since only primary being is ousia properly speaking. Now in order to deny the priority of Forms and in order to affirm the priority of the world of Forms, Plotinus has to deny that Forms are constitutive of the world of Forms. Plotinus claims that a true whole is prior to its parts. At Enn. III 7, 4, 9ff. he states: “this which is truly a whole has not been put together out of its parts but has produced its parts itself.” Thus, the whole is prior to its parts, Plotinus claims, and it is even the principle of its parts. The view that a whole is prior to, and the principle of, its parts was not a Plotinian innovation. It can already be found in the Old Academy. One of the main concerns in the discussion there was the relation of genera to species, genera considered as wholes and species as their parts. The Platonist view – considered above – that genera are principles, also belongs to this discussion. But the claim that wholes are prior to their parts is not restricted to a theory of genera and species. It goes beyond this. For the world of Forms, although it is not a genus, is a whole which is prior to its parts. Hence the world of Forms as a whole – and not the Forms as its parts – is true ousia, primary being in the strict sense. There is no other being prior to the world of Forms. The intellect, far from being prior to it, is identical with it. Only Plotinus’ highest principle, the One enjoys priority. But the One is no being at all. Instead, it is beyond being and beyond ousia.21 Since there is no being that is prior to the intellect (i.e. the world of Forms), the intellect is the primary being. It is ousia in the proper sense. Thus even the highest form of being possesses an irreducible complexity: it is a being that leads an unchanging life of pure contemplation.22

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If there are Forms of individuals, a topic of scholarly dispute, then they belong to ousia, too, because they also are members of the world of Forms. 21 See Whittaker (1969) 91-104. 22 I would like to thank Michael Frede, Pavlos Kalligas, Gabriele Galluzzo, Kaspar Howald, and Peter Turner for helpful discussions of earlier drafts of this paper.

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Kristell Trego: Manifestation et Existence – Théophanie et dévoilement de l’ousia chez Jean Scot Érigène « Ipsius namque creatio, hoc est in aliquo manifestatio, omnium existentium profecto est substitutio » (Periphyseon, I, 13, PL CXXII, 455B, CCCM CLXI, 22, 555-557)1

Comment concevoir le rapport de Dieu à sa création ? Très connue, la réponse de Jean Scot, surnommé l’Érigène, consiste à dire que le monde constitue une « théophanie », une « manifestation » ou « apparition » de Dieu2 : « (…) manifeste in theophaniis suis aperitur »3. Cette réponse, en apparence claire, demande toutefois à être précisée, dans la mesure où, simultanément, Scot développe une théologie négative qui le conduit à présenter Dieu comme incompréhensible, comme au-delà de ce que l’homme peut connaître : « nullo modo ex ullo eorum quae sunt, ipsum propter sui excellentiam cognoscit secundum quod quid sit »4, passage qui sera explicité comme suit : « hoc est in nulla essentia seu substantia, vel in aliquo quod dici vel intelligi valeat, eum reperire potest »5. Dès lors que 1

Nous utiliserons les abréviations suivantes : PPh pour le Periphyseon, sur lequel porteront, plus particulièrement, les analyses qui suivent ; PL pour la Patrologie Latine (éd. par J.-P. Migne), PG pour la Patrologie Grecque, CCCM pour le Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis, CCSG pour le Corpus Christianorum Series Graeca (Turnoult, Brepols), SC pour les Sources Chrétiennes (Paris, Cerf), BA pour la Bibliothèque Augustinienne (Paris, DDB-IEA). L’édition de référence pour le Periphyseon est désormais l’édition critique due à É. Jeauneau (CCCM CLXVICLXV, Turnoult, Brepols, 1996-2004), instrument de travail irremplaçable, car, outre l’établissement du texte sur des bases fiables, et la mention des sources repérables, cette édition présente les différents états de l’œuvre ; malgré tout, nous précisions les colonnes de la Patrologie Latine, du fait que cette numérotation est reprise dans les nouvelles éditions. 2 Concernant ce thème et ses sources patristiques grecques, cf. Tullio GREGORY, « Note sulla dottrina delle ‘teofanie’ in Giovanni Scoto Eriugena », Studi Medievali, 1963, p. 75–91. 3 PPh, III, 20, PL CXXII, 683B, CCCM CLXIII, 91, 2647-2648. 4 PPh, II, 23, PL CXXII, 572D, CCCM CLXII, 64, 1473-1474. Voir MAXIME LE CONFESSEUR, Ambigua ad Iohannem, VI, 124-127, PG XCI, 1113A, CCSG XVIII, 48. 5 PPh, II, 23, PL CXXII, 572D, CCCM CLXII, 64, n. 131, 530-531. C’est la main 2 « i », c’est-à-dire celle d’un compagnon, lui aussi irlandais, d’Érigène, qui ajoute cette explication ; voir CCCM, CLXII, 322 (versions I-II), 3312-3315, et l’apparat critique correspondant. Concernant les diverses mains repérées par Ludwig Traube, et leur interprétation, cf. l’introduction d’Édouard Jeauneau, CCCM CLXI, p. XIXs.

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l’essence divine est incompréhensible6, il convient de reconnaître que connaître Dieu, c’est ne pas le connaître7. Partant, il faut dire que « (…) causa omnium per seipsam, nec a seipsa, nec ab aliquo intelligi potest, quid sit ; in suis vero theophaniis quodammodo cognoscitur. »8 Paradoxalement, Dieu se manifesterait par sa création, sans pour autant que la créature puisse le concevoir tel qu’il est en lui-même9. Or, il nous semble qu’Erigène parvient à fonder cette idée, héritée des Pères Grecs, grâce à un travail sur l’ousiologie qu’il reçoit de la tradition aristotélicienne10. Cet apparent paradoxe se résout en effet, selon nous, par la prise en considération des concepts d’essence et d’existence, qui acquièrent une importance nouvelle : le monde est théophanie, en tant qu’existant; mais cette existence, à entendre en son sens étymologique, ne dévoile pas l’essentia divine. Ce couple de concepts serait ainsi la clef de la notion érigénienne de théophanie, ce pourquoi il convient de l’examiner plus en détail. Pour usuel qu’il nous semble être aujourd’hui, il ne va en effet pas de soi à l’époque carolingienne ; et notre auteur est sans doute l’un des grands artisans de l’émergence de l’existence, comme concept philosophique distinct, si ce n’est séparé, de celui d’essence. Précisons l’importance de cette question relative au vocabulaire de l’être. L’univers intellectuel au sein duquel évoluent les penseurs carolingiens était, il faut bien le reconnaître, peu propice à une interrogation sur l’être. Si Aristote avait fait émerger l’interrogation métaphysique, en se posant la célèbre question : « ti/ to\ o)/n ; », le premier Moyen Age latin ne connut pas l’œuvre métaphysique du Stagirite, et dut, ce faisant, se restreindre aux réflexions, élaborées dans le cadre de la logique, concernant l’ousia, que la traduction latine appelait « substantia »11. Or, l’on ne saurait méconnaître la réduction du champ de 6

Érigène cite en ce sens le De imagine de Grégoire de Nysse ; voir PPh, IV, 11, PL CXXII, 788D, CCCM CLXIV, 69, 1942-1945 (et GREGOIRE DE NYSSE, De hominis opificio, xi, PG XLIV, 156B, tr. fr. SC VI, 122). 7 Voir PPh, IV, 7, PL CXXII, 771C : « melius nesciendo scitur ». 8 PPh, II, 23, PL CXXII, 577B, CCCM CLXII, 70, 1605-1607. 9 Ce paradoxe sera notamment repris dans le Commentarius in Ioannis Evangelium, I, xxv, à propos de Jn, 1, 25 : « Deum nemo vidit » ; voir ainsi SC CLXXX, 124-126 : « Apparebit itaque in theophaniis suis, hoc est in divinis apparitionibus (…) Ipse (…) omnino invisibilis est… ». 10 Catherine KAVANAGH, « The influence of Maximus the Confessor on Eriugena's treatment of Aristotle’s Categories », American Catholic Philosophical Quarterly, 2005, LXXIX, p. 567-596, voit notamment dans le thème de l’incompréhensibilité de l’essence et dans la place reconnue au lieu et au temps une influence de Maxime le Confesseur. L’influence patristique, notamment grecque, sur le vocabulaire érigénien de l’être est développée plus avant dans mon « La subsistence des existants. Jean Scot Érigène et la formation d’un vocabulaire latin de l’être », Khôra –Revue d’études anciennes et médiévales, 2008 (à paraître). 11 Cf. notamment Jean-François Courtine, « Note complémentaire pour l’histoire du vocabulaire de l’être – les traductions latines d’ou)si/a et la compréhension romanostoïcienne de l’être », Concepts et catégories dans la pensée antique, éd. : P.

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l’interrogation qu’impose une telle traduction par « substance », terme en lequel ne se fait plus entendre l’idée d’être. De fait, les auteurs du début du Moyen Age, instruits dans les arts du « trivium » (grammaire, dialectique, rhétorique), allaient bien parler de « substantia », mais, bien souvent, sans plus s’interroger sur le sens de l’être. En un mot, la logique tendait à se concevoir comme une sémantique détachée de toute métaphysique. On doit toutefois à Jean Scot d’avoir fait droit à une interrogation sur l’être. Il a en effet retrouvé l’idée d’une multiplicité des sens de l’esse12. Son œuvre majeure, le Periphyseon, se donne ainsi pour tâche de préciser quelles sont les choses qui sont, et celles qui ne sont pas (ea quae sunt, et ea qua non sunt). Ce n’est pas un hasard si cette réévaluation de la question de l’être s’accomplit parallèlement à un retour, à côté de la notion de « substantia », à l’ousia. Jean Scot, on le sait, a appris le Grec, sans doute à la cour de Charles le Chauve13 ; il jouit ce faisant, par rapport à ses Aubenque, Paris, Vrin, 1980, p. 33-87 ; repris dans Les catégories de l’être. Etudes de philosophie ancienne et médiévale, Paris, PUF, 2003, 303p., p. 11-77 ; « Essence, substance, subsistance, existence », Le vocabulaire européen des philosophies, Paris, Seuil / Le Robert, 2004, p. 400-414 (trad. italienne : « Essenza, sostanza, sussistenza, esistenza » in Quaestio, 2003, III, p. 27-59) ; J. DE GHELLINCK, « L’entrée d’essentia, substantia et autres mots apparentés dans le latin médiéval » in Archivum Latinitatis Medii Aevi – Bulletin du Cange, 1941, XVI, p. 77-112 et « Essentia et substantia – note complémentaire » in Archivum Latinitatis Medii Aevi – Bulletin du Cange, 1942, XVII, p. 129-133. Je me permets d’ajouter à ces études classiques mon « Essentielle substance : le renouveau de l’ousiologie dans l’œuvre de s. Anselme de Cantorbéry », ci-après, dans lequel est précisée la réception alto-médiévale de la notion de substance. 12 Rappelons que, pour Erigène, la dialectique n’est pas tant une invention de l’esprit humain qu’elle ne s’enracine dans la nature même des choses : « non ab humanis machinationibus sit facta, sed in natura rerum (…) condita… » (PPh, IV, 4, 749A, CCCM CLXIV, 12, 285-287) ; les catégories se conçoivent par conséquent comme des genera rerum (Annotationes in Martianum, 157, 6, éd. C. Lutz, Cambridge (Mass.), The Mediaeval Academy of America, 1939, 244p., p. 84, l. 3; PPh, I, 63, PL CXXII, 507C, CCCM CLXI, 90, 2808). Cf. à ce sujet Christophe ERISMANN, « The Logic of Being : Eriugena’s dialectical ontology », Vivarium, 2007, XLV, p. 203-218. 13 A tout le moins est-ce là qu’il a pu perfectionner les bases qu’il avait peut-être acquises lors de sa formation initiale ; concernant cette question, cf. Maïeul CAPPUYNS, Jean Scot Érigène, sa vie, son œuvre, sa pensée, Louvain – Paris, Abbaye du Mont-Cesar – DDB, 1933 (réimp : Bruxelles, Culture et civilisation, 1969), 414p. p. 27s. ; Édouard JEAUNEAU, « L’homme et l’œuvre », Études érigéniennes, Paris, Études Augustiniennes, 1987, 749p., p. 13-54 ; et « Jean Scot Érigène et le grec », ibid., p. 87-132, en particulier p. 12-13. L’époque carolingienne se caractérise par un goût certain pour le grec, ainsi qu’en témoignent, par exemple, les nombreux glossaires. Charlemagne lui-même, aux dires d’Eginhard, avait cherché à apprendre le Grec, mais « graecam (…) melius intellegere quam pronuntiare poterat » (Vie de Charlemagne, 25, éd. L. Halphen, Paris, Belles Lettres, 2007, 128 p., p. 74). Ce sont toutefois les « Scot » qui manifestent la plus grande aisance dans cette langue ; ainsi peut-on penser, outre Jean Scot Érigène, à Sédulius Scottus, mais aussi à Martin Scot de Laon et à son glossaire (manuscrit 444). Concernant ce dossier, cf. la synthèse de Pierre RICHE, Ecoles et enseignements dans le haut Moen-Age, Paris, Picard, 1999, 472p., p. 92-96.

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contemporains, d’un double privilège : il accède à tout un pan de la pensée dont ces derniers sont privés14, mais surtout, dans l’optique qui nous intéresse, il peut réfléchir à partir des concepts grecs. C’est ainsi que, s’il est largement redevable de la tradition latine de la logique15, l’ousiologie qu’il développe ne se limite toutefois pas une doctrine de la substance16, où celle-ci apparaît comme le sujet d’accidents, sans que ne se pose la question de l’être de cette substance17 ; à côté de la notion de « substantia »18, réapparaît celle d’essentia19, notion qui a un rôle central dans la construction philosophique qu’élabore Erigène20. 14

Érigène est ainsi connu pour sa familiarité avec la patristique grecque ; cf. à ce sujet la synthèse d’Édouard JEAUNEAU, « Pseudo-Dionysius, Gregory of Nyssa and Maximus the Confessor in the works of John Scottus Eriugena », Etudes érigéniennes, p. 175-187. 15 Sur la place centrale reconnue, dès le De praedestinatione, à la dialectica, cf. Giulio D’ONOFRIO, « Disputandi disciplina : procédés dialectiques et logica vetus dans le langage philosophique de Jean Scot », Jean Scot écrivain, éd.: G. H. Allard, Paris – Montréal, Vrin – Bellarmin, 1986, p. 229-263. Voir également son ouvrage Fons scientiae. La dialettica nell’Occidente tardo-antico, Naples, Liguori editore, 1984, 1986, 346p., p. 275s. L’apport de la tradition grammaticale semble ainsi devoir se fondre dans un questionnement prioritairement compris comme dialectique ; voir ainsi Catherine KAVANAGH, « The philosophical importance of Grammar for Eriugena », in History and Eschatology. John Scottus Eriugena and his time, éd. : J. Mac Evoy et M. Dunne, Louvain, Leuven University Press, 2002, p. 61-76, notamment p. 65-66 pour le vocabulaire catégorial. 16 Notons dans cette perspective l’emploi du terme grec ousia, qui serait le terme grec le plus utilisé ; cf. Diane DESROSIERS-BONIN, « Études des radicaux et de leur répartition dans le dialogue du Peryphyseon », Jean Scot écrivain, éd.: G. H. Allard, Paris – Montréal, Vrin – Bellarmin, 1986, p. 314-325, p. 319. 17 Sur l’ousia comme dérivé du verbe « être », et donc comme devant de préférence être traduit par essentia, voir par exemple les commentaires marginaux des Decem catogoriae, manuscrit Leningrad, bibl. publ., Cl. lat., F. V. N7, f. 35r (cité par Édouard JEAUNEAU, « Le dossier Israel Scot », Études érigéniennes, p. 641-706, p. 705) : « eimi graecum verbum est substantivum, id est sum, cuius participium neutri generis praesentis temporis est on, quod est latine ens, sed in usu non est plurale eius ousa ; addita iota, formatur hoc nomen quod est ousia, id est essentia ». 18 Notion qui verra elle-même son sens modifié, du fait même de son interprétation à partir du grec hupostasis, et au contact de la pensée patristique, notamment de Maxime le Confesseur. Sur cette influence du théologien byzantin sur la conception érigénienne de la substantia, voir la rapide remarque d’Édouard Jeauneau, « Jean l’Erigène et les Ambigua ad Ioannem de Maxime le Confesseur », Études érigéniennes, p. 203. 19 Le terme « essentia », comme traduction d’ousia, pourra par la suite être réemployé pour présenter la doctrine catégoriale, voir ainsi, vers le Xe s., le texte dont nous disposons grâce aux manuscrits Paris, BNF, lat., 12949, f. 27bis r, et Leningrad, bibl. publ., lat. F. v. VI N 3, f. 42r, texte édité par Édouard Jeauneau, « Le dossier Israel Scot », Études érigéniennes, p. 641-706, p. 669 ; notons à ce sujet que la classification parallèle du manuscrit Laon, bibl. mun. 444, f. 289v (édité par E. Miller, Notices et extraits des manuscrits de la bibliothèque nationale, XXIX, 2, 1880, 440p., p. 181), que mentionne É. JEAUNEAU, p. 705, utilise encore le terme « substantia ». Au début de l’ére carolingienne, dans le « cercle d’Alcuin », le terme « essentia » peut déjà apparaître comme traduction de « usia », mais d’une manière encore conjointe à « substantia » ; voir De decem cathegoriis Augustini, « Fragments de Munich », I, éd.

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Or, conjointement à ce retour à une interrogation concernant l’être, et à un renouveau de l’essence, on assiste à une mise en avant de l’exister, qui devient un concept opératoire au sein de l’ousiologie. Si les termes « existentia » ou « existere » pouvaient se trouver sous la plume de ses contemporains, il semble toutefois qu’Erigène dote le verbe « exister » d’une signification rigoureuse qui lui donne une résonance nouvelle. Guy H. Allard a, il y a une vingtaine d’années, présenté cet avènement érigénien de l’existence, laquelle bénéficierait d’une triple primauté, lexicale, gnoséologique, ontologique21. Le philosophe irlandais se révélerait ainsi précurseur, pour autant que, avant la réception de la pensée arabe, avant Henri de Gand, qui distinguera un esse essentiae et un esse existentiae, il aurait reconnu, à côté de l’essence, et en différant, l’existence. Nous voudrions dès lors préciser cette notion d’existence en fonction de la perspective ousiologique adoptée par Erigène. Il nous semble que ce thème n’a pu émerger que grâce à un remaniement préalable de la doctrine de la substance, qui a conduit à repenser, en des termes nouveaux, la création. Derrière la notion de « théophanie », ce serait ainsi le vocabulaire de l’être qui serait retravaillé.

par J. Marenbon, From the Circle of Alcuin to the School of Auxerre – Logic, Theology and Philosophy, Cambridge / Londres / New York / New Rochelle / Melbourne / Sydney, Cambridge University Press, 1981 (rééd. : 2006), 219p., p. 152 : « Usia graece quod est latine substantia sive essentia, hoc est Deus » (= Dicta Candidi, ii, éd. B. Hauréau, De la philosophie scolastique, I, Paris, 1872, reprint New York, Burt Franklin, 549p. p. 133, avec la variante toutefois « sine ») ; si l’équivalence « substantia sive essentia » peut s’autoriser d’Augustin, il est à remarquer que la traduction priviligiée de l’ousia semble encore « substance », « essence » n’intervenant que comme une alternative de traduction dont la mention permet de justifier l’interprétation de l’ousia comme étant Dieu lui-même, pour autant que ce dernier « semper est quod est » (voir ainsi Alcuin, De fide s. Trinitatis, I, xv PL CI, 23A, qui employait encore le terme « substance »). Il conviendrait d’examiner plus en détail, manuscrit par manuscrit, tradition intellectuelle par tradition intellectuelle, les termes employés comme traduction explicite de ousia durant le haut Moyen-Age. 20 Renvoyons à ce sujet à Gangolf SCHRIMPF, Das Werk des Johannes Scottus Eriugena im Rahmen des Wissenschaftsverständnisses seiner Zeit. Eine Hinführung zu Periphyseon, Münster, Aschendorff, 1982, vii+305p., p. 55. Voir également John MARENBON, « Les catégories au début du Moyen-Age », in Les catégories et leur histoire, éd. : O. Bruun et L. Corti, Paris, Vrin, 2005, p. 223-243, p. 228s. Concernant le caractère central reconnu à l’essentia, cf. en outre Christine COALLIER, « Le vocabulaire des arts libéraux dans le Periphyseon », Jean Scot écrivain, éd.: G. H. Allard, Paris – Montréal, Vrin – Bellarmin, 1986, p. 343-360, p. 347-348. 21 Voir son « The primacy of existence in the thought of Eriugena », in Neoplatonism and christian thought, D. J. O’Meara (ed), Norfolk / New York, International Society for Neoplatonic Studies / State University of New York Press, 1982, p. 89-96.

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Johannes Scottus Eriugena 1. le dédoublement de l’ousiologie : l’essentia et la substantia

Le Periphyseon ne fait pas seulement droit accidentellement à la doctrine de la substance ; mais c’est une certaine interprétation de l’ousiologie aristotélicienne qui conduit à penser le monde créé en termes de « théophanie »22. Il convient en effet de constater une des spécificités de la reprise érigénienne de la doctrine néoplatonicienne d’un mouvement de procession de l’Un au multiple : à l’encontre de sa conception classique, le Periphyseon relègue à l’arrière-plan la question de l’âme23, afin de faire droit aux divers sens de « ce qui est » et « ce qui n’est pas »24. C’est ainsi le vocabulaire de l’être qui est mobilisé. Dans cette perspective, JeanFrançois Courtine a justement mis l’accent sur le Periphyseon en tant que refonte de la doctrine catégoriale issue d’Aristote25. Or, nous semble-t-il, cette refonte n’a pas seulement consisté en une réévaluation de l’espace et du temps, mais la notion même d’ousia a vu son sens retravaillé26. 22

Emmanuel FALQUE parle d’une ontologisation ; voir son « Jean Scot Érigène : la théophanie comme mode de la phénoménalité », Revue des sciences philosophiques et théologiques, 2002, LXXXVI, p. 387-421, p. 390. Sur la reprise de la doctrine catégoriale afin de penser la genèse de la matière, et sur le devenir visible de l’ousia, cf. Francesco PAPARELLA, « Dialettica come metodo : struttura e limiti epistemici della filosofia prima eriugeniana », Quaestio, 2005, V, p. 183-200, p. 187-193. 23 L’importance reconnue à l’homme, en tant qu’il est celui en qui sont finalement créées toutes choses, passe en effet au second plan. 24 Avital WOHLMAN, L’homme, le monde sensible et le péché dans la philosophie de Jean Scot Erigène, Paris, Vrin, 1987, 112p., présente cette « grandiose fresque » ; voir en particulier p. 47s. pour ce qui concerne le vocabulaire de la substance. 25 Voir Jean-François COURTINE, « La dimension spatio-temporelle dans la problématique catégoriale du De divisione naturae de Jean Scot Érigène », in Les Études Philosophiques, 1980, pp. 343-367 ; repris dans Les catégories de l’être, p. 129-166, p. 138s. Au XIIe s., déjà, HONORIUS AUGUSTODUNENSIS avait vu l’importance des dimensions d’espace et de temps, comme ce qui permet à l’ousia, par définition incompréhensible, d’être et de se manifester ; voir Clavis Physicae, 51, éd. P. Lucentini, Rome, Edizioni di Storia e Letteratura, 1974, 326p., p. 33, l. 5-8 : « Usian per se ipsam diffinire et dicere quid sit, nemo potest. Omnis autem usia creata, ex loco et tempore, sine quibus esse non potest, solummodo diffinire potest quia est, nullo modo autem diffinire quid est ». Sur l’importance de l’espace et du temps, voir aussi Marta CRISTIANI, « Lo spazio e il tempo nell’opera dell’ Eriugena », Studi Medievali, 1973, XIV, p. 39–136 (qui développe son « Le problème du lieu et du temps dans le livre I du Periphyseon », The Mind of Eriugena, éd. : L. Bieler et J. J. O’Meara, Dublin, Irish University Press, 1973, p. 40-47). Pour une présentation générale de la reprise des catégories aristotéliciennes, ainsi que de son contexte, on consultera Mischa VON PERGER, « Eriugenas Adaption der aristotelischen Kategorienlehre », in Logik und Theologie. Das Organon im Arabischen und im Lateinischen Mittelalter, éd. : D. Perler et U. Rudolph, Leiden – Boston, Brill, 2005, p. 239-303. 26 Très charitable, E. M. PORCELLINI, dans « Le problème de la dérivation du monde à partir de Dieu chez Scot Erigène et chez s. Anselme », in Analecta Anselmiana, II, éd. : F. S. Schmitt, Francfort, Minerva GMBH, 1970, p. 195-208, p. 202, note la difficile conciliation, chez Erigène, de deux constructions philosophiques, qui seraient contradictoires, et explique cette coexistence par un vocabulaire philosophique flottant, qui l’aurait empêcher de voir l’incompatibilité de ces deux

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Un examen comparatif des traductions du ps-Denys, par Hilduin et par Erigène, permet de faire ressortir un usage par ce dernier du terme « essentia », là où son prédécesseur employait le terme « substantia »27. Une nouvelle interprétation de la question ousiologique semble soustendue par un tel choix lexical. La traduction latine de l’ousia aristotélicienne par « substantia » retenait, nous l’avons rappelé, l’idée de substrat supportant des accidents. Ainsi la substance comme être individuel se concevait-elle en fonction de certaines propriétés accidentelles qui la constitueraient. Cette acception de l’ousia que reçoit Jean Scot le conduit à distinguer radicalement les deux sens qu’Aristote pouvait reconnaître. Là où le Stagirite reconnaissait une « ousia en premier » et une « ousia en second », le philosophe irlandais pose deux termes : d’une part, la substance, qui désigne l’être individuel, caractérisé par un certain nombre d’accidents ; d’autre part, l’essence, qui correspond aux propriétés universelles28. Sans nier l’existence de certains passages qui peuvent suggérer une indifférence dans l’emploi de ces deux termes29, il n’en demeure pas moins que le philosophe irlandais tend à les spécifier en fonction des deux sens de la notion d’ousia30. pensées : « Comment Scot a-t-il pu vivre sur cette équivoque et voir une synthèse possible même si elle est ineffable par la raison, là où il y a un réel contraste entre deux métaphysiques contradictoires ? A mon avis, cette conviction obstinée (qui compromet toute spéculation) est due à une double incertitude : une terminologie philosophico-théologique encore bien loin de sa formulation précise (il suffit de penser aux termes de substance, subsistence, être, nature, principe, cause) et une connaissance qui n’est pas suffisamment claire du développement de la philosophie païenne et de la théologie chrétienne inconciliables, ou tout au moins pleines d’équivoques, sans la géniale médiation de la métaphysique et de la gnoséologie d’Aristote, ignorée par Scot. » Nous voudrions tout au contraire montrer l’effort fourni par Erigène pour fonder des thèmes de la patristique grecque à partir d’un travail technique et précis sur les termes de substance, de subsistence, mais aussi d’existence, ou d’existants. La connaissance sérieuse par Scot de la dialectique demande en effet de ne pas négliger l’appel à ces termes dans le cadre de sa reprise du néoplatonisme. 27 Voir ainsi Gabriel THERY, Études dionysiennes. I. Hilduin, traducteur de Denys, Paris, Vrin, 1932, 183p., p. 34-35. 28 Pour une première approche concernant ces deux termes, cf. Karl ESWEIN, « Die Wesenheit bei Johannes Scottus Eriugena. Begriff, Bedeutung and Charakter der ‘essentia’ oder ‘ou)si/a’ bei demselben », Philosophisches Jahrbuch, 1930, XLIII, p. 189-206, en particulier p. 198-200. 29 Les deux termes peuvent ainsi parfois sembler interchangeables. « Essentia seu substantia » : cette expression se retrouve à plusieurs reprises dans le Periphyseon. Citons simplement à titre d’exemple le passage suivant, extrait de l’exposé des dix catégories : « Nunquid, cum decem kategoriae sint, una earum essentia seu substantia dicitur, novem vero accidentia sunt, et in substantia subsistunt ? » (PPh, I, 20, PL CXXII, 467D, CCCM CLXI, 38, 1092-1094). Après avoir traduit ousia par « essentia », le penseur irlandais semble considérer comme équivalent le terme « substantia ». Notons toutefois une rupture dans l’équilibre ainsi suggéré par l’emploi de la conjonction « seu » : lorsqu’il s’agit de penser que les accidents inhèrent à l’ousia, c’est le terme « substance », qui est choisi, indiquant ainsi que la substance désigne l’essence en tant que sujet d’accidents.

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Cette dualité de sens31 apparaît dès les Annotationes in Marcianum, dans lesquelles notre auteur distingue, de l’« ousia », la substance, qui traduirait plutôt le grec « hupostasis »32. La première se conçoit en termes de « genus generallissimum », autrement dit elle serait « ultra quod nullus intellectus potest ascendere » (157, 17, éd. Lutz, p. 93, l. 11-12). Par opposition à cette ousia-essentia, la seconde désigne l’être individuel : « (…) Quid sit substantia ? (…) ou)si/a ultra omnes cathegorias est et nullum accidens recipit. Deinde descendit ad substantiam, hoc est ad hypostasin, tunc recipit accidentia et primum locum in cathegoriis habet » (166, 1, éd. Lutz, p. 95, l. 1-4). Ce passage recèle, en germe, des éléments qui seront fondamentaux dans la philosophie du penseur irlandais, et notamment dans son « opus magnum », le Periphyseon. 1/ Le premier constat qu’il convient d’effectuer est d’ordre lexical : ce sont désormais deux termes différents qui permettent de penser les deux aspects de la substance aristotélicienne. Si l’Antiquité tardive avait hésité entre le choix d’essentia ou de substantia, le choix finalement opéré en faveur de cette dernière a conduit non pas à un abandon de la première, mais à sa spécialisation. Or, le texte que nous lisons semble, curieusement, effectuer un retour en arrière, tel que « substantia » est rapporté au grec « hupostasis », de sorte que l’« essentia » pourrait se présenter comme la traduction la plus légitime pour l’« ousia »33. Toutefois, il ne s’agit pas là 30

John MARENBON détaille la diversité des sens de l’ousia, et l’explique par la diversité des sources dont Erigène hérite ; cf. son « John Scottus and the Categoriae decem », dans Eriugena, Studien zu seinen Quellen, éd. : W. Beierwaltes, Heidelberg, C. Winter / Universitätsverlag, 1980, p. 117-134 (repris dans Aristotelian Logic, Platonism and the Context of Early Medieval Philosophy in the West, Aldershot – Burlington USA – Singapour – Sydney, Ashgate, 2000, n° VI), en particulier p. 123s. Il faut en outre distinguer chez Érigène deux usia différentes, l’une universelle, la seconde particulière ; concernant ces deux sens ainsi que les difficultés d’interprétation de cette usia individuelle, cf. J. MARENBON, From the Circle of Alcuin to the School of Auxerre, p. 79. 31 Achard de Saint-Victor reprendra à Erigène ces deux sens ; cf. Mohammed ILKHANI, La philosophie de la création chez Achard de Saint-Victor, Bruxelles, Ousia, 2000, 400p., p. 180s. 32 Pour une première approche de cette idée, cf. Karl SAMSTAG, Die Dialektik des Johannes Skottus Eriugena, Wertheim, Bechstein, 1930, 77p., p. 29s. ; est suggérée une parenté de cette dualité essence / substance avec la question trinitaire, voir n. 83, p. 31. Voir également Édouard JEAUNEAU, « L’influence des traductions érigéniennes sur le vocabulaire philosophique du Moyen Age : simples remarques », dans L’élaboration du vocabulaire philosophique au Moyen Age, éd. : J. Hamesse et C. Steel, Turnhout, Brepols, 2000, p. 157-169, p. 164-165. 33 Notons dans cette perspective l’inversion, surprenante, qu’effectuera Rémi d’Auxerre, dans le passage parallèle de son commentaire, de l’usia et de l’ypostasis ; voir Commentum in Martianum Capellam, IV, 166, 1, éd. C. Lutz, Leiden, Brill, 1965, t. II, 379p., p. 32, l. 12-15 : « Substantiam diffinit non essentiam, id est non ypostasin sed usiam, quia ypostasis ultra omnes cathegorias est et nullum accidens recipit. Deinde, descendit ad usiam, id est ad substantiam, quae potest recipere accidentia et principatum in cathegoriis decem tenet. »

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d’une remise en cause de la traduction habituelle, mais d’une tentative de donner une nouvelle acception de la substance. En effet, « ousia », ici, ne désigne plus l’être individuel, mais bien un trait général, ce qu’Erigène appelle le « genre générallissime ». Un nouveau sens de la substance sera ainsi véhiculé du fait même de l’appel, à côté de la notion de « substance », à celle d’ousia. 2/ On assiste dans ce texte aux prémices d’un renversement de priorité entre la substance individuelle et l’essence universelle ; le Periphyseon en prendra acte, qui expliquera que « Omnis substantia ex generali essentia defluit »34. Alors qu’Aristote faisait de l’essence universelle l’« ousia en second », qui n’était substance qu’en tant que rapportée à la substance individuelle, l’« ousia en premier », une certaine primauté est ici reconnue à l’essence universelle, pour autant que c’est à partir d’elle que se forme la substance individuelle. Une perspective néo-platonicienne, dans la lignée d’un Porphyre35, est sans conteste adoptée, qui explique cette reconstruction de la doctrine ousiologique. 3/ Au contraire de la « substance », l’ousia, nous est-il dit, ne fait pas partie de la table des catégories. De même que Dieu est au-delà des catégories, de même en va-t-il de l’ousia36. Les œuvres ultérieures développeront ce caractère divin de l’ousia37 : à la suite de Maxime le Confesseur, Erigène tient que l’ousia est infinie, et donc ne peut être circonscrite par aucune catégorie ; si les « circonstances » (circumstanciae) permettent de délimiter les « substantiae », l’ousia des diverses créatures se soustrait à toute entreprise d’enserrement par l’esprit humain. 34 35

PPh, II, 31, 605A-B, CCCM CLXII, 110, 2690-2691. Voir ainsi PORPHYRE, Isagoge, II, 6, texte grec, translatio Boethii et trad. fr. par A. de Libera et Ala.-P. Segonds, Paris, Vrin, 1998, cxlii + 100 p., p. 5-6. Cf. Christophe ERISMANN, « Processio id est multiplicatio. L’influence latine de l’ontologie de Porphyre : le cas de Jean Scot Érigène », Revue des sciences philosophiques et théologiques, 2004, LXXXVIII, p. 401-460. Sur la reprise de l’arbre de Porphyre, cf. Christophe ERISMANN, « Dialectique, universaux et intellect chez Jean Scot Érigène », in Intellect et imagination dans la philosophie médiévale, éd. : M. C. Pacheco et J. F. Meirinhos, Turnoult, Brepols, 2006, t. II, p. 827-839. 36 Ce n’est pas un hasard si Augustin préfère employer le terme « essence » lorsqu’il parle de Dieu ; voir De Trinitate, V, II-V, BA XV, 428-434. Sur cette question, cf. Roland J. TESKE, « Properties of God and the Predicaments in De Trinitate, V » in The Modern Schoolman, 1981, LIX, 1, p. 1-19 et « Augustine’s Use of ‘Substantia’ in Speaking about God » in The Modern Schoolman, 1985, LXII, 3, p. 147-163. 37 Le Periphyseon s’attache ainsi à reconnaître une incompréhensibilité au cœur des choses ; voir PPh, I, 3, 443B, CCCM CLXI, 5, 65-68 : « Sicut ipse Deus in seipso ultra omnem creaturam nullo intellectu comprehenditur, ita etiam in secretissimis sinibus creaturae ab eo facta et in eo existentis consideratus incomprehensibilis est ». Significativement, la version IV introduit le vocabulaire de l’ousia : « … in eo existentis considerata ousia incomprehensibilis est. » (CCCM CLXI, 121, 122). C’est en effet l’essence qui est ainsi reconnue incompréhensible (PL CXXII, 443C, CCCM CLXI, 5, 70).

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4/ C’est un lien de procession qui permet de penser ensemble l’ousia et la substance : la substance tire son être de l’ousia dès lors qu’à celle-ci s’adjoignent un certain nombre de propriétés qui l’individualisent. On assiste ici à une reprise de l’arbre de Porphyre, qu’Erigène ne limite pas à un rôle classificatoire, mais qui revêt clairement une portée ontique. Là encore l’influence néoplatonicienne des Pères grecs permettra de développer plus avant cette idée. Il apparaît donc que la dialectique présentée par Martianus Capella est réinterprétée dans un cadre néoplatonicien, qui va donner à l’ousiologie érigénienne sa tournure propre38. Le Periphyseon dépendra ainsi de cette nouvelle compréhension de l’ousiologie, comme le manifeste la reprise de certains des éléments énoncés dans ce commentaire. Ainsi notre auteur s’efforce-t-il de marquer, à l’encontre de l’interprétation latine de la « substantia », le caractère incorporel de l’ « ousia », ou essence39. La dichotomie substantia / essentia peut alors être reprécisée40, suivant cette idée qu’il échoit des accidents aux substances, ce qui n’est pas le cas pour les essences41. Essence et substance entretiennent entre elles un lien d’émanation : « (…) ex ipsa essentia, quae una et universalis in omnibus creata est, omnibusque communis, (…) singulorum se participantium quandam propriam substantiam, quae nullius alicuius est, nisi ipsius solummodo cuius est, naturali progressione manare. »42 Si Boèce avait spécialisé les emplois des termes « essence » et « substance » (le premier terme intervenant en contexte théologique, quand le second était préféré pour les commentaires de l’œuvre logique d’Aristote)43, Érigène réinterprète donc cette dualité, afin de faire dépendre celle-ci de celle-là. Il ne met donc pas fin à la dichotomie, mais articule les deux notions : « (…) 38

Remarquons l’importance de l’œuvre de Martianus Capella dans l’itinéraire intellectuel d’Erigène ; cf. à ce sujet Claudio LEONARDI, « Martianus Capella et Jean Scot : nouvelle présentation du problème », Jean Scot écrivain, éd.: G. H. Allard, Paris – Montréal, Vrin – Bellarmin, 1986, p. 187-207, p. 203. 39 Voir PPh, I, 47, PL CXXII, 489Cs., CCCM CLXI, 66. 40 Il conviendrait de lire, dans cette perspective, PPh, II, 28, PL CXXII, 586D, CCCM CLXII, 84-84, 1971-1977. 41 On ne manquera pas de relire PPh, I, 63, PL CXXII, 507C-508B, CCCM CLXI, 90-91 ; voir en particulier 91, 2841-2842 : « Cuiuspiam igitur substantiae sunt. Haec etenim propriis accidunt substantiis, nam generalibus essentiis nihil accidit. » (il s’agit ici d’une précision ajoutée par la main « i1 », voir CCCM CLXI, 396, versions I-II, 4852-4854). 42 PPh, I, 62, PL CXXII, 506B-C, CCCM CLXI, 89, 2758-2763. Cf. Christophe ERISMANN, «Generalis essentia. La théorie érigénienne de l'ousia et le problème des universaux», in Archives d'histoire doctrinale et littéraire du Moyen âge, 2002, pp. 737. Sur la constitution des choses, on pourra en outre se reporter à Dirk ANSORGE, Johannes Scottus Eriugena: Wahrheit als Prozess—eine theologische Interpretation von Periphyseon, Innsbruck – Vienne, Tyrolia, 1996, 370p., en particulier p. 132s. 43 Dans cette optique, voir encore RATRAMNE DE CORBIE, De anima ad Odonem, 6 (éd. : D. C. Lambot, Namur / Lille, Godenne / Giard, 1951, 159p., p. 71, l. 20-30) qui s’appuie sur le Contra Eutychèn et Nestorium, III.

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ad generallissimam et in se ipsa semper manentem substantiarum omnium ad visibiles effectus procedientium essentiam. »44 ; en la substance, c’est l’essence qui se fait visible. Cette approche ousiologique permet dès lors de jeter un nouvel éclairage sur la construction conceptuelle du Periphyseon, et notamment sur la notion de « théophanie ». La théologie négative développée par Erigène à la suite des Pères Grecs ne remet en effet pas en cause la conception théologique de l’essence45 : si Dieu est « suressentiel », il n’en demeure pas moins que l’essentia est divine46 ; « Ipse namque omnium essentia est, qui solus vere est »47. La théophanie s’entend alors comme cette procession de l’essence à la substance. L’exclusion de l’ousia, comme telle, de la sphère d’application de la doctrine des catégories a pour conséquence que seule la substance est connaissable, et ce à partir non pas de l’ousia, mais des circonstances qui l’individualisent. La « natura » désigne, suivant cette optique, ce mouvement d’engendrement et de manifestation, à travers les coordonnées d’espace et de temps, de l’ousia48. Ainsi la substance serait-telle l’ousia en 44 45

PPh, II, 31, PL CXXII, 606D, CCCM CLXII, 111, 2757-2758. Voir ainsi, par exemple, le De praedestinatione, II, 3, CCCM L, 14, 91-92, qui fait de Dieu la « prima universitatis essentia ». Cf. d’autre part les remarques de J. MARENBON, « John Scottus and the Categoriae decem », p. 130. Ce thème reprend ainsi l’idée boécienne d’une substance au-delà de la substance ; voir De Trinitate, IV, /7/, in Traités théologiques, éd. bilingue : A. Tisserand, Paris, GF, 2000, p. 152. Alain DE LIBERA, « L’onto-théo-logique de Boèce : doctrine des catégories et théorie de la prédication dans le De Trinitate », in Les catégories et leur histoire, éd. : O. Bruun et L. Corti, Paris, Vrin, 2005, p. 175-222, p. 215s., suggère l’idée suivant laquelle Érigène concilierait les deux approches, augustinienne (depuis Alcuin, le traité des Decem categoriae est en effet compris comme augustinien) et boécienne pour penser la praedicatio in divinis. 46 Dans cette perspective, il convient en effet de nuancer l’idée suivant laquelle ce qui est visiblement « est » ; un tel emploi du verbe « être » doit se comprendre avant tout comme une habitude linguistique humaine ; voir PPh, I, 5, PL CXXII, 444D, CCCM CLXI, 7, 114. Ainsi pourrait sembler se dessiner une conception où la pensée de l’homme serait la mesure de l’être ; des Gloses sur les Decem categoriae reprendront ce thème érigénien dans sa présentation des choses qui sont et de celles qui ne sont pas : « Dicuntur autem ea esse quae sunt ad quae nostri sensus penetrare possunt. Dicuntur autem ea non esse quae incapabilia sunt tam intellectui quam rationali creaturae » (I, éd. J. MARENBON, From the circle of Alcuin to the school of Auxerre, p. 185); mais ce non-être demande alors à être relativisé : « Illa autem non sunt quae nec sentiri nec intelligi possunt ; non quod non sunt, sed quod ita sunt ut omnem cognitionem corporis et mentis transcendunt » (ibid.). 47 PPh, I, 4, PL CXXII, 443B, CCCM CLXI, 5, 59-60. Voir aussi I, 12, PL CXXII, 545A, CCCM CLXI, 20, 500. Voir en outre PPh, II, 20, 559A, CCCM CLXII, 45, 1054-1055 : « Intellectus enim omnium in Deo essentia omnium est ». Ce paradoxe s’explique à l’aide du mot de Denys : « Esse omnium est superesse Divinitatis ». Cf. Jean TROUILLARD, « Érigène et la théophanie créatrice », in The Mind of Eriugena, éd. : L. Bieler et J. J. O’Meara, Dublin, Irish University Press, 1973, p. 98-113, p. 102. 48 Voir PPh, III, 16, PL 122, 667A-B, CCCM CLXIII, 69, 1990s. Cf. Jean-François COURTINE, « La dimension spatio-temporelle dans la problématique catégoriale du De divisione naturae de Jean Scot Erigène » in Études Philosophiques, 1980, 3, p. 343-

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tant que connaissable, en tant qu’elle est manifeste par l’intermédiaire de certaines propriétés qui la spécifient. Autrement dit, l’ousiologie se déploie alors sous la forme d’une « ousiophanie » (pour reprendre le terme forgé par G.-H. Allard), où la substance est conçue comme la manifestation de l’essence49. S’achève ainsi le renversement annoncé par rapport à Aristote. Le Stagirite concevait en effet « l’ousia en second » comme la manifestation de « l’ousia en premier » : « mo/na ga\r dhloi= th\n prw/thn ou)si/an tw=n kath\goroume/nwn »50. Les Decem categoriae51 accordaient encore aux « substances secondes » un rôle d’indication : « (…) solae indicent primam »52. Or, avec cette idée d’un lien de manifestation unissant la substance à l’essence, c’est finalement l’existence qui va pouvoir acquérir une place importante. Si la substance est la manifestation de l’essence, elle ne donne pas à connaître « ce qu’elle est » (quid est), mais uniquement « qu’elle est » (quia est) : « ou)si/a (…) nullo modo diffinitur quid est, sed diffinitur quia est »53. Si Erigène ne parle pas ici d’existence, il faut toutefois remarquer que ce « quia est » semble inséparable de cette notion. Les substances en effet se conçoivent en tant qu’ « existants », par opposition aux « essences » demeurant éternellement dans le Verbe. Le passage des essences à l’existence, où elles se présentent sous la forme de substances, laisse les essences mêmes dans l’ombre, pour autant qu’on ne connaîtra pas 367 ; repris dans Les catégories de l’être. Études de philosophie ancienne et médiévale, Paris, PUF, 2003, p. 129-166, p. 135. On n’omettra pas non plus la lecture de Marta CRISTIANI, « Nature-essence et nature-langage. Note sur l’emploi du terme ‘natura’ dans le Periphyseon de Jean Erigène », Sprache und Erkennntnis im Mittelalter, II (Miscellanea Mediaevalia, 13/2), Berlin – New York, Walter de Gruyter, 1981, p. 707-717, article éclairant à plus titre dans l’optique qui nous intéresse. 49 Les gloses sur le De hebdomadibus, qui, si elles ne sont pas d’Érigène lui-même, comme l’estimait leur éditeur Edward K. Rand, ont toutefois été écrites dans le milieu érigénien, peut-être par Rémi d’Auxerre (hypothèse de Maïeul Cappuyns), réinterprètent ainsi le couple esse / id quod est sous la forme essentia / id quod iam apparet (éd. E. K. Rand, Johannes Scottus, Munich, C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, 1906, 106p., p. 52, l. 4-5). 50 Catégories, v, 2b30-31. 51 Rappelons en effet que le haut Moyen-Age lit les Decem categoriae, faussement attribuées à Augustin, qui se présente comme une paraphrase du traité aristotélicien (« Paraphrasis themistiana »), plutôt que les Categories elles-mêmes. Sur ce texte, on se reportera en particulier à Anthony KENNY, « Les catégories chez les Pères latins », in Les catégories et leur histoire, éd. : O. Bruun et L. Corti, Paris, Vrin, 2005, p. 121133, p. 128s. ; A. Kenny se demande si les Decem categoriae ne seraient pas l’œuvre de Marius Victorinus (p. 130-133). 52 Decem categoriae, [58], éd. L. Minio-Paluello, Aristoteles Latinus, I, 1-5, Paris – Bruges, DDB, 1961, 257p., p. 146, l. 8; voir l’explication de cette idée : « (…) si quis nolit vel nesciat dicere ‘Socraten’, dicat ‘animal’ vel ‘hominem’, id est genus vel speciem. His vero dictis, quid sit Socrates agnoscitur ; aliud autem si dicat, vel ‘currit’ vel ‘ambulat’, nihil possit agnosci. » (l. 9-12). 53 PPh, I, 45, PL CXXII, 487A, CCCM CLXI, 63, 1917-1918.

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leur « quid est ». Ainsi commencerait à voir le jour, en contrepoint de la notion d’essence, celle d’existence. 2. subsistence et existence Précisons tout d’abord le concept d’existence dont hérite Erigène. L’existentia, on le sait, a été introduite dans le vocabulaire latin pour penser l’être comme génération, comme extériorisation. Si le verbe « existere » se trouve déjà dans la langue classique, en particulier chez Cicéron et Sénèque, où il désigne le fait de se dresser hors de quelque chose54, on trouve le substantif chez Marius Victorinus, qui lui adjoint en outre le terme « existentialitas ». Le terme est alors employé en contexte théologique, plus précisément christologique : il fait signer vers l’idée d’un engendrement et donc d’une extériorisation55. Or, la connaissance de Marius Victorinus à l’époque carolingienne n’est plus à démontrer56. De fait, si Alcuin fait bien référence à l’Ad Candidum, son emploi du vocabulaire existentiel semble conforme à cette instauration latine du terme57. Toutefois, le vocabulaire de l’existence ne se limite alors 54

Voir CICERON, De officiis, I, xxx, 107 (éd. Maurice Testard, Paris, Les Belles Lettres, 1965, 2e tirage : 1974, 204p., p. 159) : « (…) in animis existunt maiores etiam varietates » ; LUCRECE, De natura rerum, II, 871 (éd. José Kany-Turpin, Paris, GF Flammarion, 1997, 553p., p. 162) : « Quippe videre licet vivos existere vermes, stercore de taetro ». Cf. Jean-François COURTINE, « Essence, substance, subsistance, existence », Le vocabulaire européen des philosophies, Paris, Seuil / Le Robert, 2004, p. 400-414. Voir aussi l’occurrence du terme dans le De praedestinatione, VII, 5, CCCM L, 47, 102, qui cite De libero arbitrio, II, XX, 54, BA VI’, 376 : « … unde iste motus existat. » 55 Nous renvoyons à l’étude de Vincent CARRAUD, « L'invention de l'existence. Note sur la christologie de Marius Victorinus », Quaestio, 2003, III, p. 3-26. 56 Cf. à ce sujet Gustavo A. PIEMONTE, « L’expression ‘quae sunt et quae non sunt’ : Jean Scot et Marius Victorinus » in Jean Scot Ecrivain, éd. G. H. Allard, Paris – Montréal, Vrin – Bellarmin, 1986, p. 81-113. Cf. aussi Pierre HADOT, « Marius Victorinus et Alcuin », Archives d’Histoire littéraire et doctrinale du Moyen Age, 1954, XXI, p. 5-19 ; et son Marius Victorinus, Recherches sur sa vie et son oeuvre, Paris, Etudes augustiniennes, 1971, 442p., p. 21-22. Sur l’existence plus précisément, cf. Pierre HADOT, « Existentia », Plotin, Porphyre. Etudes néoplatoniciennes, Paris, Les Belles Lettres, 1999, p. 57-61, p. 60. Il convient d’ajouter que l’écriture « i2 » se repère dans le manuscrit Bamberg, Patr., 46, lequel contient notamment l’Epistula Candidi et l’Ad Candidum de Marius Victorinus ; notons à cet égard que des gloses dues à « i2 » se trouvent en particulier en marge de ces deux traités (f. 28-45), ce qui suggère une lecture attentive, si ce n’est par Érigène lui-même, à tout le moins dans son entourage, de Marius Victorinus ; sur ces possibles « autographes » d’Érigène, voir Édouard JEAUNEAU et Paul Edward DUTTON, The autographs of Eriugena, Corpus Christianorum, Autographa Medii Aevi, III, Turnoult, Brepols, 1996, 224p., en particulier p. 42 pour ce manuscrit. 57 Qu’Alcuin continue à entendre dans le terme « existere » le fait de « se tenir hors de » est manifeste du fait de l’attention qu’il porte à la présence du « s » ; voir De

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pas à la désignation du Fils, mais renvoie, également et prioritairement, à l’être des créatures. Remarquable est chez notre auteur la fréquence de « existentia », les « existants », terme préféré à « entia »58. La question qui guide nos analyses consiste à préciser cette reprise d’un concept théologique afin de penser l’être, plus préciser afin de penser un trait de l’être différent de l’essence. Il est aisé d’établir un pont entre la réflexion trinitaire développée par Marius Victorinus59 et la « division de la nature » chez Erigène60. Au cours d’une discussion concernant l’application à Dieu du terme « substance », Marius Victorinus établit en effet une distinction entre Dieu, qui est « esse », et le Christ, qui serait sa forme, et ainsi ce par quoi le Père se donne à connaître (Adversus Arium, II, 4, SC 68, 406, l. 19-21). Or, c’est cette présence d’une forme qui permet de parler d’existence, de substance ou de subsistence : « Omne enim quod est o)/n, esse est cum forma. Hoc et exsistentia dicitur et substantia et subsistentia ; quod enim o)/n est, et exsistit et subsistit et subiectum est. (…) Manifestior igitur, subsistentia et exsistentia est et substantia dicitur » (ibid., 406, l. 30-408, l. 1). Ce passage a ceci d’intéressant qu’il relie explicitement les notions d’existence, de substance, de subsistence et de manifestation, en y voyant des traits christologiques. Ajoutons que, significativement, ce passage s’insère dans une réflexion concernant le fait que, lorsque l’Ecriture parle de « substance », c’est le terme « hupostasis », plutôt que « ousia » que ce terme rend en latin. Une constellation conceptuelle est ainsi mise en place, qui annonce la construction érigénienne. Il semble en effet qu’Erigène applique au rapport entre la création et le Créateur le modèle établi par Marius Victorinus pour penser la relation du Fils au Père : nous proposons dès lors de voir dans la notion de « théophanie » une transposition du thème victorinien du Fils comme révélation du Père. orthographia, littera E (PL CI, 908B) : « exsisto, similiter, sistere enim per s dicimus ». 58 Cf. G. H. ALLARD, « The primacy of existence », p. 93. Rappelons qu’Augustin était réservé quant à l’emploi de « existens » pour traduire le grec o)/n, du fait précisément de la différence entre être et exister ; voir Locutiones in Eptateuchum, III : de Levitico, 32 : « ait enim Graecus: a)ka/qartoj w)/n a)ka/qartoj e)/stai, quasi diceret: " immundus existens, immundus erit "; sed non hoc est existens, quod graecus dicit: w)/n, sed si dici posset, " essens ", ab eo quod est esse, non ab eo quod est existere. » 59 Voir notamment à ce sujet Werner BEIERWALTES, « Trinitarisches Denken. Substantia und Subsistentia bei Marius Victorinus », Platonismus im Christentum, Francfort sur le Main, Klostermann, 1998, p. 25-43. 60 Un rapprochement entre Erigène et la pensée trinitaire de Marius Victorinus a ainsi déjà été suggéré par Werner BEIERWALTES, Eriugena. Grundzüge seines Denkens, Francfort sur le Main, Klostermann, 1994, 364p., p. 239s. Voir également Gustavo A. PIEMONTE, « Vita in omnia pervenit. El vitalismo eriugeniano y la influencia de Mario Victorino », in Patristica et Mediaevalia, 1986, VII, p. 3-48 et 1987, VIII, p. 3-38.

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L’examen plus précis des emplois du verbe « existere » chez Erigène confirme ce rapprochement, et explique l’importance de ce terme : « invenies ousian omnino in omnibus quae sunt, per se ipsam incomprehensibilem non solum sensui sed etiam intellectui esse, atque ideo ex his veluti circumstantiis suis intelligitur existere, loco dico, quantitate, situ ; additur etiam his tempus. Intra haec siquidem, veluti intra quosdam fines circumpositos, essentia cognoscitur circumcludi. » (PPh, I, 25, PL CXXII, 471B-C, CCCM CLXI, 43, 1247-1252). Si l’ousia comme essence est, en elle-même, incompréhensible, le terme « exister » semble renvoyer à ce processus par lequel elle se fait connaître à travers certaines circonstances. On comprend donc que le thème du monde comme manifestation de Dieu requiert de convoquer la notion d’existence. L’existence assure le lien de procession entre l’essence et la substance, et ce faisant permet de concevoir la substance comme manifestation de l’essence. Notons sans plus attendre l’emploi simultané du vocabulaire de la subsistence. Ce terme sert ainsi à affirmer la présence de l’ousia en ce qui émane d’elle : ainsi est-il affirmé que l’ousia subsiste dans ses subdivisions, genres, espèces, et enfin individus61. Le point commun des concepts de subsistence et d’existence est que l’un comme l’autre insistent sur l’idée de « sistere », qui indique une certaine stabilité. Un contemporain d’Erigène, Ratramne de Corbie, relie encore explicitement les deux termes : il fait de la subsistence le mode d’être des existants, en tant précisément que ces existants ne se réduisent pas à ce que l’on peut en penser62 : « Ita trifarium dividitur oratio, id est, dum aut rerum existentium essentiam, aut conceptiones earum perceptarum, aut verborum explicat naturas. Igitur illa quae sunt singularia, et in rebus sunt per subsistentiam, et in mente per imaginationem, et in voce per pronunciationem »63. Subsistence et existence désigneraient ainsi l’être par soi des choses. Or, Ratramne rappelle, dans le même traité, la distinction effectuée par Boèce entre « subsistence » et « substance » : « Et subsistentia quidem dicitur a subsistendo ; substantia vero a substando. Illud quidem propterea sic appellatum, eo quod subsistat, id est sit, et non sit alicui subiectum : hoc vero non solum ostendat quod sit, verum etiam quod subiectum sit. »64. La substance renvoie à l’idée de supporter des 61

Voir PPh, I, 25, PL CXXII, 472C, CCCM CLX, 44-45, 1300-1305 ; PPh, I, 49, PL CXXII, 492A-C, CCCM CLXI, 69-70, 2127-2155. 62 Voir à ce sujet l’opposition subsister (« subsistere » dans la traduction de Boèce) / être un pur concept dans l’Isagoge, I, 2. 63 De anima ad Odonem, 9, éd. Lambot, p. 131, l. 23-2. On consultera sur ce texte Philippe DELHAYE, Une controverse sur l’âme universelle au IXe siècle, Louvain, Nauwelarts, 1950, 71p., p. 49. 64 De anima ad Odonem, 6, éd. : D. C. Lambot, Namur / Lille, Godenne / Giard, 1951, 159p., p. 81, l. 8-13. Voir également ibid, 7, p. 110, l. 8-11 : « Subsistere

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accidents, quand la subsistence se conçoit comme le simple fait d’exister, sans que la question des propriétés de la chose ne soit par là même envisagée. Cette liaison conceptuelle des deux termes permet de suggérer que les auteurs carolingiens repenseraient le concept victorinien de l’existence à partir de celui de subsistence. Conformément à son instauration christologique dans l’œuvre de Marius Victorinus, le terme « existere » serait employé quand il s’agit d’expliquer la venue à l’être de ce qui subsiste. L’emploi du terme « existentia », les existants, pour parler des étants, retient donc le lien de procession à l’issue duquel ils ont été créés : c’est ainsi la dépendance à l’égard de la cause créatrice qui est mise en avant, et qui ferait des choses ce qu’elles sont ; une chose n’est que dans sa relation avec la nature créatrice et non créée. Or, cette réévaluation de l’existence se double, chez Erigène, de l’instauration d’un écart entre Dieu, comme engendrant et le monde, comme engendré. L’engendrement, qui justifiait chez Marius Victorinus le préfixe « ex », se fait création. Un être à part peut dès lors être reconnu à l’apparition, ce qui contribue à faire émerger le paradoxe de la notion de manifestation ou d’apparition, pour autant que cette manifestation ne sera précisément pas manifestation de ce qu’elle prétend manifester, mais s’y substituerait bien plutôt. 3. causes et effets Erigène pose un lien de causalité entre les essences des choses et les choses existantes. Il convient ici de faire intervenir la notion de « causes primordiales »65. Les causes primordiales désignent l’être des choses, avant même qu’elles ne soient créées, et qui précisément a présidé à leur création. Ces causes primordiales sont partant à la fois créées66, par la cause première de toutes choses, Dieu, et créatrices67. Erigène les présente dicuntur ea quae sunt, sive sint accidentibus sujiecta, sive non sint ; substare vero quae sunt accidentibus subiecta. Unde substare quasi sub accidentibus stare dicuntur. » 65 Rappelons que ce thème des causes primordiales se trouvait déjà chez Augustin, voir De Genesi ad litteram, VI, x, 17, BA XLVIII, 468. Pour une première présentation de cette doctrine érigénienne d’une création en deux temps, et une comparaison avec Augustin, cf. Joseph MOREAU, « Le verbe et la création selon s. Augustin et Jean Scot Érigène », in Jean Scot Érigène et l’histoire de la philosophie, Paris, CNRS, 1977, p. 201-210. Concernant l’influence du néoplatonisme grec, cf. également Stefan VIANU, « La doctrine érigénienne des causes primordiales », Khôra – Revue d’études anciennes et médiévales, 2003, I, p. 129-160, p. 133s. 65 PPh, II, 2, PL CXXII, 529A-B, CCCM CLXII, 8-9, 136-142 66 Il s’agit bien évidemment alors d’une création éternelle. Ajoutons qu’elles résultent d’un vouloir divin. Cf. à ce sujet Stefan VIANU, « La doctrine érigénienne des causes primordiales », p. 134-137. 67 Voir PPh, II, 15, PL CXXII, 547D-548A, CCCM CLXII, 30, 662-664.

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tout d’abord en ces termes : « Ipsae autem primordiales rerum causae a Graecis prwto/tupa, hoc est primordiala exempla, vel proori/smata, hoc est praedestinationes vel definitiones vocantur ; item ab eisdem qei=a qelh/mata, hoc est divinae voluntates diicuntur ; i)de/ai quoque, id est species vel formae, in quibus omnium rerum faciendarum, priusquam essent, incommutabiles rationes conditae sunt, solent vocari. »68. Plus loin, Erigène reprend cette doctrine69, et inclut l’essence (l’essentia per se) au nombre des causes primordiales ; il apparaît alors que « quaecumque essentialiter et substantialiter subsistunt, participatione ipsius per seipsam essentiae subsistunt »70. Notons ici deux points. La première création des archétypes de toutes choses ne rend pas superfétatoire une seconde création, celle, à partir de ces archétypes, des choses existantes. Or, parmi ces causes primordiales, il faut reconnaître la présence de l’ousia. L’ousia ainsi se présente elle-même en termes de cause ; elle est une « cause constitutive », ce pourquoi les substances vont se concevoir en terme d’effet de cette cause qu’est l’essence : « ignis itaque, quia substantia est, non ab alia causa descendit nisi a generalissima essentia »71. L’essence est donc la cause qui permet aux substances de subsister72. Par conséquent, si Dieu, sous la forme de l’ousia73, est présent en toutes choses, reste que ces choses existantes en diffèrent. La notion d’existence semble tout particulièrement appropriée afin de penser cette création des choses. Les deux notions, de cause et d’existence, sont inséparables. Citons simplement dans cette perspective quelques passages, et tout d’abord le livre III, qui définit la divinité comme « causa existentium omnium »74. Similairement, quelques pages plus loin, une traduction du Ps-Denys, fortement imprégnée du vocabulaire existentiel, emploie notamment l’expression « creator existentis subsistentiae… »75. La création se conçoit ainsi en termes de passage à l’existence76. 68 69 70

PPh, II, 2, PL CXXII, 529A-B, CCCM CLXII, 8-9, 136-142. Voir PPh, II, 36, PL CXXII,616A-B, CCCM CLXII, 124. PPh, II, 36, PL CXXII, 616C-D, CCCM CLXI, 125, 3179-3181. Concernant cette doctrine, cf. Dermot MORAN, The philosophy of John Scottus Eriugena. A study of Idealism in the Middle Ages, Cambridge – New York – New Rochelle – Melbourne – Sydney, Cambridge University Press, 1989, 333p., p. 262-263. 71 PPH, II, 31, PL CXXII, 605B, CCCM CLXII, 110, 2693-2694. 72 Cf. à ce sujet Christophe ERISMANN, « ‘Causa essentialis’. De la cause comme principe dans la métaphysique de Jean Scot Erigène », Quaestio, 2002, II, p. 187-215, p. 204s. 73 Dieu, qui est bonté, se fait essence afin de pouvoir créer ; voir ainsi PPh, III, 19, PL CXXII, 681D, CCCM CLXIII, 90, et les analyses de J. TROUILLARD, « Erigène et la théophanie créatrice », p. 104-105, sur Dieu se faisant principe. 74 PPh, III, 9, PL CXXII, 643B, CCCM CLXIII, 37, 1022 75 PPh, III, 19, PL CXXII, 682, CCCM CLXIII, 90. 76 Voir « Divina providentia universitatem conditae creaturae ex non existentibus in existentia produxit » (PPh, II, 19, PL CXXII, 553B, CCCM CLXI, 37, 867-868). Voir

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L’existence implique en effet une certaine forme d’extériorisation, de sorte que l’utilisation du participe présent pour les choses créées marque la dépendance de celle-ci à l’égard d’une cause suprême créatrice pour être : « Creat igitur omnia quae de nihilo adduxit ut sint ex non esse in esse (…) ita omne quod dicitur existere non in seipso existit sed participatione vere existentis naturae existit »77. Dieu se conçoit ici comme « vrai existant » non parce que lui-même tiendrait son être d’un autre, mais en tant que cause créatrice de tous les existants. Grâce à la tonalité existentielle qu’il lui adjoint78, Erigène propose une solution à un paradoxe très fréquent du néoplatonisme, à savoir que l’Un donne ce qu’il n’a pas, l’être79. Le terme « exister » s’applique à Dieu en tant qu’il est ce dont dérivent les exsistants. Ce serait partant la notion d’existence qui justifierait de dire, avec E. Jeauneau, que « dans la pensée érigénienne “être” signifie “apparaître” »80. Dieu n’est que parce qu’il se manifeste dans ses créatures qu’il fait exister ; remarquable est dans cette optique la lecture du verset paulinien : « Erit enim omnia in omnibus » (1 Cor 15, 28), réinterprété en ces termes : « Solus Deus apparebit in omnibus »81. L’existence des créatures n’a ainsi pas le sens d’un être autonome de celles-ci, mais elle renvoie bien plutôt à ce passage à l’être du Dieu suréminent : « Nihil enim extra eam subsistunt. Conclusum est ipsam solam vere ac proprie in omnibus esse, et nihil vere ac proprie esse, quod ipsa non sit. (…) Proinde non duo a seipsis distantia debemus intelligere Deum et creaturam, sed unum et idipsum. Nam et creatura in Deo est subsistens, et Deus in creatura mirabili et ineffabili modo creatur, seipsum manifestans, invisibilis visibilem se faciens, et incomprehensibilis comprenhensibilem, et occultus apertum, et incognitus cognitum (…), et superessentialis essentialem… »82. Tant s’en faut que l’être ne soit aucunement attribuable à Dieu, qu’au contraire Dieu est au plus haut point dès lors qu’il se fait par l’intermédiaire des existants qu’il crée. La reprise de la théologie négative du Ps-Denys conduit ainsi le philosophe irlandais à ne reconnaître cette césure ontologique que sur fond de même PPh, I, 12, PL CXXII, 453B, CCCM CLXI, 19, 477-478 : « omnia currere facit ex non existentibus in existentia ». 77 PPh, I, 12, PL CXXII, 453D-454A, CCCM CLXI, 20, 498-503. 78 Dans la même perspective, voir Alcuin, De fide s. Trinitatis, I, ii, PL CI, 24C-D : « Deum supra omnem existentiam, supra omnem vitam, supra omnem intelligentiam credimus esse. Et ille est summa existentia, summa intelligentia, summa vita, a quo [est] omnis vita, omnis intelligentia et omnis existentia », passage que reprend le contemporain Hincmar de Reims, De una et non trina deitate, xii, PL CXXV, 569D. 79 Voir ainsi Plotin, V, 3, 17 : l’Un est cause productrice de l’essence, sans être luimême essence ; il est, précisément, epekeina tès ousias, au-delà de l’essence. 80 Cf. Edouard Jeauneau, « Néant divin et théophanie Erigène, disciple de Denys », Langages et philosophie, éd. : A. de Libera et al., Paris, Vrin, 1997, p. 331-337, p. 333. 81 PPh, I, 10, PL CXXII, 450D, CCCM CLXI, 15, 364-366. 82 PPh, III, 17, PL CXXII, 678B-C, CCCM CLXIII, 85, 2439-2449.

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d’une certaine continuité des créatures et du Créateur, en tant que, en leur être même, les existants renvoient à celui dont ils tiennent l’existence, mais qui lui-même est au-delà de l’être. Mais, ce faisant, c’est tout le matériau de la patristique grecque qui peut être réinvesti pour penser la « division de la nature ». Erigène insiste en effet sur l’idée d’une venue à l’existence, « ex nihilo », ce pourquoi sa traduction du Ps-Denys préfère le terme « creator » à celui d’ « opifex », qui aurait simplement fait de la divinité un principe d’organisation et d’intelligibilité du monde83. Du même coup, l’écart entre la Divinité et le monde, existant, est clairement affirmé. Ainsi pouvons-nous marquer la différence de cette construction conceptuelle par rapport à la doctrine élaborée par Marius Victorinus, sur le Christ comme existence et révélation du Père. Ce dernier insistait sur l’unité essentielle du Père et du Fils. Au contraire, Erigène, par l’introduction d’un lien de causalité, met l’accent sur la différence entre les substances créées et l’ousia qu’elles prétendent manifester. L’écart, que l’existence institue, a dès lors pour corollaire une différence entre ce qui manifeste et ce qui est manifesté, de telle sorte que ce qui manifeste ne manifeste plus ce qu’il manifeste. Les oxymores se multiplient, qui mettent ce paradoxe en évidence : « Omne enim quod intelligitur et sentitur nihil aliud est nisi non apparentis apparitio, occulti manifestatio, negati affirmatio, incomprehensibilis comprehensio, ineffabilis fatus… »84. S’explique du même coup la distinction « quia est » / « quid est », car l’existant, différent de l’essence qu’il manifeste, échoue à montrer ce qu’est cette essence, au-delà de lui. Le réaménagement de l’ousiologie conduit ainsi à penser une incompréhensibilité au cœur des choses85. La théologie apophatique se redouble en effet d’une ousiologie apophatique, de telle sorte que l’incompréhensibilité divine a pour conséquence immédiate, similairement, une incompréhensibilité de l’essence des choses : « Quicquid autem in omni creatura vel sensu corporeo percipitur seu intellectu consideratur nihil aliud est nisi quoddam accidens incomprehensibile per se ut dictum est unicuique essentiae. Nam aut per qualitatem aut quantitatem aut formam aut materiam aut differentiam quandam aut locum aut tempus, cognoscitur non quid est, sed quia est »86. Si les substances sont les manifestations des essences, ces essences elles-mêmes ne sont précisément pas manifestes. 83

« opifex » était le terme choisi par Hilduin. Sur ce choix de traduction, cf. G. H. Allard, « The primacy of existence », p. 90s. 84 PPh, III, 4, PL CXXII, 633A, CCCM CLXIII, 22, 589-591. 85 « …nullam substantiam seu essentiam sive visibilis sive invisibilis creaturae intellectu vel ratione comprehendi posse » (PPh, I, 3, PL CXXII, 443B, CCCM CLXI, 5, 62-64). 86 PPh, I, 3, PL CXXII, 443B-C, CCCM CLXI, 5, 68-73.

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L’existence acquiert, on le voit, son autonomie par rapport à l’essence : si elle désigne l’extériorisation de cette essence, elle n’est plus simplement cette essence. Exister signifie donc manifester la présence d’une essence (le fait qu’elle est), sans manifester le « quid est » de cette essence. Dès lors, l’essence des choses, ainsi sise en le Verbe divin, se révélerait-elle, malgré sa présence en toutes choses, séparée de ce à quoi l’on peut, par l’intermédiaire des accidents, accéder de ces choses, une fois créées, c’està-dire existantes. Pensée divine, elle ne peut être atteinte par un être créé. Rappelons que, pour Aristote, connaître une chose signifie devenir formellement cette chose87. Ainsi la forme à laquelle l’âme accède étaitelle la forme même de la chose. Autrement dit, la connaissance atteignait à l’être même de la chose, sans la matière. Ce qui restait au-delà de la connaissance que l’on pouvait se former était ainsi non pas l’être même de la chose concernée, mais uniquement la matière. Une nouvelle interprétation de la connaissance se laisse ici apercevoir, puisque l’on n’accède plus à l’essence même des choses. 4. l’existence « phantastique » Au terme de ce parcours, et pour préciser plus avant cette incompréhensibilité de l’ousia, qui reste au-delà de ce que les existants révèlent, il convient de s’arrêter quelques instants sur l’homme, qui occupe une place particulière, en tant qu’il est celui à qui se manifeste Dieu88. La notion des choses dans l’esprit humain devrait se comprendre comme leur substance même89, ce qui permet de donner toute sa valeur à l’idée suivant laquelle « Totus iste mundus sensibilis in ipso conditus est. Nulla enim pars eius invenitur (…) quod non in homine creata subsistat. »90. En l’esprit humain, la nature créée prend conscience d’elle-même. Aussi la connaissance humaine viendrait-elle assurer aux choses créées leur plénitude ontologique : « (…) res, quarum notitiae humanae naturae insunt, 87 88

Voir De anima, III, 8, 431b29-432a1. L’homme a un ainsi un rôle de médiateur ; cf. Avital WOHLMAN, L’homme, le monde sensible et le péché dans la philosophie de Jean Scot Erigène, Paris, Vrin, 1987, 112p., notamment p. 26s. Cf. aussi Francis BERTIN, « Les origines de l’homme chez Jean Scot » in Jean Scot Érigène et l’histoire de la philosophie, Paris, CNRS, 1977, p. 307-314, p. 308-309, en ce qui concerne l’homme comme lieu d’apparition du divin. Cf. en outre Jorge J. E. GRACIA, « Ontological characterization of the relation between man and created nature in Eriugena », Journal of the History of Philosophy, 1978, p. 155-66. 89 Voir ainsi PPh, IV, 7, PL CXXII, 769A, CCCM CLXIV, 41, 1093-1097 : « Quid ergo mirum, si rerum notio, quam mens humana possidet, dum in ea creata est, ipsarum rerum quarum notio est substantia intelligatur, ad similitudinem videlicet mentis divinae, in qua notio universitatis conditae, ipsius universitatis incommunicabilis substantia… ? ». 90 PPh, IV, 7, PL CXXII, 764A, CCCM CLXIV, 33, 881-884.

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in suis notionibus subsistere non incongrue intelliguntur. Ubi enim melius cognitionem suam patiuntur, ibi verius existere iudicandae sunt »91. Un être ne peut dès lors se concevoir indépendamment de la manière dont il est perçu ou conçu par l’entendement humain92. Notons l’emploi du vocabulaire de l’existence : l’existence vraie d’une chose correspond à son être dans l’intelligence, qui n’est donc pas simplement un « ens diminutum ». Significativement, cette conception de la connaissance fait appel à la notion de « phantasia », terme apparenté à celui de théophanie93. Comme la théophanie, la phantasia se conçoit sous la forme d’une création94. Une certaine consistance ontique est ainsi reconnue à cette phantasia, qui devient, en ce sens, un « être » dans l’intellect. L’esprit humain n’a plus à sortir de soi pour découvrir les êtres : « anima non extra se videt, quae sentit, sed per phantasias in se ipsa », ajoutera ainsi la main « i1 »95. Cet être atteint par l’acte de pensée n’est pas une seconde substance, qui viendrait en plus d’une première création des choses existantes96 ; il n’en demeure toutefois pas moins que cet être « phantastique » ne nous fait pas connaître l’essence. C’est la même essence qui est dans le Verbe et dans l’homme, selon deux manières d’être différentes, mais, de cette essence, nous ne pouvons toutefois pas connaître « quid sit » ; que l’on pense à l’essence en tant que subsistante dans les causes primordiales, ou bien dans

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PPh, IV, 8, PL CXXII, 774A, CCCM CLXIV, 48, 1296-1299. Cf. Willemien OTTEN, The anthropology of Johannes Scottus Eriugena, Leiden – New York – Copenhague – Cologne, Brill, 1991, 242p., p. 40s. 93 Plus précisément, la théophanie est l’une des espèces de la phantasia, ce pourquoi Erigène peut employer le vocabulaire de la phantasia pour parler de la théophanie ; voir ainsi PPh, V, 31, PL CXXII, 946A, CCCM CLXV, 120, 3856. Sur le lien phantasia – théophanie, cf. Jean-Claude FOUSSARD, « La notion de ‘phantasia’ chez Erigène », dans Jean Scot Erigène et l’histoire de la philosophie, éd. : R. Roques, Paris, CNRS, 1977, p. 337-348, p. 346-348. Sur ce vocabulaire de la phantasia, cf. aussi Anne-Marie BAUTIER, « Phantasia – imaginatio. De l’image à l’imaginaire dans les textes du haut Moyen Age », dans Phantasia – imaginatio, éd. : M. Fattori et M. Bianchi, Rome, edizioni dell’Ateneo, 1988, p. 81-104, en particulier p. 82s. 94 Voir PPh, IV, 7, PL CXXII, 765C, CCCM CLXIV, 35, 941-943 : « Omne quod cognoscitur intellectu et ratione, seu corporeo sensu imaginatur, putasne in ipso qui intelligit et sentit quodammodo posse creari et effici ?... ». Voir aussi PL CXXIII, 769A, CCCM CLXIV, 41, 1094-1095 : « (…) rerum notio, quam mens humana possidet, (…) in ea creata est, … ». 95 PPh, IV, 7, PL CXXII, 762C, voir dans l’édition critique la colonne des versions I-II, CCCM CLXIV, 258, 1497-1499 (rappelons que la main « i1 » est considérée par E. Jeauneau comme étant celle d’Erigène). L’opposition à Augustin est ici patente, puisque, pour ce dernier, la connaissance constitue une extase de l’âme vers les choses extérieures : « Quomodo igitur anima quae sunt extra carnem suam sentit, quae nisi in carne sua vivit ? An non ab eius carne longissime absunt in coelo ? An non in coelo videt solem ? » (Epistulae, CXXXVII (à Volusien), 5, PL XXXIII, 517). 96 Voir les remarques à cet égard à propos de la création des choses en l’homme en PPh, IV, 9*, PL CXXII, 775Bs, CCCM CLXIV, 50, 1366s.

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leurs effets, dans l’intellect humain, on ne peut découvrir ce qu’elle est97. A l’instar de la vision divine, la connaissance humaine atteint à la vraie essence des choses98, sans que l’homme toutefois ne puisse connaître ce qu’est cette essence99. En ce sens, la création des choses en l’homme, qui s’accompagne d’une présence essentielle de ces choses en notre intellect, ne signifie toutefois pas une connaissance par l’homme de cette essence. Si cette manifestation se conçoit en termes d’existence, reste donc que cette existence dans la pensée humaine ne fait précisément pas connaître ce qu’est l’essence de la chose.

5. la connaissance de soi Un même écart entre l’apparition et ce que cette apparition doit manifester se retrouve, d’une manière particulièrement criante, dans le cas de la connaissance que je puis acquérir de moi-même, ce qui explique que je ne connaisse pas moi-même mon essence. Cette incompréhensibilité de l’essence est en effet au cœur du thème d’une conscience de soi comme conscience de son existence. Préfigurant le thème d’un sentiment intérieur qui ne dévoilerait pas à l’âme elle-même ce qu’elle est, Erigène pose que nous n’accédons jamais à ce que nous sommes, mais seulement au fait que nous sommes. Si reprise il y a du « cogito » augustinien100, il est toutefois 97

Voir PPh, IV, 9, PL CXXII, 779C, CCCM CLXIV, 56, 1536-1545 : « Non quod alia sit [omnium] essentia, ut saepe diximus, in Verbo, alia in homine, sed quod unam eandemque aliter in causis aeternis subsist[entem], aliter in effectibus [intellectam mens] speculatur ; illic enim superat omnem intellectum, hic autem ex his quae circa eam considerantur, esse solummodo intelligitur ; in utrisque vero, quid sit, nulli creato intellectui nosse licet. » 98 Bien plus, elle est cette essence vraie. Voir ainsi PPh, IV, 9, PL CXXII, 778D779A, CCCM CLXIV, 55, 1508-1514 : « Ut enim sapientia creatrix (quod est Verbum Dei), omnia quae in ea facta sunt, priusquam fierent, vidit, ipsaque visio eorum, quae priusquam fierent, visa sunt vera et incommutabilis aeterna essentia est, ita creata sapientia (quae est humana natura) omnia, quae in se facta sunt, priusquam fierent, cognovit, ipsaque cognitio earum quae, priusquam fierent, cognita sunt, vera essentia et inconcussa est. ». 99 Ce paradoxe est pris en considération par Bernard MAC GINN, « The negative Element in the Anthropology of John the Scot », in Jean Scot Érigène et l’histoire de la philosophie, éd. : R. Roques, Paris, CNRS, 1977, p. 315-325, en particulier p. 320321. 100 Rappelons que le thème de la connaissance de soi développée dans le De Trinitate avait été repris à l’époque carolingienne ; voir ainsi BENOIT D’ANIANE, Munimenta Fidei, VIII, éd. : J. Leclercq, in Analecta monastica, I, Rome, Herder, 1948, p. 28-66, p. 36, qui cite De Trinitate, X, x, 14-16 (BA XVI, 148-152). L’idée suivant laquelle l’âme humaine se connaît elle-même se présente ainsi comme un locus communis ; voir Munimenta Fidei, VII, éd. Leclercq, p. 35 : « est enim, et esse se novit, et suum esse hoc nosse amat » ; recapitulacio, p. 50 = Fragments de Munich, iv, éd. Marenbon, p. 154 : « Dic mihi si scias te esse et ex quibus constes. – Non solum

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indubitable qu’Erigène met l’accent sur l’abîme en nous, qui nous voilerait à nous-mêmes ce que nous sommes, à l’instar de l’incompréhensibilité divine. C’est encore l’ousiologie qui est convoquée afin de mettre en évidence le scio me esse101. L’ignorance de ce que l’on est intervient en effet comme un cas particulier, pour préciser une réflexion sur la « substance » humaine qui reste incompréhensible pour tout intellect créé. S’il faut distinguer non pas deux « substances » de l’homme, mais deux modes distincts d’une même « substance », à savoir « nue », telle qu’elle subsiste dans les causes intelligibles, ou dans ses effets, en tant qu’elle se fait connaître en revêtant des propriétés accidentelles, reste que, dans un cas comme dans l’autre, la substance elle-même s’excepte de toute acte de connaissance par un intellect créé102. Par conséquent, si l’esse augustinien, dévoilé par le « cogito », était inséparable de l’expérience du vivere103, chez Erigène, l’esse qui se dévoile demande à être compris à partir de la notion d’ousia104. Le vocabulaire employé oppose le fait d’être, à « ce que l’on est » : « (humana mens) novit quidem quia est, non autem novit quid est »105. L’intérêt de cette présentation de la connaissance de soi-même est qu’elle permet de mettre au jour la manière dont la théophanie nous fait apparaître une présence, sans pour autant nous dévoiler l’ousia. L’automanifestation ne fait en effet pas exception au modèle valable pour connaître n’importe quelle chose. Ainsi la présence de toute chose en me esse scio, sed etiam ex anima et corpore constare firmissime teneo ». Que l’on connaisse que l’on est semble bien ne plus poser de difficulté. 101 Remarquons d’ores et déjà que, chez Augustin, le « cogito » dévoile à l’âme sa propre substance ; voir De Trinitate, X, x, 15, BA XVI, 150 : « Nullo modo autem recte dicitur sciri aliqua res, dum eius ignoratur substantia. Quapropter, cum se mens novit, substantiam suam novit ; et cum de se certa est, de substantia sua certa est ». La certitude de sa propre substance vient alors de ce qu’elle se manifeste par une « vera praesentia », intérieure, sans qu’il soit nécessaire de recourir à une « phantasia imaginaria » (ibid.). L’intériorité de soi à soi permet donc une connaissance de sa propre substance. 102 Voir PPh, IV, 7, PL CXXII, 771A-B, CCCM CLXIV, 44, 1186-1191 : « Una itaque eademque veluti duplex dicitur propter duplicem sui speculationem, ubique tamen suam incomprehensibilitatem custodit, in causis dico et in effectibus, hoc est, sive nuda in sua simplicitate, sive accidentibus induta. In his enim omnibus nulli intellectui creato1 neque sensui succumbit, nec a seipsa intelligit quid sit. » (« quid sit » est ajouté par « i », voir CCCM CLXIV, 298, 2163). 103 Voir De Trinitate, X, x, 14, BA XVI, 148 : « Si dubitat, vivit ». 104 Voir PPh, I, 48. Cf. Brian STOCK, « Intellego me esse. Eriugena’s Cogito » in Jean Scot Érigène et l’histoire de la philosophie, éd. : R. Roques, Paris, CNRS, 1977, p. 327-334. 105 PPh, IV, 7, PL CXXII, 771B, CCCM CLXIV, 44, 1197-1198. Cette distinction est héritée de la patristique grecque, en particulier Maxime le Confesseur; voir Édouard JEAUNEAU, « Le cogito érigénien », Traditio, 1995, p. 95-110, p. 105 (cet article vient d’être réédité dans Tendenda vela. Excursions littéraires et digressions philosophiques à travers le Moyen Age, Turnoult, Brepols, 2007, 786p.).

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l’intellect humain n’est-elle pas contredite par cette non-connaissance de son essence, puisque « Omnium siquidem quod sunt, substantia nullo modo definiri potest quid sit »106. Dans cette optique, la trinité de l’essence, du pouvoir et de l’action (essentia, virtus, operatio) avait été significativement réinvestie dans le Ier livre afin de penser comment la substance pensante prend connaissance d’elle-même107. De ces trois termes, c’est bien évidemment le troisième, l’opération, qui, signifiant l’acte d’intellection, assure l’intelligence de soimême. Comprenons donc que c’est par la création, en nous, d’une phantasia, de nous-mêmes que nous prenons conscience que nous sommes, sans pour autant découvrir ce que nous sommes. Formée en nous-mêmes, dérivée de cette ousia que nous sommes, cette image ne nous fait toutefois pas connaître cette ousia elle-même. Ainsi, le scio me esse ne trahit pas une immédiateté de notre présence à nous-mêmes, un sentiment intime de soi-même qui précéderait toute autre expérience. L’on comprend donc qu’il se présente, dans cette première formulation, sous la forme d’un « intelligo me esse »108. Quoi qu’il en soit dès lors du caractère inséparable de l’être et de l’intelligence (être, pour l’homme, ne peut se concevoir indépendamment de cette capacité intellectuelle, de même que l’acte d’intelligence n’est possible que parce que l’on est), il n’en demeure moins que ce retour réflexif sur soi, permis par l’intelligence, ne nous fait pas découvrir notre essence intellectuelle : nous savons que nous sommes des êtres capables d’intelligence, mais pas pour autant ce qu’est l’intelligence109. Sans employer le vocabulaire de l’existence, ces analyses jettent dès lors une lumière nouvelle sur l’idée d’une manifestation qui ne manifeste finalement pas l’ousia, incompréhensible et ineffable. En effet, ce modèle de la connaissance de soi permet directement de penser la théophanie, en 106 107

PPh, IV, 7, PL CXXII, 772A, CCCM CLXIV, 45-46, 1225-1226. PPh, I, 48, PL CXXII, 490B, CCCM CLXI, 67, 2047-2059. Précisons que cet exemple constitue un ajout, dû à la main irlandaise « i1 » (donc sans doute d’Erigène lui-même), ce qui pourrait laisser supposer que ce développement correspondait à une reprise de l’idée développée au livre IV, ce pourquoi il peut se lire après ce texte, et comme une explicitation ultérieure de réflexions précédentes ; voir le tableau synoptique des versions dans l’édition critique, CCCM CLXI, 316, 3500-3517. 108 Si la triade auquel Érigène recourt fait en latin appel à l’idée d’un « sensus interior », il ne faut pas l’interpréter comme une présence immédiate à soi-même, ainsi que le suggère le terme grec mobilisé, à savoir la dianoia ; il s’agit plutôt pour Érigène de reconnaître une forme inférieure de la connaissance intellectuelle, à savoir la pensée discursive. Ainsi que le remarque Édouard JEAUNEAU, cet appel au « sens », donc semble-t-il à la sensibilité, vient de Maxime le Confesseur, qui parlait d’aisthesis, mais Érigène ne veut pas ici parler du sens extérieur, qui ne correspond pas à une activité psychique essentielle ; voir « Le cogito érigénien », p. 108-109. Il nous semble ici important d’insister sur la différence entre ces deux termes grecs. 109 Voir PPh, IV, 9, PL CXXII, 776C, CCCM CLXIV, 55, 1413-1414 : « Scit enim se esse rationalem et intellectualem naturam, nescit autem quid sit ipse intellectus et ipsa ratio ».

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tant que nous sommes à l’image de Dieu dans la connaissance que nous prenons de nous-mêmes110 : de même que sont forgées en nous des phantasiai de nous-mêmes par lesquelles nous apparaissons à nous-mêmes, de même le monde devrait-il se concevoir comme cette phantasia que Dieu forge lui-même, par l’intermédiaire du Verbe qui est sa pensée, qu’il fait dès lors « exister », afin de s’auto-manifester. C’est que l’inconnaissabilité de l’ousia ne signifie pas seulement une faiblesse de l’entendement humain, incapable de s’élever jusqu’au divin, en lui ou hors de lui, mais elle est valable pour Dieu lui-même : ni l’homme, ni Dieu ne peuvent connaître ce qu’ils sont111. Derrière le problème épistémologique, c’est un trait ousiologique qui est engagé112. Précisons-le en envisageant l’argument qui justifie la connaissance divine comme ignorance : « Non enim suades Deum se ipsum ignorare, sed solummodo ignorare quid sit, et merito quia non est quid »113. Si cette dernière remarque est spécifique à la connaissance de Dieu114, et s’explique par son caractère suressentiel, reste qu’elle permet de mettre en évidence l’inadéquation de la notion de « quid » afin de rendre compte de l’essence elle-même. Plutôt que d’assimiler simplement les notions 110

« Ac per hoc (…) maxime imago Dei esse in homine docetur. Ut enim Deus comprenhensibilis est, dum ex creatura colligitur quia est, et incomprehensibilis est, quia a nullo intellectu humano vel angelico comprehendi potest quid sit, nec a seipso, quia non est quid, quippe superessentialis, ita hominae menti hoc solum datum nosse se esse, quid autem sit, nullo modo ei conceditur. » (PPh, IV, 7, PL CXXII, 771B-C, CCCM CLXIV, 44-45, 1198-1204). Cf. Bernard MAC GINN, « The negative Element in the Anthropology of John the Scot », in Jean Scot Erigène et l’histoire de la philosophie, éd. : R. Roques, Paris, CNRS, 1977, p. 315-325. 111 Cf. Werner BEIERWALTES, « Language and object. Reflexions on Eriugena’s valuation of the Function and Capacities of Language », in Jean Scot écrivain, éd.: G. H. Allard, Paris – Montréal, Vrin – Bellarmin, 1986, p. 209-228, p. 213. Sur la ressemblance à Dieu qui transparaît dans cette incapacité de l’homme à connaître ce qu’il est, cf. Édouard JEAUNEAU « Le cogito érigénien », p. 104-105 : le passage « nec a seipso, quia non est quid, quippe superessentialis » est ajouté par la main « i1 » (donc par Erigène lui-même), ce qui suggère que ce point lui tient à cœur. 112 C’est pourquoi l’explicitation du problème de la connaissance de soi amène à rappeler un trait, déjà vu, concernant la substance : « sicut illa, illa humana substitutio nullo certo fine terminatur : ex his autem, quae circa eam intelliguntur, hoc est temporibus, locis, differentiis, proprietatibus, quantitatibus, qualitatibus, relationibus, habitudinibus, positionibus, actionibus, passionibus solummodo intelligitur esse, quid autem sit, nequaquam. Atque hinc datur intelligi, nullius creaturae aliam subsistentiam esse, praeter illam rationem, secundum quam in primordialibus causis in Dei Verbo substituta est, ac per hoc definiri non posse quid sit, quia superat omnem definitionem substantialem. Definitur autem per suas circumstantias, quae sibi accidunt, in speciem propriam per generationem seu intelligibilem seu sensibilem proveniens » (PPh, IV, 7, PL CXXII, 772A-B, CCCM CLXIV, 46, 1231-1242). 113 PPh, II, 28, PL CXXII, 590D, CCCM CLXII, 89, 2112-2114. 114 Notons, à cet égard, la rupture du parallélisme entre les intellects créés et l’intellect divin, en PPh, IV, 7, PL CXXII, 771B-C, CCCM CLXIV, 45, 1202-1203 ; l’établissement du texte fait ici difficulté, en vertu des corrections de « i1 », voir CCCM CLXIV, 298.

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d’essence et de « quid est », il semble qu’il faille prendre en considération la négation qui accompagne cette dernière : son rôle serait par conséquent de manifester le caractère incompréhensible de l’ousia, qui ne se laisse pas ramener à une catégorie intellectuelle. En d’autres termes, la dualité ousia / quid est sert à mettre au jour l’écart irréductible entre l’être-même et ce que l’entendement peut s’en représenter115. La question « quid (est) ? » correspond en effet à une interrogation catégorielle116, de sorte qu’elle est inadéquate pour rendre compte de Dieu ; répondre à cette question serait en effet faire de Dieu une substance circonscrite par des accidents qui lui seraient afférents, ce que refuse explicitement notre auteur117. Le « quid est » met ainsi en évidence non pas l’essence comme telle, mais une substance en laquelle subsistent des accidents. Le « quid » définit une substance, ce qui nie du même coup son infinité ; cette définition de la substance s’entend comme une entreprise d’enserrement de cette substance à partir de ce qui la limite ou circonscrit. Ainsi faut-il opposer l’essence divine, in-finie, et donc incompréhensible, au-delà des catégories, et le « quid » qui, d’ordre catégoriel, prétend définir ce sur quoi il porte afin de pouvoir l’appréhender, ou le comprendre118. Examinons, dans cette optique, la justification donnée par le Philosophe irlandais à sa définition de l’homme comme une « notio quaedam intellectualis in mente divina aeternaliter facta »119, plutôt que comme un « animal rationale, mortale, sensus et disciplinae capax »120 ; cette dernière définition ne retient, nous est-il dit, que des traits accidentels121, ce pourquoi il faut préférer une définition qui renonce à sa prétention à dire ce qu’est une chose : « Sola etenim ac vera oysiades diffinitio est, quae solummodo affirmat esse, et negat quid esse »122. Le « quid est » ne permet donc pas d’atteindre à l’essence des choses, mais uniquement à certaines propriétés qui s’adjoignent à l’essence sans être cette essence123.

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Voir ainsi PPh, II, 28, PL CXXII, 589C, CCCM CLXI, 87, 2074-2077 : « Nescit igitur quid ipse est, hoc est nescit se quid esse, quoniam cognoscit se nullum eorum quae in aliquo cognoscuntur, et de quibus potest dici vel intelligi, quid sunt omnino esse ». 116 Voir PPh, II, 28, PL CXXII, 588B, CCCM CLXII, 86, 2023-2031. 117 Voir PPh, II, 28, PL CXXII, 588C, CCCM CLXII, 86, 2033-2042. 118 Voir encore PPh, II, 28, PL CXXII, 587B-C, CCCM CLXII, 84. 119 PPh, IV, 7, PL CXXII, 768B, CCCM CLXIV, 40, 1072-1073. 120 Ibid., PL CXXII, 768B-C, n. 19, CCCM CLXIV, 40, 90; voit CCCM CLXIV, 284-287. Une telle définition pouvait par exemple se trouver chez Cassiodore et Isidore de Séville. 121 « … substantiae accidunt… » (PL CXXII, 768C ; voir CCCM CLXIV, 286, 1955-1956). 122 PPh, IV, 7, PL CXXII, 768C, CCCM CLXIV, n. 19, 40, 97-98. 123 Ce caractère extrinsèque de ce qui s’adjoint à la substance est clairement reconnu, voir ibid., PL CXXII, 768C, CCCM CLXIV, n. 19, 40, 91-93.

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Nous pouvons dès lors conclure cet examen de la doctrine érigénienne de la théophanie à l’aune du vocabulaire de l’être qui la sous-tend. Il est tout d’abord apparu que la notion de théophanie, comme manifestation de Dieu, présuppose chez notre auteur un dédoublement de l’ousiologie, pour autant qu’il refait droit, à côté de la substance, à l’essence, que cette substance manifesterait. Mais cette réévaluation s’accompagne d’une émergence de la notion d’existence, laquelle désignerait ce passage à l’être des essences devenant substances. Si l’on peut dire que, dans la construction conceptuelle d’Erigène, l’essence précède l’existence, ceci s’explique du fait que l’existant se conçoit en termes de manifestation de l’essence. Erigène reprend, en ce sens, une acception classique de la notion d’existence, mais, dans la construction philosophique qu’il élabore, cette existence acquiert un rôle nouveau. Réinvestissant ainsi la notion d’existence élaborée par Marius Victorinus dans un contexte trinitaire, et plus précisément christologique, Érigène la fait porter sur les substances créées elles-mêmes : l’existence ne désigne alors plus tant l’engendrement que la création, le passage du non-être à l’être. Un écart se creuse ainsi tel que, si la substance existante est une manifestation de l’essence, cette manifestation ne manifeste toutefois pas ce qu’est l’essence. Un couple conceptuel est ici convoqué, afin de rendre compte du lien entre l’existant et l’essence : de l’essence, l’existant manifeste qu’elle est (quia est), mais non pas ce qu’elle est (quid est). En ce sens, la notion d’existence acquiert une certaine autonomie par rapport à celle d’essence, autonomie qui préfigure la distinction ultérieure de ces deux termes124 : si l’existence est comprise comme ce qui dérive d’une cause, elle est liée à l’idée d’être, sans pour autant dire le « quid est » ; l’essence, quant à elle, correspond à un acte intellectif, de Dieu ou de la créature. N’oublions toutefois pas que, dans l’optique d’Erigène, cette essence, bien que saisie par l’intellect, demeure en elle-même incompréhensible. Ainsi, tout en maintenant le caractère incompréhensible de l’essence, qui lui vient de sa divinité, Scot la relie à un acte noétique, qu’il s’agisse de la pensée divine, le Verbe de Dieu, ou de la pensée humaine125. Par conséquent, sans nier la spécificité de la construction conceptuelle de notre auteur, il n’est pas hors de propos de suggérer que, dans sa volonté de refonder la doctrine de la théophanie qu’il recevait des Pères Grecs, le Philosophe irlandais a réorganisé l’ousiologie qu’il héritait de la tradition 124

L’existence ne désigne toutefois pas ici le pur acte d’être, la simple subsistence, puisque le passage à l’existence désigne précisément ce mouvement par lequel s’adjoignent des accidents. 125 Ainsi verra-t-on Anselme prendre acte de cette liaison, puisqu’il concevra la substance à partir de l’essence, pour autant que la substance devrait se comprendre à partir de propriétés concevables ; cf. à ce sujet mon « Essentielle substance… ».

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aristotélicienne, et ce faisant préparé l’entente proprement latine de certains concepts-phares de la métaphysique*.

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Je tiens à remercier Anca Vasiliu pour m’avoir permis de présenter un premier état de ces recherches lors de la séance du 22 novembre 2007 de son séminaire « Substance, identité, existence » (CNRS, Paris).

Abraham D. Stone: Avicenna Because Avicenna is an Aristotelian, and a member of the main, Neoplatonizing line of Aristotelianism which dominated philosophy from late antiquity through the end of the Middle Ages, his theory of substance is in many ways similar to those of other Aristotelians and Neoplatonists. But interpretations of Aristotle differ, and there are, even among selfidentified Aristotelians, occasional outright disagreements with Aristotle. Thus each member of this school has his own distinctive views: Avicenna perhaps more than most. I will focus here on some of the details which mark Avicenna off from his predecessors, or from his successors, or both.1 1 Definition Classification of Substances Aristotle in various places applies the term “substance” (ousia) to a vast range of things, in particular to: (1) bodies (both sublunar and celestial); (2) the form and matter out of which such corporeal substances are composed; (3) souls (including, apparently, the souls of animals and plants); (4) immaterial intellects.2 In addition, Aristotle seems to say that 1

The account here is mainly based on Avicenna’s views as explained in his encyclopedic work, the Shifā’ (Healing), with occasional references to other works of the same period. I cite from the complete Arabic critical edition (ed. I. Madkour, et al. [Cairo: 1950–83]) as follows. Sh. M.= al-Mantiq (Logic), Sh.Ṭ.= al-Tab’iyyāt (Natural Science), Sh. Il.= al-Ilāhiyyāt (Metaphysics). In the case of the Tab’iyyāt and the Mantiq, I cite the part (fān) by a short English/Latin version of its name: Isagoge = alMadkhal; Cats = al-Maqūlāt; Demonstration = al-Burhān; Physics=al-Samā’ alṭabī’īy, Gen./cor.=al-Kawn wa-l-fasād; Action/passion = al=‘Af’āl wa-l-infi’ālāt; De an = al-Nafs; De plant. = al-Nabāt. Page numbers from this edition are printed in the margin of Avicenna Latinus editions and of some translations. Most parts of the Shifā’ are still not available in modern European languages, but there are now English, French and German translations of the Ilāhiyyāt (The Metaphysics of The Healing, tr. M.E. Marmura [Provo, UT: Brigham Young University Press, 2005]; La métaphysique du Shifā’, tr. G.C. Anawati [Paris: Vrin, 1978–85]; Die Metaphysik Avicennas: enthaltend die Metaphysik, Theologie, Kosmologie und Ethik, tr. M. Horten [1907; reprinted Frankfurt a. M.: Minerva, 1960 and Institute for the History of ArabicIslamic Science, 1999]). I give section numbers and pages from Marmura’s translation when citing the Ilāhiyyāt below. There is also a French translation of the Nafs: Psychologie d’Ibn Sina (Avicenne), d’après son oeuvre aš-Šifā’, tr. Ján Bakoš (Prague: Académie tchécoslovaque des Sciences, 1956). 2 See, e.g., Metaph. 7.2.1028b8–15, 8.1.1042a26–9, 12.6.1071b3–7; De An. 2.1.412a 6–21.

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not only individuals, but also genera and species, are substances.3 Finally, he says that the parts of substances are themselves substances.4 The trend among most Aristotelians has been to explain that “substance” is not being used univocally in all of these cases: some of these things are substances in the strictest and most primary sense, whereas others are so called only in secondary, derived senses. Avicenna is aware of such views, but rejects them: i.e., he holds that the term “substance” (Ar. jawhar = Gk. ousia) applies univocally to all of these items and that they all fall under a single highest genus, which he identifies with the category of substance.5 This position leads to a simplified reading of Aristotle, but it causes several problems. First of all, Avicenna agrees with many other interpreters of Aristotle in holding that the members of a single genus, to which the name of the genus univocally applies, cannot be prior and posterior with respect to the generic nature.6 He agrees, therefore, that the term “being” does not name a genus and does not apply univocally to beings, but rather equivocally (or “amphibolously”).7 He agrees, moreover, that some substances are prior to others in being: for example, form and matter are prior to the composite; primary substances are prior to secondary substances; immaterial substances are prior to bodies; celestial bodies are prior to sublunar ones.8 If the definition of substance is “being which is not in a subject,” it seems to follow that some substances are prior to others in substantiality, and thus that “substance,” too, must be equivocal.9 To this, Avicenna replies that, even if “being” were univocal, it would still not name a genus of which “substance” is a species, because it does not refer to something that enters into the essence or quiddity of 3 4 5

Cat. 5.2a14–19; 3b10–16. Metaph. 5.8.1017b12–13, 7.2.1028b8–13. See Sh. M., Isagoge, 1.10, 63,1, Cats, 3.1 (throughout), 3.2, 102,2–4; Sh. Il. 2.1, 60,9–16 (M. §10, p. 48); Kitāb al-ḥudūd, ed. A. Goichon (Cairo: 1963), 6, 30. Avicenna always uses the term jawhar to mean “substance,” not “essence.” He has various terms for “essence,” including dhāt (= Lat. essentia) and māhiyya (= Lat. quidditas) (but see Sh. M., Cats, 1.6, 50,12–13). 6 See Sh. M., Cats, 1.2, 9,11–12, 3.1, 91,11–12, 3.4, 114,11. The most important source of this interpretation is Plotinus: see Enn. 6.1.1.25–8. For a thorough discussion of the Aristotelian sources, see A.C. Lloyd, “Genus, Species and Ordered Series in Aristotle,” Phronesis 7 (1962): 67–90; for further references and more discussion of the ancient sources, see F.A.J. de Haas, “Did Plotinus and Porphyry Disagree on Aristotle’s Categories?”, Phronesis 46 (2001): 504–6. Note, however, that, historically speaking, not everyone agrees with this understanding of Aristotle: see especially St. Thomas Aquinas, In Metaph. 3.8 (n. 432), 8.3 (nn. 1723–4); ST 1.50.2 ad 1. 7 Sh. M., Cats, 1.2, 10,8–11,7, 2.1, 60,13–16; Sh.Ṭ., Physics, 1.3, 25,5. Cf. (on “one”) Sh. Il. 3.2, 97,4 (M. §1, p. 74), and see also H.A. Wolfson, “The Amphibolous Terms in Aristotle, Arabic Philosophy and Maimonides,” Harvard Theological Review 31 (1938): 151-73. 8 Sh. M., Cats, 2.1, 62,15–16, 3.1, 91,9–11, 92,1–3; Sh.Ṭ., Physics, 1.2, 16,5–10. 9 Sh. M., Cats, 3.1, 91,12–15. Strictly speaking, this is not a definition but mere “description” (Ar. rasm = Gk. hupgraphē: because substance is a highest genus, it cannot be properly defined (by genus and differentia).

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substances. Only God (who is not a member of any genus), is essentially, i.e. necessarily, existent. Thus although we can correctly define “substance” as “being which is not in a subject,” what is meant by this is simply that if a substance actually has being (exists), then its being will be not in a subject. This latter property is indeed essential to substances as such, but in this respect no substance exceeds or is prior to any other.10 Later philosophers mostly did not agree with the position Avicenna takes here, but, needless to say, his framing of the issues (for example, as to whether “being” is predicated in quid) was to prove extremely influential. The definition of substance as “not in a subject” raises another problem, however, in the case of (prime) matter and (substantial) form.11 Most obviously: if substantial form is in matter, why is it not in a subject? To this Avicenna answers that, although prime matter can be called “subject,” it is not a “subject” in the sense in which that term appears in the definition of substance. To be in a subject means “to be in another thing, which other thing has attained a constitution [qawām] and a species in itself, by a being which is not like the being of a part of it.”12 This definition is based on the Aristotelian definition of “in a subject,” which in Arabic reads: “that which has being [al-mawjūd] in a thing, not as a part of it, and [such that] its constitution [qawāmuhu] is not possible without that in which it is.”13 Avicenna apparently infers that a subject properly so 10

For details of this argument, see Sh. M., Cats, 2.1, 61,2–4; 3.1, 92,4–93,3. Incidentally, Avicenna himself seems to prefer the definition “something [‘amr] which is not in a subject,” leaving out “being” altogether (Sh. Il. 2.2, 68,2 [M. §21, p. 54]). 11 Avicenna, like earlier authors, typically makes a distinction between “form” (ṣūra) and “accident” (‘araḍ), rather than (as in later authors) between “substantial form” and “accidental form.” In fact, he holds that “form” strictly speaking refers to one of the components of a composite (sensible) substance, although he does recognize other usages (see Sh.Ṭ., Physics, 1.2, 18,9–11, De an, 1.1, 7,4–11; Sh. Il. 6.4, 282,6–12 [M. §9, p. 218]; Ḥudūd, 5, 29), and does at times use the explicit phrase “substantial form” (ṣūra jawhariyya) for emphasis (e.g., Sh. M., Cats, 3.4, 114,2; Sh.Ṭ., Physics, 2.3, 98,13; Gen./cor., 6, 129,16). Similarly, Avicenna often uses the unqualified term “matter” (mādda) to refer to prime matter (the common matter in which all such substantial forms inhere). Of course, it is highly questionable whether any of these concepts or distinctions are authentically Aristotelian. Maier’s claim that the concept (as opposed to the terminology) of substantial form was first introduced in the Middle Ages and is just beginning to take shape in Avicenna seems exaggerated, however: see “Die Struktur der materiellen Substanz,” in An der Grenze von Scholastik und Naturwissenschaft (Rome: Edizioni di Storia e Letteratura, 1952), 10, 25. 12 Sh. Il. 2.1, 57,8–9 (M. §2, p. 45); see also the parallel definition in Sh. M., Cats, 1.6 46, 9–11. A similar solution is found in Alexander of Aphrodisias: see De mixtione 13 (R.B. Todd, Alexander on Stoic Physics: A Study of the De mixtione with Preliminary Essays, Text, Translation and Commentary [Leiden: E.J. Brill, 1976], 228,20–22); Quaestiones 1.17, 2.11 (ed. I. Bruns, Supplementum Aristotelicum 2.2 [Berlin, 1892]). It is unclear whether these texts were available in Arabic, but similar ideas may have occurred in the Alexander’s lost GC commentary. 13 Mantiq Aristū, ed. A.R. Badawi (Cairo: 1948), 34 = Cat. 2.1a24–5. The word qawām is apparently introduced here in an attempt to distinguish between Aristotle’s

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called does have “constitution” apart from the accidents that inhere in it. He uses this addition to the definition of “subject” in several ways, but first of all to explain how (substantial) form can itself be a substance: it is “in” matter—ultimately, in prime matter—and it is not a part of it, but prime matter has no specificity or constitution of its own—no positive characteristics whatsoever, in fact.14 Therefore the form-matter relationship is not a case of “being in a subject.”15 The inclusion of souls, of secondary substances, and of the parts of substances raises further problems, which I will address in the appropriate places below. First I will discuss another innovative and fundamental feature of Avicenna’s theory of substance—one which was to prove fateful for the later development of metaphysics. 2 The Supersensibility of Substantial Form Interpreters of Aristotle have famously struggled with the problem of “the categorical status of the differentiae.”16 Basically this arises because Aristotle says in several places that the differentiae of substances are, in general, qualities, and moreover seems to claim, in particular, that the four elements are differentiated by tangible qualities (heat, cold, dryness, and moisture), and that humans are differentiated by the sensible (morphological) quality of bipedality.17 But, quality being one of the nine non-substance categories, qualities are apparently accidents. And use of huparchein in the first clause and einai in the second; however, mawjūd is used for huparchon and qawām for to einai, contrary to what one might expect, and giving the impression that a special technical term is present here. The decision to render the Greek chōris tou, “separate from,” simply as “without” (min ghair) would further incline an Arabic reader to see the defect in accidents as their lack of “constitution,” rather than their inseparability. 14 We have already seen that being a substance is in itself something negative (not to be in a subject). But the differentia of prime matter is “adapted [musta’idd] for everything thing” (Sh. Il. 2.2, 68,5 [M. § 21, p. 54]), and this too is negative: the addition of any positive form simply places impediments in the way of this aptitude (see Sh.Ṭ., Action/passion, 2.1, 259,7–12). On the topic of prime matter in Avicenna see H.A. Wolfson, Crescas’ Critique of Aristotle (Cambridge, MA, 1929), 582–4; A.D. Stone, “Simplicius and Avicenna on the Essential Corporeity of Material Substance,” in R. Wisnovsky, ed., Aspects of Avicenna, vol. 9, no. 2 of Princeton Papers: Interdisciplinary Journal of Middle Eastern Studies (Princeton: Markus Wiener, 2001), 73–130. 15 Sh.Ṭ., Physics, 1.2, 14,15–15,1; see also Sh. Il. 2.1, 59,1–7 (M. §7, pp. 46–7); Kitāb al-najāh, ed. Majid Fakhri (Beirut, 1985), 3.1, 237,10–18; ḥudūd, 7, 31. 16 For a good recent discussion of the ancient sources, see F.A.J. de Haas, John Philoponus’ New Definition of Prime Matter: Aspects of its Background in Neoplatonism and the Ancient Commentary Tradition (Leiden: E.J. Brill, 1997), 180– 250. 17 See, e.g., Top. 4.2.122b16–17, 6.6.144a20–21; GC 2.2.239b7–330a6; Metaph. 5.14.1020a33–b1.

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substances are ontologically prior to accidents and (therefore) cannot be made up of accidents.18 But the differentiae are (or refer to) parts of the substantial form.19 So it seems that the differentiae cannot be accidents, and hence cannot be qualities, after all. Porphyry and, following Porphyry, the later Neoplatonists, had solved this problem by saying that qualities which serve as differentiae of substance—heat in fire, for example—are “substantial qualities” (or “essential qualities”: poiotētes ousiōdeis).20 This phrase is subject to various interpretations.21 But they all have in common that the sensible quality of heat—i.e., what, all metaphysics aside, one would normally call “heat”—is in some cases (and/or in some respects) an accident and in others not, or not only, an accident. Thus it is not easy to know to which version of this view Avicenna is referring when he reports that some have allowed the same thing to be both substance and accident. In any case, he roundly rejects any such view.22 He must claim, therefore, despite Aristotle’s statements to the contrary, that the differentiae of substances are not qualities at all. Aristotle’s general statements in this respect can be dealt with fairly easily, simply by claiming that the term “quality” is equivocal: it is not used in the same sense of the differentiae of substance, on the one hand, and the members of the category of quality, on the other—and it is only the latter that are accidents.23 But some of the particular cases are more difficult to handle, and especially the case of the four elements. Aristotle’s proof that there are exactly four elements (in the passage from GC cited above) depends heavily on the (supposedly) fundamental nature of hot, cold, dry, and moist as tangible, i.e. sensible, qualities: the very kind of items that are certainly included in the category of quality, and are therefore certainly accidents.24 Yet if these tangible qualities are not actually essential to the elements—if heat, for example, is no more essential to fire than it is to water—then how can the number of them possibly be relevant to the number of elements, i.e. the number of species of simple corporeal substance? Avicenna answers that, although the heat in 18 19

See Metaph. 7.1.1028a31–b7; Ph. 1.5.189a 33–4. This actually is not at all clear from Aristotle: de Haas (op. cit., 197, 221) may be correct to imply that it originates with Plotinus. But there were Aristotelian texts which served as a basis for it: not just Cat. 5.3a 29–32, which de Haas cites, but also, e.g., Metaph. 7.12.1038a8–9. (Avicenna distinguishes between a sense of “differentia” in which differentiae are parts and a sense in which they are not; see below.) 20 Porphyry, In Cat. 5, 95,22–7. The example of heat in fire is appropriate in an Aristotelian context, although it actually derives from Plato (Phaedo 103d). 21 As emphasized by de Haas, op. cit., 223. I may have failed to appreciate this point sufficiently in Stone, “Simplicius and Avicenna.” 22 Sh. M., Cats, 1.6, 45,11–46,19; Sh.Ṭ., De an, 1.1, 8,20–9,5; Sh. Il. 2.1, 58,10–16 (M. §§5–6, p. 46). 23 Sh. M., Cats, 1.6, 47,12–18, 3.3, 103,4–8. 24 See Cat. 8.9a 28–31.

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fire is an accident and thus no part of its substantial form, the form of fire is, among other things, a power or principle from which the accident of heat naturally issues, in the absence of impediments.25 This answer does well with the problem raised above, and moreover it proves useful in other ways, as we are about to see when we come to the theory of mixtures.26 But it has radical epistemological consequences. According to the Porphyrean theory, when my hand is heated by fire, I am feeling the fire itself: an essential characteristic of fire, and in fact the essential characteristic that makes it fire (its true differentia). On Avicenna’s theory, however, my sensible contact with the fire, or with anything else, is always mediated by accidents. Because the accident of heat naturally proceeds from the form of fire, it does, so to speak, tell me something about the fire itself. But this connection is weak: sometimes there may be impediments to this natural procession—i.e., sometimes fire may not feel hot. And this weak connection, or this kind of weak connection, is the only kind of information I have about the form of fire, or in other words about what fire actually is. This explains why, according to Avicenna, we call the differentia of fire “heat.” Our words refer to sensible properties of things; we have no names for the true differentiae of substances.27 Of course, Neoplatonists had long said mysterious things like that about intelligible substances. But now in Avicenna in turns out that even an ordinary sensible substance like fire or water is, as it is in itself, a kind of something, we know not what. I needly hardly add how important that idea proved to be in the subsequent development of metaphysics and epistemology. 3 Substances as Ingredients in Mixtures The term “composition” (Gk. sunthesis = Ar. tarkīb) is used by Aristotle, and consequently also by Avicenna, in at least three different senses.28 In one sense, every body (every sensible substance) is composite: it is composed of matter and form. In another sense, composite bodies are distinguished from simple bodies, i.e. from pure bodies of earth, air, fire or water. In yet a third sense, composition is distinguished from true mixture

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Sh. M., Cats, 1.6, 47,5–7 (where one must read lastu for laysat, and punctuate accordingly); Sh.Ṭ., Physics, 1.6, 34,14–35,5; Gen./cor., 6, 129,15–131,11; Najāh 3.1, 246,10–247,16. 26 It also proved useful, later, in explaining the Eucharist. 27 Sh.Ṭ., Gen./cor., 6, 131,7–9. Cf. also Sh.Ṭ., De an, 1.1, 5,8–9. 28 In the final section of this article we will encounter what may amount to yet another sense, or even to two further senses, though this is unclear.

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or blending29 as one of two ways in which different bodies can be united into a single whole: in composition, the parts of the new whole remain distinct, whereas in mixture the new whole is homoeomerous. Of these senses it is the second which will mostly concern us in this section. When the third sense comes up, I will refer to it as “composition in the narrow sense.” As we have seen, there are, according to Aristotle, exactly four (sublunar) elements. Since there are many more than four kinds of sensible substance, this obviously means that most, if not all, of the bodies we actually encounter are composite. And yet composition is not so easy to understand from a metaphysical point of view. There are two main problems: one which pertains both to mixture and to composition in the narrow sense, and another which pertains only to mixture. These two problems are as follows. (I) The simple (or relatively simple) substances that go into the composite are, unlike prime matter, already fully specified substances in their own right. Even with Avicenna’s addition, therefore, it looks as if higher-level substantial form that is “in” these components in the way that simple (elemental) substantial forms are “in” prime matter will be “in a subject,” i.e. will not be a (substantial) form after all. And yet, Aristotle says explicitly in at least one place that the elements are, (or, at least, are “like”) the “matter” of the composite,30 and implies as much in many others. (II) What happens to (relatively) simple substances when they are combined in a mixture? Are they still there? But then, why is the mixture homoeomerous—why isn’t just a composition (in the narrow sense)? But, if they are not still there (if the mixed substances are corrupted in the process of mixing), then why can the mixture later be resolved into its components? Indeed, why think of it as a “mixture” at all (as opposed to: as a new kind of simple body which is generated out of the old ones)? Problem (I) is more general and in a way more fundamental, but it will be useful postpone consideration of it until the next section and instead look first at Avicenna’s solution to problem (II). What Aristotle himself actually says on this topic is that, while the mixture is different in actu (Gk. energeiāi = Ar. bi-l-fi’l) from the ingredients, those ingredients are still in potentia (Gk. dunamei = Ar. bi-l-quwwa) the same as they were before.31 If 29

Various terms are used for this side of the contrast, especially mixis (= Ar. mizāj) and krasis (= Ar. ikhtilāṭ). The history of this terminology is too complicated to address here. 30 Cael. 3.8.306b 19–20. Averroes’ lemma here (preserved in Latin: see Averrois Cordubensis commentum magnum super libro De celo et mundo, ed. F.J. Carmody and R. Arnzen [Leuven: Peeters, 2003] [henceforth In Cael.], 3 t. 67, 631,11 [226rb]) has materia corporum sensibilium for Gk. hulēn ... tois sunthetois, so possibly the Arabic translation was strange. 31 GC 1.10.327a21–6.

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we take this at face value, it sounds like the solution is basically that the ingredients are not present in the mixture: something present only in potentia is not actually present at all. The sense in which the ingredients can be said to remain is very weak. Besides being a very straightforward reading of Aristotle, this interpretation has in its favor that, at least in the case of mixtures, it also solves problem (1) above: after the mixture, there is only one (substantial) form actually present in matter; there is not literally another, intermediate subject in which that form inheres. On the other hand, this interpretation gives rise to its own difficulties. In particular, it makes it hard to see any solution to another problem which Aristotle goes on to discuss in GC 2.7. If a composite substance—flesh, for example—is potentially each of the elements, but not actually any of them, then how is it different from (prime) matter?32 For this reason, among others, the Aristotelian tradition produced a whole range of non-straightforward interpretations of, and/or open disagreements with, Aristotle’s views on this point, which Latin authors would eventually gather under the heading, utrum formae substantiales elementorum maneant in mixto?33 Among this range of opinions, Avicenna’s stands out as in some ways farthest from the “straightforward” interpretation mentioned above:34 he holds, in effect, that the elements for all intents and purposes actually are still present in the mixture. Two things help to make this plausible.35 First, 32 33

GC 2.7.334b3–7. For good general discussions of this issue, see especially Maier, “Struktur,” (on Avicenna in particular: pp. 22–8 and 36–8); de Haas, “Mixture in Philoponus: An Encounter with a Third Kind of Potentiality,” in J.M.M.H. Thijssen and H.A.G. Braakhuis, eds., The Commentary Tradition on Aristotle’s De generatione et corruptione: Ancient, Medieval and Early Modern (Turnhout: Brepols, 1999), 21–46. In my opinion, however, although both of these authors are extremely learned and thorough, neither is completely reliable on Avicenna. This is partly because both approach him largely by way of the later Latin tradition, which, however, was mostly dependent on Averroes’ (accurate but incomplete) report of Avicenna’s position (In Cael., 3 c. 67, 635,115–39 [227rb–va]), and to a lesser extent on Avicenna’s brief remarks in Sh.Ṭ., Physics, 1.6. See Maier, “Struktur,” 23, 93 n. 15; S. van Riet, “Le De generatione et corruptione d’Avicenne dans la tradition latine,” in Thijssen and Braakhuis, eds., The Commentary Tradition, 69–77. 34 He is aware of people—”moderns”—who do hold something like that “straightforward” interpretation, and accept outright the uncomfortable consequence that the ingredients don’t actually remain in the mixture; he refutes their views at length in Sh.Ṭ., Gen./cor., 7. Later this was to be the position of Thomas Aquinas; de Haas also attributes it to Philoponus, though Avicenna apparently does not. See S. van Riet, ed., Liber tertius naturalium: De generatione et corruptione, Avicenna Latinus (Peeters: Louvain-la-Neuve, 1987), 70 n. 1; Maier, “Struktur,” 31–5; de Haas, “Mixture,” 22, 45. 35 These two factors together make Avicenna’s position unlike the superficially similar views discussed by Simplicius (In Cael. 3.7.306b22, CAG 7:660,18–661,14) and Philoponus (In GC 2.7.334a15, CAG 14:269,25—270,5), for more on which see de Haas, op. cit.

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his doctrine that (substantial) form is not itself sensible makes it for the first time conceivable that fire (for example) might be fully present even in the complete absence of heat and dryness.36 Second, the fact that the same Arabic word, fi’l, translates both energeia (“act” in the sense of actuality vs. potency) and poiein (“act” in the sense of action vs. passion) makes it easy for him to understand Aristotle’s statement on this question as alluding to that very doctrine. Since a substantial forms in general is, among other things, a power (quwwa) to cause, for example, “active” (Ar. fi’lī = Gk. poiētikos) qualities such as heat,37 the key passage in GC 1.10 can now be taken to mean that the substantial forms of the ingredients— i.e., the ingredients themselves—are still present in the mixture, while only their accidental active (and passive) qualities are suppressed. And that is just what Avicenna says. In the mixture, in which very small pieces of each of the ingredients are present next to very small pieces of the others, there is a reciprocal action of each upon the others, and this reciprocal action is just the kind of impediment which can prevent those normal sensible qualities from being produced. Because of it, all the (relatively) simple bodies in the mixture instead take on a single, intermediate sensible quality, and that quality is therefore uniform throughout the mixed body.38 This of course is an interpretation of a passage from GC already cited above.39 But this passage now takes on an unexpected meaning. According to Avicenna, there is still, within the mixture, a distinction or separation (tamāyuz) between small parts which actually differ in substantial form.40 These bodies are united only by cohesion.41 Small particles of the elements are thus present in any composite: they are the smallest bodies into which it can be divided 36

Averroes implies that this consequence of Avicenna’s view as absurd (In Cael., 3 c. 67, 635,132–6 [227rb]). But Avicenna evidently does not agree (although Latin readers of Averroes may well have inferred that he does). In fact, he apparently thinks such a situation is not only conceivable but physically possible: he implies that ice, for example, is water in which the sensible quality of moisture is completely absent (Sh.Ṭ., Gen./cor., 6, 130, 14–16). 37 See again Sh.Ṭ., Physics, 1.6, 34,14–35,5. Note, however, that the Latin translation here has vis (rather than potentia) for quwwa, which would have made it difficult for Latin readers to see the connection. See S. van Riet, ed., Liber primus naturalium: Tractatus primus: De causis et principiis naturalium, Avicenna Latinus (Peeters: Louvain-la-Neuve, 1992), 59,5 and 60,18. 38 Sh.Ṭ., Gen./cor., 6, 126,12–17. 39 1.10.328a18–32; see also 2.7.334b25–30. 40 Sh.Ṭ., Gen./cor., 7, 134, 2–135,4; cf. Sh.Ṭ., Physics, 3.3, 184,7 and 12–14. Failure to note this aspect of Avicenna’s view—which is not clearly stated in Averroes’ report—makes it look untenable to Maier and to her Latin medieval authors (see “Struktur,” 27–8). 41 Najāh 2.3, 178,6–8. Cohesion (iltiḥām) is the relationship between two bodies which are attached in such a way that motion in one of them is necessarily accompanied by motion in the other—a relatively weak form of unity. See Sh. Il. 3.2, 99,1–8 (M. §7, p. 75), and cf. Metaph. 5.6.1016a5–6.

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according to differences of (substantial) form.42 At first sight this goes so against many explicit statements in Aristotle that one is tempted to say that Avicenna is in conscious disagreement with him here. But in fact he is unusually emphatic in attributing this view to Aristotle.43 He interprets Aristotle as having denied only that someone who had a sufficiently acute faculty of sense could see separated or distinct (mutamayyazāt) bodies of the elements in the mixture.44 4 Animate Substance, and Composite Substance Generally The end result of this approach is that mixture turns out not be so different, after all, from composition in the narrow sense. Within all composite bodies there are smaller, simpler bodies—ultimately, small particles of the four elements. As a result, problem (I) takes on the same form in both cases: given a collection of small corporeal substances, united in the first place only by cohesion, how can a new substantial form then inhere in the whole composite body, spread (sāriyya) throughout the various pieces,45 in such a way that it is indeed a substantial form (not in a subject)? One useful feature of Avicenna’s theory of mixture, i.e. of his solution to problem (II), is that it allows him to say that, even in the case of mixtures, this doesn’t by any means always happen. In the simplest case of mixture, all that is there is the substantial forms of the components, plus a uniform, intermediate sensible quality that proceeds naturally from them all, given their reciprocal action on one another. In fact, Avicenna says that the state of mixture (mizāj) per se just is this intermediate quality.46 The same is obviously true of composition in the narrow sense: just joining several bodies together by cohesion doesn’t always make a new composite substance. But, in either case, the composition may also prepare the matter to receive (a) a new quality or power (other than its intermediate tangible

42

Sh. Il. 6.4, 280,16–17 (M. §5, p. 217). This is an interpretation of Cael. 3.3.302a15–18. But note that the word “smallest” (aṣghar), which implies an actual distinction of spatial parts before the division, is not present in the Greek (nor, apparently, in Arabic: see Averroes In Cael., 3 t. 31, 562,1–4 [200vb]). 43 See Sh.Ṭ., Gen./cor., 6, 127,11, 129,9. 44 Ibid., 127,6–7; see also Sh.Ṭ., Action/passion, 2.2, 266,4–5, and cf. GC 1.10.328a13–15. It is harder to know how Avicenna understands the argument at GC 2.7.334a 31–5. But based on Gen./cor., 7, 135,1–3, it seems he takes Aristotle to mean only that any of the elements can be produced from any given piece of flesh (rather than: from any given part of any given piece of flesh). Possibly the word meros, “part,” is not standardly rendered in the Arabic there. 45 Sh.Ṭ., Gen./cor., 7, 136,13. 46 Sh.Ṭ., Physics, 1.6, 36,11, Gen./cor., 6, 126,17–127,1.

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quality), or (b) a new substantial form (with, in turn, its own proper powers and qualities), or (c) a vegetable or animal or human soul.47 Cases (b) and (c) (which are the cases of mixed or composite substances) are different because it is better, strictly speaking, to refer to the soul as a perfection or entelechy (kamāl), rather than as a form.48 In the case of vegetable and (non-human) animal souls, however, it seems that what is called a kamāl in one respect (qua soul) can in another respect be called a form. Such non-human souls are not separable from the body— though inseparability does not prevent them from being substances, any more than it prevents form or matter in general from being substances.49 Hence when Avicenna elsewhere, in classifying substances, defines “soul” as a substance separate from body which nevertheless has a bond (‘alāqa) to a body, it appears that animal and vegetable souls are not included, and thus that they must be included under the substances which are “parts of bodies,” and particular those which are “forms.”50 Avicenna does say that souls—including animal and vegetable souls—are “non-corporeal” principles of motion in bodies.51 But if this means that the motions of animals and vegetable bodies don’t proceed simply from their corporeality as such, then that is true of the natural motions of inanimate bodies, as well.52 And if it means that their motions are not due simply to the natures of the simple bodies (elements) of which they are composed, then that, too, is true of some inanimate bodies—for example, magnets.53 Avicenna 47

Sh.Ṭ., Action/passion, 2.1, 253,5-10, 25; 2.2, 261, 9–13. Composition can only “prepare” matter to receive a substantial form because such forms are not themselves naturally generated: they are emanated to matter, when appropriate, by the “giver of forms” (wāhib al-ṣuwar), i.e. the Active Intellect. See Sh.Ṭ., Physics, 1.5, 34,2–4, Action/passion, 2.1, 253,5–10, 256,9–14; Sh. Il. 9.5, 410,8–411,9 (M. §§2–4, pp. 334– 5). 48 Sh.Ṭ., De an, 1.1, 7,8–15. For extensive discussion of the history of kamāl and related terms, both in Greek and in Arabic, see R. Wisnovsky, Avicenna’s Metaphysics in Context (London: Duckworth, 2003). 49 Sh.Ṭ., De an, 1.3, 22,4–6, 23,9–10, 26,9–10. 50 The full classification is as follows: “Every substance is either a body, or a nonbody. If it is a non-body, it is either a part of a body, or it is not a part of a body, but wholly separate from bodies. If it is a part of a body, then either it is its form or it is its matter. If it is separate, not a part of a body, then either it has a certain administrative bond to bodies in moving [them], and it is called a ‘soul,’ or it is free from matters in every respect, and it is called an ‘intellect’” (Sh. Il. 2.1, 60,9–16 [M. § 10, p. 48]). See also Sh.Ṭ., De an, 1.1, 7,4–11. In general, interpretation of Avicenna on this subject is made difficult by the fact that, when speaking of “souls,” he sometimes, as in this passage, has only the human soul in mind, sometimes animal souls only, sometimes (normally) all sublunar souls, and occasionally also celestial souls (which, however, don’t strictly speaking have any faculties in common with the sublunar ones: see De an, 1.1, 11,19–20). On the “bond” between souls and bodies, see also De an, 1.1, 9,23–4. 51 Sh.Ṭ., De an, 1.1, 5,1–5; cf. GC 2.6.334a9–15. 52 Sh.Ṭ., Physics, 1.5, 30,5–6. 53 Sh.Ṭ., Action/passion, 2.1, 254,17–255,2.

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instead defines a natural principle in the narrowest sense, as opposed to a psychic one, as a power which operates (1) always in the same manner and (2) without desire or will (irāda).54 Whatever principle does not meet both of those criteria is called a “soul.”55 But this means that “souls” are actually a rather miscellaneous bunch: celestial souls are characterized by (1) and not (2), vegetable souls by (2) and not (1), and animal souls by neither (1) nor (2).56 In some places, indeed, Avicenna himself seems to draw the main line between plants and animals, rather than between minerals and plants; he even suggests that the question of whether plants are alive or not is largely a verbal issue: one could reasonably say that they are not.57 In the end, therefore, it seems safe to that there is really a multilevel hierarchy here, including at least the steps: simple body, (inanimate) composite body, plant, (non-human) animal, human (and possibly more if inanimate composites whose components are themselves composite are taken into account), rather than a two-way division into animate and inanimate. And there are thus really two different versions of problem (I): (Ia) one which comes up within each step of the hierarchy (for example, in the relationship between the generic form of corporeity and an elemental form, or between the generic form of animal and a specific animal soul), and (Ib) another which comes up between steps (for example, in the relationship between the elemental forms and the form of a mixture, or the form of an animal body as such and the soul of that animal). To understand Avicenna’s solution to these problems, we need to take into account some features of his famous (and very complicated) theory of universals.58 The key idea is that an item or meaning or intention (ma’nan, definite form: ma’nā) such as animal is in itself neither mental nor extramental, neither one nor many, neither universal nor particular, neither a Sh.Ṭ., Physics, 1.5, 30,7–10. Sh.Ṭ., De an, 1.1, 5,7–8. Sh.Ṭ., Physics, 1.5, 30,10–12. The nutritive power in plants acts by an “attraction” (jadhb) without sensuous desire, as it does in the individual members or organs of an animal body (Sh.Ṭ., De plant., 1 3,5–7). Note that the same root, j-dh-b, is used to describe the attractive power of a magnet (Physics, 1.5, 30,4). This attraction in plants, however, doesn’t always work in the same way: it draws various bodies up and down, not according to their intrinsic characteristics, but in accordance with the needs of the plant (De an, 2.1, 48,3–5). 57 Sh.Ṭ., De plant., 1 3,18–20; see also De plant., 2, 10,14–15; Sh. Il. 4.2, 174,16– 17 (M. §12, p. 134), 176, 12–13 (M. §14, p. 135). 58 For more discussion of this, and a translation of one of the key chapters (Sh. M., Isagoge, 1.12), see M.E. Marmura, “Avicenna’s Chapter on Universals in the Isagoge of his Shifā’” in A.T. Welch and P. Cachia, eds., Islam, Past and Present Challenge: Studies in Honor of W.M. Watt (Edinburgh: Edinburgh University Press, 1979), 34–56, reprinted in Probing Islamic Philosophy: Studies in the Philosophies of Ibn Sina, alGhazali and Other Major Muslim Thinkers (Binghamton, NY: Global Academic Publishing, 2005), 33–59, and “Quiddity and Universality in Avicenna,” in Studies in Neoplatonism, vol. 5, ed. P. Morewedge (Albany: SUNY Press, 1992), 77–87, reprinted in Probing Islamic Philosophy, 61–70. 54 55 56

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genus nor a species nor a differentia nor an individual, but simply itself— all those other things being accidents which can accrue to it in the intellect, in reality, or both.59 Avicenna puts this idea to work for a great many purposes (including, of course, in his attempt to deal with the classic problem of the one over the many). What is important for us here, however, is his use of it to distinguish between, for example, animal qua genus and animal qua matter.60 For though the ma’nā of animal in itself has no characteristics beyond what is essential to animals as such (namely, corporeity, nutrition, and sense/imagination/desire), it permits the addition of further characteristics, and, indeed, only actually occurs, in reality or in the mind, together with such further characteristics.61 Thus there are two distinct ways of considering animal in abstraction from everything not essential to it: (a) with the condition that some other, specifying characteristics be added (but in abstraction from all particular ones) and (b) with the condition that nothing whatsoever be added to its own nature.62 To consider animal under the first kind of abstraction is to consider it as genus; to consider it under the second kind of abstraction is to consider it as matter.63 Regarded as a genus, a ma’nan such as animal or body is predicated of all the species and individuals falling under it; regarded as matter, it is not predicated of them at all (after all, no individual body is a mere or “absolute” body, and no individual animal is an absolute animal), but it is a part of each of them.64 When animal is considered as the genus or matter of a (non-human) animal, for example, or living thing (in the sense of: substance having a nutritive faculty) as the genus or matter of a plant, or body as the genus or matter of an element, the distinction is merely intellectual and doesn’t correspond to a real difference in external existence.65 This is because, in the case of such (relatively) “simple” substances,66 the generic ma’nā is 59

Sh. M., Isagoge, 1.12, 65,11–66,11; Sh. Il. 5.1, 195,6–197,5 (M. §§2–5, pp. 148– 50), 200,15–201,14 (M. §§16–18, p. 152–3). 60 The idea of a relationship or quasi-identification between genus and matter (which then, for Avicenna, requires disambiguation) derives from Aristotle: see Metaph. 5.28.1024b8–9, 7.12.1038a5-8, 10.8.1058a 23–4. 61 See Sh. M., Demonstration, 1.10, 102,4–8; Sh. Il. 5.3, 217,4–13 (M. §§9–10, pp. 165–6). 62 Sh. Il. 5.1, 204,1–8 (M. §26, p. 155). 63 Sh. M., Demonstration, 1.10, 100,14–20 (= Sh. Il. 5.3, 215,4-11 [M. §6, p. 164]: several paragraphs are repeated almost verbatim in these two chapters). 64 Sh. M., Demonstration, 1.10, 100,7–10 (= Sh. Il. 5.3, 214,15–18 [M. §5, pp. 163– 4]). 65 See Sh. M., Demonstration, 1.10, 101,11–14 (= Sh. Il. 5.3, 216,7–9 [M. §8, p. 165]). 66 Actually, there appears to be some inconsistency in the way Avicenna uses the terms “simple” and “composite” here. In the passage just cited, a “simple” substance is one which whose differentia is not external to its generic nature, but at Sh.Ṭ., De an, 2.1, 49,10, it appears that a “simple” substance is one that enters into a composite as an

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constituted and specified only by a specific difference which belongs to it as such: the corporeity of water, for example, just is the specific form or nature of water; the vegetable soul in a palm tree just is the palmate soul.67 Hence in such cases there is no question of one thing being “in” another at all, let alone being in it qua in-a-subject. This is the solution to problem (Ia) above. If, on the other hand, we consider animal in relation to a human, or living thing in relation to an animal, or (composite) body in relation to a plant, or the underlying mixture in relation to a composite mineral, then the distinction between matter and genus becomes important. Considered qua genus, the generic ma’nā is predicated of each specified individual: every plant (or animal or human), for example, is a body.68 Hence generic bodies exist in external reality only as, for example, this or that palm tree: the differentiae of plant and of palm (in a relevant corresponding sense of “differentia”) are in them, not as predicates in a subject, but as parts in a whole (“parts of the quiddity”).69 Considered as matter, on the other hand, that same ma’nā does exist in a reality as a carrier or substrate (ḥāmil, maḥall)70 in which something else inheres—for example, a particular vegetable soul in the particular composite body that is apt to receive it—and is thus a part of the complete substance.71 But the ma’nā so considered requires something external to it to make it into the particular kind of substance that it is—i.e., to constitute it as specific. The differentiae of the vegetable souls in animals, for example (in a correspondingly different sense of “differentia”) are just the specific animal souls for the support of which their nutritive faculties are adapted.72 But if the substrate in such cases has not “attained constitution and species in itself,” then the supervening substantial is not, according to Avicenna’s

element—so actually the “simple” substances of one passage are the “composite” ones of the other. 67 See Sh.Ṭ., Physics, 1.6, 34,9–12 (and cf. 1.1, 7,11–12, 1.2, 5–6); De an, 2.1, 48,19–49,2, 49,9–10. 68 As to when, how, and whether the names of the ingredients can be predicated of a mixed substance, that is a complicated topic discussed at length by Aristotle and, following him, by Avicenna (Sh.Ṭ., Physics, 1.2, 19,10-20,7, concluding, however, “perhaps languages differ in the expression and significance of these usages”). 69 See Sh. M., Isagoge, 1.7, 37,18–38,1, Cats, 1.6, 46,2. 70 For these terms, see Sh. M., Cats, 1.6, 45,11–14, 3.3, 105,17–106,1; Sh. Il. 2.1, 59,1–60,4 (M. §§7–8, pp. 46–7), and see Wolfson, Crescas, 577 (citing Ghazali). 71 Sh. M., Cats, 1.6, 42,21, 3.3, 103,2–3. Note, confusingly, that there are partwhole relations in both cases, but in reverse directions: the animal or plant differentia is a part of the body of an individual qua genus, but the body qua matter is a part of the individual animal or plant. See Sh. M., Demonstration, 1.10, 101,15–102,2 (= Sh. Il. 5.3, 216,10–217,2 [M. §9, pp. 165–6]). 72 Sh.Ṭ., De an, 2.1, 49,3–9,11–12; see also Introduction, 1,12–13, 1.1 5,15–16, 1.3, 22,6–8; Physics, 1.6, 35,7–10; Sh. Il. 6.4, 280,6–9 (M. §4, p. 216), 281,16–17 (M. §8, p. 218).

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definition, “in a subject.” It is therefore a substance.73 This is the solution to problem (Ib). Avicenna’s approach to the theory of mixture, and to the soul-body union and composite substances generally, was not (unlike his theory of substantial form) widely accepted by his medieval and modern successors. But it was not without its influence, even in being rejected. Indeed, it has been argued, and probably correctly, that Avicenna’s views on these issues are important for any understanding of early modern thought on bodies and souls, and in particular of Descartes.74

Sh.Ṭ., De an, 1.3, 23,9–10. To completely appreciate the possible connections, however, one needs to take up the case of the human (rational) soul—a very special case, the details of which are beyond the scope of this article (see e.g. Sh.Ṭ., De an, 2.1, 49,11–13). Still, the points discussed above all play an important role in Avicenna’s discussion of that case, as well. For more on the human soul, and for references to the literature on the subject, see Wisnovsky, Avicenna’s Metaphysics in Context. See also M.E. Marmura, “Avicenna and the Problem of the Infinite Number of Souls,” Medieval Studies 22 (1960): 232–9, reprinted in Probing Islamic Philosophy, 171–9 and “Avicenna’s ‘Flying Man’ in Context,” Monist 69 (1986): 383–95, reprinted in Probing Islamic Philosophy, 181–95; T.-A. Druart, “The Human Soul’s Individuation and its Survival after the Body’s Death: Avicenna on the Causal Relation between Body and Soul,” Arabic Sciences and Philosophy 10 (2000): 259–73 and “The Soul and Body Problem: Avicenna and Descartes,” in Arabic Philosophy and the West: Continuity and Interaction (Washington, D.C.: Center for Contemporary Arab Studies, Georgetown University, 1988); E. Gilson, “Les sources gréco-arabes de l’augustinisme avicennisant,” Archives d’Histoire Doctrinael et Littéraire du Moyen Age 4 (1929): 5– 149. 73 74

Kristell Trego: Essentielle Substance – le renouveau de l’ousiologie dans l’œuvre de s. Anselme de Cantorbéry Dans son étude intitulée « Note complémentaire pour l’histoire du vocabulaire de l’être – les traductions latines d’ou)si/a et la compréhension romano-stoïcienne de l’être »1, Jean-François Courtine a montré comment la « traduction » d’« ousia » par « substantia » est révélatrice de la « transposition » d’une interrogation grecque dans un univers culturel latin. « Substantia » désigne, étymologiquement, ce qui se tient-sous (sub-stat). Telle est en effet l’interprétation latine de l’ousia aristotélicienne, interprétation qui conduisit à ce choix au détriment du terme construit sur le modèle de son homologue grec : alors que la traduction par « essentia » fut un temps proposée2, c’est finalement « substantia » qui s’imposa de telle sorte que, au lieu de faire signe en direction de l’être (esse), la substance renvoya primordialement à l’idée d’un substrat supportant divers accidents. Alors que, dans la métaphysique aristotélicienne, l’interrogation sur l’ousia était subordonnée à l’interrogation sur l’être (« ti/ to\ o)/n, tou=to/ e)sti ti/j h( ou)si/a ; »3), la traduction latine par « substantia » abandonna toute idée de lien avec la question de l’être : pour le dire en un mot, la transplantation de l’ousiologie en terre latine l’aurait comme déracinée de son terreau métaphysique. Derrière la décision lexicale, se cachait donc une décision conceptuelle, qui ne fut pas sans effet sur le cours de l’histoire de la philosophie, car, ainsi séparée de la question de l’être, la doctrine de

1

Concepts et catégories dans la pensée antique, éd. : P. Aubenque, Paris, Vrin, 1980, p. 33-87 ; repris dans Les catégories de l’être. Etudes de philosophie ancienne et médiévale, Paris, PUF, 2003, 303p., p. 11-77. 2 Sur les premiers emplois de ce terme, cf. J. DE GHELLINCK, « L’entrée d’essentia, substantia et autres mots apparentés dans le latin médiéval » in Archivum Latinitatis Medii Aevi – Bulletin du Cange, 1941, XVI, p. 77-112. Apulée l’emploie un temps, mais lui substitue rapidement le terme « substantia » ; voir ainsi De dogmate Platonis philosophi, I, VI, 193, dans Opera omnia, éd. : G. F. Hildebrand, editio minor, Leipzig, C. Cnobloch, 1843, 402p., p. 204. Augustin le présente encore comme un terme récent ; voir De moribus ecclesiae catholicae et manichaeorum, II, II, 2, BA I, 258 (l’abréviation BA renvoie à la « Bibliothèque Augustinienne », Paris, DDB, puis IEA, 1936-). Cf. Etienne GILSON, L’être et l’essence, Paris, Vrin, 1948, 1994, 389p., p. 342343. 3 Métaphysique, Z, 1, 1028b4.

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la substance se développa pendant de nombreux siècles indépendamment de toute interrogation métaphysique4. Dans le sillage de la conception stoïcienne du ti (quelque chose), qui affirmait une corporéité de ce qui est5, l’idée de substance renvoyait prioritairement, chez les auteurs de la latinité classique, à la constitution des choses matérielles6. L’on comprend alors les difficultés rencontrées par les penseurs chrétiens, qui héritèrent de cette interprétation romaine de l’ousia aristotélicienne. Si la substance fait signe vers l’idée de substrat, sans que ce substrat ne demande forcément à être compris comme matériel, force est de reconnaître que cette structure de sujétion, qui semble renvoyer à des accidents se rapportant précisément à un sujet, est difficilement applicable au cas de l’âme humaine ou de Dieu. Ainsi voit-on, par 4

Nous n’interprétons donc pas l’absence de métaphysique comme effet de la nonconnaissance de la Métaphysique, mais au contraire voyons dans cette nonconnaissance le symptôme du fait que la question de l’être n’était alors pas fondamentale. Précisons à ce sujet que, si Alain DE LIBERA propose de distinguer deux formes de métaphysiques médiévales, correspondant respectivement à un âge boécien et à un âge péripatéticien (« Genèse et structure des métaphysiques médiévales » in La métaphysique, son histoire, sa critique, ses enjeux, Paris – Québec, Vrin – Presses universitaires de Laval, 1999, p. 159-181), il nous semble plus pertinent de n’employer le terme de métaphysique que lorsque ce terme est employé, c’est-à-dire lorsque la métaphysique se constitue comme discipline, à partir de la lecture de la Métaphysique. Sur cette difficulté à parler de métaphysique pour le haut Moyen-Age latin, voir récemment Olivier BOULNOIS, « La métaphysique au Moyen-Age : onto-théologie ou diversité rebelle ? » in Quaestio, 2005, V, p. 37-66, p. 43s., qui montre que la troisième science, à côté de la physique et de la mathématique, n’est pas la métaphysique, mais une théologie, laquelle ne s’intéresse pas à la « dimension ontologique du tout » (p. 47). Sur cette absence de la métaphysique durant le premier Moyen-Age, on consultera en outre avec profit Giulio D’ONOFRIO, « Quando la metaphysica non c’era. Vera philosophia nell’Occidente latino ‘pre-aristotelico’ », in Quaestio, 2005, V, p. 103-144. 5 Voir ainsi PLOTIN, Ennéades, II, 4 [12], 1, ainsi que le témoignage d’Alexandre d’Aphrodise (SVF II, 329) sur l’identification étant (to on) / corps. Les Stoïciens reconnaissent toutefois quatre « incorporels », l’exprimable, le vide, le lieu et le temps, qui sont donc des « non-êtres » ; voir SEXTUS EMPIRICUS, Adversus Mathematicos, X, 218 ; à ce sujet, on consultera bien évidemment l’ouvrage classique d’Emile BREHIER, La Théorie des incorporels dans l'ancien Stoïcisme, 9e éd., Paris, Vrin, 1997, 63p. Voir les textes rassemblés par Valéry LAURAND, « Les Stoïciens », Le néant, éd. : J. Laurent et C. Romano, Paris, PUF, 2006, p. 89-101. Sur cette « tinologie », voir en outre Pierre AUBENQUE, « Une occasion manquée : la genèse avortée de la distinction entre l’‘étant’ et le ‘quelque chose’ », Etudes sur le sophiste, Naples, Bibliopolis, 1991, p. 365-385. 6 Les premiers emplois du terme « substantia » mettent clairement en évidence son lien avec l’idée de réalité matérielle et de corporéité ; voir à ce sujet J.-F. Courtine, « Note complémentaire pour l’histoire du vocabulaire de l’être – les traductions latines d’ou)si/a et la compréhension romano-stoïcienne de l’être », dans Les catégories de l’être, en particulier p. 58-61. Ce qui est se conçoit alors comme ce qui est matériellement. Un écho de ce lien courant entre être et être-corps se retrouve chez Augustin, voir ainsi Confessions, V, X, 19, BA XIII, 498 ; VII, I, 1, BA XIII, 578. C’est contre une telle identification qu’Augustin devra lutter, pour penser que Dieu et l’âme peuvent être, sans être corporels ; voir à ce sujet De beata vita, I, 4, BA IV, 228.

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exemple, un Augustin éprouver une certaine réticence à penser l’âme comme substance en maintenant le sens originel du terme, qui fait signe vers l’idée d’un sujet7. La difficulté se redouble lorsqu’il s’agit de Dieu, en vertu de la difficulté à parler à son égard de « substance », dès lors que ce terme semble impliquer l’idée d’accidents, et donc une certaine muabilité8. On s’en aperçoit par conséquent, l’instauration latine du terme « substantia » tend, ab initio, à restreindre son usage au domaine physique, ce qui devait poser quelques difficultés aux penseurs chrétiens : quels remaniements convient-il d’imposer à la compréhension romaine de la substance, afin de pouvoir en étendre le champ d’application ? L’adoption du terme « substantia » implique-t-elle nécessairement l’acceptation de la compréhension romaine de la constitution des choses ? Enfin, un tel terme interdit-il définitivement toute réflexion métaphysique ? C’est ici la question des conséquences conceptuelles d’un choix lexical qui se trouve posée. Indéniablement, le haut Moyen-Age hérita de cette lecture latine de la doctrine aristotélicienne de l’ousia qui insistait sur l’idée de subjectité, la substance étant finalement comprise à partir de l’hupokeimenon9. 7

S’il arrive à Augustin de penser la substance de l’âme en terme de sujet (voir, par exemple, De immortalitate animae, VI, 11, BA V, 188), une telle compréhension de la constitution psychique sur le modèle des corps pose toutefois problème, voir De Trinitate, IX, IV, 5, BA XVI, 84 : « non amor et cognitio tanquam in subiecto insunt menti, sed substantialiter etiam ista sunt, sicut ipsa mens. (…) Nec sicut color et coloratum… ». A ce sujet, voir Emmanuel BERMON, Le cogito dans la pensée de s. Augustin, Paris, Vrin, 2001, 432p., p. 395s. Le modèle est alors celui d'une circumincession des facultés : Augustin applique à la mens humana un modèle élaboré dans le cadre de la théologie trinitaire ; voir les remarques à ce sujet d’Alain DE LIBERA, dans l’article « Sujet » du Vocabulaire européen des philosophes. Dictionnaire des intraduisibles, sous la direction de B. Cassin, Paris, Le Robert –Seuil, 2004, p. 1233-1254, p. 1239-1240 ; voir également Archéologie du sujet, t. I : Naissance du sujet, Paris, Vrin, 2007, 448p., p. 228s. 8 Voir tout particulièrement AUGUSTIN, De Trinitate, V, II-V, BA XV, 428-434. Sur cette réticence d’Augustin, cf. Roland J. TESKE, « Properties of God and the Predicaments in De Trinitate, V » in The Modern Schoolman, 1981, LIX, 1, p. 1-19 ; « Augustine’s Use of ‘Substantia’ in Speaking about God » in The Modern Schoolman, 1985, LXII, 3, p. 147-163. Cf. également Italo SCIUTO, La ragione della fede. Il Monologion et il programma filosofico di Anselmo d’Aosta, Gênes, Marietti, 1991, 342p., p. 218s. 9 Sans doute l’influence de la paraphrase pseudo-augustinienne, longtemps préférée au traité aristotélicien, joua-t-elle, outre les traductions et commentaires de Boèce, un rôle primordial dans la diffusion d’une telle idée ; avant d’introduire le terme « substantia », les Decem categoriae réfléchissent sur l’ousia, et en viennent à cette idée : « (…) quoniam in permanente usia ea quae accidunt, inesse noscuntur, ipsam usian u(pokei/menon, id est subiacens, et non in subiecto appellari voluerunt » ([29], éd. L. Minio-Paluello, Aristoteles Latinus, I, Paris – Bruges, DDB, 1961, 257p., p. 140, l. 2-4 ; PL XXXII, 1423). Concernant les Decem categoriae, cf. l’article récent d’Anthony KENNY, « Les catégories chez les Pères latins », in Les catégories et leur histoire, éd. : O. Bruun et L. Corti, Paris, Vrin, 2005, p. 121-133, p. 128s. ; l’un des intérêts de cette étude est l’hypothèse finale suivant laquelle les Decem categoriae pourraient être l’œuvre de Marius Victorinus (p. 130-133)

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Remarquons toutefois que le terme « essentia », construit pour traduire ousia, ne fut pas pour autant abandonné : tout d’abord utilisé avant tout en contexte théologique pour désigner ce par quoi une chose détient l’être10, il revêt, avec Anselme, une importance nouvelle au sein-même de la doctrine de la substance. Une analyse statistique des occurrences de « substantia » et d’« essentia » dans le corpus anselmien manifeste ainsi que les deux termes sont couramment, et de manière conjointe, employés par le « moine du Bec »11. Si cette proximité conceptuelle n’a en soi rien d’étonnant12, l’on constate toutefois que cette liaison reconnue entre la substantia et l’essentia ne se conçoit pas comme une équivalence des termes, mais conduit plutôt à une perte de la spécificité de la notion de substantia au profit de l’essentia. En effet, si « substantia » est le terme qui lui vient tout particulièrement à l’esprit lorsqu’il reprend les Catégories d’Aristote et construit son ousiologie, le terme « essentia » est alors convoqué afin de préciser le sens de « substantia ». Or, laissée de côté comme traduction privilégiée de l’ousia aristotélicienne, l’essentia s’est entre temps chargée d’une signification spécifique, de telle sorte que sa reprise dans le cadre de la doctrine ousiologique conduirait à atténuer la portée de l’interprétation « proprement romaine et originale de l’être »13 que véhicule l’appellation de « substantia », à savoir sa compréhension en termes de stabilité et de corporéité. L’arrière-plan théologique14 impliqué par ce renouveau de l’essence ne doit pas être méconnu ; la logique, ou dialectique, qui traite de l’ousia, se modifie à la rencontre de la théologie trinitaire (les trois figures divines –subsistences ou personnes ?– sont un seul Dieu –substance ou essence ?–, mais chacune est subsistante), et de la théologie de l'eucharistie (quelque chose est concevable mais change –la substance ou l'essence?–, quand les accidents que nous voyons demeurent). Précisons par conséquent l’enjeu qui nous semble être celui de la doctrine de la substance d’Anselme. L’écartèlement boécien entre d’une part la substantia, d’origine aristotélicienne, entendue en termes de substrat supportant des accidents, et d’autre part l’essentia, héritée d’Augustin, qui 10 11

Voir ainsi De immortalitate animae, XI, 18, BA V, 204. Yves CATTIN, La preuve de Dieu. Introduction à la lecture du Proslogion de Anselme de Canterbury, Paris, Vrin, 1986, 219p., p. 74, compte ainsi 209 emplois du terme « essentia » dans le Monologion et 70 de « substantia ». 12 Il n’était pas rare d’établir une équivalence entre l’essentia et la substantia ; citons simplement AUGUSTIN, De Trinitate, VII, VI, 11, BA XV, 544 ; à l’époque d’Anselme, PAPIAS VOCABULISTA, Glossarium sive Elementarium doctrinae rudimentum, Venise, Philippus de Pincis, 1496, 381p., p. 110, atteste encore de cette correspondance entre ces deux notions. 13 L’expression est de Jean-François Courtine, en conclusion de son article cité supra. 14 Sur la reprise théologique, durant la période patristique, du problème de la substance, on se reportera à Christopher STEAD, Divine substance, Oxford, Oxford University Press, 1977, 315p.

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désigne prioritairement Dieu15, serait dépassé par Anselme, pour qui les substances créées elles-mêmes se conçoivent en termes d’essence. Le recours à l’essentia délierait, en ce sens, la notion de substantia de sa proximité avec l’idée de matière, pour la relier à l’idée d’esse, considéré comme légitime pour penser à la fois Dieu et les créatures. Dès lors, si la « nomination proprement romaine de l’être », en tant qu’elle mettait en avant la dimension matérielle, autrement dit physique, des substances créées, pouvait sembler contradictoire avec l’idée même de méta-physique, on peut à l’inverse estimer que la nouvelle approche de la substance mise en place par Anselme permettrait de lever l’obstacle qui avait pu empêcher les premiers penseurs de langue latine de faire droit à la métaphysique, entendue comme interrogation sur l’être en tant qu’être. Cette grille interprétative de la situation historique de la pensée d’Anselme demande, pour être confirmée, ou infirmée, que soit examinée en détail la manière dont le recours à la notion d’essentia influe sur la conception de la substantia dont il hérite. Dans cette optique, nous voudrions donc montrer que cette compréhension de la substance à partir de la notion d’essence conduit à abandonner la conception de la substance en termes de substrat de propriétés, pour penser certaines propriétés comme essentielles. Par l’intermédiaire de l’essence, la conception que l’on se fait de la substance acquiert une place nouvelle, ce qui ne signifie toutefois pas un abandon de son enracinement ontique. L’enjeu du passage de la substance-sujet à la substance-essence serait donc de redécouvrir une manière de penser ce qui est, en tant que tel, sans se limiter à ce qui est matériel ; mais une telle extension de l’interrogation conduit à ce que la chose, au lieu d’être appréhendée à partir d’un substrat, stable mais comme tel impensable, soit appréhendée à partir de ses propriétés essentielles, autrement dit de ce qui en elle est concevable. Ainsi le recours à la notion d’essence, qui, étymologiquement, renvoie à la question de l’être, mais qui, historiquement, en vient à être lié à ce que l’on conçoit des choses, permettrait de dépasser les limites de la traduction de l’ousia par « substantia » : en un mot, comprendre la substance comme essence, au lieu de tendre à restreindre la réflexion au domaine physique, ouvrirait la possibilité de faire de nouveau droit à la question métaphysique.

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Cette acception primordialement théologique explique que ce terme soit surtout employé dans les Traités théologiques ; voir ainsi Contra Eutychen et Nestorium, III, qui propose de traduire « ou)si/a » par « essentia ». Cette dualité se retrouve chez ALCUIN, Epistulae, CCLXVIII (à Arno), MGH Ep. IV (Epistulae Karolini Aevi, t. II, éd. : E. Dümmler, Berlin, Weidmann, 1895), p. 426, l. 32-37 : « (…) essentia proprie de Deo dicitur, quia semper est quod est. (…) Substantia vero commune est nomen omnium rerum, quae sunt : caelum, sol, luna, terra, arbores, herbae, animalia viventia quaeque, homines etiam, substantiae dicuntur ».

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Afin d’étayer cette hypothèse de lecture, il convient tout d’abord d’envisager le passage où cette conception essentialiste de la substance est énoncée pour la première fois : il s’agit des chapitres xxv à xxviii du Monologion, qui se demandent dans quelle mesure il est légitime de parler de Dieu comme d’une « substance », alors qu’il est évident qu’il ne soutient nul accident16 : étant reconnu que l’« essence » suréminente « est toujours, de toute manière, substantiellement (substantialiter), la même » et « jamais, d’aucune manière ou accidentellement (accidentaliter), diverse »17, on peut se demander dans quelle mesure le terme « substance » se justifie en un tel contexte, puisqu’il semble précisément que « omnis substantia admixtionis differentiarum vel mutationis accidentium sit susceptibilis » (Mon., xxvi, S I, 44, 7-8). Le terme de « substance », et son application à Dieu, se révèlent problématiques si l’on entend par « substance » ce qui soutient des accidents, c’est-à-dire précisément l’acception que les Latins avaient retenue lorsqu’ils avaient introduit ce terme. Or, cette objection, qui a longtemps prévalu, a, dès l’époque carolingienne, perdu de son acuité. On peut citer à ce sujet Alcuin, qui n’hésite pas à appeler Dieu « substance » tout en reconnaissant qu’il n’y a en Dieu nul accident18, mais aussi les Dicta Candidi, qui vont jusqu’à relier l’absence d’accidents en Dieu au fait qu’il serait la vraie substance : « Haec VIII sunt omnibus substantiis vel essentiis accidentia, excepta illa una vera et aeterna substantia, quae Deus est, cui nihil accidit »19. La reprise 16

Christophe ERISMANN, « Un autre aristotélisme ? La problématique métaphysique durant le haut Moyen-Age latin. A propos d’Anselme, Monologion 27 » (Quaestio, 2005, V, p. 144-162, p. 154s.), voit ainsi une dimension « métaphysique » de la conception de la substance développée au cours de ces pages. 17 Monologion (Mon.), XXV, S I, 43, 29-30 : « Sicut ergo semper sibi est omni modo eadem substantialiter, ita numquam est a se diversa ullo modo vel accidentaliter. » Nous citons les œuvres d’Anselme d’après l’édition due à F. S. Schmitt, Sancti Anselmi Cantuariensis archiepiscopi Opera omnia, Seckau ; Rome, Edimbourg, Nelson, 1938-1961, 6 volumes. 18 De fide s. Trinitatis, I, IX, PL CI, 19A ; voir aussi ibid., I, XV, PL CI, 22D ; 24A. (L’abréviation PL renvoie à la Patrologie Latine, éditée par J. P. Migne). Après avoir distingué les termes « substantia » et « essentia », et réservé ce dernier à Dieu, en tant qu’il est toujours, Alcuin reconnaît que « substance » ne s’applique pas seulement aux créatures, mais également, et à plus forte raison, au Créateur, voir Epistulae, CCLXVIII (ad Arnonem), MGH Ep. IV, p. 426, l. 38-39: « Deus igitur substantia est, et summa substantia, et prima substantia, et omnium substantiarum causa, quia omnium rerum creator est ». 19 Dicta Candidi, II, éd. : F. Zimmermann, in « Candidus. Ein Beitrag zur Geschichte der Frühscholastik » in Divus Thomas, 1929, p. 30-60, p. 43 (= Fragments de Munich, I, éd. dans J. Marenbon, From the Circle of Alcuin to the School of Auxerre – Logic, Theology and Philosophy, Cambridge / Londres / New York / New Rochelle / Melbourne / Sydney, Cambridge University Press, 1981 (réimp : 2006), appendice 1, p. 144-168, p. 152)

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qu’effectue Godescalc d’un passage célèbre de Boèce20 confirme cette nouvelle approche de la substantialité divine, tout en effectuant sans doute un pas supplémentaire. Il n’estime en effet plus nécessaire d’élaborer un nouveau concept de substance pour appliquer ce terme à Dieu : « Est etiam Deus et substantia, substat enim atque subest ceteris rebus quae subsistere per se nequeunt quasi quoddam subiectum, dum eis omnibus ut subsistere valeant subministrat. »21. Quelques remarques s’imposent ici. Alors que Boèce reconnaissait une certaine légitimité à l’idée selon laquelle Dieu serait substance, dès lors que l’on n’y voyait plus le fait d’être sujet (subiectum), mais simplement le fait d’être-sous (subesse) toutes choses comme ce qui les administre du dessous (subministrare)22, Godescalc cite ces passages de telle sorte qu’il ne soit plus nié que Dieu soit sujet (ce terme est simplement nuancé par l’ajout d’un « quasi »). Ainsi le moine d’Orbais pense-t-il Dieu en termes de sujet, en faisant équivaloir cette idée aux deux termes qui, chez Boèce, lui étaient opposés, ainsi qu’au fait de substare. Si la notion de substance au sens de sujet se révèle adéquate pour penser Dieu, il n’est plus nécessaire de lui donner un nouveau sens lorsqu’elle est appliquée à Dieu, mais il suffit pour ce faire de déplacer le point d’application du rapport de sujet à supporté : ce rapport ne vaut alors plus au sein de l’être lui-même, mais il vaut désormais entre Dieu et ses créatures. Ainsi l’absence d’accidents n’est-elle plus une objection valable contre l’utilisation du terme substance dans le cas de Dieu. Dans le prolongement de cette nouvelle approche du problème, Anselme ne se contente toutefois pas d’aménager l’idée de substrat de propriétés, mais il abandonne, comme essentielle à la conception de la substance, la notion de « sujet »23 : la « substance » se conçoit alors à partir de l’« essence »24. La nature suréminente est substance parce qu’elle est 20

Contra Eutychen et Nestorium, III, /37/, PL LXIV, 1345 (dans Traités théologiques, éd. bilingue, tr. fr. : A. Tisserand, Paris, Flammarion, 2000, 265p., p. 82). Rappelons que Boèce pouvait s’autoriser à parler de Dieu en termes de substance du fait même qu’il nuançait cet emploi par l’appel à l’idée d’une « substance au-delà de la substance » ; voir ainsi De Trinitate, IV, /7/, éd. Tisserand, p. 152 ; voir à ce sujet Alain DE LIBERA, « L’onto-théo-logique de Boèce : doctrine des catégories et théorie de la prédication dans le De Trinitate », in Les catégories et leur histoire, éd. : O. Bruun et L. Corti, Paris, Vrin, 2005, p. 175-222, p. 210s. 21 Responsa de diversis, I, dans Œuvres théologiques et grammaticales, éd. : C. Lambot, Louvain, Spicilegium Sacrum Lovaniense, 1945, 685p., p. 134, l. 20-24. 22 « Nisi enim tres in deo substantias ecclesiasticus loquendi usus excluderet, videretur idcirco de deo dici substantia, non quod ipse ceteris rebus quasi subiectum supponeretur, sed quod idem omnibus uti praecesset ita etiam quasi principium subesset rebus dum eis omnibus ou)siw=sqai vel subsistere subministrat. » 23 Nous ne suivons donc pas sur ce point Christophe ERISMANN, « Un autre aristotélisme ?... », p. 155, qui estime qu’Anselme est ici fidèle à la pensée aristotélicienne telle qu’elle est exposée dans les Catégories. 24 John MARENBON, « Les catégories au début du Moyen-Age », dans Les catégories et leur histoire, éd. : O. Bruun et L. Corti, Paris, Vrin, 2005, p. 223-243, p. 238, se reconnaît troublé par la réponse d’Anselme qui autorise finalement l’emploi de

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essence (Mon., xxvi, S I, 44, 10-11)25, mais cette signification du terme « substance » n’est pas propre à Dieu26 : « cuiuslibet rei essentia dici solet substantia. »27. Nulle équivocité n'affecte donc le concept de substance, dès lors qu'on l'applique au Créateur ou au créatures28, ce qui s’explique par le fait que l’emploi du terme de substance correspond à un « usus loquendi » pour signifier l’essence29. substantia pour qualifier Dieu. Il convient toutefois de prendre acte du progrès de la réflexion dans ces chapitres : Anselme part d’une acception traditionnelle du terme qu’il abandonne finalement. 25 La reconnaissance du Verbe comme consubstantiel permettra ainsi de le dire également essence ; voir Mon., XXXVII, S I, 55, 16-17. 26 C’est à partir de l’essence qu’il convient de penser la substance créée. On voit ainsi Anselme expliquer que les substances créées sont davantage en elles-mêmes que dans notre science, dès lors qu’en elles-mêmes elles sont « per ipsam suam essentiam », tandis que dans notre science ne sont pas leurs essences ; voir Mon., XXXVI, S I, 54, 18-55, 2 : « Nam nulli dubium creatas substantias multo aliter esse in seipsis quam in nostra scientia. In seipsis namque sunt per ipsam suam essentiam; in nostra vero scientia non sunt earum essentiæ, sed earum similitudines ». 27 Mon., XXVII, S I, 45, 14. Cette entente de la substance à partir de la notion d’essence se retrouvera par après, par exemple chez GUILLAUME D’AUVERGNE : distinguant deux « intentions » de l’esse, Guillaume explique que la première concerne le résidu restant, une fois retirés les accidents, c’est-à-dire « l’essence ou la substance » (De Trinitate, éd. Bruno Switalski, Toronto, Pontifical Institute of Mediaeval Studies, 1976, 269p., p. 20, l. 49-50), équivalence rendue possible par une dématérialisation de la substance ; voir les explications ultérieures du De universo, qui montrent que la réceptibilité n’est pas tant le propre de la matière que de la substance (IIa IIae, ch. 7, Opera omnia, éd. B. Le Féron, Paris, L. Billaine, 1674, t. I, p. 850a-b). Citons encore, à titre d’exemple, un écho au dix-septième siècle de cette définition dans le cours de philosophie consacré à la question logique de JEAN BAUDUER, qui en vient à reconnaître une substance, au sens d’essence pour ce qui n’est qu’accident : « Nota igitur substantiam tribus modis accipi posse : 1. latissime pro essentia cuiuslibet rei, tam substantiae quam accidentis…e » (Philosophiae clavis seu cursus philosophicus ad usum studiosae iuventutis, t. I, 2 éd., Bordeaux, Vve G. de la Court et N. de la Court, 1685, 411 + 90p., p. 281). 28 Nous ne saurions donc parfaitement suivre Jules VUILLEMIN, Le Dieu d’Anselme et les apparences de la raison, Paris, Aubier Montaigne, 1971, 189p., p. 62, qui allègue en sens contraire Mon., XXVI, S I, 44, 17-19. En la lisant dans la continuité de la phrase précédente (S I, 44, 15-17), on s’aperçoit que la reconnaissance d’une spécificité de la nature suréminente s’explique par le fait qu’elle est l’être qu’elle a sans que cet avoir ne signifie une dépendance à l’égard d’autre chose que soi ; cette reconnaissance d’une spécificité n’implique donc pas l’affirmation d’un sens différent de la substance selon qu’on envisage Dieu ou les créatures. 29 Voir Bérengère HURAND, « Place et usage de la dialectique dans la méthode anselmienne », Revue des sciences philosophiques et théologiques, 2006, XC, p. 317335, p. 329 ; on ne saurait toutefois en conclure l’inadéquation de vocabulaire catégorial pour penser Dieu : « Il est impossible d’appliquer à Dieu le terme substantia, comme Boèce le fait pour toute réalité subsistante en elle-même : cela voudrait dire en effet que Dieu est susceptible d’accidents, donc de changement, et mettrait en péril son caractère immuable. Les catégories sont ici inapplicables à l’objet ultime de la recherche, ou applicables seulement per aliud, puisque Dieu est au-delà de toute substance, substantia ne signifie pas proprement Dieu, mais improprement. » ; il convient au contraire, nous semble-t-il, de prendre acte du fait que l’interprétation essentialiste de la notion de substance ne se réduit pas à l’application de ce terme à

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Il convient à cet égard de ne pas se méprendre sur le statut de l’idée d’une substance qui supporterait des accidents, et y voir une thèse qu’Anselme s’approprierait ; il s’agit tout au contraire pour lui de se séparer d’une telle acception, pour autant qu’elle devrait se limiter aux seules créatures30. La prise en considération du rappel de cette thèse laisse, de fait, transparaître une certaine atténuation par rapport à la conception catégoriale de la substance. Par rapport à la définition, en particulier augustinienne, de la substance comme ce qui reçoit des accidents (« capiunt accidentia »), trois déplacements au moins peuvent être reconnus : d’une part, si la substance est reliée à l’idée d’accidents, elle ne se présente pas sous la forme d’un support pour ceux-ci ; d’autre part, ne sont pas mentionnés les seuls accidents, mais également les différences ; enfin, il est uniquement reconnu à la substance d’être susceptible d’accidents. Ajoutons que le Monologion pose en termes nouveaux la difficulté qu’engendrerait la reconnaissance d’accidents en toute substance : ce ne sont plus les accidents comme tels qui seraient problématiques, mais uniquement ceux qui impliquent une mutation dans la substance à laquelle ils sont rapportés31. Il apparaît ainsi que la détermination de la substance à partir de la notion d’essence s’accompagne d’une renonciation à l’acception de la substance comme support d’accidents. Il convient ici de préciser le geste accompli par Anselme en envisageant la fortune de la notion de substance au cours du premier Moyen-Age. 2. substantia et essentia durant le haut Moyen-Age Nous l’avons rappelé : le choix de « substantia » plutôt qu’« essentia » s’explique par une interprétation de l’ousia aristotélicienne à partir de la notion de « sujet »32. Les Latins, Sénèque ou Quintilien en tête33, ont Dieu. L’usus loquendi ne propose pas un autre sens de la substance que celui de la dialectique, mais il contribue à l’élaboration de la notion de substance qui intervient en logique. 30 Il faudrait nuancer l’affirmation de Jean-Luc MARION, « Substance et subsistance. Suárez et le traité de la substantia dans les Principia philosophiae, I, § 5154 », Questions Cartésiennes II, Paris, PUF, 1996, p. 85-115, p. 101, n. 21. Cf. aussi Jean-Luc MARION, Sur le prisme métaphysique de Descartes – Constitution et limites de l’onto-théo-logie dans la pensée cartésienne, Paris, PUF, 1986, 384p., p. 232-233 ; sans oublier « L’argument relève-t-il de l’ontologie ? » in Archivio di Filosofia, 1990, LVIII, 1-3, p. 43-69, repris sous le titre « L’argument relève-t-il de l’ontologie ? La preuve anselmienne et les deux démonstrations de l’existence de Dieu dans les Méditations » in Questions Cartésiennes I, Paris, PUF, 1991, p. 221-258, p. 249. 31 Voir à cet égard la distinction établie en Mon., XXV, S I, 43, 10-14. 32 Concernant ce dossier, cf., outre la « Note complémentaire pour l’histoire du vocabulaire de l’être – les traductions latines d’ou)si/a et la compréhension romanostoïcienne de l’être », Jean-François COURTINE, « Essence, substance, subsistance, existence », Le vocabulaire européen des philosophies, Paris, Seuil / Le Robert, 2004,

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toujours été prompts à mettre en avant l’idée de substrat ; le lien aisé à établir entre cette conception et l’idée de matière34 les y a sans doute poussés35. Les penseurs chrétiens de la fin de l’Antiquité n’insisteront plus sur le lien de la substance à la matière, mais ils maintiendront l’idée de substrat. Cette conception est ainsi clairement assumée par Boèce, qui, commentant les Catégories, s’en sert pour justifier la traduction par « substantia » : « Substantia autem quae proprie et principaliter et maxime dicitur, est quae neque de subiecto dicitur, neque in subiecto est... »36. Ses traités théologiques reviennent sur ce thème en distinguant la substance de la subsistence, et font alors remarquer que « Substat (…) id quod aliis accidentibus subiectum quoddam ut esse valeant subministrat. »37 De prime abord, on aurait tendance à estimer que cette conception de la substance fut unanimement reprise par les auteurs du haut Moyen-Age38. La liste serait longue si l’on citait toutes les définitions de la substance qui la présentent de cette manière. Il suffit, pour s’en convaincre, de faire référence à deux textes exemplaires du XIe siècle : les Glosules sur les Institutions Grammaticales de Priscien39 conçoivent la substance comme la « res subsistens accidentibus » ; de même Garland (le Compotiste ?)

p. 400-414 (trad. italienne : « Essenza, sostanza, sussistenza, esistenza » in Quaestio, 2003, III, p. 27-59), ainsi que J. DE GHELLINCK, « Essentia et substantia – note complémentaire » in Archivum Latinitatis Medii Aevi – Bulletin du Cange, 1942, XVII, p. 129-133. On pourra également consulter Egbert Peter BOS, « Some notes on the Meaning of the Term Substantia in the Tradition of Aristotle’s Categories » in L’élaboration du vocabulaire philosophique au Moyen-Age, éd. : J. Hamesse ; C. Steel, Turnhout, Brepols, 2000, p. 511-531 33 Voir ainsi respectivement Lettres à Lucilius, LVIII, 6, Belles Lettres, t. II, p. 72 ; 15, p. 75 ; Institution oratoire, III, VI, 23-24, Belles Lettres, t. II, p. 166-167. 34 Voir Métaphysique, Z, 3, et les analyses à ce sujet de Rudolf BOEHM, La Métaphysique d’Aristote, Le fondamental et l’essential, éd. o. : 1965, tr. fr. : E. Martineau, Paris, Gallimard, 1976, 380p. 35 Voir ainsi APULEE, De dogmate Platonis philosophi, I, V, 191, éd. Hildebrand, p. 204. 36 In Categorias Aristotelis, I, PL LXIV, 181D. Cette liaison substance – sujet est clairement reprise dans l’explication de ce passage d’Aristote, 182D : « quae maxime subiecta est rebus aliis, ea maxime substantia dici potest ». Sur l’interprétation à donner à ce passage, cf. Jean-François COURTINE, « Note complémentaire pour l’histoire du vocabulaire de l’être – les traductions latines d’ou)si/a et la compréhension romano-stoïcienne de l’être » in Concepts et catégories dans la pensée antique, p. 4041 ; in Les catégories de l’être. Etudes de philosophie ancienne et médiévale, p. 21-22. 37 Contra Eutychen et Nestorium, III, /18/, PL LXIV, 1344B, éd. Tisserand, p. 78. 38 Voir ainsi ALCUIN, Didascalica de dialectica, III, PL CI, 956D : « accidentia in subiacenti substantia ». Une remarque de RATRAMNE DE CORBIE, De anima ad Odonem, 6 (éd. : D. C. Lambot, Namur – Lille, Godenne –Giard, 1951, 159p., p. 72, l. 10-11), est à cette égard significative : « (…) substantiae non solum sunt, sed etiam substant, id est accidentibus subiectae sunt ». 39 ad II, 18, dans Priscien, Opera, Venise, 1496-1497, 285p., p. 24v.

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explique-t-il que « Individua ideo appellantur primae substantiae quia primo loco suscipiunt accidentia »40. Il nous semble toutefois que, sans certes remettre en cause cette acception de la substance, les penseurs du premier Moyen-Age ont pris une série d'orientations qui amorcent le déclin de celle-ci ; une nouvelle entente, concurrente, de la substance émerge alors41. Il est à cet égard remarquable que les Glosules sur les Institutions grammaticales parlent de la substance en termes de « subsistence »42, soit le terme qui avait été défini par Boèce, dans une perspective trinitaire, précisément par opposition à la substance en tant qu’elle est ce qui soutient des accidents : « Subsistit enim quod ipsum accidentibus ut possit esse non indiget »43. Papias Vocabulista rapporte également une définition où la substance est

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Dialectica, I, éd. : L. M. De Rijk, Assen, Van Gorcum, 1959, lxiii+209p., 18, 2526. Reconnaissons toutefois des hésitations concernant la datation précise de ce texte. l’attribuait à Garland le Compotiste, qu’il estimait être L. M. DE RIJK, éditeur du traité, e de la deuxième moitié du XI s., au contraire de son homonyme, Gerland de Besançon, du XIIe s. ; récemment, toutefois, Yukio IWAKUMA, « Vocales, or Early Nominalists » in Traditio, 1992, XLVII, p. 37-110, a remis en cause cette datation, et préféré y voir un traité des années 1100-1130. 41 Marius Victorinus, déjà, amorçait un tel mouvement afin de ne pas restreindre la notion de substance aux substances corporelles : ainsi apparaissait-il que les « qualités » (on verra l’importance de ce terme dans la conception anselmienne), tout comme les corps, peuvent être dits avoir une substance propre ; voir ainsi Liber de definitionibus, éd. Stangl, p. 12, l. 18-20, repris dans Pierre Hadot, Marius Victorinus, Paris, Etudes Augustiniennes, 1971, p. 331-365, p. 342. 42 Cette compréhension de la substance en terme de subsistence se développera par après, jusqu’à ce que l’acception en terme de subjectité puisse n’apparaître que comme un cas particulier de la subsistence. ETIENNE CHAUVIN, prenant acte des analyses scolastiques, rappelle ainsi le double sens de la substance, voir son Lexicon rationale : sive Thesaurus philosophicus, ordine alphabetico digestus, in quo vocabula omnia philosophica explicare, et universe quae lumine naturali sciri prossunt, non tam concludere, Rotterdam, P. Van der Slaart, 1692, 789p., p. 637. Voir en effet FRANCISCO SUAREZ, Disputationes metaphysicae, XXXIV, s. 1, n. 7, éd. Berton, Paris, Vivès, t. XXVI, 350 et XXXII, s. 1, n. 6, p. 314 ; RENE DESCARTES, Principia philosophiae, I, §51, AT VIII-1, 24, 21-23 et I, §52, 25, 9-11 ; et cf. à ce sujet JeanLuc MARION, 1996, p. 85-115. Si la subsistence par soi doit se comprendre en termes d’indépendance, celle-ci se comprend de deux manières différentes : ou bien indépendance vis-à-vis d’une cause, auquel cas Dieu seul est substance ; ou bien indépendance vis-à-vis d’un sujet, auquel cas substance s’oppose à accident. Voir ainsi par exemple IOANNES CLAUBERG, Notae in Cartesii Principia Philosophiae, I, ad art LI, Opera omnia philosophica, éd. : J. Th. Schalbruchius, Amstardam, P. et I. Blaeu, 1691, 2 vol., 1278p. (reprint Hildesheim, Olms, 1968), t. I, p. 504. La subsistence devient ainsi plus caractéristique de la substance que la subjectité. 43 Contra Eutychen et Nestorium, III, /17/, PL LXIV, 1344B (éd. Tisserand, p. 78). Notons toutefois qu’Augustin, mais aussi Boèce commentant Aristote, pouvaient employer le terme « subsistere » pour la substance, en tant qu’elle subsiste sous des accidents, voir respectivement De Trinitate, VII, V, 10, BA XVI, 536-538 ; In Categorias Aristotelis, I, PL LXIV, 183A.

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comprise à partir de l’idée de subsistere44. A dire vrai, c’est dès le début du Moyen-Age que la distinction boécienne a été mise à mal. Certes, Ratramne de Corbie la reprenait encore : « Et subsistentia quidem dicitur a subsistendo ; substantia vero a substando. Illud quidem propterea sic appellatum, eo quod subsistat, id est sit, et non sit alicui subiectum : hoc vero non solum ostendat quod sit, verum etiam quod subiectum sit. »45 On peut toutefois se demander dans quelle mesure cette distinction lexicale était alors unanimement reçue : l’interrogation de Godescalc d’Orbais, dans ses Responsa de diversis, suggère qu’elle avait, pour certains au moins, besoin d’être réexplicitée46; et l’on voit, d’ailleurs, déjà à cette époque, un Prudence de Troyes clairement penser la substance à partir de l’idée de subsister47. Il semble, par conséquent, que, paradoxalement, la distinction de Boèce, loin de renforcer le lien étroit entre la substance et l’idée d’accidents à soutenir, ait au contraire et comme malgré elle, en faisant émerger le modèle de la subsistence, ouvert la voie pour penser la substance indépendamment de ses accidents48. Telle semble en effet l’idée sous-tendue par la conception anselmienne de la substance. Si l’on se rappelle que l’époque carolingienne pouvait rapprocher l’essence de la subsistence, en tant que, par opposition à la substance, les essences ou les subsistences « sunt tantummodo »49, le rapprochement qu’effectue Anselme de la substance et de l’essence ne nous étonnera pas. Il n’est pas difficile de voir comment la compréhension de la substance à partir de la notion d’essence peut prolonger un mouvement entamé par le milieu érigénien. On doit à Jean Scot Erigène d’avoir donner une nouvelle place à la notion d’essence50 : celle-ci ne renvoie plus simplement à Dieu, mais elle sert à penser les substances créées, puisqu’elle désigne leur mode d’être dans les causes primordiales, avant qu’elles existent51. Ainsi 44

Glossarium sive Elementarium doctrinae rudimentum, éd. citée, p. 338. Remarquons toutefois qu’à côté d’une telle acception de la substance, Papias cite encore la distinction de Boèce. 45 De anima ad Odonem, 6, éd. Lambot, p. 81, l. 8-13 ; voir également ibid, 7, p. 110, l. 8-11 : « Subsistere dicuntur ea quae sunt, sive sint accidentibus subiecta, sive non sint ; substare vero quae sunt accidentibus subiecta. Unde substare quasi sub accidentibus stare dicuntur. » On pourrait en outre faire référence aux gloses boéciennes dues, sans doute, à REMI D’AUXERRE, dans Edward K. Rand, Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters, I, 2, Munich, C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, 1906, 106p., p. 64, l. 27-34. 46 Responsa de diversis, I, éd. Lambot, p. 132-134. 47 De praedestinatione contra Ioannem Scotum, II, PL CXV, 1037C. 48 Voir Contra Eutychen et Nestorium, III, /17/. 49 RATRAMNE DE CORBIE, De anima ad Odonem, 6, éd. Lambot, p. 72, l. 10. 50 Ce renouveau de l’essence se manifeste dans l’emploi, par Erigène traducteur du Ps-Denys, de ce terme, là où Hilduin employait « substantia » ; cf. G. THERY, Etudes dionysiennes. I. Hilduin, traducteur de Denys, Paris, Vrin, 1932, 183p., p. 34-35. 51 La « division de la nature » que décrit le Periphyseon fait fond sur un réamangement de l’ousiologie héritée de la tradition logique de la pensée aristotélicienne, ainsi que nous avons tenté de le mettre en évidence dans notre

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l’essence, désormais clairement distincte de la substance, sert-elle toutefois à penser l’être des substances. Cette réévaluation de l’essence conduit alors le penseur irlandais à minorer l’idée de substrat, pour faire prévaloir les différentes propriétés constitutives des choses existantes52. L’ousia aristotélicienne se dédouble ainsi en substantia et en essentia53, de telle sorte que la notion de substance se subordonne à celle d’essence : « Omnis substantia ex generali essentia defluit » (Periphyseon, II, PL CXXII, 605AB, CCCM CLXII, 110, 2690-2691)54. Or, cette insistance sur l’ousia est telle que le rôle de support de propriétés sera reconnue à l'ousia comprise comme essence, et non plus à la matière ; le corps se définit ainsi comme un « accidentium ou)si/aj concursum »55. Ce déclin de la matière sera confirmé par des gloses sur Porphyre : « Et ipsum aes metallum quod ex terra sumitur rubicundi coloris, non dicitur secundum terram, sed secundum aeris figuram, id est colorem. » Quoi qu’il en soit, toutefois, de cette mise en avant de l’essence, la dualité reconnue, et maintenue par le milieu érigénien56, atteste d’une permanence de la substance comme support d’accidents : « (…) accidentium inundatio, non nisi in subiecta substantia consistere praevalet… »57. Une tension se laisse ainsi percevoir, « Manifestation et existence. Théophanie et dévoilement de l’ousia chez Jean Scot Erigène », cf ci-dessus. 52 Une remarque du contemporain d’Erigène, Ratramne de Corbie, suggère dans cette perspective que le terme d’usia tend à désigner, dans l’esprit de ses contemporains, d’abord les genres et les espèces, c’est-à-dire les ousiai secondes d’Aristote ; voir De anima ad Odonem, 7, éd. Lambot, p. 95, l. 32-33. 53 Cette dualité voit sans doute le jour dès les Annotationes in Marcianum, 166, 1 (éd. : C. E. Lutz, Cambridge (Mass.), The Mediaeval Academy of America, 1939, reprint : New York, Klaus Reprint Co, 1970, xxx+244p., p. 95, l. 1-4), où Erigène relie le terme « substantia » au grec « hypostasis », qu’il oppose à l’ousia : « (…) Quid sit substantia ? (…) ou)si/a ultra omnes cathegorias est et nullum accidens recipit. Deinde descendit ad substantiam, hoc est ad hypostasin, tunc recipit accidentia et primum locum in cathegoriis habet ». 54 Concernant cette mise en avant de l’essentia, cf. Gangolf SCHRIMPF, Das Werk des Johannes Scottus Eriugena im Rahmen des Wissenschaftsverständnisses seiner Zeit. Eine Hinführung zu Periphyseon, Münster, Aschendorff, 1982, vii+305p., p. 55. Sur ce nouveau sens de l’ousia chez Erigène, cf. aussi Christophe ERISMANN, «Generalis essentia. La théorie érigénnienne de l'ousia et le problème des universaux», in Archives d'histoire doctrinale et littéraire du Moyen âge, 2002, pp. 737. 55 Periphyseon, I, 60, PL CXXII, 503A, CCCM CLXI, 84, 2605-2606. Voir de même I, 34, PL CXXII, 479B, CCCM CLXI, 53, 1581 53 ; 53, 496A, 74-75, 22972298. 56 Cf. John MARENBON, From the Circle of Alcuin to the School of Auxerre – Logic, Theology and Philosophy, Cambridge / Londres / New York / New Rochelle / Melbourne / Sydney, Cambridge University Press, 1981, 219p. (réimp. : 2006), p. 123124. 57 Voir Periphyseon, III, 31, PL CXXII, 710B. Voir également I, 53, PL CXXII, 495A-B, CCCM CLXI, 73-74. A ce sujet, cf. en outre Dirk ANSORGE, Johannes Scottus Eriugena : Wahrheit als Prozess. Eine theologische Interpretation von Periphyseon, Innsbruck / Vienne, Tyrolia, 1996, 370p., p. 132s.

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qui s’explique en définitive par le fait qu’Erigène lit l’œuvre d’Aristote, ou sa reprise que sont les Decem categoriae, suivant une perspective néoplatonicienne58. Sans abandonner l’idée de la substance comme substrat d’accidents, l’œuvre d’Erigène ouvre ainsi la possibilité d’une autre interprétation de l’ousia, à savoir l’essentia59. Au XIe siècle, ce mouvement de rapprochement de la substantia et de l’essentia se poursuit de telle manière que l’existence même d’un substrat supportant les diverses propriétés devient problématique. Tel est l’un des enjeux majeurs du débat opposant Lanfranc, le maître d’Anselme à son arrivée au Bec, et Bérenger. Remarquons tout d’abord l’omniprésence du vocabulaire de l’essentia. Dans un contexte de théologie eucharistique, Lanfranc fait ainsi appel à l’idée d’essences principales ou secondes : « (…) res ipsas in principalibus ac secundis essentiis condidit » ; (De corpore et sanguine Christi, vii, PL CL, 418). Remarquons à cet égard que les Commentarii in d. Pauli Epistulas parlent d’une « substantialis essentia », qui désignerait l’humanité commune à tous les hommes, par opposition à une « accidentalis essentia », laquelle renvoie aux diverses qualités que les hommes peuvent posséder ou non : « … sicut sumus idem in substantiali essentia, possumus esse in accidentali… »60. Ce passage manifeste que la notion d’essence est devenue opératoire pour penser la substance. De plus, le parallélisme conceptuel que trahit l’emploi du terme « essentia » pour la substance aussi bien que pour les accidents atteste du fait que la substance ne se conçoit plus d’abord comme un support d’accidents. Dès lors, si le point de discorde entre Bérenger et Lanfranc venait de ce que ce dernier défendrait, aux dires de l’écolâtre de Tours, l’idée d’une conversion du pain en une petite particule de la chair du Christ

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L’influence de Porphyre est ici sans doute déterminante ; cf. à ce sujet Christophe ERISMANN, « Processio id est multiplicatio. L’influence latine de l’ontologie de Porphyre : le cas de Jean Scot Erigène », Revue des sciences philosophiques et théologiques, 2004, LXXXVIII, p. 401-460. John MARENBON, « John Scottus and the Categoriae decem », Eriugena, Studien zu seinen Quellen, éd. : W. Beierwaltes, Heidelberg, C. Winter / Universitätsverlag, 1980, p. 117-134 (repris dans Aristotelian Logic, Platonism and the Context of Early Medieval Philosophy in the West, Aldershot – Burlington USA – Singapour – Sydney, Ashgate, 2000, n° VI), p. 123, rapporte ainsi la dualité de sens de l’ousia à la diversité de ses sources. 59 D’une manière remarquable, cette dualité conduit un REMI D’AUXERRE à clairement distinguer la substance et l’essence, pour autant que la substance peut recevoir des accidents ; voir Commentum in Martianum Capellam, IV, 166, 1, éd. C. Lutz, Leiden, Brill, 1965, t. II, 379p., p. 32, l. 12-15 : « Substantiam diffinit non essentiam, id est non ypostasin sed usiam, quia ypostasis ultra omnes cathegorias est et nullum accidens recipit. Deinde, descendit ad usiam, id est ad substantiam, quae potest recipere accidentia et principatum in cathegoriis decem tenet. » Très proche du passage parallèle d’Erigène, dont il reprend certaines formulations, Rémi, toutefois, inverse les sens reconnus à l’usia et à l’ypostasis. 60 In Epistulas ad Galatas, IV, 21, PL CL, 277A.

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ou similairement du vin en une petite parcelle du sang du Christ61, il apparaît que Lanfranc, au même titre que son rival, ne met pas l’accent sur un substrat matériel des propriétés. Au contraire, il s’agit bien plutôt pour lui de penser une conversion à strictement parler « essentielle », ce que confirme Hugues de Langres62. Le prieur du Bec oppose ainsi l’essence intérieure à l’espèce visible : « Esse quidem secundum visibilem speciem testatur quae erant, commutari vero secundum interiorem essentiam in naturam illarum rerum quae antea non erant. »63. Or, ce parcours ne permet pas seulement d’inscrire Anselme au sein d’un mouvement plus large de promotion de l’essence en concept fondamental pour penser la substance ; il permet aussi, si ce n’est surtout, d’émettre quelques hypothèses concernant le remaniement de la doctrine de la substance suscité par la reprise d’un dispositif conceptuel élaboré dans un cadre de théologie, en particulier eucharistique. Nous en formulerons deux : 1/ le déclin de l’idée de substrat supportant les propriétés s'accompagne de la mise en avant de l'essence, ce qui conduit à mettre l’accent sur les propriétés elles-mêmes ; 2/ du même coup, la conception essentialiste de la substance entretient un lien privilégié avec l’intellection. Commençons par la première hypothèse. La nouvelle configuration mise en place par Erigène tend à donner un rôle nouveau aux propriétés en tant que c’est de leur congruence que naissent les corps. Rappelons à cet égard que l’écartèlement boécien entre la « substance » et l’ « essence » a eu tendance à restreindre l’essence au domaine des universaux, à savoir les genres et les espèces, par opposition à la substance, qui concerne les êtres individuels, singularisés par leurs accidents64. L’essence désigne alors un ensemble de propriétés non-accidentelles. Ce trait est manifeste chez les acteurs de la controverse sur l’eucharistie du XIe siècle65. Durand de Troarn met ainsi en avant les « propriétés de la nature »66, et Lanfranc reprend cette idée, en introduisant le terme d’essence : « ad essentiam

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Rescriptum contra Lanfrannum, II, CCCM LXXXIV, 105, 163-168 ; 122, 773777. (L’abréviation CCCM renvoie au Corpus Christianorum, Continuatio Medievalis). 62 Voir HUGUES DE LANGRES (=DE BRETEUIL), De corpore et sanguine Christi contra Berengarium, PL CXLII, 1327A-B. 63 Voir De corpore et sanguine Christi, IX, PL CL, 420D : « Esse quidem secundum visibilem speciem testatur quae erant, commutari vero secundum interiorem essentiam in naturam illarum rerum quae antea non erant. » 64 Voir ainsi RATRAMNE DE CORBIE, De anima ad Odonem, 6 (éd. Lambot, p. 71, l. 20-30) qui s’appuie sur le Contra Eutychen et Nestorium, III. 65 Concernant cette controverse, voir l’étude classique de Jean DE MONTCLOS, Lanfranc et Bérenger – La controverse eucharistique au XIe siècle, Louvain, Spicilegium Sacrum Lovaniense, 1971, 610p. Voir, plus récemment, Toivo HOLOPAINEN, Dialectic and Theology in the Eleventh Century, Leiden / New York / Cologne, Brill, 1996, 171p. 66 De corpore et sanguine Christi, VII, XXIII, PL CXLIX, 1411C.

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veraeque naturae proprietatem ... »67. Quant à la seconde hypothèse68, citons simplement Hugues de Langres, qui, en une phrase concise, suggère une double idée décisive : « est intellectus essentiarum discussor, non opifex ; iudex, non institutor »69. En sa brièveté même, ce passage atteste d’un lien entre essence et intellection, lien qui ne doit cependant pas se lire comme une réduction de l’essence à ce que l’intellect humain peut en saisir. Ainsi apparaissent les divers points qu’il s’agira d’envisager dans la conception anselmienne de la substance à partir de la notion d’essence. 3. substance et qualité Si le Monologion rappelait le sens traditionnel de la substance comme support d’accidents, avant de s’en séparer et de penser la substance en termes d’essence, le De grammatico, écrit sans doute quelques années plus tard, reprendra cet acquis sans plus avoir à l’établir : alors que l’auteur anonyme des Glosules sur les Institutions grammaticales précisait expressis verbis qu’il ne prenait pas « substance » au sens de ce qui est sous-jacent aux accidents, mais au sens d’essence70, l’auteur du De grammatico considère ce sens comme ne posant plus problème. Les diverses décisions conceptuelles sous-tendues par cette nouvelle acception de la substance peuvent alors apparaître au grand jour. Inspiré des Catégories d’Aristote71, dont il se veut une reprise, le De grammatico n’en propose alors pas moins une démarche nouvelle sans doute révélatrice des 67 68

De corpore et sanguine Christi, XVIII, PL CL, 430C. Sur le lien entre l’ousia comme essentia et l’intellect, cf. déjà ERIGENE, Annotationes in Marcianum, 157, 17, éd. Lutz, p. 93, l. 10-17, qui, y voyant un « genus generalissimum », la présente comme « ultra quod nullus intellectus potest ascendere » (p. 93, l. 11-12). 69 De corpore et sanguine Christi contra Berengarium, PL CXLII, 327B. 70 Glosules sur les Institutions grammaticales de Priscien, ad II, 18, éd. citée, p. 24v : « Notandum est quia non accipit hic substantiam secundum hoc quod dicitur substantia est res subsistens accidentibus, sed accipit large pro omni essentia … » Remarquons cependant que l’auteur anonyme de ces remarques semble ne pas voir un hiatus entre les deux conceptions de la substance, à savoir soit une chose (individuelle), soit une essence (universelle), mais voit plutôt le deuxième sens comme englobant le premier (« large »), comme si l’essence englobait la chose. 71 Généralement avare en références, Anselme cite toutefois dans le De grammatico (DG) Aristote (DG, IX, S I, 154, 1 ; 3 ; 4 ; X, 154, 26 ; XVI, 162, 14 ; XVII, 162, 21 ; 163, 2 ; XVIII, 163, 26 ; 164, 4 ; XIX, 165) et les Catégories (DG, XVI, S I, 162, 14 ; XVII, 162, 27-28). Anselme se réfère donc directement à Aristote, et pas seulement à sa paraphrase, le traité pseudo-augustinien intitulé Decem categoriae. En effet, alors que ce dernier texte a longtemps été préféré aux Catégories, le XIe siècle refait droit au texte d’Aristote lui-même ; cf. à ce sujet John MARENBON, From the Circle of Alcuin to the School of Auxerre – Logic, Theology and Philosophy, Cambridge – Londres – New York – New Rochelle – Melbourne – Sydney, Cambridge University Press, 1981, 219p. (réimp. : 2006).

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réaménagements imposés à la doctrine aristotélicienne de la substance. Le premier point de divergence se laisse aisément deviner dès lors que l’on prend en considération le projet même de ce dialogue, à savoir déterminer si grammaticus est une substance ou une qualité : dans l’alternative ici proposée, on constate en effet immédiatement que la notion de qualité est devenue un concept crucial, ce qui n’était pas le cas chez Aristote où elle désignait l’une des neuf catégories autres que la substance ; de simple « accident », parmi d’autres, dans la logique aristotélicienne classique, la qualité devient l’opposé par excellence de la substance. Or, l’on verra que, en fin de compte, la qualité a acquis une importance telle que, loin qu’il y ait antagonisme entre les deux, elle est devenue un concept opératoire pour penser la substance. Le rôle nouveau dévolu à la qualité peut tout d’abord s’expliquer par la prise en compte de l’interrogation grammaticale. La question qui sert de fil conducteur au De grammatico a pour enjeu de parvenir à concilier Aristote et Priscien, autrement dit l’approche logico-philosophique et l’approche grammaticale72. Priscien, en effet, défendait l’idée suivant laquelle « proprium nominis est substantiam et qualitatem significare »73. Au début de l’époque carolingienne, Alcuin concilie cette thèse et celle d’Aristote ; il fait aisément droit à la solution de Priscien, en remplaçant simplement la coordination « et » par un « vel », et en ajoutant la quantité : « proprium nominis est substantiam vel qualitatem vel quantitatem significare »74. Les auteurs ultérieurs allaient toutefois estimer qu’il y avait antagonisme entre ces deux thèses, et l’intégration de l’approche grammaticale fit alors davantage difficulté : les Glosules attestent du fait que cette conciliation, toujours voulue, est toutefois devenue problématique, et le De grammatico reprend cette problématique. Or, quoique l’intégration de la thèse des grammairiens à la logique d’origine aristotélicienne n’apparaisse pas évidente, c’est sans doute l’influence de la thèse de Priscien qui, en conduisant à modifier la formulation de la question initiale, explique la promotion de la qualité au titre d’unique alternative à la substance. Le terme « qualitas » remplace alors celui d’ « accidens », qui avait été introduit pour désigner les neuf catégories autres que la substance75 : 72

Cf. Desmond Paul HENRY, The De Grammatico of saint Anselm – The Theory of Paronymy, Notre Dame University of Notre Dame Press, 1964, xv + 169p. ; The Logic of St. Anselm, Oxford, Clarendon Press, 1967, viii + 258p. Voir, récemment, Peter BOSCHUNG, From a topical point of view. Dialectic in Anselm of Canterbury’s De grammatico, Leiden, Brill, 2006, viii + 346p. 73 Institutions grammaticales, II, 18, éd. : H. Keil, Leipzig, Teubner, 1855-1858, 2 vol., XXXIII+597 p. ; XII+602 p., vol. I, p. 55, l. 6. 74 Grammatica, PL CI, 858D. Cf. Tetsuro SHIMIZU, « Words and Concepts in Anselm and Abelard » in Langage, sciences, philosophie au XIIème siècle, éd. : J. Biard, Paris, Vrin, 1999, p. 177-197, p. 178. 75 PS.-AUGUSTIN, Decem categoriae, [50], éd. Minio-Paluello, p. 144, l. 20-21 (PL XXXII, 1425) : « Reliquae vero novem, sumbebhko/ta, id est accidentia sunt. » ;

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« qualitas aut accidens »76. Au contraire de l’auteur des Glosules, Anselme ne demande pas explicitement d’élargir le sens du terme « qualité », que l’on trouve chez Priscien, à toutes les « propriétés », c’est-à-dire la qualité au sens strict mais aussi la quantité et les autres accidents77 ; mais il pose comme évidente l’équivalence de la qualité et de l’accident, et, partant, remplace l’accident par la qualité. Or, cette substitution n’est pas sans incidence sur la conception de la substance. En particulier, dans l’optique qui nous intéresse, on peut noter que la dimension éventuellement accidentelle de ces catégories est du même coup estompée : si l’accidens n’était pas nécessairement accidentel, au sens de kata sumbebèkos78, reste que l’équivocité du terme tendait à faire apparaître les neuf catégories autres que la substance comme nonessentielles. A l’inverse, l’abandon du vocabulaire de l’accident pour les désigner, afin de réserver ce terme pour ce qui est proprement accidentel79, rend possible de faire pleinement usage de son substitut pour penser ce qui est essentiel. Notons dans cette optique un renversement intéressant : cherchant à distinguer « grammairien » de « homme », le De grammatico fait intervenir le terme « accident » pour « grammairien »80, par opposition à la différence qui serait substantielle ; la qualité ne se conçoit alors pas comme l’un des accidents possibles, mais à l’inverse l’accident se présente comme l’une des formes de la qualité, comme l’est aussi la différence. Autrement dit, la qualité peut se diviser en accidentelle et essentielle, ou BOÈCE, In Categorias Aristotelis, I, PL CXIV, 169D ; 170D ; 172C-D. Voir aussi ALCUIN, Didascalica de dialectica, III, PL CI, 954D. 76 DG, XI, S I, 156, 12 ; 13. 77 Glosules sur les Institutions grammaticales de Priscien, ad II, 18, éd. citée, p. 24v : « accipit (…) qualitater [qualitatem] non secundum quod ponitur in suo praedicamento, sed ponit[ur] hic pro quaelibet proprietate, vel sit vera qualitas, vel quantitas, vel quodlibet aliud accidens … » 78 Deux sens du sumbebèkos demandent à être repérés dans l’œuvre aristotélicienne (cf. à ce sujet Franz BRENTANO, Aristote, les significations de l’être, é. o. : 1862, tr. fr. : P. David, Paris, Vrin, 1992, 208p., p. 25-26 ; Gilles-Gaston GRANGER, La théorie aristotélicienne de la science, Paris, Aubier, 1976, 2000, 382p., p. 226-227) : d’une part, ce terme désignait ce qui est prédiqué d’une manière accidentelle, fortuite ; cette expression s’insérait dans la classification des prédicables ; c’est là le sens que le terme revêt dans l’expression « kata sumbebèkos » ; d’autre part, il pouvait aussi désigner, au même titre que « huparchonta », tout ce qui n’est pas substance, c’est-àdire tout ce qui n’existe pas d’une manière autonome, mais est en une substance ou en est dit (Analytiques postérieurs, I, 22, 83a25). En ce second sens, le sumbebèkos n’avait rien d’accidentel et pouvait signifier des prédicats kath’auto ; voir aussi Analytiques postérieurs, I, 4, 73b et Métaphysique, D, 1025a31-32. Alban URBANAS, La notion d’accident chez Aristote, Logique et métaphysique, Montréal – Paris, Bellarmin – Les Belles Lettres, 1988, 222p, refuse ainsi de traduire « sumbebèkota kath’auto » par « accidents par soi » ; sur ces sumbebèkota par soi, cf. en outre Pierre AUBENQUE, Le problème de l’être chez Aristote, Paris, PUF, 1962, 1997, 552p., p. 465-466, qui explique qu’ils appartiennent au ti hèn einai. 79 Voir DG, XV, S I, 161, 14-16 ; XVII, 163, 4-6 80 Voir DG, XIII, S I, 157, 24 ; XX, 166, 6-7.

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substantielle, et par là devenir opératoire pour penser la substance. On le pressent donc : un lien étroit entre la substance et la qualité peut dès lors s’établir par l’intermédiaire de la notion d’essence. Précisons ce processus de compréhension de la substance à partir de la qualité. Le premier point mis en place pour ce faire consiste à penser qualitativement les différences ; présente chez Aristote81, cette idée acquiert toutefois une importance nouvelle du fait de la promotion de la qualité : dès lors que les propriétés accidentelles et les différences essentielles relèvent de la qualité, leur différence apparaît secondaire eu égard à leur commune appartenance à cette catégorie. Le De grammatico le dit clairement : « grammairien » et « rationnel » ne diffèrent qu’en tant que « rationnel » est compris dans la signification du terme « homme », ce qui n’est pas le cas de « grammairien » (DG, xii, S I, 156, 20-157, 3). Il est à peine besoin de le souligner, la différence qui est ici reconnue est d’ordre sémantico-linguistique, et il n’est pas requis de lui donner une portée ontique. Or, l’adoption de cette idée est décisive, car elle a pour conséquence directe le fait que le substantiel relève bien lui aussi du qualitatif : si grammaticus n’est pas une substance, ce n’est pas parce qu’il est une qualité, mais parce qu’il est une qualité non-essentielle, c’est-à-dire parce qu’il n’est pas au nombre des concepts inclus au sein de la signification de homo. Il n’est plus alors question d’essayer de référer l’advenue de certains accidents à quelque chose d’interne à la substance (on aura reconnu ici le mouvement opéré, par exemple, par (le Ps-) « Dunchad » dans ses Glossae in Martianum à propos de la rhétorique)82 ; bien au contraire, le substantiel se présente comme une qualité essentielle, c’est-à-dire comme une qualité qui a cette particularité par rapport aux autres qu’elle est contenue dans le concept de la chose concernée : en un mot, on ne va plus de la substance à ses accidents, mais des qualités à la substance désormais comprise comme essence. Ce faisant, la substance se présente à la fois comme une essence et comme relevant de l’ordre de la qualité. 81 82

Voir Topiques, IV, 6, 128a26-27 ; Métaphysique, D, 14, 1020a33. « DUNCHAD » (MARTIN DE LAON ?), Gloses au De Nuptiis, 160, 1, éd. : C. Lutz, Lancaster, The American Philological Association, 1944, xxx + 68p., p. 22-23 : « Dunchad » applique ici à sa doctrine de la substance la théorie platonicienne de la réminiscence qu’il connaît sans doute par l’intermédiaire d’Augustin (De Trinitate, XII, XV, 24, BA XVI, 256-258). Concernant la question de l’attribution de ces gloses, voir la récente récapitulation proposée par Ilaria RAMELLI, dans son édition (traduction italienne) de l’ensemble des commentaires du De nuptiis d’Erigène à Bernard Sylvestre : Tutti i commenti a Marziana Capella, Milan, Bompiani, 2006, 2524p., p. 584-585. Voir de même REMI D’AUXERRE, Commentum in Martianum Capellam, IV, 160, 1, éd. Lutz, t. II, p. 26. Le texte de MARTIANUS CAPELLA, qui donna lieu à ces gloses, disait : « Accidens est, quod non nisi eidem formae, sed non semper evenit, ut rhetorica non nisi homini accidit, sed ei potest et non accidere, ut quamvis sit aliquis homo, non sit tamen orator. » (De nuptiis Philologiae et Mercurii, IV, 347, éd. I. Ramelli, Milan, Bompiani, 2001, 1177p., p. 214-216.

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Cette conception de la substance à partir de la qualité s’explique par le déplacement de la « substance première » à la « substance seconde », opéré dès le Monologion. Le « moine du Bec » y maintient encore deux significations de la substance : « omnis substantia tractetur aut esse universalis, quæ pluribus substantiis essentialiter communis est, ut hominem esse commune est singulis hominibus; aut esse individua, quæ universalem essentiam communem habet cum aliis, quemadmodum singuli homines commune habent cum singulis, ut homines sint »83. Or, l’on constate une inversion de priorité entre les deux sens de la substance par rapport à l’ordre d’Aristote, pour qui les substances étaient en premier lieu les individus84. Chez Anselme, la primauté est au contraire reconnue à la substance comme essence universelle, tel être homme, c’est-à-dire à ce que le Stagirite eût appelé la substance seconde. La substance première d’Aristote, la chose individuelle, apparaît désormais en deuxième de telle sorte qu’elle tient sa substantialité de la participation à la substance seconde d’Aristote : c’est la possession d’une essence universelle qui justifie de parler de substance pour les individus. L’abandon de la compréhension de la substance comme le fait d’être sujet pour des propriétés a donc pour conséquence cette thèse remarquable, à savoir que les substances sont d’abord les essences universelles85. Le renversement par rapport à Aristote est ainsi indubitable : chez ce dernier, les essences universelles tenaient leur substantialité des substances premières86 ; chez Anselme au contraire c’est la substantialité d’abord accordée aux essences universelles qui justifie de parler de substance pour les individus. Or, Aristote reliait cette substance seconde à la qualité, non pas au sens où elle serait une qualité, mais au sens où elle désigne une qualité en relation à une substance87. Ainsi se confirme bien la promotion de la qualité : ne pensant plus d’autre sens préalable de la substance, Anselme en vient à penser la substance à partir de la substance seconde, et la substance seconde à partir de la qualité88. 83 84 85

Mon., XXVII, S I, 45, 6-10. Voir Catégories, V, 2b15s., ainsi que 2b37s. Des auteurs du haut Moyen-Age, à l’inverse, avaient refusé l’appellation de substance pour ces essences universelles pour autant qu’elles ne sont pas substrat pour les accidents ; voir RATRAMNE DE CORBIE, De anima ad Odonem, 6, éd. Lambot, p. 83, l. 8-15. La différence de détermination de la substance amène alors à des thèses opposées : on le voit en comparant Mon., XXVII, S I, 45, 6-10 (cité un peu plus haut) et De anima ad Odonem, 6, p. 83, 16-18. 86 Catégories, V, 2b29-31 : « Ei)ko/twj de\ meta\ ta\j prw/taj ou)si/aj mo/na tw=n a)/llwn ta\ ei/)dh kai\ ta\ ge/nh deu/terai ou)si/ai le/gontai. mo/na ga\r dhloi= th\n prw/thn ou)si/an tw=n kathgoroume/nwn. » 87 Catégories, V, 3b15s. 88

Concernant la compréhension qualitative de la substance seconde, voir par exemple le texte suivant, sans doute de peu antérieur à Anselme : « Q. Omnisne substantia hoc aliquid significat ? S. Primae quidem indubitanter. Secundae vero hoc

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On le voit : la compréhension de la substance à partir de la notion d’essence induit une mise en avant de la qualité. Si le De grammatico cite la distinction aristotélicienne sans se l’approprier89, et ne retient qu’un seul sens de la substance, ce sens prend acte des décisions conceptuelles du Monologion, où la thèse des deux sens de la substance avait été reprise pour être renversée. Or, cela a commencé à apparaître, cette mise en avant de la qualité conduit à présenter la substance en fonction de ce que l’on peut en concevoir. Un indice de ceci nous est fourni par Abbon de Fleury, qui, déjà, avait mis l’accent sur la « qualité substantielle » par laquelle une chose serait « essentiellement », et avait séparé cette manière d’être de l’existence « matérielle » de la « chose » : « (…) aliud est materialiter per rem, aliud essentialiter per substantialem qualitatem »90. La communauté lexicale entre l’idée développée par Abbon et la conception soutenue par Anselme n’est sans doute pas fortuite, de sorte que nous pouvons émettre l’hypothèse suivante : comprendre la substance à partir de la notion d’essence, et y voir une qualité, pourrait conduire à séparer la substance de son mode d’être « réel », et en conséquence à relier la notion de substance à ce qui, de la chose, peut être intelligé. La perspective suivant laquelle le De grammatico construit la notion de substance est instructive dans cette optique, puisque la question de la substance y est envisagée à partir du problème de la signification. 4. substance et conception L’idée de substrat servait, chez Aristote, à penser un au-delà de la substance par rapport à ce qui pouvait en être appréhendé. C’est ainsi que la matière, par opposition à la forme, se présentait comme insaisissable par la pensée. Ainsi toute une part de la substance première s’exceptait-elle des prises de la pensée. A l’inverse, la substance seconde se caractérise par sa manifesteté ; elle est condition de visibilité de la substance première, qu’elle « dévoile », ou « indique »91. On comprend bien par conséquent que le remaniement imposé à la doctrine aristotélicienne de la substance aliquid non significant, sed potius qualitatem quandam… », Excerpta Categoriarum, 103, éd. G. d’Onofrio, CCCM CXX, 97, 1-3. 89 Voir DG, X, S I, 154, 27. 90 Commentaire au Calculus de Victorius d’Aquitaine, III. 32, éd. A. M. Peden, Oxford, Oxford University Press, 2003, liii+159 p., p. 92 91 Catégories, V, 2b30-31 : « mo/na ga\r dhloi= th\n prw/thn ou)si/an tw=n kathgoroume/nwn ». Voir les Decem categoriae, [58], éd. L. Minio-Paluello, p. 146, l. 8 : « (…) solae indicent primam », et l’explication qui suit : « (…) si quis nolit vel nesciat dicere ‘Socraten’, dicat ‘animal’ vel ‘hominem’, id est genus vel speciem. His vero dictis, quid sit Socrates agnoscitur ; aliud autem si dicat, vel ‘currit’ vel ‘ambulat’, nihil possit agnosci. » (l. 9-12).

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conduise à une présentation de celle-ci à partir des propriétés concevables. Un déplacement s’opère ainsi, qui conduit à ce que la substance soit conçue à partir de ce que l’on peut en penser. Un tournant cognitif avait déjà été clairement amorcé au début du Moyen-Age92, tournant remarquable dès Boèce93, confirmé dans l’œuvre d’Alcuin94 ; pensons également, plus près d’Anselme, à Abbon de Fleury, qui refusait de définir la substance par sa corporéité au profit de son intelligibilité 95. Anselme hérite de cette nouvelle manière de poser la question de la substance : sans, pour sa part, traiter de la question de la substance à partir de l’opposition du sensible (ou plutôt du visible) et de l’intelligible96, il maintient toutefois sa dépendance à l’égard de ce qui est conçu. Le déclin de la notion de substrat est ici crucial. Othlon de SaintEmmeran avait défini la res à partir de l’intellection, du fait qu’il avait étendu la signification de ce terme à tout ce qui est accident, ou qualité, au lieu de la réduire à ce qui subsiste et soutient ces accidents97. On ne 92

Déjà les Decem categoriae mettaient en avant la perception ou la pensée ([27], éd. Minio-Paluello, p. 139 ; PL XXXII, 1423). 93 On voit ainsi Boèce reprendre la subjectité de la substance suivant une approche perceptive : si les accidents ont besoin de la substance à titre de fondement, la substance requiert la « superjection » de l’accident pour être vue ; voir ainsi In Isagogen, I, PL LXIV, 10A-B : « Accidens quippe sine aliquo substantiae fundamento esse non potest ; substantia vero ipsa sine superjecto accidente videri nullo modo potest. Ut enim color sit quod est accidens, in corpore erit quod est substantia. Porro autem cum corpus, id est substantiam videris, insignitam eam accidenti, id est aliquo corpore respicies. » 94 Voir Didascalica de dialectica, III (PL CI, 956B ; repris dans Aristoteles Latinus, I, 1-5, éd. L. Minio-Paluello, Paris – Bruges, DDB, 1961, 257p., p. 190, l. 42-191, l. 58) ; si Alcuin distingue trois plans, que sont celui des choses qui sont, c’est-à-dire les « substances », produites par la nature (« sunt omnes res quas natura peperit », l. 4445), celui des choses perçues, grâce aux sens, ou conçues, par l’intellect, et enfin celui de celles qui sont dites, il affirme finalement le caractère inséparable de ces trois interrogations, et énonce l’idée suivant laquelle « Sunt igitur illa quae aut percipimus sensibus corporis aut mente et cogitatione colligimus » (l. 51-52). 95 Voir, outre le Commentaire au Calculus, les fragments intitulés Quod corpus substantia non sit dans l’éd. A. M. Peden de ce texte (appendix B, p. 134-136) Concernant la reprise de la distinction sensible / intelligible, cf. Eva-Maria ENGELEN, Zeit, Zahl und Bild. Studien zur Verbindung von Philosophie und Wissenschaft bei Abbo von Fleury, Berlin – New York, Walter de Gruyter, 1993, 171p., p. 23s. 96 La distinction de l’âme et du corps n’est pas cruciale dans la pensée d’Anselme ; voir ainsi mon « Saint Anselme ou le sujet hors de soi », Généalogie du sujet, éd. : O. Boulnois, Paris, Vrin, 2007, p. 19-42. Notons d’ores et déjà que le rôle fondamental reconnu au langage pour penser l’existence du rien ou des ténèbres par FREDEGISE DE TOURS ne doit pas s’interpréter comme une minoration des perceptions sensibles ; une même importance peut en effet leur être reconnue : « Quidquid enim tangi palparique potest, esse necesse est » (Epistula de substantia nihili et tenebrarum, II, éd. F. d’Agostini in Il nulla e le tenebre. La nascita filosofica dell’Europa, Gênes, Il melangolo, 1998, 165p., p. 148). 97 Dialogus de tribus quaestionibus, XXXIII, PL CXLVI, 102D-103A : « Res autem reor aliquo modo posse dici omnia quae non per substantiam propriam existunt, ut elementa, sed alicui substantiae accidentia intellectu, vel actu solo capiuntur, ut

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s’étonnera donc pas qu’Anselme, qui pour sa part conçoit la substance à partir de ses qualités, relie du même coup la substance à l’intellection. La notion de substance se construit en effet dans le De grammatico à partir du concept signifié par un terme donné. Apparaît dans ces conditions comme substantiel non pas ce qui appartient nécessairement à une substance, mais ce qui fait partie des concepts signifiés par un terme. Le chapitre ii met en place les termes à partir desquels la question sera posée : la question de la substance se déploie non pas sur le plan de l’être, comme cela était esquissé dans le chapitre premier, mais sur le plan de l’intellection (intelligi, DG, ii, S I, 146, 22). Substances comme qualités se présentent d’abord comme des conceptions. La distinction des significations en « per se » et « per aliud » servira, suivant cette orientation donnée à l’interrogation sur la substance, à faire le départ entre des propriétés substantielles ou accidentelles, selon qu’elles sont comprises (au double sens que ce mot revêt) ou non, sous un terme donné98. La doctrine de l’appellatio, articulée à la significatio, ne remet pas en cause ce primat de la conception, mais le confirme. Loin d’être la condition préalable à la signification, et de renvoyer à la chose-même visée, indépendamment des moyens mis en œuvre pour la penser, l’appellation se subordonne à la signification, et est rendue possible par son intermédiaire : « Quapropter quamvis omnia simul velut unum totum sub una significatione uno nomine appellentur ,homo', sic tamen principaliter hoc nomen est significativum et appellativum substantiae… »99. L’appellation résulte de la signification, et confirme ainsi la dépendance de la notion de substance à l’égard de la conception : si l’appellation dépasse la conception pour atteindre la chose-même, il n’en demeure pas moins que cette conception constitue la condition sine qua non de cet accès à la chose visée. Il est symptomatique, dans l’optique qui nous intéresse, que, pour parler de ce qui est atteint par l’appellation, Anselme emploie le terme « res » (DG, xii, S I, 157, 6), comme s’il voulait réserver la notion de substance à ce qui peut être atteint par la pensée. Reste toutefois que la « chose » ne fait irruption que par l’intermédiaire de ce qui a pu en être pensé, ce dont prendrait acte la notion de substance100. numerus, dies et nox, languor et medicina, copia et penuria caeteraque talia. ». Concernant cette appréhension de la chose à partir de l’intellection, cf. Thierry LESIEUR, Devenir fou pour être sage. Construction d’une raison chrétienne à l’aube de la réforme grégorienne, Turnhout, Brepols, 2003, 415p., p. 235-236, et p. 256s. Anne GRONDEUX a récemment montré comment le premier Moyen Age a progressivement séparé la res du corps, afin de l’étendre à ce qui ne se peut voir, mais se peut concevoir ; voir son « Res meaning a thing thought : the influence of the Ars Donati », Vivarium, 2007, XLV, p. 189-202. Cette nouvelle conception de la res déborde toutefois le cadre purement grammatical. 98 Voir DG, XIV, S I, 160-161. 99 DG, XII, S I, 156, 30-33 ; je souligne. 100 Rappelons à ce sujet que FREDEGISE DE TOURS s’autorisait ainsi à parler de « substantia » pour tout « sujet » d’une proposition affirmative, voir De substantia

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Les Fragments philosophiques proposent une classification des sens de « aliquid » qui prend acte de ce nouvel angle d’approche. Résumons brièvement cette classification. Quatre sortes d’aliquid sont reconnues101 : 1/ ce qui a un nom, est dans la pensée, mais aussi dans l’être ; 2/ ce qui a un nom et est dans la pensée ; 3/ ce qui a seulement un nom ; 4/ ce qui n’a pas même un nom. On le voit, l’aliquid n’implique pas d’être. Certes, un tel aliquid sera reconnu n’être que « quasi aliquid » (SS, 337, 6). L’essentiel est toutefois mis en place : c’est à partir du plan linguisticonoétique que l’aliquid peut apparaître. En effet, si l’existence est fondamentale pour que l’appellation « aliquid » soit parfaitement légitime (« proprie », SS, 336, 12 ; 337, 5), il n’en demeure pas moins que cette existence ne semble pas suffire pour parler d’« aliquid », mais qu’il faudrait également, et préalablement, pouvoir dire et penser cet aliquid102. Retenons dès lors ce double aspect : le « quelque chose » prend forme pour nous parce que nous pouvons en parler et le penser103, mais il n’est pas pour autant question de réduire ce « quelque chose » à ce que l’on en pense ou dit104. Autrement dit : certes, le plan linguistico-noétique occupe une place nouvelle, et en cela Anselme pourrait sembler annoncer (par delà Duns Scot, qui pense l’objet de la métaphysique comme aliquid) Clauberg, qui, on le sait, fera du cogitabile le sens premier de l’étant105 ; toutefois, si nihili et tenebrarum, II, éd. F. d’Agostini, p. 146. La subjectité liée à la substantia s’entend ici en son sens grammatical. 101 SS, 336, 11-337, 7. L’abréviation SS renvoie aux Memorials of s. Anselm, éd. par R. W. Southern et F. S. Schmitt, Oxford, Oxford University Press, 1969, 1991, 370p. 102 « Dicimus enim ‘aliquid’ proprie, quod suo nomine profertur et mente concipit et est in re ». 103 Affirmer « l’homme est », c’est constituer la chose, c’est-à-dire l’homme, disait ainsi FREDEGISE DE TOURS, De substantia nihili et tenebrarum, II, éd. F. d’Agostini, p. 146, réservant toutefois cette dimension constitutive des choses aux phrases affirmatives. 104 Voir de même la définition de la « res », empruntée au De dialectica d’Augustin (§ 5), que l’on trouve chez PAPIAS VOCABULISTA, Glossarium sive Elementarium doctrinae rudimentum, éd. citée, p. 293 : « Res est quidquid sentitur vel intelligitur vel latet, quae si non cogitantur non minus sunt ». Cette définition d’origine augustinienne était devenue classique durant le haut Moyen Age, ainsi qu’en témoigne sa reprise, dans un cadre érigénien, par Israel Scot : « Dicitur autem res secundum Israhelem quicquid sentitur, vel intelligitur, vel latet. Sentiuntur corporalia, spiritualia intelliguntur, latet vero Deus et informis materia » (REMI D’AUXERRE, In Artem Donati minorem commentum, éd. William Fox, Leipzig, Teubner, 1902, xii + 100p., p. 11 ; cf. Edouard Jeauneau, « Pour le dossier d'Israel Scot », Etudes érigéniennes, Paris, Etudes Augustiniennes, 1987, p. 641-706, p. 652. Voir également, à titre de comparaison, Jean Scot Erigène, Periphyseon, I, 3, PL CXXII, 443A, CCCM CLXI, 5, 53-57). 105 IOANNES CLAUBERG, Metaphysica de ente, quae rectius Ontosophia, I, § 4, Opera omnia philosophica, t. I, p. 283: « Entis initio statim tres distinguendae significationes. Nam vel denotat omne quod cogitari potest (distinctionis causa nonnullis vocatur intelligibile) ». Sur ce premier sens de l’ens, voir ensuite II, § 6s., et notamment le § 8, qui rapproche Ding, « chose », et denken, « penser ». Cf. Jean-

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c’est à travers le prisme de la pensée que l’aliquid prend forme, seul l’esse in re lui assure d’être véritablement quelque chose. Anselme prolonge ce faisant un mouvement entamé durant le haut MoyenAge, qui avait tendu à penser comme étant bien « aliquid » ce qui est visé par un nom ne signifiant rien106, tout en reconnaissant à côté, à la suite de Boèce, que ces « quelque chose » ne constituaient pas pour autant des « natures » ou des « substances » ; telle était l’idée notamment développée lors de la controverse sur l’âme qui opposa Ratramne de Corbie à un disciple de Macaire107. Remarquons à cet égard le lien reconnu par les penseurs de l’époque carolingienne entre la notion de substance et le fait d’être : la substance, explique en ce sens Alcuin108, désigne une nature qui est. Ainsi la substance apparaît-elle à partir de ce que l’on peut en connaître, mais il s’agit alors de prendre acte qu’une chose est. Il convient toutefois de remarquer un déplacement significatif : alors que les penseurs du tout premier Moyen-Age insistaient sur la perceptibilité des substances, et donc sur la capacité sensorielle de l’esprit humain, prenant conscience des choses matérielles hors de lui109, c’est la capacité cogitative, comme François COURTINE, Suárez et le système de la métaphysique, Paris, PUF, 1990, 560p., p. 258s. 106 La question du « nihil » avait sans doute agité l’école palatine. C’est alors la grammaire qui invite à reconnaître à ce qui n’est que pensable d’être malgré tout quelque chose. Ainsi FREDEGISE DE TOURS affirme-t-il une existence du néant : « nihil eius significatio est quod est, id est rei existentis » (De substantia nihili et tenebrarum, I, éd. F. d’Agostini, p. 142). Moins radical, ALCUIN, Disputatio Pippini cum Albino, PL CI, 980A, explique, à propos de « nihil », que « nomine est, et re non est ». Quoi qu’il en soit ici des divergences de vue entre Alcuin et son étudiant, puis successeur, il n’est pas difficile de relier cette distinction à celle d’Anselme, si ce n’est que le premier terme est lié, à l’époque carolingienne, à la nomination, plutôt qu’à la pensée. 107 Voir RATRAMNE DE CORBIE, Liber de anima ad Odonem, 5, éd. Lambot, p. 5253, en particulier p. 53, l. 1-2 : « Significat quidem, dixit, aliquid, sed non naturam. ». Ratramne s’appuie sur un passage de BOECE (Contra Eutychen et Nestorium, I, /1-9/, PL LXIV, 1341, éd. Tisserand, p. 66-68). Voir aussi BOECE, In De interpretatione, editio prima, PL LXIV, 362B : « (…) id quod non est, est quidem aliquid, id est opinabile, vel ignorabile, vel nescibile, non tamen est aliquid per se in natura. ». Il est remarquable que le disciple de Macaire ait remplacé « natura » par « substantia ». 108 De dialectica, XIII, PL CI, 966D : « quidquid naturarum est, substantia dici potest » ; et De dialectica, XVI, PL CI, 973B: « Omnis enim natura quae est, substantia dici potest », il convient ici de corriger la Patrologie Latine, qui omet « est » ; voir l’édition « de travail » fournie par Corneille Henri KNEEPKENS, « Some notes on Alcuin’s De perihermeniis with an edition of the text », Alcuin of York, éd. : L. A. J. R. Houwen et A. A. Mac Donald, Groningen, Egbert Forsten, 1998, p. 81-112, p. 110 ; voir d’ailleurs à ce sujet p. 93-94. Voir également Epistulae, CCLXVIII (ad Arnonem), MGH Ep. IV, p. 426, l. 35-38 : « Substantia (…) commune est nomen omnium rerum quae sunt (…) quod nulla substantia est, nihil omnino est, substantia ergo aliquid esse est ». Si l’essence désigne ce qui est toujours, la substance requiert elle-aussi l’être, même si elle peut ne pas être toujours. 109 Ainsi Alcuin fait-il encore de la substance un être avant tout perceptible ; voir De dialectica, III, PL CI, 956B-C : « Sunt igitur illa quae percipimus sensibus corporis, aut mente et cogitatione colligimus. (…) id quod corporali sensu discernitur, usian, id

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telle, indépendamment de toute présence effective de la chose, qui est reconnue par Anselme. Ainsi, la conception de la substantia à partir de l’essentia manifesterait un premier pas en vue d’une entente noétique de celle-ci ; mais il ne saurait encore être question de réduire l’être au pensable : si le danger d’une indifférence à l’existence semble en germe dans cette liaison entre l’aliquid et la pensée, Anselme insiste bien sur la dimension existentielle du « quelque chose », de telle manière que ce plan de l’être se révèle incontestablement irréductible aux plans linguistique et conceptuel. De même que le De grammatico mettait en avant l’appellation, qui dépasse le plan de la conception pour viser la res ipsa, de même les Fragments philosophiques font-ils droit à un plan de l’existence qui se révèle au-delà de tout ce que l’on peut penser, et qui seul assure à ce qui a été reconnu « comme un aliquid » d’être véritablement aliquid. 5. l’être et l’essence Un examen des emplois du terme « essentia » permet de confirmer que la compréhension de la substance à partir de la notion d’essence ne se paye pas d’un oubli de l’existence, puisque, dans le lexique d’Anselme, « essentia », en accord avec son étymologie, est indéfectiblement lié à l’idée d’être, et, ce faisant, au plan existentiel110. Le risque d’une conception de l’essence pour laquelle l’existence ne serait plus nécessaire se fait assurément jour à l’époque d’Anselme. Ainsi voit-on Odon de Cambrai reconnaître la possibilité d’une disjonction entre l’essence et l’existence : « de non existentibus dicuntur essentiae » (De peccato originali, I, PL CLX, 1076B). Un examen plus attentif du texte permet certes de s’apercevoir que, quelque nouvelle que soit cette émancipation de l’essence au regard de l’existence, elle n’est finalement rendue possible que par la reconnaissance d’une construction de cette essence à partir de choses existantes. Un pas décisif a toutefois été accompli par Odon, qui accorde ce faisant à la pensée une importance telle qu’elle est désormais capable de faire advenir des essences sans existence. Or, Anselme est bien loin, pour sa part, de dissocier l’essence de l’existence. Le caractère primordial du plan de la conception ne se double est substantiam dici iusserunt. Illud autem quod animi tractatu solum colligitur, aut saepe mutatur symbebicos, id est accidens nominari ». 110 Sur l’être, l’essence et l’existence, quelques indications dans Georgi KAPRIEV, Ipsa vita et veritas. Der “ontologische Gottesbeweis” und die Ideenwelt Anselms von Canterbury, Leiden / Boston / Cologne, Brill, 1998, 404p., p. 95s.; cf. également Thomas BUSKE, « Existenz als Accomodatio des Seins. Der ‘ontologische’ Gottesbeweis bei Anselm von Canterbury », Theologische Zeitschrift, 1972, XXVIII, p. 197-211.

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pas chez lui de l’affirmation de sa suffisance pour faire advenir des essences. L’essentia reste au-delà de la pensée, au même titre que l’existentia111. Remarquons en effet que diverses formules seront employées pour désigner le plan de l’être, et que le terme « essentia » fera alors concurrence aux appellations « in re » (SS, 336, 14), « in veritate » (SS, 336, 16), de même qu’à l’existence (SS, 336, 36) : ainsi le troisième sens de l’aliquid est-il dit être « absque omni essentia » (SS 336, 20). L’essence est donc bien encore du côté de l’être, et non de la pensée, même si un rôle nouveau peut être reconnu à cette dernière. Précisons cette séparation entre le plan du concept et celui de l’être. Dès le Monologion, Anselme avait distingué deux manières d’être : l’« esse in nostra scientia » et l’« esse in seipsis » (xxxvi, S I, 54, 18-55, 4), distinction reprise dans le Proslogion, ii-iv, qui oppose un « esse in intellectu » à un « esse (et) in re ». S’il n’est pas question ici de revenir sur le sens précis de cette distinction, nous pouvons malgré tout remarquer que le centre de gravité de cette dualité est bien l’être réel, de sorte que l’esse in intellectu ne saurait désigner un mode d’être intellectuel qui s’autosuffirait. Remarquable est de ce point de vue le fait que l’être dans l’intellect ait pour sujet, au sens grammatical, la chose elle-même : l’esse in intellectu désigne par conséquent ce qui de la chose est appréhendable par la pensée, sans qu’il faille réduire la chose à cette dimension intellectuelle. L’esse (et) in re, reconnu à « id quo nihil maius cogitari potest », renvoie alors très exactement à l’être réel en tant qu’il s’excepte de toute conception humaine. Les Fragments philosophiques assument cette idée d’une dimension ontique irréductible à la pensée. Il y apparaît que la détermination conceptuelle est insuffisante pour penser l’existence : ce qui est est en tant qu’effet d’une cause, et in fine effet de cette cause suprême qu’est Dieu (SS, 339, 32-34)112, ce que signifie proprement le terme « existere »113. L’existence révèle ainsi l’irréductibilité de l’essentia 111

Voir de même RATRAMNE DE CORBIE, De anima ad Odonem, 9, éd. Lambot, p. 131, l. 23-28, qui distingue très clairement l’essence de la conception, pour la relier aux choses en tant qu’existantes : « Ita trifarium dividitur oratio, id est, dum aut rerum existentium essentiam, aut conceptiones earum perceptarum, aut verborum explicat naturas. Igitur illa quae sunt singularia, et in rebus sunt per subsistentiam, et in mente per imaginationem, et in voce per pronunciationem ». Sur ce texte, cf. Philippe e DELHAYE, Une controverse sur l’âme universelle au IX siècle, Louvain, Nauwelarts, 1950, 71p., p. 49. 112 Voir également dans cette perspective De casu diaboli, I, S I, 233, 10-11 : « clarum est quia nullatenus potest haberi aliquid nisi qui fecit aut quod fecit », et 234, 30-235, 1 : « (…) omnis essentia est a summa essentia » ; l’idée se retrouve dans le De conceptu virginali et de originali peccato, IV, S II, 145, 30-31 : « omnis essentia est a Deo ». 113 Les penseurs du haut Moyen-Age ont continué à entendre dans « existere » « exsistere », citons à ce sujet le témoignage d’ALCUIN, De orthographia, littera E (PL CI, 908B), qui insiste sur le fait qu’il convient de ne pas oublier le « s » de « sistere » : « exsisto, similiter, sistere enim per s dicimus ». Partant, si « subsistere » et « existere » renvoient tous les deux à l’idée de « sistere », il faut aussi prendre en

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compte la nuance indiquée par le préfixe. Si Anselme peut suggérer une équivalence entre les deux termes (Mon., VI, S I, 20, 16 : « existens sive subsistens »), il convient en effet, toutefois, de noter une remarquable différence d’emploi entre « subsistere » et « existere » : alors que le premier sert à mettre l’accent sur le fait qu’une chose n’existe pas seulement dans la pensée (voir ainsi, à propos des genres et des espèces, de philosophie, t. II : l’anonyme du Xe siècle, édité par Victor Cousin, Fragments Philosophie scolastique, Paris, Ladrange – Didier, 4e éd. : 1847, 364p., p. 91), le second est choisi principalement dans des contextes où intervient l’idée de provenir de (ex) quelque chose. En effet, la notion d’existentia a (sans doute) été forgée en contexte christologique pour désigner la dérivation à partir du Père ; voir ainsi MARIUS VICTORINUS, Ad Candidum, 2, SC LXVIII, 134 et Adversus Arium, II, 4, et IV, 26, SC LXVIII, 406-404 et 578-580, en particulier (voir à ce sujet Vincent CARRAUD, « L’invention de l’existence. Note sur la christologie de Marius Victorinus » in Quaestio, 2003, III, p. 3-25). Voir également AUGUSTIN, Sermones, LXXI, xvi, 26, PL XXXVIII, 459. On ne s’étonnera dès lors pas que, pour combattre l’adoptionisme, il soit fait recours au verbe « existere » à propos du Christ, en tant que Fils (naturel) du Père, voir ainsi ALCUIN, Adversus haeresin Felicis, XVI, PL CI, 93B ; XVII, 93C ; XXV, 97C (signalons toutefois qu’il s’agit en réalité de citations traduites de Pères grecs). Lors même qu’il ne s’agit plus de penser la dépendance du Fils envers le Père, l’idée de provenance reste fondamentale ; c’est ainsi que « existere » s’emploie tout particulièrement lorsqu’il s’agit de réfléchir sur l’idée d’être pour soi-même une cause ; voir ainsi ABBON DE FLEURY, Commentaire au Calculus de Victorius d’Aquitaine, II. 10, éd. citée, p. 69 : « Alioquin (…) eadem res sibi causa existeret ». Voir également l’emploi du terme appliqué à Dieu, en tant qu’il est ce dont dérivent toutes choses, par PASCHASE RADBERT, Expositio in evangelium Matthaei, PL CXX, 340A : « Porro voluntas Dei causa est et origo, atque existentia omnium rerum… ». Dans cette lignée, l’existence met l’accent, chez Anselme, sur la dérivation : on retrouve ainsi significativement l’emploi d’exister notamment à propos du Fils (la même idée s’applique également à l’Esprit saint), voir Mon., XXXIX, S I, 57, 18-19 : « dici potest verbum summi spiritus ex illo existere nascendo » ; De processione Spiritus sanctus, I, S II, 179, 15-16 : « (…) Filius existit de Deo nascendo... ». Le lien de cause à effet apparaît ainsi pour penser l’exister ; voir Mon., LVI, S I, 67, 26-68, 1. Voir en outre Mon. XLIV, S I, 60,18-20 ; LVI, S I, 67, 26-68, 1 ; LVII, S I, 68, 24-25, et De processione…, II, S II, 187, 16 ; 188, 6 ; 188, 33-34 ; 189, 2 ; 89, 10 ; 189, 14. Cette idée de dérivation est d’ailleurs encore présente lorsque ce terme est appliqué à Dieu : rappelons que le Monologion avait cherché à comprendre en quel sens on peut dire de la summa essentia qu’elle est « per se » ; voir Mon., VI, S I, 19, 29s. L’essence suréminente est, il serait absurde de le nier (S I, 19, 21-22), et donc elle ne peut pas être par (per) et de rien ; elle sera donc par (per) soi et de (ex) soi : elle sera donc bien « ex-istence », quoique cette dérivation ne s’effectue pas à partir d’une autre chose, qui la précèderait. Il est ainsi significatif que le syntagme « summe existens » intervienne comme un équivalent de « summe ens », lorsqu’est établi un parallélisme entre la triade la lumière, le luire, le luisant, et la triade l’essence, l’être et l’étant (S I, 20, 1519). Ainsi serait-il reconnu une dérivation existentielle, qui justifie l’emploi du terme « exister », quoique cette dérivation, dans le cas de Dieu, ne puisse se penser à partir d’une cause antécédente, qu’il s’agisse d’un efficient, d’une matière, ou d’une autre aide, comme un instrument. Le préfixe « ex » résonne donc encore dans le terme « exister » ; voir également plus particulièrement Mon., VI, S I, 19, 30. Sur ce sens traditionnel de « exister », cf. Etienne GILSON, L’être et l’essence, Paris, Vrin, 1948, 1994, 389p., p. 16-17 ; appendices, p. 344-347. Concernant l’existence divine, voir d’ailleurs l’expression très intéressante de BENOIT D’ANIANE (Munimenta Fidei, Forma Fidei, septimus tomorum tomus, éd. : J. Leclercq, in Analecta monastica, I, Rome, Herder, 1948, p. 28-66, p. 35, l. 19-20), qui relie l’existence à l’idée d’être « a se » : « summa illa creatrix a sese existens substantia ».

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à la pensée114. Le Monologion, déjà, parvenait à légitimer l’appellation de « substantia » pour Dieu, en vertu du fait que « non solum certissime existit, sed etiam summe omnium existit », de sorte qu’on pouvait parler à son égard d’« essentia » (xxvii, S I, 45, 13-14). Corrélative de la notion d’essentia est donc celle d’existence115. Partant, définir la substantia à partir de l’essentia a sans doute pour première conséquence, indubitable, de donner une extension nouvelle à l’ordre de la conception ; mais, on vient de le voir, la substance n’est pas pour autant réduite à du cogitabile116. Résumons, avant de conclure, les principaux points que ces analyses ont permis d’établir concernant la conception de la substance développée dans l’œuvre de l’abbé du Bec. 1/ En l’absence d’une métaphysique comme discipline instituée, c’est dans un cadre théologique, dans l’intelligence de la doctrine de la Trinité et de celle de l’eucharistie en particulier, que le concept d’essence a été réinterrogé, puis réinvesti afin de penser la substance, permettant ainsi à la dialectica de s’ouvrir à une interrogation sur l’être. Mais, 2/, cette nouvelle doctrine de la substance marque une prise de distance à l’endroit de l’interprétation de l’ousia aristotélicienne qui avait été adoptée en même temps que le choix du terme « substantia ». L’idée de substrat supportant des accidents est en effet abandonnée par notre auteur, qui conçoit tout à l’inverse la substance à partir de ses qualités. Corrélative de la réduction des diverses catégories accidentelles à la qualité est ainsi l’élévation de celle-ci en mode primordial pour penser et la substance (qualités essentielles) et les autres propriétés (qualités accidentelles). On assiste ce faisant à une mise en avant des propriétés, au détriment de l’idée d’un substrat. 3/ C’est ainsi une approche de la substance à partir de ce qui en est pensable qui nous est proposée : entendons par là le fait que la substance se conçoit désormais sur le modèle de ce que l’on peut en penser, ce que confirme le déclin du thème du substrat, lequel s’exceptait de la pensée. Toutefois, 4/, la dimension ontique de la substance prévaut : l’essence est bien, avant toutes choses, ce qui est. Ainsi se précisent les enjeux de l’entente de la substance comme 114

Il est à cet égard remarquable que si le verbe « existere » peut s’appliquer à l’être réel (« re ipsa illud existere », dira ainsi la Réponse à Gaunilon, VI, S I, 136, 15), il n’est pas utilisé pour l’esse in intellectu, ce qui confirme ainsi l’emploi de « existentia » dans la classification des différents sens de aliquid des Fragments philosophiques. 115 Le chapitre XXXVI du Monologion est de ce point de vue décisif, qui, concevant les substances créées à partir de la notion d’essence, fait ultimement appel à l’intelligence divine comme fondement de ces essences, et garant de leur indépendance à l’égard de toute science humaine ; voir Mon., XXXVI, S I, 54, 18-55, 10. 116 Le double sens de l’essentia chez Anselme a été pris en considération par Yves CATTIN, La preuve de Dieu., p. 78-79 ; mais nous ne saurions le suivre lorsqu’il y voit une « imprécision globale ».

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essence. Aussi bien ne devons-nous pas surévaluer la rupture anselmienne, en comprenant le terme d’essentia en fonction de son acception moderne117. Si la compréhension de la substance à partir de la notion d’essence relègue sa dimension matérielle à l’arrière-plan, il ne faut pas pour autant en déduire une réduction du plan ontique au plan logique. L’ousiologie d’Anselme est, ce faisant, à la croisée de deux chemins : le premier, qui a vu dans la substance le substrat ; le second, qui tendra à faire dépendre la substance de la conception118. S’il hérite de la conception 117

On le sait : il sera par la suite accordé à l’essence une consistance propre, sans qu’elle ait pour cela à exister. Citons simplement Henri DE GAND, qui distingue l’esse essentiae de l’esse existentiae ; l’esse essentiae se distingue de la res a reor, simple pensable, et renvoie à la res a ratitudine, ce qui lui octroie une certaine consistance ontique. Voir ainsi Summa quaestionum ordinariarum, art. XXI, q. 4, resp, Paris, J. Badius, 1520 (reprint : Saint Bonaventure – Louvain – Paderborn, The Franciscan Institute – E. Nauwelarts – F. Schöningh, 1953), f. 127O. Si la métaphysique, à la différence de la logique, traite des substances, en tant que n’étant pas de simples êtres de raison, reste alors que ces substances n’ont plus à exister pour être « réelles ». Le critère de la pensabilité, à tout le moins par Dieu, est bien alors primordial. Voir, par la suite, MALEBRANCHE, Entretiens sur la métaphysique et la religion, II, § V : « on peut voir son essence sans son existence, son idée sans lui » (Œuvres complètes, éd. A. Robinet, Paris, Vrin, 1958s., t. XII, p. 53-54). 118 La substance se définit chez DESCARTES à partir de notre propre conception. L’idée de substance se conçoit ainsi chez Descartes consécutivement à la reconnaissance ede l’ego pensant, ce pourquoi le terme n’interviendra pas dans la IIe, mais dans la III Meditatio ; on peut en ce sens parler, avec Jean-Luc MARION (Sur le prisme métaphysique de Descartes, p. 161s.) d’une « déduction égologique de la substance » ; voir ainsi p. 180 : « l’ego fixe le lieu de la substantialité en la rendant pensable à partir de sa propre pensée ». Voir de même LEIBNIZ, à Sophie-Charlotte, éd. C. I. Gerhardt, Die philosophischen Schriften, t. VI, p. 50 : « Et comme je conçois que d'autres êtres peuvent aussi avoir le droit de dire moi, (...) c’est par là que je conçois ce qu’on appelle la substance en général, et c’est aussi la considération de moi-même, qui me fournit d’autres notions de métaphysique, comme de cause, effet, action, similitude, etc. . ». Voir aussi MALEBRANCHE, Entretien d’un philosophe chrétien et d’un philosophe chinois, Œuvres complètes, t. XV, p. 12 : « J’appelle substance ce que nous pouvons apercevoir seul et sans penser à autre chose ». Citons en outre dans cette perspective BERKELEY, Three Dialogues between Hylas and Philonous, III, éd. H. Robinson, Oxford, Oxford University Press, 1996, p. 180-181 : « (…) if by material substance is meant only sensible body, that which is seen and felt (…), then I am more certain of matter’s existence than you, or any other philosopher, pretend to be. ». On assiste, à dire vrai, après Anselme, à un renversement remarquable : si les penseurs médiévaux scolastiques retiennent l’idée d’une inhérence d’attributs en la substance, c’est précisément en vertu du rôle cognitif de ces attributs, voir ainsi DUNS SCOT, Ordinatio, I, d. 3, p. 1, q. 3, n. 139, Opera Omnia, éd. C. Balić, t. III, Rome, Civitas Vaticana, 1954, p. 87 ; SUAREZ, Disputationes metaphysicae, XXXVIII, s. II, n. 8, éd. C. Berton, Paris, Vivès, 1866, t. XXVI, p. 503, ainsi que XXXIII, s. I, n. 2, t. XXVI, p. 330 : « nos enim ex accidentibus pervenimus ad cognitionem substantiae » ; voir enfin DESCARTES, Principia, I, art. 52, AT VIII, 25, 3-9 ; voir à ce sujet Jean-Luc MARION, « Substance et subsistance. Suárez et le traité de la substantia dans les Principia philosophiae, I, § 51-54 », Questions Cartésiennes II, p. 103-104. Il convient de noter dans ces divers textes que la question du sujet est reléguée à l’arrière-plan, au profit des attributs eux-

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traditionnelle de la substance, Anselme donne à la doctrine de la substance une direction nouvelle : tout en maintenant l’enracinement ontique de la substance, il la définit à partir de ce qui en est concevable. Or, cette croisée conceptuelle des chemins est, nous semble-t-il, le carrefour où Anselme engage la doctrine de la substance sur la voie qui mène à la métaphysique : si Anselme achève un mouvement initié durant le premier Moyen-Age, mouvement qui a tendu à faire de nouveau droit à l’essentia, la conception qu’il développe annonce sans doute la métaphysique telle qu’elle verra le jour, dans l’Occident latin, à partir des XIIIe et XIVe siècles119. Sans qu’il soit ici possible de développer plus avant cette idée, nous pouvons malgré tout remarquer que la nouvelle place octroyée au plan noétique préfigure l’insistance métaphysique sur le conceptus entis : alors que la « métaphysique »120 aristotélicienne mettait en avant l’ousia, entendue comme le fonds à partir duquel s’éprouvait la présence des étants, la métaphysique latine s’interrogera en effet, significativement, sur l’ens en tant que concevable121. Dès lors, en mêmes. Ainsi la substance n’est-elle plus tant ce qui supporte des accidents, que les accidents ne sont ce qui permet de connaître une substance. 119 Notons dans cette perspective l’importance de l’essentia au sein de la métaphysique latine. Si Henri de Gand met en avant un esse essentiae, Suárez reconnaîtra à l’essentia realis une place centrale ; voir à ce sujet Jean-François COURTINE, Suárez et le système de la métaphysique, p. 182s. 120 Nous employons ici des guillemets dans la mesure où : 1. le terme de « métaphysique » n’est pas d’Aristote lui-même, mais a été donné par son éditeur, Andronicos de Rhodes, pour désigner les livres après ceux de physique (meta ta physica) ; 2. Aristote n’a pas unifié les différentes orientations de l’interrogation que l’on trouve dans la Métaphysique, et prétendu qu’une science regroupait les différents traits dégagés au cours de ces livres. La métaphysique est alors moins une science constituée, qu’une science recherchée ; voir Pierre AUBENQUE, Le problème de l’être chez Aristote. Concernant la diversité des interrogations des différents livres de la Métaphysique, et la raison de ce titre, cf. également Vianney DECARY, « Le titre de la Métaphysique », dans Herméneutique et ontologie. Mélanges en hommage à Pierre Aubenque, éd. : R. Brague et J.-F. Courtine, Paris, PUF, 1990, p. 121-125. A la suite des travaux de Werner Jaeger, Bertrand DUMOULIN (Analyse génétique de la Métaphysique d’Aristote, Paris – Montréal, Les Belles Lettres – Bellarmin, 1986, 460p.) a, dans cette perspective, proposé une lecture diachronique de l’ouvrage du Stagirite. Contre une telle interprétation évolutive, Vianney DECARY, L’objet de la e métaphysique selon Aristote, Paris, Vrin, 2 éd. 1972, 198p., conclut pour sa part par l’idée que la notion d’ousia unifie ces différentes problématiques, voir ainsi p. 177s. 121 La métaphysique porte, tant chez Henri de Gand que chez Duns Scot, sur le conceptus entis, englobant à la fois Dieu et la créature. Ainsi, chez Scot, l’être est-il appréhendé par un concept, univoque, qu’il s’applique à un être créé ou à Dieu ; sur ce « tournant », voir Olivier BOULNOIS, Etre et représentation. Une généalogie de la métaphysique moderne à l’époque de Duns Scot (XIIIe-XIVe s.), Paris, PUF, 1999, 538p., en particulier chap. VIII et IX, et Jean-François COURTINE, Suárez et le système de la métaphysique, passim. Concernant Henri de Gand, cf. Martin PICKAVÉ, Heinrich von Gent über Metaphysik als erste Wissenschaft. Studien zu einem Metaphysikentwurf aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts, Leiden – Boston, Brill, 2007, 402p., en particulier p. 129-244. Signalons toutefois que Thomas d’Aquin reconnaît déjà que l’étant (sujet de la métaphysique) est le premier concevable, voir par exemple De

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retrouvant la question de l’être, les Latins auraient toutefois donné à la métaphysique héritée des Grecs une résonance originale. Si Avicenne avait reconnu un plan de la chose (al-šay’ / res), différent de celui de l’étant (almawğūd / ens)122, modifiant ainsi la perspective de la métaphysique aristotélicienne123, force est de constater que la pensée latine, qui découvrira la métaphysique par l’intermédiaire du Kitāb al-Šifā’, était toutefois déjà par elle-même disposée à opérer ce déplacement du regard qui allait mettre en avant le plan du concept. Ainsi faudrait-il reconnaître que le haut Moyen-Age renverrait à une période de latence de la métaphysique, où se sont toutefois jouées les décisions conceptuelles qui ont donné à la métaphysique latine sa configuration propre*.

veritate, q. 1, a. 1, resp. (éd. R. Spiazzi, Rome – Turin, Marietti, 1949, 616p., p. 2) : « Quod primo intellectus concipit, quasi notissimum, et in quo omnes conceptiones resolvit, est ens ». Ainsi la métaphysique pourrait-elle se concevoir comme une élucidation de notre conception de l’ens (sans toutefois qu’une telle conception englobe Dieu : la métaphysique n’est alors pas une onto-théologie, Dieu intervenant en tant que principe de l’étant) ; voir à ce sujet Etienne GILSON, Le thomisme, Paris, Vrin, 6e éd. revue, 1987, 478p., p. 187-188 ; Leo J. ELDERS, La métaphysique de saint Thomas d’Aquin dans une perspective historique, Paris, Vrin, 1994, 360p., p. 52s. On le voit donc, dans la métaphysique latine, je conçois l’étant, plutôt que je ne fais l’épreuve de sa présence. Le progressif remplacement d’un paradigme sensitif (l’eidos désigne d’abord ce qui se laisse voir), par un paradigme noétique (la conception), demande, dans cette optique, à être pris en considération : tandis que la vision suppose la présence de ce qui est, la conception est possible en l’absence de tout corrélat extérieur, ce pourquoi l’ens commune ne signifie pas la présence actuelle d’un être particulier que l’esprit prendrait en considération. 122 Kitāb al-Šifā’, al-Ilāhiyyāt, I, 5, Avicenna Latinus, p. 31s., éd. : O. Lizzini et P. Porro, éd. trilingue (arabe, latin, italien), Milan, Bompiani, 2002, lxiv+1311p., p. 68s. : la chose désigne tout ce de quoi il peut y avoir énonciation, qu’elle soit effectivement, ou qu’elle soit simplement dans l’âme. 123 Cf. ainsi Jean JOLIVET, « Aux origines de l’ontologie d’Ibn Sīnā », Philosophie médiévale arabe et latine, Paris, Vrin, 1995, p. 221-236, p. 226-227. On comprend donc pourquoi les auteurs latins des XIIIe et XIVe s., à l’instar de Thomas d’Aquin, pourront faire référence à Avicenne pour la thèse suivant laquelle l’étant est le premier conçu par l’intellect. Toutefois, Avicenne dit alors simplement que la chose et l’étant sont imprimés en premier dans l’âme (Avicenna latinus, p. 31 ; éd. O. Lizzini et P. Porro, p. 68) ; c’est Thomas qui met en avant l’idée de conception, gommant du même coup la différence qu’Avicenne assignait ente la chose et l’étant. * Mes remerciements s’adressent à Jean-Christophe Bardout et Olivier Boulnois pour leurs précieux commentaires.

Ludger Jansen: Die Struktur der Substanzen bei Thomas von Aquin Die ontologische Kategorie der Substanz spielt bei Thomas von Aquin (1224/5-1274) ohne Zweifel eine große Rolle. Doch eine Abhandlung über die Substanz hat Thomas nie geschrieben. Was dem am nächsten kommt, ist seine früh geschriebene Abhandlung De ente et essentia, „Über das Seiende und das Wesen“, die sehr ausführlich auch das Zusammenspiel von Wesen und Sein bei den Substanzen behandelt. Daneben gibt es zwei Arten von Texten, die wir für die Rekonstruktion von Thomas’ Substanzontologie heranziehen könnten: die Kommentare zu den Schriften des Aristoteles, insbesondere den Kommentar zu dessen Metaphysik,1 und die theologischen Schriften, insbesondere sein letztes großes Werk, die „Summe der Theologie“, die Summa Theologiae. In all diesen Texten geht es aber primär gerade nicht um die Entwicklung und Darstellung von Thomas’ eigenem philosophischen Denken. In den AristotelesKommentaren geht es um die Erklärung der Texte des philosophus, die von Thomas zwar möglichst kohärent interpretiert werden, aber doch eben die Auffassungen des heidnischen Philosophen Aristoteles darstellen, die selbst in Thomas’ Interpretation in vielerlei Hinsicht von seinen eigenen Ansichten abweichen. In den theologischen Schriften hingegen geht es zwar um die Verteidigung von Thomas’ eigener Auffassung, aber eben vor allem um seine Auffassung zu theologischen Problemen. Seine philosophischen Anmerkungen stehen in der „Summe“ im Kontext der Disputation konkreter theologischer Probleme, und uns wird stets nur der für diesen Kontext relevante Ausschnitt des philosophischen Hintergrundes präsentiert, vor dem Thomas jeweils argumentiert, so daß es für den Leser des Thomas nicht evident ist, ob sich all diese Ausschnitte auch zu einem kohärenten Bild zusammenfügen lassen. Für die Untersuchung von Thomas’ Substanzontologie werde ich mich daher zunächst auf die Frühschrift „Über das Seiende und das Wesen“ stützen. Dabei wird insbesondere Thomas’ Analyse der Substruktur der Substanzen im Zentrum stehen. Es wird sich zeigen, daß Thomas’ Substanzen alles andere als einfache, unstrukturierte oder nicht weiter analysierbare Entitäten sind. Thomas hat vielmehr sehr detaillierte Vorstellungen von der sub-substantialen Struktur des Seienden. Nach der Darstellung der sub-substantialen Ontologie des Thomas wende ich mich 1

Vgl. dazu die Studie von Doig 1972.

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einem exemplarischen theologischen Problemkontext zu, für den die Kategorie der Substanz relevant ist, nämlich der Frage, ob auch Gott eine Substanz ist. Das wird mir Gelegenheit geben, an diesem Beispiel zu zeigen, wie Thomas in der „Summe der Theologie“ zur theologischen Argumentation einerseits Auffassungen heranzieht, die er bereits in „Über das Seiende und das Wesen“ formuliert hat, wie er andererseits aber eine seiner frühen Auffassungen revidiert. Zunächst aber will ich unter Rückgriff auf den Metaphysik-Kommentar des Thomas kurz den ontologischen Rahmen skizzieren, in dem sich Thomas’ Diskussion in „Über das Seiende und das Wesen“ bewegt. 1. Die Substanz, das Seiende und die Kategorien Das lateinische Wort substantia ist zwar die lehnwörtliche Übersetzung des griechischen Wortes hypostasis, aber da die Bedeutung von hypostasis als philosophischer Fachausdruck zu einer der vielen Verwendungsweisen von ousia synonym ist, wird auch ousia oft mit substantia ins Lateinische übersetzt.2 Das griechische Wort ousia ist, wie gesagt, ein vieldeutiges Wort. In seiner Sammlung mehrdeutiger philosophisch relevanter Ausdrücke zählt Aristoteles vier Bedeutungen auf. Diese reichen von „materielles Einzelding“ über „intrinsische Seinsursache eines materiellen Einzeldings“ (seine Form) bis hin zu „dem, was es ist, ein solches zu sein“, dem to ti ên einai, dem Wesen eines Dinges, das in der Definition zum Ausdruck kommt (Met. V 8). Ein materielles Einzelding ist etwa ein Mensch wie Sokrates, seine intrinsische Seinsursache ist seine Seele und sein Wesen ist seine Menschhaftigkeit. Erstens ist ousia bei Aristoteles also das ultimative Subjekt von Prädikationen und damit der Hauptkandidat für das selbständig Seiende, da die ousia als ultimatives Subjekt Träger der Entitäten der anderen Kategorien ist: Qualitäten und Quantitäten benötigen stets eine Substanz als ihren Träger, und Relationen bestehen stets zwischen mehreren Substanzen. Einen solchen partikulären Träger von Quantitäten und Qualitäten nennt Aristoteles in der Kategorienschrift eine „erste Substanz“ (protê ousia, Cat. 5, 2a 11-14), und an diese ontologische Abhängigkeit der Entitäten der anderen Kategorien von einer Substanz kann Thomas anschließen, wenn er die Substanz als die erste unter den Entitäten bezeichnet.3 Aufgrund dieser Abhängigkeit faßt man die Entitäten der nicht-substantiellen Kategorien auch unter den Namen „Akzidenzien“ 2

Vgl. Halfwassen 1998. Vgl. auch Thomas, QL 2, 2, corpus articuli: „Suppositum autem est singulare in genere substantiae, quod dicitur hypostasis vel substantia prima“. 3 In Met. VII, lectio 1 n. 4: „substantia est prima inter alia entia“.

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zusammen und stellt sie so der Substanz gegenüber. Diese erste Hauptbedeutung von ousia entspricht der ersten der von Aristoteles in Metaphysik V 8 unterschiedenen Bedeutungen von ousia – „materielles Einzelding“. Zweitens ist ousia das, worauf man beim Beantworten einer „Was ist das?“-Frage verweist. Eine solche Frage beantwortet man aber mit dem Verweis auf die Art oder Gattung, der der Bezugsgegenstand der Frage zugehört, also mit dem Verweis auf etwas, das mehreren Individuen gemeinsam sein kann. Diese nennt Aristoteles in der Kategorien „zweite Substanzen“ (deuterai ousiai, Cat. 5, 2a 14-16).4 In seinem Metaphysik-Kommentar nennt Thomas drei Unterschiede zwischen den partikulären ersten Substanzen und universalen zweiten Substanzen. Erstens können die universalen Substanzen in Aussagesätzen von anderen Dingen prädiziert werden, die partikulären Substanzen hingegen nicht: „Sokrates ist ein Mensch“ ist ein sinnvoller Satz, „Das ist ein Sokrates“ eher nicht. Zweitens sind die partikulären Substanzen selbständig existierende Entitäten, die universalen Substanzen hingegen sind in ihrem Sein abhängig von den partikulären Substanzen, die sie instantiieren. Drittens finden sich die universalen Substanzen in vielen Einzeldingen, die partikulären Substanzen hingegen sind von allen anderen „getrennt und unterschieden“.5 Für ousia im Sinne der universalen zweiten Substanz stehen Thomas aus der spätantiken und arabischen Auslegungstradition die beiden Ausdrücke essentia und quidditas zur Verfügung, „Wesen“ und „Washeit“. Letzterer ist augenscheinlich von der Frage Quid est?, „Was ist das?“ hergeleitet, so wie der Ausdruck quantitas von dem Fragewort Quantum? („Wieviel?“) und qualitas von dem Fragewort Quale? („Wie beschaffen?) hergeleitet sind. Wesen und Washeit sind das, was von der Definition eines Dinges ausgedrückt wird.6 Eine Definition ist für Thomas nämlich im Anschluß an Aristoteles keineswegs nur ein Weg, einem neuen sprachlichen Ausdruck willkürlich eine Bedeutung zuzuweisen. Eine Definition ist für ihn 4

Wippel 1993, 107 warnt vor einer Identifizierung der beiden von Thomas im Metaphysik-Kommentar unterschiedenen Hauptbedeutungen mit der ersten bzw. zweiten Substanz der Kategorienschrift: „In particular, one should not identify substance taken as quiddity or essence with second substance.“ (Wippel 1993, 108) Während ich die Identifizierung in Bezug auf die hier besprochene Kommentarstelle für angemessen halte (Thomas spricht dort explizit von der substantia universalis; In Met. V l. 10, n. 903), stimme ich Wippel darin zu, daß das Bild bei Thomas im Ganzen vielfältiger ist, wie insbesondere die Diskussion von De ente et essentia zeigen wird. Vgl. auch Oeing-Hanhoff 1953, 96-97. 5 In Met. V, lectio 10 n. 903: „Primo quidem, quia substantia particularis non praedicatur de aliquo inferiori, sicut universalis. Secundo, quia substantia universalis non subsistit nisi ratione singularis quae per se subsistit. Tertio, quia substantia universalis est in multis, non autem singularis, sed est ab omnibus separabilis et distincta.“ 6 Vgl. z.B. In Met. V, lectio 10 n. 902: „quidditas rei, qum significat definitio“.

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vielmehr ein geeignetes Instrument, das Wesen einer Art oder einer Gattung sprachlich zu erfassen. Nach allgemeiner Auffassung der aristotelischen Tradition bildet man eine Definition per genus proximum et differentiam specificam – durch die Angabe der nächsthöheren Gattung und der spezifischen Differenz, die die zu definierende Art von den übrigen unter jene Gattung fallenden Arten unterscheidet.7 Das lateinische Mittelalter läßt sich von den arabischen Kommentatoren noch zu einer weiteren terminologischen Prägung inspirieren. Analog zur Prägung des Ausdrucks quidditas aus der Frage Quid est? wird nämlich auch der Ausdruck anitas aus der Frage An est? gebildet, die soviel heißt wie „Ob es es gibt?“.8 So wird es möglich, terminologisch zu unterscheiden, daß etwas ist und was es ist. Die Unterscheidung zwischen dem Was-Sein und dem Daß-Sein von etwas ist insbesondere relevant im Kontext der Schöpfungsvorstellung im Christentum. Die Überzeugung, daß die Welt durch die freie Entscheidung eines Schöpfergottes ins Sein gekommen ist, hat zuvor schon die islamische und jüdische Philosophie geprägt, die Thomas rezipiert,9 während die antike griechische Philosophie, für die Schöpfungsvorstellungen nicht derart zentral waren, eine solche Unterscheidung nicht ausgebildet hat.10 Mit der Unterscheidung zwischen Was-Sein und Daß-Sein kann nun vor dem Hintergrund eines Schöpfungsglaubens gedacht werden, daß viele Wesen möglich oder vorstellbar sind, die Gott aber nicht geschaffen hat, die Gott nicht ins Sein gerufen hat. Thomas selbst verwendet den Ausdruck anitas nicht. Er verwendet an seiner Stelle einfach das Wort esse. Wenn es ihm also darum geht, wie esse und essentia zusammenhängen, dann geht es um das Verhältnis von DaßSein und Was-Sein zueinander. 2. Die zusammengesetzten Substanzen in De ente et essentia Nach diesen Präliminarien können wir uns nun der Schrift „Über das Seiende und das Wesen“ zuwenden. Das Thema dieser Schrift ist die Frage, auf welche Weise Sein und Wesen, esse und essentia, in Dingen verschiedener Art vorgefunden werden.11 Zu den Entitäten, die Thomas in dieser Schrift diskutiert, gehören zwar auch Akzidentien, denen er ein „schwächeres“ Wesen „auf gewisse Weise und in bestimmter Hinsicht“ 7 Top. I 8, 103b 15: ho horismos ek genous kai diaphorôn estin. Vgl. Nobis 1972. 8 Vgl. Schulthess 1996, 61, 164, 191. 9 Vgl. Kahn 1976. 10 Vgl. exemplarisch Jansen 2004 zur Maimonides-Rezeption bei Thomas. 11 DEE, Prologus 7-8: „quid nomine essentie et entis significetur, et quomodo

diversis inveniatur“.

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zubilligt,12 aber vor allem behandelt er verschiedene Arten von Substanzen. Thomas behandelt getrennt voneinander zwei Arten von Substanzen.13 Die erste Art ist die aus Materie und Form zusammengesetzte Substanz (substantia composita). Zu dieser Art gehört auch der aus Leib und Seele bestehende Mensch. Die zweite Substanz-Art, die Thomas diskutiert, ist die „einfache“ Substanz (substantia simplex), die er auch als von Materie „getrennte“ Substanz bezeichnet (substantia separata), die eben nicht aus Form und Materie bestehen. Zu diesen zählt Thomas die menschliche Seele, die Engel – und Gott: substantia prima simplex […] Deus est (DEE 1, 63). Da wir Menschen dasjenige besser kennen, das uns vertrauter ist, beginnt Thomas mit der Diskussion der zusammengesetzten Substanzen. 2.1 Form, Materie und Kompositum Die Dinge, die uns in unserer Alltagswelt begegnen, gehören für Thomas zu den zusammengesetzten Substanzen. Auch hier ist Thomas fest in der aristotelischen Tradition verankert. Zusammengesetzt sind zusammengesetzte Substanzen aus einem bestimmten Stoff oder einer bestimmten Materie und einer bestimmten Form. Aristoteles erklärt dies anhand des Beispiels des Hauses (Met. VIII 2): Steine und Balken können einfach auf einem Haufen liegen. Dann bilden sie natürlich kein Haus. Sind sie allerdings so angeordnet, daß sie Menschen und Güter schützen können, dann ist aus ihnen ein Haus geworden. Ein Haus besteht also aus Steinen und Balken – der Materie des Hauses – und einer bestimmten Form, einer bestimmten Anordnung dieser Materie, die dazu führt, daß das Haus auch die Funktion eines Hauses ausüben kann, nämlich Menschen und Güter zu beschützen. In analoger Weise betrachtet Aristoteles (und ihm folgend auch Thomas) auch Lebewesen als aus Materie und Form zusammengesetzt. Die Materie eines Menschen bilden, unter anderem, Fleisch und Knochen, seine Form ist seine Seele. Dies entspricht auch Aristoteles’ Definition der Seele als „erste Vollendung eines natürlichen Körpers, der dem Vermögen nach Leben hat“ (entelecheia hê prôtô sômatos physikou dynamei zôên echontos, An. II 1, 412a 27-28). Aber was ist nun das Wesen, die essentia, einer solchen Substanz? Worauf verweist man, wenn man in Bezug auf das Haus oder den Menschen eine „Was ist das?“-Frage beantwortet? Thomas diskutiert vier Möglichkeiten, von denen er selbst die vierte favorisiert: Man verweist (1) 12

Vgl. DEE 1, 55-57: „essentia proprie et vere est in substantiis, sed in accidentibus est quodammodo et secundum quod.“ 13 Vgl. DEE 1, 58-59. Vgl. auch DEE 4, 61-65.

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auf die Materie allein, (2) auf die Form allein, (3) auf ein Verhältnis zwischen Materie und Form oder etwas anderes, das zu diesen hinzukommt (superadditum), (4) auf das aus Materie und Form Zusammengesetzte (compositum). Ich werde nun Thomas’ Argumente gegen die drei ersten Antwort-Möglichkeiten und für die vierte Antwort im einzelnen diskutieren: (1) Thomas führt zwei kurze Argumente gegen die Position an, das Wesen einer zusammengesetzten Substanz bestünde allein aus der Materie. Dabei geht er von den beiden Voraussetzungen aus, daß (a1) etwas aufgrund seines Wesens erkennbar ist und auch (b1) aufgrund seines Wesens in seine Art und Gattung eingeordnet wird. Zudem gilt: (a2) Nichts wird aber aufgrund seiner Materie erkannt, und (b2) nichts wird bloß aufgrund seiner Materie in Art und Gattung eingeordnet. Denn Fleisch und Knochen allein bestimmen noch nicht, ob ich es mit einem Menschen, einer Katze oder einem Kotelett zu tun habe. Mit dem Modus tollens folgt jeweils, daß die Materie allein nicht das Wesen sein kann. (2) Aber auch die Form allein kann nicht das Wesen einer zusammengesetzten Substanz ausmachen. Denn das Wesen ist das, was durch die Definition bezeichnet wird. Die Definitionen von natürlichen Substanzen (substantiae naturales) enthalten aber einen Hinweis auf die Materie, aus das jeweilige Ding besteht (vgl. Aristoteles, Met. VIII 2). Ansonsten würde es keinen Unterschied zwischen den Definitionen in der Mathematik und in den Naturwissenschaften geben (aliter enim diffinitiones naturales et mathematice non different, DEE 2, 16-17). Befürworter von Antwort (2) könnten versuchen, die von ihnen favorisierte Antwort noch zu retten. Sie könnten der Materie einen Platz in der Definition einräumen, aber behaupten, daß die Materie in der Definition lediglich wie ein Zusatz zum Wesen der zusammengesetzten Substanz angeführt wird (sicut additum essentie eius vel ens extra essentiam eius, DEE 2, 19-20). Thomas weist darauf hin, daß dieser Modus der Definition den Akzidentien eigentümlich ist. Diese haben kein „vollständiges Wesen“ (perfectam essentiam non habent, DEE 2, 21-22); sie können nicht selbständig existieren, sondern sind von einer Substanz als Träger ontologisch abhängig. Diese Trägersubstanz (sua subiectum, DEE 2, 23) muß auch in die Definition eines Akzidenz aufgenommen werden, obwohl der Träger selbst natürlich kein Akzidenz ist. Hier wird tatsächlich etwas „wie ein Zusatz oder ein Seiendes außerhalb des Wesens“ in die Definition aufgenommen. Da es uns aber um das Wesen der Substanz geht, ist den Befürwortern von Antwort (2) dieser Ausweg verschlossen: Sie würden den Unterschied zwischen Substanzen und Akzidenzien verwischen. (3) Weder Materie noch Form allein kann also das Wesen einer zusammengesetzten Substanz ausmachen. Besteht das Wesen einer zusammengesetzten Substanz dann vielleicht in einem bestimmten

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Verhältnis, in dem Form und Materie zueinander stehen, oder in irgendetwas anderem, das zu Form und Materie hinzukommt (aliquid superadditum, DEE 2, 28)? Beides, so Thomas, kann nicht sein. Denn eine Relation oder ein anderes superadditum wäre notwendigerweise ein Akzidenz und damit etwas, das außerhalb der Substanz selbst läge (hoc de necessitate esset accidens et extraneum a re, DEE 2, 28-29). Das Wesen der Substanz würde dann gar nicht zu ihr gehören. Etwas kann aber, so Thomas, nicht durch etwas erkannt werden, das außerhalb seiner selbst ist. Und noch einen anderen Grund gibt es für Thomas, diese Antwortmöglichkeit zu verwerfen: Eine Substanz entsteht, wenn sie ihr Wesen gewinnt; sie vergeht, wenn sie ihr Wesen verliert. Doch etwas, das zu einem Ding hinzukommt wie ein Akzidens, verleiht diesem Ding nicht seine Existenz, sein Sein schlechthin (esse actu simpliciter, DEE 2, 33-34), sondern nur eine bestimmte Eigenschaft, ein so-und-so-beschaffenes Sein (esse actu tale, DEE 2, 34). Eine solche Relation oder ein anderes superadditum kann also ebenfalls nicht das Wesen einer zusammengesetzten Substanz ausmachen. (4) Damit bleibt nur noch die von Thomas favorisierte Antwort übrig: Das Wort „Wesen“ bezeichnet bei den zusammengesetzten Substanzen das, was aus Materie und Form zusammengesetzt ist (compositum, DEE 2, 40). 2.2 Die Form als Seinsursache Aber auch für diese Position ergibt sich ein Problem: Die Form ist doch allein Ursache (causa) des Seins eines Dinges, aber in der Definition wird die Materie ebenfalls genannt (DEE 2, 54-57). Thomas versucht, diese Spannung mit einer Analogie aufzulösen; er greift dabei auf die traditionelle Erklärung der Geschmackswahrnehmungen (sapores) durch die Kombination von Elementareigenschaften zurück. Die Süße eines Lebensmittels entsteht dieser Theorie zufolge, indem das im Lebensmittel enthaltene Warme das im Lebensmittel enthaltene Feuchte auflöst (ex actione calidi digerentis humidum causatur dulcedo, DEE 2, 62-63). Zwar ist es das Warme, das das Auflösen des Feuchten überhaupt erst verursacht, aber die Süße wird dann durch das Warme und das Feuchte gemeinsam konstituiert. Die so entstandene Süße ist dann ausschlaggebend für das berechtigte Zuschreiben des Prädikats „süß“. Im Falle der zusammengesetzten Substanzen liegt der Fall für Thomas ganz analog: Zwar ist es die F-Form (z.B. die menschliche Seele), die die Absonderung der Materie zuallererst bewirkt, aber beide zusammen bilden sie das Kompositum, das ausschlaggebend für das F-Sein (z.B. das Menschsein) ist. Die folgende Übersicht veranschaulicht Thomas’ parallelisierende Erläuterung der beiden Prozesse:

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Das Warme → löst das Feuchte auf ↓ verursachen gemeinsam die Süße ↓ ist ausschlaggebend für das Prädikat „süß“

F-Form → sondert die Materie ab ↓ bilden gemeinsam das Kompositum ↓ ist ausschlaggebend für das F-Sein

2.3 Bezeichnete und nicht-bezeichnete Materie Thomas diskutiert noch ein zweites Problem, das man als Einwand gegen seine Position aufwerfen könnte. Ein gängiger Slogan der Metaphysik seiner Zeit (und auch von Thomas selbst) ist: „Die Materie ist das Prinzip der Individuation“ (individuationis principium materia est, DEE 2, 67). Es ist nicht schwer zu sagen, warum eine Kuh und ein Esel zwei Tiere sind, denn in diesen Fällen handelt es sich ja um zwei Exemplare unterschiedlicher Art. Auch eine braune und eine schwarze Kuh sind leicht an ihrer jeweiligen Farbe, also an ihren unterschiedlichen Akzidenzien als zwei unterschiedliche Tiere auszumachen. Aber ist es möglich, mehrere Kühe mit genau denselben Eigenschaften (derselben Farbe, derselben Größe, derselben Form ...) zu haben? Thomas würde sagen: Ja, das ist möglich, denn nicht die Unterschiede in den Eigenschaften machen es möglich, daß es mehrere Exemplare der Art Kuh gibt, sondern die Tatsache, daß sich die Kuhform in unterschiedlichen Materie-Paketen manifestiert. Die Tatsache, daß Tiere aus unterschiedlichen MateriePaketen, aus anderem Fleisch, anderer Haut und anderen Knochen, bestehen, ermöglicht also die Existenz einer Vielzahl von Kühen und sie würde auch bei vollkommener Übereinstimmung in den Akzidenzien eine Kuh von einer Artgenossin unterscheiden. Dies meint der Slogan von der Materie als Individuationsprinzip.14 14

Wippel 2000 versteht den Slogan von der Materie als Individuationsprinzip so, daß hier die „erste Materie“ (materia prima) gemeint ist, in der weder Formen noch Privationen aktualisiert sein sollen („id communiter materia prima nominatur quod est in genere substantiae, ut potentia quaedam intellecta praeter omnem speciem et formam, et etiam praeter privationem“; Spir. Creat. 1, corpus articuli). Diese Deutung mag für Spir. Creat. 1 zutreffen. In DEE jedoch wird die materia prima nur zweimal erwähnt, und zwar in 2, 237 und 4, 181, wo sie aber eine periphere Rolle spielt. Außerdem sprechen die Beispiele in DEE eindeutig dafür, daß die materia ultima (beim Menschen eben Fleisch und Knochen) gemeint ist. Wippels Formulierung „Prime matter is matter in the unqualified sense“ (Wippel 2000, 298) kann daher auf

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Wenn nun aber das Wesen nach Thomas’ Auffassung Materie enthält, dann scheint das Wesen damit automatisch ebenfalls etwas notwendig individuiertes, partikuläres zu sein, da es doch die Materie zusammen mit der Form umfaßt.15 Doch dann hätte das Allgemeine keine Definition, denn diese bezeichnet ja das Wesen, das ausschließlich partikulär zu sein scheint, da es doch die individuierende Materie umfaßt. Thomas löst dieses Problem, indem er zwei Arten von Materie unterscheidet: die „bezeichnete Materie“ (materia signata, DEE 2, 75) und die „nicht-bezeichnete Materie“ (materia non signata, DEE 2, 81). Materie wird „bezeichnet“ durch die Angabe ihrer räumlichen Ausdehnung. Materia signata ist also Materie, „insofern sie unter bestimmten Ausdehnungen betrachtet wird“ (que sub determinatis dimensionibus consideratur, DEE 2, 76-77). Durch die Angabe der drei räumlichen Dimensionen (Länge, Breite, Höhe) wird eine ganz bestimmte Menge Materie, also etwa „dieser Knochen und dieses Fleisch“ herausgegriffen. „Nicht-bezeichnete Materie“ hingegen wären „Knochen und Fleisch schlechthin“ (os et caro absolute, DEE 2, 83). Hier wird keine bestimmte Menge Materie herausgegriffen, sondern lediglich angegeben, von welcher Art die Materie zu sein hat. Es ist nun die nicht-bezeichnete Materie, die in der Definition der Allgemeinbegriffe vorkommt, und die bezeichnete Materie, die das Individuationsprinzip ist: In der Definition des Menschen hat ein Verweis auf bestimmte Mengen von Fleisch und Knochen nichts zu suchen, besteht doch jeder Mensch aus anderen Mengen von Fleisch und Knochen. Gäbe es hingegen eine Definition des Sokrates, so würde in dieser die bestimmte Materiemenge, aus der er besteht, vorkommen müssen. Denn es ist ja diese bestimmte Materie und nicht die mit vielen anderen geteilte Form, die ihn zu einem individuellen Menschen macht.16 2.4 Gattung, Art und Differenz An seine Ausführungen zum Unterschied von bezeichneter und nichtbezeichneter Materie schließt Thomas die Behauptung an, daß der Unterschied zwischen dem Wesen der Gattung und dem Wesen der Art ganz ähnlich konstituiert wird wie der zwischen bezeichneter und nichtbezeichneter Materie, wenn auch mit einer anderen Art der Bezeichnung

keinen Fall terminologisch vertreten werden: Das Wort materia ohne weitere Ergänzung bezeichnet eben zumeist die materia ultima, kaum die materia prima. 15 Vgl. DEE 2, 68-70: „videretur sequi quod essentia, que materiam in se complecitur simul et formam, sit tantum particularis et non universalis“. 16 DEE 2, 77-80.

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(alius modus designationis, DEE 2, 92): „denn die Bezeichnung17 des Individuums gegenüber der Art erfolgt durch die in ihren Ausdehnungen bestimmte Materie, die Bezeichnung der Art gegenüber der Gattung erfolgt durch die konstitutive Differenz, die von der Form des Dinges genommen wird.“18 Die spezifische Differenz ist aber dem Wesen der Gattung gegenüber nichts völlig Fremdes und nichts, was ganz von außen zu dieser hinzukäme: „Was auch immer in der Art ist, ist auf unbestimmte Weise (ut non determinatum, DEE 2, 100-101) auch in der Gattung.“ Damit ist nun nicht gemeint, daß alle Instanzen der Art auch Instanzen der Gattung sind. Das ist zwar auch richtig, aber dafür würde Thomas nicht die qualifizierende Phrase „auf unbestimmte Weise“ benötigen. Gemeint ist vielmehr, daß die die Art bildende spezifische Differenz bereits „auf unbestimmte Weise“ im Wesen der Gattung angelegt ist, was heißt, daß aufgrund des Gattungswesens noch nicht entschieden werden kann, ob einer Instanz der Gattung die spezifische Differenz zukommt oder nicht; beide Möglichkeiten müssen mit dem Wesen der Gattung kompatibel sein. Nicht nur Eigennamen wie „Sokrates“ oder die Artbezeichnung „Mensch“ bezeichnen den ganzen Menschen, sondern auch Gattungsbezeichnungen wie „Lebewesen“ (animal). Die Gattung, so Thomas, ist keineswegs ein bloßes pars integrale, denn es wird vom ganzen Menschen ausgesagt.19 Ein pars integrale ist ein (echtes) Teil eines aus ausgedehnten Teilen zusammengesetzten Ganzen.20 Ein pars integrale des Menschen ist etwa das Herz. Der Ausdruck „Herz“ benennt nun aber eindeutig nicht den ganzen Menschen, während der Ausdruck „Lebewesen“ sehr wohl den ganzen Menschen benennt. „Der Mensch ist ein Lebewesen“ ist daher ein wahrer, „Der Mensch ist ein Herz“ hingegen ein falscher Satz. 2.5 Körper als Ganzes und als Teil Hier ergibt sich wiederum ein Problem für seine Position, das Thomas diskutieren muß: Der Mensch ist ein dreidimensional ausgedehntes Ding. Einer der höheren Gattungsbegriffe, unter die der Mensch fällt, ist also „Körper“. Zugleich behauptet Thomas aber, daß der Mensch aus Körper und Seele besteht. Bezeichnet der Gattungsbegriff also doch nur einen Teil 17

Man beachte hier und passim den Ausgang des Thomas von der Ebene der sprachlichen Bezeichnungen. Dieses sprachanalytische Element bei Thomas ist ausführlich von Müller 1983 herausgearbeitet worden. 18 DEE 2, 92-96: „quia designatio individui respectu speciei est per materiam determinatam dimensionibus, designatio autem speciei respectu generis est per differentiam constitutivam que ex forma rei sumitur“. 19 Vgl. DEE 2, 101-104. 20 Vgl. Petrus Hispanus, Summule logicales, Tractatus V 14: „Totum integrale est quod est compositum ex partibus habentibus quantitatem et pars eius dicitur integralis.“ (Den Hinweis auf diese Stelle verdanke ich Klaus Jacobi.)

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des Menschen? Dieses Problem, so Thomas’ Diagnose, entsteht durch eine Mehrdeutigkeit des Wortes „Körper“. Zunächst steht das Wort „Körper“ für einen Gattungsbegriff (corpus secundum quod est in genere substantie, DEE 2, 110-111). Unter diesen Begriff fällt, was „eine solche Natur hat, daß in ihm drei Dimensionen unterschieden werden können“. Nimmt man allein diese drei Dimensionen, dann erhält man, was „Körper“ als quantitativer Begriff bezeichnet (corpus quod est in genere quantitatis, DEE 2, 114-115), also das Volumen, das ein dreidimensional ausgedehntes Objekt einnimmt. Zu einer solchen quantitativen Bestimmung durch eine bestimmte räumliche Ausdehnung könnte man sich nun andere Wesenseigenschaften (Thomas spricht von „Vollendungen“, perfectiones) hinzudenken, etwa Leben, Wahrnehmung und Vernunft. Dadurch würde man dann die Begriffe Lebewesen, Sinnenwesen und Mensch erhalten. Man kann den Begriff „Körper“ aber auch unter Ausschluß (cum precisione, DEE 2, 126) anderer Eigenschaften verwenden, also so, daß keine dieser anderen „Vollendungen“ zur räumlichen Ausdehnung hinzukommt. Auf diese Weise wird „Körper“ zu einer Bezeichnung für den Körper als integralis et materialis pars animalis, also als ausgedehnten und materiellen Teil des Lebewesens. Denn in der Verwendung cum precisione, also unter Ausschluß anderer Eigenschaften, ist das Verfügen über eine Seele oder gar über die Vernunft nichts, das schon im Körpersein enthalten wäre. Die Seele ist etwas, das außerhalb der Bedeutung (preter significationem) von „Körper“ in diesem Sinne liegt; sie ist etwas zum Körper Hinzukommendes (superveniens). Wird „Körper“ so verstanden, dann kann man sagen, ein Lebewesen werde aus „Seele und Körper wie aus Teilen (sicut ex partibus) zusammengesetzt“ (DEE 2, 133-134). Schließt man nun aber die anderen Vollendungen nicht aus, gelangt man zu der Art und Weise, auf die „Körper“ als Gattungsbegriff verwendet wird. Dann nämlich wird „Körper“ so verwendet, „daß es eine bestimmte Sache bezeichnet, die eine solche Form hat, daß aus ihr [der Form] drei Dimensionen in ihr [der Sache] bezeichnet werden können, welche Form auch immer jene sei – sei es, daß aus dieser andere höhere Vollendungen hervorgehen können, oder nicht“.21 Die Form, die einem so bezeichneten Körper zugeschrieben wird, könnte also eine menschliche, tierische oder pflanzliche Seele sein oder aber ‚nur‘ die Form eines Steines (sive anima, sive lapideitas, sive quecumque alia, DEE 2, 148). Es ist genau diese komplexere Form, die bei Menschen, Tieren, Pflanzen oder auch Steinen konstitutiv ist für die räumliche Ausdehnung und keine andere, von der Seele oder „Steinheit“ (lapideitas) verschiedene Form: „Die Seele ist 21

DEE 2, 135-140: „Potest etiam hoc nomen corpus hoc modi accipi ut significet rem quandam que habet talem formam ex qua tres dimensiones in ea possunt designari, quecumque forma sit illa, sive ex ea possit provenire aliqua ulterior perfectio, sive non“.

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nämlich keine andere Form als jene, durch die jenem Ding drei Dimensionen zugeschrieben werden können.“22 Die Form des Lebewesens ist, so Thomas, bereits „implizit“ in der Form des Körpers enthalten (forma animalis implicite in forma corporis continetur, DEE 2, 149-150): Die „höheren Vollendungen“ sind also Entfaltungen dessen, was in der KörperForm bereits in „eingefalteter Weise“ (implicite) enthalten ist. So gilt auch für das Verhältnis von Körper im Gattungssinn und Lebewesen, was Thomas zuvor von Gattung und Art im Allgemeinen gesagt hat: „im Lebewesen wird nichts angenommen, was nicht implizit im Körper enthalten ist“ (in animali nichil erit accipere quod non implicite in corpore contineatur, DEE 2, 141-142). 2.6 Die Analogie zwischen Gattung und Materie Was Thomas anhand des Beispiels „Körper“ erarbeitet hat, gilt entsprechend auch für das Verhältnis anderer Arten und Gattungen zueinander, etwa dem Verhältnis der Gattung Lebewesen und der Art Mensch zueinander. Auf der einen Seite könnte „Lebewesen“ wiederum unter Ausschluß einer anderen Vollendung verwendet werden (cum precisione alterius perfectionis, DEE 2, 154-155). Diese anderen Vollendungen kämen dann zum Lebewesen-Sein in diesem exklusiven Sinne hinzu wie ein Teil zu einem anderen (per modum compartis, DEE 2, 157) und gerade nicht so, als wären sie bereits implizit im Begriff des Lebewesens enthalten (non sicut implicita contenta in ratione animalis, DEE 2, 157-158). In diesem exklusiven Sinn kann „Lebewesen“ daher keine Gattung bezeichnen. Auf der anderen Seite kann „Lebewesen“ natürlich als Gattungsbegriff verwendet werden. Es steht genau dann für die Gattung „insofern es ein bestimmtes Ding bezeichnet, aus dessen Form Wahrnehmung und Bewegung hervorgehen kann, welche Form auch immer dies ist“.23 Wird „Lebewesen“ auf diese Weise gebraucht, bezeichnet es die Gattung und damit jeweils die unter diesen Begriff fallenden Dinge als Ganze, und nicht nur die Materie, zu der die Form noch hinzutreten müßte: „So bezeichnet also die Gattung auf unbestimmte Weise all das, was in der Art ist“.24 Analog bezeichnet für Thomas auch der Name für die spezifische Differenz das Ganze des bezeichneten Dinges und nicht nur die Form, 22

DEE 2, 142-144: „Non enim anima est alia forma ab illa per quam illa poterant designari tres dimensiones.“ 23 DEE 2, 159-162: „secundum quod significet rem quandam ex cuius forma potest provenire sensus et motus, quecumque sit illa forma“. 24 DEE 2, 164-165: „Sic ergo genus significat indeterminate totum id quod est in specie“.

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ebenso die Definition und auch die Artbezeichnung, wenn auch auf unterschiedliche Art (DEE 2, 164-194): • Die Gattungsbezeichnung bezeichnet das Materiale an einem Ding ohne Bestimmung der eigentlichen Form; die Gattungsbezeichnung ist daher „von der Materie hergenommen“, dennoch ist die Gattung von der Materie verschieden. Das Verhältnis der Gattung zur Materie ist vielmehr das der Analogie: Ausgedehntheit verhält sich zur Lebendigkeit, wie sich die Materie zur Form verhält. • Die Bezeichnung der Differenz ist eine von der bestimmten Form hergenommene Benennung (denominatio a forma determinata sumpta, DEE 2, 178-179), die von der materia determinata absieht. • Die Definition und die Artbezeichnung beziehen sich sowohl auf die bestimmte Materie (materia determinata), die vom Namen der Gattung (nomen generis) bezeichnet wird, als auch auf die bestimmte Form (forma determinata), die vom Namen der Differenz (nomen differentie) bezeichnet wird. Gattung, Differenz und Art verhalten sich für Thomas also analog (se habent proportionaliter, DEE 2, 196) zu Materie, Form und Kompositum, obwohl sie nicht mit diesen identisch sind (quamvis non sint idem quod illa, DEE 2, 197-198). Daß die beiden Begriffstriaden wohl voneinander zu unterscheiden sind, zeigt sich daran, daß etwa der Mensch zwar als vernunftbegabtes Lebewesen (animal rationale) definiert ist, er aber nicht aus Lebewesen und Vernunft zusammengesetzt ist (non ex animali et rationali, DEE 2, 202-203). Vielmehr besteht er aus Leib und Seele. Der Mensch ist also nicht aus Gattung und Differenz zusammengesetzt, sondern aus Form und Materie. Form und Materie betrachtet Thomas als zwei Entitäten, die zu einer dritten Entität zusammengeführt werden können. Aus Gattung und Differenz zusammengesetzt ist höchstens der Begriff (intellectus) des Menschen. Dieser „besteht“ aus Gattung und Differenz lediglich „wie ein dritter Begriff aus zwei [anderen] Begriffen“ (sicut intellectus tertius ex duobus intellectibus, DEE 2, 210): Der Begriff Mensch besteht aus der Konjuktion der Begriffe Lebewesen und Vernunftbegabtheit, die Entität Mensch hingegen ist die Zusammensetzung von Form und Materie.25 25

Auch wenn der Begriff Mensch aus einer Gattung und einer Differenz zusammengesetzt ist, heißt dies nicht, daß der Begriff Mensch selbst eine Gattung oder eine Differenz ist. Denn wenn etwas aus verschiedenen Sachen zusammengesetzt ist, übertragen sich die den Teilen zukommenden Prädikate nicht auf das Ganze. Holz ist ein Baustoff, aber die Hütte ist kein Baustoff, auch wenn sie aus Holz besteht. Entsprechendes gilt auch für Begriffe: Die Definition wird nicht Gattung oder Differenz genannt, obwohl sie aus diesen besteht. Vgl. DEE 2, 217-222: „sicut res

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Der augenfälligste Unterschied zwischen Form und Materie auf der einen Seite und Art und Gattung auf der anderen Seite ist aber ihre ganz unterschiedliche Existenzweise: Form und Materie sieht Thomas als Dinge in der Welt an (oder zumindest als Aspekte von Dingen in der Welt). Gattungen, Differenzen und Arten verortet Thomas aber, wie wir noch sehen werden (Kap. 2.8), auf der Ebene unserer Begriffe von den Dingen in der Welt, also Dinge in unserem Geist.26 2.7 Wesen als Ganzes und als Teil Die Gattung bezeichnet also das „ganze“ Wesen der Art. Hier könnte man ein Problem sehen: Die verschiedenen Arten einer Gattung haben doch ganz unterschiedliche Wesen. Wenn nun „Lebewesen“ das Wesen etwa des Menschen als Ganzes bezeichnet, wie kann „Lebewesen“ dann gleichzeitig auch das Wesen des Schäferhundes und des Regenwurmes bezeichnen? Indem, so Thomas’ Antwort, die Bezeichnung als Lebewesen nicht alle Details des Wesens festlegt, sondern „Unbestimmtheiten“ und „Ununterschiedenheiten“ verwendet. Aus diesen Unbestimmtheiten und Ununterschiedenheiten ergibt sich dann die „Einheit der Gattung“ (unitas generis ex ipsa indeterminatione vel indifferentia procedit, DEE 2, 226227). Für die beiden Arten, über das Wesen des Menschen zu reden, stehen Thomas auch zwei Wörter zur Verfügung: homo und humanitas. Beide Ausdrücke bezeichnen das Wesen des Menschen, wenn auch, wie Thomas sagt, „auf verschiedene Weise“ (diversimodi, DEE 2, 294): Mit homo bezeichnet man „die Art, insofern sie das Ganze, was wesentlich in dem Individuum ist, bezeichnet“ (significet totum id quod essentialiter in individuo est, DEE 2, 250-251), auch wenn die konkrete Ausprägung der entsprechenden Eigenschaft unbestimmt sein kann (licet indistincte, DEE 2, 252). Wenn wir ein bestimmtes Individuum, also etwa Sokrates, als Menschen bezeichnen, dann verwenden wir dieses Wort homo in dem erläuterten Sinn. Mit humanitas hingegen bezeichnet man die „Natur der Art unter Ausschluß der bezeichneten Materie, die das Prinzip der Individuation ist“.27

constituta ex aliquibus non recipit predicationem earum rerum ex quibus constituitur, ita nec intellectus recipit predicationem eorum intellectuum ex quibus constitutur: non enim dicimus quod diffinitio sit genus aut differentia“. 26 Sie sind also, wie Kenny 2002, 18 formuliert, keine „items in the world“, sondern „items in the mind“. 27 Vgl. DEE 2, 255-256: „natura speciei cum precisione materie designate que est principium individuationis“.

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Während also „Sokrates ist Mensch“ (Socrates est homo)28 ein wahrer Satz ist, ist „Sokrates ist Menschlichkeit“ (Socrates est humanitas) ein falscher Satz. Denn die humanitas verhält sich also zu Sokrates „nach Art eines Teils“ (per modum partis, DEE 2, 256-257) und wird deswegen nicht von Sokrates prädiziert. Das Wort humanitas bezeichnet „das, wodurch der Mensch Mensch ist“ (id unde homo est homo, DEE 2, 258-259). Dies ist aber die substantielle Form des Menschen. Die bestimmte bezeichnete Materie kann hingegen für das Menschsein nicht relevant sein, weil unterschiedliche Menschen aus ganz verschiedene Materie-Paketen bestehen. Die bezeichnete Materie ist daher kein Bestandteil der humanitas, und die humanitas ist deswegen tatsächlich ein echter Teil des Menschen, dessen Name – wie bei echten Teilen im Allgemeinen – nicht auf das Ganze des Menschen übertragen werden kann. Wir sagen weder, daß der Mensch die Menschlichkeit wäre, noch das Sokrates die Menschlichkeit wäre: sowohl homo est humanitas als auch Socrates est humanitas sind falsche Aussagen. Da nun sowohl Socrates est homo gilt, als auch Homo est essentia, gilt auch Socrates est essentia. Wenn wir als vom Wesen als Ganzem (ut totum, DEE 2, 295) sprechen, können wir Sokrates als ein Wesen ansehen. Denn dann schließen wir die bezeichnete Materie nicht aus, sondern erachten sie als implizit im Wesen enthalten (non precedit designationem materie sed implicite continet eam et indistincte, DEE 2, 296-297), wie Thomas zuvor schon gesagt hat, daß die Differenz implizit in der Gattung enthalten ist. Wenn wir jedoch vom Wesen als Teil (ut partem, DEE 2, 300) sprechen, also von der humanitas des Sokrates, wird die bezeichnete Materie wie auch alles andere Individuierende ausdrücklich ausgeschlossen. Dadurch ist die humanitas nur ein Teil von Sokrates, und damit gilt: „Das Wesen des Sokrates ist nicht Sokrates“ (essentia Sortis non est Sortes, DEE 2, 307-308). 2.8 Wesen als Art und Gattung Sehr ausführlich diskutiert Thomas im dritten Kapitel von „Über das Seiende und das Wesen“ wie sich das Wesen zu den Begriffen Art, Gattung und Differenz verhält. Mensch, Pferd und Regenwurm sind ohne Zweifel Arten, Lebewesen und Körper sind Gattungen. Doch dann ergibt sich ein Problem, daß sich in folgendem Trugschluß niederschlägt:

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Um der Verständlichkeit willen wähle ich für die Beispielsätze die Vollform des Namens „Socrates“, obwohl die Handschriften stets die Kurzform „Sortes“ verwenden.

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Thomas von Aquin Sokrates ist Mensch. Socrates est homo. Mensch ist eine Art. Homo est species. Also: Sokrates ist eine Art. Ergo: Socrates est species.

Die Konklusion ist ohne Zweifel falsch. Natürlich ist Sokrates keine Art, sondern ein Individuum. Doch der Schluß geht von wahren Prämissen aus; er muß also ungültig sein. Aber warum? Moderne Philosophen könnten die Ungültigkeit des Schlusses durch eine mengentheoretische Reformulierung aufzeigen, in der die Kopula „ist“ als Mengenzugehörigkeit aufgefasst wird. „Sokrates ist Mensch“ wird dann übersetzt als „Sokrates ist ein Element der Menge der Menschen“, „Mensch ist eine Art“ als „Mensch ist Element der Menge der Arten“ und „Sokrates ist eine Art“ als „Sokrates ist ein Element der Menge der Arten“. Die Prämissen des obigen Arguments lauten in dieser mengentheoretischen Übersetzung: S∈M

Sokrates ist ein Element der Menge der Menschen.

M∈A

Die Menge der Menschen ist ein Element der Menge der Arten. Die angebliche Konklusion des obigen Arguments lautet dann: S∈A Sokrates ist ein Element der Menge der Arten. Doch gerade das folgt nach den Gesetzen der Mengenlehre nicht aus den Prämissen, denn für die Elementbeziehung gibt es kein Transitivitätsgesetz, das den Schluß erlauben würde. Anders sähe es aus, wenn die zweite Prämisse behaupten würde, daß die Menge der Menschen eine Teilmenge der Menge der Arten wäre. Doch dann wäre der Schluß zwar gültig (aus S ∈ M und M ⊆ A folgt S ∈ A), das Argument aber immer noch nicht stichhaltig, denn eine der Prämissen wäre falsch: Menschen sind nun einmal Individuen und keine Arten, und damit ist auch die Menge der Menschen keine Teilmenge der Menge der Arten. Thomas löst das Problem ebenfalls dadurch, daß er den Schluß als ungültig ansieht. Und zwar diagnostiziert Thomas (auch wenn er dies nicht explizit so nennt) eine quaternio terminorum: Thomas macht eine Doppeldeutigkeit des Mittelbegriffs „Mensch“ des Syllogismus aus, an dem die Gültigkeit des Schlusses schließlich scheitert. Welcher Art ist nun diese Doppeldeutigkeit? Zunächst führt Thomas aus, daß man das menschliche Wesen auf zwei Weisen betrachten kann (DEE 3, 26-51): Die absolute Betrachtungsweise (absoluta consideratio) sieht all das am Wesen, was ihm eigentümlich ist und ihm notwendigerweise zukommt, während die zweite Betrachtungsweise all dasjenige sieht, was ihm dadurch zukommt, daß es „in diesem oder jenem“ realisiert ist (secundum esse quod habet in hoc vel in illo, DEE 3, 46-47). Wenn Sokrates eine weiße Hautfarbe hat, gibt es ein

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weißes menschliches Wesen – ebenso gibt es schwarze oder gebräunte menschliche Wesen. Die Hautfarbe kommt dem Wesen des Menschen nicht an sich, absolut betrachtet, zu, sondern nur akzidentell, also dadurch, daß es menschliche Individuen gibt, die diese oder jene Hautfarbe haben. Ein Wesen wie „Mensch“ oder „Pferd“ hat nun, so Thomas, „ein zweifaches Sein“ (duplex esse): „eines in den Einzeldingen und das andere in der Seele“ (unum in singularibus et aliud in anima, DEE 3, 52-53). Auf die eine Weise gibt es das Wesen Pferd also in den einzelnen Pferden, also etwa in Bucephalus und Black Beauty. Zum anderen bildet ein diese Pferde betrachtendes Erkenntnissubjekt in seinem rationalen Seelenteil, der nach Aristoteles als forma formarum alle Formen aufnehmen kann (An. III 9, 432a 1-2), den Begriff des Pferdes und eine Vorstellung von Pferden. Auf diese Weise existiert das Wesen des Pferdes auch in den Seelen von Menschen als Erkenntnissubjekten. Durch dieses zweifache Sein löst Thomas auch das Grundproblem des Universalienstreits, wie denn ein Wesen eines und doch zugleich in vielen Einzeldingen sein kann. Denn das Wesen als in der Seele befindliches kann in einer Zeichen- oder Stellvertreterrelation zu vielen Einzeldingen stehen. Thomas vergleicht es mit einer Statue, die viele Menschen repräsentiert – etwa eine Statue der liebenden Mutter, die ein Zeichen für jede der vielen liebenden Mütter ist. Durch die Unterscheidung zwischen der absoluten und akzidentellen Betrachtungsweise des Wesens einerseits und der Unterscheidung zwischen dem Sein des Wesens in den Einzeldingen und in der Seele andererseits löst sich für Thomas auch der zu Beginn dieses Abschnitts diskutierte Trugschluß: „Und weil es der menschlichen Natur ihrer absoluten Betrachtungsweise nach zukommt, daß sie von Sokrates prädiziert wird, und der Begriff der Art ihr nicht gemäß ihrer absoluten Betrachtungsweise nach zukommt, sondern gemäß den akzidentellen Eigenschaften, die ihr zukommen gemäß des Seins, das sie im Verstand hat, deshalb wird der Name „Art“ nicht von Sokrates ausgesagt, wie wenn gesagt würde, daß Sokrates eine Art ist.“29

Wenn wir Thomas’ Vorschlag folgen und die von ihm diagnostizierte Doppeldeutigkeit explizit machen, müssen wir die beiden Prämissen des Trugschlusses wie folgt reformulieren: Sokrates kommt die Natur des Menschen absolut betrachtet zu. Die menschliche Natur ist eine Art, insofern sie Sein im Verstand hat. 29

DEE 3, 120-127: „Et quia nature humane secundum suam absolutam considerationem convenit quod predicatur de Sorte, et ratio speciei non convenit sibi secundum suam absolutam considerationem sed est de accidentibus que consequntur eam secundum esse quod habet in intellectu, ideo nomen speciei non predicatur de Sorte ut dicatur Sortes est species“.

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In dieser Formulierung ist nun die Doppeldeutigkeit von „Mensch“ expliziert: In der ersten Prämisse ist vom Wesen des Menschen an sich die Rede, in der zweiten Prämisse vom Wesen des Menschen, insofern es Sein im Verstand eines rationalen Wesens hat. Damit fehlt der einheitliche Mittelbegriff und es ist daher offensichtlich, daß man aus diesen beiden Prämissen nicht auf „Sokrates ist eine Art“ schließen kann. 3. Die Struktur der einfachen Substanzen Außer den nun ausführlich dargestellten „zusammengesetzten“ Substanzen kennt Thomas, wie gesagt, noch die „einfachen“ Substanzen (substantiae simplices), die eben nicht aus Materie und Form zusammengesetzt sind, sondern keine Materie enthalten und deswegen von Thomas auch als (von Materie) „getrennte“ Substanzen bezeichnet werden (substantiae separatae). Mit dieser ontologischen Kategorie versucht Thomas, ein recht weites Gegenstandsfeld abzudecken, der von der menschlichen Seele über die Engel und Dämonen und – zumindest in „Über das Seiende und das Wesen“ – weiter zu Gott geht. Die Welt der Engel und Dämonen, das Mittelfeld dieses Gegenstandsfeldes, ist der Moderne fremd geworden: Wer elektrisches Licht oder ein Radio benütze, so Rudolf Bultmanns pointierte Formulierung, könne nicht mehr an Dämonen glauben.30 In der Philosophiegeschichte hingegen war die Existenz von Engeln und Dämonen von der Antike bis in die Neuzeit ein Gemeinplatz. Bis in die Neuzeit gilt es als Aufgabe der Metaphysik, die von Materie getrennten Substanzen zu behandeln, zu denen ganz wie in „Über das Seiende und das Wesen“ Engel und Dämonen, die menschliche Seele und Gott gezählt werden.31 Schon Aristoteles führt in dem schon erwähnten Kapitel über die verschiedenen Bedeutungen von ousia die daimonia als vielversprechende Kandidaten für den Substanzstatus auf. Aristoteles meint mit diesem Wort vermutlich die Himmelskörper, die er für notwendigerweise und ewig existierende Wesen hält und denen er göttlichen Status zuschreibt.32 Da die Himmelskörper wechselnde Orte einnehmen, verfügen sie für Aristoteles über Materie (Aristoteles nennt sie hylê topikê, „Ortsmaterie“33) – sie können zu verschiedenen Zeitpunkten konträre Eigenschaften annehmen, nämlich sich an unterschiedlichen Orten befinden. Andererseits können die 30 31

Bultmann 1941, 18. Vgl. Micraelus 1662, 654: „Metaphysica dividitur in generalem [...] & in specialem, qua ens consideratur in istis speciebus substantiarum, quae ab omni materia sunt absolutae, ceu sunt Deus, angeli & anima separata“. 32 Vgl. Ross 1924, I 310 zu Met. V 8, 1017b 12. 33 Diese Bezeichnung findet sich in Met. VIII 1, 1042b 6. Vgl. dazu auch Met. VIII 4, 1044b 7-8, IX 8, 1050b 1; XII 2, 1069b 24-26; XII 7, 1072b 4-6.

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Himmelskörper nicht aus den vier üblichen Elementen Feuer, Erde, Wasser und Luft bestehen, denn diese können sich ineinander umwandeln und damit wäre es möglich, daß die Himmelskörper vergehen, was aber mit ihrer notwendigen und ewigen Existenz unvereinbar ist. In seinem Kommentar zu dieser Stelle versteht Thomas Aristoteles allerdings so, als ob er nicht über Himmelskörper, sondern über Dämonen (daemones) spricht. Darunter versteht Thomas entweder, wie viele Kirchenväter, heidnische Gottheiten – „Götterbilder, die in Tempeln aufgestellt sind und für Götter gehalten werden“ – oder aber „gewisse vernunftbegabte Lebewesen“ (quaedam animalia rationabilia, In Met. V l. 10 n. 898). Als Herkunft dieser Auffassung verweist Thomas auf die Platoniker, und er erläutert sie näher mit Hilfe der Definition des spätantiken Platonikers Apuleius: „Dämonen sind Lebewesen mit lufthaftem Körper, vernunftbegabtem Geist, rezeptiver Seele und von ewiger Dauer.“34 Im Gegensatz zu dieser Definition des Apuleius35 will Thomas den getrennten Substanzen keinerlei Gemeinschaft mit der Materie erlauben; nicht einmal einen „lufthaften“ Körper will Thomas den Engeln und Dämonen zubilligen. Thomas begründet dies, vor dem Hintergrund der Aristotelischen Psychologie, mit dem Erkenntnisvermögen der getrennten Substanzen (ex virtute intelligendi, DEE 4, 12). Man sollte meinen, Annahmen über das Erkenntnisvermögen von Engeln und Dämonen seien ähnlich spekulativ wie die Frage nach ihrem Körper. Aber Thomas muß gar keine Annahmen über Engel und Dämonen machen, um etwas über das Erkenntnisvermögen getrennter Substanzen auszusagen, denn er zählt die menschliche Seele ja ebenfalls zu den getrennten Substanzen, und mit deren Erkenntnisvermögen ist Thomas (und sind wir) aus eigener Erfahrung bestens vertraut. Die menschliche Seele kann nun aber vermittels eines begrifflichen Verstehens die Formen der Dinge erkennen. Eine Form kann aber nur dann tatsächlich erkannt werden, wenn sie von aller Materie getrennt wird. Diese Loslösung von aller Materie wäre aber nicht möglich, würde die Seele selbst materiell sein.36 Wenn nun aber die getrennten Substanzen tatsächlich nicht über Materie verfügen, dann fällt diese als Individuationsprinzip weg: Sie kann nicht länger, wie bei den aus Materie und Form zusammengesetzten Substanzen Ursache dafür sein, daß es eine Mehrzahl von Individuen einer Art gibt. 34

In Met. V l. 10, n. 898: „Daemones sunt animalia corpore aërea, mente rationalia, animo passiva, tempore aeterna.“ 35 Und im Gegensatz zu dem jüdischen Philosophen Avincebron (vgl. DEE 4, 7) und den meisten franziskanischen Theologen (Belege bei Maurer 1949, 43, Anm. 1). 36 Vgl. DEE 4, 14-18: „[...] formas non esse intelligibiles in actu nisi secundum quod separantur a materia et a conditionibus eius, nec efficiuntur intelligibiles in actu nisi per virtutem substantie intelligentis, secundum quod recipiuntur in ea et secundum quod aguntur per eam.“

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Trotzdem soll es auch nach Thomas eine Vielzahl von Engeln geben, kennt die Bibel doch viele verschiedene Engel und ganze „himmlische Heerscharen“ (Lk 2, 13; vgl. Ps 103, 21). Beim Propheten Daniel heißt es gar in der Beschreibung einer nächtlichen Vision: „Tausend mal Tausende dienten ihm, zehntausendmal Zehntausende standen vor ihm“ (Dan 7, 10).37 Wenn es nun aber von jeder Art Engel nur ein einziges Exemplar geben kann, es aber trotzdem eine Vielzahl von Engeln geben soll, dann kann dies nur der Fall sein, wenn es eine Vielzahl von Arten von Engeln gibt. Engel kann es von jeder Art nur einen geben; jeder Engel bildet seine eigene Art, ist sui generis.38 Die einzige getrennte Substanz, von der es eine Mehrzahl von Exemplaren einer Art gibt, bleibt die menschliche Seele, der es, Thomas zufolge, eigentümlich ist, sich mit einem materiellen Körper zu einer zusammengesetzten Substanz zu verbinden.39 Engel können sich auch ähnlich sein, wenn sie etwa zur gleichen Gattung gehören. Die Gattungen fassen also mehrere Engel zu Gruppen zusammen (wie etwa den Seraphim oder den Cherubim). Aber wie ist eine Hierarchie von Arten und Gattungen in der Engelwelt überhaupt möglich? Wie auch bei den Arten und Gattungen der zusammengesetzten Substanzen entstehen die Arten und Gattungen der getrennten Substanzen durch das sukzessive Hinzufügen spezifischer Differenzen – „auch wenn deren eigentliche Differenzen uns verborgen sind“, wie Thomas schreibt.40 Jede Differenz, die bei einer untergeordneten Art hinzutritt, ist wiederum implizit in der Gattung enthalten. In der ganz weit oben im Porphyrischen Baum angesiedelten Gattung „getrennte Substanz“ sind all diese Differenzen nur implizit enthalten, während sie im Prozeß der Bildung von Untergattungen und schließlich von Arten nach und nach „expliziert“, also entfaltet werden. So kann Thomas davon sprechen, daß es bei den getrennten Substanzen zwischen menschlicher Seele und Gott zu einer graduellen Abnahme von Potentialität kommt, bis man schließlich bei Gott, der reine Aktualität ist, angekommen ist.41 Diese Potentialität ist kein auf Bewegung und Veränderung bezogenes Vermögen, wie es ursprünglich die Aristotelische dynamis war.42 Thomas’ Auffassung kann 37

Diese Schriftstelle zitiert Thomas in der „Summe der Theologie“ als sed contra bei der Behandlung der Frage, ob es eine große Zahl von Engeln gibt (STh 50, 3: „Utrum angeli sint in aliquo magno numero“). 38 Vgl. DEE 4, 86: „[...] oportet ut non inveniantur in illis substantiis plura individua eiusdem speciei, sed quot sunt ibi individua tot sunt ibi species, ut Avicenna expresse dicit.“ 39 Vgl. DEE 5, 56: „[...] in talibus substantiis non invenitur multitudo individuorum in una specie, ut dictum est, nisi in anima humana propter corpus cui unitur.“ 40 DEE 5, 75: „invenitur in eis genus et species et differentia, quamvis earum differentie proprie nobis occulte sint.“ 41 Vgl. DEE 5, 106-110: „Una enim substantia separata convenit cum alia in immaterialitate, et differunt ab invicem in gradu perfectionis secundum recessum a potentialitate et accessum ad actum purum.“ 42 Vgl. Met. V 12; IX 1. Vgl. dazu Jansen 2001.

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aber dann ein guter Sinn abgewonnen werden, wenn man annimmt, daß ein Engel genau dann potentiell F ist, wenn er zwar nicht F ist, er aber zu einer Gattung gehört, in der F implizit enthalten ist. Und F ist genau dann implizit in einer Gattung enthalten, wenn es eine unter diese Gattung fallende Engel-Art gibt, die F ist – bzw., was in diesem Fall dasselbe ist, ein unter diese Gattung fallendes Engel-Individuum, das F ist. 4. Ist Gott eine Substanz? In „Über das Seiende und das Wesen“ reicht die Sphäre der getrennten Substanzen von der menschlichen Seele bis zu Gott. Thomas behandelt Gott also als eine Substanz – zwar als eine besondere Substanz, aber eben als eine Substanz unter anderen Substanzen. Gott ist die erste einfache, materielose, Substanz (substantia prima simplex, DEE 1, 63). Von den drei von Thomas unterschiedenen Arten, wie eine Substanz ein Wesen haben kann, wird die eine nur von Gott instantiiert, „dessen Wesen sein Sein selbst ist“.43 Thomas zeigt nacheinander, daß es (a) höchstens ein solches Seiendes geben kann und daß es (b) mindestens ein solches Seiendes als prototypische Ursache alles anderen Seienden geben muß (DEE 4). In der gebetshaften Schlußsequenz der Schrift ist aber ein Problem angelegt, das Thomas später dazu gebracht hat, die in „Über das Seiende und das Wesen“ vertretene Position zu revidieren. Dort schreibt er nämlich, daß Gott aufgrund seiner Einfachheit kein Gattungs- oder Artbegriff zugesprochen werden kann und daß ihm damit auch keine Definition als Ausdruck seines Wesens entsprechen kann.44 Das Problem ergibt sich aus der aristotelischen Auffassung der Kategorien als oberste Gattungen.45 Denn wenn „Substanz“ ein Ausdruck ist, der eine oberste Gattung bezeichnet, und Gott eine Substanz ist, dann ist „Substanz“ ein Ausdruck für eine Gattung, der Gott angehören würde. In seinen späteren Schriften entschließt sich Thomas, dieses Problem dadurch zu lösen, daß er von der Zugehörigkeit Gottes zur Kategorie der Substanz abrückt.46 In der „Summe der Theologie“ legt er diese Lösung durch eine einfache Überlegung nahe: 43

DEE 5, 2-5: „Invenitur enim triplex modus habendi essentiam in substantiis. Aliquid enim est sicut Deus cuius essentia est ipsumet suum esse“. 44 DEE 6, 168-170: „non convenit ratio generis aut speciei et per consequens nec diffinitio propter suam simplicitatem“. Vgl. auch DEE 5, 8: „Et sequitur quod ipse non sit in genere“. 45 Vgl. Aristoteles, Phys. III 1 200b 34; Met. III 3, 1008b 22-27; XI 9, 1065b 9; XII 4, 1070b 1 f. 46 Eine harmonisierende Lesart der Differenzen zwischen DEE und STh hat Legenhausen 2007 vorgeschlagen. Vgl. Legenhausen 2007, 133: „we do not find an explicit denial of the earlier view (that God is a substance, the first simple substance), although the position that God does not belong to the genus of substance is maintained

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„Die Gattung ist begrifflich früher (prius in intellectus) als das, was in ihr enthalten ist. Aber nichts ist früher als Gott, weder der Sache noch dem Begriff nach (nec secundum rem, nec secundum intellectum). Also ist Gott nicht in irgendeiner Gattung.“ (STh I 3, 5 sed contra)

Thomas untermauert seine Entscheidung mit drei weiteren Argumenten: (1) Das erste Argument geht von der Voraussetzung aus, daß das Verhältnis der Gattung zu der implizit in ihr enthaltenen spezifischen Differenz analog zum Verhältnis zwischen Potenz und Akt ist. Eine solche Potentialität ist in Gott aber nicht anzunehmen (vgl. STh I 3, 1); daher kann er nicht wie eine Art zu einer Gattung gehören.47 (2) Das zweite Argument geht von der Voraussetzung aus, daß eine Gattung stets mit Hilfe „von außen“ in ihre Arten ausdifferenziert wird: Die spezifischen Differenzen fallen selbst nicht unter die Gattung, die sie ausdifferenzieren. Da nun aber in Gott Wesen und Sein zusammenfallen, müßte die Gattung, der Gott angehört, das Sein sein, da die Gattung ja zum Wesen gehört. „Sein“ kann aber kein Ausdruck für eine Gattung sein, wie Thomas im Anschluß an Aristoteles ausführt, weil es außerhalb des Seienden keine Differenzen gibt, mit deren Hilfe eine einheitliche oberste Gattung des Seienden in Arten differenziert werden könnte. (3) Das dritte Argument geht schließlich davon aus, daß allen Dingen, die eine bestimmte Gattung instantiieren, das zu dieser Gattung gehörende Wesen gemeinsam ist. Dieses Wesen, das ihnen gemeinsam ist, kann aber nicht ihr Sein sein, denn: „Hinsichtlich ihres Seins unterscheiden sie sich, das Sein des Menschen und das des Pferdes ist nicht dasselbe, noch das von diesem Menschen und jenem Menschen.“ Denn, so könnte man diese Aussage wohl motivieren, es könnte ja sein, daß dieser Mensch existiert, wenn jener nicht existiert, und umgekehrt: Ihr Sein ist also voneinander völlig unabhängig. Wenn etwas also einer Gattung angehört, muß in ihm

throughout.“ Eine solche Position ist nur dann sinnvoll, wenn Substanzen gar keine Gattung bilden, wenn mithin die Kategorien keine obersten Gattungen wären. Hätte Thomas diese Position vertreten, hätte er sich allerdings wesentlich einfacher gegen die von ihm referierten Einwände verteidigen können. Selbstverständlich behauptet Thomas weiterhin die These von der ontologischen Unabhängigkeit Gottes; er will aber ebenso den Charakter der Kategorien als oberste Gattungen beibehalten. 47 Thomas’ Formulierung, es sei unmöglich, daß Gott „wie eine Spezies zu einem Genus gehöre“ („impossibile est quod sit in genere tamquam species“), mag die Überlegung nahelegen, daß Gott dann eben nicht wie eine Art zur Gattung Substanz gehöre, sondern wie ein Individuum. Um aber ein Individuum unter anderen Individuen einer Gattung zu sein, müßte Gott ebenfalls in irgendeiner Weise strukturiert sein, um mit diesen anderen Individuen etwas, aber nicht alles gemeinsam zu haben. Eine solche innere Struktur schließt Thomas aber (in den verschiedenen Artikeln von STh I 3) kategorisch aus.

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das Sein vom Wesen verschieden sein.48 Per Kontraposition folgt wiederum, daß Gott keiner Gattung angehört. Die Position, die Thomas in der „Summe der Theologie“ vertritt, ist stark von dem islamischen Philosophen Avicenna (980-1037) beeinflusst.49 Der wird nun aber auch „Über das Seiende und das Wesen“ immer wieder erwähnt, und auch das ausschlaggebende Genus-Argument klingt dort bereits an (DEE 5, 5-10). Wieso vertritt– bei so starken Argumenten – Thomas dort noch die Auffassung, daß Gott eine Substanz ist? Die Antwort ist wahrscheinlich, daß er sowohl der Autorität des Philosophus Aristoteles, als auch dem Sprachgebrauch der alten Kirche folgt. In der Nikomachischen Ethik nennt Aristoteles Gott (ho theos) als ein Beispiel für das Gute in der ersten Kategorie des „was es ist“ (en tôj ti, EN I 4, 1096a 24). Da die erste Kategorie in der Kategorienschrift als ousia bezeichnet wird (Cat. 5), kann Thomas das quodquidest, das „was es ist“, in der Nikomachischen Ethik durch eine Gleichsetzung mit substantia erklären.50 In der Nikomachischen Ethik wird Gott also, so könnte Thomas geschlossen haben, als Substanz kategorisiert. Zudem bezeichnet Aristoteles die ewigen Beweger der Himmelssphären regelmäßig als ousia – was mit „Wesen“ oder eben mit „Substanz“ übersetzt werden kann.51 Für Aristoteles haben alle diese ewigen Beweger eben aufgrund ihrer Ewigkeit göttlichen Status, der Monotheist Thomas hingegen identifiziert den ersten dieser ewigen Beweger mit Gott52 – und hat damit ein Autoritätsargument dafür, ihn als Substanz zu kategorisieren. In der alten Kirche spielten die Wörter ousia und substantia eine wichtige Rolle in den Auseinandersetzungen um die Trinität und um das Verhältnis der göttlichen und der menschlichen Natur in Jesus Christus. Sowohl das vom Konzil von Nizäa (324) beschlossene Glaubensbekenntnis, als auch das traditionell dem Konzil von Konstantinopel (381) zugeschriebene „Große Credo“ formulieren, Gott Sohn wäre „von gleichem Wesen wie der Vater“ (homoousion tô patri).53 (Man beachte, daß hier nicht von Gott als solchem die Rede ist, sondern von zwei Personen der Trinität, und daß die Konzilien das zweistellige Relationsprädikat „… und ist von gleichem Wesen wie ---“ verwenden und

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STh I 3, 5 corpus articuli: „quaecumque sunt in genere, differant in eis esse et quod quid est, idest essentia“. 49 Vgl. dazu Gilson 1974, Legenhausen 2007. 50 Vgl. In EN I, lectio 6, n. 80 („bonum invenitur in eo quodquidest, idest substantia“) und n. 81 („Sicut in quodquidest, idest substantia, bonum dicitur Deus, in quo non cadit malitia […]“). 51 Vgl. z.B. Met. XII 7, 1073a 3-7 und XII 8 1073a 14 und 1073a 26-b 3. 52 Vgl. die prima via in STh I 2, 3 c.: „Ergo necesse est devenire ad aliquod primum movens, quod a nullo movetur: et hoc omnes intelligunt Deum.“ 53 Denzinger/Hünermann 1997, n. 125 und n. 150.

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nicht die einstellige Kategorien-Zuschreibung „… ist eine Substanz“.)54 Zwar war der Sprachgebrauch in der alten Kirche derart umstritten, dass Kaiser Konstantius (317-361) um des Religionsfriedens willen auf den Synoden von Smyrna (in den 350er Jahren) mehrfach daraufhinwirkte, Ausdrücke wie ousia und homousion nicht nur in den Synodentexten selbst zu vermeiden, sondern ihre Verwendung in theologischen Kontexten sogar zu unterbinden.55 Aber dieser Versuch des Konstantius war nicht von dauerhaftem Erfolg. Schon wenige Jahrzehnte später faßt Augustinus (354430) den Sprachgebrauch der Kirche so zusammen, daß die Griechen Gott als „eine ousia – drei hypostaseis“ beschreiben, was die Lateiner als „eine essentia“ oder „eine substantia“ und „drei personae“ wiedergäben.56 Gott selbst wird von Augustinus umstandslos und „ohne Zweifel“ als eine ousia und eine substantia bezeichnet.57 Und so könnte Thomas sich für seine ursprüngliche These auf niemand geringeren als Augustinus berufen, dem theologischen Referenzautor des lateinischen Mittelalters schlechthin. Weitere Elemente von Thomas’ früherer Motivation finden wir möglicherweise in den Einwänden wieder, mit denen er sich anläßlich der Frage nach der Substantialität Gottes in der „Summe“ auseinandersetzt. Zwei Gründe führt er an, die zunächst dafür zu sprechen scheinen, daß Gott unter die oberste Gattung Substanz zu zählen ist: Zunächst sei eine Substanz doch eine unabhängige Entität (ens per se subsistens, STh I 3, 5 arg. 1) und Gott die in höchstem Maße unabhängige Entität. Zudem sage Averroes, der commentator des Aristoteles, das Gott das „Maß aller Substanzen“ sei (mensura omnium substantiarum, STh I 3, 5 arg. 2), ein jedes Ding werde aber durch etwas aus seiner eigenen Gattung gemessen. Der erste Einwand geht für Thomas fehl, weil die ontologische Unabhängigkeit kein hinreichendes Kriterium für Substanz-Sein ist. Die Formulierung ens per se subsistens sei keineswegs ein Synonym zu „Substanz“,58 denn der Ausdruck „Substanz“ bezeichnet zwar Entitäten, 54

Dies gegen von Wachter 2007, 237, der behauptet, das Konzil habe Gott als ousia bezeichnet. Von Wachter will die Substanzialität Gottes verteidigen, ohne selbst eine Substanzontologie verteidigen zu wollen. Er zeigt dafür, daß Gott eine Reihe von notwendigen Kritierien für Substanz-Sein erfüllt, behauptet aber auch selbst nicht, daß diese gemeinsam hinreichend für das Substanz-Sein sind. 55 Vgl. Hammerstaedt 1994, Spp. 1015-1018 56 Augustinus, Trin. V 8, 43-44: „Dicunt quidem et illi hupostasin, sed nescio quid uolunt interesse inter ousian et hupostasin ita ut plerique nostri qui haec graeco tractant eloquio dicere consuerint mian ousian treis hupostaseis, quod est latine, unam essentiam tres substantias. Sed quia nostra loquendi consuetudo iam obtinuit ut hoc intellegatur cum dicimus essentiam quod intellegitur cum dicimus substantiam, non audemus dicere unam essentiam, tres substantias, sed unam essentiam uel substantiam.“ – Thomas setzt sich mit diesem Sprachgebrauch insbesondere in STh I 39, 2 auseinander („Utrum sit dicendum tres Personas esse unius essentiae“). 57 Augustinus, Trin. V 2, 1: „Est tamen sine dubitatione substantia uel si melius hoc appellatur essentia, quam graeci ousian uocant.“ 58 Vgl. dazu Gilson 1974.

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denen ein unabhängiges Sein zukommt, aber nur solche, bei denen das Wesen vom Sein verschieden ist.59 Der zweite Einwand hingegen bezieht seine Prämisse aus dem Bereich des Qualitativen, wo das Maß zum Messenden in einem bestimmten Verhältnis steht (mensura proportionata) und deswegen tatsächlich dem zu messenden gleichartig sein muß (homogeneam mensurato, STh I 3, 5 ad 2). Gott steht jedoch zu keinem Ding in irgendeinem Maßverhältnis. Gott wird daher aus einem anderen Grund als das Maß aller Ding bezeichnet: weil nämlich ein jedes Ding „soviel vom Sein hat, wie es Gott nahekommt“.60 5. Eine systematische Würdigung In der katholischen Tradition wurde Thomas zum kanonischen Philosophen schlechthin. So schrieb Papst Paul VI., wir besäßen „in den Werken des hl. Thomas in der Tat ein Kompendium universaler und fundamentaler Wahrheiten, die in klarster Form und auf eine sehr überzeugende Weise dargestellt werden.“61 Viele Ausleger des Aquinaten sehen ihre Aufgabe daher darin, „den Schatz eines reichen metaphysischen Denkens auch für die Gegenwart auszulegen und zu bewahren“ (Elders 1981, 7). In der jüngsten Zeit sind Kenner seines Werkes aber auch zu der Überzeugung gekommen, „daß sich Thomas’ Philosophie [...] als uneinheitlich und nicht harmonisierbar erweist“ (Kühn 1982, XXVI). Aus den vielen einzelnen Bemerkungen, die Thomas in die theologischen Disputationen einstreut, läßt sich ihrer Meinung nach mithin kein kohärentes Hintergrundbild rekonstruieren. Insbesondere die Seinslehre des Thomas ist harscher Kritik ausgesetzt gewesen: Bei diesem Thema, so Anthony Kenny, erleben wir „a philosopher at his weakest“ (Kenny 2002, x), und selbst „der wohlwollendsten Behandlung dieser Lehren“ könne es nicht gelingen, „sie ganz vom Vorwurf der Sophisterei und Illusion freizusprechen“ (Kenny 1999, 99; 1980, 60). Hinsichtlich der Seinslehre kommt Kenny somit zu dem Schluß: „on this crucial topic this first-rank philosopher was thoroughly confused“ (Kenny 2002, v). Ziel dieses Beitrags war weder eine konsistente Gesamtinterpretation von Thomas’ Ontologie noch eine umfassende Widerlegung dieser

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STh I 3, 5 ad 1: „substantiae nomen non significat hoc solum quod per se esse: quia hoc quod est esse, non potest esse genus, ut ostensum est. Sed significat essentiam cui competit sic esse, idest per se esse: quod tamen esse non est ipsa ejus essentia.“ 60 STh I 3, 5 ad 2: „Dicitur tamen mensura omnium, ex eo quod unumquodque tantum habet de esse, quantum ei appropinquat.“ 61 Acta Apostolica Sedes 56 (1964), 303; zit. nach Elders 1971, 7.

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Vorwürfe.62 Ziel war vielmehr ein kurzer Abriß der Substanzontologie des Thomas, wobei ich der Frage nach der inneren Struktur der Substanz, der sub-substantialen Ontologie, besonderes Augenmerk geschenkt habe. Dieser Ausschnitt aus Thomas’ Ontologie ist auch heute noch ein spannendes Lehrstück, da in der gegenwärtigen ontologischen Debatte der Struktur der Substanz zumeist keinerlei Aufmerksamkeit zuteil wird63 oder aber eine jegliche Struktur geleugnet und als Unmöglichkeit abgetan wird.64 Meine Ausführungen sollten aber gezeigt haben, daß eine ernstzunehmende Theorie sub-substantialer Ontologie durchaus möglich und auch sinnvoll ist.65 Literatur Antike und mittelalterliche Texte An. : Aristoteles, De anima, ed. W. D. Ross, Oxford University Press: Oxford 1956 (OCT). Cat.: Aristoteles, [Kategorienschrift], in: Categoriae et liber de interpretatione, ed. L. Minio-Paluello, Oxford University Press: Oxford 1949 (OCT). Met.: Aristotle’s Metaphysics, ed. and comm.. W. D. Ross, Clarendon Press: Oxford 1924. Phys.: Aristoteles, Physica, ed. W. D. Ross, Oxford University Press: Oxford 1982. Top.: Aristoteles, Topica, ed. W. D. Ross, Oxford University Press: Oxford 1958. Trin.: Augustinus, De Trinitate, ed. W. J. Mountain, Brepols: Turnhout 1968 (Corpus Christianorum. Series Latina 50-50A). Sum. log.: Petrus Hispanus, Tractatus called afterwards Summule Logicales, ed. L. M. de Rijk, van Gorcum: Assen 1972. DEE: Thomas von Aquin, De ente et essentia, in: Opera Omnia iussu Leonis XIII P. M. edita, Bd. 43, Rom 1976, 367-381. [Zitiert wird nach der Kapiteleinteilung der Editio Leonina (die den Text in 6 Kapitel einteilt) und den dort angegebenen Zeilennummern. Die konsequente „u“62

Durch die Übersetzung in ein formales Kalkül und die Angabe eines Modells für dieses führt Meixner 1991 und 1996 den Nachweis, daß eine konsistente Interpretation von Thomas’ Ontologie möglich ist. 63 Für eine Diskussion der Ausnahmen vgl. Hübner 2007. 64 Vgl. z.B. Grossmann 1983, 153: „Since there are no complex properties, there are also no individual essences.“ 65 Für wertvolle Hinweise zu früheren Versionen dieses Textes danke ich Johannes Hübner und Niko Strobach.

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Schreibung der Leonina wurde wieder auf eine gemischte „u“/„v“Schreibung umgestellt.] In EN: Thomas von Aquin, In decem libros Ethicorum ad Nichomachum expositio, ed. R. Spiazzi, Marietti: Turin/Rom 1949. [Zitiert wird nach der Gliederung in Büchern (die den Büchern der Aristotelischen Metaphysik entsprechen) und lectiones sowie nach den Absatznummern der Marietti-Ausgabe.] In Met.: Thomas von Aquin, In duodecim libros Metaphysicorum Aristotelis Expositio, ed. M.-R. Cathala und R. Spiazzi, Marietti: Turin/Rom 1964. [Wird wie In EN zitiert.] QL : Thomas von Aquin, Quaestiones Quodlibetales, ed. R. Spiazzi, 8. rev. Aufl., Marietti: Turin/Rom 1949. Spir. Creat.: Thomas von Aquin, Quaestio Disputata De Spiritualibus Creaturis, ed. M. Calcaterra, T.S. Centi, in: Quastiones Disputatae, vol. II, 8. rev. Aufl., Marietti: Turin/Rom 1949, 363-415. STh: Thomas von Aquin, Summa Theologiae, ed. P. Caramello cum textu ex recensione Leonina, Marietti: Turin/Rom 1952-1956. [Zitiert wird nach der Gliederung in pars (römische Zahlen), quaestio und articulus (arabische Zahlen) sowie dem jeweiligen Teil des Artikels, auf den verwiesen wird.] Sekundärliteratur Bultmann, R. (1941), „Neues Testament und Mythologie. Das Problem der Entmythologisierung der neutestamentlichen Verkündigung“, ND in: Hans Werner Bartsch, Kerygma und Mythos. Ein theologisches Gespräch, 2. Aufl., Hamburg-Volksdorf 1951, 15-48. H. Denzinger, P. Hünermann (Hgg.), Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, 37. Aufl., Freiburg /Brsg.: Herder 1991. Doig, J. C. (1972), Aquinas On Metaphysics. A historico-doctrinal study of the Commentary on the Metaphysics, Nijhoff: Den Haag. Elders, L. J. (1981), Die Metaphysik des Thomas von Aquin in historischer Perspektive, I. Teil: Das ens commune, Anton Pustet: Salzburg-München (= Salzburger Studien zur Philosophie 16). Gilson, E. (1974), „Quasi Definitio Substantiae“, in: A. Maurer (Hg.), St. Thomas Aquinas 1274-1974. Commemorative Studies, Pontificial Institute of Mediaeval Studies: Toronto, Bd. 1, 110-129. Grossmann, R. (1983), The Categorial Structure of the World, Indiana University Press: Bloomington. Halfwassen, J. (1998), Art. „Substanz/Akzidens I. Antike“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 10, Schwabe: Basel, Spp. 495-507.

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Carl Ledsham: Duns Scotus In this essay, I consider John Duns Scotus’ account of substance under the following heads: (I) context and significance, (II) basic theoretical orientation (his rather specialised theories of the common nature, intuition and abstraction), (III) substance and concept-formation (showing that he held, surprisingly, that we do not have knowledge of substances in this life) (IV) the categories (V) individuation (highlighting his rather unique conception of an intrinsic real principle of individuation) (VI) transubstantiation (with regards to which his theorising is quite radical, undermining inherence in favour of metaphysico-theological dependence), (VIII) conclusions. I Context and Significance While insisting on his adherence to traditional authorities in his opinions (in accord with the prevailing academic style), John Duns Scotus (1265?1308) is a pivotal revisionary figure in medieval scholasticism, as he sometimes breaks with preceding traditions regarding substance. This is especially evident in his three commentaries on the Sentences of Peter Lombard, but can also be seen in his Quodlibeta, and in his commentaries on Aristotle’s logical works and metaphysics.1 Almost all Scotus’ genuine 1

W. Courtenay, “Philosophy in the context of Sentences commentaries” in G. Fioravanti (ed.), Il commento filosofico nell’occidente latino (secoli XIII-XV), (Rencontres de philosophie médiévale, v. 10, Turnhout, Brepols, 2002, pp. 447-467). pp. 466-7 gives a defence of Sentences commentaries as a rich source of philosophy, even though they emerge from a theological institutional and literary setting. This is particularly true for Scotus. See J. I. Catto, “Theology and theologians 1220-1330” in The history of the university of Oxford (v. 1, Oxford, 1986, pp. 471-519), p. 506. There are three versions of Scotus’ Sentences commentary prologues: the Lectura, the Ordinatio, and the Reportata Parisiensis. The early and truncated Oxford Lectura (1296-1299?) and the large, crucial and influential Oxford Ordinatio (1299-1300?, Bk. 3: 1304?) have many similarities. The Reportata Parisiensis (1302-1304?) is underexplored and exists in several versions, yet it is historically influential. Furthermore, there are also his surviving commentaries on some of the works of Aristotle, including the De Anima, the Metaphysics, and some of the logical works. Regarding the chronological and authenticity issues concerning Scotus’ commentaries (without considering the Metaphysics), see G. Pini, “Duns Scotus’ commentary on the topics: new light on his philosophical teaching” in AHDLMA (v. 66, 1999, pp. 225-243), pp. 226-228, 241-243. – I make reference to the modern critical edition of his various Sentences commentaries, i.e. Johannes Duns Scotus, Opera omnia, Civitas Vaticana,

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works were written to fulfil the academic requirements of the medieval university system. However, his degree of precision and the length of his treatment sometimes reoriented existing literary genres and his style is unusually dry and technical, with a limited vocabulary and a convoluted structure of argument.2 Philosophically, Scotus was recognised as offering novel positions on the relation of a thing’s essence to its individuation, on the categories as classifications of different kinds of essence, and, theologically, on the transubstantiation. Moreover, his framework for discussing substance is a contingent universe created by the omnipotent God of Christianity,3 and his repositioning of Aristotelian doctrines of substance in this new framework is radical by comparison with figures as close to his time as Aquinas, whose thought is still marked by an assimilationist tendency regarding necessitarian pagan philosophy. Scotus is also considered the most intricate of the medieval thinkers among the Franciscan religious order.4 Typis Polyglottis Vaticanis. 1950-. Works that have not been critically edited in these editions are cited similarly, but to the volume and page number of the nineteenth century Vivès edition (1891-5), i.e. Johannes Duns Scotus, Opera omnia. Editio nova iuxta editionem Waddingi. (L. Vives, Paris, 1891-5), which is itself a modern reprint of the Wadding edition (1639). Both the Vatican and the Vivès edition are referenced: Lect/Ord. Bk. X, D. X, [pt.X] q. X. Vat/Viv. X, p. X, where Lect is Lectura and Ord is the Ordinatio, and Vat/Viv. mark the Vatican (critical) or the Vivès edition. For Scotus’ philosophical works, the questions on the Metaphysics referenced: In Met, Bk. X, n. X, p. X., referring to: Ioannis Duns Scoti, Opera Philosophica III: Quaestiones super libros metaphysicorum Aristotelis Libri I-V, R. Andrews, G. Etzkorn, et. al. (eds). St. Bonaventure, Franciscan Institute Publications, 1997 and Ioannis Duns Scoti, Opera Philosophica IV: Quaestiones super libros metaphysicorum Aristotelis Libri VIIX, R. Andrews, G. Etzkorn et. al. (eds.), St. Bonaventure, Franciscan Institute Publications, 1997, respectively. The questions on Porphyry's Isagoge and Aristotle's Categories are referenced: In Porph., and In Cat, referring to: Ioannis Duns Scotus, Opera Philosophica I: Quaestiones in Librum Porphyrii Isagoge et Quaestiones super Praedicamenta Aristotelis, R. Andrews, G. Etzkorn et. al. (eds.), St. Bonaventure, Franciscan Institute Publications, 1999. 2 Scotus is explicit that hyperbolic or metaphorical language is not scientific or philosophical (Ord. Bk. 2, D. 7, q. un., Vat. 8, p. 87) and was unimpressed by (neo-) Platonism; his general tendency is to eschew the literary relish of mystification or metaphor in favour of a scientific theology, where terms are explained by simple examples. This gives his work a rigour reminiscent of analytic philosophy. Yet this resemblance is only stylistic – transubstantiations, miracle stories, prophetic geopolitics and succubus- and incubus-demonologies are also processed ‘Scotistically’ in his work (see for example Ord. Bk. 2, D. 8, q. un., Vat. 8, pp. 121-131). Yet Scotus was also more careful than most scholastics in keeping the articles of faith in the background when engaged with a philosophical issue. For these reasons, his theological texts could be utilised in later centuries within emergent traditions of natural theology and apologetics. 3 For a description of the flavour of Scotus’ handling of the relationship between faith and reason (or theology and philosophy), see D. Burr, “Scotus and Transubstantiation”, in Mediaeval Studies (V. 34, 1972, pp. 336-360). 4 After Scotus, there was a small Scotist school that persisted throughout the Middle Ages without ever gaining prominence compared with other schools of thought.

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II Basic theoretical orientation Herein I consider three background issues to Scotus’ view on substance. First, his theistic framework (especially the concept of contingency). Second, his views on our cognitive and epistemic limitations in this life, with an excursus on his distinction between intuitive and abstractive cognition. Third, his conception of ‘quiddity’ and ‘quidditative entity’; that is, his basic view on the relation between common natures, universals, and particular things in the world. (1) Scotus’ doctrines on substance are set within a framework that differs radically from that of Aristotle in that Scotist substances act within a natural order that is the contingent creation of God.5 While it might be necessary for substances to act in a certain way according to the universal rules or laws of created things considered potentia ordinata (that is, in relation to a lawlike system of created things with which ‘new’ creative acts must cohere)6, these governing principles are not themselves underpinned by a necessitated nature, but by God, who freely but with reason (i.e. not randomly or chaotically) creates a world of substances that act necessarily according to their natures.7 God’s power can be considered However, in the 16th and early 17th centuries, Scotus’ works appeared in ‘digest’ form, and became influential, even though key Aristotelian presuppositions that were touchstones in medieval scholasticism no longer functioned as such among early modern thinkers. For a summary of these developments, see L. Honnefelder, Johannes Duns Scotus (Beck: München, 2005), ch. 5.1-5.3. G. Pini, “Scotistic Aristotelianism: Antonius Andreas’ and in L. Sileo (ed.). Via Scoti – Methodologica ad mentem Joannis Duns Scoti (Edizioni Antonianum, Rome, V. 1, 1995. This volume hereafter SILEO), pp. 375-379. 5 For the purpose of this essay, I do not consider the concept of substance in relation to the Godhead. For Scotus’ views on this, see R. Cross, “Duns Scotus on divine substance and the trinity” in Medieval Philosophy and Theology (V. 11, n. 2, 2003, pp. 181-201). Nor do I deal with Scotus’ nuanced account of the incarnation in relation to the constitution of substances. For this, see R. Cross, The metaphysics of the incarnation: Thomas Aquinas to Duns Scotus (OUP, Oxford, 2002. Hereafter Cross, Incarnation). I also leave out the extremely difficult topic of the relationship between created essences and their existence in the mind of God as ideas; their modal status, and Scotus’ account of their emergence as possible essences. For this, see T. Hoffmann, Creatura Intellecta: Die Ideen und Possibilien bei Duns Scotus mit Ausblick auf Franz von Mayronis, Poncius und Mastrius (Aschendorff, Münster, 2002). 6 For this conception of the law-governedness of created things in general, see Ord. Bk. 2, D. 7, q. un., Vat. 8, p. 102. 7 For details on this, see A. vos Jaczn, “The theoretical centre”, in SILEO, pp. 455474, and J. R. Söder, Kontingenz und Wissen (Aschendorff, Münster, 1999). On the background of the distinction, with Scotus’ position and its subsequent elaboration by Scotists, see W. Courtenay, Capacity and volition: a history of the distinction of absolute and ordained power (Pierluigi Lubrina, Bergamo, 1990). For Scotus’ position in particular, see pp. 100-103, and W. Courtenay, “The dialectic of omnipotence in the high and late middle ages” (ch. 15) in T. Rudavsky (ed.), Divine omniscience and omnipotence in medieval philosophy (D. Reidel, Dordrecht, 1984), pp. 253-254.

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absolutely (potentia absoluta; that is, prior to, and unconstrained by any system or part-creation). Scotus’ conception of contingency breaks the link between acting perpetually (or always) and acting necessarily: a thing acts in the same way in all cases, but still does so contingently, because the opposite possibility could be realised at any time, even if the possibility is only relative to God’s own nature (i.e. potentia absoluta and not potentia ordinata). This doctrine is the background for Scotus’ need to qualify the way in which accidents inhere necessarily in substances, because the idea that accidents necessarily inhere in a substance takes on a different meaning in his Christian-absolutely-contingent framework, than that which it has under Aristotelian presuppositions. (2) Scotus’ theological orientation also creates an issue with regard to the status of our cognition. He distinguishes between our human nature and our state in this life. In hac vita sometimes refers to the limitations of our cognitive capacities as reliant on our bodies, especially as we live after the Fall.8 The implications of embodiment need to be sketched not only by reference to Scotus’ theory of cognition, but also his doctrine of intuitive and abstractive cognition. The theories of cognition and anthropology are important, because the relation of the substantial form in an external object to one’s knowledge of its essence varies according to whether the percipient thereof is man, God, or an angel. This is true in most medieval theologian-philosophers, but is very prominent in Scotus, and indeed in a strengthened form, because the modes of knowledge are qualified not only with regard to natures but also with regard to the state that a particular nature is in. This relativisation of cognition according to the state of the knower is evident in Scotus’ distinction between intuitive and abstractive cognition. His account of intuition and abstraction develops throughout his writings, mostly because of his increasing concern to preserve cognition of the separated human soul after death.9 Intuitive cognition (or, synonymously, vision) is cognition of the substance itself as present, and abstractive cognition is of the thing as a species or a universal, prescinding from its

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For a general description, see K. Pichl, “Die Philosophie des pro isto statu und die gegenwärtige philosophische Anthropologie“ in Deus et Homo ad mentem I. Duns Scoti (v. 5, pp. 259-268, Studia Scholastico-Scotistica, Rome 1972), pp. 261-263. 9 O. Boulnois, “La présence chez Duns Scot” in SILEO (pp. 95-119), p. 109. On the development of the doctrine, see A. Wolter, “Duns Scotus on intuition, memory, and our knowledge of individuals” in The philosophical theology of Duns Scotus, (Cornell U. P. Cornell, 1990, pp. 98-122). Hereafter: Wolter, Intuition. He is motivated to postulate such a division on theological grounds, namely, to justify the manner in which we will have direct knowledge of God face to face (e.g. Quodlibet q. 6, n. 8, Viv. 25, p. 244, Wolter, Intuition, p. 104), and to deal with Christ’s divine and human knowledge (Wolter, Intuition, pp. 114-116) and to explain our knowledge while disembodied and awaiting the resurrection. (Wolter, Intuition, pp. 117-120).

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presence; it is a species (i. e. a kind of representation of the thing).10 The early Scotus claims that intuitive cognition is not possible in this life, but holds that it is in his mature works.11 (3) A third presupposition of Scotus’ view (generally speaking) about natures and essences derives from his adherence to the Avicennian tradition on quiddities, wherein a common nature of itself is neither universal nor particular, and neither one nor many.12 Scotus interprets Avicenna’s dictum “equinitas sit tantum equinitas” (horseness is just horseness) to mean that of itself a nature is not a singular, nor a plurality, nor a universal in act (in the way that something can be a universal as an object in the intellect). It becomes particularised in an object or an understood universal by a two-step (structural, not temporal) process of contraction. This Avicennian view of common natures is not only true of the essence (in the sense of a substantial form) of a substance, but also true of the other structural parts of a substance. This extended sense of essence is consistent consonant with Scotus’ view of the categories are exactly a classification of real essences (see s. IV below). One should note that the thesis that the matter in a substance must have its own quiddity implies that it cannot be (a per se unintelligible) pure potentiality. Regarding the intellect, the order of comprehension of a common nature is first ‘of nature’ (or, to use a modern term, its ‘content’), and this content does not include the universality acquired by being in the intellect. For any universal in the intellect, its very universality is understood as the mode of the common natures’ being in the intellect, but its universality is not in included in the concept of the common nature itself. Likewise, when a 10

In Met. Bk. 2, q. 2-3, n. 81, p. 225. The question of whether Scotus is a representationalist seems to depend on exactly what one implies by the term. He is Aristotelian enough not to have an early modern ‘picture theatre’ view of representation, wherein a self views the external world only through the intermediaries of representations (e.g. ideas). Instead cognition arises from sensation, and sensation from the body, so the cognising agent is not external to the world in one of the senses that representationalism requires. Further, Scotus does not concede ‘evil demon’ or ‘deceiving God’ theorising in which the possibility of false intuitions is countenanced; this sort of theorising is a later development of the nominalists. 11 For example, he suggests that, were we disembodied, we would have cognition like an angel. Lect. 2, D. 12, q. 6, n. 291, Vat. 18, p. 58, Quodlibet q. 6, n. 8, Viv. p. 244. Wolter, Intuition, p. 108. Scotus argues for its impossibility in this life on the grounds that a human potency for intuition would know the absence of the thing as well as its presence, and also whether the thing were absent, but in this life it does not. In Met. Bk. 2, q. 3, n. 81-82, pp. 224-225. In this early period, Scotus is Aristotelian in claiming that the universal is known by the intellect and the particular by the sense. (The possibility of our having intuitive cognition in this life is first tentatively conceded in In Met. Bk. 2, q. 3). 12 See G. Pini, “Scotus’s Essentialism. A critique of Thomas Aquinas’ doctrine of essence in the Questions on the Metaphysics” in Documenti e Studi sulla Tradizione filosofica medievale (V. 14, 2003, pp. 227-263. Hereafter Pini, Essentialism).

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nature is contracted to particularity in reality outside the intellect, the particularisation is a second step, and is understood to be the mode in which the common nature has, but it is not the ‘content’ of the common nature itself.13 Likewise common natures can be contracted to a particular outside the mind, that is, to take on existence in the mode of particular. Considered per se, a composite substance’s quiddity, its accidents, form, and matter do not have their own individuating principles (i.e. the famous haecceitates – see s. IV below) that render them, respectively, this essence, this accident, this form or this matter.14 When they are contracted to a particular, each becomes unified with a haecceity to be a particular instance of per se nature which it is, and then unified with the other components to constitute a substance. The process of unification to make a substance is discussed at s. IV, below. Even though it exists in the mode of particularity or universality, is per se indifferent to being in the intellect or to being in some particular real individual substance.15 This strange conception of natures as having (mental) universals or (real-world) particulars means that, regarding individuation, Scotus is not a simple realist, nor a nominalist, nor even a conceptualist. He shows a realist tendency in asserting that the per se being of the common nature is outside the intellect and somehow prior to both universality and particularity, although strictly speaking. As universals are only in the mind, and the common nature as it exists in reale is always a particular, there is also a sense in which he could be classed as a conceptualist or a (weak) nominalist. This two step process from per se common natures as ‘content’ to their being universalised in intellectu or particularised in reale is different from Aquinas’ view that the mode of being of the nature is determined with its content, and that inferences can be drawn from its mode of being to the 13

Ord. Bk. 2, D. 3, pt. 1, q. 1, n. 29-34, Vat. 7, pp. 402-405. Ord. Bk. 2, D. 3, pt. 1, q. 1, n. 42, Vat. 7, pg. 410. R. Cross, “Divisibility, communicability, and predicability in Duns Scotus’s theories of the common nature” in Medieval philosophy and theology (V. 11, n. 1, pp. 43-63). p. 46. A common nature does not have the numerical unity that a predicate must have, so it is not is a universal as such, and because it is not a universal it cannot, strictly speaking, be predicated of particular singular things that fall under it (Cross, ibid, p. 47). There is some evidence that Scotus’ opinion changed on common natures, and that in his earlier works they are not so clearly distinguished from universals considered as intelligible objects. See G. Sondag, « Universel et natura communis dans l’Ordinatio et dans les Questions sur le Perihermeneias (Une brève comparaison) » in John Duns Scotus: Metaphysics and Ethics, ed. L. Honnefelder, R. Wood, M. Dreyer (Brill, Leiden, 1996. pp. 385-392. References to the volume hereafter JDS:ME). 14 Ord. Bk. 2, D. 3, part 1, q. 6, n. 187, Vat. 7, p. 483. R. Cross, The physics of Duns Scotus: the scientific context of a theological vision (Clarendon, Oxford, 1998. Hereafter: Cross, Physics), p. 20. 15 Cross, Incarnation, p. 14.

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‘content’, and vice-versa.16 For Scotus, no such straightforward inferences are possible, because being a common nature is one step prior to being a (universal, understood) being in the mind or being in a particular in reality. Scotus has a sophisticated view of (abstractive) representation that detaches questions of individuation and universality from questions of resemblance, cognitional mode and ontological status.17 III Substance and concept formation Scotus’ theorising on how knowledge about objects in the world is formed, and how the ‘second intentions’18 are formed is rather sketchy. He does not comment on Posterior Analytics II c. 19 where Aristotle addresses the development of cognition, his commentary on Prior Analytics (especially I. 30) is not extant, and In Met. Bk. 1, q. 1 concerns the subject of metaphysics, and not developmental cognition. Likewise, his questions on the De Anima tend to consider cognition at a systematic rather than developmental level. Despite these limitations, what we know of Scotus’ views on the fallibility and uncertainty of belief, the temporal process of concept formation, and the relation of sensation to intellection are extremely curious, and bear some comparison to early modern 16

The running together of mode and content is reflected in Aquinas’ characteristic dictum: the received is received in the mode of the recipient. See G. Galluzzo, “Aquinas on common natures and universals” in Recherches de theologie et Philosophie Médiévales (V. 71, n. 1, 2004, pp. 131-171). Galluzzo explains Aquinas’ occasional and early adherence to the Avicennian view of common natures, but this early mentions are never reconciled with the main Thomistic position outlined here. 17 The question of how individuation is connected to universality of the mode of being of the form as it is understood in the different parts of the soul is tied to his defence of the necessity of intelligible species: See Ord. Dist: 3, pt. 3, q. 1, Vat. 3, pp. 201-244. 18 Intentions (in a sense not connected with the will, nor the mental act of directing oneself to a thing) concern the formal mode of the being of a real thing and, correspondingly, the concept of that formal mode in the intellect. A first intention is one naturally suited to come to be directly in the mind from a thing, without the intellect having to deal with it (i.e. no need for “intellectus negotiantis”) before it can be understood as a concept. A second intention is a relation of reason whereby the intellect has checked or compared two first intentions against one another. Second intentions are caused by the intellect dealing with or processing concepts of the first intention. (See Ord Bk. 1, D. 23, q. un., Vat. 5, p. 360). A simplified way of thinking of this: first intentions are concepts of real things, second intentions are meta-concepts, created by the intellect comparing the things it knows. Thus, there is a sense in which the logician’s treatment of the Categories is a study of essences as second intentions, i.e. as a taxonomy of the essences it knows. For the comprehensive treatment of intentions in medieval philosophy, see the critical study in L. M. De Rijk, Giraldus Odonis O. F. M. Opera Philosophica, Vol. II: De Intentionibus, critical edition with a critical study on the medieval intentionality debate up to c. a. 1350 (Brill, Leiden, 2005), particularly pp. 159-162 on Scotus.

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philosophers.19 Here I focus on his account of our development of our concept of substance. Scotus holds the Aristotelian commonplaces that in this life cognition of substance is normally by means of accidents received via sensation20 and that there is no form in the intellect that is not first in the senses.21 He rejects the accounts of earlier theorists (such as Henry of Ghent) that there is a need for a ‘supernatural light of the intellect’ to shine through and abstract knowledge from experience, and argues instead that the process of knowledge-acquisition is a natural one.22 Scotus’ theory of cognition differs from the traditional Aristotelian understanding in that he holds that the senses do not cause, but only occasion knowledge in the intellect.23 This doctrine allows, among other points, for the intellect to derive indubitable truths from concepts that have their genesis in the mutable, unstable sensible world.24 While Scotus may accept Aristotelianism in some (decontextualised) sense, he often restricts Aristotelian doctrines to this state of life, in order to accommodate theological considerations. 19

Ord. Bk. 1, D. 3, pt. 1, q. 1-2, n. 67, Vat 3, p. 48, Ord. Bk. 1, D. 3, pt. 1, q. 3, n. 187, p. 113. This point is important in relation to theorists such as Hume, who emphasise the trans-temporal character of knowledge acquisition, as part of the project of ‘naturalising’ it. 20 Wolter, Intuition, p. 104. Scotus’ main discussion of epistemology is in Ord, Bk. 1, D. 3, pt. 1, especially q. 4. This text is primarily concerned with undermining Henry of Ghent’s view (developed from a reading of Augustine) that, considered in pure nature, man cannot cognise truth with certainty, but only by reference to an uncreated exemplar of created things, which is put to the agent intellect by God in a special illustration. Scotus, by contrast, holds that such a special illumination of uncreated truth is unnecessary; created things are cognisable by man without such exemplars. In this discussion, he uses a theological argument, among others: substance does not immediately change [immutat] our intellect, for if it did, something present would prompt the intellect, we could naturally cognise the non-presence of substance (in the same way sight perceives shadow as the absence of light); then we would naturally cognise that the consecrated host is not the substance of the bread (Ord. I, D.3, pt. 1, Vat. 3, pp. 88-89, n. 140, also ibid, n. 145, p. 90). Scotus uses this proof to argue for the univocity of being (ibid, n. 139, pp. 86-97). Likewise on animal cognition and the vis aestimativa, see Ord. I, D.3, pt. 1, q. 1-2, Vat. 3, pp. 43-44, n. 62, and further, Ord. I, D.3, pt. 1, Vat. 3, q. 3, p. 101, n. 163. 21 J. Hamesse (ed.), Les Auctoritates Aristoteles (Philosophes Médiévaux, Tome XVII, Louvain-Paris 1974, hereafter Hamesse, Auctoritates), II Post. Anal. n. 120, n. 125, p. 321. 22 See S. P. Marrone, The light of thy countenance: science and knowledge of God in the Thirteenth century (2 vols., Brill, Leiden, 2001). See in particular v. 2, Ch. 13. 23 Ord. I, D.3, pt. 1, q. 4, n. 234, Vat. 3, p. 141. 24 He has in mind ‘analytic truths’, for example, the whole is greater than a part. With regard to these unstable sensible things, we can abstract a representing nature that is immutable; he emphasises that this representing nature does not have to have the state-qualities of the object it represents. This sophisticated view of representation breaks with the more traditional Aristotelian view that equates representation with resemblance. Scotus’ view of representation is a vector toward a modern epistemology of representation completely independent of ontology or a philosophy of being. See Ord. I, D. 3, pt. 1, q. 4, Vat. 3, n. 248-249, pp. 151-152.

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Where Scotus is quite radical is in his account of our development of the concept of substance itself. He holds that we have no certain experience of intellectual intuition of external substance.25 No faculty that retains an abstractive and representative species (i.e. a universal)26 can know that a substance exists and is present through its essence. We develop a concept of being for an external substance as follows: …to being itself we conjoin positive or privative accidents that we know from sense, and we make from sense a single description, the whole of which is never found except in such a species. And the concept of such a description is the most perfect concept which we have of such a species of substance. For instance, from “being that is located in something” we conceive of “being in another”, as an accident in a subject. And going further, we take the opposite of this accident, through “not being in a subject” we compose “not being in a subject” [i.e.] a substance. But we conceive nothing as a “what” or a “quid” except being.27 We understand substances per se, but only as a “verbal habit”, as a blind man processes syllogisms about colours, because we only understand that they are beings without understanding their genera.28 We have no intuitive knowledge of the singular per se in this life, but only intuit the haecceitas associated with it; we have no abstractive knowledge of the singular as such in this life.29 Scotus does not use this doctrine to elicit sceptical conclusions, as he also uses Augustinian texts to emphasise the possibility of attaining natural human knowledge, while still holding that it is difficult to discover the essences of things for the human wayfarer (viator) in this life.30 Citing Augustine’s De Trinitate on the development of the concepts of substance, he argues that we observe accidents (e.g. quantities and qualities); no accident is the foundation for the other accidents, as any accident can be destroyed while the others persist; so we conclude that there is a subject that persists through the change which has the accidents. 25 26

Quodlibet. 6, n. 8, Viv. 25, pp. 243-244. For detail on the intricate topic of how intellection is related to sensation and perception in Duns Scotus, and his theory of ‘form-processing’, see L. Spruit, Species Intelligibilis from perception to knowledge (2 vols., Brill, Leiden, 1994). V. 1, passim, but particularly pp. 257-266. The volume also gives a detailed treatment of the problems, opinions and positions involved. 27 In Met, Bk. 2, q. 3, n. 115. 28 In Met, Bk. 2, q. 3, n. 117. He ends the section with a note to study the problem of how being is understood, and whether it is understood through a species. 29 In Met. Bk. 7, q. 15, n. 8. Wolter, Intuition, p. 113. 30 Ord. 1, D. 3, pt. 1, q. 4, Vat. 3, pp. 123-172. One of Scotus’ motivations for holding that we have certain knowledge of material things is that he believes that these allow us to know the invisible God (secund. Rom. 1:20, cited, by Scotus ibid, n. 207, p. 126). While having a theological motivation for the conclusion, he offers a powerful philosophical defence of the possibility of our having certain knowledge, against sceptical challenges, and gives some fascinating discussions of standards in epistemology, for example, the status of the bent-stick-in-water. Ord. 1, D. 3, pt. 1, q. 4, Vat. 3, pp. 146-7, n. 230-45).

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This underlying thing is not conceived as a quiddity (a whatness) but only as a “this thing”. The thing is then assigned a name in the genus of substance, but what is designated by the name is not distinctly understood, it is merely a place-holder for accidental properties (a thin particular, as it were).31 This concept of substance (or, more accurately, a supposit, a ‘standingfor’, a reference-point to a complete actual thing) is not a rich description; despite it is a definition of a thing in the category of substance. One implication of his view of quiddities as common natures means that there cannot be a ‘thin’ or bare particular for the same reason that there cannot be a prime matter as unintelligible pure potentiality; it will be a quidditative entity and thus per se intelligible. Yet how this doctrine of essences as unknowable in this life is connected to his commitments to our attaining certain knowledge of created things is never really clarified. Further, the unknowability of substance needs to be connected to the doctrine of intuitive and abstractive cognition. One might ask whether the cognition of being in this case is as an abstractive representation, or as an (intuitive) presentialitas.32 Presence itself is first intuited as presence and then under a representative species of presence.33 Thus, the being itself, which functions as a place-holder and is labelled as substance, is actually the concept of present being. It is not exactly clear how the (intuited) presence relates to the being; it would seem to be either an accidental property (with one ‘term’, i.e. x is present), or perhaps only a two-term relation to the percipient (i.e. x is present to y). Despite its unclear relational status, seems to be integral to the cognition of any given substance. Presence (and, for that matter, a suitably re-expressed version of his account of common natures), taken as an intuition, need not be understood in terms of universals and particulars; it is more basic than this.34 Scotistic 31

Augustine, De Trinitate, c. 6, n. 8 (P.L. 42, 928-929). Ord. Bk. 1, D. 22, q. un., n. 7, Vat. 3, pp. 344-346. The implication of this is that our names for things are merely causal etymologies. Scotus gives the (fantastical but illustrative) example of a stone (lapis, lapidis) that it is named due to a property in the genera of action, not substance: a stone is a ‘foot-wounder’ or laesio-pedis, due to which the name of lapidis was assigned (ibid, n. 5, pp. 343-4). This laesio-pedis etymology recurs in Scotus, for example in his dispute with Peter Godin on individuation. C. Stroick, “Eine Pariser Disputation vom Jahre 1306” in Thomas von Aquino: Interpretation und Rezeption (ed. W. P. Eckert, Matthias-Grünewald Verlag, Mainz, 1974, pp. 559-608). pp. 591-2, n. 9. See also D. Perler, “Duns Scotus’ philosophy of language” in T. Williams (ed.) The Cambridge companion to Duns Scotus (Cambridge. U. P., Cambridge, 2003), pp. 161-192. 32 Ord. Bk. 1, D. 3, pt. 3, q. 1, n. 367, Vat. 3, p. 323. 33 Ord. Bk. 1, D. 3, pt. 3, q. 1, n. 367, Vat. 3, p. 323. O. Boulnois, “La présence chez Duns Scot” in SILEO (pp. 95-119). p. 111. 34 W. Park argues that nor can the haecceity of a present being be taken as a bare particular. See W. Park, “Haecceitas and the Bare Particular”, Review of Metaphysics (V. 44, 1990, pp. 375-97).

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common natures could also be set within a feature placing ontology, rather than in the framework of particulars and universals.35 Scotus’ concept of substance, although seemingly a traditional “substance-attribute metaphysic”36, has some similarity to later Lockean conception, and it is neither a victim of language (as the “verbal habit” cited above makes clear), nor as parochial as it might first appear to a 20th century critic.37 IV Propria and Categories Scotus discusses substance and accident as beings of reason within the context of the Isagoge of Porphyry and Aristotle’s Categories. The most outstanding taxonomic frameworks of each work, respectively, are Porphyry’s fivefold classification of universals (considered as predicables), and Aristotle’s classification of predicables in the categories. 35

Scotus’ conception of quidditative entity and common nature, and his account of the universal as a numerically-unified thing permit this. Indeed, the thesis that presence is either more profound than (or at least can stand as an alternative to) the particularity of traditional concepts of substance is supported by feature placing languages. I mean features as universals, rather than tropes as particularised universals. For an overview of recent consideration on universals, see D. M. Armstrong, Universals: an opinionated introduction (Westview press, Boulder (USA), 1989). A careful examination of Hacking’s feature placing language shows that the concept of presence and absence of the features is used as an alternative to (Indo-European) pronominalisation that introduces particular things. (I. Hacking, “A language without particulars” in Mind, V. 77, n. 306, 1968, pp. 168-185). The language examined by Hacking uses explicit and definite information on location relative to the speaker (Hacking 1968, p. 181), and indefinites are rendered using abstract-constructions that proceed by negating the not-present. For example, “The man is sick” is expressed (to parse) as “definite man near him invisible sick near him invisible”, or “That invisible man lies sick on his back on the floor of the absent house”. Less-localised sentences are not grammatical. (Hacking 1968, pp. 181-2). Note the use of the concept of absence to do the work of abstraction. To make Scotistic common natures work with a feature ontology, unity and the consistent ‘com-’ of compresence would have to be explained to supplant the traditional concept of inherence and dependence. Such an alternative account could not privilege the occurence of dependence in the world, or perhaps even presence or being as meta-features; one would need to integrate features of depending, being-present and unifying. Yet contra Armstrong (who refers to the possibility of treating universals as substances as a “peculiarly repugnant notion”, p. 74) the prospects are not as bad as they might seem. I can only anticipate in order to pass over difficulties such as how both definitions of concepts doing ‘second order’ work (such as incommunicability or non-reiterability/non-repeatability in a different subject; a factor marking particulars from universals), and non-monadic relations (particularly important in the case of dependence and other order-concepts) and even the concept of unity itself would be cashed out. 36 B. Russell, “Logical Atomism”, The collected papers of Bertrand Russell (Allen and Unwin, London, 1983-, V. 9), p. 168. 37 See Pini’s intelligent comparison of Scotistic essentialism in relation to Quine and Kripke. Pini, Essentialism, pp. 261-262.

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Scotus’ views on the Porphyrian fivefold division of universal predications (universal ‘expressions’ or ‘significations’) into genus, species, differentia, propria, and (common) accidents38 are traditional, and I discuss the propria only to show the refinement of the medieval view of essence and accident, and because the status of propria are often forgotten in the transition to a simplified model of accidents and subjects or essences. Propria are accidental – but convertible (i.e. roughly, coextensive) with the essence, because they derive from the principles of the subject (indeed, in general from the form).39 As they are coextensive with the essence of the subject, they can be thought of as a necessary accident.40 By contrast with convertible propria, common accidents (e.g., colours) can be found in other subjects with other essences, and come and go contingently.41 These common accidents are what we popularly think of as accidental characteristics or properties in English. Scotus devotes In Porph. q. 32 to the question of whether propria are properly distinguished from accidents, and q. 33 to how they can be said to be ‘always’ in a subject. He maintains that propria are indeed merely inseparable accidents, because they are not included in the definition of the substance (and thus are not essential), but nor can they be accidents in the sense of being characteristics that can be either present or absent from a substance (the “adest et abest” definition of an accident).42 They are intrinsic to the substance as a ratio of either the matter of the substance, or 38

See Scotus, In. Porph. Q. 12, n. 15-17, pp. 57-59. Diagrammed in C. Marmo, “Ontology and semantics in the logic of Duns Scotus” in: U. Eco and C. Marmo, (eds.) On the medieval theory of signs (Foundations of Semiotics 21. John Benjamins Publishing Company, Amsterdam/Philadelphia, 1989, pp. 143-93), p. 144. 39 In Porph. Q. 33, n. 7, p. 208. 40 The classical example is that “man laughs”, where it is assumed that the only animal that laughs is a man, and all men are (capable of) laughing (risibile). In Porph. Q. 32, n. 1-5, p. 200, pp. 199-200. These propria can have a modal status other than strict actuality, but a potentia effectiva, a producing (i.e. an active, rather than a passive) potential (In Porph. Q. 33, n. 10, p. 230). This does not raise a contradiction with doctrines of the pure potentiality of matter (which Scotus does not need for his metaphysics, cosmology, or anthropology because the standing of a nature is just a nature, and not bound to the mode of its being as it is by the Thomistic systematic principle of “the recipient is received in the mode of the recipient”). A proprium deriving from matter can be actual with regard to what it effects, while being a potential with regard to another thing (Ibid. q. 33, n. 13, pp. 230-231). 41 In Porph. Q. 32, n. 10, p. 202. 42 In Porph. q. 32, n. 23, p. 206. Scotus distinguishes the intrinsic belonging of the propria to a substance from a superficially similar dependence of accidents on their substance for definition (cf. the Aristotelian case where a snub-nose needs to make reference to a nose to be defined). This “definitur per subiectum” is read by Scotus as meaning that it suffices that the accident could not be found or learnt of except in such a subject [non possit reperiri nisi in aliquo subiecto tali] (In Porph. Q. 32, n. 20, p. 205). Propria differ from this in that they must emerge from, or come forth from the per se principles of the subject (…egrediatur ex per se principiis subiecti) (In Porph. Q. 32, n. 20, p. 206).

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its active qualities, or of sensible qualities that are posterior to the essence.43 Their convertibility stems from the definition of the substance and means that they can be terms of demonstrations (and thus have, as it were, scientific standing).44 By contrast, common accidents are contingent and indifferent to the substance in which they happen to be found. Scotus’ other logical work concentrating on substance is his In Cat. Scotus views Aristotle’s categories as a logical work, and thus as not considering the categories in reale, but only as beings of reason (this in reality/in reason difference being what distinguishes metaphysics and logic).45 To be in a category is to have the quiddity or the kind of being of that category (and not merely modes of predication as in Aquinas). Given that the categories classify quiddities, a derivation of the ten categories should proceed within metaphysics rather than logic. For a logical use of the categories, it suffices to have quia knowledge of things, but (perhaps) a metaphysician ought to be able to know essences propter quid.46 As it turns out, in his questions on the metaphysics, Scotus rejects attempts to derive a propter quid justification of the categories from modes of predication or modes of being. Thus, on the question of the ‘correctness’ or necessity of the categories, Scotus can be said to accept their use as a working tool for conceptualising, but is far more modest concerning their theoretical justification.47 43 44

In Porph. q. 32, n. 9, pp. 200-201. In Porph, q. 32, n. 9, p. 201: “et potest de ea definitionem demonstrari”. Form is the chief element in definitions, see In Porph, q. 33, n. 7, p. 208. 45 In Cat. q. 2, n. 5-6, p. 258, In Cat. q. 14, n. 5, p. 380. A corollary of this: Aristotle includes matter as a way by which substance is a subject In Met. Bk. 7, Ch. 3, 1029a12, but there is no such reference to matter in his Categories. There was a tradition of trying to reconcile the difference in these two works. The basic difficulty was that if substance includes matter, it is complex, if not it can be simple. Commentators then distinguished uncreated and simple substance (that would, perforce, be outside the categories) from created and composite substance (that would be in the categories). Scotus does not treat this issue in his commentary, as it concerns extramental existence, and is therefore outside the purview of logic. This strict and rigorous distinction between extramental matters and logic sets Scotus’ views apart from the prior tradition of commentary on the categories. See G. Pini, Logic and the Categories: an interpretation of Aristotle’s Categories in the late thirteenth century (Brill, Leiden, 2002). Hereafter: Pini, Categories. pp. 197-200. 46 To know propter quid is to know a thing by its causes; to be able to give an account of a thing in terms of its causes. To know quia is to know a thing only by its effects, but not to be able to give an account of it. In. Cat. q. 11, n. 26, pp. 350-351, Pini, Categories, p. 187. 47 He justifies them using arguments from quantity (In Met. Bk. 5, q. 5-6, n. 82-88, pp. 446-447) and quality (ibid, n. 85, p. 446, n. 90, p. 467) that are isomorphic with the argument derived from the De Trinitate to show how the concept of substrate is developed via observation across time of transitory inherent accidents needing a ‘holder’, discussed above (see development, (III) above). He also offers arguments from principles in Aristotelian physics, e.g. from the diversity of heat and extension (Ibid, n. 87, p. 467) and motion per se with regard to quantity. The other categories are also justified by quia arguments. For example, quantity is not substance because it

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Scotus’ revisionary theory of individuation is rightly famous in justifying the need for an essentialist account (as opposed to theories in which there is no need for any such a principle or in which the individuating principle is merely accidental).48 How he locates the individuating principle within the essential parts of the substance (e.g. as a formal principle) to account for its intrinsic status within the structure of a substance is more difficult. Indeed, he has several positive technical characterisations of the principle of individuation in different works, indicating that he did not have its affirmative theoretical character tied down. Scotus discusses individuation in the Sentences commentaries and in In Met.49 I draw on his commentary in In Met, Bk. 7, q. 13, as it is the most coherent (and quite late) version of his arguments for an essential theory of substance.50 Previous theories of individuation tended to hold it to be an essential part of substances, but as an accident; the dispute tended to be over the sort of accident or circumstance that the principle was (noted below). Of these rival theories treated by Scotus, I focus on his refutation of Aquinas’ position. Scotus’ basic arguments justifying the need for an intrinsic principle of individuation are offered as refutations of the position that substances are naturally singular in nature, so there is no need to argue for a principle of individuation. This no-principle theory was held by Peter of Olivi and would come to prominence later in the rise of nominalism. Indeed, if Scotus’ arguments are valid, then the nominalist position can be regarded as stillborn. After setting out these anti-nominalist arguments, I present his particular refutations of quantity or matter as the principle of individuation (i.e. approximately the Thomistic account), and his presentation of his own positive theory in the In Met., noting the way that intensifies (Ibid, n. 90-103, pp. 469-471). These quia proofs can be divided into two groups: arguments concluding that relation is diverse from other categories, and arguments not considering relation. The arguments establishing relation are fairly comprehensive and convincing, but each of the other categories is not given the same comprehensive treatment. For the distinction of the other non-relation categories from one another, there are arguments concerning position, ubiety, mobility and place. These arguments are piecemeal, incomplete and dependent on Aristotelian physics. 48 On Scotus’ predecessors and influences, see R. Wood, “Individual forms: Richard Rufus and John Duns Scotus” in JDS:MS (pp. 251-272). 49 Lect. Bk. 2, D. 3, pt. 1, Vat. 18, pp. 229-301, Ord. Bk. 2, D. 3, pt. 1, Vat. 7, pp. 391-591, Rep. Bk. 2, D. 3. q. 1, Viv. 22, pp. 579-583. The Reportata version is shortened, arguing primarily against Aquinas. See Rep, ibid, n. 7, p. 581. 50 See S. Dumont, “The question on individuation in Scotus’ ”, in SILEO, pp. 193-228), p. 201. On the position and value of the questions on the Metaphysics, see G. Pini, “Duns Scotus’s metaphysics: the critical edition of his Quaestiones super libros metaphysicorum Aristotelis”, in Recherches de Théologie et Philosophie médiévales (V. 65: 2, 1998, pp. 358-368).

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his characterisation of the individuation principle changed in different works. The basic question of individuation is whether a (material or immaterial)51 substance is intrinsically individuated by some principle, or is so in nature, and, if it is individuated by a principle, whether the principle is something accidental or intrinsic to the nature of the individuated thing. After outlining various reasons why nature might be thought not to be intrinsically individuated52, Scotus gives reasons to think that it is. The arguments favouring a principle of individuation stand as refutations of nominalism, and support a ‘realist’ view of the principle of individuation. For Scotus, the basic difficulty of nominalism is that it destroys the hierarchy of natures, universals, species, genera, etc.53. The thrust of the arguments is that if there is no real principle of individuation, then all substances are divided, not into the familiar categories, but either so that the distribution of essences maps onto the individuals (in such a way that every thing has its own nature or essence; there are no commonalities), or alternatively, in such a way that all universals only instantiate once, in one individual case. Such an outcome destroys the function of definitions and essences as universals that allow the world to be intelligible.54 Scotus then argues that this real principle of individuation must be intrinsic (i.e. non-accidental) from the necessity of preserving unity in each material substance and gives four ‘ways’ (via per se being, via priority of substance, via numerical unity and via the hierarchical ordering of the categories). In these viae, Scotus sets out the inconvenience that an accidental principle of individuation causes for an Aristotelian theory of 51

Scotus treats individuation of Angels in the Lectura and Ordinatio, and that of material things in In. Met. The different focii are possible because separate substances are not of special theoretical interest for Scotus, as Aquinas’ theory obliges them to be. 52 Arguments against needing an essential principle: In Met. Bk. 7, q. 13, n. 2, p. 215: if it is per se individual, then when it is understood, the intellect will understand it as a universal, which is opposed to the status that it has by nature as an object (i.e. it is an individual). 53 Two examples suffice to display their general orientation. Example 1: If the individuality is intrinsic, then two things in the same species will not only be different examples of the same nature, but they will also be diverse (i.e. in different categories), rather than merely being different natures within the same category. Such a conclusion breaks down the diverse/difference distinction, and accordingly the difference between specific and generic difference. In Met. Bk. 7, q. 13. n. 3-4, pp. 214-215. Example 2: the natures of things are not distinguished if there is no intrinsic principle, even if the substances having the same natures are distinguished. i.e. nominalism creates a state of affairs where there is my humanity, as opposed to your humanity. That is, specific and numerical distinction become at least extensionally equivalent or supervening. In Met. Bk. 7, q. 13. n. 5-7, p. 216. 54 For a discussion of Scotus’ anti-nominalist arguments (albeit focussing on the Lectura and Ordinatio), see W. Park, “Understanding the problem of universals: Gracia vs. Scotus” in JDS:ME (pp. 273-289).

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nature and the neat taxonomy of the categories; in each case, he argues that such a principle undermines the place of the concept of unity as it works in the Aristotelian scheme.55 The first via argues from per se being. The thrust of the argument is that the individual substance is first substance; as such, it does not include accidents; therefore, the principle of individuation cannot be accidental. He supports this basic form of argument as follows. True being is per se being; that is, what is generated, what operates and what is the subject of predication are per se beings. The individual is the highest essence within the categories, is also generated per se, operates per se (because its actions are the accidents of the supposit). So first substance is per se being. An aggregate of substantial and accidental being is an accidental being; so first substance does not include an accident.56 The second via concerns the priority of substance. Substance is prior by nature to accidents. Thus, because common accidents reside primarily in the individual, hence any particular individual substance is prior to all of its accidents. Substance is related to accident as a ‘this’ to a ‘this’ (i.e. in any concrete case this thing is prior to its particular colour or heat). If only substance in general (and not of the concrete ‘this’) were prior to accident, then substance as such would be merely a category of reason, and its priority would not be real but only conceptual.57 Therefore, for a particular real substance, it must have its own principle of individuation. There are three versions of the third way from numerical unity: (1) an unchanged substance does not become a non-this, (2) substantial change is not a one thing turning into a non-this, (3) unity pertains to everything according to its proper concept. In each version, the conclusion is that unity is not an accident in a thing, but pertains to it per se.58 The fourth way proceeds via the categories: each category intrinsically contains all that pertains to the essential sequence of species making up the category. The individual is the first subject of the hierarchy [coordinatio] 55

Scotus elsewhere offers a taxonomy of unities. Moving from least to most, there are aggregative unities, unities of order, accidental unities (of accident in substance), substantial unities (really distinct parts), unity of simplicity (parts of a substance being formally distinct), and finally, formal identity. For our purposes, the required unity for a principle of individuation sits to the substance as a unity of simplicity, or a formal distinction. That is, the two formalitates of the essence of the substance and its principle of individuation can be formally distinguished (i.e. in reality, not just mentally) but they are inseparable from one another (i.e. always within the same substance). Ord. Bk. 1, D. 2, pt. 2, q. 1-4, n. 403, Vat. 2, pp. 356-7. Cross, Incarnation, p. 121. 56 In Met. Bk. 7, q. 13. n. 21, pp. 224-225. 57 In Met. Bk. 7, q. 13, n. 24, pp. 225-226. Repeated as crude interpolations to n. 11, pp. 218-219. 58 In Met. Bk. 7, q. 13, n. 27, p. 227. J. J. E. Gracia, “Individuality and the individuating entity in Scotus’s Ordinatio: an ontological characterization” in JDS:ME (pp. 229-249), p. 232.

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of the ordered sequence in the category of substance without the individual there would be no sequence just as there needs to be a predicable for the sequence.59 These viae show the need for a natural real principle of individuation in each substance (not in mind or by some accident), which makes it this substance, this singular thing. Scotus also presents and refutes several rival positive theses which hold that natures are individuated by something accidental and not intrinsic to the substance: (1) by a collection of accidents (Godfrey of Fontaines), (2) by quantity (Aquinas), (3) by matter (Aquinas), (4) by existence60 (Robert Kilwardby) and (5) by relation to the producing agent (Roger Marston).61 Scotus regards the first two of these as clearly accidental, the third as including the second (thus Aquinas could hold both (2) and (3)) and the fourth and fifth as accidental if relation and existence are considered to be accidental.62 Against the (Thomistic) second and third theories63, he argues, via the constitution of substantiality (following Godfrey of Fontaines), that quantity does not constitute individuals but distinguishes them. Substance is being, and first substance (the individual) is the most perfect or exemplary substance. A thing that is formally a being is even more a being than that which is a being through an accidental individuality. So if a given ‘this’ is so, not through substance but through quantity, therefore a non-substance or quantity would be more of a being than some substance is.64 Yet substance is clearly more a being than (the accidental) quality, and therefore individuation cannot be constituted by the accident of quantity. However, a Thomist could refine the quantity-thesis by arguing that a stone is not a stone through quantity, but that one stone is distinguished from another through quantity65. In response, Scotus offers the following thought-experiment. Consider two stones. Because substance is prior in time and nature to every accident, and because first substance is maximally prior (as it is maximally a substance), therefore each stone is prior by nature to quantity. Prior to quantity, each stone remains a ‘this’, but the two stones are distinguished. If they are not distinguished then either one remains and the other is destroyed, or both remain individualised. Further, if no first substance can remain without quantity, then substance is not 59 60

In Met. Bk. 7, q. 13, n. 28, pp. 227-228. That is, that existence is the ultimate principle determining the actuality of a nature. 61 This fifth theory is driven by the notion that, for any object, its relation to the agent seems to be singular and unique; in emphasizing agent-dependence, this theory is comparable to modern idealism. 62 In Met. Bk. 7, q. 13. n. 19. p. 223. 63 In Met. Bk. 7, q. 13, n. 40, p. 233 64 In Met. Bk. 7, q. 13. n. 35, p. 231. 65 In Met. Bk. 7, q. 13. n. 36, p. 231.

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prior to quantity.66 Therefore the substance, and the individuated substance, must be prior to quantity. Therefore the principle of individuation possessed by the substance cannot stem from the substance having an accident of quantity. In addition to this basic structure, he also offers arguments against the stones remaining but not being distinguished.67 In conclusion, when tackling the third theory, Scotus brings in consideration of identity across time more sharply. The gist of his argument against the matter-theory is that the same numerical matter that has one form can have another later, so matter is not what individuates.68 This is an application, as it were, of the second version of the third way (see above). Scotus concludes from these viae that the principle of individuation is a positive thing, not a privation, nor a negation. Neither is it matter, form or actual existence, because all of these are communicable.69 There is a sense in which it would be a more ‘material’ principle, and a sense in which it would be a more formal principle of a substance.70 Scotus thinks of its position in the substance in terms of the order or grading of principles constituting the substance (these grades being only formally distinct from their composite, the substance). The reality of a grade corresponds to the degree of unity it imparts.71 The individual composite thing has a grade of unity (or of being; these are convertible), which imparts its individuality to the composite, and also has a (contracted-to-a-particular) common nature. The existing composite thing is existentially prior to the grade imparting individuality; but the grade is naturally prior to the container, because the grade makes it a ‘this’.72 It should be noted that these principles are all real and in things, and intelligible per se, even though not intelligible by us in this life.73 I will sketch the changes made by Scotus to his terminology for the principle of individuation, drawing on the research of Dumont. Scotus uses 66 67 68

In Met. Bk. 7, q. 13. n. 37, pp. 231-232. In Met. Bk. 7, q. 13. n. 38, p. 232. In Met. Bk. 7, q. 13. n. 42-46, pp. 233-234. He gives the following thought experiment. Imagine this fire changed to this water, then back to fire. The matter of fire remains the same, the species of fire is the same, so the fire should be the same as before and after the water. (In Met. Bk. 7, q. 13, n. 41, p. 233). 69 In Met. Bk. 7, q. 13. n. 119-121, pp. 258-260. 70 It must constitute the substance as a subject, and not as a predicable, but since a subject is ‘material’ (i.e. passive) to a predicate, it is analogously material. As it is part of the thing, positive and informative of the genus in which the thing is, it can also be characterised as a formal principle. In Met. Bk. 7, q. 13. n. 124, pp. 161-162. 71 In Met. Bk. 7, q. 13. n. 131-135, pp. 263-265. 72 In Met. Bk. 7, q. 13. n. 138, pp. 265-266. 73 In Met. Bk. 7, q. 13. n. 154-158, p. 270, n. 159, p. 266. This doctrine of the unknowability of needs to be qualified for our having knowledge of our own being and our soul.

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the terms: haecceitas (thisness), its individualized equivalent, socrateitas, singularitas, realitas, entitas, substantia, forma individuationis, continentia unitativa and various qualifications on gradus, e. g. gradus singularitatis, gradus realis entitatis. Haecceitas and singularitas have little doctrinal content; they mark without explaining the basic idea of a principle of individuation.74 Entitas, realitas and substantia point to the non-accidentality of the principle.75 The forma individuationis points to the non-materiality of the principle, but also to the fact that it has the role of determining a common nature in a given instance. It carries the corollary that the principle of individuation cannot be identified with the specific nature of a substance in an unqualified way.76 Continentia unitiva is more complex. Scotus accepts a degree of distinction, namely a formal distinction, whereby one form has several formal perfections; the perfections are not separable, and only formally distinct from one another, but are not just a distinction of reason. Continentia unitativa captures the idea that the substance of the thing unitively contains, in an inseparable and formally distinct way, both the common nature (see basic orientation, (II), above) and the individuating principle.77 Finally, gradus (with its qualifications) refers to the idea of degrees of unity (or, correspondingly, of being, or singularity, etc.) as discussed as part of Scotus’ solution. In summary, Scotus’ view that substances have an intrinsic principle of individuation goes against the main current of scholasticism, wherein the tendency was to hold that individuation is only an accidental principle. Scotus also has various descriptions (carrying different doctrinal emphases) for the intrinsic individuating principle in a substance. His arguments for why individuation needs to be explained in the first place (against the proto-nominalist views prior to his own time) are also 74

For example, the (very early, 1293-1294?) Questiones De Anima sketch of the basic theory using the example of “Socrateitas”, without elaborating how the principle of individuation sits within the composition of an external substance. “However, by the phantasm itself the soul intuits the quiddity of the species absolutely, and also the individual conditions, since just as in external singulars is held the common nature, and they are in those individual conditions, as the individuating principle, as in Socrates there is humanity, and Socrateity (Socrateitas); so in the phantasm itself is represented the common nature, and the singular, and in the representative of the singular which is the phantasm is contained a representative of the common nature.” (Q. De Anima, q. 17, n. 13, Viv. 13, p. 581). Note that much of what we take to be distinctive doctrines of Scotus seems to be fully developed and utilised in passing within the Q. De Anima. (or at least within the Vives version of it; how this stands in terms of editing stratification is not clear). For the internal and external evidence on its authenticity (which parallels the evidence for Scotus’ accepted Quest. In. Perihermenias), see the annexe of T. Noone, “L’univocité dans les Quaestiones super libros de anima” in Duns Scot à Paris 1302-2002 (ed. O. Boulnois et. al, Brepols, Turnhout, 2004, pp. 255-273), pp. 270-271. 75 Dumont, Individuation, SILEO, pp. 205-206. 76 Dumont, Individuation, SILEO, p. 207. 77 Dumont, Individuation, SILEO, p. 215.

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valuable, because if they are sound, the major nominalist school (of figures such as Ockham) can be viewed as having been refuted before it began – it becomes a non-starter, and our evaluation of later medieval (and possibly early modern78) philosophy radically changes. VI Transubstantiation The doctrine of the transubstantiation gives a philosophical characterisation of the sacrament of the Eucharist; at the same time, the requirements that the Eucharist makes of the substance-accident model stretch it theoretically. The basic difficulty on the standard model inherited from Aristotle is that accidents are defined in terms of their inherence, and their dependence on a substance, yet in the Eucharist, it is believed that the substances of bread and wine are converted into (respectively) the risen body and blood of Christ. Thus, the sensible accidents (e.g. whiteness, taste, etc) of bread and wine remain perceptible, but their substance is absent (indeed, it has been supplanted by another substance that would be expected nomically to uphold different accidents). Further, it is not clear how accidents are individuated given that their substance (that would normally individuate) is not available. I set out these difficulties and Scotus’ approach to them, drawing here on the comprehensive research of Pini. The problem of individuating accidents in the absence of their substance is not difficult for Scotus, as a result of his theory of the principle of individuation being intrinsic. That is, an accident has its own principle of individuation that it could be said to unitively contain in the same way that a substance contains its own principle of individuation. This means that Scotus is not forced to adopt solutions with either an ad hoc or a foundationless incongruity (such as Aquinas’ proposal that substance changes, but that the accidents inhere in the accident of quantity). The more serious problem is the problem of inherence in relation to dependence. Scotus’ doctrine on this relation changes across his works. In In Cat., he rejects the proposition that an accident can exist without inhering in a substance. (In. Cat. q. 8, n. 18, p. 318). In In Met., he makes a distinction between (1) existing inherence, as the unification of a substance and its accident, where both already exist, and (2) inherence as essential dependence, where the nature of the accident is such that it is naturally 78

For a useful comparison of Scotus’ and Leibniz’s conceptions of individuation, see T. Hoffmann, “Individuation bei Johannes Duns Scotus und Gottfried Wilhelm Leibniz” in Medioevo (V. 24, 1998, pp. 31-87). For one attempt to map Scotus’ view of haecceitas on to contemporary analytic views on individuation and thisness, see M. Carrara & V. Morato, “Di che cosa parlano i filosofi analitici quando parlano di haecceitas?” in Medioevo (V. 28, 2003, pp. 273-312).

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dependent on a substance.79 For an accident, it must inhere in the sense of being essentially dependent on a substance, but it is possible for it to happen to be non-inherent. This possibility arises because an accident’s actually existing inherence is not incompatible with it being inherent in the sense of being essentially dependent on the substance.80 In later works Scotus distinguishes between dependence, causality and inherence.81 Dependence is the more basic relation, and is the foundation for inherence. Essential dependence has two varieties: first, where x is dependent on y because y causes x, or inheres in y, and, second, where both x and y are caused by a third thing, z, but because x and y differ from one another in that x is caused more perfectly and thereby has a more perfect essence than y, x and y can be said to be in a relation of essential dependence (to have an essential order between them), even though they have no direct causal connection with one another (nor are they in a relation of inherence); their only connection is that they both have a causal relation to z.82 The relative perfection of the natures of different items in different categories works to preserve the claim that accidents are dependent on substance. An accident is essentially dependent on substance in this (limited) sense. In Ord. Bk. 4, Dist. 12 Scotus claims that a theological version of this non-causal essential dependence obtains between substances and accidents in the transubstantiation:83 God causes the substance more perfectly than he causes the accident; therefore the nature of the substance is more perfect than that of the corresponding accident, and the accident can be described as having an essential dependence on the substance, even though they are not in a causal or inherence relation with one another. This three-term God-centred explanation of essential dependence allows it to stand independently of the (normal) relations of inherence and causality, while preserving the claim of essential dependence.84 With regard to the status of persisting accidents after the transubstantiation, Scotus also accounts for the status of inherence itself, 79 80 81

In. Met. Bk. 7, q. 1, n. 11, p. 93. Pini, Transubstantiation, 2002, pp. 296-7. Pini, Transubstantiation, 2002, p. 298. Ord. Bk. 3, d. 1, q. 1, n. 3, Viv. 14, pp. 7-9 and Quodlibet q. 19, n. 23, Viv. 26, p. 293. Quodlibet q. 19 is concerned with the unity of Christ’s human nature and the word, and not directly with the transubstantiation; the relevant doctrines therein are (reasonably) equated by Pini, Transubstantiation, 2002, p. 301. 82 This explanation of the possibility of an ‘indirect’ dependence via a relation to a third thing is set out by Pini, Transubstantiation, pp. 302-303. It is used throughout Scotus’ works; for example, in Scotus’ arguments for the existence of God. On the concept of essential order prior to Scotus, see E. P. Mahoney, “Duns Scotus and medieval discussions of metaphysical hierarchy: the background of Scotus’ in Henry of Ghent, Godfrey of Fontaines and James of Viterbo” in SILEO (pp. 359-374). 83 In Ord. Bk. 4, D. 12, q. 1, n. 21, Viv. 17, pp. 554-555. 84 Quodlibet 19, n. 23, Viv. 26, pp. 292-293.

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holding it to be an inhering accident of the accidents which are actually inhering. This differs from traditional accounts, wherein inherence is held to be an accident of the substance, rather than of the accident that is inhering. Scotus’ justification for this extraordinary thesis is that the dependence relationship of accidents to God is necessary, whereas the dependence relationship to their substance is contingent, because of God’s omnipotent power to create (absolute, non-relational) accidents without their being in a state of dependence on a substance. Thus, the only significant dependence relation for an accident is to God as creator,85 and the traditional Aristotelian thesis that an accident must inhere86 is false; the inherence of accidents to substances is contingent (even if it is always found to be the case in the natural world).87 Scotus explains why inherence is thought to be necessary in definitions of accidents. The intellect seeks to include the substance in the definition of an accident because the intellect finds rest when it understands what the accident informs. Even though it could understand the quiddity of the form, the intellect comes to stable and rested comprehension of a form when it understands what the form informs; thus, a perfect concept of the thing would rest the intellect, and only such a perfect concept could be definitive.88 Scotus does not reconcile this idea of the intellect needing to reach quietude in comprehending a definition with his view of concept formation regarding substance (see s. III, above). So, in degrees throughout his career, Scotus progressively ‘mentalises’ or ‘deontologises’ the Aristotelian demand that there be necessary relations of substances to accidents.89 He does this by relocating the Aristotelian claim within his philosophical theology of the absolute contingent dependence of creatures on God. The tendency to inhere is only retained in the sense of an accident’s essential inherence (rather than actual inherence) being noncontradictory, which is consonant with non-contradiction setting the possibilities of God’s power. Pini reads Scotus’ account of transubstantiation as an elucidation of the “deep structure”90 of created 85

555.

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Pini, Transubstantiation, pp. 304-307. Ibid, n. 9-10, pp. 545-546, n. 21, pp. 554-

Traditonal in the sense of transmitted through Aristotelian floriligia: “Impossibile est esse accidens sine eo in quo est, id est sine subjecto” (Hamesse, Auctoritates, p. 302, n. 5). The question of how propria (i.e. necessary accidents) stand in the transubstantiation is not, to my knowledge, dealt with by Scotus. 87 Scotus uses essential dependence to avoid arguments drawn from Aristotelian definitions of accident etc. e.g. Ord. 4, D. 12, Q. 1, n. 13, pp. 552-552. 88 Pini, Transubstantiation, p. 309, Ord. Bk. 4, D. 12, q. 1, n. 18, Viv. 17, p. 522, continuing to n. 22, p. 555. 89 See above, n. 86. 90 Pini, Transubstantiation, 2002, p. 311. These rearrangements have lead to analyses that Scotus had indeed overcome an Aristotelian substance metaphysics, because of the radicalism of theory of the common nature, individuation, the formal

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reality, rather than an ad hoc solution for an exception within a basically Aristotelian perspective. More banally, one could see it as a case where, rather than rejecting a core Aristotelian thesis, Scotus instead resituates it in such a way that it is rendered provincial, due to the exigencies of a thorough theoretical treatment of supernatural doctrines. VII Conclusion I have briefly surveyed Scotus’ doctrines with regard to substance, and given instances where Scotus’ theories on substance are radically different from the traditions that precede him. In the case of individuation, this radicalisation is due to his taking a novel position, and has the corollary that if one accepts Scotus’ arguments that a principle of individuation is required, then he has given us a good reason to reject nominalism. Scotus’ view of concept formation lacks the surety of the textbook versions of the Aristotelian and scholastic traditions, and in some respects foreshadows modern epistemological interests, and a Lockean view of substance. His accounts of quidditative entities, intuition and abstraction are less Aristotelian than might be imagined, and have very different implications from their Thomistic equivalents. Yet Scotus’ non-Aristotelian originality comes through most clearly in his account of the transubstantiation, wherein Aristotelian principles are resituated to accommodate a theist absolute creation. In sum, Scotus is a thinker who uses a latinised Aristotelian language and a basic Aristotelian scheme to express theories that differ from their Aristotelian counterparts in their core presuppositions and sometimes even the problem at hand, and more strikingly so than in his scholastic predecessors, such as Aquinas.

distinction and the status of inherence. See S. Elkatip, “Individuation and Duns Scotus”, Medioevo (V. 21, 1995, pp. 509-526).

Harald Berger: Der Substanzbegriff im spätmittelalterlichen Nominalismus Der spätmittelalterliche Nominalismus ab Wilhelm von Ockham, der sein umfangreiches theologisches und philosophisches Werk in der kurzen Zeit von etwa 1317 bis etwa 1328 verfaßte und 1347 starb, entwickelt seine „sparsame“ Ontologie der Zeit entsprechend im Rahmen der Aristotelischen Kategorienlehre.1 In der Regel werden von den üblichen zehn Kategorien nur zwei als Gattungen realer Entitäten anerkannt, nämlich Substanz und Qualität, der Status einer dritten – Quantität – ist innerhalb der Strömung umstritten, aber nicht aus semantischen, sondern aus physikalisch-empirischen Gründen. Es geht also gewissermaßen um eine horizontale und eine vertikale Reduktion der Aristotelischen Kategorien: Acht (bzw. sieben) der neun akzidentellen Kategorien sind aus nominalistischer Sicht bloß verschiedene Bezeichnungsweisen der zwei (bzw. drei) grundlegenden Entitätenarten, und die Arten und Gattungen von Individuen aller zehn Kategorien sind ebenfalls nicht etwas, das von Denken und Sprechen unabhängig existierte, sondern wiederum nur besondere Bezeichnungsweisen, nämlich von generellen Termen im Unterschied zu singulären Termen (Universalienproblem). Diese Ontologie nimmt also nur Individuen bzw. Partikularia bzw. Konkreta der Substanz- und der Qualitäts- (sowie ggf. der Quantitäts) Kategorie an. (Allerdings haben einige Nominalisten, z. B. Adam von Wodeham, Gregor von Rimini und Albert von Sachsen, zusätzlich auch Sachverhalte – im Latein der Zeit complexe significabilia genannt – im Sinne von außerkategorialen, komplexen Gegenständen angenommen, die zwar nach heutigen Begriffen abstrakt, aber jedenfalls keine Universalien sind; das ist aber nicht Thema dieses Beitrags.) Bei Ockham ist dieses nominalistische Reduktionsprogramm – anders als bei den späteren Vertretern der Strömung – sehr klar als Übersetzungsprogramm formuliert, demgemäß idealiter alle Sätze mit konkreten und/oder abstrakten Termen beliebiger Kategorien in „kanonische“ Sätze mit konkreten Substanz-Termen und abstrakten Qualitäts-Termen (welch letztere als generelle Terme, siehe unten, konkrete Zustände, nicht abstrakte Eigenschaften bezeichnen) nebst einem 1

Zu den von mir hauptsächlich besprochenen Autoren siehe u. a. folgende Literatur: Zu Ockham Adams 1987 (umfassend) und Kraml u. Leibold 2003 (einführend); zu Buridan Thijssen u. Zupko 2001 und Zupko 2003; zu Albert von Sachsen Biard 1991 und Berger 2000.

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Apparat von Synkategoremata (logischen Konstanten) zu übersetzen wären. Unter einer Substanz versteht man in dieser Tradition mit Aristoteles einen selbständigen Träger unselbständiger Akzidentien (d. h., diese sind von jenem logisch2 abhängig), ein beharrendes Zugrundeliegendes von Veränderungsvorgängen und ein letztes Subjekt von Prädikationen. Dies sind Bestimmungen der Kategorien-Schrift (siehe unten), die Bestimmung der Einheit einer solchen (materiellen) Substanz mittels der Begriffe der Materie und der (Wesens-) Form, wie sie in der Metaphysik, Buch VII, entwickelt wird, ist selbstverständlich auch präsent, wobei aber natürlich die Form nicht als forma communis (Realismus), sondern particularis aufgefaßt wird, weshalb es auch keine entsprechenden Individuationsprobleme gibt – Sokrates als Einheit eines bestimmten Körpers und einer bestimmten Seele ist durch sich selbst einer, wie z. B. Ockham (gegen Johannes Duns Scotus) sagt.3 In der nominalistischen Auslegung des Substanz-Kapitels der Categoriae (Kap. 5, 2a11-4b19) nimmt erwartungsgemäß die Unterscheidung der Substanzen in „erste“ und „zweite“ (2a11-19) breiten Raum ein. Erste Substanzen als Individuen bzw. Exemplare von (natürlichen) Arten sind nach Aristoteles Substanzen „im eigentlichen, ursprünglichsten und vorzüglichsten Sinne“ („proprie et principaliter et maxime“ in der Übersetzung des Boethius) und werden dadurch bestimmt, daß keine der beiden Grundrelationen, die in Kap. 2 (1a20-1b9) eingeführt wurden, auf sie zutrifft, nämlich „ausgesagt werden von einem Zugrundeliegenden“ (dici/praedicari de subiecto) und „in einem Zugrundeliegenden sein“ (esse in subiecto), d. h. eben, sie sind singulär und selbständig bzw. logisch unabhängig; damit sind sie auch die notwendige Grundlage für das Allgemeine, das von ihnen ausgesagt wird, und für das Unselbständige bzw. Akzidentelle, das in ihnen ist, – sprich, sie sind die letzten Subjekte von Prädikationen und die Träger von Akzidentien (2a34-2b6).4 Diese ersten Substanzen sind dem scholastischen Nominalisten natürlich sehr genehm, aber daß Aristoteles auch Universalien im Sinne von Arten und Gattungen jener Individuen als Substanzen, eben als zweite Substanzen, bezeichnet, muß er erläutern, da ja eines seiner erklärten Ziele ist, Universalien jeglichen Substanzcharakter (insbesondere selbständige Seinsweise) abzusprechen. Dabei kann er sich wiederum auf Aristoteles 2

So würden wir heute (wie auch Aristoteles selbst) jedenfalls sagen, Ockham & Co. können aber aus theologischen Gründen eigentlich nicht von einer logischen Abhängigkeit sprechen, siehe unten. 3 Sentenzen-Kommentar, lib. I, dist. 2, qu. 6, „Utrum universale sit realiter extra animam, non distinctum realiter ab individuo“ (Guillelmus de Ockham 1970, S. 160224); deutsche Übersetzung der zentralen Partie, ebd., S. 196f., bei Kraml u. Leibold 2003, S. 118f. 4 Vgl. Guillelmus de Ockham 1978, S. 173-176, § 4 u. 5.

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(gegen Platon) berufen und stützen, nämlich auf den einschlägigen locus classicus im Buch VII der Metaphysik (Kap. 13, 1038b1-1039a23): Kein Universale kann eine Substanz sein (1038b8f., von Ockham z. B. auch in der Summa logicae, I, 15,5 zitiert). Es gilt in dieser Hinsicht, Terme (termini, nomina) und Dinge (res) zu unterscheiden: In der Kategorie der Substanz (wie auch analog in den anderen Kategorien) gibt es singuläre und generelle Terme, wie überhaupt die Relation des dici de subiecto für den Nominalisten nur als sprachliche Relation zwischen Termen verständlich ist, m. a. W., es gibt keine reale Prädikation; – zweite Substanzen sind also ausschließlich generelle Substanz-Terme (primär der mentalen, sekundär der konventionalen Sprache), erste Substanzen sind sowohl singuläre Substanz-Terme als auch die von ihnen bezeichneten Dinge. Wie es bei Ockham heißt:6 „Hier ist erstens anzumerken, daß jede Substanz, die ein echtes Ding in der Gattung (= Kategorie) der Substanz ist, schlechthin eine erste, unteilbare und einzelne Substanz ist. So daß die Gattungen und Arten sowie die allgemeinste Gattung der Substanz selbst keine echten Substanzen außerhalb der Seele sind noch zum Wesen der besonderen Substanzen gehören, sondern gewisse Vorstellungen in der Seele sind, die auf keine Weise außerhalb (der Seele) existieren, sowie Laute oder Zeichen (der konventionalen Sprache), die echte Substanzen (in die Rede) einführen (= bezeichnen). Und deshalb ist diese Einteilung der Substanz (in erste und zweite) keine Einteilung der Substanz in Dinge außerhalb der Seele, von denen jedes ein echtes Ding wäre, sondern vielmehr eine Einteilung der Substanz in das, was unter der allgemeinsten Gattung enthalten ist. Und dieser Inhalt (der Substanz-Kategorie unter der höchsten Gattung „Substanz“) umfaßt nicht nur Dinge, sondern auch Vorstellungen in der Seele oder Laute, die echte Dinge und Substanzen einführen (= bezeichnen). [...]“

Als Grund für die Aristotelische Redeweise gibt Ockham im Anschluß an diese Stelle an, daß es dem Philosophen in diesem Werk um die Bestimmung der unverknüpften Ausdrücke (incomplexa), aus denen Sätze (vgl. De interpretatione) und Syllogismen (vgl. Analytica priora) gebildet 5 6

Guillelmus de Ockham 1974, S. 51f., Z. 47-50. Guillelmus de Ockham 1978, S. 164, Z. 31-45: „Notandum est hic primo, quod omnis substantia, quae est vera res contenta in genere substantiae, est simpliciter substantia prima et individua et singularis. Ita quod genera et species et ipsummet genus generalissimum substantiae non sunt verae substantiae extra animam nec sunt de essentia substantiarum particularium, sed sunt quaedam intentiones in anima nullo modo extra exsistentes et voces vel signa importantia veras substantias. Et ideo ista divisio substantiae non est divisio substantiae in res extra animam, quarum quaelibet sit vera res, sed est divisio substantiae in contenta et inferiora ad genus generalissimum, et talia contenta non sunt tantum res, sed sunt etiam intentiones in anima vel voces importantes veras res et substantias, quae ideo dicuntur contenta in genere generalissimo vel sub tali genere, quia sunt minus communia, ut sic substantiae primae dicantur vel ipsae substantiae extra vel nomina illarum rerum, et secundae substantiae dicantur intentiones vel nomina importantia multas substantias“.

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werden, gehe, und daß für den Aufbau der kategorialen Hierarchie (linea praedicamentalis) die Unterscheidung zwischen singulären und generellen Termen wesentlich sei, welche Ockham so formuliert: „nomen vel incomplexum importans plures res“ vs. „nomen vel incomplexum importans praecise unam rem“. Von zweiten Substanzen spreche Aristoteles deshalb, weil sie viele Substanzen bezeichnen, nicht aber deshalb, weil sie echte Substanzen wären.7 Obwohl Ockham an dieser Stelle von einer „magna differentia“ zwischen singulären und generellen Termen spricht, ist der „alte“ Nominalismus doch dadurch gekennzeichnet, diesen Unterschied nur am Umfang – genau ein Ding vs. mehrere/viele Dinge – festzumachen und die semantische Funktion (importare, significare) nur danach zu unterscheiden (z. B. significare discrete vs. confuse): Singuläre Terme (Eigennamen wie „Sokrates“, hinweisende Ausdrücke wie „dieser Mensch“, bestimmte Beschreibungen wie „der Lehrer des Platon“) bezeichnen genau ein bestimmtes Einzelding, generelle Terme (insbesondere Art- und Gattungsnamen wie „Mensch“ und „Lebewesen“) bezeichnen all die Einzeldinge, auf die sie zutreffen, aber nicht einen allgemeinen Gegenstand, dessen Eigenname sie bzw. die entsprechenden Abstrakta wären. Demgemäß ist für Ockham z. B. auch der abstrakte Qualitäts-Term „albedo“ (Weiße, Weißheit) kein singulärer, sondern ein genereller Term, der die einzelnen Weißzustände in der Wirklichkeit bezeichnet,8 die ja in Ockhams Ontologie verae res sind, während es eine allgemeine Eigenschaft, weiß zu sein, für ihn natürlich nicht gibt. Ockhams Argumente gegen den Universalienrealismus an zahlreichen Stellen in seinem Gesamtwerk sind hier nicht das Thema, hier im Kategorien-Kommentar beruft er sich gleich am Anfang einer längeren Partie dazu auf das Buch VII der Metaphysik.9 Den ersten Satz von Categoriae, Kap. 5 (2a11ff.), „Substantia autem est, quae proprie et principaliter et maxime dicitur, quae neque de subiecto praedicatur neque in subiecto est, ut aliqui homo vel aliqui equus“,10 legt Ockham gemäß der Unterscheidung aus, daß „Substanz“ sich auf (a) ein extramentales Ding oder (b) einen Substanz-Term beziehen kann: Wenn (a), dann meint „proprie“ die echten Substanzen im Unterschied zu den Termen der mentalen und konventionalen Sprache, die Substanzen bezeichnen, aber selber keine sind, und deshalb nur im uneigentlichen 7 8

Ebd., Z. 46-55. Vgl. ebd., S. 189, Z. 24-33, u. ö. Vgl. z. B. ebd., S. 172, Z. 20f.: „nam homo supponit pro hominibus et albedo pro albedinibus“. 9 Ebd., S. 165, Z. 59-62: „Quod autem secundae substantiae non sint verae substantiae extra et de essentia substantiarum primarum, potest probari per Philosophum, VII Metaphysicae, ubi ex intentione probat, quod nullum universale est substantia“. 10 Übersetzung des Boethius, Aristoteles Latinus, Bd. I, 1-5, S. 7, Z. 10-12; vgl. die Übersetzung des Wilhelm von Moerbeke, ebd., S. 87, Z. 8-10.

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Sinne „Substanzen“ heißen. „Principaliter“ meint die einheitliche erste Substanz im Unterschied zu ihren wesentlichen Teilen, nämlich Materie und Form. „Maxime“ meint die erste Substanz als Ganzes im Unterschied zu ihren quantitativen Teilen. Eine solche Substanz wird von keinem allgemein genommenen Subjekt prädiziert noch hat sie etwas unter sie Fallendes (aliquid inferius), von dem sie prädiziert würde. Und eine solche Substanz ist auch weder wie ein Akzidens in einem Zugrundeliegenden noch wie ein wesentlicher oder ein quantitativer Teil in einem entsprechenden Ganzen, d. h., sie ist selbständig in dem Sinn, daß sie weder als Zustand an etwas anderem noch als Teil in etwas anderem existiert.11 Wenn man aber die Stelle auf Namen erster Substanzen bezieht (b), wie z. B. Boethius es tut, dann meint „proprie“ die ersten Substanzen (singulären Terme) im Unterschied zu den zweiten (generellen Termen), „principaliter“ meint, daß Akzidens-Terme letztlich von singulären Substanz-Termen und nur sekundär von generellen Substanz-Termen prädiziert werden, und „maxime“ meint, daß singuläre Substanz-Terme Aussagesubjekte sowohl für generelle Substanz-Terme als auch für generelle Akzidens-Terme sind.12 Die generellen Substanz-Terme (und überhaupt die generellen Terme jeder Kategorie) werden von dem unter sie Fallenden (d. h. vom weniger Allgemeinen und letztlich vom Individuellen) gemäß dem Namen und dem Begriff bzw. der Definition ausgesagt, d. h. univok und wesentlich (in quid) prädiziert.13 Hingegen werden generelle Akzidens-Terme von Substanz-Termen bestenfalls gemäß dem Namen, niemals aber gemäß dem Begriff ausgesagt, d. h., sie werden denominativ prädiziert: Gemäß Aristoteles’ Beispiel findet sich das Weiße (album) an einem Körper14 als seinem Zugrundeliegenden und wird von diesem ausgesagt („Corpus est album“), der Begriff bzw. die Definition des Weißen (ratio albi), nämlich „Ding, das Weiße hat“, kann aber nicht in allen Teilen vom Körper ausgesagt werden, da der Körper zwar eine Farbe hat, aber keine Farbe ist. Aristoteles selbst hat noch keine genaue Unterscheidung von abstrakten vs. konkreten Termen, die Scholastiker aber sehr wohl, so auch Ockham: „Hier muß man wissen, daß es für jedes Akzidens, das in einem Zugrundeliegenden existiert, zwei Namen gibt, von denen der eine abstrakt, der andere konkret ist. Und es besteht ein Unterschied zwischen diesen beiden Namen, weil der abstrakte Name genau das Ding, welches im Zugrundeliegenden existiert, bezeichnet und dafür im 11 12

Guillelmus de Ockham 1978, S. 168, Z. 163-175. Ebd., S. 169f., Z. 178-210. In Z. 185 ist offenbar „accidens“ statt „addiscens“ zu lesen. 13 Ebd., S. 171, § 2, zu 2a19-27. Zu den Äquivoka, Univoka und Denominativa vgl. Cat., Kap. 1, 1a1-15, und Ockham dazu, ebd., S. 138-147. 14 Zur Auslegung der ungenauen (d. h., eigentlich falschen) Aristotelischen Redeweise „Album est in corpore“ vgl. ebd., S. 172f., Z. 29-36.

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Satz supponiert (= steht) [...]. Aber der konkrete Name bezeichnet dasselbe Ding, das der abstrakte Name bezeichnet, konnotiert dabei jedoch das Zugrundeliegende, und wegen dieser besonderen Konnotation muß man in der Namensdefinition eines konkreten Namens das Zugrundeliegende bzw. einen Namen, der für das Zugrundeliegende supponiert, im Nominativ setzen [...].“15

Die sechs Eigenschaften der Substanz, die Aristoteles in Cat. 5, 3a7-4b19, anführt, legt Ockham folgendermaßen aus: (1) „Jeder Substanz (sc. der ersten und der zweiten) ist es gemeinsam, nicht in einem Zugrundeliegenden zu sein“. In bezug auf die ersten Substanzen muß wieder unterschieden werden, ob „Substanz“ hier die „echten“, denk- und sprachunabhängigen Substanzen oder singuläre Substanz-Terme meint. Wenn echte Substanzen gemeint sind, ist die Bestimmung klar, denn individuelle Substanzen existieren selbständig, d. h. logisch unabhängig. Wenn hingegen singuläre Substanz-Terme gemeint sind, gilt es, deren Suppositionsart zu unterscheiden: „Sokrates ist in einem Zugrundeliegenden“ ist gemäß personaler Supposition des Subjekts (d. h., der Eigenname steht im Satzkontext für seinen Träger) natürlich falsch (weil das eben hieße, daß Sokrates von etwas anderem logisch abhängig wäre); gemäß materialer Supposition (d. h., der Eigenname steht für sich selbst oder für ein entsprechendes Vorkommnis) hingegen ist er wahr, sofern man (wie Ockham) sprachliche Terme als Akzidentien (Qualitäten) ihrer jeweiligen Unterlage auffaßt.16 – Zweite Substanzen können, wie gesagt, überhaupt nur (generelle Substanz-) Terme sein, und in bezug auf sie bedeutet diese Bestimmung, daß sie von dem unter sie Fallenden wesentlich (im Unterschied zu akzidentell) prädiziert werden,17 was aber nicht den zweiten Substanzen eigentümlich ist, sondern auch den Artunterschieden (differentiae) zukommt.18 15

Ebd., S. 172, Z. 10-28: „Sciendum est hic, quod omnis accidentis exsistentis in subiecto sunt duo nomina, quorum unum est abstractum et aliud concretum. Et est differentia inter ista duo nomina, quia nomen abstractum significat praecise illam rem exsistentem in subiecto et pro ea supponit in propositione; sicut hoc nomen albedo significat praecise illam qualitatem, quae informat corpus, et ideo pro ea supponit in propositione et praedicatur. Sed tale nomen non praedicatur de subiecto nec de aliquo, quod supponit pro subiecto, quia universaliter ad hoc, quod propositio mere in recto sit vera, oportet, quod subiectum et praedicatum pro eodem supponant. Et ideo haec est falsa ‚Homo est albedo’, quia homo et albedo non supponunt pro eodem; nam homo supponit pro hominibus et albedo pro albedinibus. Sed concretum significat eandem rem, quam significat abstractum, connotando tamen subiectum, et propter talem specialem connotationem in definitione exprimente quid nominis concreti debet poni subiectum vel nomen supponens pro subiecto in recto; ut si definiatur, quid est album, debet dici, quod est corpus habens albedinem. Et propter istam rationem tale nomen concretum supponit pro subiecto accidentis et ideo vere dicitur de subiecto, ut vere dicatur ‚Homo est albus’“. 16 Ebd., S. 182-185, § 1. 17 Ebd., S. 185f., § 2. 18 Ebd., S. 186f., § 3.

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(2) Die generellen Terme der Substanz-Kategorie, also die zweiten Substanzen (Arten und Gattungen) sowie die Differenzen, werden von dem unter sie Fallenden univok bzw. synonym prädiziert („gemäß dem Namen und der Definition“, vgl. Cat. 1, 1a6-12).19 (3) „Jede Substanz scheint ein dieses Etwas (hoc aliquid) zu bezeichnen“. Das ist zweifellos wahr in bezug auf singuläre SubstanzTerme, denn ein hoc aliquid bezeichnen heißt genau ein Ding, das unteilbar und der Zahl nach eines ist, bezeichnen;20 mit anderen (wenn auch nicht Ockhams) Worten, der Träger des Eigennamens „Sokrates“ z. B. ist als (Exemplar der Art) Mensch unteilbar und somit auch als 1 Mensch zählbar. – Generelle Substanz-Terme hingegen bezeichnen qua generell nicht eigentlich ein hoc aliquid, sondern vielmehr ein quale quid in dem Sinn, daß sie mehrere Dinge bzw. Exemplare einer Art oder Gattung bezeichnen. Der Anschein einer gleichen Bezeichnungsweise der singulären und generellen Substanz-Terme entsteht, weil sie die gleichen Dinge (nämlich Individuen der Substanz-Kategorie) bezeichnen,21 aber eben doch auf verschiedene Weise: „Sokrates“ bezeichnet nur die individuelle Substanz Sokrates, während „Mensch“ oder „Lebewesen“ Sokrates sowie jedes einzelne andere Ding, das so ist wie Sokrates (nämlich ein Mensch oder ein Lebewesen), bezeichnen (unum quid tale, quale est Sortes).22 (4) „Den Substanzen ist nichts konträr“. Diese Eigenschaft kommt nach Aristoteles allen (den ersten und zweiten) Substanzen zu, aber nicht diesen allein, sondern auch vielen anderen Dingen, z. B. den quantitativ bestimmten. Zur genaueren Bestimmung dieser quarta proprietas substantiae unterscheidet Ockham drei Bedeutungen von „konträre Dinge (contraria)“: (a) Im strengen Sinne sind damit irgendwelche Dinge gemeint, die sich im selben Zugrundeliegenden gegenseitig aufheben und in demselben natürlich vermehrbar und durch „Bewegung“ (d. i. Veränderung) erwerbbar sind. In diesem Sinne können nur Qualitäten, z. B. Weiße und Schwärze, konträr sein. (b) Im weiten Sinne ist all das konträr, was sich im selben Zugrundeliegenden gegenseitig aufhebt; dies trifft auch auf die substantiellen Formen zu. Und (c) im weitesten Sinne ist 19 20 21 22

Ebd., S. 188f., § 5. Ebd., S. 189, § 6. Ebd., S. 191, Z. 39-41. Ebd., S. 189f., § 7; vgl. S. 192, Z. 61-78. Vgl. z. B. auch Albertus de Saxonia 1974, Bl. 8vb: „Tertia proprietas terminorum de praedicamento substantiae, qui dicuntur substantiae primae, est significare hoc aliquid, id est unum et non plura. Substantiarum autem secundarum proprium est significare quale quid, id est plura et non unum. Omnis enim terminus communis de praedicamento substantiae significat hoc aliquid et cum hoc unum aliud, quod est tale, quale est illud, sicut hic terminus homo significat Sortem et Platonem, qui est talis, qualis est Sortes, quia rationalis, sicut est Sortes. Et intelligendum est hoc de quali essentiali, ideo dicitur quale quid significare“.

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all das konträr, was sich gegenseitig aufhebende Wesensformen einschließt. Den Substanzen ist also nichts konträr im Sinne von (a) und (b), weil sie ja nicht in einem Zugrundeliegenden sind, während zusammengesetzte Substanzen verschiedener Arten im Sinne von (c) konträr sind, weil sie (als artverschieden) substantielle Formen einschließen, die sich gegenseitig ausschließen.23 (5) „Die Substanz scheint kein Mehr und Weniger zuzulassen“. Diese Bestimmung bezieht sich auf die Artzugehörigkeit, wie ja Aristoteles selber ausführt, so daß ein und derselbe Mensch nicht zu verschiedenen Zeiten mehr oder weniger Mensch sein kann bzw. ein Mensch nicht zu irgendeiner Zeit mehr oder weniger Mensch sein kann als ein anderer. M. a. W., Prädikate der Substanz-Kategorie können nicht in Verbindung mit den Adverbien „mehr“ oder „weniger“ ausgesagt werden. Ockham führt folgenden Grund dafür an: Es ist unmöglich, daß etwas numerisch Identisches zuerst mehr so-und-so und danach weniger so-und-so ist oder umgekehrt, wenn es nicht etwas erwirbt oder verliert (wie z. B. ein weißer Körper Grade von Weiße hinzugewinnen oder verlieren und dementsprechend mehr oder weniger weiß sein kann). Bei Substanzen ist das aber ausgeschlossen, da eine Substanz nicht numerisch identisch bleibt, sobald eine Substanz (im Unterschied zu einem Akzidens) hinzutritt oder verlorengeht. – Dieser Punkt der Identität unter Veränderung kommt in der sechsten und letzten Eigentümlichkeit der Substanz zum Ausdruck: (6) „Am meisten aber scheint es der Substanz eigentümlich zu sein, daß sie als der Zahl nach ein und dieselbe für Konträres empfänglich ist“. Dies ist die bekannte Bestimmung der Substanz als beharrendes Subjekt von (akzidentellen) Veränderungen; keine Nicht-Substanz bleibt identisch, wenn sie sich verändert. – Ockham zieht aus dieser Partie einige für seine eigene Ontologie wichtige Folgerungen,24 nämlich (a), daß die Quantität kein von Substanz und Qualität verschiedenes Ding ist, (b) daß die Seelenvermögen keine Akzidentien sind, die ihre Tätigkeiten aufnehmen, (c) daß kein Akzidens in einem anderen Akzidens als seinem Zugrundeliegenden sein kann (dies ist eine Verallgemeinerung von (a) und (b)), und schließlich (d), daß eine Relation kein von den absoluten Dingen verschiedenes Ding ist. Andernfalls hätten Akzidentien Substanzcharakter: Wenn z. B. Farbe direkt der Quantität und nicht der Substanz inhärierte, wäre die Quantität Subjekt eines Farbwechsels (Fall (a)), wenn eine Seelentätigkeit dem entsprechenden Vermögen qua Akzidens der Seele und nicht dieser selbst inhärierte, wäre dieses Vermögen Subjekt eines Qualitätswechsels (z. B. von gut zu schlecht, von tugendhaft zu lasterhaft u. dgl., Fall (b)). Und schließlich können Substanzen relationale 23 24

Ebd., S. 194, Z. 26-38. Guillelmus de Ockham 1978, S. 198f., Z. 13-37; vgl. Guillelmus de Ockham 1974, S. 126f., Z. 117-142.

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Bestimmungen erhalten, ohne daß in ihnen selbst irgendeine reale Veränderung (Erwerb oder Verlust eines realen Akzidens) statthat, z. B. wird der weiße Sokrates dem Platon allein dadurch (farb-) ähnlich, daß Platon weiß wird; also können Relationen bzw. relationale Akzidentien nichts Reales sein (Fall (d)).25 In der Summa logicae, Pars I, Cap. 42,26 unterscheidet Ockham drei Bedeutungen von „Substanz“: (1) Im weitesten Sinne heißt jedes Ding „Substanz“, das von anderen verschieden ist, so daß man z. B. auch von der Substanz (d. i. Wesen, Natur) der Weiße, Substanz der Farbe, usw. sprechen kann.27 (2) Im strengeren Sinne heißt jedes Ding „Substanz“, das kein Akzidens ist, welches einem anderen Ding real inhäriert. In diesem Sinne sind sowohl die Materie als auch die (Wesens-) Form als auch das aus beiden Zusammengesetzte Substanzen. (3) Im strengsten Sinne heißt nur das „Substanz“, was weder ein Akzidens, welches einem anderen Ding real inhäriert, noch ein wesentlicher Teil (Materie oder Form) von etwas ist. M. a. W.: Gemäß dem Kriterium des Für-sich-Bestehens (per se ex/subsistere) zählen nur die zusammengesetzten materiellen Individuen und die einfachen geistigen Individuen (Engel und Seelen) als Substanzen, während die metaphysischen Bestandteile des zu einem unum per se Zusammengesetzten ja nicht für sich existieren können. Ockham verwendet aber oft den weiteren Sinn: „Jede Substanz ist entweder eine Materie oder eine Form oder ein (daraus) Zusammengesetztes oder eine von Materie abgezogene (d. i. einer Materie entbehrende, geistige) Substanz“.28 Bei materiellen Substanzen mit homogenen Teilen (z. B. einem Stück Holz) sind auch die integralen Teile Substanzen, da z. B. die zwei potentiellen Hälften des Holzstücks numerisch identisch sind mit den aktualen Hälften nach der Trennung, nur daß sie dann nicht mehr Teile eines Ganzen, sondern neue Ganze sind.29 (Das Problem, daß die potentiellen Hälften eine Grenze gemeinsam haben, die aktualen Hälften aber nicht, erwägt Ockham nicht.) Bei materiellen Substanzen mit heterogenen Teilen (z. B. einem Menschen) sind die 25

Vgl. z. B. Guillelmus de Ockham 1974, S. 157f., Z. 107-111; Guillelmus de Ockham 1978, S. 245, Z. 184-196, jeweils mit Verweis auf Aristoteles, Physica, V, 2, 225b11-13. 26 Guillelmus de Ockham 1974, S. 118, Z. 5-14. – Cap. 43, ebd., S. 122-132, handelt übrigens von den Eigenschaften der Substanz, ähnlich wie oben anhand des Kategorien-Kommentars ausgeführt. 27 Vgl. z. B. auch Iohannes Buridanus 1983, S. 6f., Z. 102-105: „Dico ego, quod ibi (sc. Cat. 1, 1a2, ‚ratio substantiae’) non capitur ‚substantia’, prout distinguitur contra accidens, immo largius loco huius nominis ‚essentia’. Sic enim saepe utimur hoc nomine ‚substantia’, ut essentiam albedinis vocamus substantiam albedinis, et sic cuiuslibet rei substantia est ipsamet res“. 28 Guillelmus de Ockham 1986, S. 7, Z. 11f.: „omnis substantia vel est materia vel forma vel compositum vel substantia abstracta a materia“, ebenso ebd., S. 10, Z. 86f. Vgl. auch Aristoteles, Metaphysica, VII, 3, 1029a3f. 29 Guillelmus de Ockham 1986, S. 112-114.

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integralen Teile natürlich nicht Substanzen im gleichen Sinne, eine abgetrennte menschliche Hand z. B. ist weder ein Mensch noch eine Menschenhand im eigentlichen Sinne (da nicht mehr funktionstüchtig), sondern nur ein Stück Materie bestimmter Art. Zum Begriff der Substanz gehört, wie gesagt, das Für-sich-Existieren, während ein Akzidens eine Substanz als Zugrundeliegendes voraussetzt.30 Diese Bestimmungen können aber bei den christlichen Aristotelikern nicht wie beim Philosophen selbst im logischen Sinne verstanden werden, und zwar hauptsächlich wegen des Altarsakraments (Brot und Wein verwandeln sich in Leib und Blut Christi). Dieses erfordert nämlich die logische Möglichkeit, daß Akzidentien ohne Substanz existieren und daß eine Substanz ohne Akzidentien existiert. Wäre dies nicht logisch möglich, könnte es nicht einmal die absolute göttliche Allmacht (potentia divina absoluta, d. i. die göttliche Allmacht in Absehung von den übrigen Vollkommenheiten wie Güte und Weisheit) vollbringen, da Gott zwar alles machen kann, aber nichts, was einen logischen Widerspruch impliziert.31 Also kann das Substanz-Akzidens-Verhältnis nur ein naturgesetzliches (de potentia divina ordinata) sein: Im gewöhnlichen (von Gott bei der Schöpfung installierten) Naturverlauf gibt es keine Akzidentien ohne Substanzen und umgekehrt, aber Gott kann de potentia absoluta übernatürlich in dieses natürliche Kausalgefüge eingreifen und Wunder wirken.32 Im Zusammenhang seiner Diskussion des Altarsakraments unterscheidet Ockham übrigens drei Bedeutungen von „Akzidens“:33 (1) Im strengen Sinne ist ein Akzidens ein von der Substanz real verschiedenes Ding, das dieser inhäriert, aber (anders als die substantielle Form) mit ihr kein per se unum bildet (sondern eben nur ein unum per accidens), wobei Erwerb oder Verlust eines solchen Akzidens die Existenz der Substanz nicht tangiert, wohl aber eine Veränderung derselben bedingt. (2) Im weiten Sinne ist auch das ein Akzidens, was einer Substanz kontingent zukommen kann, ob sie sich nun verändert oder nicht, d. h. durch eine Veränderung ihrer selbst oder durch eine Veränderung einer anderen Substanz, wie es insbesondere bei Relationen der Fall ist. (3) Im weitesten Sinne ist auch das ein 30

Vgl. z. B. Guillelmus de Ockham 1986, S. 117, Z. 13f.: „de ratione etiam substantiae sit per se exsistere, accidens autem naturaliter innititur alteri“; ebd., S. 134, Z. 32f.: „ad destructionem subiecti [...] sequitur destructio accidentis“; ferner z. B. Guillelmus de Ockham 1978, S. 210, Z. 140f.: „accidens [...] praesupponit substantiam tamquam subiectum suum“. 31 Vgl. z. B. Guillelmus de Ockham 1980, S. 604, Z. 13-16: „Quod probo primo per articulum fidei: ‚Credo in Deum Patrem omnipotentem’. Quem sic intelligo, quod quodlibet est divinae potentiae attribuendum, quod non includit manifestam contradictionem“. 32 Vgl. z. B. Guillelmus de Ockham 1986, S. 103, Z. 25-27: „totum ordinem causarum naturalium possit Deus immutare. Et contra cursum communem causarum naturalium constat eum multa fecisse“. 33 Guillelmus de Ockham 1986, S. 185-187, Z. 13-63.

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Akzidens, was einer Substanz ausschließlich durch fremde Veränderung kontingent zukommen kann, so daß sogar auch Gott Akzidentien zukommen können. Akzidentien als verae res bzw. res absolutae in Ockhams Ontologie sind natürlich nur solche im strengen Sinne (1), wobei folgendes „Realitätskriterium“ gilt: „Es ist unmöglich, daß etwas von einem Glied eines kontradiktorischen Gegensatzes zum anderen übergeht (d. h., daß zuerst die Aussage p wahr ist und dann non-p oder umgekehrt) ohne Erwerb oder Verlust irgendeines Dinges, wo (jener Übergang) nicht durch (bloßen) Zeitverlauf oder Ortsbewegung gerettet wird (d. i. erklärbar ist) [...].“34

Gemäß diesem Kriterium sind für Ockham neben den Substanzen nur Qualitäten der ersten und der dritten von den vier Arten bei Aristoteles (Cat. 8, 8b26ff., 9a14ff., 9a28ff., 10a11ff.) reale Bestandteile der Wirklichkeit, namentlich mentale Akte und Dispositionen wie Wissen einerseits und äußere, sinnlich wahrnehmbare Beschaffenheiten wie die in der Neuzeit sogenannten sekundären Qualitäten anderseits. Der Pariser Nominalist Johannes Buridan († um 1360) widmet drei seiner 20 Quaestiones in Praedicamenta den Eigenschaften der Substanz gemäß Aristoteles, nämlich qq. 4-6; außerdem ist noch eine weitere Quästion einschlägig, deren Echtheit aber nicht sicher ist, da sie nur in zwei von sechs Handschriften vorkommt.35 Bezüglich der Eigenschaft der Substanz, daß sie nicht in einem Zugrundeliegenden ist (in subiecto non esse), stellt Buridan fest, daß Aristoteles hier nicht für sich bestehende Substanzen außerhalb der Seele meint und auch nicht reale Inhärenz, sondern vielmehr Substanz-Terme und eine bestimmte Prädikationsweise, nämlich denominative Prädikation, während „von einem Zugrundeliegenden ausgesagt werden“ (dici de subiecto) wesentliche Prädikation meint. Der Sinn der Aristotelischen Bestimmung ist also, daß kein Term der Kategorie „Substanz“ denominativ prädiziert wird, da ja singuläre Substanz-Terme gar nicht prädiziert werden, generelle Substanz-Terme aber von den singulären wesentlich (essentialiter) prädiziert werden. Das Problem, daß dies nicht der Substanz eigentümlich ist, da es ja auch den Artunterschieden zukommt (vgl. Cat. 5, 34

Siehe z. B. Guillelmus de Ockham 1980, S. 707, Z. 12-18: „impossibile est aliquid transire a contradictorio in contradictorium sine adquisitione et deperditione cuiuscumque rei, ubi non salvatur per transitionem temporis et motum localem; sed homo est primo non-albus et postea albus, et iste transitus non salvatur per motum localem nec per transitum temporis; igitur albedo distinguitur realiter ab homine“. – Ich meine mich zu erinnern, ein ähnliches Prinzip bei Bertrand Russell gelesen zu haben, finde aber die Stelle leider nicht mehr. 35 Iohannes Buridanus 1983, S. 30-35 (qu. 4), 36-41 (qu. 5), 42-47 (qu. 6), 168-172 (qu. 4A); zur letzteren vgl. ebd., S. 21*f.

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3a21f.), ist für Buridan eine bloße Definitionsangelegenheit, und der Gebrauch von Wörtern ist, wie er oft betont, eine Sache der Konvention.36 Eines der Eingangsargumente dieser qu. 4 besagt, daß gemäß Aristoteles ja einige Substanzen (nämlich die sog. zweiten) von einem oder mehreren Zugrundeliegenden ausgesagt werden, also müßten sie entweder auch „in“ diesen sein oder von ihnen getrennt sein wie die Platonischen Ideen, was Aristoteles im VII. Buch der Metaphysik widerlegt habe. Darauf erwidert Buridan, daß eine zweite Substanz von einem Zugrundeliegenden als einem unter sie Fallenden (tamquam de inferiori, d. i. als einem weniger allgemeinen Term in der kategorialen Hierarchie) und nicht denominativ ausgesagt wird und daß sie weder im Sinne der Inhärenz „in“ dem Zugrundeliegenden ist noch eine für sich bestehende, von den Einzeldingen abgetrennte Substanz im Sinne Platons ist, sondern etwas Sprachliches, nämlich ein mentaler oder ein konventionaler Term.37 Bei der Feststellung, daß die Aristotelische Bestimmung sich auf Sprachliches und nicht auf die außersprachliche Wirklichkeit bezieht, spricht Buridan von „wahren, für sich bestehenden Substanzen und ihren (wesentlichen) Teilen“ im Unterschied zu Akzidentien.38 Dies ist die erste von zwei Bedeutungen von „Substanz“, die er in den Summulae, Tr. III, Cap. 2, unterscheidet, während die zweite Bedeutung Terme der Kategorie „Substanz“ meint, die Substanzen im ersten Sinne „ohne fremde Konnotation“ bezeichnen, d. h. nicht denominativ, sondern wesentlich.39 Ebenda behauptet er auch, daß sich der Ausdruck „Substanz“ nicht von „für sich bestehen“ herleitet, sondern von „unterstehen“ im Sinne von „an Subjektstelle eines Satzes stehen“.40 In der erwähnten qu. 4A zu den Kategorien, die vielleicht nicht von ihm selbst, aber sicher in seinem Geiste verfaßt ist, ist diese Unterscheidung interessant weiter ausgeführt:41 „Substanz“ im ersten Sinn ist ein Term erster Stufe (primae impositionis, „erster Einsetzung“, d. i. objektsprachlich), im zweiten Sinn ein Term zweiter Stufe (secundae impositionis, d. i. metasprachlich). Vom objektsprachlichen Term „Substanz“ werden dann vier Bedeutungen unterschieden: (1) Substanz im eigentlichsten Sinne (propriissime) ist das, was für sich besteht, so daß es nicht Teil von etwas anderem, das für sich und einfach (d. i. als eine wesentliche Einheit) besteht, ist, und darüber hinaus von nichts (kausal) 36

Iohannes Buridanus 1983, S. 33, Z. 91: „Respondeo, sicut saepe dixi, quod nomina significant ad placitum“; vgl. z. B. ebd., S. 32, Z. 57f.: „Et si tu non vis hoc recipere, vadas vias tuas, quia nomina sunt ad placitum“; es könnten zahlreiche weitere Belege aus Buridans Schriften angeführt werden. 37 Iohannes Buridanus 1983, S. 30, Z. 16-19 (Argument), S. 35, Z. 125-128 (Antwort). 38 Iohannes Buridanus 1983, S. 31, Z. 31f. u. 35f. 39 Johannes Buridanus 1994, S. 21, Z. 5-18. 40 Johannes Buridanus 1994, S. 21f., Z. 19-23. 41 Iohannes Buridanus 1983, S. 169, Z. 42-55.

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abhängt. In diesem Sinne ist nur die erste Ursache (d. i. Gott als Schöpfer) Substanz. (2) In einem weiteren Sinne umfaßt der Begriff auch die geschaffenen und damit vom Schöpfer kausal abhängigen,42 aber untereinander logisch unabhängigen Substanzen, nämlich die abgetrennten (d. i. rein geistigen) und die zusammengesetzten (materiellen) Substanzen, aus denen sich andere Substanzen nicht zusammensetzen (die also wesentliche Einheiten und nicht Teile von solchen sind). (3) In einem noch weiteren Sinne fallen für sich existierende Substanzen sowie ihre wesentlichen Teile unter den Begriff, so daß nicht nur Komposita, sondern auch Materie und Form als Substanzen zählen. (4) Im weitesten Sinne meint „Substanz“ jedwedes Ding als Wesen43 und ist gleichbedeutend mit „Seiendes“ (ens), wie z. B. in der grammatischen Definition (Priscians) „Das Nomen ist ein Redeteil, der eine Substanz bezeichnet“ usw. – Ferner gibt es drei Bedeutungen von „für sich existieren“:44 (1) Was nicht Teil einer wesentlichen Einheit (unum per se) ist und von nichts abhängt oder erhalten wird – dieser Sinn trifft wiederum nur auf Gott allein zu. (2) Was nicht Teil einer wesentlichen Einheit und auch nicht „in“ einem Zugrundeliegenden ist – das sind die geistigen (separatae) und die materiellen (compositae) Substanzen im Unterschied zu ihren wesentlichen Teilen Materie und Form sowie zu den Akzidentien. (3) Was nicht „in“ einem Zugrundeliegenden ist, ob es nun Teil einer wesentlichen Einheit ist oder nicht – darunter fallen nicht nur die vollständigen Substanzen, sondern auch ihre wesentlichen Teile Materie und Form, im Unterschied zu den Akzidentien. – Und schließlich gibt es noch drei Bedeutungen von „unum per se“:45 (1) Was unteilbar eines ist, wie Gott und die Engel. (2) Was wesentlich eines ist, wie der Mensch und die anderen zusammengesetzten Substanzen mit heterogenen Teilen. (3) Was kontinuierlich eines ist, wie ein Holzstück und die anderen zusammengesetzten Substanzen mit homogenen Teilen. Bezüglich der Eigenschaft der univoken Prädikation von ersten Substanzen meint Buridan, daß sie den generellen Termen der SubstanzKategorie, also den zweiten Substanzen und den Differenzen, eigentümlich ist.46 Die Bestimmung „ein dieses Etwas bezeichnen“ ergänzt er durch den Zusatz „ohne fremde Konnotation“ und meint dann, daß dies allen Termen der Substanz-Kategorie eigentümlich ist. Allerdings gibt es verschiedene Bezeichnungsweisen, denn singuläre Substanz-Terme bezeichnen ein hoc 42

klar.

43

Das wird zwar nicht explizit so gesagt, ist aber aus dem Zusammenhang völlig

Iohannes Buridanus 1983, S. 169, Z. 53f., „cuiuscumque rei essentia“, eigentlich „das Wesen jedweden Dinges“, was aber sicher das Ding selbst meint, vgl. auch die schon zitierte Buridan-Stelle, ebd., S. 6f., Z. 104f. 44 Iohannes Buridanus 1983, S. 169f., Z. 56-64. 45 Iohannes Buridanus 1983, S. 170, Z. 64-67; „aer“ in Z. 65 ersetze ich durch „homo“. 46 Iohannes Buridanus 1983, S. 38, Z. 61-67.

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aliquid auf singuläre Weise (d. i. genau eine Substanz, auf die man hinweisen kann), generelle auf allgemeine Weise, d. h. eine Substanz gemeinsam und unterschiedslos mit anderen. Daß zweite Substanzen gemäß Aristoteles ein quale quid („ein irgendwie beschaffenes Etwas“) bezeichnen, legt Buridan so aus, daß sie gemäß allgemeinen und qualifizierbaren Begriffen bezeichnen.47 Wenn die generellen SubstanzTerme andere Dinge als die singulären Substanz-Terme und nicht bloß auf andere Weise bezeichneten, wäre man auf einen Platonismus festgelegt.48 Daß der Substanz nichts konträr ist, heißt nach Buridan, daß substantielle Terme niemals wechselweise konträr sein können, da sie ja nicht konnotativ sind, so daß sie ein und dasselbe Ding denotieren und nacheinander konträre Beschaffenheiten desselben konnotieren könnten, wie z. B. „weiß“ und „schwarz“.49 Daß die Substanz kein Mehr und Weniger aufnimmt, kann ebenfalls nicht auf die außersprachlichen Substanzen, die ja sehr wohl z. B. verschiedene Grade von Qualitäten aufnehmen, bezogen werden, sondern nur auf Substanz-Terme, die nicht mit den Zusätzen „mehr“ oder „weniger“ prädiziert werden können. Die letzte Eigenschaft der Substanz, für Konträres empfänglich zu sein, bietet nach Buridan die textliche Schwierigkeit, wie man in „Maxim(a)e substantiae proprium est“50 den Bezug von „maxim(a)e“ auffaßt: Wenn man es als Adverb zu „proprium“ auffaßt, ist die Aussage falsch, da dies nicht jeder Substanz zukommt, nämlich nicht Gott, den Intelligenzen und den Himmelskörpern. Wenn man es als Adjektiv auf „substantiae“ bezieht, ist es auch falsch, weil die größte Substanz nur Gott oder der Himmel sein kann, die nicht für Konträres empfänglich sind. Also muß man die Stelle wieder auf der Termebene auslegen: Am meisten ist es der Substanz im Sinne eines singulären Substanz-Terms eigentümlich, konträre denominative Prädikate nacheinander zuzulassen, wie z. B. „Sokrates ist weiß/schwarz, gesund/krank“, und zwar gemäß der Veränderung dessen, was das Subjekt bezeichnet.51 Bezüglich des Verhältnisses von Substanz und Akzidens hat Buridan eine eigenwillige Auffassung entwickelt:52 Bei Akzidens-Termen (wie z. 47 48

Iohannes Buridanus 1983, S. 38f., Z. 75-105. Iohannes Buridanus 1983, S. 39, Z. 86f.: „nisi poneremus praeter animam universalia distincta a singularibus, sicut Plato posuit ideas“; vgl. Johannes Buridanus 1994, S. 30, Z. 3-5 u. 12f. 49 Iohannes Buridanus 1983, S. 41, Z. 130-138. 50 Das Mittellatein unterscheidet bekanntlich nicht zwischen „ae“ und „e“, so daß der Satz heißen kann „Am meisten ist es der Substanz eigentümlich“ („maxime“ als Adverb) oder „Der größten Substanz ist es eigentümlich“ („maximae“ als Adjektiv). 51 Iohannes Buridanus 1983, S. 45-47, Z. 67-121. Vgl. die z. T. abweichenden Ausführungen in Johannes Buridanus 1994, S. 33-35, Z. 1-58. 52 Hierbei stütze ich mich auf Bakker 1999, Bd. 1, S. 410-416, und Bakker 2001, S. 249-257.

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B. Qualitäts-, Farb-Termen) gilt es nach ihm nicht nur das Konkretum (z. B. album, ein weißes (Ding)) und das Abstraktum (albedo, die Weiße) zu unterscheiden, sondern auch den Ausdruck „esse album“ (weiß zu sein bzw. das Weiß-Sein, was von Buridan aber nicht als Sachverhalt, sondern als Zustand verstanden wird). Für Aristoteles seien die Weiße und das Weiß-Sein dasselbe (aber natürlich vom Weißen verschieden), weshalb für ihn das Akzidens vom Zugrundeliegenden logisch abhängig ist, die Begriffe der Weiße und des Weiß-Seins konnotativ und nicht absolut sind sowie die entsprechenden Entitäten nicht schlechthin etwas sind, sondern nur etwas in Hinsicht auf etwas anderes (nämlich das Zugrundeliegende). Demgegenüber meint Buridan unter expliziter Berufung auf Vorgaben der katholischen Theologie, daß die Weiße und das Weiß-Sein verschieden sind: Das Weiß-Sein ist zwar logisch abhängig von einem Weißen (notwendigerweise gilt, kein Weiß-Sein ohne ein weißes Ding), nicht aber die Weiße – diese ist eine für sich bestehende, reale Entität, auch wenn sie einer Substanz inhäriert, und kann insofern durch Gottes Allmacht von der Substanz getrennt und ohne diese im Sein erhalten werden. Daß ein solches, für sich bestehendes Akzidens aber nicht zu einer Substanz wird, bedarf dann doch der Begriffe naturaliter vs. miraculose: Eine Substanz ist etwas, was auf natürliche Weise für sich existiert und nicht etwas anderem inhäriert (sowie die wesentlichen Teile davon), ein Akzidens ist etwas, was nicht auf natürliche Weise für sich existiert noch ein wesentlicher Teil von etwas für sich Existierendem ist, sondern nur auf wunderbare Weise.53 – Aufgrund dieser Trennbarkeit der Akzidentien muß Buridan dann entgegen Aristoteles auch annehmen, daß die Inhärenz etwas Zusätzliches zur Substanz und zum Akzidens ist.54 Das widerstrebt zwar seinem nominalistischen Geist, demgemäß ja res additae tunlichst zu vermeiden sind, wird aber wiederum vom katholischen Glauben erfordert: „Welche (zusätzlichen Entitäten) ich jedoch keineswegs zuließe, wenn es nicht jene Trennbarkeit (eines Akzidens von der Substanz) gäbe, die wir aufgrund des Glaubens annehmen“.55

53

Bakker 2001, S. 254f., Anm. 16 (Metaphysik-Kommentar, qu. IV.6, nach zwei Handschriften, im Nachdruck 1964 des Drucks Paris 1518 auf Bl. 17va). 54 Bakker 2001, S. 255-257. Vgl. z. B. auch Guillelmus de Ockham 1980, S. 411, Z. 124f.: „inhaerentia autem accidentis ad substantiam est respectus extrinsecus adveniens“. Dagegen z. B. Marsilius von Inghen bei Bakker 2001, S. 262, Anm. 33: „inhaesio formae in [materia] est forma inhaerens [...]. Et probatur ratione sic: Inhaesio formae substantialis in materia est forma substantialis inhaerens, igitur pari ratione ubique debet ita poni“, d. h., die Inhärenz eines Akzidens in einer Substanz ist einfach das inhärierende Akzidens selbst. 55 Bakker 2001, S. 256, Anm. 20: „Quas tamen nullo modo concederem, nisi esset illa separabilitas, quam ex fide tenemus“ (Metaphysik-Kommentar, qu. V.8, im Nachdruck des Frühdrucks auf Bl. 32ra).

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Albert von Sachsen († 1390) behandelt die Kategorie der Substanz in seiner Logica, Tr. I, Cap. 19:56 Die Aristotelische Unterscheidung von ersten und zweiten Substanzen meint singuläre vs. generelle Terme (Individuen- vs. Art- und Gattungsnamen) in der Substanz-Kategorie, wobei „die Art mehr Substanz als die Gattung“ in dem Sinne ist, daß ein Art-Term weniger allgemein ist und damit mehr Prädikate hat als ein Gattungs-Term („weniger Umfang, mehr Inhalt“, wie man später sagte). Und da die singulären Substanz-Terme eben die letzten Subjekte der Prädikationen sind, sind sie auch notwendige Voraussetzung für die Prädikationen, und zwar jeder Art, wesentlicher wie akzidenteller. Von den Aristotelischen Bestimmungen der Substanz hält Albert die erste für im eigentlichen Sinne eigentümlich (proprietas proprie propria), nämlich „in subiecto non esse“, weil sie allen und nur Substanz-Termen zukomme:57 Terme der Substanz-Kategorie werden von einem Pronomen, das auf eine Substanz hinweist, nicht denominativ prädiziert, sondern alle (singuläre wie generelle) werden wesentlich davon prädiziert. Das ist überraschend, denn man hätte erwartet, daß nicht denominativ prädiziert zu werden auf singuläre Substanz-Terme deshalb zutrifft, weil sie gar nicht prädiziert werden, und nicht deshalb, weil sie wesentlich prädiziert werden. Albert verwendet hier offenbar einen rein syntaktischen Begriff des Prädikats (folgt der Kopula wie in „Dies ist Sokrates“) und auch der Kopula (die ja hier semantisch Identität bedeutet und nicht prädikativ ist).58 Grund dafür, daß (generelle wie singuläre) Substanz-Terme nicht denominativ prädiziert werden, ist, daß sie nicht konnotativ sind.59 Hingegen hält Albert die sechste und letzte Bestimmung, gemäß eigener Veränderung für Konträres empfänglich zu sein, nicht – „wie gemeinhin geglaubt wird“ – für im eigentlichen Sinne eigentümlich, da sie nicht auf alle Substanz-Terme, z. B. „Gott“, zutrifft.60 Aus diesem Grund hält er auch ein Argument Ockhams gegen die reale Verschiedenheit von Quantität und Substanz für nicht schlüssig, nämlich dieses: Was gemäß 56

Albertus de Saxonia 1974, Bl. 8va-9ra. Vgl. z. B. auch Albert of Saxony 2002, S. 177, § 189f.: „Substanz“ meint entweder ein für sich existierendes Ding (aliqua res per se existens), wie Sokrates, einen Stein, ein (Stück) Holz, oder einen (generellen oder singulären) Term aus der Substanz-Kategorie. „Akzidens“ meint entweder eine Form, die einem Zugrundeliegenden real inhäriert (aliqua forma realiter alicui subiecto inhaerens), wie das Wissen in der Seele oder die Weiße in der Wand, oder einen Term aus den Akzidens-Kategorien. 57 Albertus de Saxonia 1974, Bl. 8vb; vgl. Albertus de Saxonia 1988, S. 340, § 429. 58 Vgl. dazu auch Logica, Tr. I, Cap. 10 (Albertus de Saxonia 1974, Bl. 5ra): „sine dubio terminus singularis significative acceptus potest praedicari de pluribus“ usw.; ferner Tr. II, Cap. 6, Reg. 5 (ebd., Bl. 12vb). 59 Albertus de Saxonia 1988, S. 340, § 431: „Et haec est ratio, quia termini de praedicamento substantiae non connotant additum ei, pro quo supponunt, sicut faciunt termini de praedicamento accidentis“. 60 Albertus de Saxonia 1974, Bl. 9ra; vgl. Albertus de Saxonia 1988, S. 332 u. 334, § 412; S. 340, § 430f.

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seiner eigenen Veränderung für Konträres empfänglich ist, ist eine Substanz. Nun ist aber eine Quantität gemäß ihrer eigenen Veränderung für Konträres empfänglich. Also ist eine Quantität eine Substanz (sprich, eine Quantität ist von einer Substanz nicht real verschieden bzw. real mit ihr identisch).61 – Die Kritik Alberts richtet sich aber nur gegen dieses Argument, in der Sache ist er mit Ockham (gegen Buridan z. B.) eins. In den zwei einschlägigen seiner Quaestiones in artem veterem behandelt Albert nur zwei der Aristotelischen Bestimmungen der Substanz, nämlich nicht in einem Zugrundeliegenden zu sein und univok ausgesagt zu werden.62 Die erste wurde schon behandelt, die zweite besagt nach Albert, daß „univok von ersten Substanzen (singulären Substanz-Termen) prädiziert zu werden“ den zweiten Substanzen (generellen SubstanzTermen) eigentümlich ist, wenn man diese Bestimmung im eigentlichen Sinne versteht, nämlich: von mehreren Substanzen gemäß einem Namen und einem Begriff und darüber hinaus wesentlich prädiziert zu werden;63 generelle Akzidens-Terme werden zwar auch gemäß einem Namen und einem Begriff prädiziert (und somit univok im weiten Sinne), aber eben nicht wesentlich, sondern denominativ. Bezüglich des Verhältnisses von Substanz und Akzidens hat Albert eine andere Auffassung als Buridan und folgt auch in dieser Hinsicht eher Ockham: „Jedes Akzidens ist in einem Zugrundeliegenden gemäß realer Inhärenz, denn es widerstreitet der Natur eines Akzidens völlig, nicht in einem Zugrundeliegenden zu stehen. Und diese These ist wahr gemäß dem Glauben und gemäß Aristoteles, wenn auch sehr wohl gemäß dem Glauben und der Wahrheit Akzidentien ohne Zugrundeliegendes stehen mögen, wie im Altarsakrament; aber dies geschieht nicht gemäß der Natur des Akzidens, sondern übernatürlich.“64

In einem Zugrundeliegenden sein und für sich bestehen bzw. ein Akzidens sein und eine Substanz sein schließen also einander aus,65 aber nicht begrifflich-logisch, sondern nur „natürlich“ bzw. naturgesetzlich, so daß die Möglichkeit eines übernatürlichen Eingriffes Gottes (de potentia 61 62 63 64

Vgl. z. B. Guillelmus de Ockham 1974, S. 126f., Z. 117-130; S. 132, Z. 17-23. Albertus de Saxonia 1988, S. 328-344, § 404-439; S. 344-354, § 440-461. Albertus de Saxonia 1988, S. 348, 350, 352, § 448-457. Albertus de Saxonia 1988, S. 338, § 425: „Quantum ad secundum sit prima conclusio, quod omne accidens est in subiecto secundum realem inhaerentiam, nam repugnat omnino naturae accidentis non stare in subiecto. Et ista conclusio habet veritatem secundum fidem et secundum Aristotelem, licet bene secundum fidem et veritatem accidentia stent sine subiecto, sicut in Sacramento Altaris; sed hoc non est secundum naturam accidentis, sed supernaturaliter“. 65 Albertus de Saxonia 1988, S. 338, § 426: „Secunda conclusio: Nulla substantia per se subsistens est in subiecto. Patet hoc, nam si esset in subiecto, tunc non subsisteret per se“.

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absoluta) gewahrt bleibt. Diese Auffassung ist klarer und sparsamer als die Buridans, der ja letztlich auch auf die Unterscheidung naturaliter vs. miraculose zurückgreifen muß. Auch der ein paar Jahre nach Albert lehrende und schreibende Pariser Nominalist Marsilius von Inghen vertritt eine ähnliche Ansicht wie dieser.66 Neben der bisher dargestellten vorherrschenden nominalistischen Sicht der Wirklichkeit – sie besteht, wie gesagt, aus individuellen Substanzen mit individuellen Akzidentien bzw. Zuständen (Qualitäten und eventuell Quantitäten) – gibt es noch zwei abweichende, radikalere Auffassungen, nämlich erstens: Die Wirklichkeit besteht nur aus Substanzen allein, denen zwar verschiedene Verhaltensweisen (modi se habendi) zukommen, welche aber keine realen Entitäten sind; dies ist die z. B. von Buridan kritisierte Auffassung des Johannes von Mirecourt, der 1347 verurteilt wurde.67 Und zweitens: Die (physische) Wirklichkeit besteht überhaupt nur aus „Sinnesdaten“, also aus Akzidentien ohne Substanzen; dieser „Phänomenalismus“ ergibt sich zwar nur interpretativ, aber m. E. trotzdem zwingend aus den Briefen des Nikolaus von Autrecourt,68 der 1346 verurteilt wurde. Da Nikolaus nämlich eine logische Evidenz für die äußere und die innere Wahrnehmung behauptet,69 muß er eine Identität der direkten Akte mit ihren Gegenständen sowie eine Identität der reflexiven Akte mit den direkten Akten annehmen.70 Wenn z. B. „Das Sehen der Weiße existiert, also existiert die Weiße“ (Visio albedinis est, ergo albedo est) eine logisch gültige Folgerung (es ist unmöglich, daß der Nachsatz falsch ist, wenn der Vordersatz wahr ist) und damit evident sein soll, kann 66

Vgl. Bakker 1999, Bd. 1, S. 416-421; Bakker 2001, S. 257-262. Siehe bes. die Stelle ebd., S. 262, Anm. 33: „Et ad rationem alterius opinionis dicitur, quod, licet accidens per primam potentiam possit separari – et separatum conservari in esse et agere – a suo subiecto, nihilominus hoc totum est praeter naturae cursum solitum et miraculosum, nam naturalis tendentia accidentis est ad subiectum, sicut formae ad materiam. Et ergo ex tali conservatione miraculosa non fit accidens quid simpliciter“ (Metaphysik-Kommentar, qu. IV.5, nach zwei Handschriften). 67 Vgl. dazu Maier 1958, S. 329-331; zu Buridans Kritik siehe ebd., S. 331-339. 68 Nicholas of Autrecourt 1994. – Nikolaus war allerdings kein Nominalist. Zu ihm siehe zuletzt Perler 2006, S. 309-363. 69 1. Brief an Bernhard, Nicholas of Autrecourt 1994, S. 56, § 15: „Et ideo, ad evitandum tales absurditates, sustinui in aula Sorbonae in disputationibus, quod sum certus evidenter de obiectis quinque sensuum et de actibus meis“. Zum Begriff der certitudo evidentiae, Gewißheit der Evidenz auf der Basis des Widerspruchsprinzips, vgl. den 2. Brief an Bernhard, ebd., S. 58-74, bes. § 2, 5, 7. 70 Daß Nikolaus dies tatsächlich vertreten hat, ergibt sich indirekt aus folgenden Stellen: „Et confirmo, quia si essetis certus de actu vestro credendi, vel hoc esset mediante ipsomet actu – et tunc actus rectus et reflexus essent idem, quod vos non vultis concedere – vel per alium actum, et tunc secundum dicta vestra non essetis simpliciter certus, quia tunc non esset contradictio plus, quam quod visio albedinis esset et albedo non esset“ (1. Brief an Bernhard, ebd., S. 52 u. 54, § 13); „Secundum dicta vestra necesse est, quod cognitio intuitiva sit eadem cum re cognita, quia aliter non sequeretur ‚Res intuitive apparet, ergo res est’“ (Brief des Ägid an Nikolaus, ebd., S. 84, § 14).

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„die Weiße“ nicht eine Außendingbeschaffenheit meinen, sondern nur eine „Erscheinung“ (apparentia) bzw. eine Empfindung – wenn ich glaube, eine Weiß-Empfindung zu haben, ist es unmöglich, daß ich keine WeißEmpfindung habe. Hingegen ist natürlich weder der Schluß auf eine äußere Qualität (Außendingbeschaffenheit) noch auf eine äußere Substanz (Außending) „unter“ jener evident in Nikolaus’ strengem, logischem Sinne. Von der eigenen Seele als einer geistigen Substanz hat man aber – neben den Empfindungen der äußeren Sinne und den eigenen mentalen Akten – evidentes Wissen.71 – Nikolaus, wohl eine singuläre Erscheinung im Mittelalter, ist also nicht ohne Grund schon vor hundert Jahren mit Berkeley und Hume verglichen worden.72 Abschließend läßt sich sagen, daß der spätmittelalterliche Nominalismus v. a. auch dadurch charakterisiert ist, daß er die meisten Aristotelischen Bestimmungen der Substanz-Kategorie (wie auch der Kategorien überhaupt sowie auch der Prädikabilien des Porphyr) von der außersprachlichen Wirklichkeit auf die sprachliche, logisch-semantische Ebene (einschließlich des „mentalen Sprechens“, Denkens) transferiert; bei den Alten selbst ist es ja in der Regel unentschieden, welcher Ebene ihre Bestimmungen angehören. Quellen und Literatur Adams 1987: Marilyn McCord Adams: William Ockham, 2 Bde. Notre Dame, Indiana, 1987 (= Publications in Medieval Studies 26). Albertus de Saxonia 1974: Albertus de Saxonia: Perutilis logica. Hildesheim u. New York 1974 (= Documenta semiotica, Serie 6), Nachdruck der Ausgabe Venedig 1522. (Der Abschluß meiner kritischen Edition dieses Werks ist absehbar.) Albertus de Saxonia 1988: Alberti de Saxonia Quaestiones in Artem Veterem, ed. Angel Muñoz García. Maracaibo 1988. Albert of Saxony 2002: Albert of Saxony’s Twenty-Five Disputed Questions on Logic. A Critical Edition of His Quaestiones circa Logicam, ed. Michael J. Fitzgerald. Leiden u. a. 2002 (= Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 79). Aristoteles Latinus, I 1-5: Categoriae vel Praedicamenta […], ed. Laurentius Minio-Paluello. Bruges u. Paris 1961. 71

Vgl. den 2. Brief an Bernhard, ebd., S. 72, § 22: „infero, quod numquam Aristoteles habuit notitiam evidentem de aliqua substantia alia ab anima sua, intelligendo substantiam quandam rem aliam ab obiectis quinque sensuum et a formalibus experientiis nostris“; vgl. auch S. 74, § 25. 72 Rashdall 1907.

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Spätmittelalterlicher Nominalismus

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Harald Berger

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Kraml u. Leibold 2003: Hans Kraml u. Gerhard Leibold: Wilhelm von Ockham. Münster 2003 (= Zugänge zum Denken des Mittelalters 1). Maier 1958: Anneliese Maier: Studien zur Naturphilosophie der Spätscholastik, Bd. 5: Zwischen Philosophie und Mechanik. Roma 1958 (= Storia e Letteratura 69). Nicholas of Autrecourt 1994: Nicholas of Autrecourt: His Correspondence with Master Giles and Bernard of Arezzo [...], ed. L. M. de Rijk. Leiden u. a. 1994 (= Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 42). Perler 2006: Dominik Perler: Zweifel und Gewissheit. Skeptische Debatten im Mittelalter. Frankfurt a. M. 2006 (= Philosophische Abhandlungen 92). Rashdall 1907: Hastings Rashdall: „Nicholas de Ultricuria, a Medieval Hume“, in: Proceedings of the Aristotelian Society, N. S., 8 (1907), S. 127. Thijssen u. Zupko 2001: J. M. M. H. Thijssen u. Jack Zupko (Hgg.): The Metaphysics and Natural Philosophy of John Buridan. Leiden u. a. 2001 (= Medieval and Early Modern Science 2). Zupko 2003: Jack Zupko: John Buridan. Portrait of a FourteenthCentury Arts Master. Notre Dame 2003 (= Publications in Medieval Studies).

Jörg Lauster: Unfassbar – Nikolaus von Kues’ Philosophie der Substanz In der Metaphysik des Aristoteles findet sich eine aufschlussreiche Bemerkung über die eigentlichen Fragen der Philosophie. Sokrates und im Anschluss an ihn auch Platon seien davon ausgegangen, dass im steten Wechsel von Werden und Vergehen der Sinnesdinge keine zuverlässige Erkenntnis gewonnen werden könne, es müsse vielmehr danach gefragt werden, was das Wesen der Dinge über ihre kontingente Veränderlichkeit hinaus ausmache1. Platons Antwort – die Ideenlehre – lehnte Aristoteles ab, die Frage hingegen ist der entscheidende Impuls seiner eigenen Philosophie. Die Philosophie der Substanz zielt somit seit ihren Ursprüngen auf den Kern dessen, was Menschen von der Wirklichkeit wissen können. Denn die vermeintlich so spezifische Frage der Substanzphilosophie, was denn das Sein ausmache und was denn überhaupt Seiendes als Seiendes konstituiere, zielt ihrer eigentlichen Intention nach auf nichts anderes. Die – und das ist an sich schon bemerkenswert – verschiedenen Lösungsvorschläge, die Aristoteles selbst unternimmt, sind für die Philosophie der Substanz von maßgeblicher Bedeutung, in der mittelalterlichen Theologie und Philosophie gelangen sie sogar zu geradezu paradigmatischer Bedeutung. So wie jedoch Aristoteles mit seiner Philosophie der Substanz die Aporien der platonischen Antwort auf die Frage nach dem Wesen der Wirklichkeit zu überwinden suchte, so hat umgekehrt die platonische Tradition auf Aristoteles reagiert. Das geschah keineswegs in bloßer Frontstellung, sondern durchaus auch in produktiver Übernahme. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist Plotin selbst, der insbesondere in seiner Philosophie des nous Aristoteles konstruktiv aufzunehmen versucht2. Es ist also keineswegs so, dass in der Frage nach der Substanz Aristotelismus und Platonismus zwei gänzlich entgegengesetzte Wege beschritten hätten. Dies bezeugt auch das Werk des Nikolaus von Kues. Er gilt gemeinhin als ein Denker der Epochenschwelle3, der die mittelalterliche Philosophie 1 2 3

Vgl. Aristoteles, Metaphysik XIII 1086b 2ff. Vgl. dazu Jens Halfwassen, Plotin und der Neuplatonismus, München 2004, 84f. So die berühmte Einschätzung von Hans Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit, Frankfurt 21999, 531ff. Aus der umfangreichen Literatur sei verwiesen auf die Monografie von Kurt Flasch. Sie ist in der Cusanus Forschung insbesondere innerhalb der deutschen Cusanus-Gesellschaft nicht unumstritten, besticht aber durch ihre kulturelle Einordnung und den gelungenen Diskussionsüberblick; vgl. Kurt Flasch,

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in die Neuzeit überführt habe. Solche plakativen Urteile sind stets mit Vorsicht zu genießen. Die folgenden Anmerkungen wollen daher auch weit vorsichtiger lediglich einige Aspekte davon beleuchten, wie Nikolaus von Kues der Frage nach der Substanz nachgegangen ist. Erst auf dieser Grundlage lässt sich dann fragen, ob und wenn ja wie Cusanus der Philosophie der Substanz neue Impulse verliehen hat. Es erscheint hilfreich, dabei zunächst Cusanus in die geistige Signatur seiner Zeit einzuzeichnen. Vor diesem Hintergrund wird dann zweitens seine Auseinandersetzung mit der aristotelischen Substanzphilosophie deutlich, aus der dann drittens seine eigene Philosophie der Substanz zu ermitteln ist. 1. Nikolaus von Kues im Kontext der geistigen Strömungen des Spätmittelalters Ein knapper Blick auf die biographischen Rahmenbedingungen belegt hinreichend, dass Nikolaus von Kues mit den Problemkonstellationen mittelalterlicher Substanz-Philosophie bestens vertraut gewesen sein muss und zwar in den jeweils ganz unterschiedlichen und vielfältigen Ansätzen, die sich im 15. Jahrhundert herauskristallisieren4. 1401 in Kues an der Mosel geboren absolviert er seine Ausbildung zunächst in den üblichen Bahnen der spätmittelalterlichen Geisteswelt. Die Mystik ist ihm in ihrer flämischen Ausprägung durch den Schulbesuch der Klosterschule in Deventer vertraut, während er den im universitären Betrieb vorherrschenden Nominalismus an den Universitäten von Heidelberg, Padua und Köln kennen lernt. Vor allem in Padua treibt er umfangreiche aristotelische und naturwissenschaftliche Studien. Nach deren Abschluss schlägt er die kirchliche Laufbahn ein. Die Ausübung einer akademischen Tätigkeit an einer der europäischen Universitäten lehnt er mehrfach ab, seine philosophischen Studien muss er immer wieder unterbrechen und aufschieben, um dringliche kirchenpolitische Fragen zu klären und anderen Amtsgeschäften nachzugehen. Gleichwohl verdankt er offensichtlich diesem kirchlichen Engagement wenigstens indirekt wichtige philosoNikolaus von Kues. Geschichte einer Entwicklung, Frankfurt am Main 1998. Einen Überblick über markante Forschungsansätze liefert Hubert Benz, Individuum und Subjektivität. Interpretationstendenzen in der Cusanus-Forschung und das Selbstverständnis des Nikolaus von Kues, Münster 1999. Eine die klassischen Arbeiten von Meuthen und Haubst aufnehmende Gesamtdarstellung aus protestantischer Perspektive liegt vor bei Karl-Hermann Kandler, Nikolaus von Kues. Denker zwischen Mittelalter und Neuzeit, Göttingen 1995. Nach wie vor grundlegend zur metaphysischen Grundlegung ist Werner Beierwaltes, Identität und Differenz. Zum Prinzip cusanischen Denkens, Opladen 1977. 4 Vgl. zum Folgenden die oben angegebenen Gesamtdarstellungen mit jeweils weiterführender Literatur zu den einzelnen Themenbereichen.

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phische Impulse. Entscheidend für sein philosophisches Denken ist im Umfeld des Unionskonzils von Ferrara und Florenz seine Begegnung mit der im byzantinischen Denken sehr viel lebendigeren platonischen Tradition. Als „philosophisches Damaskuserlebnis“5 stilisiert, entdeckt er auf der Rückfahrt von Byzanz die docta ignorantia als das allein der Wirklichkeit angemessene Prinzip des menschlichen Denkens. In zahlreichen Schriften bemüht er sich unter verschiedenen Perspektiven um die systematische Entfaltung dieser Formel. Das Neue im Denken des Cusanus erschließt sich aus dem Problemhorizont der mittelalterlichen, also im Wesentlichen scholastischen Theologie. Mit den Begriffspaaren Transzendenz und Immanenz beschreibt sie das Verhältnis von Gott und Welt. Die Verbindung der beiden Bereiche leistet die Denkfigur der Analogie. Unter Aufnahme der aristotelischen Logik als maßgeblicher wissenschaftlicher Methode wird von der empirischen Struktur der Welt in einem Rückschlussverfahren Gott als ihr transzendenter Grund bestimmt. Dieses Verfahren zeichnet sich durch seine Rationalität etwa in Form der Gottesbeweise oder der Betonung der natürlichen Gotteserkenntnis aus. Die Transzendenz Gottes wird dabei als Superlativ seiner weltimmanenten Wirkungsweise gefasst. Gegen diesen Erkenntnisoptimismus richten sich Mystik und Nominalismus mit je unterschiedlichen Anliegen. Die Mystik betont die Transzendenz in der Art, dass sie prinzipiell ihre rationale Erfassbarkeit bestreitet und an deren Stelle eine die rationale Beschreibbarkeit übersteigende Unmittelbarkeit in der Erfahrung Gottes setzt. Die erkenntnistheoretischen Prämissen des Nominalismus führen hingegen zur Lehre von der doppelten Wahrheit, die die Wahrheit des Glaubens der Vernunftwahrheit gegenüberstellt. In letzter Konsequenz führt dies dazu, die rationale Gotteserkenntnis zugunsten eines bloßen Fideismus aufzugeben. Die Leistung des Cusaners besteht nun darin, die antischolastischen Anliegen von Mystik und Nominalismus aufzunehmen, ohne allerdings bei deren im Blick auf die Denkbarkeit Gottes rein negativen Ergebnissen zu verharren. In seiner Bestimmung des Absoluten greift er dabei auf die Tradition zurück, die im Absoluten das Überseiende und Transzendente sieht, im Wesentlichen also auf die neuplatonischen Autoren. Maßgeblich ist für ihn die platonische Lehre, dass das Absolute jenseits des Seins liegt. Diesen Gedanken entfaltet der Cusaner in seinem Hauptwerk De docta ignorantia (1440). Die Schrift besteht aus drei Teilen. Der erste Teil beschäftigt sich in Form einer philosophischen Theologie mit dem Gottesbegriff und der Gotteserkenntnis. Im zweiten und dritten Teil werden die darin gewonnenen Einsichten auf die Kosmologie und Anthropologie ausgeweitet. 5

Hans Blumenberg, a.a.O., 569.

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Nach Cusanus ist die Bestimmung des Absoluten nicht aus der empirischen Sphäre nach Maßgabe der Analogie möglich. Auf der Grundlage des Satzes „infinitum ad finitum proportionem non esse“6 ist die ontologische Vergleichbarkeit von Endlichem und Unendlichem nicht möglich. Das Absolute ist der aller erfahrbaren Wirklichkeit vorausliegende, transzendente Grund, an das nichts von dem, was es hervorbringt, heranreicht. Das Medium der Reflexion auf diesen transzendenten Urgrund kann daher nur die docta ignorantia, die belehrte Unwissenheit sein. Im Aufstieg der Erkenntnis ist er den Sinnen (sensus) ebenso wenig fassbar wie dem im Widerspruch verharrenden Verstand (ratio). Auch das höchste menschliche Erkenntnisvermögen, die Vernunft (intellectus) kann es nur nicht-begreifend berühren7. Daraus folgt allerdings nicht, dass das Absolute ausschließlich der irrationalen Ekstase vorbehalten ist. Ebensowenig verfällt Cusanus dem uneingeschränkten Skeptizismus der puren Negation. In seiner Lehre von dem Ineinsfallen der Gegensätze (coincidentia oppositorum) unternimmt er eine positive Bestimmung des Absoluten, die allerdings aufs Engste mit der docta ignorantia verknüpft ist8. Das Absolute bleibt immer nur „auf unbegreifliche Weise einsichtig und gleicherweise auf unnennbare Weise nennbar“9. In seiner Unendlichkeit entzieht es sich der Bestimmung durch endliche Kategorien. Die Kategorie des Vergleichs kann nicht angewandt werden, da es als das Absolute alles absolute („am meisten“) ist. Die Gegensätze fallen daher in eins, oder wie Cusanus auch sagen kann, das Absolute liegt jenseits (supra) aller Gegensätze. Es ist die mit sich selbst identische, in sich nicht weiter differenzierbare Einheit, die – wie Cusanus am Beispiel der Zahl verdeutlicht – aller Vielheit zugrunde liegt. Zur Lösung des Problems von Einem und Vielem oder – in christlicher Terminologie gesprochen – zur Verhältnisbestimmung von Gott und Welt greift Cusanus auf genuin platonische Begriffe zurück10. Das Absolute ist als das, was alles in sich hat, das Urbild, wobei der Begriff Urbild als die „unerschöpfliche Vorbildlichkeit des Originals“11 zu verstehen ist. Die 6

Nikolaus von Kues, De docta ignorantia I, c. 3 (nr. 9). Zitiert wird nach der Ausgabe Nikolaus von Kues, Die belehrte Unwissenheit, Buch I, Übersetzt und mit Vorwort und Anmerkungen hrsg. von Paul Wilpert, Hamburg 41994. 7 “[…] non aliter quam incomprehensibiliter attingimus” (De docta ignorantia I, c. 4 (nr. 11). 8 Vgl. zum Folgenden: De docta ignorantia I, c. 4-5. 9 “[…] incomprehensibiliter intelligibile pariter et innominabiliter nominabile” (De docta ignorantia I, c. 5). 10 Cusanus stellt sich dabei dem Grundproblem der platonischen Philosophie, das Verhältnis von Urbild und Abbild gleichermaßen als Trennung (chorismos) und Teilhabe (methexis) zu denken. Vgl. dazu die Klassiker: Ernst Cassirer, Individuum 6 und Kosmos, Leipzig 1927 (Nachdruck Darmstadt 1987), 15-25; Ernst Hoffmann, Platonismus und christliche Philosophie, Zürich 1960, 382-385. 11 E. Hoffmann, a.a.O., 383.

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Welt als Gesamtheit der Endlichkeit ist dessen Abbild. Im dritten Kapitel des zweiten Buchs von De docta ignorantia zieht Cusanus zur Beschreibung dieses Sachverhalts die Begriffe complicatio und explicatio heran. Im Absoluten ist alles Viele in sich eingefaltet, das sich im Vielen der Welt entfaltet. Damit ist das transzendente Absolute nicht mit dem immanenten Vielen identisch, sondern es ist in ihm als Grund gegenwärtig. Die Frage, wie das nichtwissende Wissen des Absoluten in methodologischer Hinsicht näher zu fassen ist, hat Cusanus in der unmittelbar nach De docta ignorantia erschienenen Schrift De coniecturis (1440) erörtert. Das menschliche Wissen wird dort als Vermutung (coniectura) in seinem hypothetischen Charakter beschrieben. Die Vermutung wird definiert als „eine bejahende Feststellung, die in der Andersheit am Wesen der Wahrheit teilhat“12. Das Absolute kann in seiner Unfassbarkeit von der menschlichen Erkenntnis nur in der Form der Andersheit beschrieben werden. Jede Form menschlichen Wissens ist daher vorläufig und prinzipiell überholbar. Nikolaus von Kues hat in zahlreichen Schriften die Anwendung seines Denkens auf philosophische und theologische Fragen dargestellt. Spezifische Aspekte der Gotteslehre erörtert Cusanus in den späteren Schriften De possest (1460) und De non aliud (1461). Durch den Neologismus possest (Können-Ist) überwindet er die im Gefolge des Aristoteles für die Scholastik prägende Unterscheidung in Möglichkeit und Wirklichkeit. In Gott sind Akt und Potenz identisch. Die nicht verwirklichten Möglichkeiten sind dem Absoluten ontologisch untergeordnet. Denn das Absolute hat alles in sich und damit auch das, was sein kann. In De non aliud spezifiziert Cusanus den Gedanken der Identität des Absoluten. In der Sphäre des Endlichen wird jedes etwas (aliquid) durch ein anderes (aliud) bestimmt. Diese Unterscheidung greift nicht beim Absoluten, denn es ist entsprechend der coincidentia oppositorum aus allen Gegensätzen herausgelöst. Als das mit sich selbst Identische hat es kein anderes seiner selbst, es wird daher als Nichtanderes (non aliud) bestimmt. Im zweiten Buch von De docta ignorantia wendet Cusanus die Ergebnisse des ersten Buches auf die Kosmologie an. Der erkenntnistheoretische Vorbehalt, mit dem alles menschliche Wissen behaftet ist, bringt in die Naturbetrachtung den Faktor der Ungenauigkeit. Eine wissenschaftlich exakte Beschreibung des Kosmos ist nicht möglich. Diese wissenschaftstheoretische Feststellung wird durch das ontologische Argument unterstützt, dass alle kosmischen Entitäten in gleicher Unmittelbarkeit zu ihrem transzendenten und unendlichen Urgrund stehen. Das geozentrische Weltbild der Scholastik ist damit in mehrfacher Hinsicht 12

„Coniectura igitur est positiva assertio in alteritate veritatem, uti est, participans” (De coniecturis I, c. 11 (nr. 57).

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destruiert. Zunächst ist damit die Endlichkeit der Welt aufgegeben. Darüber hinaus hebt die gleiche Unmittelbarkeit der Geschöpfe zum Schöpfer die Seinshierarchie und kosmische Stufenordnung auf, nach der der unbewegte Beweger an der Spitze durch die Wirkung sekundärer Kausalitäten den stellaren Bereich bewegt, der seinerseits die Bewegung an die sublunare Sphäre vermittelt. Cusanus hat damit im Bereich der spekulativen Philosophie zum Teil die Ergebnisse der kopernikanischen Wende vorweggenommen. Die Anthropologie des Cusaners ist von seinen erkenntnistheoretischen Prämissen bestimmt. Trotz aller Vorläufigkeit der Erkenntnis ist die Tätigkeit des menschlichen Geistes ein schöpferischer Akt, in dem die verstandesmäßigen Formen der Wirklichkeit hervorgebracht werden. Dieser schöpferische Akt ist Ausdruck der Gottähnlichkeit des Menschen13. Cusanus kann daher den Menschen als „zweiten Gott“14 oder „humanus deus“15 bezeichnen. Als natura media ist er der Mikrokosmos, in dessen Geist die Linien des Makrokosmos zusammenlaufen. Im dritten Buch von De docta ignorantia wird diese ausgezeichnete Stellung des Menschen christologisch begründet. Durch die Inkarnation ist Christus das Bindeglied zwischen Endlichem und Unendlichem, in dem das Höhere und das Niedere in seiner Totalität eingefaltet sind. In ihm erfüllt sich die Wesensmöglichkeit des Menschen, d.h. seine Bestimmung, und darin liegt seine soteriologische Bedeutung. Es stellt sich nun für den vorliegenden Zusammenhang die Frage, wie sich diese philosophisch-theologischen Grundoperationen auf die Frage nach der Substanz auswirken. Cusanus’ Verständnis der Substanz erschließt sich auf zweifachem Wege. In einem ersten Schritt sollen jene Stellen in Blick geraten, an denen er sich kritisch mit Aristoteles auseinandersetzt. Denn die aristotelische Ontologie ist auch für Cusanus eine entscheidende Bezugsgröße in der Frage nach dem Wesen der Wirklichkeit. Eine Lehre der Substanz kann demzufolge für Cusanus sinnvollerweise nicht an Aristoteles vorbei entwickelt werden. Von da ausgehend soll dann in einem zweiten Schritt deutlich werden, wie Cusanus in der Abgrenzung von Aristoteles seinen eigenen Vorschlag zum Verständnis des Substanz-Begriffs unterbreitet.

13

„...homo habet intellectum qui est similitudo divini intellectus in creando“ (De berillo, c. 6). 14 Ebd. 15 De coniecturis II, c. 14 (nr. 143).

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2. Aristotelische Nöte Cusanus wird gemeinhin dem Neuplatonismus zugerechnet, ja er steht bisweilen sogar für eine Neuentdeckung des Platonismus im 15. Jahrhundert. Zum Ausweis dieser Thesen werden meist glückliche historische Umstände ins Feld geführt, so etwa die erwähnte, in kirchlichem Auftrag angetretene Reise nach Konstantinopel. Dies alles ist unbestreitbar richtig, problematisch daran ist allein eine bisweilen überzogen propagierte Entgegensetzung zwischen Platonismus und Aristotelismus, so als hätte das eine mit dem anderen nichts zu tun. In diesem Sinne wird dann Cusanus zum innovativen Denker stilisiert, der einem in die Jahre gekommenen Aristotelismus den Garaus gemacht habe. So verstanden machen die an sich hilfreichen Schulzuweisungen wenig Sinn und vereinfachen die Zusammenhänge zu sehr. Für Cusanus jedenfalls ist Aristoteles eine feste Bezugsgröße. Seinen eigenen Standpunkt entwickelt er gleichsam im Dialog mit der aristotelischen Substanzlehre. Die Tatsache, dass er dann in vielen Punkten über ihn hinausgeht oder entschieden andere Wege beschreitet, sollte nicht über die prinzipiellen Bezugspunkte hinweg täuschen. Mit Blick auf die bisweilen einseitig verzerrte Aristoteles-Rezeption verdient es daher im vorliegenden Zusammenhang Erwähnung, dass Cusanus die Grundoperation der aristotelischen Ontologie ausdrücklich anerkennt. In Anspielung auf das siebte Buch der Metaphysik des Aristoteles merkt er an: „Deshalb hatte Aristoteles recht, wenn er alle Gegenstände der Welt in Substanz und Akzidens schied“16. Dieser Satz dient immerhin als Fazit, mit dem Cusanus Überlegungen zu einem grundlegenden Problem seiner Philosophie beschließt. Es geht um das Problem der Teilhabe. Alles, was ist, ist durch Teilhabe an der Seiendheit (entitas). In der Erklärung schlägt sich die Vorliebe für mathematischgeometrische Beispiele durch. Eine gekrümmte Linie ist nicht etwas für sich, sondern eine mehr oder weniger gerade Linie. Die gekrümmte Linie ist das, was sie ist durch Teilhabe an der endlich geraden Linie, die ihrerseits wiederum ihr Sein der Teilhabe an der unendlichen geraden Linie hat. Vor dem Hintergrund dieses Beispiels kann Cusanus dann festhalten: „(So) gibt es Seiendes, das ziemlich unmittelbar an der größten in sich ruhenden Seiendheit teilhat, das sind die einfachen endlichen Substanzen, und anderes, das nicht durch sich, sondern durch Vermittlung der Substanzen an der Seiendheit teilhat, die Akzidenzien“17. Für Cusanus – das belegt diese Textstelle hinreichend – ist die grundlegende Unterscheidung der aristotelischen Substanzphilosophie in Substanz und 16

Nikolaus de Cusa, De docta ignorantia I, c. 18 (nr. 53): “Et propterea recte divisit Aristoteles omnia, quae in mundo sunt, in substantiam et accidens”. 17 De docta ignorantia I, c. 18 (nr. 52).

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Akzidens berechtigt und sinnvoll. Sie erlaubt es, zwischen dem zu unterscheiden, was das Sein einer Person oder Sache wesenhaft ausmacht und was ihm als weitere Bestimmung ‚akzidentiell’ zukommt, d.h. zum Wesen gehört, aber dieses Wesen nicht erst konstituiert und im eigentlichen Sinn ausmacht. Entsprechend der aristotelischen Unterscheidung zielt die Rede von der Substanz also auf das, was die unaufgebbare Identität einer Person oder Sache im Wandel ihrer Eigenschaften ausmacht. Von Substanzen kann man in diesem Sinne also nur dort reden, wo es – so die oben zitierte Passage um „einfache, endliche Substanzen“ geht. Substanzen sind Einzeldinge, Menschen, Tiere, während Größe oder – so sein Beispiel – „Krummheit“ oder Relationen ein abgeleitetes Seiendes darstellen, das am Sein der Substanz teilhat. Das deckt sich weit gehend mit dem, was Aristoteles in seiner Kategorienlehre über den Unterschied von Substanz und Akzidenz lehrte. Die Unterscheidung in Seiendes in einem eigentlichen und in einem nur abgeleiteten Sinne teilt Cusanus ausdrücklich. Um das Wesen der Dinge zu erfassen, ist es erforderlich, dieser Unterscheidung Rechnung zu tragen. In dieser grundsätzlichen Übereinstimmung zeichnet sich allerdings selbst in den knappen Bemerkungen schon eine andere Akzentsetzung ab. Cusanus hält zwar die Unterscheidung in Substanz und Akzidens für richtig, deren Verhältnisbestimmung denkt er aber nicht wie in der aristotelischen Tradition üblich so, dass die Akzidenzien der Substanz innewohnen und ihr gewissermaßen anhaften. Er denkt ihr Verhältnis vielmehr als eine Teilhabe und deutet an, dass die Akzidenzien durch einen Vermittlungsprozess aus dem Sein der Substanz hervorgehen. Die endlichen Substanzen selbst wiederum verdanken ihr Sein der Teilhabe an der „größten in sich ruhenden Seiendheit“ (73). Die Substanz verdankt ihr Sein also noch einmal einem anderen Grund – ein für aristotelische Maßstäbe ungewöhnlicher Gedanke. Dieses letzte Eine ist seinem Wesen nach zwar eher als Substanz denn als Akzidens zu bestimmen, im Grunde treffen aber beide Begriffe nicht den Punkt. Im Anschluss an Dionysius Areopagita schlägt Cusanus vor, von „mehr als Substanz“ zu reden und fügt den Begriff der „Übersubstanz“ (supersubstantiale) ein18. Es zeigt sich hier nun in der Tat, wie Cusanus von seinem platonischen Hintergrund her den Substanzbegriff anders fasst bzw. seine Grenzen festlegt. Die an dieser Stelle nur angedeuteten Abgrenzungen treten dann in späteren Schriften weit deutlicher hervor. Das Augenmerk richtet sich dabei auf die Schriften De beryllo und De non aliud. Vergleicht man diese deutliche Aristoteleskritik mit seinen Bemerkungen in De docta ignorantia, so drängt sich der Eindruck auf, Cusanus habe hier eine Entwicklung durchlaufen, die ihn zusehends in einen größeren Abstand zu Aristoteles bringt. In der bereits erwähnten Schrift De non aliud, in der 18

De docta ignorantia I, c. 18 (nr. 54).

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Cusanus sein Gottesverständnis entfaltet, erläutert er verschiedene philosophische Positionen auf die Frage hin, inwieweit in ihnen die von ihm entfaltete Bestimmung Gottes als das Nichtandere vorkommt19. Aristoteles kommt – man kann es nicht anders sagen – bei dieser Übersicht schlecht weg. Schon die einleitenden Bemerkungen sind unfreundlich. In der als Dialog konzipierten Schrift erörtert Nikolaus mit verschiedenen Gesprächspartnern die Vorstellung von Gott als dem Nichtanderen. Auf die Frage des Aristotelikers Ferdinand, worin Nikolaus die wichtigsten Entdeckungen der aristotelischen Philosophie erblicke, antwortet dieser lakonisch: „Um aufrichtig zu sein, ich weiß es nicht“20. Dennoch vermag Cusanus auch in diesem Zusammenhang noch auf mögliche Übereinstimmungen mit Aristoteles hinzuweisen. Zunächst merkt er an, dass auch Aristoteles die Wesenheit der Dinge als „stets erstrebtes, doch nie erreichtes Ziel“ (c. 18, nr. 83) bezeichnet. Darüber hinaus fällt dem Gesprächsführer Nikolaus auf, wie Aristoteles „mit Hilfe des ‚Nichtanderen’ nach der Substanz der Dinge forschte. Er bemerkte nämlich, dass die Substanz der Dinge nicht etwas anderes ist“ (c. 18, nr. 84). Den komplexen Gedanken, dass Substanz und Einzelding identisch und zugleich nichtidentisch sind, sieht Cusanus also schon bei Aristoteles präfiguriert. Letztlich – und darauf richtet sich seine Kritik – sei Aristoteles jedoch dabei stehen geblieben und habe seine Untersuchung nach der Wesenheit der Dinge allein innerhalb der Grenzen der rationalen Logik entfaltet. Cusanus hält dem Folgendes entgegen: „Wer erkennen will, welches die Substanz der sichtbaren Dinge ist, und sie mit dem leiblichen Auge unter den Gegenständen des Gesichtssinnes sucht, der beachtet nicht, dass er zuvor das Licht erfasst, das ihm erst die Möglichkeit gibt, nach dem Gegenstand des Sehens zu forschen und ihn zu finden. Würde er auf das Licht achten, so würde er nicht mehr in irgendeinem anderen Gegenstande nach der Substanz der sichtbaren Dinge suchen“ (c. 18, nr. 85). Es ist keineswegs in aller Eindeutigkeit zu erheben, was nun genau Cusanus dem aristotelischen Modell entgegen stellt. Wenigstens zwei Tendenzen zeichnen sich ab: Zum einen wird die Lichtmetaphorik eingesetzt, um darauf zu verweisen, dass Denken selbst noch einmal auf einen Grund außerhalb seiner selbst zurückgeht21. Der Schlüssel für die Frage nach der Substanz 19

Vgl. zu dieser Schrift die Untersuchung von Gerhard Schneider, Gott – das Nichtandere. Untersuchungen zum metaphysischen Grunde bei Nikolaus von Kues, Münster 1970. 20 Nikolaus von Kues, Vom Nichtanderen. Übersetzt und mit Einführungen und Anmerkungen hrsg. von Paul Wilpert, Hamburg 31987, c. 18 (nr. 83). Die folgenden Angaben beziehen sich auf diese Ausgabe. 21 Dazu grundlegend Werner Beierwaltes, Visio absoluta. Reflexion als Grundzug des göttlichen Prinzips bei Nicolaus Cusanus, Heidelberg 1978.

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der Dinge liegt demnach im Denkvermögen selbst, insofern sich das Denken als reflexive Durchdringung der Wirklichkeit einem Grund verdankt, der selbst wiederum diese Wirklichkeit aus sich heraussetzt. Es deutet sich darin – darauf wird gleich noch genauer einzugehen sein – eine markante Umstellung an. Das, was das Wesen der sichtbaren Dinge ausmacht, ist nicht in einer außerhalb des menschlichen Bewusstseins vorfindlichen Gegebenheit zu ergründen, sondern im Grund des Denkens selbst. Damit verbindet sich zum anderen die Kritik an der Gegenständlichkeit des aristotelischen Substanzbegriffs. Aristoteles hatte also, so die Kritik, nicht nur die subjektiven Voraussetzungen im Bewusstsein des Menschen bei der Erfassung der Substanz außer Acht gelassen, er hatte zudem auch einen gegenständlichen, d.h. ganz und gar raumzeitlichen Begriff von der Substanz. Damit konnte er über die Bestimmung der Substanz als Einzelding, Sache oder Person nicht hinaus gelangen und die Vorstellung vom Nichtanderen trotz vorhandener Ansätze nicht wirklich in seine Philosophie der Substanz integrieren. Schließlich – und das wäre dann noch ein dritter Punkt seiner Kritik – muss Aristoteles an der Frage nach der Substanz deswegen scheitern, weil er sie methodisch falsch angeht: „Alles nämlich, was der Blick des geistigen Auges nicht schaut, sondern was die Vernunft erforscht, mag scheinbar an die Wahrheit ziemlich nahe herankommen, doch gelangt es nie zum letzten Grad von Gewissheit. Letzte und allseits gehäufte Gewissheit aber ist die Schau“ (c. 19, nr. 87). Cusanus verbindet dieses Insistieren auf der ‚Schau’ mit einer scharfen Ablehnung des Satzes vom Widerspruch. Der von Aristoteles aufgestellte Grundsatz, „dass zwischen einer positiven und einer negativen Aussage ein kontradiktorischer Widerspruch bestehe, und dass man nicht zu gleicher Zeit von demselben Gegenstand widersprechende Aussagen machen könne“ (c. 19, nr. 88), bewege sich allein innerhalb der Grenzen des Verstandes. Gerade aber die Lehre vom Nichtanderen zeige, dass das Wesen der Dinge „der Geist oberhalb der Vernunft erschaut“ (c. 19, nr. 88). Wegen dieser methodischen Engführung habe Aristoteles dann auch irrtümlicherweise behauptet, „es gäbe keine Substanz der Substanz und kein Prinzip des Prinzips“ (c. 19, nr. 89) und habe damit den Gesetzen einer reinen Verstandeslogik folgend, den Ausgriff auf einen letzten ontologischen Grund der Wirklichkeit unterbunden. Es klingt angesichts dieser Kritik dann nur wie ein schwacher Trost, wie Cusanus seine Ausführungen zum aristotelischen Substanzbegriff beschließt: Indessen hat jener Philosoph trotz seines Versagens in der Ersten oder Geistes-Philosophie in der rationalen und moralischen Philosophie vieles geschrieben, das allen Lobes wert ist“ (c. 19, nr. 89).

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In der Schrift De beryllo22, die neuerdings Kurt Flasch als von Cusanus selbst so intendierte Einführung in sein Gesamtdenken herausgehoben hat23, unternimmt Cusanus schließlich seine detaillierteste Kritik der aristotelischen Substanzlehre. Auch hier gehen zunächst Bemerkungen voraus, die die Bedeutung und auch die Leistung der Substanzlehre herausstellen. „Alle Wahrheitssucher haben immer nach der Lösung dieses Problems gesucht und suchen noch“ (n. 48), darin stimmt Cusanus Aristoteles vorbehaltlos zu und fährt in weiterer Übereinstimmung fort: „Denn das Wesenswas wissen, das heißt wissen, das ein Ding deshalb dieses ist, z. B. ein Haus, weil dieses das Haussein ist, bedeutet, das höchste Wissbare erreicht zu haben“ (n. 48). Cusanus dringt damit auch terminologisch in das Herz der aristotelischen Substanzlehre vor, wie sie im VII. Buch der Metaphysik entfaltet ist. Das Wesenswas – Cusanus nennt es ‚(quod) quid erat esse’ – bezeichnet den aristotelischen Kunstbegriff des ‚to ti ên einai’. Cusanus referiert die Möglichkeiten, die Aristoteles durchspielt in dem Versuch, herauszufinden, was das ‚to ti ên einai’ ist (vgl. Aristoteles, Metaphysik VII, 3ff). Er zieht zunächst die Materie in Betracht, lässt diese Möglichkeit aber wegen deren Unbestimmtheit fallen. Aber auch die Form kommt ebenso wenig in Frage wie die Vorstellung, die Substanz sei etwas Zusammengesetztes. Gegen Platon hält Aristoteles allerdings fest, dass wenn überhaupt das Einzelding, nicht jedoch das Allgemeine als wirklich Seiendes bezeichnet werden könne. Doch über diesen antiplatonischen Zug hinaus ist die Substanzlehre des Aristoteles für Cusanus ein offenes Buch. Lakonisch fasst er sein Referat zusammen: „Was aber jene Substanz ist, die er Wesenswas nennt, darüber ist er unschlüssig“ (n. 49). Cusanus gesteht der Unterscheidung in Substanz und Akzidens – das belegen seine Ausführungen dazu aus De docta ignorantia – eine pragmatische Berechtigung zu. Tatsächlich lassen sich damit verschiedene Gradstufen des Seienden angemessen beschreiben. Darüber hinaus interessiert ihn natürlich auch die Frage, die hinter der Substanzontologie steht, nach dem, was Seiendes zu Seiendem macht. Doch gehen hier die Wege entschieden auseinander. Dem substanzialen Charakter der Wirklichkeit ist Cusanus zufolge nicht mit den Mitteln rationaler Logik beizukommen. Das, was Personen und Dinge wesenhaft zu dem macht, was sie sind, ist letztlich nicht allein mit der Frage nach der Substanz zu beantworten.

22

Nikolaus von Kues, Über den Beryll. Neu übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen herausgegeben von Karl Bormann, Hamburg 1987. Die folgenden Angaben beziehen sich auf diese Ausgabe. 23 Kurt Flasch, Nicolaus Cusanus, München 2001, 22.

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Nikolaus von Kues 3. Unfassbar

Cusanus Stellung zum Substanzbegriff ist ambivalent. Er erkennt seine Berechtigung und auch seine Leistungskraft an, aber bereits in De docta ignorantia – wo er Aristoteles am weitesten entgegen kommt – zeichnen sich Vorbehalte ab. Er verlagert den eigentlichen Grund der Wirklichkeit in jene Kategorie der Übersubstanz, aus der die Substanz selbst wiederum hervorgeht. Wer mit Aristoteles fragt, was ein Seiendes zum Seienden macht, und die Antwort in der Substanz zu finden glaubt, der bleibt Cusanus zufolge letztlich auf halbem Wege stecken. Gleichwohl lässt ihn die Frage nach der Substanz nicht unberührt. Seine eigene, in der Auseinandersetzung mit Aristoteles gewonnene Auffassung entfaltet er in De non aliud am „Karfunkelstein, den das Volk gewöhnlich Rubin nennt“ (c. 11, nr. 41). Betrachtet man Glanz, Größe, Körpermasse, Farbe oder Gestalt des Steines, also all jene Dingen, die sich vom Rubin sinnlich wahrnehmen lassen, so erkennt man damit „nicht das Wesen des Karfunkels, sondern umfasst das Übrige, das ihm akzidentell ist“ (a.a.O.). In den Eigenschaften tritt Cusanus zufolge die Wesenheit des Rubins ans Licht, „um so sinnlich wahrnehmbar zu werden, da sie ohne diese Eigenschaften nicht sinnlich wahrgenommen werden könnte“ (a.a.O.). Daraus schließt er dann: „Die Substanz, die dem Akzidens vorausliegt, hat folglich nichts von den Akzidenzien. Die Akzidenzien aber haben von ihr alles, da sie ihre Akzidenzien sind“ (c. 11, nr. 42). Cusanus kehrt damit, so kann man mit Recht behaupten, die aristotelische Verhältnisbestimmung von Substanz und Akzidens um24. Dies hat sich bereits in De docta ignorantia deutlich angekündigt. Die Akzidenzien wohnen nicht der Substanz als einem mit sich selbst identischen Wesenskern inne, sondern die Substanz entäußert sich in ihren Akzidenzien, ohne darin aufzugehen. Zwei entscheidende Gedanken schließt Cusanus daran an: Das, was den Rubin zum Rubin macht, erschöpft sich nicht in seinen Eigenschaften, sondern „(d)em Wahrnehmungsvermögen unzugänglich wird es durch das Denken erfasst, das es zuerst von den sinnlichen Gegebenheiten loslöst“ (a.a.O.). Durch die sinnliche Wahrnehmung hindurch erfasst die Vernunft die intelligible Natur und darin erst die Substanz einer Person oder einer Sache. Und diese intelligible Natur der Wirklichkeit führt, wenn der „Blick des Geistes schärfer in das Universum und seine einzelnen Teile ein[dringt]“ (c. 29, nr. 43) zur Rückführung auf einen letzten intelligiblen Grund, aus dem alles hervorgeht ohne mit ihm identisch oder von ihm verschieden zu sein. Für diese paradoxe Beschreibung des Wirklichkeitsgrundes gebraucht Cusanus eben jenen 24

518.

Diese Auffassung vertritt z.B. B. Wald, Art. Substanz, in: HWPh 10 (1998), Sp.

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Begriff des Nichtanderen. „So erfasst der Geist oberhalb des intelligiblen, substanzialen Lichtes der einzelnen Wesen den Urgrund des Lichtes, das ‚Nichtandere’, da dieses nichts von den einzelnen Substanzen Verschiedenes ist“ (a.a.O.). Das Erbe platonischer Metaphysik ist hier deutlich zu erkennen. Gleichwohl wird man nicht sagen können, dass mit der Rückführung der Wirklichkeit auf einen letzten Grund, der dann noch einmal mit dem Kunstbegriff des Nichtanderen gefasst wird, alle Aporien der aristotelischen Substanzlehre gelöst sein. Im Gegenteil. Die hierarchische Konstruktion der Wirklichkeit birgt Gefahren in sich, denen Cusanus bisweilen auch erliegt. Nach der oben erörterten harschen AristotelesKritik in der Schrift De beryllo nimmt die Entfaltung seiner eigenen Theorie einen außergewöhnlich seltsamen Anfang. „Ich aber achte darauf, dass Aristoteles, auch wenn er die Wesensgestalten oder die Wahrheit hierüber gefunden hätte, deshalb noch nicht auf das Wesenswas hätte kommen können, es sei denn in der Weise, in der jemand darauf kommt, dass dieses Maß hier ein Schoppen ist, weil es das Schoppensein ist, nämlich weil es so ist, wie vom Herrscher des Staates festgesetzt wurde, dass ein Schoppen sei. Weshalb der Schoppen aber so und nicht anders festgesetzt wurde, wüsste er deshalb nicht, es sei denn, er sagte schließlich entschlossen: ‚Was dem Herrscher gutdünkte, hat Gesetzeskraft’. Und so sage ich mit dem Weisen, dass für alle Werke Gottes es keinen Grund gibt; das heißt, warum der Himmel Himmel und die Erde Erde und der Mensch Mensch ist, dafür gibt es keinen Grund als den, dass der, der (sie) schuf, es so wollte. Darüber hinaus zu forschen ist töricht, wie Aristoteles im Gleichnis sagt, (es sei töricht,) einen Beweis für das erste Prinzip ‚Jedwedes ist oder ist nicht’ zu suchen“ (c. 30, nr. 51). Sieht man davon ab, dass im Rückgriff auf die Maßeinheit ‚Schoppen’ sich doch unübersehbar der Winzersohn von der Mosel zu erkennen gibt, drückt sich hier eine „Metaphysik strammer Monarchie“ (Flasch, 119) aus, die obendrein noch stark dezisionistisch gefärbt ist. Es ist keineswegs einfach, die Aussagen dieser Passagen wegzuinterpretieren. Sie entlarven die Gefahr, aus Versatzstücken des Platonismus und spätmittelalterlichem Nominalismus ein geschlossenes Weltbild zu schmieden, das ganz auf der Unergründlichkeit und grenzenlosen Machtfülle ihres Schöpfers beruht. Man wird darin kaum einen Fortschritt über die Aporien aristotelischer Substanzlehre hinaus erblicken können. Im Gegenteil, die Scharfsinnigkeit und Differenziertheit der aristotelischen Wirklichkeitsbeschreibung wird hier bei weitem unterboten. Es bleibt rätselhaft, warum Cusanus gerade mit diesen Überlegungen seine Aristoteles-Kritik in De beryllo abschließt. Die Ausführungen wirken geradezu so, also habe Cusanus die Diskussion um die aristotelische Substanzlehre mit einem brachialen Schlussstrich beenden wollen.

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Doch – und das macht die Faszination des Cusaners aus – er bemerkt ganz offensichtlich die Schwäche seiner eigenen Argumentation und führt umgehend eine Selbstkorrektur durch25. Er setzt noch einmal von vorne an und lenkt den Blick darauf, was unter dem Willen Gottes zu verstehen sei: „Aber wenn man aufmerksam betrachtet, dass jedes Geschöpf keinen Seinsgrund anderswoher hat als daher, dass es so geschaffen ist, und dass der Wille des Schöpfers letzter Seinsgrund ist und dass Gott, der Schöpfer, einfache Vernunft ist, die durch sich selbst schafft, so dass der Wille nichts anderes ist als Vernunft oder Wesensgrund, vielmehr Quelle der Wesensgründe, dann sieht man klar, dass das, was durch den Willen gemacht ist, aus der Quelle des (wesensgründenden) Verstandes hervorging, so wie das Herrschergesetz nichts anderes als der Verstand des Herrschers ist, der uns als Wille erscheint“ (c. 30, nr. 51). Es sind diese und ähnliche Stellen, denen Cusanus seinen Ruf verdankt, Denker der Epochenschwelle zu sein. Der letzte Grund der Wirklichkeit wird hier nicht als amorphe Dunkelheit gedacht, sondern als welterschaffender vernünftiger Wille. Welt gestaltende Vernunft ist der Wesensgrund der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist eine Entäußerungsform göttlicher Vernunft. Die oben skizzierte geistige Schau des Wesenskerns des Wirklichen hat dann genau darin ihren Grund. Im Denken des göttlichen Seinsgrundes kehrt die Vernunft gewissermaßen zu ihrem eigenen Grund zurück. Es dürfte nicht verfehlt sein, hier von einer „strikt finalistisch konzipierten Ursprungsphilosophie“26 zu reden, die auf der geistigen Verfasstheit der Wirklichkeit aufbaut. Man hat darin die Überwindung der „leeren Einheit der Substanz“ erblickt und die Konzeption des „Absoluten als Subjektivität“27 als Übergang zur Moderne gefeiert. Es ist für den vorliegenden Zusammenhang höchst bemerkenswert, dass diese Interpretationsansätze ausgerechnet die Überwindung des Substanzbegriffs als Eintrittstor in die Moderne verstehen28. Hegel selbst dürfte dieser Auffassung mit seinen Überlegungen zum Zusammenhang von Substanz und Subjektivität Vorschub geleistet haben, und von daher überrascht es auch nicht, dass zur

25 26 27

Vgl. dazu Kurt Flasch, a.a.O, 120. Kurt Flasch, a.a.O., 122. Hanna-Barbara Gerl, Einführung in die Philosophie der Renaissance, Darmstadt 1989, S. 48. 28 Gerls oben zitierte Deutung steht hierin exemplarisch für eine ganze Linie in der Cusanus-Forschung. Grundlegend sind dafür Heinrich Rombachs Arbeiten, der Cusanus attestiert, „die Idee der Welt im neuzeitlichen funktionalistischen Sinne geschaffen“ und damit die Abkehr von der Substanzontologie eingeleitet zu haben (Heinrich Rombach, Substanz, System, Struktur I. Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische Hintergrund der modernen Wissenschaft, Freiburg, München 1965, S. 150f.; vgl. dazu Hubert Benz, a.a.O., 76ff.).

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Absicherung der Modernitätstauglichkeit des Cusaners im besonderen Maße sein Verhältnis zu Hegel in den Blick genommen wurde29. Die Beurteilung dieser These bietet Anlass, zusammenfassend zentrale Aspekte der Substanzlehre des Cusaners festzuhalten. Seine eigene Auffassung der Substanz entwickelt er in kritischer Abgrenzung zur aristotelischen Substanzontologie. Deren Zugangsart zu dem Problem durch verschiedene logische Frageperspektiven lehnt er letztlich ab. Dies dürfte nicht so sehr seinen Grund darin haben, dass ihm der aporetische Ausgang von Buch VII der Metaphysik missfällt, sondern ist auf grundsätzlichere Probleme zurückzuführen. Die Wesenheit einer Sache kann Cusanus zufolge nicht aus ihrem Einzelsein erhoben werden, Substanz ist selbst eine abgeleitete Form des Seins, die ihr Sein dem letzten Grund der Wirklichkeit verdankt. Terminologisch ist Cusanus hier keineswegs eindeutig. Die Frage, was er unter Substanz versteht, ist also nicht einfach zu beantworten. Überwiegend verwendet er den Begriff zur Bezeichnung endlicher Einzeldinge, aber da diese ihr Sein, also ihre Wesenheit nicht aus sich selbst haben, finden sich bisweilen auch Hinweise, in denen er Gott selbst wenigstens nach analoger Redeweise als Substanz bezeichnet30. Aber auch der Begriff der Übersubstanz findet sich wie oben gesehen. Aufs Ganze gesehen zieht Cusanus zur Beschreibung des göttlichen Wirklichkeitsgrundes ohnehin eher selten Kategorien der aristotelischen Substanzontologie heran. Sie scheint ihm nicht geeignet, dem Wesen der Wirklichkeit auf den Grund zu kommen. Und wenn er dies doch tut, wie an den besprochenen Stellen, dann changiert seine Terminologie. Das, was er als Grund der Wirklichkeit beschreibt, ist mit den Begrifflichkeiten der Substanzontologie unfassbar. Eine zweifelsohne produktive Aristotelesrezeption liegt dort vor, wo er die Intelligibilität der Substanz erörtert. Eine solche noologische Komponente des Substanzbegriffs findet sich bereits bei Plotin, aber sie spitzt sich hier doch zu. Das Wesen der Dinge liegt in ihrem geistigen Grund, der die Welt als schöpferischer Wille aus sich hervor bringt. Es ist sicher richtig, dass Cusanus damit die Vorstellung einer ‚leeren Substanz’ auflöst und den Begriff der Substanz mit dem füllt, was in der neuzeitlichen Philosophie unter dem Oberbegriff der Subjektivität verhandelt wird. Gleichwohl ist m.E. etwas größere Vorsicht angebracht, als sie die oben erwähnten emphatischen Urteile erkennen lassen. Wir finden bei Cusanus keine Indizien dafür, dass er die Konzepte von Substanz und Subjektivität gegeneinander ausgespielt hätte, vielmehr hat er sie miteinander verbunden. Die Dinge beziehen ihr Wesen gerade daraus, dass sie auf einen intelligiblen, vernünftigen Willen, der sich in der 29

Vgl. E. Metzke, Nicolaus von Kues und Hegel, in: Kantstudien 48 (1956/57), S. 216-246 und J. Stallmach, Das Absolute und die Dialektik bei Cusanus im Vergleich zu Hegel, in: Scholastik 39 (1964), S. 495-509. 30 Vgl. z.B. De docta ignorantia II, c. 100.

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Welt entäußert, zurückzuführen sind. Cusanus als Denker der Epochenschwelle zu bezeichnen, ist sicher richtig. Er wird dazu nicht, indem er die Substanzontologie abstreift, sondern indem er sie auf der Suche nach Überwindung ihrer Aporien von innen heraus transformiert. In seiner Auseinandersetzung mit dem Substanzbegriff arbeitet er heraus, dass die Wirklichkeit weder eine außerhalb des Bewusstseins vorfindliche objektive Größe, noch eine allein im Intellekt des Menschen verankerte Vorstellung ist. Mit dem Hinweis auf den intelligiblen Charakter der Substanz beerbt er Platon und öffnet in der Auseinandersetzung mit Aristoteles das Tor zur Moderne.

Andreas Brandt: (Fast) selbständiges Ding, denkend oder ausgedehnt – die Substanz nach Descartes René Descartes (1596-1650) hat sich als Denker des radikalen wissenschaftlichen Neuanfangs gesehen und ist in älteren Darstellungen der Geschichte der Philosophie auch entsprechend stilisiert worden: als ein (oder gar der) Gründungsvater der Philosophie der Neuzeit1, obwohl seine Metaphysik viele scholastische Elemente enthält und die Forschung schon seit geraumer Zeit mindestens ebenso sehr die Kontinuitäten des cartesischen Denkens mit mittelalterlichen Traditionen wie dessen revolutionären Charakter herausgestellt hat.2 Unstrittig ist, dass Descartes insbesondere als Mathematiker und Naturforscher zu den originellen und innovativen Denkern seiner Zeit gehörte und einen fortschrittlichen Typ von Wissenschaft vertrat, der dem Aristotelismus der Scholastik in grundlegenden Annahmen entgegengesetzt ist, während seine Metaphysik zugleich noch Elemente enthält, die eben dieser Tradition entlehnt sind und die durch die Verbindung mit der neuen Naturphilosophie gleichsam in Fluss geraten. Ein solcher Transformationsprozess lässt sich auch für den in der Metaphysik zentralen Begriff der Substanz aufzeigen. Es kann hieran studiert werden, wie ein ursprünglich aristotelisches Konzept als Theorieelement der Metaphysik zwar nominell beibehalten wird, aber unter den Vorzeichen einer neuen, antiaristotelischen Physik eine veränderte Bedeutung und andere theoretische Funktionen annimmt. Dieser Prozess gelangt mit Descartes nicht zum Abschluss, sondern wird von anderen Theoretikern wie Malebranche, Spinoza, Locke, Kant aufgegriffen und weitergeführt. Eines der bekanntesten Theoreme der Philosophie Descartes’ ist – neben dem „Cogito, ergo sum“ – der sogenannte cartesische Substanzen1

Paradigmatisch: Hegels Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie, in: G.W.F. Hegel, Werke in zwanzig Bänden, hrsg. v. E. Moldenhauer u. K.M. Michel, Bd. 20, Frankfurt am Main 1971, hier S. 120 u. 123. 2 Herausragende Beispiele: E. Gilson, Index Scolastico-Cartésien, Paris 1912 ; Études sur le Rôle de la Pensée Médiévale dans la Formation du Système Cartésien, Paris 1975 ; Discours de la méthode: Texte et Commentaire, Paris 1976 ; La Liberté chez Descartes et la Théologie, Paris 1982 ; A. Koyré, Descartes und die Scholastik, Bonn 1923 ; J.-L. Marion, Sur l’Ontologie grise de Descartes: Science Cartésienne et Savoir Aristotélicien dans les Regulae, Paris 1975 ; Sur la Théologie Blanche de Descartes. Analogie, Création des Vérités Èternelles et Fondement, Paris 1981 ; Sur le Prisme Métaphysique de Descartes, Paris 1986.

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dualismus, das heißt die vollständige und exklusive Einteilung der geschaffenen Substanzen in denkende und ausgedehnte. Außer Gott als ungeschaffener Substanz gibt es nach Descartes genau zwei Sorten von geschaffenen Substanzen, die jeweils ein spezifisches Attribut besitzen, nach dem sie sich unterscheiden, nämlich einerseits Geister/Seelen als denkende Substanzen und andererseits materielle Körper als ausgedehnte. Hiermit verbunden ist die These der ontologischen Unabhängigkeit oder Abtrennbarkeit der Seele vom Körper, die nach Descartes unter anderem den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele stützt. Gegen diese dualistische Auffassung von Körper und Seele sind in neuerer Zeit, hauptsächlich auf dem Gebiet der Philosophie des Geistes, zahlreiche und schwerwiegende Einwände erhoben worden, in pointierter Weise etwa von Gilbert Ryle, der in seinem bekannten Buch „The Concept of Mind“ Descartes’ Auffassung als Mythos vom „Gespenst in der Maschine“ verspottet.3 Ein wesentliches Element in der modernen Kritik an Descartes’ Position besteht darin, die Schlüssigkeit des von ihm vorgelegten Beweises der Unabhängigkeit der Seele vom Körper zu bestreiten und ihm damit eine zu weit gehende Folgerung vorzuwerfen. In der Regel wird dabei unterstellt, dass Seele und Körper nicht in der von Descartes behaupteten Weise voneinander unabhängig sind, sondern eine Einheit bilden, die nur noch nicht völlig verstanden worden ist und – falls man den Gegensatz überhaupt aufrecht erhält – weiterhin das sogenannte mind-body-Problem bildet, für das eine überzeugendere Lösung noch gefunden werden muss.4 Die Besonderheiten in Descartes’ Verwendung des Substanzbegriffs geraten bei dieser Interessenausrichtung in der Regel nicht in den Blick. Ihnen soll im Folgenden nachgegangen werden. Man wird kaum behaupten können, dass Descartes die Ausarbeitung einer Theorie der Substanz als eines seiner zentralen philosophischen Anliegen angesehen hätte, so wichtig ihm der Zwei-Substanzen-Dualismus insgesamt auch ist. Er gelangt in seinen Schriften nur nach und nach dazu, diesen Begriff überhaupt terminologisch zu verwenden, und tut das zunächst in unbekümmert traditioneller, an die Spätscholastik anknüpfender Weise, bis er sich endlich an zwei Schlüsselstellen – einmal im Kontext der Meditationen im Anhang zu den Zweiten Erwiderungen, sodann in den Principia Philosophiae, Teil I, §§ 51-54 – dazu gezwungen sieht, seine erkenntnistheoretischen und ontologischen Standardauffassungen systematisch darzulegen und jeweils mit Definitionen des Substanzbegriffs auszustatten. Nach der ersten Definition ist Substanz, vereinfacht ausgedrückt, Träger der uns erkennbaren Eigenschaften der Dinge, der durch eben diese Eigenschaften erkannt wird, ohne dass wir eine darüber hinausgehende Idee davon hätten. Nach der zweiten ist sie 3 4

G. Ryle, The Concept of Mind, 1949, S. 11-24. Vgl. Schütt (1990), S. 29.

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das, was selbständig existieren kann. Bei dieser letzteren Bestimmung entsteht sogleich eine Doppeldeutigkeit, indem zwischen der unendlichen Substanz (Gott) und den endlichen, geschaffenen Dingen, die wegen ihrer Abhängigkeit von Gott nur uneigentlich Substanzen heißen, unterschieden werden muss. Substanz im strengen Sinne ist danach nur Gott; im weniger strengen Sinne ist es das, was nur von Gott und von nichts anderem abhängig existiert. Die Definitionen stimmen in ihrem Gehalt nicht überein und müssen allererst zueinander in Beziehung gebracht werden. Versuchen wir uns zunächst den Textbefund in chronologischer Reihenfolge zu vergegenwärtigen, um anschließend genauer auf die Sachprobleme einzugehen. 1. Der Textbefund bis zum Haupttext der ‚Meditationen‘ In den wahrscheinlich 1628 verfassten Regulae ad directionem ingenii spielt der Substanzbegriff keine Rolle, was auch bei der methodologischen Zielsetzung des Traktats und seiner Orientierung am Methodenvorbild der Mathematik kaum anders zu erwarten ist. Die Thematik wird lediglich an einigen Stellen von ferne gestreift, beispielsweise in den Ausführungen zu Regel VI, wo Descartes sich von der Klassifikation der Dinge nach den aristotelischen Kategorien distanziert und stattdessen für eine Anordnung nach der natürlichen Reihenfolge der Erkenntnis plädiert, die mit den einfachsten Elementen beginnt. In den Erläuterungen zu Regel XII wird der Substanzbegriff auch dort nicht erwähnt, wo er an analogen Stellen durchaus auftaucht, nämlich bei der Aufzählung einfacher Ideen bzw. einfacher Naturen.5 Im Gegensatz zu der Nichtberücksichtigung der Substanzthematik in den Regulae werden wir im Discours de la Méthode von 1637 in Abschnitt IV, 2 mit der bereits voll entwickelten dualistischen These überrascht. In dem französischen Text erscheint der Ausdruck „substance“ unvermittelt und unerklärt. Descartes referiert kurz den Grundgedanken seines methodischen Skeptizismus einschließlich des Cogito-Arguments sowie 5 In

den Ausführungen zur Regel XII unterscheidet Descartes Begriffe der einfachen Sachverhalte von denen, die daraus zusammengesetzt sind, wobei die Einfachheit bezüglich der Existenz der Dinge anders gefasst wird als die Einfachheit mit Bezug auf unseren Verstand: die letztere bedeutet, dass die Erkenntnis so durchsichtig und deutlich ist, dass, sie gedanklich nicht in mehrere, noch deutlichere Erkenntnisse aufgeteilt werden kann. Descartes nennt drei Klassen von Sachverhalten, die bezüglich des Verstandes einfach sind, und gibt jeweils Beispiele für sie an. Rein intellektuell sind Tätigkeiten des Geistes wie Erkenntnis, Zweifel, Unwissenheit oder Handlungen des Willens. Rein materiell sind z.B. Figur, Ausdehnung. Bewegung. Allgemein sind die, die sowohl Geistern als auch Körpern zukommen können wie „Existenz, Einheit, Dauer und dergleichen“. Substanzen werden hier von den einfachen Naturen ausgeschlossen. Vgl. hierzu Beyssade (1996); Marion (1996).

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der daraus zu ziehenden Folgerungen: Er habe erkannt, dass er bzw. das Ich (Descartes spricht im autobiographischen Stil von sich selbst) eine Substanz sei, „deren ganzes Wesen oder deren Natur darin besteht zu denken und die zum Sein keines Ortes bedarf, noch von irgendeinem materiellen Dinge abhängt, so dass dieses Ich, d.h. die Seele, durch die ich das bin, was ich bin, völlig verschieden ist vom Körper, ja dass sie sogar leichter zu erkennen ist als er, und dass sie, selbst wenn er nicht wäre, doch nicht aufhörte, alles das zu sein, was sie ist.“6

Der Substanzbegriff wird hier ausschließlich mit Bezug auf das Ich oder die Seele verwendet – also weder für Gott noch für die materiellen Dinge, was aber vermutlich keinen sachlichen Hintergrund hat, da mit einer Bestreitung von deren Substantialität an dieser Stelle kaum zu rechnen wäre. Die Begründung für die These von der substantiellen Verschiedenheit der Seele vom Körper fällt hier nur kurz und rudimentär aus und wird erst in den Meditationen auf eine Descartes’ Argumentationspotential entsprechende Grundlage gestellt (siehe weiter unten). In den Meditationes de prima philosophia von 1641, die den im Discours nur angedeuteten Gedankengang detaillierter ausführen, erscheint der Substanzbegriff spät und beiläufig und mit offensichtlich größerer Vorsicht als im Discours. Weder in der Zweifelsbetrachtung der ersten Meditation noch im cogito-Argument der zweiten spielt er eine Rolle. Dort, wo die Existenz des zweifelnden Subjekts als für es selbst unbezweifelbar festgestellt und anschließend die Frage aufgeworfen wird, was für ein Ding dieses existierende Ich ist – ein denkendes Ding –, ist der einschlägige Ausdruck nicht „substantia“, sondern „res“.7 Auch bei der wiederholten Nachfrage, was dies für ein Ding sei, wird lediglich das Attribut „denkend“ in verschiedene Tätigkeiten des Geistes wie Zweifeln, Einsehen, Bejahen, Verneinen, Wollen etc. aufgefächert, die sämtlich dieser ansonsten unbestimmt bleibenden „res“ zugeschrieben werden.8 Ähnliches findet sich mit Bezug auf die körperlichen Dinge gegen Ende der Zweiten Meditation, wo Descartes im Rahmen des Wachsbeispiels 6

„je connu de là que j’étais une substance dont toute l’essence ou la nature n’est que de penser, et qui, pour être, n’a besoin d’aucun lieu, ni ne dépend d’aucune chose matérielle. En sorte que ce moi, c’est-à-dire l’âme par laquelle je suis ce que je suis, est entièrement distincte du corps, et même qu’elle est plus aisée à connaître que lui, et qu’encore qu’il ne fût point, elle ne laisserait pas d’être tout ce qu’elle est.“ AT 34, Dt. Übers. nach der frz.-dt. Ausg. v. L. Gäbe, Hamburg 1960 (= Philosophische Bibliothek Bd. 261). 7 „... sum autem praecise tantum res cogitans... Sum autem res vera, & vere existens; sed qualis res? Dixi, cogitans.“ (27) 8 „Sed quid igitur sum? Res cogitans. Quid est hoc? Nempe dubitans, intelligens, affirmans, negans, volens, nolens, imaginans quoque & sentiens.“ (28)

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fragt, was denn dieses Stück Wachs eigentlich ist, nachdem alle seine sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften (Geruch, Farbe, taktile Eigenschaften) sich als veränderlich und flüchtig herausgestellt haben: Es sei lediglich etwas Ausgedehntes, Biegsames, Veränderliches.9 Auch hier bleibt ein bis auf die genannten Attribute unbekanntes Etwas als Eigenschaftsträger übrig. Diese attributive Bekanntheit des Eigenschaftsträgers bei sonstiger Unbekanntheit entspricht (wie noch deutlich werden wird) der Sache nach der cartesischen Substanzkonzeption recht genau, jedoch vermeidet Descartes im Haupttext der Zweiten Meditation den Ausdruck. Das erste Auftauchen des Begriffs in Meditatio III erfolgt im Zusammenhang des ersten der beiden Gottesbeweise, genauer in einer vorbereitenden Überlegung, die sich mit der Wahrheit und Falschheit von Ideen (und insofern auch mit der Wahrheit der Idee von Gott) beschäftigt. Es geht dabei um die Frage des Gegenstandsbezugs von Ideen: Wie können wir prüfen, ob einige von den Dingen, deren Ideen in uns vorhanden sind, außer uns existieren? Descartes’ Thesen sind hier, dass Ideen von Substanzen mehr realitas objectiva (in der Idee repräsentierten Sachgehalt; vgl. den folgenden Abschnitt) enthalten als Ideen von Modi oder Akzidenzien, und dass die Idee von Gott als unendlicher Substanz wiederum mehr objektive Realität enthält als die Ideen von endlichen Substanzen.10 Dieses im Gottesbegriff gedachte Realitätsmaximum dient Descartes gleichsam als Brücke, um zur Annahme einer denkunabhängigen Wirklichkeit zu gelangen, nämlich indem er argumentiert, dass die im Gottesbegriff gedachte realitas nicht vom Denken eines endlichen Wesens erzeugt werden kann, sondern auf eine Ursache außerhalb des Denkens verweist. Nach dem Grundsatz, dass mindestens ebensoviel Realität in der wirkenden Ursache vorhanden sein muss wie in der Wirkung, schließt Descartes in dem bekannten Argument der dritten Meditation auf die Existenz eines Wesens, das in der Lage ist, das in der Idee Gottes gedachte absolute Maximum an Realität hervorzubringen; dies kann nur ein Wesen sein, das diesen Realitätsgehalt selbst besitzt, also Gott selbst, der folglich existieren muss.11 Im Verlaufe dieses Gedankengangs finden sich beiläufig einige den Substanzbegriff betreffende Erklärungen wie die, dass Substanz, Dauer und Zahl (neben Ausdehnung nach Länge, Breite und Tiefe, und Gestalt) zu dem gehören, was die Ideen der körperlichen Dinge an Klarem und Deutlichem enthalten, und dass ein Stein ebenso wie das Ich und Gott 9

„nihil aliud quam extensum quid, flexibile, mutabile.“ (31) Jedoch gibt Descartes in den Erwiderungen zu den Dritten Einwänden diese Zurückhaltung auf und gebraucht mit Bezug auf Cogito-Argument und Wachsbeispiel die Ausdrücke „res“ und „substantia“ annähernd synonym (vgl. AT VII, 176) ebenso gegen Gassendi in den Fünften Erwiderungen (vgl. AT VII, 359). 10 Vgl. AT VII, 40. 11 Vgl. AT VII, 45.

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jeweils als Substanz gedacht werden, „das heißt als Ding, das fähig ist, durch sich selbst zu existieren“. Der Passus betrifft den Ursprung der Ideen von körperlichen Dingen – sie können, obwohl das Ich nicht körperlich ist, aus der Idee von sich selbst gewonnen werden, was nicht für die Gottesidee gilt – und ist überwiegend unter dem erkenntnistheoretischen Aspekt der Erzeugung der Ideen von Substanzen von Interesse; zur Bestimmung des Substanzbegriffs selbst trägt hier nur die genannte kurze Erläuterung bei, die die Substanz als res quae per se apta est existere kennzeichnet.12 In Meditation VI, wo die reale Verschiedenheit und somit die mögliche getrennte Existenz von Körper und Seele thematisiert wird, erhält der Substanzbegriff ein größeres systematisches Gewicht, aber auch hier dient er zunächst weniger dem Zweck, die gegenseitige Unabhängigkeit von Seele und Körper auszudrücken, als vielmehr der Zuordnung der verschiedenen geistigen und körperlichen Vermögen zu einer jeweils zugrundeliegenden Entität, der sie inhärieren. In der Passage, die im Rahmen der Sechsten Meditation als der Beweis der substantiellen Verschiedenheit des denkenden Ich vom Körper anzusehen ist, kommt der Ausdruck „substantia“ nicht vor. Vielmehr heißt es, es genüge, eine Sache (res) ohne eine andere klar und deutlich verstehen zu können, um Gewissheit zu erhalten, dass die eine von der anderen verschieden ist; und die klare und deutliche Vorstellung von sich selbst liefert die Einsicht, dass das Wesen (essentia) des meditierenden Ich einzig darin besteht, eine res cogitans zu sein und somit getrennt vom Körper existieren zu können. So weit sieht Descartes offenbar keinen Anlass, den Substanzbegriff zu verwenden, obwohl dieser sich bestens dafür eignen würde, die wechselseitige ontologische Unabhängigkeit von Geist und Körper auszudrücken. Vielmehr kommt der Begriff erst dort ins Spiel, wo Descartes auf die „Denkvermögen besonderer Art“ wie Einbildung und Empfindung zu sprechen kommt, von denen er sagt, dass er sein ganzes Ich klar und deutlich ohne sie denken kann, aber nicht umgekehrt jene ohne sich, „das heißt ohne eine denkende Substanz [sine substantia intelligente], der sie innewohnen“. Sie unterscheiden sich von dem Ich wie die Modi eines Dinges von dem Ding selbst, und genau dieses Verhältnis der Inhärenz ist es, was das Ich als Substanz kennzeichnet – genauer als denkende Substanz, weil jene Vermögen Arten des Denkens sind und deshalb einer denkenden Substanz inhärieren müssen. Analog werden im folgenden andere Fähigkeiten, die Descartes an sich wahrnimmt, wie die, den Ort zu verändern, einer körperlichen, nicht denkenden Substanz zugeschrieben, weil in ihrem klaren und deutlichen Begriff Ausdehnung, aber kein Denken enthalten ist. So werden die res cogitans und die res extensa, als die Descartes das geistige Ich und den eigenen Körper erkennt, 12

AT VII, 44.

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zwar am Ende als Substanzen charakterisiert, aber nicht primär unter dem Gesichtspunkt ihrer realen Verschiedenheit, sondern unter dem Gesichtspunkt der Inhärenz verschiedener Eigenschaften unter jeweils einem spezifischen Attribut.13 2. Erste Substanzdefinition: Subjekt der erkennbaren Eigenschaften der Dinge Die erste Schlüsselstelle, die eine explizite Substanzdefinition liefert, findet sich im Anhang zu den Erwiderungen auf die Zweiten Einwände. Descartes sieht sich durch die Einwände von Marin Mersenne und dessen Freundeskreis veranlasst, mittels eines schulmäßigen, streng systematischen Abrisses more geometrico völlige Klarheit hinsichtlich der logischen Struktur seiner Argumentation zu schaffen, und stellt eine Kette von Definitionen, Postulaten und Axiomen auf, um vier seiner wichtigsten Sätze über die Existenz Gottes und die reale Verschiedenheit von Geist und Körper zu beweisen. Die fünfte der Definitionen lautet: „Jede Sache, der unmittelbar, als in ihrem Subjekte, etwas innewohnt, oder durch die etwas existiert, was wir erfassen, d.h. irgendeine Eigenschaft oder Beschaffenheit oder Attribut, wovon wir in uns die reale Idee haben, heißt Substanz. Und wir haben von der Substanz im strengen Sinne gar keine andere Idee, als dass sie die Sache (res) ist, in der in formaler oder eminenter Weise eben das existiert, was wir erfassen, d.h. was objektiv in irgendeiner unserer Ideen enthalten ist, da uns das natürliche Licht lehrt, dass das Nichts kein reales Attribut haben kann.“14

„Reale Idee“ ist hier zu verstehen als Idee, die eine realitas objectiva besitzt, einen vorgestellten Sachgehalt, der in ihr „objektiv“ enthalten ist. Was dies bedeutet, erklärt Definition III an derselben Stelle. Danach versteht Descartes unter der objektiven Realität einer Idee „den Seinsgehalt der durch die Idee vorgestellten Sache, sofern dieser in der Idee 13

Auch für den Beweis der realen Verschiedenheit von Geist und Körper wird der Substanzbegriff erst in den Erwiderungen auf die Einwände ausgeschöpft, siehe etwa die Fassung des Beweises im Anhang zu den zweiten Erwiderungen (AT VII, 169f.) sowie die vierten Erwiderungen, AT VII, 226: Es sei nämlich ebendies der Begriff der Substanz, dass sie durch sich selbst, d.h. ohne Hilfe irgendeiner anderen Substanz existieren könne; daher werde durch die klare und deutliche Auffassung einer Substanz ohne eine andere erkannt, dass sie real distinkt seien. 14 „Omnis res cui inest immediate, ut in subjecto, sive per quam existit aliquid quod percipimus, hoc est aliqua proprietas, sive qualitas, sive attributum, cujus realis idea in nobis est, vocatur Substantia. Neque enim ipsius substantiae praecise sumptae aliam habemus ideam, quam quod sit res, in qua formaliter vel eminenter existit illud aliquid quod percipimus, sive quod est objective in aliqua ex nostris ideis, quia naturali lumine notum est, nullum esse posse nihili reale attributum.“ AT VII, 161.

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repräsentiert ist.“15 Alles, was wir als in den Objekten der Ideen erfassen, das ist in den Ideen selbst „objektiv“, und das heißt: durch Vorstellung oder Repräsentation, vorhanden. Der Ausdruck „objektiv“ ist hier nicht im heute üblichen Sinne der Subjektunabhängigkeit zu verstehen, sondern bedeutet im Gegenteil, dass ein Subjekt sich den Sachgehalt „objiziert“ oder gegenüberstellt; objektives Vorhandensein heißt für Descartes Vorgestelltwerden. Der Sachgehalt selbst ist nichts Mentales, die realitas ist Teil der Sache, nicht der Idee; aber der Sachgehalt wird durch die Idee repräsentiert, und das bedeutet, er ist „objektiv“ (= mittels Repräsentation) in ihr enthalten und dadurch in der Vorstellung vorhanden. Die Definition unterscheidet nun noch zwischen dem formalen und dem eminenten Enthaltensein der realitas in den Objekten: „Man sagt von demselben, dass es formal in den Objekten der Ideen vorhanden ist, wenn es in ihnen selbst qualitativ ebenso gegeben ist, wie wir es erfassen, und eminent, wenn es zwar nicht ebenso darin enthalten, wohl aber ein solches Quantum Realität darin ist, daß es die Stelle desselben vertreten kann.“16

Realität in formaler Weise zu enthalten heißt für ein Objekt, genau so zu existieren, wie es in der Idee erfasst wird. So existiert ein gleichseitiges Dreieck, dessen vollständige Beschreibung ich besitze, als mathematisches Objekt mit genau den Bestandstücken, die ich mir in der Beschreibung denke. Realität in eminenter Weise zu enthalten heißt dagegen, so zu existieren, dass nicht die ganze Sache, sondern nur ein repräsentativer Teil von ihr in der Idee erfasst wird; der Sachgehalt selbst existiert in vollkommenerer, ontologisch reichhaltigerer Weise, als es in der Idee vorgestellt wird. Den Planeten Erde z.B. kann ich hinreichend genau beschreiben, um ihn als existierenden Gegenstand zu erkennen und von anderen Gegenständen zu unterscheiden, aber es gibt auf der Erde sehr viel mehr, als ich von ihr kenne und meine Idee von ihr enthält; also existiert der Sachgehalt, der in der Idee „Planet Erde“ gedacht wird, in dem Gegenstand selber „eminent“, den Gehalt der Idee überschreitend. Was bedeutet dies für die Annahme von Substanzen und für ihre Erkennbarkeit? Erkenntnistheoretisch gesehen haben wir von einer Substanz nichts weiter als die Idee von etwas, in dem dasjenige existiert, was wir als Realität erfassen. Das heißt, sie wird angenommen als Subjekt oder Träger der von uns erkennbaren Eigenschaften oder Attribute. Von gewissen wahrnehmbaren Eigenschaften wie „rot“ oder „hart“ stellen wir uns vor, dass sie nicht frei schwebende Entitäten sind, sondern als 15

„Per realitatem objectivam ideae intelligo entitatem rei repraesentatae per ideam, quatenus est in idea“, AT VII, 161. 16 „Eadem dicuntur esse formaliter in idearum objectis, quando talia sunt in ipsis qualia illa percipimus; & eminenter, quando non quidem talia sunt, sed tanta, ut talium vicem supplere possint.” ebd.

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Eigenschaften an irgendetwas existieren, was wir Substanz nennen. Die Substanz ist nichts anderes als dieses vorgestellte Etwas. Die von uns erfassten Eigenschaften bilden eine realitas, die der Substanz wirklich zukommt (formal oder eminent); darüber hinaus wissen wir nichts von ihr. Woher aber weiß Descartes, dass es ein solches Etwas überhaupt gibt? Die Antwort liefert ein kurzes, an die Definition angehängtes Argument: Das natürliche Licht lehrt uns (d.h. es leuchtet von selbst ein), dass das Nichts kein reales Attribut haben kann. Die Attribute, die wir kennen, können nicht Attribute von nichts, sondern müssen Attribute von etwas sein. Vielleicht kann man stattdessen auch sagen, dass es rein sprachlich (analytisch) aus der Bedeutung von „Attribut“ folgt, Attribut von etwas zu sein. Freilich setzt Descartes hier voraus, dass es sich bei dem, was wir erkennen, überhaupt um Attribute handelt. Gleicht die Substanz damit einem obskuren „something [...] they know not what“, wie Locke später schreiben wird? Locke nimmt an, die Substanz werde stets als „etwas Besonderes neben der Ausdehnung, der Gestalt, der Festigkeit, der Bewegung, dem Denken oder den anderen wahrnehmbaren Ideen“ gedacht; er stellt fest, dass wir davon keine klare Idee haben außer der einer unbekannten Ursache des Zusammenhangs gewisser einfacher Ideen von wahrnehmbaren Qualitäten, und fragt mit Recht, ob es eine solche Substanz überhaupt gibt.17 In ähnlicher Weise bezweifelt bereits Pierre Gassendi in den Fünften Einwänden zu den Meditationen, dass es eine Idee und somit eine objektive Realität der Substanz selbst gebe und dass diese größer sei als die der Akzidenzien, da die Idee der Substanz ausschließlich ihre Realität aus den Ideen der Akzidenzien habe.18 Descartes’ Erwiderung auf diesen Einwand fällt ungeduldig und knapp aus und besagt, dass die Akzidenzien nach der Gestalt der Substanzen erfasst werden, nicht umgekehrt. Den Akzidenzien könne keine Realität (keine mehr als modale Wesenheit) beigelegt werden außer der, die von der Idee der Substanz hergenommen wird.19 Das Argument ist nicht sehr klar und wohl so zu verstehen, dass die Idee der Substanz nicht, um einen eigenen Inhalt zu haben, neben und außer den Akzidenzien gebildet werden müsste, wie Gassendi meint; vielmehr schließt die Erkenntnis der Akzidenzien die Erkenntnis der Substanz in gewisser Weise ein oder setzt diese voraus. Die Akzidenzien können nämlich nur als Modi der Attribute verstanden werden, die zum Wesen der Substanz gehören und ihrer Idee enthalten sind, und von dieser müssen alle Akzidenzien ihre Realität entlehnen. Es scheint, dass Descartes hier Gassendis epistemologische Zugangsweise, die nur von den Akzidenzien ausgehen kann, nicht ganz ernst nimmt; er hält ihm, um den Einwand 17

J. Locke, Essay concerning Human Understanding, Buch II Kap. XXIII, 2-6. (Ausg. v. P.H. Nidditch, Oxford 1975, S. 295-298.) 18 Vgl. AT VII, 284f. 19 Vgl. AT VII, 365.

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abschütteln zu können, eine umgekehrte, eher ontologisch gedachte Rangfolge entgegen, bei der die Substanz primär ist, ohne sich darum zu kümmern, woher wir von dieser Rangfolge etwas wissen können. Doch unabhängig von der Frage, wie das Argument genau zu beurteilen ist, zeigt es jedenfalls Descartes’ Auffassung: Die Substanz ist nicht unerkennbar, sondern sie wird durch ihre Attribute erkannt. Ihre Natur schließt die Attribute nicht aus, sondern ein, oder anders ausgedrückt: die Attribute sind nicht etwas neben der Substanz, sondern sie machen ihr Wesen aus. An Gassendi schreibt er, er habe „nie geglaubt, dass man etwas anderes braucht, um die Substanz eines Dinges zu ermitteln, als seine verschiedenen Attribute; und zwar, je mehr Attribute einer Substanz wir erkennen, um so vollkommener begreifen wir seine Natur.“20 In den Gesprächen mit Burman heißt es, dass alle Attribute zusammengenommen gleich der Substanz sind und deshalb jedes einzelne Attribut weniger als diese.21 Descartes meint also nicht, dass die Substanz noch einen besonderen Sachgehalt außer und neben den Attributen besitzen müsse. Zweite Substanzdefinition: das, was selbständig existieren kann Im ersten Teil der Principia Philosophiae gibt Descartes eine Darstellung der erkenntnistheoretischen Prinzipien, wozu auch eine summarische Aufzählung der einfachen Begriffe gehört, aus denen sich unsere Gedanken zusammensetzen. Wir finden hier zunächst eine allgemeinste Einteilung des Vorgestellten in Dinge, Eigenschaften und ewige Wahrheiten: „Alles von uns Vorgestellte betrachten wir entweder als Ding (res) oder als Eigenschaft (affectio) eines Dinges oder als eine ewige Wahrheit, die keine Existenz außerhalb unseres Denkens hat.“22

Es folgt eine Einteilung der Dinge: „Von dem, was wir als Dinge annehmen, sind die allgemeinsten die Substanz, die Dauer, die Ordnung, die Zahl, und was sonst sich noch auf alle Arten von Dingen erstreckt.“23

Die Aufzählung ist unvollständig und lässt offen, welche allgemeinsten Begriffe bzw. Dinge es außerdem noch gibt. Denkt Descartes hier an die 20 21 22 23

AT VII, 360. Vgl. AT V, 155. AT VIII/1, 22f. “substantia, duratio, ordo, numerus et si quae alia sunt eiusmodi quae ad omnia genera rerum es extendunt”. AT VIII/1, 23.

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aristotelischen Kategorien? Auffällig ist der sehr weit gefasste Dingbegriff (res), dessen Stellenwert in etwa dem scholastischen ens entspricht, das die aristotelischen Kategorien der Allgemeinheit nach in ähnlicher Weise überschreitet wie hier die res die darunter subsumierten Begriffe Substanz, Dauer, Ordnung, Zahl. Diese sollen Begriffe sein, mit denen sich „alle Arten von Dingen“ beschreiben lassen, also wiederum (wie im Aristotelismus) allgemeine Bestimmungen des Seienden oder ontologische Kategorien. Andererseits sollen sie doch von Eigenschaften (affectiones) und ewigen Wahrheiten unterschieden sein. Die Einteilung der Gattungen von Dingen führt sodann auf den cartesischen Dualismus: „Ich erkenne aber nur zwei oberste Gattungen (summa genera) von Dingen an: die der geistigen oder denkenden Dinge, d.h. die, welche zum Geiste oder zur denkenden Substanz gehören, und die der körperlichen Dinge oder der zur ausgedehnten Substanz gehörenden.“24

Wenn auch „Ding“ und „Substanz“ hier keineswegs miteinander identifiziert werden, sondern der Dingbegriff in der oben genannten kategorialen Vielfalt zu verstehen ist, so werden doch zwei Gattungen von Dingen, nämlich geistige/denkende und körperliche, unterschieden und einer entsprechenden Einteilung der Substanzen, nämlich der denkenden bzw. der ausgedehnten Substanz – hier beides im Singular – zugeordnet. Ob diese Einzahl sowie der Umstand, dass Descartes von Gattungen von Dingen, nicht aber von Gattungen von Substanzen spricht, von systematischer Bedeutung sind, wird sogleich noch zu erörtern sein. Ohne bislang den Substanzbegriff erklärt zu haben, unterscheidet Descartes im Folgenden das, was zur denkenden Substanz, was zur ausgedehnten Substanz und was zu beiden in ihrer Verbindung gehört. Zur denkenden Substanz gehören Vorstellung (perceptio), Wollen (volitio) und alle Arten (modi) des Vorstellens und Wollens. Größe, Ausdehnung nach Länge, Breite, Tiefe, Gestalt, Bewegung, Lage und Teilbarkeit der Teile etc. gehören zur ausgedehnten Substanz. Außerdem erfahren wir von anderem, was sich nicht auf den Geist bzw. Körper allein bezieht, sondern von der Verbindung von Geist und Körper herrührt: Gefühle (appetitus) wie Hunger und Durst; Erregungen und Leidenschaften der Seele (animi pathemata); Empfindungen wie Schmerz, Kitzel, Licht, Farben, Töne, Gerüche usw. (Sinnesqualitäten). Um das Aufgezählte hinsichtlich seines kategorialen Status von den anschließend behandelten ewigen Wahrheiten abzugrenzen, fasst Descartes zusammen: „Dies alles nehmen wir als Dinge oder als Eigenschaften oder Zustände der Dinge wahr.“ Bei der hier verwendeten Disjunktion von Dingen (res) und deren 24

Ebd.

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Eigenschaften/Zuständen (qualitates seu modi) bleibt der Substanzbegriff im Hintergrund. Erst in § 51 wird das Verhältnis genauer geklärt, und hier finden wir schließlich die Substanzdefinition: Unter ‚Substanz‘ versteht Descartes „ein Ding, das so existiert, daß es zu seiner Existenz keines anderen bedarf“.25 Das für Substanzen definierende Merkmal – die unabhängige Existenz – gibt nun aber sofort Anlass zu einer wichtigen Differenzierung, die zur Folge hat, dass von Substanzen nur äquivok gesprochen werden kann. Denn im strikten Sinne gilt die ontologische Unabhängigkeit allein für Gott, während alle anderen Dinge „nur mit Gottes Beistand existieren“. Wegen dieser Ungleichartigkeit „gebührt der Name Substanz Gott und den übrigen Dingen nicht im gleichen Sinne ... d.h. es gibt keine deutlich einzusehende Bedeutung dieses Wortes, welche Gott und den Geschöpfen gemeinsam wäre.“26

Wenn demnach von Dingen in der Welt (Körpern oder Geistern) gesagt wird, dass sie selbständig existieren oder zu ihrer Existenz keines anderen bedürfen, so muss dabei stets davon abgesehen werden, dass sie in Abhängigkeit von Gott existieren; die Selbständigkeit hat keinen absoluten, sondern einen eingeschränkten Sinn und bedeutet, daß sie von keinem anderen geschaffenen Ding abhängig sind. Geschaffene Substanzen sind das, was nur Gottes Beistand und nichts anderen zum Existieren bedarf. Dies ist der gemeinsame Begriff, unter den sowohl denkende als auch ausgedehnte Substanzen fallen, aber ein einheitlicher Begriff, unter den sowohl Gott als auch die geschaffenen Substanzen fielen, wird nicht angegeben. Wie steht es nach dieser neuen Definition um die Erkennbarkeit von Substanzen? Descartes schreibt, die Substanz könne nicht aus dem Merkmal, dass sie ein selbständig existierendes Ding ist, allein erkannt werden; denn die Eigenschaft der Existenz für sich genommen affiziert uns nicht. Wir wissen von der Existenz von Dingen nur durch ihre Attribute, genauer durch Wirkungen, die von ihnen ausgehen und durch die wir mit ihnen in Kontakt geraten; aber die bloße Existenz ist keine Wirkung, keine Affektion. Umgekehrt genügt es, irgendein Attribut wahrzunehmen, um auf die Existenz eines Dinges oder einer Substanz zu schließen, der das Attribut zugeschrieben werden muss. Substanzen werden aus ihren Attributen erkannt, und zwar aus jedem beliebigen Attribut – weil Attribute grundsätzlich Substanzen zugeschrieben werden müssen, denen sie

25

“Per substantiam nihil aliud intelligere possumus, quam rem quae ita existit, ut nulla alia re indigeat ad existendum.“ AT VIII/1, 24. 26 Ebd.

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inhärieren; es gibt sie nicht ohne ein existierendes Ding, dessen Attribut sie sind. Und doch gibt es „für jede Substanz eine vorzügliche Eigenschaft, welche ihre Natur und ihr Wesen ausmacht, und auf die sich alle anderen beziehen“.27 Substanzen haben spezifische Eigenschaften, und insbesondere hat Descartes hier die gattungskonstitutiven Merkmale der körperlichen Substanz einerseits, der denkenden Substanz andererseits im Blick. Spezifisch für die körperliche Substanz ist die Ausdehnung in die Länge, Breite und Tiefe; spezifisch für die denkende Substanz ist das Denken. „Denn alles, was sonst dem Körper zugeteilt werden kann, setzt die Ausdehnung voraus und ist nur ein Zustand der ausgedehnten Sache; ebenso ist alles, was man im Geiste antrifft, nur ein besonderer Zustand des Denkens.“28 Um diese Sonderstellung der gattungskonstitutiven Merkmale Denken und Ausdehnung zu verstehen, muss der Unterschied zwischen den unveränderlichen Attributen der Dinge und den besonderen Zuständen, die die Dinge jeweils unter einem Attribut annehmen, beachtet werden. „Zustand“ (modus), „Attribut“ (attributum) und „Qualität“ (qualitas) bedeuten, so Descartes, zwar prinzipiell dasselbe – eine Beschaffenheit –, jedoch werden mit den drei Bezeichnungen unterschiedliche Aspekte ausgedrückt: Von „Attribut“ sprechen wir, wenn nur allgemein berücksichtigt wird, dass bestimmte erkennbare Eigenschaften einer Substanz zugehören; von „Zustand“ sprechen wir, wenn wir erwägen, dass die Substanz von ihnen erregt oder verändert wird, und von „Eigenschaft“, wenn die Substanz aufgrund dieser Veränderung als eine in bestimmter Weise beschaffene bezeichnet werden kann (talem posse denominari).29 In Gott sind nur Attribute, aber nicht eigentlich Zustände oder Qualitäten, weil er unveränderlich ist. Die geschaffenen Dinge besitzen einerseits unveränderliche Merkmale wie Denken und Ausdehnung, die Attribute genannt werden, andererseits veränderliche, die als Zustände (Modi) oder Qualitäten jeweils einem Attribut als übergreifender Dimension zugeordnet sind. So sind Zweifeln, Bejahen, Verneinen Zustände des Denkens, während Länge, Breite, Gestaltveränderung oder Bewegung von Körpern zu dem generellen Aspekt der Ausdehnung gehören. Körper können z.B. unterschiedlich lang sein oder verschiedene Formen wie rund, eckig, kegel- oder würfelförmig annehmen, diese Eigenschaften können sich an einem Ding auch verändern, aber alle diese Zustände sind Ausprägungen des unveränderlichen Attributs der Ausdehnung – es sind Modi der Ausdehnung, d.h. Weisen, wie das Ding ausgedehnt ist.

27 28 29

AT VIII/1, 25. Ebd. AT VIII/1, 26.

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Den Unterschied zwischen zwei Zuständen derselben Substanz, aber auch den Unterschied zwischen der Substanz und ihrem Zustand bezeichnet Descartes als modalen Unterschied. Man erkennt ihn im ersten Fall daran, dass man einen Zustand ohne den anderen wechselweise vorstellen kann, aber keinen ohne die Substanz, der sie innewohnen (so kann ein Stück Wachs einmal als fest, ein andermal als flüssig vorgestellt werden, ohne jeweils das andere zu sein, nur lassen sich die Eigenschaften nicht abgetrennt von dem Wachs denken, dem sie inhärieren). Im zweiten Fall ist der Unterschied daran erkennbar, dass man die Substanz klar und deutlich ohne den als unterschieden von ihm benannten Zustand vorstellen kann, aber nicht umgekehrt den Zustand ohne die Substanz (z.B. das Wachsstück ohne die Eigenschaft „hart“, da es weich werden und schmelzen kann; aber die Härte ist ohne das harte Ding nicht vorzustellen). Dieser modale Unterschied wird in Descartes’ Systematik dem realen Unterschied und dem Unterschied in der Beziehung gegenübergestellt. Der Beziehungsunterschied besteht zwischen einer Substanz und einem ihrer Attribute, ohne das sie selbst nicht aufgefasst werden kann. Anders als die Modi, können die wesentlichen Attribute nicht von der zugehörigen Substanz getrennt werden. So ist es nicht möglich, Körper getrennt von ihrer Ausdehnung zu denken, daher beziehen die Ausdrücke „Körper“ und „Ausgedehntes“ sich der Sache nach auf dasselbe und bezeichnen nur unterschiedliche Aspekte daran, d.h. Körper und Ausgedehntes sind nur in Beziehung auf das Denken verschieden, aber der Sache nach dasselbe. Der reale Unterschied schließlich besteht nur zwischen zwei oder mehr Substanzen. Er wird nach Descartes daran erkannt, dass sich ein Ding klar und deutlich getrennt von einem anderen Ding erkennen lässt. Die klare und deutliche, abgetrennte Vorstellbarkeit eines Dinges ist Kriterium der realen Verschiedenheit und zugleich ein Kriterium dafür, dass es sich bei so vorstellbaren Dingen um verschiedene Substanzen handelt; denn Substanz ist das, was abgetrennt existieren kann, und das Kriterium für diese Möglichkeit ist – nach Descartes’ allgemeinem Wahrheitskriterium – die klare und deutliche Einsicht in die Sache. Die reale Verschiedenheit der Seele vom Körper Descartes’ Beweis für die reale oder substantielle Verschiedenheit der Seele vom Körper operiert in seiner reifen Form mit dieser in der Dritten Meditation formulierten und begründeten Regel: „dass alles das wahr ist, was ich recht klar und deutlich auffasse“.30 Zwar muss nicht alles, was wir klar denken können, auch so sein, wie wir es denken, aber wir müssen annehmen, dass zumindest Gott durch seine Allmacht die Dinge so 30

“... illud omnem esse verum, quod valde clare & distincte percipio.“ AT VII, 35.

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einrichten kann. Z.B. ist jeder Körper in Gedanken teilbar, denn er ist wesentlich ausgedehnt, nimmt ein Stück Raum ein, dessen Teilung wir uns geometrisch deutlich vorstellen können; also könnte zumindest Gott ihn wirklich teilen, auch wenn er faktisch mit den in der Welt vorhandenen Mitteln nicht geteilt werden könnte. Dasselbe Kriterium wendet Descartes auf die materiellen und geistigen Entitäten an, um aus der getrennten Vorstellbarkeit von Seele und Körper deren reale Abtrennbarkeit und ontologische Selbständigkeit zu beweisen. Das Argument wird im Anhang zu den Zweiten Erwiderungen so dargestellt: (1) Alles, was wir klar wahrnehmen, kann von Gott so gemacht werden, wie wir es wahrnehmen. (2) Wir nehmen klar den Geist (d.h. eine denkende Substanz) ohne den Körper (d.h. ohne eine ausgedehnte Substanz) wahr und umgekehrt den Körper ohne den Geist. (3) Also kann wenigstens durch die Allmacht Gottes der Geist ohne den Körper sein und der Körper ohne den Geist. (4) Nun sind Substanzen, von denen jede ohne die andere sein kann, real verschieden. (5) Geist und Körper aber sind Substanzen, von denen jede ohne die andere sein kann. (6) Also sind Geist und Körper real verschieden.31 Hier ist zu beachten, dass die Prämissen (2) und (5) die Definitionen von Geist und Körper als denkende bzw. ausgedehnte Substanzen (Definitionen VI und VII im „Anhang“) voraussetzen. Über die gegenseitige Unabhängigkeit von Geist und Körper wird damit jedoch nichts vorentschieden, denn die mentalen und körperlichen Eigenschaften könnten ja derselben Substanz inhärieren (z.B. einem Menschen, der sowohl körperliche als auch geistige Eigenschaften besitzt). Also auch wenn Descartes die Substantialität von Körper und Geist (dass es sie als existierende Eigenschaftsträger gibt) voraussetzen darf, hat er die reale Verschiedenheit der Eigenschaftsträger noch zu beweisen, und er beweist sie aus den Prämissen der klaren Vorstellbarkeit des Geistes ohne den Körper (und umgekehrt) sowie der Allmacht Gottes, die das getrennt Vorstellbare auch getrennt realisieren kann. Die Hauptprobleme dieses Beweises dürften in den Prämissen (1) und (2) liegen, also einmal in dem metaphysischen Schluss von dem klar und deutlich Vorstellbaren auf das real Mögliche und dann in der Behauptung, dass geistige Substanzen ohne körperliche Merkmale wirklich klar und deutlich gedacht werden können.

31

Vgl. AT VII, 169f.

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Eine genauere Erörterung dieses vieldiskutierten Arguments32 soll hier nicht geleistet werden. Stattdessen wird im Folgenden noch auf einige basalere Aspekte und Probleme der cartesischen Substanzdefinitionen eingegangen. Was bedeutet die Unabhängigkeit der Substanz? Nach Descartes’ zweiter Definition ist Substanz ein Ding, das zur Existenz keines anderen Dinges bedarf oder das in der Lage ist, durch sich selbst zu existieren. Wie aber ist diese Unabhängigkeitsrelation zu deuten, und was genügt dieser Anforderung? Abhängigkeit der Existenz eines Dinges A von einem anderen B kann auf unterschiedliche Weise verstanden werden, mindestens in drei Bedeutungen: als kausale Bedingtheit (A ist Wirkung von B), als Inhärenz (A existiert als Eigenschaft von B) oder als TeilGanzes-Beziehung (A existiert als Teil von B). Welche dieser Aspekte sind für die Unabhängigkeit der cartesischen Substanz relevant, welche ergeben plausible Deutungen? 1. Unabhängigkeit in kausalem Sinne. – Wenn Substanz zu sein bedeutet, unverursacht (und in diesem Sinne unabhängig) zu sein, dann ist nur Gott als causa sui Substanz im strengen Sinne, und geschaffene Substanzen sind das, was nur Gott als Ursache hat. Wenn dabei Kausalität als Ereigniskausalität (mit Gott als erster Ursache) verstanden wird, ergibt sich daraus, dass geschaffene Substanzen nur solche Entitäten sind, die keine innerweltlichen Ursachen haben, sondern seit der Erschaffung der Welt existieren. Die Konsequenz wäre, dass nichts, was erst in der Zeit durch innerweltliche Ursachen zu existieren anfängt, Substanz ist. Folglich wären körperliche Einzeldinge wie Bäume, Tische, Steine keine Substanzen (auch keine geschaffenen), denn sie entstehen kausal aus anderen geschaffenen Dingen und sind somit kausal von diesen abhängig, nicht bloß von Gott. Kann dies Descartes’ Meinung sein? Im Zusatz zur französischen Übersetzung der Principia von 1647 heißt es: Es gibt kein geschaffenes Ding, das einen Moment lang existieren könnte, ohne durch Gottes Macht erhalten zu werden.33 Auch vom Ich heißt es in der Dritten Meditation, dessen Lebenszeit könne in unzählig viele Teile geteilt werden, und keiner dieser Teile habe den jeweils nächsten zur Folge, wenn nicht eine Ursache das Ich für diesen Augenblick von neuem schafft, d.h. im Dasein erhält.34 Diese Annahme einer permanenten Neuschöpfung der Dinge in jedem Augenblick entspricht der 32

Zu der ausgedehnten Diskussion des Arguments für den Substanzendualismus sei hier nur stellvertretend auf Beckermann (1986) verwiesen; weitere Literatur s. d. 33 Vgl. AT X/2, 47. 34 Vgl. AT VII, 48f.

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mittelalterlichen Lehre von der creatio continua: Die Abhängigkeit der geschaffenen Substanzen von Gott wird als ein ständiges im Dasein Erhaltenwerden oder Neugeschaffenwerden angesehen. Sie besteht also nicht ausschließlich darin, zu Beginn der Schöpfung von Gott als zeitlich erster Ursache ins Dasein gesetzt worden zu sein in der Weise, dass das geschaffene Ding nach der Erschaffung allein weiter existieren und sich später durch andere Ursachen verändern könnte. Die Erhaltung, isoliert betrachtet, lässt strenggenommen sogar offen, ob es einen anfänglichen Schöpfungsakt gegeben hat; das Existieren mit Gottes Beistand könnte prinzipiell auch von Ewigkeit her andauern. Eine seit unendlicher Zeit existierende Substanz wäre, da sie ohnehin in jedem Moment neu geschaffen wird, nicht weniger von Gottes Beistand abhängig als eine zu einem bestimmten Datum anfänglich erschaffene. Nach Descartes bedarf es derselben Kraft und Tätigkeit, ein Ding von Augenblick zu Augenblick zu erhalten, wie es neu zu erschaffen, wenn es noch nicht existierte.35 Im Gegensatz hierzu unterscheiden wir gewöhnlich zwischen erschaffender und erhaltender Ursache: Ein Haus wird erbaut, aber es existiert dann ohne seinen Erbauer weiter. Ähnlich werden in der Newtonschen Physik die Bewegungsursachen gesehen (1. Axiom): Ein Körper wird durch eine bewegende Ursache angestoßen, diese überträgt beim Stoß ihren Bewegungsimpuls, aber dann dauert diese Bewegung gleichförmig an, bis wieder eine Kraft auf den Körper einwirkt; die Bewegung muss nicht ständig erhalten werden, sie ist ein dauernder Zustand. Dieser Unterschied entfällt, wenn die Abhängigkeit vom ständigen Beistand Gottes mit der von Gott als zeitlicher Erstursache der Schöpfung auf dieselbe Ebene gestellt wird. Was ganz Substanz sein soll, muss demnach die Kraft haben, sich selbst im Dasein zu erhalten, ohne auf das ständige Wiedererschaffenwerden durch Gott angewiesen zu sein. Für das Ich gilt dies ebenso wenig wie für materielle Körper; für keine endliche Substanz gilt es. Daher sind die geschaffenen Dinge als Substanzen im abgeschwächten, sekundären Sinne zu bezeichnen (sozusagen Substanzen unter theologischem Vorbehalt). Wenn aber nun solche Substanzen in diesem sekundären Sinne zumindest von innerweltlichen Ursachen unabhängig, d.h. nicht in der Zeit aus anderen Dingen entstanden sein sollen, welche Entitäten fallen dann unter diesen Begriff? Bei der Beantwortung dieser Frage sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Zunächst kann gefragt werden, ob Descartes unter der Fähigkeit einer Substanz, durch sich selbst existieren zu können, überhaupt diese starke Bedingung verstanden wissen will, gar nicht durch eine andere Ursache entstanden zu sein, oder nur die schwächere Bedingung, eine Zeitlang zu dauern, wie eben ein konkretes Einzelding dauert, unabhängig von der Frage seiner einstigen Entstehung. Descartes 35 Vgl.

Dritte Meditation, AT VII 49.

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bezeichnet an mehreren Stellen konkrete Einzeldinge wie einen Stein, ein Kleid, eine Hand als Substanzen.36 Einzeldinge haben ein selbständiges, jedoch nicht kausal unabhängiges Dasein. Ein Baum, ein Mensch subsistiert, aber nicht in völliger Autarkie, sondern – auch wenn man die Ursachen seiner Entstehung ausblendet – kausal abhängig von dem Wasser und der Nahrung, die er aufnimmt, von dem Boden, auf dem er steht, von der Luft und der Umgebungstemperatur. Trotz dieser Abhängigkeit kann er eine Zeitlang als Ding existieren. Ein Stein kann dies besser und länger, er bleibt auch dann derselbe Stein, wenn er auf eine Umlaufbahn um den Mond gebracht wird. Letztlich verändern sich aber alle materiellen Körper, die in der Welt physikalisch entstanden sind, durch fortgesetzte physikalische Prozesse zumindest langfristig in irgendeiner Weise, daher lässt sich der Gesichtspunkt der Dauer von dem der kausalen Entstehung nicht konsequent abgrenzen. Die Materie als solche ist am Dauerhaftesten, kommt am ehesten noch als Kandidat für ein „durch sich selbst existieren“ im Sinne von kausal unabhängigem Dauern in Frage, während einzelne materielle Körper nur wechselnde Zustände der körperlichen Substanz sind. Andererseits ist fraglich, ob Descartes eine kausale Abhängigkeit der geschaffenen Dinge untereinander überhaupt annimmt. In der Literatur wird öfters auf die okkasionalistischen Züge in Descartes’ Theorie der physikalischen Ursachen hingewiesen, wonach Gott die vollständige und alleinige Ursache der Einzeldinge und ihrer Bewegungen ist: Nichts geschieht ohne seinen Willen,37 die Körper bewegen sich nicht aufgrund von Kräften, die sie auf einander ausüben, sondern aufgrund des Handelns Gottes, der sie ständig neu erschafft. Wenn dies Descartes’ Position ist, kann man nicht schließen (wie gerade erwogen), dass die Einzeldinge, weil sie durch anderes als Gott verursacht sind, nicht Substanzen sind.38 Ein solcher Okkasionalismus wäre nicht zufällig; die Annahme der alleinigen Wirksamkeit Gottes passt zu Descartes’ Auffassung, dass die Körper wesentlich nur durch Ausdehnung charakterisiert sind und von sich aus keine Kräfte besitzen, um auf einander einzuwirken. Wenn die Körper nur Materie sind, die in sich keine dynamis, keine wirksamen Formprinzipien besitzt, liegt es nahe, alle Veränderung in der Welt nur als eine Verschiebung von Materieteilen aufzufassen, die Gott bewirkt. Nun lässt sich allerdings den Principia eindeutig die Auffassung entnehmen, dass die Körper aufeinander einwirken, dass einer den anderen fortstößt und seine Bewegung auf ihn überträgt (vgl. Principia II, 42f.) Man kann dies als eine Doppelbödigkeit der Perspektive auffassen, nach der eine physikalische und eine metaphysisch-theologische Betrachtungs36 37 38

Z.B. AT VII, 44. Vgl. Descartes’ Brief an Prinzessin Elisabeth, AT IV, 314. Vgl. Garber 1993 S. 12; Perler 1998 S. 109.

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ebene zu unterscheiden sind, so wie Descartes auch in der Tat von einer „zweifachen“ Ursache der Bewegung spricht (Principia II 36, AT VIII/1, 61). Danach hat Gott die Welt so eingerichtet, dass die Körper vermöge der ihnen mitgeteilten Bewegung aufeinander wirken: Gott ist die allgemeine, gemeinsame Ursache aller Bewegungen in der Welt (er hat die Materie mit einem bestimmten Quantum Bewegung erschaffen, das er erhält), aber er ist – auf der Ebene der „zweiten, besonderen Ursachen“ – nicht jedesmal die besondere Ursache für den Bewegungszustand eines Dinges. Die „zweiten und besonderen Ursachen“ sind Naturgesetze, die Ausdruck der konstanten Wirksamkeit Gottes sind. Nach Descartes gehört es zur Vollkommenheit Gottes, dass er auf feste und unveränderliche Weise wirkt; daher können wir nicht annehmen, dass er auf veränderliche Weise wirkt, außer wo es die klare Erfahrung oder die Offenbarung ergeben. Wir haben aber keine klare Erfahrung oder Offenbarung davon, dass Gott die Bewegungen der Körper jeweils auf besondere Weise bewirkt; also dürfen wir dies nicht annehmen. Gott ist die Ursache nur in dem allgemeinen Sinne, dass er Existenz der Dinge und die Gesamtmenge an Bewegung erhält, aber die besonderen Ursachen sind die Einwirkungen der Körper aufeinander. Die Kraft, mit der ein Körper wirkt, ist seine eigene Trägheit oder sein Streben, in demselben Bewegungszustand zu verharren. In den Principia II, 37-40 (AT VIII/1, 62-65) werden drei solche Gesetze der Körperbewegung formuliert, deren Gehalt in etwa den späteren Newtonschen Bewegungsaxiomen entspricht und die Descartes für ausreichend hält, um alle besonderen Ursachen der Bewegung in der Körperwelt anzugeben; diese Ursachen werden, in einer komplett mechanistischen Physik, auf die Verteilung und Fortpflanzung der ursprünglich bei der Schöpfung vorhandenen Bewegungsenergie durch Druck und Stoß von Körpern zurückgeführt. Gott ist die allgemeine Ursache dieser Kraft in demselben Sinne, wie er durch seinen allgemeinen Beistand die Dinge im Dasein erhält; aber das bedeutet nicht, dass die Körper nicht wirklich Kräfte aufeinander ausüben – in diesem Sinne ist die Ursache der Bewegung von zweierlei Art. Descartes lässt somit in physikalischer Perspektive die Annahme kausaler Krafteinwirkungen zwischen Körpern zu und führt sie nur in metaphysischer Perspektive auf das Wirken Gottes zurück. Wenn dies Letztere aber im Sinne der ständigen Neuschöpfung diskreter Weltzustände zu verstehen ist, dann wirken die Dinge nicht wirklich aufeinander ein, sondern diese Vorstellung umschreibt nur die Regelmäßigkeit des Wirkens Gottes. Wenn Gott die Welt jeden Augenblick neu erschafft, dann muss auch gesagt werden, dass Er – nicht die Dinge untereinander – jeden einzelnen Zustand bewirkt. Die Vorstellungen von Kausalität und Kraft sind unter denselben Vorbehalt zu stellen, mit dem in Bezug auf geschaffene Dinge von Substanzen die Rede ist: Sowenig es Substanzen im strengen Sinne außer Gott gibt, sowenig gibt es Krafteinwirkungen der

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Dinge aufeinander; aber im abgeschwächten Sinne (im physikalischen und im Alltagsdiskurs) kann die Rede von Substanzen und Krafteinwirkungen akzeptiert werden. „A wirkt auf B“ heißt dann genauer, die Bewegung von A geht infolge der regelmäßigen göttlichen Neuerschaffung der Welt auf B über, aber streng genommen gibt es weder A noch B als etwas substantiell Dauerndes noch etwas zwischen ihnen kontinuierlich Übergehendes; der Kraftbegriff ist wie der Bewegungsbegriff gewissermaßen eine Fiktion. Da Descartes ihn trotzdem gebraucht, muss dies als eine Doppelbödigkeit verstanden werden, die der spätere Okkasionalismus (mit seiner Akzentuierung des theologischen Aspekts) nicht mehr akzeptiert hat. Die Deutung der Substantialität als kausale Unabhängigkeit führt also zu der Schwierigkeit, dass im Rahmen eines bloß physikalischen Diskurses konkrete Einzeldinge nicht Substanzen sind, weil sie innerweltliche Ursachen haben, und dass in metaphysisch-theologischer Perspektive sich die Vorstellung von selbständigen und aufeinander einwirkenden Dingen letztlich ganz auflöst. Was in der physikalischen Perspektive übrig bleibt, ist die Gesamtheit der Materie als einzige körperliche Substanz, die es überhaupt gibt. 2. Unabhängigkeit als Nicht-Inhärenz. – Eine andere Möglichkeit, die Unabhängigkeit der Substanz zu verstehen, ist die Deutung als NichtInhärenz in einem Anderen. Substanz ist dann das, was keinem anderen Subjekt inhäriert. Diese Deutung kommt dem traditionellen Verständnis der Substanz als letztem Aussagensubjekt näher und entspricht auch besser Descartes’ Betrachtungen über die wechselseitige Unabhängigkeit von Körper und Seele. Wenn es darum geht, sich selbst als res cogitans klar und deutlich vorzustellen und darin keine essentiell körperlichen Eigenschaften vorzufinden, dann ist der relevante Aspekt weniger ein kausaler, sondern vielmehr der, ob die mentalen Eigenschaften, deren Träger „Ich“ genannt wird, nicht vielleicht doch Eigenschaften eines Zugrundeliegenden sind, das außer den mentalen auch materielle Eigenschaften hat, oder gar ob die mentalen Eigenschaften auf materielle reduzierbar sind, die dann unter Umständen die einzigen essentiellen Attribute einer zugrundeliegenden Substanz sein könnten. Gerade solche monistischen Alternativen werden ja durch Descartes’ These des Substanzendualismus verneint. So gesehen wäre die Deutung der Abhängigkeit als Inhärenz (bzw. die Deutung der Unabhängigkeit als Nicht-Inhärenz oder Subsistenz) die angemessenere Interpretation. Und doch führt sie zu einer befremdlichen Konsequenz: Ist nämlich Gott die einzige Substanz im strikten Sinne, so sind geschaffene Substanzen das, was nur Gott inhäriert und nichts anderem. Dann aber sind alle geschaffenen Substanzen Eigenschaften Gottes, und alles existiert gewissermaßen in Gott. Eine Anwendung der Substanzdefinition in

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Verbindung mit einer Deutung der Abhängigkeit als Inhärenz führt also letztlich zu einer Auffassung, die dem Spinozismus nahekommt.39 3. Unabhängigkeit als Nicht-Zusammengesetztheit. – Oder heißt Substanz das, was nicht von Teilen abhängig (d.h. aus selbständig existierenden Teilen, wie materiellen Atomen, zusammengesetzt) ist? Die Existenz eines zusammengesetzten Dinges ist von der Existenz seiner Teile abhängig, wie etwa die Existenz einer Uhr von der Existenz der Zahnräder, Federn, Schrauben und Gehäuseteile, aus denen sie besteht. Wenn Substanzen unabhängig existierende Entitäten sind, dann können sie nicht aus Teilen zusammengesetzt sein, sondern müssten einfach sein. Nun gibt es nach Descartes materielle Substanzen oder Körper, deren Materie teilbar ist und potentiell unendlich viele Teile hat. Bedeutet das nun, dass materielle Körper nicht Substanzen sind? Die Materie ist nach Descartes nicht aus einfachen Bestandteilen zusammengesetzt, sondern unbegrenzt teilbar, sie hat Kontinuumstruktur (den Atomismus lehnt Descartes ausdrücklich ab).40 Gäbe es Atome als letzte Materiebausteine, so wären sie wohl als die echten materiellen Substanzen anzusehen. Die cartesische Annahme eines Materiekontinuums legt jedoch eine andere Deutung nahe: Substanzen sind nicht materielle Atome, sondern es gibt eine körperliche Substanz, die verschiedene Zustände annehmen und sich beispielsweise auch in Materieteilchen unterschiedlicher Art ausdifferenzieren kann. (Man beachte, wie oft Descartes von „der“ körperlichen Substanz im Singular redet!). Wenn ein Stück Holz gespalten wird, entstehen nicht aus einer Substanz zwei Substanzen, sondern aus einem Stück körperlicher Substanz zwei Stücke derselben Substanz. Das Stück Holz oder ein Stein sind Aggregationen von Materie; körperliche Substanz ist die Materie als Ganze. Ihr konstitutives Merkmal – die Ausdehnung – ist überall gleich,41 sogar im sogenannten leeren Raum, der nach Descartes’ Auffassung immer nur ein relativ leerer sein kann und in Wahrheit stets von irgendetwas Körperlichem erfüllt ist.42 Das Problem der Unabhängigkeit verwandelt sich im Bereich der körperlichen Substanz in ein anderes, nämlich das Problem der Individuation. Identität und Vielheit der Substanzen: Wieviele gibt es? Offensichtlich ist, dass Descartes zwischen denkenden und ausgedehnten Substanzen unterscheidet, aber wie steht es mit der Einheit und Vielheit in jedem dieser Bereiche? Wie lassen sich jeweils mehrere körperliche oder 39 40 41

Vgl. Secada (2000), S. 187. Siehe Principia II 20, AT VIII/1, 51. Vgl. Principia II 23, AT VIII/1, 52: “In der ganzen Welt gibt es also nur ein und dieselbe Materie, die daran erkannt wird, dass sie ausgedehnt ist.” 42 Vgl. Principia II, 16-20.

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geistige Substanzen voneinander unterscheiden, welche Kriterien für Identität und Unterschiedenheit gibt es bei Substanzen desselben Attributs? Einerseits erkennt Descartes materielle Einzeldinge wie z.B. einen Stein oder ein Kleid als Substanzen an43 und meint sogar, dass es von der Betrachtungsweise abhängt, ob ein Ding eine vollständige oder unvollständige Substanz ist: So ist z.B. eine Hand eine vollständige Substanz, wenn sie für sich betrachtet wird, aber eine unvollständige, wenn sie auf den ganzen Körper bezogen wird.44 Substanzen wären also Einzeldinge: Körper oder auch Teile von Körpern, sofern sie für sich betrachtet werden, während auch das Ganze aus solchen Teilen Substanz genannt werden kann. Andererseits vertritt Descartes (wie schon erwähnt) die Auffassung, dass das wesentliche Attribut der Materie, nämlich die Ausdehnung, im ganzen Universum dasselbe ist und dass es somit nur eine ausgedehnte Materie gibt. Diese wiederum hat mit dem Raum das einzige wesentliche Attribut der Ausdehnung gemeinsam;45 ein leerer Raum existiert nicht, denn wenn in ihm gar nichts wäre, müsste das Attribut „ausgedehnt“ einem Nichts zukommen (etwas, was nicht existiert, müsste ausgedehnt sein). Es ist aber unmöglich, dass das Nichts (etwas, was nicht existiert) ausgedehnt ist. Wo also ein Raum ist, da muss auch ausgedehnte Substanz in ihm sein, die in dem einen für sie wesentlichen Attribut, ausgedehnt zu sein, überall gleich ist.46 Diese Gleichheit alles Körperlichen bzw. Räumlichen hinsichtlich des einen konstitutiven Attributs legt wiederum die Annahme nahe, dass es im strengen Sinne nur eine einzige körperliche Substanz gibt. Steine und Kleider wären dann nur abgrenzbare Teile oder Modi der Räumlichkeit und somit der einen körperlichen Substanz, die überhaupt existiert. Descartes hat jedoch diese These der substantiellen (nicht nur attributiven) Identität alles Ausgedehnten nicht explizit vertreten. Falls er sie ablehnen wollte, womit könnte er sie zurückweisen? Verfügt er über Kriterien der substantiellen Verschiedenheit materieller Dinge, die der Identitätsthese widersprechen? Die Frage nach der realen Einheit und Vielheit der Dinge kann als eine Frage nach der Realität der Zahlbegriffe aufgefasst werden. Descartes unterscheidet in Principia I, 58-60 zwischen Zahlen, insofern sie nur an sich selbst (als Gattung) betrachtet werden, und Zahlen in den Dingen selbst. Die ersteren sind nur gedankliche Operationen (so wie alle Universalien), die letzteren werden durch die realen Unterschiede gebildet, deren Kriterium die klare und distinkte (getrennte) Vorstellbarkeit einer 43

Vgl. Dritte Meditation, AT VII, 44; Bemerkungen zu dem Programm von Regius, AT VIII/2, 351. 44 Vgl. Meditationen, Antwort des Verfassers auf die vierten Einwände, AT VII, 222f. 45 Vgl. Principia II 11, AT VIII/1, 46. 46 Vgl. Principia II 16, AT VIII/1, 49f.

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Sache ist. Demnach muss dasselbe Kriterium, mit dem – wie oben dargelegt – die körperliche und die geistige Substanz unterschieden werden, auch für die Unterscheidung mehrerer körperlicher oder mehrerer geistiger Substanzen gelten. Substanzen sind unterscheidbar und identifizierbar, wenn sie klar und distinkt vorgestellt werden können. Sie sind somit Korrelate klarer und distinkter Ideen. Körperliche Substanzen sind, wenn wir Descartes’ Beispielen folgen, Einzeldinge wie ein Stein, ein Baum, ein Haus. Wäre es nun möglich, z.B. die Idee eines Baumes ohne die Idee eines Hauses klar und deutlich zu denken, dann würde man damit Baum und Haus als real verschieden und jedes für sich als materielle Substanz erweisen können: Eins kann ohne das andere sein, also sind es zwei Substanzen. Dies würde einer traditionellen (aristotelischen) Auffassung der Substanz als Einzelding von einer bestimmten Natur entsprechen. Anders als im Aristotelismus haben jedoch bei Descartes die Ideen von Haus und Baum keine realen, die Existenz und Beschaffenheit der Gegenstände erklärenden Formprinzipien als Korrelate. Zwar nimmt auch Descartes Wesenheiten (Begriffe von wahren Naturen) an, die wir im Denken erfassen: Begriffe von wirklichen oder möglichen Wesen.47 Diese Begriffe aber sind Gattungsbegriffe, Universalien, und als solche Produkte des Denkens;48 in der materiellen Welt besitzen sie keine explanatorische Kraft. Was den materiellen Körpern ihre Gestalt gibt, ist in Descartes’ Naturphilosophie nicht essentialistisch durch Bezug auf formgebende Wesenheiten, sondern ausschließlich mechanistisch durch Druck und Stoß bewegter Materie zu erklären. Körper sind Materieagglomerate, ihre Einheit wird durch den Zusammenhang der Bewegungszustände von Materieteilen definiert. Bewegung ist nach Descartes Überführung eines Teils der Materie oder eines Körpers aus der Nachbarschaft der ihn umgebenden, ruhenden Körper in die Nachbarschaft anderer, und die Einheit eines Körpers besteht nur in der räumlichen Nachbarschaft oder Gemeinschaft von Materieteilen, die an demselben Bewegungsvorgang teilhaben, gemäß der folgenden Definition:

47

Siehe z.B. Fünfte Meditation u. Erste Erwiderungen, AT VII, 63-71. Die Rede von „wahren und unveränderlichen Naturen“ als Korrelate klarer und deutlicher Ideen bezieht sich hier primär auf Gott und auf mathematische Objekte wie z.B. Dreieck, Kreis, Quadrat; für die Ideen von Löwe und Pferd wird zwar unterstellt, dass es sie gibt, aber sie werden ausdrücklich nicht näher erörtert, „weil deren Naturen nicht völlig durchsichtig sind“ (AT VII, 117). Die essentialistische Ontologie wird nominell noch beibehalten, besitzt aber für die Erklärung der materiellen Dinge keine wirkliche Funktion mehr, da deren Ideen bis auf die räumlichen Eigenschaften konfus sind. 48 Principia I 59, AT VIII/1, 27.

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„Ich verstehe hier unter einem Körper oder einem Teile der Materie alles das, was gleichzeitig übergeführt wird, wenn es auch aus vielen Teilen besteht, die untereinander andere Bewegungen haben.“49

Wie sich die Materieteile bewegen, ist aber durch die Prinzipien der Mechanik festgelegt. Andere Bewegungsgesetze als diese und andere Begriffe als Gestalt, Größe, Bewegung erkennt Descartes für die Naturerklärung nicht an, „weil alle anderen Begriffe, die wir von den sinnlichen Dingen haben, da sie verworren und dunkel sind, uns nicht dazu dienen können, uns die Erkenntnis irgendeiner Sache außer uns zu geben, vielmehr eine solche nur zu hindern vermögen.“50 Der letzte Satz deutet auch an, dass die wahrnehmbaren Einzeldinge hinsichtlich alles dessen, was über ihre geometrischen und kinematischen Eigenschaften hinausgeht, eben nicht klar und deutlich vorgestellt werden können (obwohl Descartes dies in dem Beweis des Substanzendualismus vom Körper behauptet). Es scheint also, dass Descartes’ Rede von materiellen Einzeldingen als Substanzen nur eine uneigentliche, traditionalistische façon de parler ist, die als selbständiger explanatorischer Faktor in der cartesischen Ontologie nicht mehr unterzubringen ist; diese läuft vielmehr auf die Annahme einer einzigen körperlichen Substanz hinaus, die nur noch Materie ist mit nur einem substantiellen Attribut, der Ausdehnung. Die Körper unterscheiden sich zwar durch verschiedene Modi der Ausdehnung wie Gestalt, Lage, Größe, Bewegung; aber dieser Unterschied kann (nach Descartes’ eigener Systematik) als ein nur modaler, nicht realer oder substantieller Unterschied interpretiert werden. Hinsichtlich der Geister scheint die substantielle Vielheit eher auf der Hand zu liegen, denn dass es Vielheiten denkender Substanzen gibt, ist in Anbetracht der Einheit und Abgeschlossenheit, mit der jedes denkende Wesen sich selbst auffasst, eine gleichsam natürliche Annahme. Geister oder Subjekte mentaler Eigenschaften sind als solche unräumlich und immateriell, sie erscheinen als einfach, nicht teilbar, anders als die Materie – nicht als Kontinuum, sondern als diskrete Einheiten. Wenn bei Descartes eine einzelne Seele als unsterbliches Wesen gedacht werden soll, muss sie auch eine Substanz sein; denn als bloßer Zustand eines anderen könnte sie zugrunde gehen, wenn dieses Andere seinen Zustand wechselt. Descartes’ Beweis für die Unabhängigkeit der geistigen von der körperlichen Substanz kann zugleich als ein Argument für die Selbständigkeit eines einzelnen denkenden Wesens aufgefasst werden. Wenn es möglich ist, von sich selbst als denkendem Ding eine klare und deutliche Idee zu gewinnen, was auch bedeutet: die Idee eines vollständigen Dinges, das zu seiner Existenz keines anderen (außer Gott) 49 50

Principia II 25, AT VIII/1, 53f. Principia IV 203, Zusatz zur franz. Übersetzung, AT IX, 321.

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bedarf, dann muss das auch heißen, sich selbst als von anderen denkenden Wesen real verschiedenes Wesen aufzufassen. Dieses Argument ist aber mit denselben Problemen wie der Beweis des Substanzendualismus behaftet, denn es bleiben die Fragen bestehen, ob ich mich selbst im Denken mit der Vollständigkeit erfassen kann, die für die klare und distinkte Idee eines rein geistigen Ich erforderlich ist, und wenn ja, ob sich daraus der Schluss auf die reale ontische Unabhängigkeit dieses Ich ziehen lässt. Das Problem der Individuation der Geister stellt sich für Descartes nicht in gleichem Maße wie das der Individuation der materiellen Dinge. Von der Vorstellung der Einzigkeit der res cogitans, von der Annahme einer überindividuellen, universellen Geistsubstanz, an der die Einzelseelen nur als deren Modifikationen teilhaben, ist er viel weiter entfernt als im analogen Fall im Bereich der res extensa. Erst später im Cartesianismus, nämlich von Malebranche, werden die endlichen Geister als Modifikationen einer überindividuellen Geistigkeit gedacht, der raison universelle als ein Attribut Gottes, an der wir teilhaben und durch die wir „alle Dinge in Gott schauen“.51 Den letzten Schritt auf diesem Weg geht dann Spinoza, für den die beiden Attribute Denken und Ausdehnung nicht mehr zwei voneinander getrennte Klassen endlicher Substanzen definieren, sondern nur noch zwei von unendlich vielen Attributen der einen, unendlichen Substanz (Gott) darstellen.52 Resümee Descartes’ Substanzbegriff ist nicht wie im Aristotelismus ein Begriff von natürlichen Arten oder überhaupt von Arten, sondern von Einzeldingen, die trotzdem nur noch unter einem höchsten, gattungskonstitutiven Attribut begriffen werden – und dies so, dass dieses Attribut zum vorherrschenden Signum der Substanz wird und zumindest im Bereich der Materie den Aspekt des Einzeldings überdeckt. Auch als Begriff von Einzeldingen ist es also nicht das aristotelische ‚ein Dieses von der Art‘ (wie ‚dieser Mensch‘ oder ‚was es ist, dieser Mensch zu sein‘). Der primäre Aspekt ist die ontische Selbständigkeit, aber gerade sie droht sich für die materiellen Einzeldinge unter der Betonung der generischen Einheit des Ausgedehnten zu verlieren. Die Scholastik von Thomas bis Suarez ist vom aristotelischen Hylemorphismus beherrscht: Die Substanz (als Ding von einer Art) ist aus 51

N. Malebranche, De la Recherche de la Vérité, III, 6 (Œuvres complètes, hg. v. A. Robinet, Paris 1962ff., Bd. I, 437-447); Entretiens sur la Métaphysique et sur la Religion, I, 10 (Œuvres compl. Bd. XII, 46). 52 B. Spinoza, Ethica ordine geometrica demonstrata, Pars I, Propositio XIV u. Corollarien (Spinoza Opera, hg. v. C. Gerhard, Heidelberg o.J., Bd. II, 56).

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Form und Materie zusammengesetzt, es gibt immer ein materielles Substrat, das nicht auf Form reduzierbar und daher nicht erkennbar ist. Diese Zusammensetzung der Substanz aus Materie und Form spielt bei Descartes keine Rolle mehr, der substantiellen Form wird kein explanatorischer Wert mehr zuerkannt, sie scheidet als obskur aus der physikalischen Erklärung aus, die vielmehr, vermittelt über das wesentliche Attribut der Ausdehnung, vollständig mathematisiert werden soll. Auch das Merkmal der Dauer oder Beharrung steht bei dieser Substanzkonzeption nicht im Vordergrund (wie etwa in Kants Erster Analogie der Erfahrung). Descartes bleibt zwar an die Vorstellung von der Substanz als existierender individueller Wesenheit gebunden, aber die Merkmale seiner beiden Substanzdefinitionen machen es schwierig, konkrete Einzeldinge überhaupt noch als Substanzen aufzufassen. Die Konzeptionen von Substanz als Subjekt von Eigenschaften und Substanz als ursachlos Existierendem bereiten dem Spinozismus einerseits, dem Okkasionalismus andererseits die Bahn. Primärtexte Descartes; René: Oeuvres de Descartes, hg. Ch. Adam und P. Tannery, 11 Bde., Neudr. Paris 1982-91 [= AT]. –: Regeln zur Ausrichtung der Erkenntniskraft, übers. v. H. Springmeier, L. Gäbe und H. G. Zekl, Hamburg 1973. –: Discours de la Méthode/Von der Methode des richtigen Vernunftgebrauchs, französisch-deutsch, übers. v. L. Gäbe, Hamburg 1969. –: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie mit sämtlichen Einwänden und Erwiderungen, übers. u. hg. von A. Buchenau. Hamburg 1915 (u. Nachdr.). –: Die Prinzipien der Philosophie. Lateinisch-Deutsch. Übers. u. hg. von Christian Wohlers. Hamburg 2005. Literatur Beckermann, Ansgar : Descartes’ metaphysischer Beweis für den Dualismus, Freiburg u. München 1986. Beyssade, Jean-Marie : La théorie Cartésienne de la substance, Equivocité ou analogie? Revue international de Philosophie 50 (1996), S. 51-72. Garber, Daniel : Descartes and Occasionalism. In : Nadler, S. (Hg.) : Causation in Early Modern Philosophy. University Park, Pennsylvania 1993, S. 9-26.

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Marion, Jean-Luc : A propos de Suárez et Descartes. Revue internationale de Philosophie 50 (1996), S. 109-131. Perler, Dominik : René Descartes. München 1998. Schütt, Hans-Peter : Substanzen, Subjekte und Personen, Eine Studie zum Cartesischen Dualismus. Heidelberg 1990. Secada, Jorge : Cartesian Metaphysics. The Late Scholastic Origins of Modern Philosophy. Cambridge 2000.

Konrad Cramer: Gedanken über Spinozas Lehre von der All-Einheit* Solange spekulatives Denken und seine Geschichte unter den Bedingungen einer fortschreitenden planetarischen Weltkultur und den für ihre Uniformität charakteristischen Reduktionismen noch wahrgenommen werden wird, solange wird der Auftritt der mit dem Namen Spinozas verbundenen Metaphysik als ein im ursprünglichen Sinne des Wortes merkwürdiges Ereignis innerhalb der Ausbildung der Bewußtseinsstellung der europäischen Neuzeit angesehen werden müssen. Das Merkwürdige an dem, was man bald nach Spinozas Tod den „Spinozismus“ zu nennen begann, ist nun ganz dadurch bezeichnet, daß diese Lehre den Gedanken der All-Einheit unter genau denjenigen Voraussetzungen erneuert hat, die der Begründer der neuzeitlichen europäischen Rationalität, Descartes, seinen Nachfolgern und Kritikern als nicht-revidierbare Grundsätze vernünftiger Vergewisserung über das, was ist und erkannt werden kann, als Erbe hinterlassen hat. Dies Erbe zu verwalten, hat für Spinoza bedeutet, den Inhalt der cartesischen Metaphysik aus Gründen zu verwerfen, die sich aus ihrer internen Verfassung selber erheben lassen. Diese These soll hier nicht näher begründet werden. Sie dient nur dazu, von vornherein darauf aufmerksam zu machen, daß Spinozas Erneuerung der Lehre von der All-Einheit nicht die Wiedergewinnung dessen sein konnte, was D. Henrich ihren „archaischen“ Ausgang genannt hat. Zwar ist dieser Ausgang an die Reflexion auf eine Grunderfahrung gebunden, die Erfahrung nämlich, daß die Vielfalt des Wirklichen insgesamt den einen Bereich dessen, was ist, ausmacht, dies aber gerade so, daß keines der Vielen für das Bestehen und die Verfassung dieses einen Bereichs einstehen kann. Wenn aber die Einheit des Bereichs, in dem die Vielen als Viele allein das sind, was sie sind, nicht aus den Unterschieden begreifbar ist, die den Vielen zukommen, und doch die Vielen als Unterschiedene nur in diesem einen Bereich das sind, was sie sind, folglich ihr Unterschiedensein auch nicht aus der Tatsache begriffen werden kann, daß sie Unterschiedene sind, dann ergibt sich ein zwiefältiger Gedanke, der den uns bekannten Anfang des Philosophierens bestimmt hat: Einmal, daß die unterschiedenen Vielen ,in Wahrheit’ gar nicht wirklich Viele, sondern nur

*Ursprünglich

veröffentlicht in: All-Einheit. Wege eines Gedankens in Ost und West. Herausgegeben von Dieter Henrich, Stuttgart: Klett-Cotta 1985, S. 151-180.

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Eines sind, zweitens aber der davon wohl zu unterscheidende Gedanke, daß das Viele ,in Wahrheit’ überhaupt nicht ist, sondern nur Schein ist1. Spinozas Neubegründung des Gedankens der All-Einheit ist diesen Alternativen auf fundamentale Weise entgegengesetzt. Es war seine Grundüberzeugung, daß weder die Position, die erklärt, daß das Viele insgesamt nur Eines ist, noch diejenige Position, die das Viele gegenüber dem Einen zu bloßem Schein herabstuft, irgendein angebbares Maß an phänomenaler Plausibilität besitzt. In genau dem Maße, in dem dies nicht der Fall ist, besitzen diese Positionen auch keine erklärende Kraft. Aus dieser Grundüberzeugung ergeben sich eine Reihe von systematischen Gesichtspunkten, denen eine All-Einheitslehre genügen muß, die von der Form vernünftiger Einsicht sein können soll. Diese den „Spinozismus“ definierenden Gesichtspunkte sollen eingangs benannt werden. I Eine All-Einheitslehre, die die Chance haben können soll, anderen Formen von philosophischer Letztbegründung, die in der Tradition des Denkens aufgetreten sind, gewachsen zu sein, muß – erstens Eines mit Bezug auf das Viele und damit einen Unterschied zwischen dem Einen und den Vielen denken. Sie darf aber in der Artikulation des Gedankens von der Bestimmtheit dieses Unterschieds diesen Unterschied nicht zum Verschwinden bringen, sei es so, daß sie das zweite Glied dieses Unterschieds im ersten einfach aufhebt, oder so, daß sie das zweite Glied zum Schein herabstuft. Der Gedanke des Einen muß vielmehr seine interne Rationalität gerade dadurch bewähren, daß die Entfaltung der Momente seiner eigenen Bestimmtheit das Viele als Vieles begreifbar werden läßt. Sie muß – zweitens das Eine als das Eine oder als Einziges denken. Dächte sie nämlich das Eine nicht als Einziges, sondern nur als Eines, könnte sie nicht ausschließen, daß das von ihr gedachte Eine etwas unter möglichem oder wirklichem anderen ist. Wäre das Eine aber so gefaßt, daß der Gedanke nicht auszuschließen ist, es sei eines unter anderen, dann wäre das Eine selber als etwas von der ontologischen Bestimmtheit dessen gedacht, was Element der Klasse des möglichen oder wirklichen Vielen ist. Was immer aber Element der Klasse des möglichen oder wirklichen Vielen ist, ist etwas Einzelnes unter möglichen oder wirklichen anderen Einzelnen. Denn es scheint unsere Rede von dem Vielen zu definieren, daß wir unter Vielem etwas und noch etwas gleicher oder ungleicher Art verstehen und dabei eine Voraussetzung unserer naturwüchsigen Ontologie ins Spiel 1

D. Henrich: Dunkelheit und Vergewisserung. In: Derselbe (Hg.): AllEinheit (s. Fn. 1). S. 33 f., insbes. 37.

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bringen, die vorsieht, daß der Ausdruck ,etwas und noch etwas (anderes)’ seine primäre Interpretation in der Form ,etwas Einzelnes und noch etwas (anderes) Einzelnes’ hat. So kann das Eine, wenn anders das Viele aus ihm begreifbar sein soll, nicht nach dem Modell der Ontologie der Einzeldinge gedacht werden. Denn es ist gerade diese Ontologie selber, deren naturwüchsige Wirksamkeit für alle unsere Welt- und Selbstorientierung im Rückgang auf das Eine zu einem letztbegründeten Verständnis kommen soll. Sie muß – drittens den Nachweis erbringen, daß der Gedanke von Einem, das nicht eines unter möglichen oder wirklichen anderen ist, dem Vielen wirklich in der durch (1) und (2) vorgeschriebenen Form entgegengesetzt werden kann. Und sie muß eben damit – viertens verstehbar werden lassen, daß und wie das Viele zu dem Einzig-Einen so in Beziehung steht, daß in der näheren Bestimmung dieser Beziehung zwingend von einer All-Einheit zu sprechen ist. Es ist nämlich durchaus nicht so, daß die Erfüllung der Forderungen (1)-(3) ohne weiteres zu derjenigen Gestalt von Metaphysik führt, die durch den Begriff der All-Einheit als ihren Grundbegriff charakterisiert ist. Man muß sich nur vor Augen halten, daß die Tradition des jüdischen Denkens, in der Spinoza erzogen wurde, und die Tradition des christlichen Denkens, die er früh zur Kenntnis genommen hat, diesen Forderungen nachzukommen versuchen, ohne die Konsequenz zu ziehen, daß die einzig angemessene Form einer Metaphysik als Letztbegründung eine Metaphysik der AllEinheit sein müsse. Beide Traditionen kommen darin überein, daß auch sie den Inbegriff des Vielen, das heißt alles, was eines unter anderem ist, näher aber auch noch den einen Bereich, innerhalb dessen etwas eines unter anderem ist und der selber nicht eines unter anderem ist, auf ein EinzigEines beziehen, aus dem die Existenz dieses Bereichs und alles, was in ihm ist, begriffen werden können soll. Der systematische Ort solcher Versuche grundlegenden Begreifens ist die natürliche Theologie beider Traditionen. Diese Theologie sieht jedoch, sofern sie nicht schon in ihrem Ansatz latent oder patent häretisch ist, ein ganz anderes Verhältnis zwischen dem Einzig-Einen und dem vor, was aus ihm letztbegründend begriffen werden soll, als das der All-Einheit. Ihr Einzig-Eines ist Gott. Aber dieser Gott ist wesentlich außer dem Vielen und dem Bereich, in dem Vieles als Vieles erscheint, – der Welt. Sein Wesen und seine Existenz hängen in keiner Weise von der Existenz einer Welt und dessen, was in ihr ist, ab. Entsprechend ist die Welt und das Viel von Einzelnem in ihr außer Gott, gerade nicht in dem Einzig-Einen. Denn die Existenz der Welt hat ihre Ursache in Gott, jedoch gerade so, daß Gott, indem er die Welt ins Dasein bringt, etwas von sich Verschiedenes außer sich sein läßt. So ergibt sich für Spinoza als zentrale Aufgabe der Begründung der Position der All-Einheit gegenüber der jüdisch-christlichen Grundüberzeugung von der Transzen-

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denz Gottes gegenüber der Welt, die ursprünglich ist, und der Transzendenz der Welt gegenüber Gott, die Folge seines freien Schöpfungsaktes ist, der Nachweis, daß die Existenz der Welt (oder einer Welt) und des Vielen in ihr nicht nur nicht letztbegründet, sondern überhaupt nicht begriffen werden kann, wenn man sich nicht dazu entschließt, dieses von der Tradition vorgesehene gedoppelte Verhältnis der Transzendenz von Gott und Welt, von Einzig-Einem und Vielem, in ein einsinniges Verhältnis der Immanenz des Vielen und seiner Ordnungsprinzipien in dem Einzig-Einen zu verwandeln. Nicht der zweite Halbsatz von Lehrsatz XV des ersten Buchs der Ethica Ordine Geometrico demonstrata: „Nichts kann ohne Gott sein und nichts kann ohne Gott begriffen werden“ war für Spinozas Zeitgenossen und viele der Späteren bedenkenerregend. Der in diesem Satz ausgesprochene Gedanke ist für alle jüdisch-christliche Theologia Naturalis mit Einschluß noch der cartesischen selber unausweichlich. Was unerträglich erschien und alsbald die Bezeichnung einer ,ungeheuerlichen Lehrmeinung’ erhielt, war die Behauptung des ersten Halbsatzes dieses Lehrsatzes: „Was auch immer ist, ist in Gott.“2 Der komplexe Gedankengang, den Spinoza für die Begründung dieser Behauptung einschlägt, soll Forderung (4) realisieren – und eben damit auch die Forderungen (1)-(3). Im Folgenden soll dieser Gedankengang nicht auf dem Hintergrund des vollen Umfangs der textexegetischen und logischen Probleme, die sich mit ihm verbinden, analysiert werden. Von dem, was man den Geist des Spinozismus nennen darf, läßt sich auch auf andere und den Zwecken unseres Gesprächs über das philosophische Denken im Osten und im Westen dienlichere Weise etwas mitteilen. II Die These, daß alles, was ist, in Gott ist, kann als die Grundthese einer panentheistischen Ontologie bezeichnet werden. Ihre Überzeugungskraft hängt ganz und gar von der Begründbarkeit einer ihr gegenüber formaleren These ab, nämlich der These vom Monismus der Substanz. Definition III von Ethik I definiert den Begriff der Substanz folgendermaßen: „Unter Substanz verstehe ich das, was in sich ist und durch sich begriffen wird, das heißt das, dessen Begriff nicht des Begriffs eines anderen Dinges bedarf, durch den er gebildet werden müßte.“3 2

Ethica I, Prop. XV: Quicquid est, in Deo est, et nihil sine Deo esse, neque concipi potest. 3 Ethica I, Def. III: Per substantiam intelligo id, quod in se est, et per se concipitur: hoc est id, cuius conceptus non indiget conceptu alterius rei, a quo formari debeat.

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Viele Interpreten der spinozanischen Ontologie sind der Auffassung gewesen, daß aus dieser Definition des Begriffs der Substanz der den Spinozismus kennzeichnende Monismus der Substanz ohne weiteres folgt: Was so bestimmt sein soll, daß es schlechthin ,in sich’, das heißt weder in oder an oder durch etwas anderes ist, und schlechthin ,durch sich’, das heißt weder durch noch in irgendeiner anderen Relation auf etwas anderes begriffen wird, kann nur Eines und nicht etwas unter möglichen oder wirklichen Anderen gleicher Bestimmtheit sein. So ergab sich für die Gegner des Spinozismus – wie für Leibniz –, daß dessen Prinzip unzulässigerweise in die Definition gesetzt sei, für die Verteidiger seines Grundgedankens – wie für Hegel –, daß der auf der Grundlage der Definitorik und des Axiomensystems von Ethik I versuchte Beweis der Einzigkeit einer Entität, die der Definition des Begriffs der Substanz genügt, bloß mühselige und unnütze Quälerei sei4. Nichts verkennt jedoch Spinozas eigenes methodisches Bewußtsein von der Beweislast, welche die Wiedergewinnung der Position der All-Einheit auf sich zu nehmen hat, mehr, als diese oder jene Auffassung. Es kann keine Rede davon sein, daß der Monismus der Substanz nach Spinozas eigener Überzeugung aus seiner Definition des Begriffs der Substanz folgt. Und diese negative Überzeugung ist der Sache nach auch völlig richtig. Dies wird deutlich, wenn man die Konnotationen der Definitionsstücke der spinozanischen Substanzdefinition näher betrachtet. In ihnen ist in dem Terminus ,was in sich ist’ eine ontologische, in dem Terminus ,was durch sich begriffen wird’ eine logische und näher eine semantische Kennzeichnung angegeben. Der Terminus ,was in sich ist’ hat zunächst seine faßlichste Interpretation in dem negativen Terminus ,was nicht in (oder an) etwas anderem ist’. Die so interpretierte ontologische Kennzeichnung allein hebt den Substanzbegriff Spinozas von dem traditionellen, auf die Metaphysik des Aristoteles zurückgehenden Substanzbegriff jedoch noch nicht ab. Der Substanzbegriff des Aristotelismus steht aber als Begriff einer Ontologie der Einzeldinge in einer Perspektive, die eine Vielheit von solchem nicht nur zuläßt, sondern sogar fordert, was so bestimmt ist, daß es nicht in oder an etwas (anderem als es selbst) ist, sondern genau das ist, in oder an dem etwas (anderes als es selbst) ist. So läßt sich im bloßen Rekurs auf die ontologische Kennzeichnung des Insichseins der Gedanke der Triftigkeit einer unbestimmt großen Vielheit der Verwirklichung von Verhältnissen, die jeweils der ontologischen Form der Relation von ,Substanz und Akzidens’ unterstehen, nicht ausschließen. Es besteht aber auch kein Grund, aus dieser Kennzeichnung zu schließen, daß eine Entität, die ihr genügt, eben deshalb nicht ,durch’ etwas anderes sein kann. Was 4

Vgl. hierzu meine Arbeit: Eine kritische Bemerkung zu Hegels SpinozaInterpretation. In: Lo Spinozismo Ieri e Oggi. Archivio di Filosofia. Ed. M. Olivetti, Padova 1978, S. 259ff.

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nicht in oder an etwas anderem sein kann, kann sehr wohl ,durch’ etwas anderes sein, nämlich als das, was es ist, durch etwas anderes verursacht sein. Auch diese Konnotation des traditionellen Substanzbegriffs, den noch Descartes für seine beiden Klassen von geschaffenen Substanzen, die ,res cogitans’ und die ,res extensa’, aufrechterhalten hatte, wird durch die ontologische Kennzeichnung des Insichseins nicht ausgeschlossen. Und so kann aus dieser Kennzeichnung auf die Einzigkeit der Substanz durchaus nicht geschlossen werden. Die Auffassung, daß der den Spinozismus kennzeichnende Monismus der Substanz bereits aus Spinozas Definition des Begriffs der Substanz folgt, müßte daher an die logische Kennzeichnung des Durchsichbegriffenwerdens anschließen können. Dasjenige, was schlechterdings nur durch sich, mithin in keiner Weise unter der Bedingung einer Relation zu etwas anderem begriffen wird, kann eben deswegen – so lautet nun das Argument – nicht eines unter anderen, mithin auch keine Substanz unter anderen möglichen oder wirklichen Substanzen sein. Wenn schlechthinniges Durchsichbegriffenwerden Kennzeichen dessen ist, was Substanz genannt wird, dann kann es, wenn es so etwas gibt, was diese Kennzeichnung erfüllt, nur ein einziges Exemplar geben, auf das diese Kennzeichnung zutrifft. Denn die Annahme einer Vielheit von Entitäten, welche diese Kennzeichnung erfüllen, impliziert die Annahme von so etwas wie einem Ordnungssystem, in dem die Vielen koexistieren oder aufeinander folgen. Ein solches Ordnungssystem kann aber nicht dadurch begriffen werden, daß es als Moment des Durchsichbegriffenwerdens einer oder einer anderen Substanz aufgefaßt wird. Denn für diesen Fall würde diejenige Substanz, die dadurch mit einer anderen Substanz koexistiert oder ihr sukzediert, daß das Ordnungssystem der Koexistenz oder Sukzession Moment des Durchsichbegriffenwerdens der anderen Substanz ist, gerade nicht durch sich, sondern durch ihre Relation zu der anderen Substanz begriffen, und zwar näher so, daß diese Relation ihren Grund im Durchsichbegriffenwerden der anderen Substanz besitzt. Die eine Substanz wäre daher keine Substanz. Denn sie wird nicht durch sich begriffen. So zerstört sich die Annahme einer Vielheit spinozanisch definierter Substanzen, weil der bloße Gedanke einer solchen Vielzahl mit dem definitorischen Merkmal des Durchsichbegriffenwerdens unverträglich ist. Nimmt man aber an, daß das Ordnungssystem der Koexistenz oder Sukzession der Substanzen diesen selber vorgängig ist, ergibt sich dasselbe: Keine der Substanzen könnte dann durch sich begriffen werden, sondern müßte mit Bezug auf dieses Ordnungssystem begriffen werden, das ihnen vorgängig ist. Es läßt sich zeigen, daß dieser formale und so auch bestechende Gedanke an den Konnotationen, die Spinoza selber mit dem Terminus des Durchsichbegriffenwerdens verbunden hat, keinen Anhalt hat. Spinozas eigene Interpretation der Bedeutung des Terminus ,Durchsich-

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begriffenwerden’ lautet, daß genau dasjenige durch sich begriffen wird, dessen Begriff nicht des Begriffs eines anderen Dinges bedarf, durch den er gebildet werden müßte. Diese logische Kennzeichnung fordert von einer Substanz, daß der Begriff, mit dessen Hilfe bestimmt wird, was eine Substanz ihrem Inhalt nach ist, kein Begriff sein darf, der nur unter der Bedingung der Verfügung über einen anderen Begriff gebildet werden kann, der seinerseits einen bestimmten Inhalt anzeigt. Der in Frage stehende Begriff ist nun nicht der Begriff ,Substanz’ selber. Denn der Begriff ,Substanz’ gibt keinen Inhalt an, dessen begriffliche Fassung der Bedingung genügt, ohne Rekurs auf einen anderen Begriff gebildet werden zu müssen, der der Begriff von etwas anderem und damit ein seinem logischen Inhalt nach anderer Begriff ist. Das liegt einfach daran, daß der Begriff ,Substanz’ überhaupt kein Begriff ist, der uns sagt, was eine Substanz ihrem Inhalt nach ist. Um eine Substanz als eine Substanz identifizieren zu können, muß vielmehr ein von dem Begriff ,Substanz’ unterschiedener Begriff aufgefunden werden können, der inhaltliche oder deskriptive Kraft hat, dies aber so, daß sein logischer Inhalt nicht von dem logischen Inhalt eines anderen Begriffs abhängt, der seinerseits deskriptive Kraft hat. Nun hängt aber jeder deskriptive Begriff, der der Begriff einer Art ist, von der deskriptiven Kraft des logischen Inhalts des Begriffs der Gattung ab, der als Teil der Bedeutung des Begriffs der Art in diesen eingeht. Kein Artbegriff kann daher so gebildet werden, daß er als Begriff der logischen Bedingung des Durchsichbegriffenwerdens genügt. Sofern nun nicht der Begriff der Substanz, sondern der Begriff von einer Substanz ein deskriptiver Begriff sein muß, der durch sich begriffen wird, kann ein solcher Begriff nicht der Begriff einer Art, sondern nur ein Begriff sein, der logisch betrachtet der Begriff einer höchsten Gattung ist, aber einer solchen, die noch deskriptive Funktion im Ganzen unseres Begriffsrepertoires besitzt. Begriffe von höchsten Gattungen mit deskriptiver Funktion wären genau solche Begriffe, die keine anderen deskriptiven Begriffe voraussetzen, um gebildet werden zu können. So folgt aus dem zweiten Definitionsstück von Spinozas Definition des Begriffs der Substanz zunächst nicht mehr als folgende Anweisung: Suche Begriffe auf, die sich nicht mehr als logische Arten von logischen Gattungen interpretieren lassen, aber noch deskriptive Kraft besitzen, dann hast du Begriffe, die als Begriffe nur durch sich begriffen werden können. Solche Begriffe und keine anderen Begriffe sind Begriffe von Substanzen5. Es ist offensichtlich, daß diese semantische Forderung einen radikalen Bruch mit den Überzeugungen einer Logik vollzieht, die Komplement der 5

Ich habe diese Interpretation des Definitionsstücks des Durchsichbegriffenwerdens näher zu begründen versucht in meiner Arbeit: Kritische Bemerkungen über einige Formen der Spinozainterpretation. In: Zeitschrift für Philosophische Forschung. Band 31, Heft 4. Zum Gedenken an den 300. Todestag von Benedikt de Spinoza. 1977. S. 527ff.

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traditionellen Substanzontologie ist. Nach dieser Logik können Begriffe von natürlichen Arten, die nach genus proximum und differentia specifica zu rekonstruieren sind, Substanzen bezeichnen. Indem Spinozas Definition des Begriffs der Substanz diese Möglichkeit ausschließt, bahnt sie sich in einem ersten Schritt den Weg zu einer Interpretation unseres Wissens von dem, was ist, in der unsere geläufige Auffassung von der Substanzialität der durch Artbegriffe bezeichneten Einzeldinge, nicht aber die Existenz solcher Einzeldinge selber, als Schein erscheint. Doch ist es von großer Wichtigkeit, sich klarzumachen, daß dieser Schritt wirklich nur ein erster auf dem Wege zu einer ontologischen Theorie ist, welche die Position der All-Einheit über den Nachweis des Monismus der Substanz zu gewinnen sucht. Aus der mit dem Terminus des Durchsichbegriffenwerdens bedeuteten semantischen Forderung an Begriffe von Substanzen folgt der Monismus der Substanz nämlich ebenfalls noch nicht, und zwar weder nach Spinozas Überzeugung noch der Sache nach. Erstens kann mit dieser Forderung nicht ausgeschlossen werden, daß es mehrere Begriffe gibt, die der Bedingung genügen, Begriffe von höchsten deskriptiven Gattungen zu sein. Eine Vielzahl solcher Begriffe wäre dadurch gekennzeichnet, daß sich keiner dieser Begriffe als Art einer ihnen gemeinsamen deskriptiven Gattung interpretieren läßt und es nicht möglich ist, den deskriptiven Bedeutungsgehalt des einen auf den des anderen et vice versa zu reduzieren. Gibt es nun solche Begriffe, dann ist zunächst nicht einzusehen, weshalb sie nicht Begriffe von zwei voneinander unterschiedenen Substanzen sein sollten. Das Gegenteil scheint der Fall sein zu müssen. Es ist aber auch nicht einzusehen, weshalb ein solcher Begriff garantieren sollte, daß es nur eine einzige Entität gibt, die unter ihn fällt. Es könnte sehr wohl so sein, daß ein Begriff von einer höchsten Gattung von deskriptiver Kraft eine Klasse von Entitäten bezeichnet, die mehr als ein Element enthält. So könnte es nicht nur zwei Substanzen geben, deren ihren jeweiligen Inhalt bestimmende Begriffe durch verschiedene höchste deskriptive Gattungen angegeben werden, sondern auch eine beliebig große Anzahl von Substanzen, die jeweils zu der Klasse von Entitäten gehören, die durch eine und dieselbe Gattung bezeichnet werden. Da beide Möglichkeiten durch die Konnotationen des Definitionsstücks des Durchsichbegriffenwerdens allein nicht ausgeschlossen werden können, ist auch nicht auszuschließen, daß eine Substanz der einen Klasse so existiert, daß sie durch eine andere Substanz derselben Klasse existiert, d. h. durch eine solche (aber freilich nicht durch eine Substanz einer anderen Klasse) verursacht ist. Denn Spinoza lehrt in Lehrsatz III von Ethik I: „Von Dingen, die nichts miteinander gemein haben, kann das eine nicht Ursache des anderen sein.“6 Da jedoch 6

Ethica I, Prop. III: Quae res nihil commune inter se habent, earum una alterius causa esse non potest.

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Substanzen, die zu derselben Klasse gehören, die durch einen bestimmten Begriff von einer höchsten deskriptiven Gattung bezeichnet wird, gerade diejenige Bestimmung gemeinsam hätten, die durch diesen Begriff angegeben wird, trifft auf sie Axiom V von Ethik I nicht zu. Axiom V lautet: „Dinge, die nichts miteinander gemein haben, können auch nicht auseinander erkannt werden, oder der Begriff des einen schließt den Begriff des anderen nicht ein.“ Nun gilt nach Axiom IV von Ethik I: „Die Erkenntnis der Wirkung hängt von der Erkenntnis der Ursache ab und schließt diese ein.“7 Wenn es zwei Substanzen von derselben begrifflichen Bestimmung gibt, können sie also sehr wohl auseinander erkannt werden, also auch die eine als Wirkung der anderen aufgefaßt werden. So folgt, daß aus der Erfüllung des formalen logischen Postulats des Durchsichbegriffenwerdens gerade nicht folgt, was die oben vorgeführte formale Überlegung behauptete: daß nämlich solches, was durch sich begriffen wird, nur durch sich sein und daher nur ein Einziges sein kann. Die These, daß der Monismus der Substanz aus den Konnotationen des Definitionsstücks des Durchsichbegriffenwerdens ohne weiteres folgt, erweist sich somit als eine unbegründete Ontologisierung einer logischen Kennzeichnung. III Weil der Monismus der Substanz aus der bloßen Definition des Begriffs der Substanz nicht folgt, geht Spinoza in Ethik I von der allererst in begründeten Schritten zu widerlegenden Annahme einer Vielheit von Entitäten aus, die seiner Definition des Substanzbegriffs genügen. Das liegt nicht daran, daß die Ethik ,more geometrico’ aufgebaut ist und die mathematische Methode das Muster eines Argumentationsverfahrens ist, das apagogische Beweise benutzt. Der tiefere und wahrhaft spekulative Grund hierfür ist, daß die Substanzdefinition als solche nicht zur Einsicht bringen kann, daß es nur eine Substanz gibt und was diese Substanz ist – nämlich Gott. Die mit Lehrsatz XIV ausgesprochene Einsicht: „Außer Gott kann keine Substanz sein und keine begriffen werden“8 wird – das war Spinozas Meinung – in einer Folge von Argumentationsschritten erreicht, in der sich die durch die Substanzdefinition noch nicht ausgeschlossene Annahme einer Pluralität von Substanzen zunächst nicht abschwächt, sondern geradezu radikalisiert. So muß gesagt werden, daß die Gewinnung der spezifisch spinozanischen Position der All-Einheit über die Idee

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Ethica I, Axioma IV: Effectus cognitio a cognitione causae dependet, et eandem involvit. 8 Ethica I, Prop. XIV: Praeter Deum nulla dari, neque concipi potest substantia.

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vermittelt ist, daß ihre nicht-archaische Form nur durch eine methodische Verstärkung der Vielheitsthese und deren Widerlegung möglich ist. Unter der Vielheitsthese ist dabei die Überzeugung zu verstehen, daß unsere Grunderfahrungen von dem, was uns umgibt, und dem, was wir selber sind, eine letztbegründete Interpretation nur dann finden kann, wenn man davon ausgeht, daß eine Vielheit von Entitäten, die als solche zueinander in gar keiner angebbaren Beziehung stehen, der letzte Grund unserer Erfahrung der Vielheit des Einzelnen und der Relationen, in denen Einzelnes zueinander steht, ist. Spinoza hat diese Überzeugung im Gange der Argumente, die zu ihrer Widerlegung führen sollen, zu der Position einer Vielheit beziehungsloser Absoluter gesteigert. Dieses nur ihm eigentümliche Verfahren macht seinen Rang als Denker nicht weniger aus als seine Absicht, die spezifische Gestalt der rationalen Theologie der Tradition, also auch noch die cartesianische, von der er sich als erster endgültig abgewendet hat, zu widerlegen. Dies Verfahren gilt es nun in den Grundzügen zu verdeutlichen. Die methodische Radikalisierung der Vielheitsthese in Absicht auf ihre endgültige Widerlegung läuft über die Begründung von Lehrsatz V von Ethik I. Dieser lautet: „In der Natur der Dinge kann es nicht zwei oder mehrere Substanzen von derselben Natur oder demselben Attribut geben.“9 Nach Definition IV von Ethik I versteht Spinoza unter ,Attribut’ „das, was der Verstand an der Substanz als deren Wesen ausmachend gewahrt.“10 Im Lichte des in Abschnitt II Entwickelten kann gesagt werden, daß ein Begriff, der ein Attribut und damit das Wesen einer Substanz bezeichnet, sofern der Verstand dieses Wesen erkennt, ein Begriff ist, der die inhaltliche Bestimmtheit einer Substanz auf ursprüngliche Weise angibt. Ein solcher Begriff ist der Begriff von einer höchsten deskriptiven Gattung. Mit Lehrsatz V soll nun genau das ausgeschlossen werden, was auf Grund der bloßen Definition des Begriffs der Substanz noch nicht ausgeschlossen werden konnte: daß es nämlich mehrere Exemplare von Substanzen gibt oder geben könnte, deren wesentliche oder attributive inhaltliche Bestimmung durch den Begriff von einer und derselben höchsten deskriptiven Gattung angegeben wird. Zwar muß man große Zweifel haben, daß es Spinoza gelungen ist, Lehrsatz V mit den an seinem systematischen Ort im Aufbau der Ethik aufgebotenen logischen Mitteln wirklich unter Beweis zu stellen11. Gesetzt aber, Lehrsatz V ist eines 9

Ethica I, Prop. V: In rerum natura non possunt dari duae, aut plures substantiae eiusdem naturae, sive attributi. 10 Ethica I, Def. IV: Per attributum intelligo id, quod intellectus de substantia percipit, tanquam eiusdem essentiam constituens. 11 Derselbe Zweifel richtet sich gegen den Beweis von Lehrsatz IV, von dem der Beweis von Lehrsatz V abhängig ist. Lehrsatz IV lautet: „Zwei oder mehr verschiedene Dinge unterscheiden sich voneinander entweder durch die Verschiedenheit der Attribute oder durch die Verschiedenheit der Affektionen der Substanz.“ (Duae, aut plures res distinctae, vel inter se distinguuntur ex diversitate attributorum

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Beweises fähig, was genau ist dann mit ihm bewiesen? Offenbar nur dies, daß es keine Vielheit von Substanzen gibt, die einer und derselben attributiven Beschreibung genügen, aber noch nicht, daß es keine Vielheit von Substanzen geben kann. Denn es könnte immer noch so sein, daß es zwar keine Vielheit von Substanzen von einem und demselben Attribut, wohl aber eine Vielheit von Substanzen von verschiedenen Attributen gibt. Leicht beweisbar ist mit Hilfe von Lehrsatz V allerdings die in Lehrsatz VI ausgesprochene grundlegende Überzeugung Spinozas, nämlich: „Eine Substanz kann von einer anderen Substanz nicht hervorgebracht werden.“12 Denn etwas kann nur dann Ursache von etwas anderem sein, wenn es mit ihm eine inhaltliche Bestimmung gemeinsam hat. Wenn nun eine Substanz eine andere Substanz soll hervorbringen können, dann müssen beide Substanzen eine attributive Bestimmung gemeinsam haben. Genau dies ist durch Lehrsatz V ausgeschlossen. Auf diese Weise wird abgewiesen, was auf Grund der bloßen Analyse der Bedeutungsmomente der Definitionsstücke des Begriffs der Substanz ebenfalls noch nicht auszuschließen war: daß nämlich eine Substanz unbeschadet ihres Durchsichbegriffenwerdens durch eine andere Substanz sein könnte13. Denn Substanzen von verschiedenen Attributen haben nichts miteinander gemeinsam und können daher nicht im Verhältnis von Ursache und Wirkung stehen. Substanzen von einem und demselben Attribut aber gibt es nach Lehrsatz V nicht. Gleichwohl ist entscheidend, daß mit den Lehrsätzen V und VI die Annahme einer Vielzahl von Substanzen von durchgängig verschiedenen Attributen weiterhin zugelassen bleibt. Es ist genau diese Voraussetzung, auf deren Boden Spinoza die Vielheitsthese in einer Weise radikalisiert, die seinen zeitgenössischen Lesern und vielen Heutigen ebenso befremdlich sein mußte wie seine später vorgenommene Bestimmung von Gott. Aus Lehrsatz VI folgert Spinoza nämlich den Lehrsatz VII: „Zur Natur der substantiarum, vel ex diversitate earundem affectionum.) Lehrsatz IV ist wegen der Bedeutungsdifferenz von ,distinctio’ und ,diversitas’ mehrdeutig. 12 Ethica I, Prop. VI: Una substantia non potest produci ab alia substantia. Dieser Satz geht bereits gegen alle Schöpfungstheologie. 13 Allerdings begeht Spinoza im zweiten Beweis für Lehrsatz VI selber den Fehler der unzulässigen Ontologisierung des logischen Kriteriums des Durchsichbegriffenwerdens. Es heißt dort: „Könnte nämlich eine Substanz von etwas anderem hervorgebracht werden, so müßte (nach Axiom IV) ihre Erkenntnis von der Erkenntnis ihrer Ursache abhängen; und somit wäre sie (nach Definition III) nicht Substanz.“ Dieser Beweis, der die grundsätzliche Unverursachtheit von Substanzen als logische Folge der Definition des Begriffs der Substanz entwickeln will, ist deshalb nicht überzeugend, weil für den ohnehin einzig zulässigen Fall, daß eine Substanz Ursache einer anderen Substanz derselben Klasse ist, über die attributive Bestimmtheit der einen, durch die sie durch sich begriffen wird, nicht zu einer anderen attributiven Bestimmtheit herausgegangen wird, durch welche die andere Substanz durch sich begriffen wird. Beide Substanzen werden durch dieselbe attributive Bestimmtheit durch sich begriffen.

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Substanz gehört die Existenz.“14 Diese Folgerung operiert mit einer einfachen Identifikation dessen, was dem definierten Begriff der Substanz genügt, mit dem, was der ersten Definition von Ethik I, der Definition des Begriffs der ,Ursache seiner selbst’, genügt. Diese Definition lautet: „Unter Ursache seiner selbst verstehe ich das, dessen Wesen die Existenz in sich schließt, das heißt das, dessen Natur nur als existierend begriffen werden kann.“15 (Es liegt – worauf hier wenigstens hingewiesen werden soll – gewiß näher, in dieser Identifikation noch nicht einen ,ontologischen’ Beweis für die Existenz einer Substanz, sondern nur den Nachweis der Modalität der Notwendigkeit der Existenz einer Substanz (ihrer ,Aseität’) für den Fall, daß eine Substanz existiert, zu erblicken. Macht man jedoch für Lehrsatz VII eine solche Existenzvoraussetzung, kann nicht mehr angegeben werden, an welchem Ort von Ethik I Spinoza die Existenz einer spinozanisch definierten Substanz beweist.) Man könnte meinen, daß an dem systematischen Ort dieser Identifikation von Substanz und Causa Sui die Position des Monismus der Substanz bereits erreicht ist, und daß die gesicherte Einsicht in die Einzigkeit der Substanz in einem weiteren einfachen Schritt die Identifikation der einzigeinen Substanz mit Gott erzwingt. Noch für Descartes war diese Konsequenz unbeschadet seines Substanzendualismus unausweichlich, wie seine Neubegründung des ontologischen Gottesbeweises und die Rolle, die der Begriff der Causa Sui in ihm spielt, beweist. Nichts bezeichnet den Unterschied zwischen cartesischer und spinozanischer Metaphysik treffender als die Überzeugung Spinozas, daß diese Konsequenz nicht nur nicht unausweichlich, sondern mit Hilfe des Argumentationspotentials, das im Aufbau von Ethik I bis inklusive Lehrsatz VII entwickelt werden konnte, noch gar nicht einsehbar ist. Denn nach Lehrsatz VII kommt gerade jeder Substanz das zu, was noch für Descartes allein derjenigen Substanz zukommt, die mit Gott identisch ist. Während sich für Descartes ein ontologischer Beweis für das Dasein von etwas nur für die Existenz Gottes unter den Titeln seiner höchsten Macht oder absoluten Vollkommenheit führen ließ, gibt es für Spinoza einen ontologischen Beweis für die Existenz jedweder Substanz: Was immer Substanz ist, existiert kraft seines Wesens. Es wäre daher ein fundamentales Mißverständnis der spekulativen Absichten Spinozas, wenn man in Lehrsatz VII schon so etwas wie die spezifisch spinozanische Form des ontologischen Gottesbeweises erblicken wollte. In Wahrheit gilt mit Lehrsatz VII etwas ganz anderes: Mit seinem Beweis wird die Beweislast für den Monismus der Substanz auf ihre höchstmögliche Spitze getrieben. Die Aussage des Lehrsatzes VII ist nicht, daß allein Gott, dem unendlich vollkommenen und 14 15

Ethica I, Prop. VII: Ad naturam substantiae pertinet existere. Ethica I, Def. I: Per causam sui intelligo id, cuius essentia involvit existentiam, sive id, cuius natura non potest concipi, nisi existens.

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höchstmächtigen Wesen, das Privileg zukommt, daß aus dem Begriff, der dieses sein Wesen anzeigt, seine Existenz folgt. Lehrsatz VII enthält eine ganz andere und höchst erstaunliche Behauptung: Wenn der Verstand innerhalb des ihm als endlichem Verstand zur Verfügung stehenden Begriffsrepertoires einen Begriff findet, der ein Attribut bezeichnet, das heißt einen Begriff, von dem aus logischen Gründen nachweisbar ist, daß er der Begriff von einer höchsten deskriptiven Gattung ist, dann kann unser Verstand auch sicher sein, daß etwas existiert, das durch einen solchen Begriff gedacht wird. Denn eben dann ist dieser Begriff der Begriff von einer Substanz, zu deren Wesen es gehört, nur als existierend begriffen zu werden. Und unser Verstand kann dann zugleich sicher sein, daß es nicht Vieles, sondern nur Eines von solchem Wesen geben kann. Aber mit all dem kann unser Verstand noch lange nicht sicher sein, daß ein solches Eines das Einzig-Eine ist. Er muß vielmehr immer noch in Rechnung stellen, daß es genau so viele Einzige in ihrer jeweiligen Gattung geben könnte, wie er Begriffe findet, die Begriffe höchster deskriptiver Gattungen sind. Zwar wäre eine Vielheit solcher Einziger kein Viel von Einzelnem. Denn es definiert unsere Redeweise von Einzelnem, daß etwas Einzelnes etwas unter anderen möglichen oder wirklichen Einzelnen ist. In den logischen Sinn dieser Redeweise geht jedoch ein, daß ein Einzelnes eines unter anderen Einzelnen genau insofern ist, als es mit anderem Einzelnen irgendeine inhaltliche Bestimmung gemeinsam hat. Da eine solche Gemeinsamkeit zwischen numerisch verschiedenen Substanzen gerade nicht bestehen kann, ist es schon nach Lehrsatz VII widerspruchsvoll, eine Vielheit existierender Substanzen nach Maßgabe des ontologischen Modells der Vielheit von jeweils Einzelnem zu denken. Es ist jedoch nicht widerspruchsvoll, eine Vielzahl von Substanzen zu denken. Eine Vielzahl von Substanzen, deren jede kein Einzelnes unter Einzelnem ist, wäre in zweifacher Hinsicht eine Vielzahl schlechthin Beziehungsloser. Viele Substanzen stehen erstens insofern in keiner Beziehung zueinander, als sie keinerlei gemeinsam inhaltliche Bestimmungen aufweisen16. Zweitens bedarf es aber für den Fall der Koexistenz einer Vielzahl von Substanzen auch nicht des Gedankens einer Ordnung, kraft welcher die vielen Substanzen allein koexistieren können. Da nämlich jede der vielen Substanzen kraft ihres und nur ihres Wesens existierte und das 16

Gegen diese Konsequenz wurde schon früh eingewandt, daß zwei oder mehr Substanzen keine Vielheit inhaltlich absolut Beziehungsloser sein können, weil ihnen auf jeden Fall das gemeinsame Merkmal zukomme, ,Substanz’ zu sein. Dieser Einwand trifft deshalb nicht, weil die Bestimmung, ,Substanz zu sein’, nach Spinoza gerade kein inhaltliches Merkmal ist, das zwei Substanzen gemeinsam ist, sondern ein nicht-deskriptives Prädikat zweiter Stufe, das, auf mehr als eine Entität bezogen, gerade aussagt, daß zwei Entitäten, die unter diesem Prädikat gedacht werden, keine inhaltliche Bestimmung gemeinsam haben. Der Begriff ,Substanz’ ist ein operativer Begriff, der nichts darüber auszumachen erlaubt, was eine Substanz inhaltlich ist. Er ist in Spinozas Theorie der Begriffe kein Deskriptor, sondern ein ,Proprium’.

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Wesen einer Substanz ohne jede Beziehung zum Wesen einer anderen Substanz wäre, gäbe es überhaupt keine Ordnung, unter deren Bedingung ihre Koexistenz allein begreiflich werden könnte17. Die Forderung nach einer solchen Ordnung ist für Einzelnes unter Einzelnem sinnvoll und notwendig, für Substanzen nicht. Jede Substanz wäre eine Welt für sich, die ohne jede Beziehung zu derjenigen Welt stünde, die eine andere Substanz als eine Welt für sich wäre. Entsprechend gilt: Jede Substanz wäre Ursache ihrer selbst, und eben deshalb bedürfte es keiner weiteren Ursache, die erklärte, wieso viele Substanzen koexistieren können18. Wenn viele Substanzen existieren, dann ist ihre Koexistenz schlechterdings ordnungs- und grundlos. Eine Vielzahl von Substanzen, deren jede dieser strukturellen Beschreibung genügt, wäre mit Recht nicht nur eine Vielzahl absolut Beziehungsloser, sondern auch eine Vielzahl von Absoluten zu nennen, wenn man unter etwas Absolutem etwas versteht, das abgelöst von jeglichem anderen schlechthin für sich selbst – sein Wesen und seine Existenz – einsteht. Lehrsatz VII läßt die Möglichkeit einer Vielzahl von Absoluten offen. Genau dadurch treibt er die radikale Vielheitsthese in die extremste, aber auch konsequenteste Form, die sie überhaupt annehmen kann: Es könnte so sein, daß es viele Absolute gibt. Kann diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, läßt sich der Monismus der Substanz nicht begründen. Und dann besteht auch keine Aussicht, die Position der AllEinheit als diejenige Position zu begründen, die unserer Forderung auf Einsicht in den Zusammenhang der Dinge letztbegründend Genüge tut. Die Begründung dieser Position beruht somit ganz und gar auf der Widerlegung der Vielheitsthese in ihrer radikalsten von Spinoza gedachten Form: der These von der Existenz eines Viel von Absoluten. IV Spinozas Widerlegung der radikalen Vielheitsthese kann nicht davon abgehen, daß jedes Attribut einer Substanz durch sich selbst, mithin schlechterdings unbezüglich auf jedes andere Attribut einer Substanz begriffen werden muß. Denn die logische Beziehungslosigkeit der Begriffe, durch welche Attribute bezeichnet werden, kann von Spinoza nicht preisgegeben werden, ohne die Definitionen seiner Begriffe von Substanz und Attribut selber preiszugeben. So heißt es denn auch in Lehrsatz X noch 17

Daß viele Substanzen nicht aufeinander folgen können, versteht sich von selbst. Was so existiert, daß seine Existenz zu seinem Wesen gehört, existiert auf Grund der Unveränderlichkeit seines Wesens zu aller Zeit (wenn es in der Zeit existiert). 18 In meiner Anm. 5 erwähnten Arbeit habe ich näher zu zeigen versucht, daß die Annahme einer Vielzahl von causae sui nicht im Widerspruch zu dem Bedeutungsgehalt des Begriffs ,Causa Sui’ steht.

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einmal ausdrücklich im bloßen Rückgriff auf diese Definitionen: ,,Jedes einzelne Attribut einer Substanz muß durch sich selbst begriffen werden.“19 Soll die radikale Vielheitsthese unter dieser Voraussetzung nicht das letzte Wort behalten, muß es also möglich sein, den Gedanken zu entwickeln, daß der Inhalt von numerisch einer Substanz durch mehr als ein Attribut, das heißt unbeschadet der numerischen Einheit einer Substanz durch eine Vielzahl von Attributen konstituiert werden kann. Daß dieser Gedanke nicht nur möglich, sondern in Wahrheit notwendig ist, spricht Spinoza in Lehrsatz IX von Ethik I in folgender Weise aus: „Je mehr Realität oder Sein jedes Ding hat, um so mehr Attribute kommen ihm zu.“20 Den Beweis für diesen Satz will Spinoza unmittelbar aus seiner Definition des Begriffs von Attribut ziehen: „Dies erhellt aus Definition IV.“21 Es ist zu sagen, daß dies Verfahren nicht befriedigend ist. Denn Spinoza hätte uns erklären müssen, wie etwas überhaupt mehr Realität (d. h. Sachgehalt) oder Sein haben kann, als durch ein und nur ein Attribut bezeichnet wird. Dieser Mangel ist um so empfindlicher, als Lehrsatz IX die einzige theoretische Basis ist, die Spinoza zur Verfügung stellen kann, um darzutun, daß der Begriff einer Substanz von unendlich vielen Attributen und damit der spinozanische Begriff von Gott kein in sich widersprüchlicher oder unverstehbarer Begriff ist. Denn der Begriff von Gott wird in Definition VI von Ethik I folgendermaßen definiert: „Unter Gott verstehe ich das unbedingt unendliche Wesen, das heißt die Substanz, die aus unendlich vielen Attributen besteht, deren jedes ewige und unendliche Wesenheit ausdrückt.“22 Dieser Begriff von Gott ist offensichtlich nur dann ein sinnvoller Begriff, wenn Lehrsatz IX wahr ist23. So erweist sich die Begründung des Gedankens von der Integrierbarkeit von mehr als einem Attribut in den Inhalt des Begriffs von einer Substanz als das experimentum crucis des spinozanischen Monismus’ der Substanz. Gelingt diese Begründung nicht, dann behält nach Spinozas eigener Überzeugung die radikale Vielheitsthese recht. Gelingt sie aber, dann folgt auch die logische Akzeptabilität des in Definition VI vorgestellten Begriffs von Gott. Denn für diese muß man nur voraussetzen, daß alle Begriffe, die Attribute bezeichnen, miteinander logisch kompatible Begriffe sind. Zwar liefert Spinoza nirgends den Nachweis der Triftigkeit dieser Voraussetzung. Sie läßt sich aber mit Hinweis darauf begründen, daß höchste 19

Ethica I, Prop. X: Unumquodque unius substantiae attributum per se concipi debet. 20 Ethica, Prop. IX: Quo plus realitatis, aut esse unaquaeque res habet, eo plura attributa ipsi competunt. 21 Ethica, Prop. IX. Dem.: Patet ex Def. 4. 22 Ethica, Def. VI: Per Deum intelligo ens absolute infinitum, hoc est, substantiam constantem infinitis attributis, quorum unumquodque aeternam, et infinitam essentiam exprimit. 23 Dies ist auch Spinozas eigene Auffassung. Vgl. die Anmerkung zu Lehrsatz X von Ethik I.

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deskriptive Gattungsbegriffe auf Grund ihres logischen Status nicht Negationen voneinander sein können. Ist der Begriff von einer Substanz von unendlich vielen Attributen ein sinnvoller Begriff, dann ist der Beweis der Existenz dieser Substanz – der Gottesbeweis – geschehen. Doch ist dieser Beweis dann auf eine Weise geschehen, die der von Descartes erneuerten Ontotheologie des Denkens der europäischen Neuzeit ganz fremd ist. Lehrsatz XI lautet: „Gott, das heißt die Substanz, die aus unendlich vielen Attributen besteht, deren jedes ewige und endliche Wesenheit ausdrückt, existiert notwendig.“24 Nicht etwa existiert Gott notwendig, weil sein Wesen nur so gedacht werden kann, daß es die Existenz in sich schließt. Das wäre die Normalform des ontologischen Gottesbeweises. Gott existiert vielmehr deshalb notwendig, weil er als Substanz gedacht werden muß, und weil nach Lehrsatz VII alles, was konsistenterweise als Substanz gedacht werden kann, kraft seines Wesens, d. h. mit logischer Notwendigkeit existiert. Der nervus probandi des spinozanischen Gottesbeweises ist also gar nicht der Gedanke der Vereinigung unendlich vieler Attribute im Begriff von Gott, sondern der Gedanke seiner Substanzialität25. Es ist nun leicht zu sehen, wie der Monismus der Substanz unter der Voraussetzung, daß der Begriff von einer Substanz von unendlich vielen Attributen sinnvoll ist, zwingend folgt. Da in Gott alle Attribute vereinigt sind, müßte eine Substanz, die außer Gott existiert, durch ein Attribut gekennzeichnet werden, das Gott zukommt. Denn es kann kein Attribut gedacht werden, das nicht eines unter den unendlich vielen Attributen ist, die Gott zukommen. Also müßte es für den Fall, daß es außer Gott eine Substanz gibt, zwei Substanzen von demselben Attribut geben. Das ist jedoch nach Lehrsatz V unmöglich. Daher gilt Lehrsatz XIV: „Außer Gott kann keine Substanz sein und keine Substanz begriffen werden.“26 Es ist klar, daß diese Folgerung im Unterschied zu dem, was man nur mit Reserve den ontologischen Gottesbeweis des Spinoza nennen kann, ganz und gar von dem Gedanken der Integration aller Attribute in den Begriff von Einem abhängig ist. Unabhängig von diesem Gedanken besitzt er nicht die geringste Überzeugungskraft.

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Ethica I, Prop. XI: Deus, sive substantia constans infinitis attributis, quorum unumquodque aeternam, et infinitam essentiam exprimit, necessario existit. 25 Spinozas Auffassung ist also folgende: Weil sich für das, was dem definierten Begriff von Substanz genügt, ein ontologischer Beweis seiner Existenz führen läßt, läßt sich auch der Beweis der Existenz einer Substanz führen, die aus unendlich vielen Attributen besteht. Dieser Beweis wird nicht aus der Unendlichkeit ihrer Attribute, sondern aus ihrer Substanzialität geführt. Diese Auffassung liegt zumindest dem ersten Beweis für Lehrsatz XI zugrunde. 26 Ethica I, Prop. XIV: Praeter Deum nulla dari neque concipi potest substantia.

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V Der Monismus der Substanz ist die Voraussetzung für die den Spinozismus spezifisch charakterisierende Position der All-Einheit. Doch steht diese Position mit jener Voraussetzung nicht in einer Verbindung, die von der logischen Form einer analytischen Folgebeziehung ist. Es ist nach Spinozas eigener Ansicht nicht möglich, aus der Aussage: „Außer Gott kann keine Substanz sein und keine Substanz begriffen werden“ auf die Aussage: „Alles, was ist, ist in Gott“ unmittelbar zu schließen. Für diesen Schluß bedarf es einer weiteren Prämisse. Sie lautet, daß es innerhalb des ganzen Bereichs dessen, was es gibt, nichts außer Substanzen und deren Modi gibt. Definition V von Ethik I lautet: „Unter Modus verstehe ich die Affektionen der Substanz, das heißt das, was in einem Anderen ist, durch das es auch begriffen wird.“27 Wenn es nichts gibt, was nicht – im Sinne einer vollständigen Disjunktion – entweder Substanz oder Modus ist, dann folgt die Position der All-Einheit aus dem Monismus der Substanz allerdings auf die einfachste Weise. Unter der Bedingung des Monismus der Substanz kann es keine Substanz außer der einen mit Gott identischen geben. Sofern es daher überhaupt etwas gibt, was nicht mit der einzigeinen Substanz identisch ist, muß es etwas sein, was der Definition des Begriffs ,Modus’ genügt, mithin etwas, was in einem Anderen ist, durch das es auch begriffen wird. Dies Andere kann – zumindest in letzter Instanz – nur die einzig-eine Substanz selber sein. Zwar kann durchaus erwogen werden, daß ein Modus in einem anderen Modus ist. Und es muß sogar eine solche Erwägung sein, die im System des Spinozismus für die Überzeugung unserer natürlichen Ontologie einzustehen hat, daß es innerhalb des Vielen Verhältnisse von der Art gibt, die diese Ontologie in den Begriffen von Einzeldingen und ihren Eigenschaften faßt. Die Einzeldinge in der Welt sind jedoch keine Substanzen. Denn sie werden durch Begriffe begriffen, die nicht durch sich begriffen werden. Sie sind also, wenn es nur Substanzen und Modi von Substanzen gibt, selber Modi. Ihre Eigenschaften sind dann ebenfalls Modi, wenngleich solche, die von denjenigen Modi, deren Eigenschaften sie sind, zu unterscheiden sind. So muß der Spinozismus den Aristotelismus der Substanzen in Begriffen von Modi von Modi rekonstruieren. Die Erklärung der Existenz von Modi kann jedoch nicht zu einem infiniten Regress von Modi in Modi führen. Einen Modus abschließend zu begreifen heißt, ihn im Rekurs auf etwas zu begreifen, dem gegenüber sich die Frage nach seiner Begreifbarkeit durch etwas anderes nicht wiederholt. Daher muß das, durch was ein Modus letztbegründet begriffen wird, etwas sein, was nicht durch etwas anderes, sondern durch sich selbst begriffen wird. So kann dasjenige andere, in dem 27

Ethica I, Def. V: Per modum intelligo substantiae affectiones, sive id, quod in alio est, per quod etiam concipitur.

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ein Modus ist und durch das ein Modus so begriffen wird, daß die Unruhe unseres Begreifenwollens in der lichtvollen Klarheit eines letzten Grundes seiner Existenz zur Ruhe kommt, nur die einzig-eine Substanz selber sein. Auf diese Weise wird die Einsicht gewonnen, daß alles, was ist, in Gott ist. Denn Gott, die einzig-eine Substanz, ist in sich, alles aber, was mit Gott nicht identisch ist, ist in Gott, weil Affektion oder Modus der Substanz. Der diese Einsicht vermittelnde Schritt hat jedoch nur dann Überzeugungskraft, wenn die Wahrheit des Satzes, daß es in der Natur der Dinge nur Substanzen und ihre Modi gibt, einzuleuchten vermag. Der Übergang vom Monismus der Substanz zur Position der All-Einheit kann nur dann geschehen, wenn sich dartun läßt, daß es in der Natur kein Mittleres zwischen Substanzen und Modi gibt, also nichts, was zwar in sich ist, aber nicht durch sich begriffen wird, und – korrelativ dazu – auch nichts, was zwar in etwas anderem ist, aber nicht so, daß es durch dies andere auch abschließend begriffen wird. Es kennzeichnet Spinozas Konstruktion des genannten Übergangs, daß sich diese entscheidende Prämisse für ihn nicht in der Form eines Beweises dartun läßt. Sie kann nur als ein selbstevidenter, aber nicht logisch wahrer Grundsatz vor Augen gestellt werden. Axiom I von Ethik I lautet: „Alles, was ist, ist entweder in sich oder in etwas Anderem.“28 Spinoza war der Meinung, daß der propositionale Gehalt dieses unerweislichen, aber doch einleuchtenden Grundsatzes mit dem propositionalen Gehalt derjenigen Prämisse für den Übergang zur Position der All-Einheit identisch ist, die ein Mittleres zwischen Substanzen und Modi aus dem Bereich dessen, was ist, ausschließt. Dies geht daraus hervor, daß er Axiom I schon im Beweis von Lehrsatz IV von Ethik I unter Zuhilfenahme der bloßen Definitionen der Begriffe ,Substanz’ und ,Modus’ als Äquivalent des Satzes ansieht: „Außerhalb des Verstandes gibt es nichts, wodurch sich mehrere Dinge voneinander unterscheiden können, als Substanzen ... und ihre Affektionen.“29 Entsprechend erteilt Spinoza Axiom I im Beweis von Lehrsatz XV die Interpretation, daß er aussagt: „Nun gibt es außer Substanzen und Modi nichts (nach Axiom I).“30 Die Aussage, daß es außerhalb des Verstandes in der Natur der Dinge außer Substanzen und Modi der Substanzen nichts gibt, ist jedoch in Wahrheit kein Äquivalent des Aussagegehalts von Axiom I. Es läßt sich zeigen, daß jener Satz aus Axiom I in keiner Weise folgt. Seine Wahrheit 28

Ethica I, Axioma I: Omnia, quae sunt, vel in se, vel in alio sunt. Dieser Satz ist kein analytischer oder logisch wahrer Satz. 29 Ethica I, Prop. IV Dem.: Omnia, quae sunt, vel in se, vel in alio sunt (per Axiom. 1.), hoc est (per Defin. 3. et 5.) extra intellectum nihil datur praeter substantias, earumque affectiones. Nihil ergo extra intellectum datur, per quod plures res distingui inter se possunt praeter substantias, sive quod idem est (per Defin. 4.) earum attributa, earumque affectiones. 30 Ethica I, Prop. XV Dem.: ... Atqui praeter substantias, et modos nil datur (per Axiom. 1.).

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zu behaupten, kommt der stillschweigenden Einführung eines weiteren Axioms gleich, das von Spinoza nirgends ausdrücklich benannt worden ist. Dieses weitere, für die Einführung der Position der All-Einheit schlechthin entscheidende Axiom fordert im Unterschied zu Axiom I die Koextensivität der Ausdrücke ,Insichsein’ und ,Durchsichbegriffenwerden’ auf der einen und die Koextensivität der Ausdrücke ,In etwas Anderem sein’ und ,Durch dies andere auch begriffen werden’ auf der anderen Seite. Es ist genau diese Forderung, welche ein Mittleres zwischen Substanzen und Modi allererst auszuschließen erlaubt – und damit auch die cartesische Lösung des Verhältnisses von Gott zu den beiden von ihm geschaffenen Klassen von Substanzen. Von der Rationalität dieser Forderung hängt daher die Rationalität des Theorems ab, daß es unter der Voraussetzung des Monismus der Substanz nichts außer der einzig-einen Substanz und ihren Modi gibt. Wenn sie einzuleuchten vermag, ist es auszuschließen, die Existenz von solchem zu erwägen, das zwar nicht durch sich begriffen wird (also keine Substanz ist), aber in sich (also kein Modus), mithin etwas außer der Substanz ist. So wird erklärlich, daß in der Geschichte der Spinozarezeption und Spinozakritik der Vorwurf nicht verstummt ist, daß Spinoza die Position der All-Einheit mit einem Handstreich einführt. Wenn dieser Vorwurf berechtigt ist, dann bietet Spinozas Metaphysik das gerade Gegenteil einer Gedankenbewegung, die in steter Beziehung auf ihr vorausgehende Weisen von vermeintlich sicherem und letztem Wissen durch eine Analyse der Defizienzen dieser Weisen aufzutreten und eben deshalb überzeugend zu wirken vermag. Sie leistet dann nicht, was für die Entwicklung der Position der All-Einheit unter den Bedingungen neuzeitlicher Rationalität zu fordern ist. Es kann hier nicht entschieden werden, ob Spinozas Metaphysik von diesem Vorwurf zu befreien ist. Es scheint sicher, daß sich das, was D. Henrich die „Epistemologie der All-Einheitslehre“31 genannt hat, nicht im Rekurs auf das Deduktionsmodell des ,Mos Geometricus’ begründet werden kann. Doch schließt dieser Hinweis noch nicht aus, daß die Grundbegrifflichkeit von Ethik I andere Interpretationsmodelle an die Hand zu geben imstande ist, die der Forderung nach spekulativer Entwicklung der Position der All-Einheit eher genügen. Aber selbst dann, wenn Hegels Verdikt über das Unangemessene der spinozanischen Gedankenbewegung am Ende Recht behalten sollte, lassen sich an dieser zwei Momente benennen, deren Überzeugungskraft nicht gering ist. Das erste betrifft Spinozas Kennzeichnung der internen Bestimmtheit der einen Substanz, das zweite seine Kennzeichnung der internen Relation des Vielen zu dem Einen, in dem es ist. 31

D. Henrich: Dunkelheit und Vergewisserung (vgl. Anmerkung 1). S. 34.

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Aus dem Gott des Spinoza sind die geläufigen Bestimmungen des Gottes der jüdisch-christlichen Überlieferung entfernt. Die Frontstellung, die Spinoza mit seiner Bestimmung Gottes als der einen Substanz gegenüber dieser Überlieferung bezieht, ergibt sich zwingend aus der Funktion des Begriffs von Gott im Ganzen unserer Erkenntnis. In ihm soll das Prinzip angegeben werden, das unsere Bezugnahme auf das Viele, das uns umgibt und das wir selber sind, und damit die Struktur unserer Grunderfahrung von dem, was ist, zu einem letztbegründeten Verständnis bringt. Ein solches Prinzip kann nicht nach dem Modell der Ontologie der Einzeldinge gedacht werden. Denn es sind ja gerade die Grundzüge dieser Ontologie selber, die im Rückgang auf die Bestimmtheit des Einzig-Einen zu einem letztbegründeten Verständnis kommen müssen. Spinoza hat den konventionellen Formen der natürlichen Theologie mit Einschluß noch der cartesischen vorgeworfen, daß ihre Bestimmungen von Gottes Wesen nicht in der Lage sind, dieser Forderung Genüge zu tun. Denn diese Bestimmungen werden die Konnotationen derjenigen Begriffe nicht los, mit denen wir nicht auf das Einzig-Eine als den letzten Grund des Vielen, sondern in ausweisbarer Weise gerade und nur auf dieses Viele selber Bezug nehmen. Das gilt in erster Linie für die Theologie in der Form der ,via eminentiae’. Diese bemüht sich zwar, alle finiten Konnotationen in ihren Begriffen von Gott fernzuhalten, scheitert in dieser Bemühung aber notwendigerweise, weil sie nicht klarmachen kann, wie die Prädikate, die in unserer Beschreibung des Vielen erfolgreich in Funktion gesetzt sind, insofern sie zur Beschreibung von Einzelnem unter Einzelnem taugen, auf Gott gerade dadurch und so beziehbar sein sollen, daß sich ihr interner Bedeutungsgehalt radikal verwandelt. Gott soll Einer, Verstand, Wille, Schöpfer, Person und anderes mehr sein – aber dies gerade nicht so, wie ein Einzelding unter anderen Einzeldingen dies sein kann und ist. In Wahrheit haben wir von dieser ganz anderen Weise keinen exponiblen Begriff. Solange Gott durch den Gedanken des Eminentwerdens von Bestimmungen gedacht wird, die aus der Ontologie der Einzeldinge erhoben sind und auch nur in dieser eine faßliche Interpretation haben, läßt sich ein ,klarer und deutlicher Begriff’ von Gott nicht bilden. Man entfernt zwar im Versuch der Bestimmung dieser ganz anderen Weise der Bestimmtheit Gottes die natürlichen, das heißt die finiten Konnotationen von Begriffen wie ,Eines’, ,Verstand’, ,Wille’, ,Schöpfer’, ,Person’ aus diesen Begriffen selber, da man mit Recht davon überzeugt ist, daß sie der Bestimmtheit Gottes nicht genugtun. Doch geschieht dies auf eine bloß äußerliche Weise, die ihren Ausgang von Begriffen vom Endlichen nicht los wird. In Wahrheit begreift die ,Via Eminentiae’ das, was Gott ist, nicht. Dieser Mangel ist für Spinoza darin begründet, daß Gott überhaupt im Ausgang von solchen Bestimmungen zu

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begreifen versucht wird, deren Analyse zeigt, daß sie eine eindeutige Bedeutung nur im Bereich endlicher Einzeldinge haben. Definition II von Ethik I lautet: „Dasjenige heißt in seiner Art endlich, was durch ein anderes von gleicher Art begrenzt werden kann.“32 So ist es nicht einmal sinnvoll, Gott als das schlechthin unendlich Seiende im Ausgang von Prädikaten bestimmen zu wollen, die auf Endliche zutreffen – und sei es auch ,via negationis’. Einer ist Person nur dann, wenn er einer unter anderem ist, das auch Person ist. Was wir Verstand und Wille nennen, sind Eigenschaften solcher Personen. Eine Person schafft unter der Voraussetzung ihres Willens zur Tätigkeit etwas aus etwas anderem, niemals aber aus Nichts. Es ist daher nicht eigentlich Spinozas nur schwer anzugreifende Überzeugung von der Nichtexplizierbarkeit des Gedankens einer ,Schöpfung aus dem Nichts’, welcher der Auffassung Gottes als Schöpfergott zugrundeliegt, die seine Kritik an der traditionellen Bestimmung Gottes als Schöpfer aller Dinge formiert hat. Diese Kritik und deren Konsequenz, nämlich die Konstruktion eines kausalen Immanenzverhältnisses zwischen Gott und der Welt, ist bei näherer Betrachtung die Folge eines grundsätzlicheren Gedankens: des Gedankens nämlich, daß auch der Schöpfungsbegriff selber eine Folge der Bestimmung Gottes durch Prädikate ist, deren Bedeutungsgehalt ganz darin aufgeht, Bestimmungen von Einzelnem unter Einzelnem, das heißt Bestimmungen von Endlichem zu bezeichnen. Es ist diese Überzeugung, die der ,ungeheuren Lehrmeinung’ des Spinozismus zugrundeliegt, daß Gott, sofern man einen klaren und deutlichen Begriff von ihm entwickeln will, weder als Person, noch als Verstand, noch als Wille, noch als irgendetwas anderes bestimmt werden kann, das durch ein Prädikat unserer natürlichen Ontologie der Einzeldinge bezeichnet wird – wenngleich in der Form der ,via eminentiae’. Alle Prädikate dieser Ontologie müssen von Gott auf radikale Weise ferngehalten werden, wenn in ihm das Prinzip gedacht werden können soll, das als das Einzig-Eine letzter Grund des Seins und Verstandenwerdens des Vielen ist. Denn dieses Prinzip muß eben deshalb auch als Prinzip der Vereinzelung des Vielen gedacht werden können. Das Prinzip der Vereinzelung des Vielen kann aber nicht unter Bestimmungen gedacht werden, die Bestimmungen dessen sind, mit Bezug auf was das Prinzip seine Funktion als Prinzip zu erfüllen hat33. 32

Ethica I, Def. II: Ea res dicitur in suo genere finita, quae alia eiusdem naturae terminari potest. 33 Es heißt daher in Lehrsatz XXXI von Ethik I generell: „Der wirklich existierende Verstand, sei er nun endlicher oder unendlicher Verstand, wie auch der Wille, die Begierde, die Liebe und so weiter müssen zur ,Natura naturata’ und nicht zur ,Natura naturans’ gerechnet werden.“ (Intellectus actu, sive is finitus sit, sive infinitus, ut et voluntas, cupiditas, amor etc. ad Naturam naturatam, non vero ad naturantem referri debent.) – Eine besonders elegante Polemik gegen den Versuch, Gott die

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Die Abwehr aller aus der Ontologie der Einzeldinge gezogenen Prädikate von Gott als der einzig-einen Substanz hat – das war Spinozas fundamentale Überzeugung – nicht zur Folge, daß der Begriff von Gott in der völligen Bestimmungslosigkeit oder Unbestimmtheit untergeht. Vielmehr kann nur unter dieser Bedingung (aber eben auch unter dieser Bedingung) ein klarer und deutlicher Begriff von Gott entwickelt werden. Dies freilich wirklich nur um den Preis des „Atheismus“, wenn man unter Atheismus eine Position versteht, welche die Existenz Gottes fordert, aber seine Persönlichkeit leugnet. Gott ist der Inbegriff all derjenigen Bestimmungen, die wir in Prädikaten denken, durch welche höchste deskriptive Gattungen bezeichnet werden. Denn genau solche Bestimmungen genügen als Prädikate der formalen logischen Bedingung, durch sich begriffen zu werden. Daher ist Gott in seiner internen Bestimmtheit identisch mit allem, was Attribut ist. ,Denken’ und ,Ausdehnung’ oder Bewußtsein und Materie sind die einzigen Attribute aus der unendlichen Menge von Attributen, die wir kennen und kennen können. Denn sie sind die einzigen Begriffe von höchsten deskriptiven Gattungen, die wir bilden können. Die Attribute des Denkens und der Ausdehnung müssen unbeschadet ihrer radikalen semantischen Differenz Bestimmungen anzeigen, deren jede für sich genommen infinit ist, die aber in Gott vereinigt sind. Es ist gerade ihre Vereinigung in Gott, die von Spinoza als das wesentliche Merkmal der unendlichen Macht des Einzig-Einen verstanden worden ist. Die unendliche Macht Gottes ist von Gottes Wesen und Gottes Existenz nicht unterscheidbar. Dies sprechen die Lehrsätze XX und XXXIV von Ethik I folgendermaßen aus: „Gottes Dasein und Gottes Wesen ist ein und dasselbe.“ „Die Macht Gottes ist sein Wesen selbst.“34 In Spinozas Auffassung von der Vereinigung gerade derjenigen als unendlich zu denkenden Bestimmungen in Gott, die Descartes als die Wesenheiten der zwei von Gott geschaffenen Klassen von finiten Substanzen – der ,res extensae’ und der ,res cogitantes’ – ausgezeichnet hatte, liegt nun eine weitere, die spinozanische Ontologie des Einzig-Einen charakterisierende systematische Pointe, die freilich auch als eine ihrer Grundschwierigkeiten bezeichnet werden kann. Spinoza lehrt in Lehrsatz I von Ethik II: „Das Denken ist ein Attribut Gottes, das heißt Gott ist ein denkendes Ding.“ Und in Lehrsatz II von Ethik II lehrt er: „Die Ausdehnung ist ein Attribut Gottes, das heißt Gott ist ein ausgedehntes Ding.“35 Das kann nicht bedeuten wollen, daß Gott ein denkendes und Bestimmungen des Verstandes und des Willens zuzuschreiben, entwickelt Spinoza in der Anmerkung zu Lehrsatz XVII. 34 Ethica I, Prop. XX: Dei existentia, eiusque essentia unum et idem sunt. Prop. XXXIV: Dei potentia est ipsa ipsius essentia. 35 Ethica II, Prop. I: Cogitatio attributum Dei est, sive Deus est res cogitans. Prop. II: Extensio attributum Dei est, sive Deus est res extensa.

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ausgedehntes Ding ist, wie ein Einzelding unter anderen Einzeldingen ein ausgedehntes oder ein denkendes oder ein ausgedehntes und ein denkendes Ding ist oder sein kann. Die Attribute des Denkens und der Ausdehnung können Gott nicht so zukommen, wie die Bestimmungen der Ausdehnung und des Denkens Einzeldingen zukommen. Näher aber können Gott die Attribute des Denkens und der Ausdehnung überhaupt nicht so zukommen, wie Einzeldingen Bestimmungen zukommen oder zukommen können. Um es in einem Paradox zu formulieren: Gerade weil die Begriffe der Ausdehnung und des Denkens die beiden Begriffe von höchsten deskriptiven Gattungen sind, durch die wir Entitäten bestimmen können, können sie, als Attribute Gottes gedacht, Gott selber nicht als allgemeinen Bestimmungen zukommen. Denn im Gedanken von einem solchen Zukommen wird notwendigerweise die formale Differenz zwischen einer Bestimmung und dem gedacht, auf das wir eine Bestimmung in einer Prädikation beziehen. Diese Differenz von Bestimmung und Etwas von einer Bestimmung ist für alle unsere Gedanken von Einzelnem und seiner Bestimmtheit konstitutiv. Das Einzig-Eine kann jedoch nicht unter der Voraussetzung dieser Differenz gedacht werden. Denn es ist auch noch diese Differenz selber, die im Rekurs auf das Einzig-Eine zu einem letztbegründeten Verständnis kommen muß. Daher muß die einzig-eine Substanz als die Indifferenz von Bestimmung und etwas von einer Bestimmung gedacht werden. Wird unter einem ,Ding’ etwas unter wirklichem oder möglichem anderen gleicher oder ungleicher Art verstanden, dann ist der Gott des Spinoza gerade kein denkendes und kein ausgedehntes Ding36. Er ist kein Individuum von der Bestimmtheit, die durch seine Attribute bezeichnet wird, er ist vielmehr diese Attribute selbst. Daher ist Gott zwar Ausdehnung, aber kein Körper, zwar Bewußtsein, aber kein individuiertes Subjekt, zu dessen Bestimmung es gehört, Bewußtsein von etwas zu sein. Es ist sehr die Frage, ob Spinozas Metaphysik eine Begrifflichkeit zur Verfügung stellt, mit deren Hilfe der Gedanke der Indifferenz von Bestimmung und etwas von einer Bestimmung im Begriff des Absoluten seine paradoxale Interpretation verliert und zureichend artikuliert werden 36

Auf genau diesen Punkt hat mein Vater Wolfgang Cramer in seinem Buch: Spinozas Philosophie des Absoluten. Frankfurt a. M. bei Klostermann. 1966, auf S. 36 auf lichtvolle Weise hingewiesen. „Der zweite Stein des Anstoßes war seine (scil. Spinozas) Lehre, daß Ausdehnung ein Attribut von Deus ist. Daß Denken ein Attribut von Deus ist, das war ganz in Ordnung. Aber: Gott ein körperliches Wesen! Lautet doch Proposition 1 in Ethik II ,Deus est res cogitans’ und Proposition 2 ,Deus est res extensa’. So steht zwar da, aber Spinoza verfehlt, wie Verf. meint, damit die Sache. Er kann seiner eigenen Sache nach nicht meinen, daß Deus Denken sei und daß Deus ausgedehnt sei. Die Attribute sind nicht attributive Bestimmungen von Deus, wie Denken ein Attribut der res cogitans des Descartes ist. ,Denken ist ein Attribut von Deus’ und ,Ausdehnung ist ein Attribut von Deus’ hätte es heißen sollen. Aber dies sagt gerade ,Deus non est res cogitans’ – und das hätte empören sollen – und ,Deus non est res extensa’ – und dies ist denn auch beruhigend.“ (Hvh. v. V.)

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kann. Die rationale Entfaltung einer solchen Begrifflichkeit ist von der Sache her gesehen ohnehin die Grundfrage aller All-Einheitsphilosophie, die sich von ,Mystik’ unterscheiden will. Denn sie ist nicht nur für eine angemessene Entwicklung der internen Struktur des Einzig-Einen vonnöten. Von ihr hängt auch ab, ob sich aus dem Begriff des EinzigEinen die Differenz von Einheit und Vielheit als All-Einheitsposition entwickeln läßt. VII Eine All-Einheitslehre muß das Viele und unsere Begriffe vom Vielen aus dem Gedanken der internen Bestimmtheit des Einzig-Einen entwickeln können. Dies kann auch so ausgedrückt werden: Der Gedanke der Differenz von Bestimmung und etwas von einer Bestimmung muß sich durch das Durchdenken des Gedankens der Indifferenz von Bestimmung und etwas von einer Bestimmung im Begriff des Einzig-Einen ergeben. Es muß in diesen Überlegungen offenbleiben, ob ein solches Theorieprogramm überhaupt ausführbar ist. Wenn es ausführbar sein soll, folgt jedoch schon aus der bloßen Formulierung dieses Programms selber, daß es gar nicht in sein Ziel kommen kann, wenn es die Differenz von Einheit und Vielheit selber als bloße Indifferenz zu denken unternimmt. Es charakterisiert die Traditionen der Mystik, Erfahrungen von der Indifferenz von Einem und Vielem als mögliche, wenngleich exzeptionelle Grunderfahrungen eines bewußten Lebens geltend zu machen. Ein solcher Erfahrungsanspruch läßt sich für Spinoza vor dem Forum der Vernunft ebenso wenig rechtfertigen wie die Formen der ,Theologia Negativa’. Die Position der All-Einheit ist im Gegenzug zur mystischen Schau der Indifferenz von Einem und Vielen gerade um willen der Eigenbedeutsamkeit des Vielen zu entwickeln. So ergibt sich bei näherem Zusehen, daß die eine im eigentlichen Wortsinn so zu nennende ,pantheistische’ Position kennzeichnenden Ausdrucksformen „Alles in Einem“ und „Eines in Allem“ oder „Eines ist Alles“ und „Alles ist Eines“ in Spinozas Ontologie keinen Ort besitzen. Zwar lehrt Spinoza in Lehrsatz XVIII von Ethik I: „Gott ist die immanente, aber nicht die transeunte Ursache aller Dinge.“37 Dies bedeutet, daß Gott die Ursache aller Dinge, aus deren Wesen ihre Existenz nicht folgt, auf eine Weise ist, die ihre Wirkungen, nämlich diese Dinge selbst, nicht außer sich setzt. Das Kausalitätsverhältnis zwischen der einzig-einen Substanz und ihren Modi ist das einer absoluten Immanenz der Modi in der Substanz. Aber eben dies bedeutet nicht, daß sich die von Gott als in ihm 37

Ethica I, Prop. XVIII: Deus est omnium rerum causa immanens, non vero transiens.

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bestehend bewirkten Dinge in keiner Weise von ihm unterscheiden. Eine Wirkung ist nicht identisch mit ihrer Ursache. Und was Ursache seiner selbst ist, setzt sich nicht auf die Weise voraus, wie eine Wirkung ihre Ursache voraussetzt. So ist zwar der Inbegriff der Attribute mit Gott als der einzig-einen Substanz identisch. Die Modi der Attribute, mithin alles, was in der einzig-einen Substanz als ihre Wirkung ist, sind jedoch nicht identisch mit dem, in dem sie sind. Sie sind in der Substanz als in dem Anderen ihrer selbst. So gilt im System des Spinozismus zwar, daß „Alles in Einem“ ist. Alles, was ist, ist entweder Substanz oder ihr Modus. Das Eine ist in dem Sinne in Einem, daß es ,in sich’ ist. Aber der Gesamtbereich all dessen, was in dem Einen als in einem Anderen ist, ist eben deshalb mit dem Einen, das in sich ist, nicht identifizierbar. Im geraden Gegenzug zu der These von der Indifferenz von Allem und Einem gilt: Wenn Alles in Einem ist, dann muß es gemäß der ersten in Abschnitt I aufgestellten Forderung Sinn machen, in Allem, was ist, eine Unterscheidung zwischen dem, was das Eine ist, und dem, was das ist, das in dem Einen als einem Anderen ist, zu machen. Das Eine selber ist als das Einzig-Eine zu bestimmen, als solches also, dessen numerische und qualitative Einheit nicht im Rekurs auf den Gedanken einer möglichen Vielzahl von Entitäten gleicher oder ungleicher Art bestimmt werden kann. Genau das Gegenteil aber gilt von allem Endlichen, das in dem Einen als seine Wirkung ist. Hieraus ergibt sich, daß die Relation des ,In-Seins’ keine gleichsinnige sein kann, wenn man sie auf die Relate ,Eines’ und ,Alles’ (was in dem Einen als einem Anderen ist) bezieht. Alles ist in Einem: das, was ist, aber nicht mit dem Einen identisch ist, ist in ihm; und das, was ist und mit dem Einen identisch ist, ist ebenfalls in ihm, nämlich in sich. Daraus folgt aber gerade, daß das Eine nicht in demjenigen ist, was in ihm als etwas anderes ist. Die Modi sind in der Substanz, aber die Substanz ist nicht in ihren Modi. So zeigt sich, daß die Redeweise, die besagt, daß das Eine in Allem ist, eine uneigentliche Redeweise ist. Sie verstellt gerade den möglichen rationalen Gehalt der Position der AllEinheit. Wäre nämlich das Eine so in dem Anderen, das in ihm ist, aber nicht mit ihm identisch ist, wie dies Andere durchgängig in dem Einen ist, dann wäre die Reflexion auf das Eine gänzlich unvermögend, ein Prinzip an die Hand zu geben, aus dem sich letztbegründet verstehen läßt, warum überhaupt Vieles ist. Soll es überhaupt Sinn machen, ,Alles’ als ,in Einem’ bestehend zu denken, kann es gerade keinen Sinn machen, das ,Eine’ als ,in Allem’ bestehend zu denken. Kein Element von Allem, das in dem Einen ist und mit dem Einen selber nicht identisch ist, enthält das Eine, in dem es ist, selber als etwas, das in ihm ist. Es ist diese Opposition gegen alle Mystik in der Tradition der AllEinheitslehre, die schon Spinozas Definitionen der Begriffe ,Substanz’ und ,Modus’ dirigiert. Modi sind etwas anderes als das, in dem sie sind. Daher ist das andere, in dem sie sind, das Eine, nicht in ihnen. Es manifestiert

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sich nur in ihnen als die in sich bleibende Ursache ihrer Existenz. Eine entsprechende Überlegung läßt sich gegen die identitätstheoretischen Implikationen der Ausdrücke „Alles ist Eines“ und „Eines ist Alles“ richten. Zwischen dem Einen, das nicht Element des Vielen ist, und allem, das Element des Vielen ist, herrscht in Spinozas Ontologie der All-Einheit ein einsinniges ontologisches Gefälle kausaler Immanenz. Für dieses Gefälle steht, formal betrachtet, die Einsinnigkeit der Bedeutung des Relationsausdrucks des ,In-Seins’ ein. In dem Ausdruck „X ist in Y“ läßt sich für X nur der Ausdruck ,Modus’, nicht aber der Ausdruck ,Substanz’, und für Y in letzter Instanz nur der Ausdruck ,Substanz’, nicht aber der Ausdruck ,Modus’ einsetzen. Es ist genau dieser formale Sachverhalt, auf Grund dessen sich Spinozas Ontologie der All-Einheit von Formen pantheistischer Metaphysik als Panentheismus unterscheidet. Das Viele und die zwischen Vielem herrschenden Relationen können aus einem letzten, unserem Anspruch auf wahrhafte Erkenntnis genügenden Grund nur dann, aber eben dann begriffen werden, wenn alles, was innerhalb unserer naturwüchsigen Ontologie als Einzelding und als die Differenz von Einzelding und Eigenschaft an ihm gilt, als unselbständiges Moment in Einem begriffen wird, aus dem es mit Notwendigkeit hervorgeht. Dieses Postulat zerstört zwar die Überzeugungen unserer naturwüchsigen Ontologie, denn sie entlarvt ihre Grundposition, daß unsere Bezugnahme auf Einzeldinge und deren Eigenschaften gerechtfertigter Weise unter der Bedingung der Differenz von Selbständigkeit und Unselbständigkeit, Substanzialität und Akzidentalität, steht, am Ende als Täuschung. Das heißt jedoch nicht, daß sie auch unsere Überzeugung, gerechtfertigter Weise auf das Viele als einen Inbegriff von Einzelnem unter Einzelnem bezugzunehmen, als Täuschung entlarvt. Das gerade Gegenteil ist der Fall. Spinozas Lehre von der All-Einheit ist nichts anderes als die Idee letztbegründeter Rechtfertigung des Vielen aus dem Einen. Was an diesem Versprechen des Spinozismus ist, müßte eine Rekonstruktion der begrifflichen Mittel lehren, die Spinoza dafür aufzubieten vermag, daß die eine Substanz nicht in der sie intern charakterisierenden Bestimmtheit – ihrer Identität mit allen Attributen – verharrt, sondern mit Notwendigkeit anderes als Attribute kraft dieser Attribute als Momente ihrer eigenen Bestimmtheit erzeugt. Daß es überhaupt so etwas wie eine Relation von Attributen und Modi in der Substanz gibt: dies auf eine Weise klar zu machen, die der Forderung nach vernünftiger Einsicht genügt, ist das weitere experimentum crucis von Spinozas Lehre von der All-Einheit.

Antonella Lang-Balestra: Varius multiplex multiformis – Die Lehre der individuellen Substanz im Discours de Métaphysique von Leibniz∗ Leibniz hat sich mehrfach über die Prinzipien seiner Metaphysik geäussert, und an einer interessanten Stelle sogar behauptet, dass derjenige, der in der Lage wäre, nur ein Einziges von seinen Prinzipien zu begreifen, auch seine ganze Philosophie erklären könnte.1 Der Substanzbegriff bei Leibniz stellt nur ein Prinzip seiner Philosophie dar, aber es handelt sich dabei um eines von einer solchen Art, dass dessen Verständnis und Analyse eine Rekonstruktion der wichtigsten Themen und Prinzipien von Leibnizens Philosophie und Metaphysik erlaubt. Das Anliegen dieses Beitrages besteht darin, sowohl die Zentralität der Leibnizschen Reflexion über die Substanz und den Substanzbegriff innerhalb seiner metaphysischen Ueberlegungen aufzuzeigen, als auch einige der wichtigsten Aspekte – sowohl unter logischem, als auch unter ontologischem Gesichtspunkt – der Lehre Leibnizens zur individuellen Substanz zu rekonstruieren. Anhand dieser Rekonstruktion soll die Reichweite dieser Lehre sichtbar werden, die auf eine Theorie der Kontingenz, der Willensfreiheit, der Person und einer originellen Lösung der Individuationsproblematik hinausläuft. Bekanntlich finden sich die philosophischen Erörterungen von Leibniz zerstreut in Briefen, Notizen und kleinen Schriften vor. Oft enthalten die kleinen Schriften auch Thesen und Gedanken, denen Leibniz in anderen kleinen Schriften widerspricht.2 ∗

Der vorliegende Beitrag besteht aus einem überarbeiteten Teil meiner Dissertation Kontingente Wahrheiten. Ein Beitrag zur Leibnizschen Metaphysik der Substanz, Königshausen & Neumann, Würzburg 2003. Der Beitrag enthält auch einen Anhang über „Leibniz’ Stufenmodell der Erkenntnis“, der von Herrn stud. phil. Jan Walker vom philosophischen Institut der Universität Bern verfasst worden ist. An dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn Walker für sein schönes Diagramm und seine Bereitschaft, es dem vorliegenden Aufsatz beizugeben, herzlich bedanken. – Das Diagramm zitiert Leibniz nach der Ausgabe von Schneider. 1 Vgl. GP II, 412: „Mea principia talia sunt, ut vix a se invicem divelli possint. Qui unum bene novit, omnia novit.” 2 Als ich noch meine Magisterarbeit am Leibniz-Archiv in Hannover verfasste, erklärte mir André Robinet, dass Leibniz oft Gedankenexperimente durchgeführt habe,

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Ich werde im Folgenden den Substanzbegriff und seine Tragweite anhand von Leibniz’ Disours de Métaphysique analysieren, und ich werde mich ferner auf den Briefwechsel mit Antoine Arnauld beziehen. Der Discours de Métaphysique (Abkürzung: DM), den Leibniz in den Jahren von 1685 bis 1686 verfasste, enthält bekannterweise die endgültige Formulierung seiner Lehre der individuellen Substanz. Leibniz strebte mit dieser Schrift auch das Gespräch mit dem bekannten Logiker und Theologen Antoine Arnauld an, dem Mitverfasser der Logique du Port Royal. Bis 1690 führte er in der Folge mit diesem den genannten Briefwechsel, der als „lebendiger Kommentar zur Metaphysischen Abhandlung“ gilt.3 1) Varius multiplex multiformis – Der Kontext des Leibnizschen Substanzbegriffs Im Februar 1686 schreibt Leibniz einen Brief an den Landgrafen Ernst von Hessen-Rheinfels, der den Auftrag von Leibniz bekommt, ein Kompendium seiner Metaphysik Arnauld zukommen zu lassen. Gleich am Anfang lesen wir: „Ich habe kürzlich (als ich an einem Ort war, wo ich während einiger Tage nichts zu tun hatte) eine kleine Abhandlung über Metaphysik geschrieben, worüber ich gerne die Meinung von Herrn Arnauld hören würde. Denn die Frage der Gnade, der Mitwirkung Gottes mit den Geschöpfen, der Natur der Wunder, der Ursache der Sünde und des Ursprungs des Uebels, der Unsterblichkeit der Seele, usw. sind dort auf eine Art und Weise dargestellt, die neue Anblicke zu geben scheint, die geeignet sind, sehr grosse Schwerigkeiten zu erhellen.“4

In dieser kleinen Bemerkung listet Leibniz alle Themen und Fragestellungen auf, die er Jahre später (1710) in seiner Theodizee behandeln wird.5 Die Definition der individuellen Substanz wie auch die Diskussion über ihre Natur stehen jedoch im Zentrum der Abhandlung (§§ VIII bis X). in denen einmal eine These aufgestellt und mit ihren Konsequenzen dargestellt wurde, ein andermal ihr Gegenteil. Das scheint mir eines der wesentlichen Merkmale des leibnizschen Philosophierens zu sein. Darüber hinaus sollte man bedenken, dass Leibniz seine Thesen gelegentlich seiner Briefwechsel mit den führenden Wissenschaftlern seiner Zeit entwickelt hat. Allerdings besagen solche Hinweise noch nichts über die Einheit seines Philosophierens. 3 Vgl. Schneider, 16. 4 In GP II, 11. Vgl. auch Schneider, 14. 5 Zu der leibnizschen Theodizee bzw. zur kritischen Rekonstruktion aller wichtigen Themen und Thesen von Leibniz zur Theodizeedebatte vgl. das schöne Buch von Gianfranco Mormino, Determinismo e utilitarismo nella Teodicea di Leibniz, Milano 2005.

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Im ersten Paragraphen des DM bezeichnet Leibniz Gott als absolut vollkommenes Wesen, d.h. als das Wesen, das im Besitz aller Vollkommenheiten ist. Als vollkommenstes Wesen handelt Gott auch konsequenterweise in der vollkommensten Weise. Der zweite Paragraph enthält die wichtige und viel diskutierte These, nach der die geschaffene Welt von Gottes Intellekt unabhängig ist. Diese These richtet Leibniz gegen Descartes und gegen diejenigen, die wie Descartes der Auffassung sind, dass „die Dinge der Welt nur aus dem Grund gut sind, dass Gott sie geschaffen hat“. Leibniz vielmehr spricht sich gegen den sog. „Voluntarismus“ (d.h. die These der Indifferenzfreiheit) aus und beansprucht eine Priorität der Vernunft bzw. des Intellektes über den Willen. Das Seiende geniesst demgegenüber eine eigene Autonomie auf Grund der Tatsache, dass Gott selbst nicht der Urheber seiner Ideen ist. Diese Ideen liegen nach Leibniz vielmehr in selbständiger Weise in Gottes Intellekt vor (und darin besteht die zur cartesianischen Position im Gegensatz befindliche These von Leibniz, nach der die „ewigen Wahrheiten“, d.h. die Wahrheiten der Metaphysik, der Mathematik und der Geometrie, nicht von Gott erschaffen sind).6 Im dritten Parapraphen verstärkt Leibniz seine These gegen die Indifferenzfreiheit, d.h. „gegen diejenigen, die glauben, Gott hätte es besser machen können“, und behauptet dagegen, dass die Freiheit Gottes darin besteht, der vollkommenen Vernunft gemäss in Vollkommenheit zu handeln. Gleichbedeutend heisst das, dass es unmöglich ist, dass Gott ohne Grund handelt. Den Paragraphen IV widmet Leibniz der Liebe, die Gott für die geschaffene Welt hat. Die Liebe versteht Leibniz als eine verbindende Kraft, die die individuellen Substanzen untereinander und mit Gott in Beziehung setzt.7 In den Paragraphen V, VI und VII behandelt Leibniz das Thema der Ordnung und der Vollkommenheit der Welt: Themen, welche die zentralen leibnizschen Thesen zur Harmonie und zur prästabilierten Harmonie entfalten. Im Paragraphen V erklärt Leibniz, worin die Regeln der Vollkommenheit bestehen: sie bestehen in der Einfachheit der Wege und im Reichtum der Wirkungen. Das Ergebnis bildet eine Welt, die die

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Mit den Worten von Leibniz: „Deshalb finde ich die Aussage einiger Philosophen befremdlich, dass die ewigen Wahrheiten der Metaphysik oder der Geometrie (und folglich auch die Regeln der Güte, der Gerechtigkeit und der Vollkommenheit) nichts als Wirkungen des göttlichen Willens seien; stattdessen scheint mir, dass sie Folgen seiner Verstandes sind, der sicherlich ebensowenig wie sein Wesen von seinem Willen abhängig sind“. 7 Vgl. dazu Paul Rateau (2003), „L’amour : identité et expression“. In: Studia Leibniziana, Band 35, 53-68.

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vollkommenste ist, weil sie auch die „einfachste an Hypothesen ist, und die reichhaltigste an Erscheinungen“.8 Im Paragraphen VIII schliesslich wird das Thema der individuellen Substanzen eingeführt, mit der Begründung, man müsse die Handlungen der Kreaturen von den Handlungen Gottes unterscheiden. 2) Varius multiplex multiformis – Kurze Darstellung der Leibnizschen Substanzdefinition im DM Betrachten wir jetzt die endgültige Definition der Natur einer individuellen Substanz, wie Leibniz sie bekannterweise im Paragraphen VIII des DM angibt. Sie lautet: „So muss der Term des Subjekts immer den des Prädikats einschliessen, so dass derjenige, der den Begriff des Subjekts vollkommen verstünde, auch urteilen könnte, dass ihm dieses Prädikat zukommt. Da es sich so verhält, können wir sagen, dass die Natur einer individuellen Substanz oder eines vollständigen Seienden darin besteht, einen derart vollständigen Begriff zu haben, dass es zureicht, alle Prädikate des Subjekts, dem dieser Begriff zugesprochen wird, zu enthalten und daraus herleiten zu lassen“.9

Aus dieser Definition geht hervor, dass der enge Zusammenhang zwischen der Bestimmung der Natur einer individuellen Substanz und Leibniz’ Theorie der Wahrheit über den Begriff der notio completa geregelt ist, und zwar so, dass die Natur der Substanz als eines ‚vollständigen Seienden’ darin besteht, einen derart vollständigen Begriff zu besitzen, dass er zureicht, alle Prädikate, die diesem Gegenstand beigelegt werden, zu erkennen und daraus zu deduzieren. In bezug auf Existierendes soll dies, so Leibniz gegenüber Arnauld, bedeuten:

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Die These der Vielfalt und Verschiedenheit der Wirkungen gemäss der Einfachheit der Gesetze, durch die Gott die Welt schafft, findet sich exemplarisch bei Malebranche in seiner Traité de la Nature et de la Grâce ausgedrückt: „Dieu découvrant dans les thrésors de sa sagesse une infinité de Mondes possibles, comme de suites necessaires des loix des mouvements qu’il pouvait établir, s’est déterminé à créer celui qui auroit pû se produir et se conserver par les loix les plus simples, ou qui devoit ètre le plus parfait, par rapport à la simplicité des voyes necessaires à la production, ou à la conservation.“ In : Malebranche, Traité de la Nature et de la Grâce (1680-1712), Paris, 1976, I, XIII. 9 In: A VI, IV, 1540. Vgl. für die deutsche Uebersetzung Schneider, S. 21.

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„En consultant la notion que j’ay de toute proposition veritable, je trouve que tout predicat necessaire ou contingent, passé, present ou futur, est compris dans la notion du sujet.“10 „Disant que la notion individuelle d’Adam enferme tout ce qui luy arrivera à jamais, je ne veux dire autre chose, si non ce que tous les philosophes entendent en disant praedicatum inest subjecto verae propositionis.“11

Der Subjektbegriff einer singulären Aussage besteht somit in der notio completa der individuellen Substanz. Die Wahrheit einer solchen Aussage wird durch die Analyse dieser notio entschieden. Mehr noch: Leibniz behauptet, dass die Wahrheit einer jeden Aussage über die individuelle Substanz aus der Analyse dieser notio completa, d.h. aus ihrem Subjektbegriff, hervorgeht, inwiefern jedes Prädikat, das wahrheitsgemäss ausgesagt werden kann, in diesem Begriff enthalten ist („est compris“). An derselben Stelle des DM fasst Leibniz die Relation des inesse als grundlegendes und konstitutives Prinzip für die Theorie der individuellen Substanz auf. Der Paragraph VIII enthält folgende Erklärung: „Es ist wohl richtig, wenn mehrere Prädikate demselben Subjekt zugesprochen werden, und wenn dieses Subjekt selbst keinem anderen mehr zugesprochen wird, dass man es eine individuelle Substanz nennt; doch genügt dies nicht, und eine solche Erklärung ist nur eine Worterklärung. Folglich muss man erwägen, was es bedeutet, dass etwas einem gewissen Subjekt in Wahrheit zugesprochen wird. Nun steht fest, dass jede wahre Prädikation eine Begründung in der Natur der Dinge hat, und wenn ein Satz nicht identisch, d.h. wenn das Prädikat nicht ausdrücklich im Subjekt enthalten ist, so muss es doch virtuell in ihm enthalten sein. Die Philosophen nennen das inesse.“12

An dieser Stelle werden zwei Unterscheidungen vorgenommen, die beide Leibniz’ Verständnis von „inesse“ in der Anwendung auf singuläre Aussagen erläutern sollen. a) Im Gegensatz zu einer Definition, die die individuelle Substanz nur nach ihrer Funktion für Sätze begreift, nämlich lediglich Substrat von Aussagen zu sein und nicht selbst von etwas ausgesagt zu werden, und somit bloss „nominal“ ist, lässt sich eine Definition abheben, die angibt, 10

In: GP II, 46: „Indem ich den Begriff, den ich von jeder wahren Aussage habe, finde ich, dass jedes Prädikat, ob notwendig oder kontingent, vergangen, gegenwärtig oder zukünftig, im Subjektbegriff der Aussage enthalten ist.“ (Meine Übersetzung) – Hier tritt die Frage auf, ob Leibniz’ Definition auch für Aussagen mit negativen Prädikaten gilt. 11 In: GP II, 43: „Wenn ich sage, dass der Begriff von Adam alles das einschliesst, was ihm jemals widerfahren wird, dann will ich damit nichts anderes sagen, als was alle Philosophen meinen, wenn sie sagen: praedicatum inest subjecto verae praepositionis.“ (Meine Übersetzung) 12 In: A VI, IV, 1540. Uebersetzt von Schneider, S. 19.

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was es wirklich bedeutet, dass Prädikate einem Subjekt wahrheitsgemäss beigelegt werden (Nominal- vs. Realdefinition der Substanzen).13 b) Denn da jede Prädikation eine Grundlage in der „Natur der Dinge“ (nature des choses) hat, muss das Prädikat auch dann im Subjektbegriff enthalten sein, wenn dies nicht ausdrücklich der Fall ist („inesse“ virtuellement vs. expressement). Die Entgegensetzung von Real- und Nominaldefinition und die Redeweise von der „nature des choses“ weisen schon darauf hin, dass das Problem der individuellen Substanz und ihres Begriffs nicht nur einen epistemischen, sondern auch einen ontologischen Aspekt hat. Betrachten wir den Text. Die Schwierigkeit des Gedankens liegt darin zu interpretieren, was Leibniz mit: „toute predication veritable a quelque fondement dans la nature des choses“ meint.14 Deutlich ist aber seine Bezugnahme auf die logische Theorie der Prädikation, derzufolge bei identischen Sätzen das Prädikat im Subjektbegriff ‚expressement’ enthalten ist, wobei ‚expressement’ heisst, dass eine zum Ausdruck gebrachte Identität vorliegt. Zu Sätzen, die nicht ‚expressement’ als identisch zu bezeichen sind, sagt Leibniz, dass es sich um Sätze handelt, in denen das Prädikat im Subjektbegriff ‚virtuellement’ enthalten ist, wobei die Interpretation dieses ‚virtuellement’ die entscheidende Frage in der ganzen Angelegenheit darstellt. Nun ist Leibniz der Auffassung, dass die reale Definition einer Substanz zu liefern bedeutet, ihre Natur zu bestimmen. Die Natur einer individuellen Substanz aber besteht in erster Linie darin, eine „notion“ zu besitzen. Also heisst die reale Definition einer Substanz zu bestimmen, ihre „notion“ zu verstehen. „Verstehen“ heisst erkennen, dass das Prädikat, sei es ‚expressement’, sei es virtuell, Bestandteil der notion ist (was „die Philosophen ‚inesse’ nennen“). Was aber heisst es, dass das Prädikat in einem Subjektbegriff „virtuell“ eingeschlossen ist? Leibniz’ folgende Bestimmung verweist nicht auf einen besonderen Typ des Enthaltenseins, sondern auf einen Typ von Begriffen. „Wir können sagen, dass die Natur einer individuellen Substanz oder eines vollständigen Seienden darin besteht, einen derart vollständigen Begriff zu haben, dass er zureicht, alle Prädikate des Subjekts, dem dieser Begriff zugesprochen wird, zu enthalten und daraus herleiten zu lassen“.15 13

Zur Leistungsfähigkeit von Nominal- bzw. Realdefinitionen, siehe den Anhang zu diesem Beitrag. 14 In: A VI, IV, 1540. – Dass jede wahre Prädikation ein Fundament in der Natur der Dinge haben soll, könnte als ein Versuch Leibnizens verstanden werden, die klassische Theorie der Wahrheit als Korrespondenz mit seiner Definition der Wahrheit als Enthaltensein des Prädikats im Subjektbegriff in Einklang zu bringen; wichtig ist jedoch zu bemerken, dass Leibniz an dieser Stelle darauf hinweist, dass sein System in Raum und Zeit existierende Einzeldinge einschliesst. 15 In: A VI, IV, 1540. Vgl. Schneider, 21.

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„Vollständig“ ist der Begriff wegen des umfassenden Geltungsbereiches zu nennen, den die Enthaltenseinsrelation für Aussagen über den durch den Begriff bezeichneten Gegenstand besitzt, auch wenn sich solche Aussagen nicht prinzipiell von Aussagen, die aus der Definition von Allgemeinbegriffen folgen, unterscheiden. Vgl. die Definition, die Leibniz an einer anderen Stelle des DM (§ XIII) gibt : „Nous avons dit que la notion d’une substance individuelle enferme une fois par toutes tout ce qui luy peut jamais arriver, et qu’en considerant cette notion, on peut y voir tout ce qui se pourra veritablement enoncer d’elle; comme nous pouvons voir dans la nature du cercle toutes les proprietés qu’on en peut deduire.“16 Die Analogie, die Leibniz hier zwischen dem Begriff einer individuellen Substanz und dem Begriff eines Kreises bildet, soll nicht auf inhaltliche Differenzen hinweisen: vielmehr geht es ihm darum zu spezifizieren, was mit der Bezugnahme auf den Ausdruck „Begriff von...“ gemeint ist. Gemeint ist nämlich unser epistemischer Zugang: durch die Betrachtung des Begriffes einer individuellen Substanz lassen sich alle Bestimmungen ‚deduzieren’, welche diesem Gegenstand zukommen. Was hier mit „verstehen“ und „deduzieren“ von Bestimmungen gemeint ist, erläutert Leibniz exemplarisch in § VIII des DM, bezeichnenderweise anhand der Perspektive, die Gott bzgl. einer individuellen Substanz hat: „Wenn Gott dagegen den individuellen Begriff oder die Diesheit von Alexander schaut, so sieht er darin zugleich die Begründung und den Grund für alle Prädikate, die sich von ihm in Wahrheit aussagen lassen, wie beispielsweise dass er Darius und Porus besiegen wird; er erkennt sogar a priori (und nicht aus Erfahrung), ob er eines natürlichen Todes oder durch Gift gestorben ist, was wir nur aus der Geschichte wissen können.“17

Zumindest Gott also verfügt vermittelst der notio completa über eine vollkommene Erkenntnis von Alexander. Allerdings wird diese Erkenntnis nicht einfach mit der vollkommenen Erkenntnis Gottes dessen, was im Begriff ‚Alexander’ enthalten ist, gleichgesetzt, sondern Leibniz behauptet, dass die Erkenntnis des Begriffs zugleich die Erkenntnis der ratio (fondement et raison) aller Prädikate bedeutet, die Alexander wahrheitsgemäss beigelegt werden können. Die Erkenntnis dieses Grundes ist dann eine apriorische, von aller Erfahrung unabhängige Erkenntnis von Alexander, die im Zurückführen jeder wahrheitsgemässen Prädikation auf 16

In: A VI, IV, 1546. Vgl. Schneider, 31: „Wir haben gesagt, der Begriff einer individuellen Substanz schliesse ein für allemal alles ein, was ihr jemals widerfahren kann, und dass man, wenn man diesen Begriff betrachtet, alles aus ihm ersehen kann, was von ihr in Wahrheit ausgesagt werden könne, so wie wir aus der Natur des Kreises alle Eigenschaften ersehen können, die man daraus ableiten kann.“. 17 Ibid. 1540-1541. Schneider, 21.

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einen letzten Grund beruht. Das aber bedeutet etwa auch, dass Gott alles im voraus sieht, was Alexander jemals widerfahren ist und widerfahren wird (so Leibniz gegenüber Arnauld): „Comme la notion de chaque personne enferme une fois par toutes ce qui luy arrivera à jamais, on y voit les preuves à priori ou raison de la verité de chaque evenement, ou pourqui l’un est arrivé plustot que l’autre.“18 Leibniz verbindet in diesem kurzen Gedankengang die Auffassung der individuellen Substanz als ‚notio completa’ mit der Problematik der ‚praescientia Dei’.19 Was man sich darunter vorstellen kann, deutet Leibniz in einer änigmatischen, wenn auch typisch leibnizschen Formulierung mit Blick auf die „Seele“ einer individuellen Substanz an (Schlussfolgerung des § VIII des DM): „Wenn man so die Verknüpfung der Dinge recht betrachtet, kann man sagen, dass es in der Seele Alexanders jederzeit Reste alles dessen gibt, was ihm widerfahren ist und Kennzeichen für alles, was ihm widerfahren wird, ja sogar Spuren von allem, was im Universum geschieht, wenngleich es nur Gott allein zukommt, dies alles zu erkennen.“20

3) Varius multiplex multiformis – Der Begriff einer „notio completa“ Der Begriff der individuellen Substanz, als Begriff, zieht die epistemologische These nach sich, dass es allein aus seiner Analyse heraus immer möglich ist, alle Prädikate zu verstehen und zu deduzieren, die von der Substanz wahrerweise ausgesagt werden können. Diese Verfahrensweise, kraft deren wir (oder Gott) über den Begriff eines Individuums reden können, ist verbunden mit der Tatsache, dass ein Individuum existiert (oder existiert hat), dessen Seele „die Reste alles dessen, was ihm widerfahren ist und Kennzeichnen für alles, was ihm widerfahren wird“ enthält. Und diese von Leibniz formulierte These scheint es zu sein, die dann der Auffassung der individuellen Substanz als ‚notio completa’ zugrundeliegt. Leibniz vertritt hier offensichtlich die Ansicht, dass zwischen dem Begriff einer individuellen Substanz und der 18

GP II, 12: „Da der Begriff einer jeden Person ein für alle Mal alles das einschliesst, was ihr je widerfahren wird, sieht man hieraus die Beweise a priori respektive den Grund der Wahrheit eines jeden Ereignisses, oder warum das eine sich eher als das andere ereignet.“ (Meine Übersetzung) 19 Allerdings ist es interessant zu bemerken, dass Leibniz in dem zuletzt zitierten Text nicht primär von der Erkenntnis spricht, die Gott von einer individuellen Substanz hat („on y voit“). Auch dies deutet darauf hin, dass Leibniz diese Erkenntnis Gott nicht aus prinzipiellen Gründen vorbehalten hat, sondern lediglich, dass der Verstand des Menschen de facto nicht fähig ist, die notio completa vollständig zu analysieren. 20 In: A VI, IV, 1541. Schneider, 21.

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individuellen Substanz selbst eine derart weitgehende Entsprechung besteht, dass die Verbindung zwischen Widerfahrnissen einer Substanz in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die Gott einer Betrachtung der notio completa entnimmt, um die Substanz vollständig zu erkennen, auch in der individuellen Substanz als solcher repräsentiert ist. Denn dies meint die Rede von einer Seele, die Reste dessen, was ihr widerfahren ist, und Zeichen dessen, was ihr widerfahren wird, und somit Spuren dessen, was sich im ganzen Universum ereignet, enthält. Nach Leibniz’ Auffassung sind Begriffe von Individuellem als vollständig aufzufassen. Denn nur solche Begriffe enthalten nicht nur wesentliche Attribute, die einer Substanz beizulegen sind, sondern auch akzidentielle. Analog dazu sind alle universellen Begriffe volle Begriffe. Nun suggeriert diese Behauptung, dass vollständige Begriffe auf alles angewandt werden können, was eine singuläre Substanz im Sinne des aristotelischen tode ti darstellt. Jedoch stellt eine individuelle Substanz der Tradition nach nicht nur ein Einzelding dar, sondern zumeist auch ein Subjekt, eine Person, und Leibniz’ fast durchgängige Wahl von Eigennamen zur Bezeichnung von Individuen (‚Adam’, ‚Alexander’, ‚Caesar’) legt nahe, dass auch für ihn eine solche Tradition gilt. Der Wert des Beispieles läge somit eher darin, dass es den Sachverhalt illustriert, der für die notio completa kennzeichnend ist: dass eine notio completa imstande ist, ihren Referenten vollständig zu bestimmen. Was das Primäre in Einzeldingen anlangt, so liegt es in der Potentialität, das ganze Universum auf besondere Art und Weise auszudrücken (Leibniz’ These der „expressio“). Für alle individuellen Substanzen gilt nämlich, dass sie ein Spiel von Verweisen mit anderen Einzeldingen, d.h. mit der Aussenwelt umfassen. Leibniz’ Absicht mit dieser These ist in erster Linie, den traditionellen Substanzbegriff, der sich auf die Betrachtung von Form und Materie reduzieren liess, zu erweitern auf relationale Bezüge zu den Kontexten, in denen Substanzen vorkommen, welche aber nicht in der Dinghaftigkeit der Substanzen selbst repräsentiert sind. Aber wie lässt sich dies denken? Nun interpretiert man im allgemeinen den Leibnizschen vollständigen Begriff so, dass er die Summe aller primitiven oder einfachen Prädikate, die einer individuellen Substanz zukommen, d.h. die Summe derjenigen Prädikate, die nicht in einfachere Attribute analysiert werden können, darstellt. Diese Deutung bietet eine Erklärung dafür, was Leibniz mit dem „Deduzieren“ von Attributen einer individuellen Substanz meinen könnte (erinnern wir uns daran, dass Leibniz den vollständigen Begriff so definiert hat, dass man aus ihm alle Prädikate verstehen und deduzieren kann, die vom Subjekt ausgesagt werden, dem ein solcher Begriff beigelegt wird). Durch ein solches „Deduzieren“ komplexerer Begriffe aus einfacheren bzw. durch die darin einbeschlossene Möglichkeit der Analyse der

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komplexen Begriffe in die einfachen ergibt sich erst die Voraussetzung dafür, das Enthaltensein oder Nicht-Enthaltensein von Prädikaten im Subjektbegriff zu verifizieren. Wenn man notio completa und individuelle Substanz gleichsetzt, dann müssten sich aus den Elementarbegriffen der notio completa alle Prädikate gewinnen lassen, die von der individuellen Substanz überhaupt wahrerweise ausgesagt werden können, wenn aber nicht, dann müsste sich mit Rekurs auf die Elementarbegriffe zeigen lassen, dass es eine Differenz zwischen den Eigenschaften oder Zuständen der individuellen Substanz und den Merkmalen im Begriff ihrer notio completa gibt. Betrachten wir z.B. einen Satz wie: „Alexander besiegte Darius und Porus.“ Der Prädikatbegriff „besiegte Darius und Porus“ enthält neben der Beschreibung der Handlung auch eine zeitliche Bestimmung, nämlich die, dass die Handlung in der Vergangenheit stattgefunden hat. Es hat aber eine Zeit gegeben, in der vom Individuum Alexander allein ausgesagt werden konnte, dass er Darius und Porus einmal besiegen wird, wie es auch eine Zeit gab, in der gesagt werden musste, dass Alexander Darius und Porus gegenwärtig besiegt. Die Seele Alexanders wird als der Ort bezeichnet, in dem sich der vollständige Begriff der Substanz ‚Alexander’ spiegelt. Wichtiger aber ist, dass in dieser Spiegelung Reste seiner Vergangenheit und Zeichen seiner Zukunft enthalten sind, ebenso wie die Spuren des ganzen Universums. Damit die Rede von „vergangenen“ und „zukünftigen“ Geschehnissen oder Zuständen nicht gegenstandslos bleibt, muss man zeitliche Indizierungen in den Begriff der notio completa einbeziehen. Betrachtet man dagegen die notio completa als ‚timeless concept’,21 dann wäre es sowohl unmöglich, den faktischen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Ereignissen innerhalb der leibnizschen Konzeption zu begreifen, als auch die für Leibniz selber so wichtige Problematik der contingentia futura angemessen zu berücksichtigen. Denn das Prädikat, etwa ‚König sein’, ist im vollständigen Begriff von Alexander nicht in derselben Weise enthalten, wie z.B. das Merkmal ‚Lebewesen’ im Begriff ‚Mensch’ enthalten ist. Vielmehr müsste man sagen, dass die Eigenschaft ‚König zu sein’ mit jedem Zustand von Alexander dem Grossen im Jahre 335 verbunden ist:22 ‚A (im Zustand t) enthält B’ (kurz: ‚A(t) ist B’) wäre mithin die korrekte Interpretation von ‚A ist B’. Damit man aber auch Sätze der Form ‚ist König im Jahre 330’ bilden kann, schlage ich die Interpretation des Satzes ‚A ist B’ als: ‚A(t) ist B(t)’ vor. Für solche Sätze ist nämlich der Zeitbezug auch Bestandteil des Prädikatbegriffes, wie es sich grammatisch ja auch verhält. 21 22

Vgl. Parkinson (1965). In: Mates (1986), 87.

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Allerdings gelangt man mit dieser Interpretation über das Verständnis des vollständigen Begriffs als Aggregat von Prädikaten nicht hinaus.23 Wir wollen eine individuelle Substanz durch die notio completa denken. Damit dies möglich ist, muss sichergestellt sein, dass wir durch die notio nur diesen und keinen anderen Gegenstand denken. Also muss durch die notio der Gegenstand auch identifiziert werden können. Nun können Allgemeinbegriffe, welche die notiones plenae darstellen, Individuen nicht identifizieren. Wenn also die notio completa ein Individuum identifizieren können soll, dann kann sie nicht als ein Allgemeinbegriff im Sinne der notio plena gedacht werden. Es lässt sich überlegen, ob sie sich von einem „normalen“ Allgemeinbegriff nur graduell unterscheidet, so dass sie etwa als ein hinreichend komplexer Allgemeinbegriff die Identifikationsleistung durchaus zu leisten imstande wäre.24 Dies würde natürlich darauf hinaus laufen, dass sich notio completa und notio plena nicht als Begriffstypen unterscheiden, sondern lediglich durch ihren Grad an Komplexität resp. durch die Menge der in ihnen als Teilbegriffe verbundenen Allgemeinbegriffe. Dann wäre die notio completa nur ein Sonderfall der notio plena, ein derart reicher Allgemeinbegriff, dass nur ein Individuum oder gar nur genau ein Individuum unter diesen Begriff fällt. So liesse sich die These vertreten, dass es nach Leibniz für jedes Individuum eine Beschreibung in ausschliesslich allgemeinen Begriffen gibt.25 23

Die Frage nach den Zeitbezügen ist auch ein schönes Beispiel dafür, wie sich Interpreten wie Parkinson und andere bemühen, eine Interpretation zu liefern, die nicht anzunehmen braucht, dass die Leibnizsche individuelle Substanz in der Summe ihrer Eigenschaften besteht. So eine Deutung wäre nämlich auch deshalb nicht wünschenswert, weil sie das heikle Problem der Kontingenz aufwürfe. Die Problematik, die diese Forscher vor Augen haben, kann allgemein so formuliert werden: Wenn die Substanz in der Summe aller ihrer Eigenschaften besteht, und die Relation des Enthaltenseins des Prädikats im Subjektbegriff als Sachverhalt verstanden wird, dass eine Eigenschaft, die von einer Person prädiziert wird, in der Person selber „enthalten“ ist, dann ergäbe sich daraus, dass die Person die Eigenschaften notwendigerweise besässe, die sie besitzt, und Kontingenz wäre innerhalb der Leibnizschen Metaphysik nicht mehr zu begründen. 24 So z.B. Clifford Brown (1990), 37: „‚King’ taken as an abstracted term obviously does not identify Alexander. But it might seem plausible to suppose that on Leibniz’s position a sufficiently lengthy conjunction of such general terms would identify an individual.“ 25 Vgl. Strawson (1959), 120: „It is necessarily true that there exists, for every individual, some description in pureley universal, or general, terms, such that only that individual answers to the description (...) he (Leibniz) could specify a type of purely general description, such that no more than one monad, or basic individual, could answer to any description of that type. He thought that he could specify the type of description in question, but not that he could actually give any such description; for only God could do that. A description of this type was what he sometimes called a

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4) Varius multiplex multiformis – Substantialität versus Individualität Die Analyse verschiedener Aspekte, welche die Leibnizsche Lehre der individuellen Substanz sowohl in ontologischer als auch in epistemischer Hinsicht betreffen, wirft die Frage auf, ob diese Lehre auch eine Theorie des Individuums und der Individualität einschliesst. Diese Frage kann aber nur beantwortet werden, wenn man noch einen weiteren Schritt vollzieht, und das Leibnizsche Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren („principium identitatis indiscernibilium“) und seine Konsequenzen in die Betrachtung zieht. Betrachten wir in einem ersten Schritt das Prinzip in seiner allgemeinen Formulierung. In einem zweiten Schritt werden wir dann die Argumente analysieren, die Strawson gegen die Leibnizsche Lehre aufbietet. Das Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren – wir nennen es PII – besagt in seiner allgemeinen Formulierung, dass der Fall unmöglich ist, dass zwei Substanzen nur numerisch verschieden sind; es gibt einige Stellen, wo dieses Prinzip zum Ausdruck kommt. Im Paragraphen IX des DM heisst es: „Jede Einzelsubstanz drückt das ganze Universum auf ihre Weise aus, und in ihrem Begriff sind alle ihre Ereignisse mit allen ihren Umständen enthalten sowie die ganze Folge der äusseren Dinge. Hieraus folgen mehrere beträchtliche Paradoxa, so u.a. dass es nicht wahr ist, dass zwei Substanzen sich völlig ähneln und nur der Zahl nach verschieden sind und dass, was Thomas von Aquin in diesem Punkte von den Engeln oder reinen Verstandwesen versichert (quod ibi omne individuum sit specie infima) für alle Substanzen zutrifft.“26

Nach dieser Stelle lässt Leibniz das PII aus seiner Lehre der „expressio“ folgen. Betrachten wir aber noch zwei andere Stellen: „Cette supposition de deux indiscernables, comme de deux portions de matiere qui conviennent parfaitement entre elles, paroist possible en termes abstraits; mais elle n’est point compatible avec l’ordre des choses, ny avec la sagesse Divine, où rien n’est admis sans raison.“27 „Sequitur etiam hinc non dari posse in natura duas res singulares solo numero differentes. Utique enim oportet rationem reddi posse cur sint diversae, quae ex aliqua ‚complete notion’ of an individual. It was characteristic of a description of this type that it was a description of the entire universe.“ 26 DM, in: A VI, IV, 1541. Schneider, 21. 27 In: GP VII, 394: „Diese Unterstellung von zwei Ununterscheidbaren, wie zwei Materieteilen, die einander vollständig entsprechen, erscheint der abstrakten Betrachtung möglich. Aber sie ist weder mit der Ordnung der Dinge, noch mit der göttlichen Weisheit vereinbar, wo nichts ohne Grund zugelassen ist.“ (Meine Übersetzung)

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in ipsis differentia petenda est. (...) Sequitur etiam nullas dari denominationes pure extrinsecas, quae nullum prorsus habeant fundamentum in ipsa re denominata. Oportet enim ut notio subjecti denominati involvat notionem praedicati. Et proinde quoties mutatur denominatio rei, oportet aliquem fieri variationem in ipsa re.“28

Man fragt sich, ob nach Leibniz eine absolute Notwendigkeit für den Sachverhalt besteht, dass zwei Substanzen voneinander qualitativ verschieden sind. Vom Erfahrungsstandpunkt lässt sich sowohl die Behauptung aufstellen, dass es keine zwei absolut identischen Substanzen gibt29, als auch, dass dies durchaus möglich wäre. Denn es liesse sich sagen, dass die Erfahrung zwar nahelegt, dass es zwei absolut identische Substanzen nicht gibt, dass aber für diesen Sachverhalt keine logische Notwendigkeit besteht. Wenn prima facie für die Begründung der Geltung von PII keine logische Notwendigkeit vorliegt, wie argumentiert Leibniz dann? Leibniz rekurriert für die Begründung von PII einmal auf das Prinzip des zureichenden Grundes: Wenn es zwei Substanzen gäbe, die in allen Hinsichten identisch wären, dann sollte sich ein Grund dafür angeben lassen, warum sie gleichwohl nicht dieselbe Substanz sind. Nun ist es eine kontingente Wahrheit, dass es keinen zureichenden Grund gibt für die Annahme einer nur numerischen Differenz zweier Substanzen. Denn nach Leibniz hat Gott keinen Grund gehabt, zwei absolut identische Substanzen zu schaffen. Leibniz begründet hierfür PII mit Rekurs auf die göttliche Weisheit. „Weisheit“ bezieht sich auf die Konzeption der Harmonie, wonach der Weise die grösste Verschiedenheit mit einfachen Gesetzen („l’ordre des choses“) schafft.30 Die andere Begründung für PII liegt aber darin, dass nach Leibniz der Grund der Verschiedenheit sowie der Grund für jede beliebige Änderung („actiones“ oder „passiones“) der Substanzen in ihnen selbst liegt. Hier bringt Leibniz grundsätzlich zwei Sachverhalte zusammen: Das PII, welches die Annahme einer nur numerischen Verschiedenheit zweier 28

Primae veritates, in: A VI, IV, 1645-1646: „Es folgt aber daraus, dass in der Natur nicht zwei einzelne Dinge vorkommen können, die nur der Zahl nach verschieden sind. Jedenfalls ist es erforderlich, dass ein Grund dafür angegeben werden kann, warum sie verschieden sind, welcher aus der Differenz herrühren muss, die in ihnen selber gesucht werden muss ... Es folgt vielmehr, dass keine rein äusserlichen Beschreibungen gegeben werden können, die nicht wiederum ihre Grundlage in der beschriebenen Sache selber haben. Denn es erfordert, dass der Begriff des beschriebenen Subjektes den Prädikatbegriff einschliesst. Und daher ist nötig, dass, sooft sich die Beschreibung der Sache ändert, auch irgendeine Veränderung in der Sache selbst stattfinde.“ (Meine Übersetzung) 29 Leibniz macht tatsächlich von der Empirie Gebrauch, um zu zeigen, dass es zwei absolut identische Dinge nicht gibt. Bekannt ist die intensive Suche, die Leibniz im Garten von Herrenhausen provoziert hat, um zwei identische Blätter zu finden. 30 Es handelt sich hierbei um die These von der Vielfalt oder Verschiedenheit der Wirkungen gemäss der Einfachheit der Gesetze, auf die bereits am Anfang dieses Beitrages hingewiesen worden ist.

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Substanzen ausschliesst, und die Auffassung, dass „äusserlichen“ Differenzen von Gegenständen oder ihren Zuständen „innerliche“ Differenzen (in ipsa re) entsprechen.31 Bezüglich PII ergibt sich zusammenfassend, dass Leibniz zwei grundlegende Argumente für seine Annahme gibt: Das eine Argument behauptet, dass der Grund von PII in der göttlichen Weisheit besteht, eine Welt mit der grössten Vielfältigkeit zu schaffen. Mit anderen Worten: der Grund für PII findet sich in dem leibnizschen „Prinzip des Besten“. Das zweite Argument besagt, dass der Grund der Verschiedenheit zweier Substanzen in den Substanzen selbst liegt, da die Substanz durch ihren vollständigen Begriff „individualisiert“ wird. Folgt man nun der ersten Begründung, dann wäre PII ein kontingentes Prinzip, während es im zweiten Fall ein logisches Prinzip bzw. eine notwendige Folge wäre. Strawson formuliert einen gewichtigen Einwand gegen Leibnizens Theorie der Charakterisierung eines Gegenstandes in rein allgemeinen Begriffen, welche, da sie die Grundlage der Geltung für PII ist, auch dieses Prinzip betrifft. Leibnizens Theorie erfordert ja, dass Einzeldinge eindeutig vermittelst ihrer Beschreibung identifiziert werden können. Damit dies möglich ist, muss der Fall einer identischen Beschreibung zweier oder mehrerer Gegenstände ausgeschlossen werden. Laut Strawson kann Leibniz das aber nicht garantieren. Folgender Fall ist nämlich denkbar: Für Leibniz impliziert die Beschreibung eines Gegenstandes zugleich die Beschreibung des ganzen Universums vom „Gesichtspunkt“ dieses Gegenstandes aus. Diesen „Gesichtspunkt“ interpretiert Strawson im Falle unserer raumzeitlich organisierten Welt so, dass vom Gegenstand aus eine räumlich ausgedehnte Szene betrachtet werden kann. Er gibt nun ein Beispiel, wonach eine Welt möglich ist, in der es mehr als einen derartigen Gesichtspunkt mit derselben Szene geben kann (vgl. das Schachbrettbeispiel in Kap. 4 von Individuals). Das aber würde bedeuten, das der Gesichtspunkt als Kriterium für die Identifikation der Substanzen untauglich ist. Daher wendet sich Strawson gegen die These von Leibniz, dass Substanzen allein durch allgemeine Begriffe beschreibbar sind. 31

Die zweite Annahme wirft das Problem des ontologischen Status der Relationen auf. Denn an einigen Stellen vertritt Leibniz die These, dass Relationen „denominationes extrinsecae“ seien. Die „äusserlichen“ Relationen sind diejenigen, die – laut Leibniz – entstehen und aufhören zu sein, was sie sind, ohne dabei Veränderungen in dem Subjekt zu verursachen, auf das sie sich beziehen, wohl aber Veränderungen in dem Subjekt, das die Ursache für die Entstehung oder das Vergehen der Relation selbst ist. Das Leibnizsche Beispiel lautet, dass ein Mann Vater werden kann, auch wenn er in Indien ist und gar nicht von diesem Ereignis betroffen wird. Allerdings ist für Leibniz diese Auffassung nur vertretbar, wenn man von dem universellen Zusammenhang aller in der Welt existierenden Dinge absieht. Dazu vgl. Mugnai (1992), Kap. III, S. 49ff. Vgl. A VI, VI 227: „Cela se peut bien dire suivant les choses, dont on s’appercoit; quoyque dans la rigueur metaphysique il soit vrai, qu’il n’y a point de denomination entièrement exterieure (denominatio pure extrinseca), à cause de la connexion réelle de toutes choses.“

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Leibniz könnte diese These nur dann aufrechterhalten, wenn er die Möglichkeit identischer Perspektiven von verschiedenen Gesichtspunkten aus durch ein theologisches Argument ausschliessen könnte. In diesem Fall würde die Geltung von PII allein durch die freie Entscheidung Gottes garantiert. (Dass die durch blosse Allgemeinbegriffe beschriebenen Gegenstände wirklich Individuen sind, würde allein durch das freie Schöpferhandeln Gottes gesichert.) Das hätte aber die unerwünschte Konsequenz, so Strawson, dass die logische Geschlossenheit des Systems zerstört wäre.32 Nun konnte bereits oben gezeigt werden, dass PII nicht einfach Ausdruck des Schöpferwillens Gottes ist, sondern tatsächlich aus der Theorie der individuellen Substanz als notio completa analytisch folgt. Damit ist PII in gewisser Hinsicht logisch begründet. Das heisst aber auch, dass Individuen durch hinreichend komplexe Allgemeinbegriffe beschrieben werden können. Nur die Komplexität der notiones (s.u. zur „unendlichen Analyse“) unterscheidet somit die Begriffe von Individuellem und die generellen Termini.33 Wenn also Strawson glaubt, dass Aussagen über Individuelles eigene Weisen der Bezugnahme auf die den Subjekttermini entsprechenden Gegenstände voraussetzen (z.B. diejenigen, die über die Raum-Zeit-Koordinaten dieser Gegenstände gehen), so ignoriert er Leibnizens Ansicht, dass wir als Menschen deshalb solche Bezüge für die tatsächliche Identifikation von Gegenständen benötigen, weil wir eine nur sehr unvollkommene Erkenntnis der Welt haben. Das ist aber auch der Grund, weshalb unsere Aussagen über die Welt nicht die Präzision haben, die die veritates aeternae der Logik und der Mathematik besitzen. Die hätten sie nur dann, wenn sie auf dieselbe Weise (durch Analyse gemäss dem Prinzip praedicatum inest subjecto) gewonnen werden könnten.34 Strawson beachtet ferner nicht, dass Individuen auch für Leibniz sich in einem bestimmten Aspekt von blossen besonders kompliziert zusammengesetzten Begriffen unterscheiden, einem Aspekt, 32 33

Vgl. Strawson (1961), 125ff. Brown (1990) versucht die Interpretation von Strawson durch die Behauptung zu widerlegen, dass, wenn es der Fall wäre, dass Individuen durch ausschliesslich allgemeine Begriffe beschrieben würden, der Unterschied zwischen „vollen“ Begriffen und vollständigen Begriffen, auf welche sich die Leibnizsche Theorie stüzt, nicht mehr zu halten wäre. Brown versucht damit, seine These von der Existenz spezifischer, individueller Prädikate zu stützen. Aber dieses Argument ist falsch, denn volle Begriffe sind dadurch gekennzeichnet, dass für ihre Identifikation eine endliche Analyse hinreichend ist, während vollständige Begriffe nur durch eine unendliche Analyse ausgeschöpft werden können. 34 Wie R. Nichols, „Space, Individuation and Identity of Indiscernibles: Leibniz’s Triumph Over Strawson“, in: Studia Leibnitiana 31, 2, S. 186ff., zeigt, kann auch Strawson mit der Identifikation via Raum und Zeit nicht sicherstellen, dass die Gegenstände oder Personen, auf die er sich dadurch bezieht, nicht doch einer anderen, der hiesigen aber parallel organisierten Welt angehören. Dies wäre aber eine Voraussetzung für eine überzeugende Kritik an Leibniz.

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der zwar nicht für ihre Identifikation unter idealen Bedingungen, wohl aber für ihre Ontologie eine Rolle spielt: Individuen existieren. Die Existenz von individuellen Substanzen geht nach Leibniz aus ihrem Begriff hervor, und kann in der Betrachtung desselben also prinzipiell sogar erschlossen werden, obwohl sie von Leibniz nicht als Merkmal in ihrem Begriff gedacht wird.35 Hier liesse sich allerdings einwenden, dass Leibnizens Lehre von der individuellen Substanz, aus der PII folgt, ihrerseits nicht logisch begründet ist. Denn es ist die Höhe des gradus realitatis, der zur Existenz eines durch die notio completa bezeichneten Gegenstandes führt. Damit aber entscheidet ein ausserlogisches Prinzip (das „Prinzip des Besten“) darüber, welche Substanzen existieren und welche nur möglich sind. Und damit dieses Prinzip als Entscheidungskriterium für die Existenz oder Nichtexistenz von Gegenständen bzw. sogar für die Realität oder Nichtrealität von Welten fungieren kann, muss Leibniz auch sicherstellen, dass es keine identischen Fälle gibt, zwischen denen eine Entscheidung nach diesem Prinzip nicht mehr möglich ist. Dies scheint nach dem Prinzip des zureichenden Grundes zu geschehen. (S.o.) Es wäre aber sicher nicht gerechtfertigt, diese Prinzipien als „theologisch“ zu bezeichnen: Es sind für Leibniz rationale Prinzipien, denen sich auch das göttliche Handeln verpflichtet weiss. Schliesslich kann bezweifelt werden, dass Leibniz seine These, dass die individuelle Substanz die ganze Welt von einem bestimmten Gesichtspunkt aus widerspiegelt, so verstanden hat, wie Strawson es darstellt. Es ist insbesondere fraglich, ob Leibniz mit dem Gesichtspunkt, von dem aus das Universum beschrieben werden kann, die Perspektive einer Monade im Sinne Strawsons, d.h. einer Person, gemeint hat.36 5) Varius multiplex multiformis: die „notwendige“ Zukunft einer individuellen Substanz Ein Meilenstein der Leibnizschen Philosophie ist der enge Zusammenhang, der zwischen notwendigen Aussagen und dem Prinzip der Identität (oder inesse-Relation) auf der einen Seite, und der zwischen kontingenten Aussagen und dem Prinzip des zureichenden Grundes auf der anderen Seite besteht. Kontingente Aussagen sind nach Leibniz solche, die eine Behauptung über geschaffene Substanzen zum Ausdruck bringen. Insofern beziehen sie sich immer auf Existierendes. Nun ist Leibniz der Ansicht, dass das Enthaltensein des Prädikats im Subjektbegriff, wonach für jede 35

Es ist unmöglich, an dieser Stelle die Problematik der Existenz bei Leibniz zu erläutern. Hier sei das Resultat der in meiner Dissertation geführten Anlayse vorweggenommen. 36 Vgl. die gründliche Auseinandersetzung, die Ryan Nichols (1999), 181ff., mit Strawsons Kritik durchführt.

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wahre Aussage das Prädikat im Subjektbegriff eingeschlossen ist, auch im Fall von kontingenten Aussagen seinen Gültigkeit besitzt. In der Definition Leibnizens von der individuellen Substanz, die oben analysiert worden ist, nimmt Leibniz ausdrücklich Bezug auf die Zukunft einer individuellen Substanz („la notion individuelle de chaque personne enferme une fois pour toutes ce qui lui arrivera à jamais“ – GP II, 43). Einen interessanten Weg, den Leibniz unternimmt, um seinen Kontingenzbegriff abzusichern, besteht in der langen Auseinandersetzung mit der klassischen Kontroverse über die contingentia futura. Leibniz hat dem Problem von Aussagen über Zukünftiges im Gegensatz zu Aristoteles und den scholastischen Kommentaren, die er selbst rezipiert hat, nie eine systematische Abhandlung gewidmet. Er hat diese Problematik aber für einen wichtigen Teil seiner Kontingenzlehre und seiner Substanztheorie gehalten. Das zeigt er besonders in seinem Essais de Théodicée (1710), wo er die megarische, die epikureische und die stoische Deutung von Aussagen über Zukünftiges anhand von Ciceros De Fato diskutiert und seine eigene Konzeption darlegt. Schon in der Einleitung seiner Theodizee findet sich seine Kritik an dem „Sophisma der faulen Vernunft“, das behauptet, dass die Wirklichkeit dem Fatum in der Form einer blinden Notwendigkeit untergeordnet ist.37 Hier zeigt Leibniz, dass er die fatalistische Option einer absoluten Notwendigkeit aller Ereignisse nicht zu vertreten vermag. Er spricht über eine „fatalité insupportable“, deren Konsequenz sogar die Moralität negativ beeinflusse.38 Seine Ablehnung einer fatalistischen Konzeption der Wirklichkeit schliesst aber nicht ein, dass er keinen strengen Begriff der Kausalität vertritt. Im Gegenteil: Er teilt mit dem Stoizismus die universelle Gültigkeit des Kausalitätsprinzips in der Form, dass alle Dinge in ihrem Dasein von vorausgehenden Ursachen bestimmt werden.39 Der enge Zusammenhang zwischen Wirkungen und Ursachen ist nach Leibniz Teil der Bestimmung des Begriffes der Harmonie und gleichzeitig die hinreichende Bedingung für die Verbindung aller Dinge untereinander. Diesen Sachverhalt meint Leibniz auch mit seiner These, wonach die Vergangenheit „Zeichen“ der Zukunft und die Zukunft „Reste“ der Vergangenheit enthält. In einem Paragraphen seiner Theodizee schreibt Leibniz: „C’est une des règles de mon système de l’harmonie generale que le present est gros de l’avenir.“40 37 38 39 40

Vgl. GP VI, 30-31. Vgl. GP VI, 132-133. Vgl. GP VI, 33. In: GP VI, 329: „Das ist eines der Prinzipien meines Systems allgemeiner Harmonie, dass die Gegenwart stark an Zukunft ist.“ (Meine Übersetzung) Vgl. auch GP II, 282; GP II, 424.

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Es scheint so, als ob Leibniz hier zwar die Prämissen einer absolut deterministischen Wirklichkeitsauffassung anerkennt, nicht aber die daraus resultierende Schlussfolgerung. Gott verfügt nach Leibniz über eine Art von Vision, mit der er alles Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige ab aeternitate aus dem Grund sieht, dass in seinem Intellekt alles „ab aeternitate“ enthalten ist. In dieser Art entspricht die futuritio, d.h. die Fähigkeit, Kentnisse über alles Zukünftige zu erwerben, bei Gott einer „Vision“, mit der er alles Zukünftige, sowie alles Vergangene und Gegenwärtige, erschauen kann. Alle gegenwärtigen Dinge enthalten eine Antizipation ihrer zukünftigen Zustände (diese These ergibt sich – wie bereits gesehen – aus der Definition der Substanz), aber die menschliche Erkenntnis über sie bleibt insofern dunkel und verworren, als sie die Unendlichkeit aller Verbindungen, auf welche die zukünftigen Dinge verweisen, nicht durchlaufen kann. Es handelt sich um eine Unvollkommenheit beim Menschen, die für diesen konstitutiv ist, in der Sprache von Leibniz, „metaphysisch“. Zur Problematik von Aussagen über Zukünftiges ex parte rei cognitae vertritt Leibniz die Auffassung, dass jedes Zukünftige sich mit derselben Gewissheit ereignet, wie jedes Vergangene gewesen ist. Leibniz parallelisiert in seiner kleinen Schrift De libertate die Notwendigkeit zukünftiger und vergangener Ereignisse.41 Nach Leibniz sind die zukünftigen Ereignisse an sich nicht notwendig. Sie werden aber unter bestimmten gegenwärtigen Umständen notwendig.42 Die Zukunft ist nach Leibniz notwendig, genau so wie die Vergangenheit notwendig war. Die praescientia Dei bestimmt mit der series rerum die Notwendigkeit von allem Zukünftigen. Leibniz betont an mehreren Stellen, dass die Erkenntnis, die Gott über die Zukunft hat, unfehlbar ist: Das Zukünftige lässt sich unmittelbar aus dieser Erkenntnis gewinnen, d.h. die Zukunft ist notwendig, obgleich ihre Notwendigkeit nicht mit ihrer Kontingenz in Widerspruch steht. Leibnizens Verständnis von hypothetischer Notwendigkeit wird auch an der Auseinandersetzung mit einigen antiken Auffassungen deutlich. In 41

Vgl.: „Conversatio cum domino episcopo Stenonio de libertate”, in: A IV, IV, 1381: „Omne futurum non minus certo ac necessario futurum est, quam praeteritum necessario praeteritum est. Non quod per se id sit necessarium, sed quod ex positis circumstantiis praesentibus (exempli causa praescientia Dei, item serie rerum) id consequatur. Quicquid futurum est, utique verum est fore, quicquid verum est (scienti) certo verum est. Ergo quicquid futurum est certum est fore.“ 42 Dasselbe Argument verwendet Leibniz, um die hypothetische Notwendigkeit zu kennzeichnen: Angenommen, es sei ein bestimmter Weltzustand zu einem bestimmten Zeitpunkt, und angenommen, es sei gleichfalls ein bestimmter Zustand der individuellen Substanz „Cäsar“ zu demselben Zeitpunkt, so folgt, dass Cäsar den Rubikon überquert, und diese Tatsache ergibt sich notwendigerweise, allerdings mit einer Art der Notwendigkeit, die Leibniz mit der Tradition „hypothetisch“ nennt.

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einem Paragraphen seiner Theodizee diskutiert Leibniz die These des Megarers Diodorus Cronus, wie sie in De Fato von Cicero dargelegt ist. Diodorus’ Auffassung war, dass möglich nur dasjenige ist (und sein kann), was wirklich wird. Aus dieser Option folgt für Leibniz der unannehmbare Sachverhalt, dass alles, was existiert, notwendigerweise existiert oder existieren wird.43 Leibniz weist Diodors Möglichkeitslehre zurück, bestreitet aber gleichwohl nicht dessen These von der Notwendigkeit von Vergangenheit und Zukunft.44 Er fügt aber den schon erwähnten Unterschied zwischen den zwei Arten von Notwendigkeit hinzu. In demselben Paragraphen der Theodizee weist Leibniz auch die indeterministische These Epikurs, wonach die „contingentia futura“ keinem bestimmten Wahrheitswert zuzuordnen sind, mit dem Argument zurück, dass demzufolge das grosse Prinzip aller Vernunftwahrheiten ausgeschlossen würde, d.h. das Prinzip, wonach jede Aussage entweder wahr oder falsch ist. Vgl. auch die folgende weitere Stelle der Theodizee: „Les Philosophes conviennent aujourd’huy que la Verité des futurs contingents est determinée, c’est à dire que les futurs contingents sont futurs, ou bien qu’ils seront, qu’ils arriveront: car il est aussi seur que le futur sera, qu’il est seur que le passé a été. Il étoit deja vrai il y a cent ans, que j’ecrirois aujourd’huy; comme il sera vray apres cent ans, que j’ay écrit.“45

Mit dem Beispiel des Schreibens wird nun klar, dass Leibniz die These der Notwendigkeit der zukünftigen Ereignisse so auffasst, dass alles, was geschehen wird, notwendigerweise in dem Sinne geschieht, dass die Notwendigkeit sich auf die Ereignisse bezieht, die geschehen werden, und nicht lediglich auf die Alternative von wahr und falsch.46 Leibniz interpretiert die Notwendigkeit von Aussagen über Zukünftiges „disjunktiv“, und zwar nicht so, wie dies bei Thomas der Fall ist, dass die Notwendigkeit sich bloss auf Wahr- oder auf Falschsein der Aussagen über Zukünftiges bezieht. Leibniz vertritt vielmehr die These, nach der notwendig dasjenige ist, was seit Ewigkeit in seinem Eintreten festgelegt ist, und dass alles, was nur immer passieren wird, seit Ewigkeit in seinem Eintreten festgelegt ist. 43 44 45

Vgl. GP VI, 210-211. Ibid. In: GP VI, 123: „Die Philosophen stimmen heutzutage darin überein, dass die Wahrheit der kontingenten zukünftigen Ereignisse vorherbestimmt ist, d.h. dass die zukünftigen kontingenten Ereignisse zukünftig sind bzw. dass sie sein, dass sie eintreten werden; denn es ist ebenso gewiss, dass das Zukünftige sein wird, wie es gewiss ist, dass das Vergangene gewesen ist. Es war somit schon vor hundert Jahren wahr, dass ich heute schreibe, so wie es in hundert Jahren wahr sein wird, dass ich geschrieben habe.“ (Meine Übersetzung) 46 Siehe auch die ausführliche Erläuterung in § 37 seiner Theodizee, vgl. GP VI, 30.

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Betrachten wir kurz die Modalbegriffe mit denen Leibniz operiert und seine Definitionen: In der Theodizee behauptet er, mit Bezug auf das o.g. Beispiel des Schreibens, Folgendes: „La Verité necessaire est celle dont le contraire est impossible ou implique contradiction. Or cette verité, qui porte que j’écriray demain, n’est point de cette nature, elle n’est donc point necessaire.“47

In Grua finden wir folgende Definition: „contingens est quod potest non esse“; „contingens seu non-necessarium est cujus oppositum non implicat contradictionem“.48 Noch in der Theodizee erklärt Leibniz: „Une vérité est nécessaire lorsque l’opposé implique contradiction, et quand elle n’est point nécessaire, on l’apelle contingente.“49 In seiner Schrift De contingentia behauptet Leibniz aber, dass kontingente Wahrheiten nicht auf das Widerspruchsprinzip zurückgeführt werden können, denn sonst wäre alles notwendig und anderes wäre nicht möglich: „Veritates contingentes non possunt reduci ad principium contradictionis, alioqui omnia forent necessaria, nec alia essent possibilia.“50 Betrachtet man diese Definitionen, dann verhält es sich so, dass für Leibniz notwendig nur dasjenige ist, dessen Gegenteil einen Widerspruch einschliesst. Die Aussage: „Morgen werde ich einen Brief schreiben“ schliesst keine Notwendigkeit ein (d.h. keine absolute Notwendigkeit), weil ihre kontradiktorische Aussage, nämlich „Morgen werde ich keinen Brief schreiben“ keinen Widerspruch enthält. Aus diesem Grund ist diese Aussage kontingent und ihre Kontingenz wird nach Leibniz nicht durch die Notwendigkeit beeinträchtigt, dass sie von jeher wahr oder falsch ist bzw. dass das, was sie aussagt, sich von jeher ereignet oder nicht ereignet. Die Möglichkeit des „anders-sein-könnens“, die die Kontingenz dieser Aussage über die Zukunft ausmacht, ist allerdings nur eine logische Möglichkeit, d.h. eine Möglichkeit, die in der logischen Analyse der Teilbegriffe eines Begriffes oder der Satzteile einer Aussage nachgewiesen werden kann. Diese Aussage ist ausserdem kontingent, weil sie – laut Leibniz – auf einen Sachverhalt der tatsächlichen Existenz hinweist (die Kontingenz ist, wie schon ausgeführt wurde, im Leibnizschen System dasjenige, das einen reellen Bezug auf die Existenz garantiert51). 47

Ibid. 123-124: „Die notwendige Wahrheit ist diejenige, deren Gegenteil unmöglich ist oder einen Widerspruch impliziert. Doch die Wahrheit, die besagt, dass ich morgen schreiben werde, ist nicht von dieser Art, sie ist daher nicht notwendig.“ (Meine Übersetzung) 48 In: Grua, 325. 49 In: GP VI, 150. 50 In: A VI, IV, 1649. 51 Zu diesem Punkt vgl. Enzo Melandri, „Infinità degli attributi e contingenza del divenire nel sistema delle monadi“: „la contingenza è un opportuno correttivo metafisico al collassamento ultimo del sistema all’eguaglianza tautologica nella totale

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Ausserdem wäre anderenfalls die vollständige Aussage: „Il étoit déja vray il y a cent ans, que j’ecrirois aujourdhuy“, sinnlos. Die Aussage ist aber nicht sinnlos, und wir können hier wieder auf die Leibnizsche Strategie hinweisen, zwei Arten von Notwendigkeit zu unterscheiden, eine absolute und eine hypothetische. Die absolute Notwendigkeit ist eine logische Notwendigkeit: Eine Aussage ist absolut notwendig, wenn ihr kontradiktorisches Gegenteil einen Widerspruch enthält. Eine Aussage ist hypothetisch notwendig, wenn man sagt, dass sie nicht absolut notwendig ist, sondern ihre Notwendigkeit aus der Notwendigkeit ihrer Prämissen hervorgeht. Traditionell hat man dieses Argument in bezug auf die „praescientia Dei“ so verwendet, dass die Aussage „Wenn Gott Judas’ Verrat im voraus sieht, dann wird Judas Verrat üben“ insofern notwendig ist, als die Konsequenz von der Bedingung notwendigerweise impliziert wird. „Judas wird Verrat üben“ ist hinsichtlich dieser Erklärung eine hypothetische Notwendigkeit. Folgt man aber der formalen Erklärung für diese Art der Notwendigkeit, dann ist es schwierig zu sehen, worin in der Aussage: „Es ist schon seit hundert Jahren wahr, dass ich heute einen Brief schreiben werde“ eine bloss hypothetische Notwendigkeit vorliegen soll. Schlussanmerkung An dem Leibnizschen Substanzbegriff hängen, so könnte man sagen, einige der wichtigsten und genialsten Gedanken von Leibniz: Varius heisst verschieden, aber auch bunt, gefärbt, und sogar unentschieden und schwankend. So möchte ich dieser Liste das Adjektiv ‚unentschieden’, oder ‚schwankend’ entnehmen, und beide positiv für den leibnizschen Substanzbegriff verstehen. Multiplex heisst vielschichtig, im Sinne der von Deleuze verwendeten Metapher der Falte. Deleuze hat dazu geschrieben: “Leibniz gibt der Welt die Möglichkeit, von jeder Substanz an neu zu beginnen. Man muss die Welt ins Subjekt legen, damit das Subjekt die Welt ist“. Multiformis, vielgestaltig, drückt allgemein das Mannigfaltige aus, all die Themen, Disziplinen, Innovationen, die den Begriff, seine Definition und den Geltungsbereich ausmachen, alles, was die Substanz in sich und durch sich entfaltet (denken wir hier z.B. an die Leibnizsche Logik und ihre Innovationen (Inesse-Relation), an die Mathematik mit der Infinitesimalrechnung (unendliche Analyse), an die metaphysische These der expressio)).

autoriflessività. (...) La metafisica, quale ne sia lo statuto, è ciò che deve essere capito in anticipo per poter mediare tra fisica e logica.“ In: L’infinito in Leibniz: problemi e terminologia. Simposio internazionale, Roma, 1986, a cura di A. Lamarra.

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Leibniz Literatur

A: Gottfried Wilhelm Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe. Preussische Akademie der Wissenschaften. Darmstadt, Otto Reich-Verlag GP: Gerhardt, Die philosophischen Schriften von G. W. Leibniz. Berlin, 1875-1890, 7 Bände DM: Leibniz’ Discours de Métaphysique, in : A VI, IV, 739-788. Herausgegeben und übersetzt von U. J. Schneider, in: Monadologie und andere metaphysische Schriften, S. 1-109. Hamburg, 2002 Adams, R. M.: Leibniz, Determinist, Theist, Idealist. New York. Oxford, 1994 Balestra, A.: Kontingente Wahrheiten. Ein Beitrag zur Leibnizschen Metaphysik der Substanz. Würzburg 2003 Brown, C.: Leibniz and Strawson. A New Essay in Descriptive Metaphysics. München u.a.: Philosophia, 1990 Couturat, L.: La logique de Leibniz. Paris: Alcan, 1901 Di Bella, S. : The Science of the Individual : Leibniz’s Ontology of Individual Substance; Dordrecht, 2005 Gilson, E.: L’ être et l’ essence. Pris: Vrin, 1948 Fichant, M.: « De l’individuation à l’individualité universelle ». In : Science et Métaphysique dans Descartes et Leibniz. Paris: P.U.F, 1998, S. 143-162 Mates, B.: The philosophy of Leibniz, Metaphysics and Language. New York: Oxford University Press, 1986 Mugnai, M.: Leibniz’s theory of relations. Stuttgart, 1992 Parkinson, G. H. R.: Logic and Reality in Leibniz's Metaphysics. Oxford: Clarendon, 1965 Nichols, R. : “Space, Individuation and the Identity of Indiscernibles : Leibniz’s Triumph Over Strawson” . In: Studia Leibnitiana 31, 2, 1999, S. 181-195 Russell, B.: A critical exposition of the Philosophy of Leibniz, London 1900 Schepers, H.: „Möglichkeit und Kontingenz. Zur Geschichte der philosophischen Terminologie von Leibniz“. In: Studi e ricerche di storia della filosofia, 55, 1963, S. 3-16 Schepers, H.: „Zum Problem der Kontingenz bei Leibniz. Die beste der möglichen Welten“. In: Collegium philosophicum, Studien Joachim Ritter zum 60. Geburstag, Basel-Stuttgart, 1965, S. 236-250 Strawson, P. F.: Individuals: An Essay in Descriptive Metaphsics. London, 1959

Stefan Büttner-von Stülpnagel: John Lockes Begriff der Substanz Substanz ist der Terminus, mit dem die Tradition und insbesondere die Tradition der Schulen, in deren Kontext auch John Locke steht, die Verfassung derjenigen Dinge kennzeichnet, die selbständig und für sich bestehend sind. Dinge sind Substanzen, wenn sie nicht in anderem inhärieren und Anhalt für alle weiteren Bestimmungen einer Sache bieten, also ontologisch und logisch für sich sind. „Substantia est ens per se subsistens“ (Thomas von Aquin: S. th. 1 q. 5 a. 3). Diese aristotelisch-scholastische Definition wird auch von den antiaristotelischen Zeitgenossen Lockes, von Descartes und Spinoza geteilt, die diejenigen Dinge, die unhintergehbar und kausal geschlossen sind, als Substanzen kennzeichnen. Dass beide Denker mit der Ansetzung von „Denken“ und „Ausdehnung“ als „Systemen“ materialiter das Gegenkonzept zur aristotelisch-scholastischen Dingontologie vertreten, ist offensichtlich. Formaliter halten jedoch beide am Begriff der Substanz als einer Sache mit eigenem Gehalt fest. Locke bricht als erster explizit mit diesem Begriff der Substanz, insofern er behauptet, dass der Gedanke „Substanz“ nicht mehr mit einem Gehalt zu erfüllen sei, der über die Kenntnis der Eigenschaften von Dingen hinausgehe. Denn der Begriff der Substanz vermag nach Locke nicht das „konstante Zusammenbestehen verschiedener Eigenschaften“ einsichtig zu machen. Ohne diese Einsicht in die Notwendigkeit der Zusammengehörigkeit der Eigenschaften verliere der Substanzbegriff aber seinen explikativen Charakter und sage nichts weiter als das faktische Zusammenbestehen von Eigenschaften aus. Um diese Kritik am traditionellen Substanzbegriff verstehen zu können, ist zunächst in einem ersten Schritt Lockes erkenntnisphilosophischer Ansatz und seine Theorie der Ideen zu skizzieren, um dann in einem zweiten Schritt dessen Kritik an der traditionellen Auffassung der Substanz einordnen und begreifen zu können. In einem dritten Schritt soll dann die gleichwohl bleibende und erkenntnisleitende Funktion des Lockeschen Substanzbegriffs herausgestellt werden.

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John Locke I. Locke und die Repräsentationsphilosophie

Lockes Philosophie ist Teil der frühneuzeitlichen Repräsentationsphilosophie1, die – in Rezeption und Reaktion auf skeptische Argumente – eine strikte Unterscheidung zwischen Innenwelt und Außenwelt, zwischen psychischem System und Umwelt ansetzt. Mit dieser Unterscheidung sollen ihrerseits die skeptischen Einwände gegen die traditionellen Abbildtheorien vor allem aristotelischer, aber auch atomistischer Provenienz widerlegt werden, und damit den grundsätzlichen Zweifeln der Skeptiker an wahrer Erkenntnis eine haltbare Theorie des Erkennens entgegengesetzt werden. Worum geht es dabei? Die an Aristoteles anschließenden mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Abbildtheorien gehen von einer Übertragung von Bildern der Umwelt in das System aus.2 Es werden sog. species intentionales oder Formen vom Objekt in das Subjekt übertragen. Vermittelt durch diese Formen ist – so die Abbildungstheorien – eine Entsprechung zwischen der Realität und dem mentalen Bild von der Realität garantiert.3 Die Übertragung der Formen erzeugt die Sicherheit unserer Wahrnehmung und damit die Gültigkeit unserer Erkenntnis. Hier setzt die frühneuzeitliche Skepsis an, die eine Erneuerung der antiken Skepsis ist. Sie zweifelt die Sicherheit des Übertragungsweges aufgrund der subjektiven Konstitution des Wahrnehmenden oder der Perspektivität der Wahrnehmung an und kommt zu dem Ergebnis, dass aufgrund unserer Sinne all unsere Erkenntnis unsicher sei. In den Worten des Skeptikers Montaigne: „Les sens sont le commencement et la fin de l’humaine cognaissance.“ Dieser skeptischen Einrede setzt Descartes seine neue Erkenntnistheorie entgegen, die jede Form der Abbildung verneint. Psychisches System und Umwelt, Subjekt und Objekt werden – bei Descartes – zu zwei gegeneinander kausal geschlossenen Sphären, zwischen denen kein Transport von Formen stattfinden kann. Daher gibt es zwischen Ideen, die eine innersystemische Leistung sind, und der Umwelt keinerlei Ähnlichkeit – zumindest keine ‚Ähnlichkeit’, genauer Wahrheit, die in irgendeiner Weise auf einer Übertragung von der Umwelt in das psychische System beruht. In den Abbildungstheorien, aber auch im Alltag wird – so Descartes – die wahre Ordnung der Erkenntnis auf den Kopf gestellt, indem das psychische System sich so versteht, als stünden am Anfang die Sinneswahrnehmungen, durch die klare und deutliche Erkenntnisse 1 2

Vgl. dazu die Arbeiten von Rainer Specht. Dieses holzschnittartige Schema übergeht bewusst die innerscholastische Kritik an der Species-Theorie, so wie sie von Ockham vorgetragen und mutmaßlich von Locke rezipiert wurde. Vgl. dazu Specht (1997), S. 43 ff. 3 Vgl. dazu die Arbeiten von Smith und Lindberg.

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entspringen, während die Wahrnehmung in Wahrheit doch nur verworrene und dunkle Erkenntnisse liefere. „Video me in his aliisque permultis ordinem naturae pervertere esse assuetum, quia nempe sensuum perceptionibus, quae proprie tantum a natura datae sunt ad menti significandum, … utor tamquam regulis certis ad immediate dignoscendum, quaenam sit corporum extra nos positurum essentia, de qua tamen nihil nisi valde obscure et confuse significat“ (Descartes, Med. VI, 105; AT VII, 83). Diese verkehrte, weil verdrehte Auffassung der Erkenntnis, die den Skeptikern erst Angriffsflächen bietet, gilt es zu korrigieren und – Descartes zufolge – durch eine Theorie der Wahrnehmung und Erkenntnis zu ersetzen, in der Sinneswahrnehmungen nur noch einen Signalcharakter haben und keine Wesenserkenntnis mehr transportieren. Das Wesen der Dinge, ob im psychischen System oder außerhalb, muss anders erkannt werden. Der Weg der Erkenntnis durch Abbildung und Ähnlichkeit ist – so Descartes – definitiv versperrt. Mit diesem radikalen Neuansatz in der Erkenntnistheorie gibt Descartes den Skeptikern insofern recht, als er deren Angriff auf die klassischen Abbildungstheorien beipflichtet, um dann seinerseits zu einer neuen Wahrnehmungs- und Erkenntnistheorie anzusetzen, die den skeptischen Einwänden nicht mehr unterliegt. Damit erhöht Descartes zugleich die erkenntnisphilosophische Begründungslast beträchtlich. Denn nun besteht die Aufgabe darin, aus dem psychischen System selbst, aus dem Subjekt die Gültigkeit für Annahmen über die Umwelt, über das Objekt zu generieren. Aus diesem Grund müssen nun innersystemische Kriterien aufgewiesen werden, die verbürgen, dass die Umwelt so ist, wie das System es behauptet. Descartes bietet seine gesamte neue Metaphysik und Theorie des Geistes auf, um dieses erkenntnistheoretische Problem zu lösen. Von diesen und damit von denselben erkenntnisphilosophischen Einsichten wie der Rationalist Descartes geht auch der Empirist Locke aus, sieht sich dann aber – nur unter umgekehrten, eben empiristischen Vorzeichen – auch mit denselben erkenntnisphilosophischen Problemen wie der Rationalist Descartes konfrontiert. Hauptproblem beider Denker ist die Frage, welche innersystemischen Vorkommnisse, d.h. welche subjektiven Vorstellungen (ideas) außersystemische und d.h. objektive Gültigkeit beanspruchen können und welche Kriterien und Verfahren für den Aufweis objektiver Gültigkeit angegeben werden können. Descartes hatte diesen Aufweis über die Konzeption klarer und deutlicher Ideen konstruiert, die aus sich heraus die Wahrheit garantieren. Er vertritt dazu eine Theorie der Selbstevidenz des Geistes, die zu klaren und deutlichen Ideen und damit zu sachhaltigen Unterscheidungen in der

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Welt führt.4 Der Gehalt dieser Ideen hat bei Descartes ihres absoluten Charakters wegen einen apriorischen Ursprung. So sind in dieser rationalistischen Tradition über Struktur und Verfassung des Denkens und der Ausdehnung sowie über Gott Aussagen möglich, die nicht der Erfahrung bedürfen. Im Gegenteil, der Rekurs auf die Erfahrung führt wegen des unendlichen Charakters dieser Dinge zu unzutreffenden Aussagen. Im Gegensatz dazu geht Locke einen anderen, den so genannten empiristischen Weg, indem er alle Gehalte, auch die Gehalte von Ideen der Ausdehnung und des Denkens aus Ideen herleitet, die die Umwelt repräsentieren. Die einfachen Ideen, die Ideen der Wahrnehmung und der Reflexion, garantieren dabei unmittelbar oder mittelbar einen Realitätsgehalt aufgrund ihrer Nichtreduzierbarkeit. Aus diesem Verständnis der Erkenntnis heraus argumentiert Locke ausführlich gegen die Konzeption angeborener Ideen und Prinzipien. Denn ohne wieder in die Theorie der Abbildung oder die Konzeption angeborener Ideen zurückfallen zu müssen, zeigen die einfachen, d.h. basalen Ideen alles an, was wir über die Dinge wissen können. Aus diesen einfachen Ideen werden dann alle anderen Ideen aufgebaut, so dass der gesamte Inhalt und sachliche Gehalt unseres Wissens – so Locke – aus den Bestandstücken der Erfahrung besteht. Wir können die Erfahrung nicht verlassen: „So that even in those which we think we are most intimately acquainted with, and that come nearest the comprehension of our most enlarged conceptions, we cannot go beyond those simple ideas. And even in those which seem most remote from all we have to do with, and do infinitely surpass anything we can perceive in ourselves by reflection; or discover by sensation in other things, we can attain to nothing but those simple ideas, which we originally received from sensation or reflection; as is evident in the complex ideas we have of angels, and particularly of God himself.“ (Essay II.xxiii.37) Empirismus heißt bei Locke vor allem Empirismus der Ideen: Der Gehalt aller unserer Ideen stammt aus der Erfahrung.5 Mit dieser Beschränktheit des Geistes auf die Erfahrung ist eine Einsicht verbunden, die über die empiristisch orientierte Denkhaltung hinaus auch eminente politische und gesellschaftspolitische Konsequenzen hat. Lockes Essay Concerning Human Understanding befreit durch seine Kritik aller angeborenen Ideen den Geist von politischen Interessen, die angeborene Ideen als Herrschaftsinstrument benutzen.6 Diese politische Stoßrichtung des Essay, die auf individuelle Erfahrung im Gegensatz zur Tradition setzt, ist mit einer Lebenshaltung und Denkhaltung verbunden, die – mit Rainer 4 5 6

Vgl. dazu Rombach (1981), 375. Vgl. dazu Krüger (1997), 87. Vgl. dazu Specht (1997), 55. S. auch Cassirer (1974), S. 231, der hier die pädagogische Stoßrichtung Lockes hervorhebt.

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Specht – ganz zu Recht als „Philosophie des Fleißes und der Kargheit“ beschrieben werden kann.7 Mit Fleiß ist diese Philosophie verbunden, weil es die Aufgabe jedes Einzelnen ist, selbst diese Erfahrung zu machen und daraus durch eigene Anstrengungen Ideen aufzubauen. Mit Kargheit ist diese Philosophie verbunden, weil der Ausgangspunkt, der für alle diese Aufbauleistung und Hypothesenbildung, sei sie naturwissenschaftlicher oder politischer Art, zur Verfügung steht, nur die Erfahrung sein kann. Aus dem Vollen angeborener Wahrheiten und Ideen kann hier niemand mehr schöpfen: „The dominion of man, in this little world of his own understanding being much what the same as it is in the great world of visible things; wherein his power, however managed by art and skill, reaches no farther than to compound and divide the materials that are made to his hand; but can do nothing towards the making the least particle of new matter, or destroying one atom of what is already in being. The same inability will every one find in himself, who shall go about to fashion in his understanding one simple idea, not received in by his senses from external objects, or by reflection from the operations of his own mind about them.“ (Essay II.ii.2) II. Lockes Ausgang von einfachen Ideen Angesichts einer solchen Ausgangslage stellt sich die Frage: Was hat unsere Erkenntnis zur Verfügung, wenn sie beginnt, und wie ist dieser ihr unhintergehbare Ausgangs- und Zielpunkt beschaffen. Nach Locke sind dies zunächst die passiv vom Geist aufgenommenen und insofern gegebenen Dinge bzw. Ereignisse in unserem Geist (mind). Diese Kondensate innersystemischer Operationen nennt Locke einfache Ideen (simple ideas). Es sind dabei drei Arten einfacher Ideen zu unterscheiden: Einfache Ideen der Sinne (simple ideas of sense), einfache Ideen der Reflexion (simple ideas of reflection) und einfache Ideen der Sinne und der Reflexion (simple ideas of both sense and reflection). Als einfache Ideen der Sinne oder sensations bezeichnet Locke die innersystemischen Ereignisse, die wir als Wahrnehmungen haben; als einfache Ideen der Reflexion oder reflections bezeichnet Locke die innersystemischen 7

Und Specht zieht die historischen Linien noch weiter: „Nimmt man dagegen Lockes implizite Metaphysik zur Kenntnis, dann begreift man, dass seine naturhistorischen und politischen Projekte einem philosophischen Programm entsprechen, das bewusst in Entbehrungen lebt und einen mächtigen Trend des 17. Jahrhunderts repräsentiert. Man charakterisiert es heute untertreibend als Empirismus, das Gegenprogramm als Rationalismus. Diese Konfrontation, die tiefe geschichtliche Wurzeln hat, greift Spannungen zwischen devotio moderna und spekulativer Mystik wieder auf. Die Kontinuität europäischer Philosophien ist erstaunlich groß.“ Specht (1989), S. 193.

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Ereignisse, die wir als Beobachtungen des Geistes und seines Verhaltens haben, als einfache Ideen aus beiden bezeichnet er die innersystemischen Ereignisse, die wir mit der Wahrnehmung und mit der Selbstbeobachtung mitbekommen. Beispiele für sensations sind Ideen von Farben, Tönen, die Idee der Festigkeit und der Ausdehnung. Beispiele für reflections sind Denken und Wollen. Beispiele für Ideen der Sinne und der Reflexion sind Lust und Unlust, Kraft, Einheit und Existenz. Da Locke – im Kontext frühneuzeitlicher Subjektphilosophie – innersystemisch ansetzt, muss er zunächst die Binnenstruktur der einfachen Ideen erläutern. Einfache Ideen sind – und hierin folgen wir der Interpretation von Lorenz Krüger – als Erfahrungsbasis dadurch ausgezeichnet, dass sie ausschließlich ostensiv definiert werden können. D.h. sie können nicht näher erläutert, sondern müssen selbst erfahren werden. Einfache Ideen sind insofern einfach, als sie Kondensate von Operationen des Geistes sind, in die aber nichts anderes eingeht als das, was am Ende unter dieser einfachen Idee verstanden wird. Ein Beispiel: Die einfache Idee der Farbe „rot“ ist Resultat vieler Operationen des Geistes, die viele Sinneseindrücke umfasst. Gleichwohl ist in der einfachen Idee rot nichts enthalten, was nicht in allen Teilvorstellungen von „rot“ enthalten ist. Denn alle Operationen des Verstandes im Hinblick auf rote Dinge und Vorkommnisse führen „zwangsläufig“ zu dieser einfachen Idee „rot“. In der Idee „rot“ ist der Gehalt kondensiert und zwar ein Gehalt, der – und das ist die Pointe des Lockeschen Ansatzes – nur empirisch, also ostensiv ausweisbar und definierbar ist. Dieser Ausgang von einfachen Ideen, von Ideen des nur ostensiv aufweisbaren Gehaltes, sagt nun noch nichts über die Verfassung der außersystemischen Umwelt aus. Die einfachen Ideen sind nämlich bestenfalls ein Anhalt für die Struktur und Verfassung der Umwelt; als einfache Ideen könnten sie auch nur rein innersystemische Ereignisse sein. Um hier einen Schritt weiterzukommen führt Locke eine wichtige Unterscheidung innerhalb der einfachen Ideen ein, die durch Locke kanonisch geworden ist: Die Unterscheidung zwischen primären Qualitäten und sekundären Qualitäten. Mit Hilfe dieser Unterscheidung unternimmt es Locke, von denjenigen Eigenschaften, die wir aufgrund unserer sensations Dingen außer uns zuschreiben, diejenigen herauszufiltern, die den Dingen außer uns auch tatsächlich zukommen, und dadurch von denjenigen zu unterscheiden, die wir ihnen nur aufgrund unseres Wahrnehmungsapparates zuschreiben. Um diese Unterscheidung bewerkstelligen zu können, hat Locke ein ingeniöses Verfahren entwickelt.8 Dieses Verfahren sei hier Teilungsverfahren genannt und wird von Locke auf folgende Weise beschrieben: „Take a grain of wheat, divide it into two parts; each part has 8

Vgl. dazu die klare und überzeugende Argumentation bei Kienzle (1997).

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still solidity, extension, figure, and mobility: divide it again, and it retains still the same qualities; and so divide it on, till the parts become insensible; they must retain still each of them all those qualities. For division (which is all that a mill, or pestle, or any other body, does upon another, in reducing it to insensible parts) can never take away either solidity, extension, figure, or mobility from any body, but only makes two or more distinct separate masses of matter, of that which was but one before; all which distinct masses, reckoned as so many distinct bodies, after division, make a certain number. These I call original or primary qualities of body, which I think we may observe to produce simple ideas in us, viz. solidity, extension, figure, motion or rest, and number.“ (Essay II.viii.9) Das bedeutet, jeder noch so kleine Teil, den wir wahrnehmen, zeigt sich uns mit den Eigenschaften „solidity, figure, motion or rest, and number“ (Essay II.viii.9). Genau gesagt: Wir haben die einfachen Ideen des Inhalts „solidity, figure, motion or rest, and number“, von denen wir aufgrund des Teilungsverfahrens die Inseparabilität von den Dingen annehmen und so annehmen müssen, dass sie zu den primären Qualitäten der Körper selbst gehören. Wie gesagt: „These I call original or primary qualities of body, which I think we may observe to produce simple idea in us, viz. solidity, figure, motion or rest, and number“ (Essay II.viii.9). Die primären Qualitäten können also den Körpern als solchen zugeschrieben werden. Die Ideen repräsentieren also den Gehalt der Körper. Insofern kann Locke in diesem Kontext auch noch von den Ideen als den „Ebenbildern“ (resemblances of them; Essay II.viii.15) sprechen, auch wenn die Art der Gewinnung dieser Ebenbilder durch ein Verfahren vonstatten geht, das nicht mehr am Paradigma einer Übertragung von Formen aus der Außenwelt in die Innenwelt orientiert ist. Allerdings muss kritisch angemerkt werden, dass Lockes eigene Auskünfte über die Art und Weise, wie die Dinge Ideen in uns hervorrufen oder verursachen, nicht weiterführen und keine erkenntnisphilosophisch befriedigende Antwort enthalten.9 Aufgrund des genannten Teilungsverfahren schließt Locke nun, dass die Inseparabilität der Qualitäten, die dann primäre genannt werden, auch über die wahrnehmbaren Körper hinausgehen und auch für die kleinsten Bestandstücke der Körper, die Korpuskeln gelten. Diese Behauptung ist ihrerseits nicht mehr empirisch zu gewinnen. An diesem Punkt greift Locke vielmehr auf die bei Boyle und Gassendi formulierte frühneuzeitliche Korpuskularphilosophie zurück, die ihrerseits auf der aus der antiken Atomistik stammenden These beruht, dass alle Dinge aus unteilbaren und insofern letzten Körpern zusammengesetzt sind, sog. Atomen oder Korpuskeln, die für uns nicht beobachtbar sind. Aus deren Bewegung, die im leeren Raum stattfindet, und aus deren Verhältnis 9

Vgl. dazu auch Priest (1990), 75.

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zueinander sind aber alle Erscheinungen der Welt prinzipiell zu erklären. Diese Korpuskularhypothese unterstellt Locke als die beste Form der Erklärung der Phänomene: „I have her instanced in corpuscularian Hypothesis, as that which is thought to go farthest in an intelligible Explication of the Qualities of Bodies“. (Essay IV.iii.16) Im Rahmen der Lockeschen Korpuskularhypothese werden die primären Qualitäten dann auch den Korpuskeln zugesprochen, wiewohl die Qualitäten der Korpuskeln im strikten Sinne nicht beobachtbar sind. Den primären Qualitäten der für uns noch beobachtbaren Körper wächst damit die Funktion zu, „uns eine Idee von den Qualitäten der (unmittelbar) nicht wahrnehmbaren Korpuskeln anhand der Idee der Qualitäten von Körpern beobachtbarer Größe zu verschaffen.“10 Im Rahmen einer solchen Bestimmung primärer Qualitäten wird dann auch der erkenntnistheoretische Ort und Funktion der sekundären Qualitäten deutlich. Sekundäre Qualitäten sind dann alle diejenigen innersystemischen Vorkommnisse, die im Rahmen dieses Teilungsprozesses gerade nicht bestehen bleiben. Diese sind Ideen von Farben, Tönen usw. Denn diese Ideen verschwinden im Fortgang der Teilung. „Had we senses acute enough to discern the minute particles of bodies, and the real constitution on which their sensible qualities depend, I doubt not but they would produce quite different ideas in us: and that which is now the yellow colour of gold, would then disappear, and instead of it we should see an admirable texture of parts, of a certain size and figure“. (Essay II.xxiii.11) Dies bedeutet, dass die so wahrgenommenen Qualitäten gar nicht den Dingen selbst zugesprochen werden können, sondern nur Ergebnis der Einwirkung der Korpuskel auf unsere psychisches System bzw. unseren Wahrnehmungsapparat sind. Die so gemeinten Qualitäten erweisen sich daher als sekundär. Sie sind nicht den Dingen direkt zuzusprechen, sondern sind aufgrund der Konstellation der korpuskularen Verfassung der Dinge in unserem Wahrnehmungsapparat entstanden. Sie sind nur ein Anhalt für unsere Vermutung über die Verfassung der Dinge, ohne selbst den Dingen direkt zuzukommen. Dadurch werden diese Qualitäten, die die Philosophie der Schulen noch für wirkliche Eigenschaften hielt, zu rein subjektiven Wahrnehmungen. Hier greift Locke, wie die frühneuzeitlichen Korpuskularkonzepte überhaupt, wiederum auf Argumente der antiken Atomistik zurück, die selbst bereits in der Antike bei Epikur und dann in der Geschichte der Wissenschaften als Konkurrenztheorie zur aristotelischen Qualitätenphysik fungierte.

10

Vgl. Kienzle (197), 115.

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III. Lockes Klassifikation der Ideen Gehen wir nun – ohne weitere kritische Einrede – vom Bestand einfacher Ideen im Sinne des Lockeschen Klassifikationsverfahrens der Ideen aus, dann kann jede einfache Idee – in einem zweiten Schritt – modifiziert werden. D.h. der Verstand bildet aus eigenem Vermögen (Essay II.xii.1) Modifikationen der einfachen Ideen, indem er die einfachen Ideen variiert. In diesem Zusammenhang präsentiert Locke ein weiteres interessantes Verfahren zur Generierung der Modi. Es kann als Wiederholungsverfahren beschrieben werden: Im Rahmen desselben Typus stellt der Geist sich mit Hilfe derselben Idee verschieden große Exemplare desselben Typus oder verschieden intensive Formen derselben Idee vor. Bleiben wir bei einem Beispiel aus dem Bereich der sensations, der einfachen Idee des Raumes bzw. der Ausdehnung. Diese einfache Idee wird nun durch den Geist modifiziert, indem die Idee der Ausdehnung permanent wiederholt wird. Diese Wiederholung einer bestimmten Volumens oder einer bestimmten Strecke kann der Geist durchführen, ohne jemals zu einem endgültigen Abschluss zu kommen. Die aus dieser Modifikation und d.h. permanente Vergrößerung eines begrenzten dreidimensionalen Raumes entstehende modifizierte Idee ist die Idee der Unendlichkeit. Mit Hilfe des Wiederholungsverfahrens können also eine Fülle weiterer Ideen – so der Anspruch Lockes – aus einfachen Ideen erzeugt werden. Sachlich bleiben aber auch hier die einfachen Ideen begrenzter Gegenstande vorrangig, die dann sekundär z. B. zur Idee des Unendlichen erweitert werden. An diesem Punkt bilden die rationalistischen Philosophen die radikale Gegenposition zu Locke, insofern sie bezweifeln, dass auf diese additive Weise die Idee des Unendlichen gebildet werden könne. Mit Hilfe des Wiederholungsverfahrens kann – so die einhellige Position von Descartes und Spinoza – nur eine Vergrößerung des Endlichen gelingen, niemals ein adäquater Begriff des Unendlichen erreicht werden. Denn das Unendliche ist vorrangig und vorgängig gegenüber dem Endlichen, das nur als Einschränkung oder Modifikation des Unendlichen gedacht werden kann.11 Aus dieser anderen der Lockeschen entgegengesetzten Fassung des Unendlichen folgen alle weiteren Argumente, die dann auch aus rationalistischer Sicht gegen Lockes erkenntnistheoretische Reduktion des Substanzbegriffs einzuwenden sind.12 11 12

Vgl. dazu auch Weyl (1990), 83. Vgl. dazu Cassirer (1974), 239 f.: „Woher also – so müssen wir fragen – stammt jene innere Nötigung des Denkens, über jede gegebene Grenze fortzuschreiten, woraus erklärt sich der psychische Zwang, der uns über jeden Abschluß in unserer Vorstellung der Zahl, des Raumes und der Zeit immer von neuem hinaustreibt? (…) Diese Notwendigkeit aber wird durch Lockes Analyse nirgends geklärt.“

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Doch weiter in Lockes Stufenbau der Ideen: Die einfachen Ideen und die modifizierten Ideen können nun vom Geist zu Ideen von gemischten Modi kombiniert werden, so dass gänzlich neue Ideen entstehen, deren Realitätsgehalt dann aber in Frage steht. Denn die gemischten Modi entstehen dadurch, dass der Geist die einfachen Ideen und deren Modi so kombiniert und zusammensetzt, dass eine Idee entsteht, die verschiedenartige Ideen als Teilideen in sich vereinigt. „These ideas of substances, though they are commonly simple apprehensions, and the names of them simple terms, yet in effect are complex and compounded. Thus the idea which an Englishman signifies by the name swan, is white colour, long neck, red beak, black legs, and whole feet, and all these of a certain size, with a power of swimming in the water, and making a certain kind of noise, and perhaps, to a man who has long observed this kind of birds, some other properties: which all terminate in sensible simple ideas, all united in one common subject“ (s. Essay II.xxiii.14). Beispiele für solcherart komplexe Ideen sind die komplexe Idee eines unkörperlichen Geistes, die komplexe Idee der Substanz des Körpers oder die komplexe Idee Gottes. Alle komplexen Ideen haben nun – anders als die einfachen Ideen – ihren Ursprung in einer Aktivität des Geistes. Sie sind – so Locke – Begriffe, weil sie eben nicht passiv aufgenommen, sondern aktiv hergestellt werden (s. Essay II.xxii.2). Mit diesem Gang von den einfachen Ideen zu den Modi der Ideen bis hin zu den gemischten Ideen sind alle Operationen des Verstandes aufgeführt, die nötig sind, um Lockes Einschätzung des Substanzbegriffs verständlich machen zu können. Denn an diesem Punkt der Lockeschen Klassifikation der Ideen als gemischter Ideen findet die Idee der Substanz ihren Ort. IV. Lockes Begriff der Substanz Das bedeutet: Die Idee der Substanz ist eine Idee, die viele Ideen in sich enthält. Mittels ihrer wird ein Gegenstand gemeint, der viele Eigenschaften in sich vereinigt. Prominentestes Beispiel für einen gemischten Modus, der zu einer (komplexen) Idee vereinigt ist, ist die Idee der Substanz im allgemeinen bzw. die Ideen besonderer Substanzen wie der Substanz „Schwan“ oder der Substanz „Mensch“. Ideen von Substanzen sind also immer zusammengesetzt. Aus Unachtsamkeit jedoch – so Locke – neigen wir im nach hinein immer dazu, sie als eine einzige und einfache Idee zu betrachten, wo sie doch in Wirklichkeit eine Verknüpfung zahlreicher Ideen ist. Der Grund, warum wir überhaupt eine Idee der Substanz bilden, liegt darin, dass wir uns nicht vorstellen können, wie die einfachen Ideen bzw. die ihnen korrespondierenden Eigenschaften der Dinge für sich,

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gewissermaßen frei flottierend, bestehen könnten. Da wir keine für sich seienden Eigenschaften begreifen können, unterlegen wir ihnen irgendein Substrat, genannt Substanz, das diese einigende Aufgabe erfüllt, in dem die Eigenschaften bestehen und oder aus ihnen hervorgehen. Wir entwerfen und verwenden den Begriff der Substanz also als Behelfskonstrukt unseres Denkens.13 Mit dem Substanzbegriff im allgemeinen ist der Begriff des Substrats verbunden, das allen Eigenschaften als notwendiges Korrelat ihrer Einigung zugrunde liegt. Diese Explikation des Substanzbegriffs als Substrat hat aber keinen inhaltlichen Mehrwert gegenüber den Ideen der Bestandteile dieser gemischten Idee, so dass das Substrat zwar in Gedanken angesetzt, aber keine erklärende Kraft beanspruchen kann. Weitere inhaltliche Explikationen des Substanzbegriffs im allgemeinen sind nicht möglich, was Locke durch den bekannten Witz eines unendlichen Regresses der Träger der Welt karikiert. Jede Frage nach dem Träger und Substrat der Welt erhält eine Antwort, die wiederum in einer weiteren Nachfrage mündet, so dass die Welt auf einem Elefanten aufruht, der seinerseits auf einer Schildkröte aufruht und so weiter (s. Essay II.xxiii.2). Substanz im allgemeinen ist nichts weiter als ein Darunterstehendes oder ein Halt von unten (standing under or upholding). Neben diesem Regress der Substrate im allgemeinen Begriff der Substanz, der selbstverständlich auch für die besonderen Substanzen gilt, sind die Ideen besonderer Substanzen dadurch gekennzeichnet, dass durch die Bestimmung „Substanz“ – entgegen dem Anspruch der Tradition – keine Wesenserkenntnis möglich ist, weil kein notwendiges Zusammenbestehen der Eigenschaften aufgezeigt werden kann. Durch die Ansetzung einer Sache als Substanz, z. B. die Substanz „Mensch“ oder die Substanz „Schwan“, kennen wir nicht die notwendige Verknüpfung der Eigenschaften des Menschen oder des Schwans, die in den Teilideen gemeint ist, weil uns die Ursache ihrer Verbindung unbekannt und unerkennbar und uns darum nur faktisch gegeben ist. „Whatever therefore be the secret abstract nature of substance in general, all the ideas we have of particular distinct sorts of substances are nothing but several combinations of simple ideas, coexisting in such, though unknown, cause of their union, as makes the whole subsist of itself.“ (Essay II.xxiii.6) Im Sinn einer abschließenden Definition der Substanz kann gesagt werden: Substanz ist bei John Locke der nicht weiter explizierbare Begriff der Einheit einer Sache, der einerseits für das Denken nicht entbehrlich ist, um den Zusammenhalt ihrer Eigenschaft sich vorstellen zu können, und der doch andererseits das Denken nicht weiter über die faktisch feststellbare Einheit und Zusammengehörigkeit der Eigenschaften hinausführt. 13

Vgl. zum Begriff des „dummy concept“ Ayers (1997), 131.

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Wir setzen also eine Substanz des Körpers an, wie wir auch eine Substanz des Denkens ansetzen, ohne damit einen Schritt über die Erfahrung, die wir mit der Körperwelt oder unserem eigenen Denken machen, hinauszukommen. Interessant ist allerdings, dass Locke – im Gegensatz zu späteren Ausprägungen der an ihn anschließenden empiristischen Tradition – am Substanzcharakter des Denkens festhält, ja sogar behauptet, dass uns die Substanz der Körper, die so genannte Materie, nicht klarer und deutlicher sei als die Substanz des Denkens. Beide Substanzen (Denken und Ausdehnung) freilich bleiben als Substanzen vage und dunkel, auch wenn wir von ihren Eigenschaften klare und deutliche Ideen haben, weil ihre Erfüllung nur noch durch Gehalte der Erfahrung erfolgen kann und so gerade den notwendigen Zusammenhang zwischen Attribut und Substanz, der in den rationalistischen Substanztheorien Descartes und Spinozas behauptet wird, nicht einsichtig machen kann: „Experience, I say, every moment furnishes us with the clear ideas both of the one and the other. But beyond these ideas, as received from their proper sources, our faculties will not reach“ (Essay II.xxiii.29). Weil die Ursache für das Zusammenbestehen für uns empirisch nicht aufklärbar ist, ist der Substanzbegriff von keinem weiteren Erkenntniswert als der der einfachen Ideen, die in diesen Begriff eingegangen sind. Deshalb weiß der Philosoph der Schulen mit seiner Berufung auf substantielle Formen nicht mehr als jeder Handwerker, der die Eigenschaften der Dinge aus seinem täglichen Umgang erfährt und daher im Gegensatz zur Schulphilosophie darüber sogar weit besser informiert ist (s. Essay II.xxiii.3). Angesichts dieser Unerkennbarkeit des Wesens der Substanzen bleibt uns nichts anderes übrig, als den Weg geduldiger Erfahrung und, wenn möglich, kluger Hypothesenbildung zu beschreiten und im übrigen uns mit einer an Phänomenen orientierten Naturwissenschaft im Sinne einer Natural History zu bescheiden, wie sie eindrucksvoll und im Geiste Lockes von der Royal Society wegweisend für die modernen Naturwissenschaften realisiert wurde. Literatur Ayers, M.: Die Ideen von Kraft und Substanz. (Essay II.xxi, xxiii, xxvi; III.vi), in: Thiel, U. (Hrsg.): John Locke. Essay über den menschlichen Verstand, Berlin: Akademie-Verlag 1997, S. 119-148. Brandt, R./Klemme H. F.: Zur Sprachphilosophie (Essay III), in: Thiel, U. (Hrsg.): John Locke. Essay über den menschlichen Verstand, Berlin: Akademie-Verlag 1997, S. 160-184. Cassirer, E.: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Darmstadt 1974.

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Hüttemann, A.: Die Meditationen als Abhandlung über die Sinneswahrnehmung, in: Kemmerling, A./Schütt, H.-P. (Hrsg.): Descartes nachgedacht, Frankfurt a. M.: Klostermann 1996, S. 24-50. Kemmerling, A./Schütt, H.-P. (Hrsg.): Descartes nachgedacht, Frankfurt a. M.: Klostermann 1996. Kienzle, B.: Primäre und sekundäre Qualitäten (Essay II.viii.7-26), in: Thiel, U. (Hrsg.): John Locke. Essay über den menschlichen Verstand, Berlin: Akademie-Verlag 1997, S. 89-117. Krüger, L.: War John Locke ein Empirist? (Essay I.i; II.xi-xii; III.iiiiv,vi), in: Thiel, U. (Hrsg.): John Locke. Essay über den menschlichen Verstand, Berlin: Akademie-Verlag 1997, S. 65-88. Lindberg, D. C.: Auge und Licht im Mittelalter, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1987. Priest, S.: The British Empiricists. Hobbes to Ayer, Penguin 1990. Rombach, H.: Substanz, System, Struktur. Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische Hintergrund der modernen Wissenschaft, Freiburg/München: Alber 1981. Smith, A. M.: „Getting the Big Picture in Perspectivist Optics“, in: Isis 72 (1981), S. 568-89. Specht, R.: Innovation und Folgelast. Beispiele aus der neueren Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte, Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog 1972. Specht, R.: John Locke, München: Beck 1989. Specht, R.: Über Angeborene Ideen bei Locke (Essay I.ii-iv; II.i), in: Thiel, U. (Hrsg.): John Locke. Essay über den menschlichen Verstand, Berlin: Akademie-Verlag 1997, S. 39-63. Stegmaier, W.: Substanz. Grundbegriff der Metaphysik, Stuttgart-Bad Cannstatt 1977. Thiel, U. (Hrsg.): John Locke. Essay über den menschlichen Verstand, Berlin: Akademie-Verlag 1997. Weyl, H.: Philosophie der Mathematik und Naturwissenschaft, München: Oldenbourg 61990.

Kiki Berk: Berkeley on Substance Introduction On first encounter, Berkeley’s idealism strikes most of us as an exotic view, one that is based on counterintuitive claims, which reaches conclusions too unlikely to be true and that is over all as far as possible removed from, i.e. diametrically opposed to, our common sense beliefs. But first encounters are often ‘misencounters’. Now, the first aim of this paper is to provide a first introduction to Berkeley’s view that hopefully clears up misunderstandings rather than creating them. In laying down his theory about that which makes up ultimate reality, that which ‘really exists’, substance is the natural starting point, since substances have always been those kinds of entities that, ultimately, reality is made up of. This is why I will set out by presenting Berkeley’s concept of substance, and proceed by discussing his application of this concept to the world around us: which things exist and which things don’t, which substances make up our world? But getting clear on Berkeley’s theory is not the only aim of this paper; the second is to shed light on why anyone should accept this view, and why Berkeley himself held it. What is his motivation and what are the arguments for it? Wherein lies its power? As will become clear soon enough, Berkeley’s view and the arguments and the motivation he has for it are oftentimes hard to untangle, but, as I will argue for a balanced evaluation of Berkeley’s view all three should be taken for what they are. In the end I hope to come to such an evaluation of Berkeley’s view and it might (or might not) come as a surprise that this will contain a tentative defense of the validity of idealism as a serious alternative for materialism1, and of Berkeley’s success in his attempt to get it considered as such.2

1 2

And dualism, and neutral monism. All references below are to The Works of George Berkeley, Bishop of Cloyne, 9 vols., edited by A.A. Luce and T.E. Jessop (London: Nelson and Sons, 1948-57). Quotations from the Works will be referred to with a “W”, followed by the relevant volume number, followed by a colon, followed by the relevant page number(s). A Treatise concerning the principles of Human Knowledge is abbreviated to Principles and Three Dialogues Between Hylas and Philonous to Dialogues.

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Berkeley 1. Concept of Substance

As peculiar as Berkeley’s view on actual substances is – at least, at first sight – as simple and straightforward is his concept of substance. Berkeley adopts one of the classical interpretations of ‘substance’ as that which ‘stands under or grounds things’, or ‘that which stands under accidents’. This is the account we also find in the work of his predecessors Descartes and Locke, chiefly in reaction to whom Berkeley develops his ontology. The idea incorporated in this phrase is that substances are the bearers of qualities or properties: substances serve as that in which qualities inhere. On this account an individual thing is build up from qualities3 and a substratum. Substances are thus substrata, and substrata are generally characterized as ‘a thing which is itself not a property, but has properties’4. Berkeley adopts this classical interpretation of the notion of substance. As we will see, however, it acquires a crucially different application and spelling-out in his work. Another feature that traditionally has been ascribed to substances is that substances have individuality: substances can exist by and through themselves and do not depend on other entities for their existence; they are concrete individual objects. This as opposed to other entities like e.g. relations or modifications that are ontologically dependent: they are always relations or modification of something (i.e. substances). Although there seems to be a tension in holding both that substances are substrata and holding that they are individual objects, this duality can be found in the definition of the notion of substance since Aristotle.5 Even though we can infer that Berkeley places the main stress on the first aspect from the fact that Berkeley uses the terms substance and substratum interchangeably, the idea that nothing but substances have individuality plays an important role in Berkeley’s work aswell. These two different aspects of the traditional notion of substance will actually turn out to be intertwined on Berkeley’s view, but it’s important to recognize that this is not a conceptual necessity. Other ideas that have at times been involved in the concept of substance in the history of philosophy are all strange to Berkeley, e.g. substances being those things which we ordinarily classify as objects; or substances as the Form of things; or substances being the subjects of change; or substances being typified by kinds of stuff.6 With this general description of the concept of substance as Berkeley employs it in the back of our 3

Primary and secondary qualities are both sensible qualities according to Berkeley. Berkeley only discusses sensible qualities, and so ‘qualities’ will always refer to ‘sensible qualities’. It is a problem however how Berkeley’s view can account for nonsensible qualities, like logical properties and qualities like electrical conductivity. 4 Van Inwagen 1993: 51. 5 Robinson 2004. 6 Robinson 2004.

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heads, we’ll now turn to his position regarding the substances which actually exist and his arguments as to why this is so. 2. View on Actual Substances Berkeley’s most remarkable and famous thesis is that material substances do not exist. This does not mean, as it is often mistakenly taken to mean, that there aren’t such objects as houses and mountains and tables, the sun and the moon, etc.7 It does mean that the qualities of these visible objects do not inhere in a material substratum, or rather: that there do not exist any material substrata for these qualities to inhere in. According to Berkeley these qualities inhere in a mental substance, a mind or a spirit, instead. And since, as Berkeley claims, there is nothing more to visible objects than their qualities, and, as we will see, there is nothing more to their qualities than our sensations of these qualities, visible objects are necessarily dependent upon the mind for their existence. Minds are the only entities that are substances: they are individuals and they ground qualities (the sensations we have of ordinary objects). Ordinary objects are not individual things, but consist of a number of qualities (sensations) that inhere in and are dependent upon the mind and exist only when perceived8. These qualities or sensations have also been called ‘ideas’, and these ideas are particular sensations, (like) sense data. ‘The way the table feels to you’ when you lean on it at a particular time is such an idea, and ‘the way the table looks to you’ from a certain perspective is another one. Each sensation is a single, particular, private, and concrete idea; together (with many more ideas) they make up the collection of ideas that we call ‘table’. The physical is necessarily and essentially related to the mind, but it would not be correct to say that Berkeley is ‘mentalizing the corporeal’.9 Berkeley prefers to phrase it such that, instead, he turns ideas into objects. As Philonous on Berkeley’s behalf says: ‘You mistake me. I am not for changing things into ideas, but rather ideas into things.’10 After all, what Berkeley calls ideas, are sensations of, as we would say, something physical: its colour, its smell, its taste. But we must reconsider our terminology here, for interpreted as such, what can ‘physical’ still mean? It seems the terms ‘mental’11 and ‘physical’ can only be used in a meaningful 7

Objects that we usually take to make up our world, i.e. objects of experience. After Berkeley I will call these kinds of objects ‘visible objects’ or, sometimes, ‘ordinary objects’. These should be distinguished from ‘material substances’ or ‘material objects’ or ‘matter’. 8 The good news is that God is always perceiving everything, so the persistence of ordinary objects is so ensured. 9 W2: 10. 10 W2: 244. 11 A term Berkeley hardly uses at all.

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way if they both have meaning and in their meaning oppose and exclude one another. In the situation we have here it seems aswell inaccurate to say that something physical gets turned into something mental, as to say that something mental is turned into something physical; for on Berkeley’s view the difference between these terms collapses. There is no dualism in Berkeley, except for the dualism between minds and ideas. The reason why Berkeley puts these words into Philonous’ mouth, then, is that formulated as such, his position comes closest to common sense, and defending common sense is a large part of Berkeley’s motivation for his view. It should be clear then that Berkeley’s famous claim Esse est percipi (aut percipere) forms the basis of his idealism. After all, being perceived aswell as perceiving couldn’t occur if it wasn’t for minds doing the perceiving and thereby ‘grounding’ ideas. Now it is commonly accepted that Berkeley gives a certain general argument (among other arguments) for this view that has the EEP principle as its conclusion and that has also been called the EEP argument.12 There are different forms of this argument, but in what follows I will only discuss two versions. I want to make clear from the start however, that these arguments are reconstructions that we find in the secondary literature, and we do not find them as such in the Principles or Dialogues. After considering the arguments it is therefore important to check and see if and in how far these really are Berkeley’s own arguments. The EEP argument is based on a passage in the Principles where Berkeley asks three rhetorical questions: ‘For what are the forementioned objects [houses, mountains, and rivers] but the things we perceive by sense, and what do we perceive besides our own ideas or sensations; and is it not plainly repugnant that any one of these or any combination of them should exist unperceived?’13 The argument that is construed out of these rhetorical questions in the secondary literature oftentimes runs somewhat as follows14: Houses, mountains and rivers (etc.) are nothing but the things we perceive by our senses. Things which we perceive by our senses are nothing but our own ideas or sensations. It is inconsistent to hold that any of these ideas or sensation or a combination of them should exist unperceived. Therefore: It is inconsistent to hold that houses, mountains and rivers (etc.) should exist unperceived.

12 13 14

E.g. in Broad 1954, Pappas 2000. Also EIP principle or argument. W2: 42. See Broad 1954, Pappas 2000, Muelhmann 1992.

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A more abstract version of this argument, which is based on a different passage of the Principles, runs like this: Each sensible quality is an idea. Each sensible object is a collection of sensible qualities. Hence, each sensible object is a collection of ideas. No ideas exist unperceived, without the mind. Hence, no sensible object exists unperceived, without the mind.15 The EEP argument naturally excludes the existence of material substances. After all, if it is inconsistent that these ideas exist unperceived, then it is impossible for them to exist independent of the mind and therefore they are no substances, since substances are those things that are not dependent on anything else for their existence. Materialism16 would thus be false. Even though this argument seems to be valid, it is oftentimes argued that it is not sound. The first problem is that Berkeley does not seem to argue for the first two premises, while their acceptance is crucial. It has also been objected that the argument (and more specifically premise 2 of the first version) presupposes idealism rather than arguing for it. This point is related to a major objection against this argument, namely that Berkeley conflates two different meanings of the term ‘perceive’ such that the argument turns on an ambiguity in the notion of perception and the conclusion does not follow from the premises. Let’s consider this objection. The objection is given by representationalist theories of perception, and Berkeley anticipates on it. The representationalist distinguishes between mediate and immediate forms of perception and can object that although we directly only perceive ideas, we indirectly perceive ordinary objects, and so the conclusion does not follow. This is a good objection, but in the next sections of the Principles Berkeley successfully undermines it by the counter question how it is possible for an idea to represent a material object. In order to account for this the representationalist must use the term ‘resemblance’, but how can an idea resemble a material object? After all, an idea and a material object are nothing like one another and don’t have anything in common. As Berkeley puts it: ‘an idea can be like nothing but an idea; a colour or figure can be like nothing but another colour or figure’17; this has been known as the ‘Likeness Principle’. With the Likeness Principle Berkeley has a good reply, but it is still often regarded 15 16

Pappas 2000: 113. Berkeley uses the term materialism for the thesis that there are material objects (not, as we often use it, that the only things that exist are material). I will use ‘materialism’ in the same way in this paper. 17 W2: section 8.

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as a weak spot in the argument that the term ‘perceive’ is not used in the same way in the first and second premise.18 This objection might be countered, but what about the problem we noticed before: i.e. that Berkeley does not argue for the first two premises? I think two things should be said here. First, we should keep in mind that these arguments are reconstructions and are not as such presented by Berkeley, and although he does not argue for the premises in the Principles where he poses the rhetorical questions that the EEP argument is based upon, he does argue for the premises in the Dialogues. Second, I think it is important to realize that reconstructing Berkeley’s view and the arguments for it in the way we have just seen, can be misleading – misleading because the style of the argumentation and Berkeley’s methodology might be different than is represented. With respect to the style of argumentation it should be noted that Berkeley’s arguments are narrowly intertwined with his position, and ultimately it is hard to untangle what exactly constitutes an argument and what is just an assumption or statement. This gets reinforced by the fact that hardly any argument (can) stand(s) on its own – most of the arguments rely on other arguments or statements that need to be accepted for the argument to have any compelling power. Many of these ‘hidden’ arguments that other arguments rely on are not discussed in the same works or argued for elaborately. It is therefore sometimes hard to judge which of Berkeley’s arguments actually are good and convincing. Also with respect to Berkeley’s methodology some remarks should be made. Since his arguments and his position are hard to untangle, the question rises what Berkeley is trying to do: is he mainly presenting his view, or is he actually arguing for it? It seems, not in the last place because of the presentation of his view in dialogue form in the Dialogues, that Berkeley’s way of arguing for idealism is not by offering a list of clear cut arguments, but simply by presenting his view as convincing as possible. As Philonous tries to convince Hylas that materialism is false by challenging his assumptions and beliefs, Berkeley is trying to convince the reader by inviting him into this discussion, and by showing him he is not in a better position than Hylas. So Berkeley does not argue from a neutral position, or in a neutral way, but shows us that if you look at the world from his point of view some things we naturally assume, are incoherent. But the dialogue form is not the only indication for this: it is telling that Berkeley keeps pointing out over and over again that his claims are not only true, but also self-evident and that their denial is ‘internally repugnant’ or incoherent. Now by definition self-evident truths do not need to be argued for, and this seems to be exactly Berkeley’s stance. Now of course it is open for discussion which way of arguing is the better way: clear cut arguments from a view from nowhere, or rhetorically trying to convince the reader 18

Broad 1954, Stoneham 2002.

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that you are presenting a coherent story with a certain appeal.19 But to recognize that Berkeley is doing the latter can already clear away some possible misunderstandings. And it is not the case that the appeal of Berkeley’s rhetoric is all we have: Berkeley also has a certain motivation for his view, which can serve as an argument in itself to accept it.20 What does this mean for the EEP argument? In the first place that it is unclear whether this is an actual argument with premises, or a presentation of his view and the assumptions he has for it. However we regard it, the supposed EEP argument can in any case be helpful as an analysis of his view. Second, even though Berkeley does not argue for the premises here, there are some arguments (or supporting claims) to be found elsewhere. In section 4 I will discuss the argumentation for these two premises and try to answer the following questions: 1. Which arguments does Berkeley bring up against the existence of material substances? The answer to which should also provide an answer to: why does he think there is nothing more to ordinary objects than their qualities? 2. Which arguments does Berkeley have for the claim that there is nothing more to qualities than our sensations? In section 5 I will try to answer the last crucial question: 3. What is Berkeley’s argument for the existence of mental substances? But before we start with answering these question, there is another argument that we should consider, which has also been presented as an argument for the totality of Berkeley’s view and which has been called the Master Argument. 3. Master Argument All the commentators agree that it is remarkable that this argument has been called the Master argument21, since it is presented merely as a reply to an objection, and it does not seem very good. One reason it has been called the Master argument though, is that Berkeley apparently regards it so crucial that he writes: ‘… I am content to put the whole upon this issue; if you can but conceive it possible for one extended moveable substance, or in general, for any one idea or any thing like an idea, to exist otherwise than in a mind perceiving it, I shall readily give up the cause….’.22 Thus Berkeley puts it forth with quite some strength; the argument itself however does not prove to be so strong, although it is not easy to see exactly where it goes wrong. 19

One can also argue about what the difference exactly amounts to and whether not all arguments partly rely on rhetoric. 20 More about that in section 6. 21 Which it has been called since a famous paper by André Gallois, see Stoneham 2002: 134. 22 W2: 22-23.

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The idea is that we can’t conceive of mind-independent objects, because in order to do that, we are conceiving them – or rather, we are conceiving something. Pitcher has argued that what is wrong with this argument is that it does not take into account that there is a distinction between what we conceive with and what we conceive of. So we do need to conceive of something, and that conception is conceived, but that does not make the content of the conception conceived of.23 Another point that is confusing is that Berkeley’s argument seems to be aimed at proving that we cannot conceive of sensible things without the mind, but this does not have any implication for the kind of materialism he is arguing against, since this kind of materialism entails that matter is mind-independent and beyond our perception. Stoneham offers an interpretation of Berkeley’s argument such that it’s not rendered completely off, although it still fails. He makes the distinction between d-conceiving and t-conceiving. D-conceiving is direct conceiving for which the object perceived fully determines the content of the experience: ‘the content of a d-conception is fully determined by the properties of the object (i.e. idea) d-conceived.’24 Now if all perception would be d-perception then Berkeley’s argument would be accurate, since: If one is to d-conceive something red, then one must have a red idea in the mind, and similarly for any other qualities. So if one is to d-conceive an object which is not ‘in the mind’ or perceived, then the idea one has in mind in that act of d-conceiving would have to have the property of being ‘without the mind’ or unperceived. One cannot perceive an idea which is not perceived, hence one cannot d-conceive something which exists without the mind.25 Now the problem for Berkeley is that not all conceiving is d-conceiving. There is also ‘conceiving that such-and-such is the case’: t-conceiving. For t-conceiving it is not true that the content is determined by the ideas in our minds. And so we can t-conceive that a material object exists unperceived (which is just our common sense belief). The supposed Master argument fails.

23 24 25

Pitcher 1977. Stoneham 2002: 137. Ibid.

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4. Arguments against Material Substances The first premise or assumption of Berkeley’s view26 is that there is nothing more to visible objects than their qualities, and, since the only thing that could be ‘more’ to a visible object than its qualities is a material substratum, that material substances do not exist. In the Principles and the Dialogues we can find at least four arguments that are direct attacks on the notion of material substance. With these arguments Berkeley wants to show that the existence of material substances is impossible and that materialism is false. A first argument27 against material substances is aimed at the notion of extension. Classically the idea has been that an ordinary object has a certain extension, which is an objective size and shape, in which secondary qualities like colour and temperature inhere; at least according to Berkeley. Now Berkeley rejects the distinction between primary and secondary qualities based on arguments for the relativity of perception. As he argued in A New Theory of Vision primary qualities behave in exactly the same fashion as secondary qualities; for an object’s size appears different from different distances, and a certain shape may appear round from one perspective and elliptical from another. According to Berkeley there is therefore no ground to make a qualitative distinction between primary and secondary qualities. Now since this distinction collapses, and Berkeley claims extension has been shown to be mind-dependent, extension cannot serve anymore as the substratum in which secondary qualities inhere. Rather, extension turns out to be just one of the ideas or qualities that it itself was supposed to support, for that which is extended is not material. Of course this argument relies on the rejection of the distinction between primary and secondary qualities and this, in turn, relies on the arguments for the relativity of perception. So there is one obvious way to object to this argument. Another way of objecting might be by questioning who Berkeley is arguing against here, for it is doubtful whether anyone holds the position that extension is the substratum in which secondary qualities inhere – and whether anyone ever has. The force of this argument is thus not altogether clear. A second argument against material substances is that affirming the existence of material substances is not necessary to account for the persistence of material objects: we don’t need material substances to explain anything. Granted, we do usually assume that there need to be material substances in order for there to be causes of our perceptions and sensations, but according to Berkeley there can be a perfectly good 26 27

See the first version of the EEP argument, p. 5. I am aware that this way of presenting Berkeley’s arguments might seem to suggest he does have a list with clear cut arguments – which is not the case.

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alternative explanation that does not involve material substances whatsoever, namely that it is not material substances that cause us to have our ideas, but God does. God provides us with the ideas we have and takes care of their coordination and coherence.28 Therefore material substances do not cause or explain anything and become superfluous. As with the arguments we have considered thus far, this one too can easily be resisted. One can easily affirm that we do need material substances as the causes of our ideas. But one thing Berkeley’s argument (if it is one) does achieve is showing that there is an alternative view, and that what we normally think does not inevitably lead to a materialist conclusion. A third Berkeleyan argument is that ‘material substance’ is an empty, incoherent, and therefore impossible notion. The notion is empty because a substratum, which is by definition imperceptible, cannot have any of the qualities that we associate with the term ‘material’. After all, we associate matter with colour, shape, size, i.e. with sensory qualities. So the term ‘matter’ loses all its meaning and becomes a completely empty notion. As Berkeley puts it, matter is a non-entity. Now, Berkeley holds that material substances cannot exist because the notion is incoherent. There are two reasons why the notion is incoherent, that both refer back to the notion being empty. The first is that the notion involves a contradiction, because the common sense interpretation of the term and the associations we have with it consist in its qualities that are ideas, not matter. But if we want to save matter and let it have the characteristics that constitute its meaning, then we make matter perceptible, which is another contradiction. The second reason why the fact that the notion is empty makes it incoherent, is not because there is a contradiction involved in it, but because the affirmation of the existence of this empty notion is itself a contradiction. Why is this a contradiction? Berkeley recognizes that even though he has argued (and maybe shown) that there is no reason to believe in the existence of matter, and even though we cannot conceive what is meant by that word, and even though there is nothing that its supposed existence explains, then still it is no contradiction to say that matter exists and that matter is a substance. But here is Berkeley’s devastating reply: “I answer, when words are used without a meaning, you may put them together as you please, without danger of running into a contradiction. You may say, for example, that twice two is equal to seven, so long as you declare you do not take the words of that proposition in their usual acceptation, but for marks of you know not what. And by the same reason you may say, there is an inert thoughtless substance without accidents,

28

I don’t want to get into this further here, but Berkeley’s ideas about this are far more spelled-out.

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which is the occasion of our ideas. And we shall understand just as much by one proposition, as the other.”29

The last retreat Berkeley sees for the materialist who desperately wants to defend his position is saying that at least he can assert the existence of matter as ‘an unknown somewhat, neither substance nor accident, spirit nor idea, inert, thoughtless, indivisible, immoveable, unextended, existing in no place’. Berkeley is willing to grant this: ‘I answer, you may, if so it shall seem good, use the word matter in the same sense, the other men use nothing, and so make those terms convertible in your style’. He concludes by saying about matter that ‘I do not find there is any kind of effect or impression made on my mind, different from what is excited by the term nothing.’30 A fourth and final argument we can find in Berkeley’s work is that even if material substances were possible (which he has argued they are not), then still we could not have any sort of knowledge of them: either to assert their existence or to have any kind of information about them. In this respect it is important to realize that Berkeley’s thesis that ‘matter’ is a notion that is empty, incoherent and inconceivable is sufficiently different from Kant’s idea about the unknowability of objects-in-themselves. Obviously we can draw a line from Berkeley to Kant, but for a clear understanding of Berkeley we should be aware of the risk of anachronistic interpretations. Berkeley argues that materialism is false, because the notion of matter is empty and incoherent and therefore impossible. Kant does not argue that materialism is false and he does not deny the existence of matter, but he argues that matter is unthinkable because it is transcendent. Kant’s argument is epistemological, whereas Berkeley’s argument is ontological. But out of fear of misinterpreting Berkeley, we shouldn’t deny either that Berkeley does bring up the fact that we can’t know that material substances exist or anything about them as an argument against materialism. For this argument or thesis it is also the case that his opponent can simply deny its truth. Van Inwagen’s response to Berkeley’s claim that material substances, if they could exist, would be ‘wholly mysterious’ is that this is ‘a piece of misdirection’31. According to van Inwagen we can easily describe material substances, just as we usually do by listing their qualities: ‘What is it to describe a thing but to say what properties the thing has? Again this is trivial. It would not be worth saying if the idealist had not denied it.’32 29 30 31 32

W2: 75. Ibid., this point is also made in W2: 223. Van Inwagen 1993: 51. Ibid.

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The second premise for Berkeley’s view33, is that there is nothing more to qualities than the sensations we have of them. Berkeley gives two arguments for this premise, the latter of which also explains why Berkeley thinks qualities, interpreted as such, cannot inhere in a material substratum. This means that if material substances could exist (which Berkeley has argued is impossible), then still they could not fulfill their traditional role as being that in which qualities inhere. So this is just another way Berkeley argues against the application of the concept of substance to matter. Which arguments does Berkeley give? The first argument for the conclusion that qualities are sensations is Berkeley’s rejection of abstraction. We tend to think that ‘roundness’ is a property that belongs to, and is grounded in (some, namely round) objects, but according to Berkeley ‘roundness’ is an abstract idea, since, as he argues, we have different sensations of tangible and visible roundness. The property ‘roundness’ is an abstraction from tangible roundness (which is one idea), and visible roundness (which is another idea), but the sensation of tangible roundness and the sensation of visible roundness don’t have anything in common. We are never and could never be acquainted with ‘roundness’ itself and we do not and cannot even know what that is. It would therefore not make sense to say that it exists. But Berkeley does not only reject abstraction because it presents us with abstract properties that we cannot understand, he also denies the validity of abstraction in this case (and similar cases). What is wrong with these cases is not that we are not able or justified to infer to something beyond what we are directly acquainted with, but Berkeley insists that these kinds of inferences should remain empirical and not end up in logical constructions. The ‘abstract’ property of roundness is such a logical construction that is meaningless and unjustified according to Berkeley. Now because Berkeley rejects ‘abstract’ properties, all that is left are our concrete, particular sensations of the qualities of objects, and therefore Berkeley identifies qualities with sensations. Of course the rejection of abstraction can be contested – this however seems to be one of Berkeley’s main underlying arguments. Berkeley’s second argument (which has been called the Identification Argument34) is that qualities are all, in a way, inseparable from the sensations of pleasure and pain. Not just the quality of extreme heat, which is identical to the sensation of severe pain, but the quality of any kind of temperature brings about a certain sensation that is identical to a certain sensation that scores somewhere on the pleasure-pain scale, be it only as ‘a little pleasure’ or a ‘small pain’. A few lines from Philonous and Hylas’ dialogue may illuminate this idea:

33 34

See the first version of the EEP argument, p. 5. E.g. in Pappas 2000.

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“Philonous: Inform me, Hylas. Is a sweet taste a particular kind of pleasure or pleasant sensation, or is it not? Hylas: It is. Philonous: And is not bitterness some kind of uneasiness or pain? Hylas: I grant it. Philonous: If therefore sugar and wormwood are unthinking corporeal substances existing without the mind, how can sweetness and bitterness, that is, pleasure and pain, agree to them?”35

Since Berkeley holds that qualities are identical to sensations, sensations of pleasure and pain cannot exist in a material (and insensitive) substratum: after all, sensations of pleasure and pain cannot inhere in something that is unthinking and insensitive. And since this holds for all sensible qualities, it is impossible for them to inhere in a material substratum and they must inhere in a mind. This argument as such does not aim to show that material substrata do not exist or are impossible per se, but it is a heavy blow if it turns out they cannot fulfill the role that has classically been ascribed to them. It is questionable how good this last argument is. Especially since it seems that, if you hold that qualities and sensations are distinct, there is no problem with sugar being sweet and, at the same time, inhering in an unthinking substratum. A related issue is that one objection that is often advanced against Berkeley’s view is exactly that he does not make a distinction between qualities and sensations, and that if he would only see that this distinction should be made his (EEP) argument does not work (and neither does the argument we just considered). Just as in the previous cases this objection is simply a rejection or denial of Berkeley’s thesis or argument. I will discuss later what this means for the overall conclusion that we should draw.36 5. Argument for Mental Substances Even though Berkeley denies the existence of material substances, he does not deny the existence of ‘mental substances’: minds or spirits. There are many finite minds (persons) and one infinite one (God). The only other entities that exist are ideas, but ideas are not substances: they are dependent on minds for their existence. Minds and ideas are very different in character and this dichotomy forms the only dualism we find in Berkeley: minds are active and are able to produce ideas, while ideas are passive and play no causal role. 35 36

W2: 179-180. In section 7.

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Since minds are substances and Berkeley interprets substances as substrata, minds are also substrata. This might seem a little problematic, because Berkeley’s arguments against material substances can seem to apply just as well to mental substances, or rather: they seem to apply to the notion of a substratum in general and not specifically to material substrata. It is important to realize, though, that Berkeley does not have a problem with and does not reject the idea of a substratum in general. It does seem like Berkeley considered this idea and in his Notebooks one can find ideas that seem to point in the direction of a bundle theory for persons aswell as for objects. But these are only speculations, and since Berkeley’s work that extensively dealt with minds has been lost, we don’t know what Berkeley’s thoughts about this really were. There is one obvious objection against Berkeley’s account of minds as substrata. Namely that even though we perceive ideas, we do not perceive the mind itself, as the substratum in which these ideas inhere. And since an idea can only be like an idea, we can’t have an idea of ‘mind’ – at least, not literally: we can’t have an idea of mind as a substance. Therefore ‘mind’ would be as empty and incoherent a term as ‘matter’. Now, how can Berkeley reply to this objection? Berkeley contends that although we don’t and can’t have an idea of ‘mind’, we do have a ‘notion’ of it. As he writes in the Third Dialogue: “Whereas the being of myself, that is, my own soul, mind, or thinking principle, I evidently know by reflection…. I say lastly, that I have a notion of spirit, though I have not, strictly speaking, an idea of it. I do not perceive it as an idea or by means of an idea, but I know it by reflection.”37

So he seems to say that we are somehow conscious of ourselves, and even though we don’t have an idea of ourselves, we do know our minds by reflection, which must mean through some kind of immediate introspection. Another point Berkeley makes is that he is conscious of his own being, but he also knows that his self is not an idea. So, as he argues, we can perceive and know ideas, and we know that we ourselves perceive these ideas, but ideas cannot perceive one another. Therefore, we are individual things that are different from the ideas that we’re acquainted with. 6. From Argument to Motivation Now that we have seen the arguments concerning actual substances, and before we come to an evaluation of them, I think we should consider 37

W2: 233.

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Berkeley’s motivation for his view. It seems there is a discrepancy betweens his specific arguments and his motivation, which is partly expressed by the fact that Berkeley would not give up on idealism if these particular arguments would turn out to fail. Berkeley has a view, based on a certain motivation, and he presents it as convincing as possible, but it is not the case that these arguments are conclusive or overriding for him to be an idealist. It has been widely acknowledged that his ultimate motivation for idealism is to avoid skepticism and atheism. His idea is that common sense (i.e. our common sense beliefs, experience and perception) does not exclusively support materialism, as we all seem to assume, but is also compatible with idealism. And that, in fact, idealism is the better candidate in supporting common sense, since materialism only leads to contradictions. Berkeley’s theory of perception and causation involving God provides an alternative for material substances such that it can account for the idea (most of us have) that our experiences come from ‘outside us’ without needing material substances to explain this. Therefore, if we want to avoid skepticism and atheism, we should be idealists. Let’s take a closer look at this reasoning. Berkeley argues for the compatibility of common sense and idealism in the following way. What we usually take to be the objects that make up the world, the ordinary objects of experience, they still are the way they seem to us and still make up our world. In fact, they are exactly the way they seem to us, and necessarily so. This is necessarily so because on Berkeley’s view the physical is exhausted in the sensory: ordinary objects are dependent upon the mind. This implies that ordinary objects cannot exist unperceived and that they cannot be different from the way they appear to us in perception38. After all, there is nothing to an object but its appearance. An apple is made up of the ideas ‘physical roundness’, ‘tangible roundness’, ‘red under conditions x’, ‘green under conditions y’, etc. There is nothing (material) beyond these ideas that is the core of the apple, the apple has no essence but in its appearance, there is no universal instantiated in the apple: the collection of its ideas inhering in the mind, is all it is. Berkeley chooses the term ‘idea’ exactly so that this point, which is the essence of his view, comes to expression. Now how is Berkeley’s motivation for idealism, viz. to avoid skepticism and atheism, related to common sense? Berkeley’s theory is not opposed to common sense but rather developed so as to safeguard common sense from the modern problem Berkeley finds himself confronted with. This problem arises from regarding the real world as independent from perception, which makes knowledge of ‘real objects’ impossible and leads to skepticism, and, at the same time, makes us believe that our senses are misleading and 38

Although Berkeley’s view does leave room for the possibility of perceptual error; I will not go into this here.

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deceiving us, since there is no one-on-one correspondence between the way objects really are and the way they appear to us. Both implications are unacceptable for Berkeley: philosophy should not undermine the possibility to have knowledge of the world we live in, or the trust in our senses. Against Descartes’ doubt and against Malebranche’s idea that the corporeal world cannot be philosophically proven, Berkeley poses that the visible world (made up of bundles of perceived ideas) is real, and it really is as it appears to be. According to Berkeley skepticism should be avoided and idealism is the better candidate to do so and to safe our common sense beliefs. Idealism is thus compatible with common sense. Moreover, as Berkeley argues, idealism supports common sense better than materialism. This is the case because on an idealist account the world is necessarily exactly the way it seems to us, and more importantly, the materialist account supposedly leads to all kinds of contradictions (as we have seen in section 4). So our common assumption that only materialism can support common sense is shown to be false: there is an alternative position that is also in accordance with common sense. The advantage of this position, idealism, is that there is no place for skepticism and atheism. 7. Conclusion Now the time has come to evaluate Berkeley’s view and his arguments for it. I think there are several things worth noting. One thing is that Berkeley’s position and his arguments are hard to untangle, and it is oftentimes not clear whether a line of thought is an argument or merely a statement. But I don’t think this is a defect unique for his argumentation or style, but something that is also present in the objections against his view that are often simply a denial or rejection of Berkeley’s position. That Berkeley’s position and his arguments are hard to tell apart is increased by the fact that most of his arguments rely on other arguments (or theses), and that many of the underlying arguments play a crucial role but are often more or less ‘hidden’. E.g. the arguments from the relativity of perception and the rejection of abstraction are not elaborated on at length (in the same works as the arguments that are under consideration here are), but much of the argumentation comes down to their acceptance. I think in the end, all Berkeley’s arguments should be seen in the context of his motivation for idealism: the arguments against material substances are not just raised to support the first premise in the EEP argument, but the reason why it is the first premise of that argument is because Berkeley wants to show that, while we all assume otherwise, materialism involves contradictions. This makes the case for idealism stronger. Since it is hard to say if these arguments really are arguments and not merely statements, it is also hard to

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judge how convincing his case is. I think a few things can be said about this issue. First, I don’t think Berkeley’s specific arguments are convincing enough to conclude to the truth of idealism, which was clearly his intention. However, I think there is a more moderate claim that Berkeley can be said to have successfully established. Namely that the notion of material substance is a puzzling one, and that our supposed knowledge of them is not unquestionable. Also, if these particular arguments fail, that does not mean that idealism is not true, but just that these arguments do not work or do not show it to be true. Berkeley has presented idealism as a good alternative for materialism, by showing that our common sense beliefs and experience of the world does not support materialism any better than idealism. Its power lies in undermining the assumption that only materialism can account for our common sense beliefs, and in undermining our assumption that materialism is a doctrine that is straightforward and unproblematic, since it turns out many questions can be raised about the notion of material substances. Maybe idealism does not come across as an intuitive position, but this might simply be a prejudice, for on second thoughts materialism is in need of a little explanation aswell. The achievement of Berkeley’s work, then, does not lie in the fact that we are all convinced idealists now, but rather in the fact that the idealist position is put on the map: it has been shown to have right of existence as an alternative for materialism. This means that the burden of proof does not completely rest on the idealist’s shoulders, but presses down on those of the materialist aswell. Now that there is an alternative position, the debate which one can better account for our common sense experience and beliefs about the world (and everything else we would like to safeguard) has only just started.

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Karl Hepfer: David Hume – Substanz als Fiktion Vorbemerkung „Sollte irgendjemand, anstatt diese Fragen zu beantworten, der Schwierigkeit dadurch ausweichen, daß er sagt, die Definition einer Substanz ist: ‚etwas, das auf sich gestellt existieren mag und daß diese Definition uns zufrieden stellen sollte’ – sollte dies gesagt werden, dann sollte ich darauf hinweisen, daß diese Definition auf alles zutrifft, was man sich überhaupt nur vorstellen kann; und niemals dazu dienen wird, Substanz von Akzidenz oder den Geist von seinen Wahrnehmungen (perceptions) zu unterscheiden.“1 Das Argument, mit dem David Hume die rationalistische Definition der Substanz, wie sie sich etwa in den vierten Erwiderungen der Meditationen oder in Spinozas Ethik findet,2 zu den Akten legt, bedient sich zweier eingeführter Grundsätze. Erstens: „alles was klar erfaßt (conceived) wird, kann existieren; und alles was auf irgendeine Weise klar erfaßt wird, kann auf dieselbe Weise existieren“ und zweitens: „alles, was verschieden ist, ist unterscheidbar und alles was unterscheidbar ist, kann von der Einbildungskraft auseinandergehalten werden“, 1739/40: 1.4.5.5. Diese beiden Grundsätze gelten selbstverständlich auch für unsere Wahrnehmungen: jede von ihnen ist von jeder anderen verschieden, kann daher unabhängig von ihr ‚erfaßt’ werden und gemäß dem ersten Grundsatz auch getrennt ‚existieren’. Und da „nichts ... dem Geist jemals wirklich präsent ist außer seinen Wahrnehmungen oder Eindrücken und 1

1739/40: 1.4.5.5. Der ohnehin schon problematische Begriff der ‚perception’ – einen guten Einstieg in die umfangreiche Diskussion gibt etwa Yolton (1996) – erfährt bei Hume nochmals eine Erweiterung seiner Bedeutung: „zu hassen, zu lieben, zu denken, zu fühlen, zu sehen: alles dies ist nichts anderes als wahrzunehmen (perceive)“, 1739/40: 1.2.6.7. Die deutsche Übersetzung ‚wahrnehmen’ oder ‚Wahrnehmung’ ist eine Hilfskonstruktion in Ermangelung einer Alternative; sie erfaßt den englischen (beziehungsweise: lateinischen) Ausdruck nur bedingt. 2 „Es ist nämlich eben dies der Begriff der Substanz, daß sie durch sich selbst, das heißt ohne Hilfe irgendeiner anderen Substanz, existieren kann“, Descartes (1641) AT 227; ähnlich auch in den Prinzipien: „Unter Substanz können wir nur ein Ding verstehen, das so existiert, daß es zu seiner Existenz keines anderen Dinges bedarf“, Descartes (1644) 1.51. Bei Spinoza heißt es: „Unter Substanz verstehe ich das, was in sich und durch sich selbst aufgefaßt werden kann und dessen Begriff unabhängig von dem Begriff irgendeines anderen Gegenstandes gebildet werden kann“, Spinoza (1677) 1.3.

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Vorstellungen und ... wir äußere Gegenstände ausschließlich durch jene Wahrnehmungen erkennen, die sie zu verursachen scheinen“,3 so hätte Hume auf dieser Grundlage wohl wirklich die Unbrauchbarkeit der traditionellen Definition nachgewiesen: alle Inhalte des Geistes, das heißt alle möglichen Gegenstände menschlicher Erkenntnis, können auf sich gestellt ‚existieren’. 1. Die Kritik am Substanzbegriff Humes Kritik erschöpft sich allerdings nicht in diesem Angriff auf die traditionelle Definition. Er hält die Vorstellung von etwas, das „die Existenz unserer Wahrnehmungen stützt“ (1739/40: 1.4.5.6) allgemein für bedeutungslos, überflüssig und unverständlich. Den Nachweis dafür, daß der traditionelle Substanzbegriff bedeutungslos ist, führt Hume vor dem Hintergrund seiner sehr sparsamen Ontologie. Wahrnehmungen, gemäß der gerade zitierten Passage, die einzig möglichen Gegenstände menschlicher Erkenntnis, teilen sich in seiner Theorie in einer vollständigen Disjunktion in Eindrücke (impressions) und Vorstellungen (ideas). Auf der Grundlage dieser Unterteilung trennt Hume die sinnvollen von den bedeutungslosen Vorstellungen: jede sinnvolle Vorstellung muß auf einen korrespondierenden Eindruck zurückgeführt werden können.4 Bei der Vorstellung der Substanz gelingt dies nicht, wir verfügen über sie, ohne daß ein entsprechender Eindruck nachzuweisen ist, s. bes. 1739/40: 1.1.6.1; vgl. 1.4.4.12. Sie ist offensichtlich eine Erfindung und steht für Hume damit auf einer Stufe mit anderen Vorstellungen „okkulter Eigenschaften“ (1739/40: 1.4.3.1; 1.4.3.8), die von Philosophen immer dann gerne bemüht werden, wenn sie sonst keine Erklärung anbieten können. Doch woher kommt eine zweifelhafte Vorstellung wie die der Substanz überhaupt, wenn es doch nicht einmal einen korrespondierenden Eindruck zu ihr gibt? Hume erklärt dies so: der menschliche Geist hat die Neigung, aufeinander folgende, aber verschiedene Vorstellungen mit sehr ähnlichem Inhalt mit der durchgängigen Vorstellung eines einzigen Inhalts zu verwechseln: „die Einbildungskraft nimmt“, aus einem Hang zur mentalen Ökonomie,5 nun „bereitwillig die eine Vorstellung für die andere“, 3 4

1739/40: 1.2.6.7; vgl. 1.4.2.54; 1.4.2.38, passim. Prägnant formuliert das Signifikanzkriterium der Abstract, eine Kurzzusammenfassung zentraler Gedanken des philosophischen Hauptwerkes, die Hume in der dritten Person schrieb und anonym im Frühjahr 1740 veröffentlichte. Dort heißt es schlicht: „if no impression can be produced … the term is altogether insignificant“, 1740: 7. 5 Dieser Hang zur Vereinfachung ist am deutlichsten bei Widersprüchen: hier fühlen wir uns „unwohl“ und versuchen alles, um sie aufzulösen, s. 1739/40: 1.4.2.37.

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1739/40: 1.4.3.3. Deshalb schreiben wir Inhalten, die nur ähnlich sind, Identität zu, und dies selbst dann, wenn wir uns mit etwas mehr Anstrengung (nämlich indem wir unsere Aufmerksamkeit auf zeitlich in der Reihe weiter voneinander entfernte Vorstellungen und nicht auf unmittelbar aufeinander folgende richten) darüber klar werden können, daß diese Zuschreibung falsch ist. Um den Gegensatz im Denken zwischen der naheliegenden Meinung aufzulösen, es hier mit ein und demselben Gegenstand zu tun zu haben und der Einsicht, daß dies nicht so ist, wird die Einbildungskraft tätig und „erfindet etwas Unbekanntes und Unsichtbares, von dem sie annimmt, daß es bei aller Veränderung gleich bleibt; und dies unverständliche Etwas nennt sie Substanz“, 1739/40: 1.4.3.4; s. 1.4.5.6. Auf „dieselben Ursachen“ (1.4.3.5), so meint Hume, ist auch die andere in diesem Zusammenhang traditionell genannte Eigenschaft, nämlich die Einfachheit von Substanzen, zurückzuführen. Auch hier nimmt der menschliche Geist leicht die Vorstellung eines einfachen Gegenstandes anstelle der Vorstellung eines zusammengesetzten – besonders wenn die Verbindung der Teile sehr eng ist. Weil aber der Geist bei der Betrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln eine Menge verschiedener, voneinander zu unterscheidender Eigenschaften feststellt – dies gilt sogar schon für einfache Gegenstände –, erfindet die Einbildungskraft auch hier die Vorstellung einer zugrundeliegenden Substanz, an der alle diese Eigenschaften auftreten und ermöglicht es uns so, trotzdem von einem Gegenstand zu sprechen. Diese Argumentation macht nicht nur deutlich, warum Hume die Substanzvorstellung für bedeutungslos hält, sondern auch, warum er meint, sie sei überflüssig: es gibt nichts, was sie erklären könnte oder müßte. Weder benötigen wir sie für die Identitätsvorstellung noch für die Vorstellung der Einfachheit: beide sind nach dem Signifikanzkriterium keine sinnvollen Vorstellungen, denn sie beruhen auf einer vereinfachenden Generalisierung oder Verwechslung der Einbildungskraft und nicht auf einem korrespondierenden Eindruck. Die rationalistische Bestimmung der ‚Substanz’ als etwas, das von unseren Wahrnehmungen verschieden ist und deren Existenz erst ermöglicht, stellt sich damit bei genauer Untersuchung als wenigstens ebenso sinnlos und „unverständlich“ heraus, wie das antike System der ‚Substanz’, ‚substantieller Formen’ und ‚Akzidenzien’, 1739/40: 1.4.3.8. Um es kurz zu machen: die Vorstellung der Substanz steht für Hume auf einer Stufe mit der von ihm ebenfalls ausführlich kritisierten Vorstellung der ‚notwendigen Verbindung’, die das Kernstück der Erklärung des Kausalitätsprinzips darstellt: beide entspringen ausdrücklich „derselben Gewohnheit“ (1739/40: 1.4.3.7) zur mentalen Ökonomie und stellen sich bei genauerer Betrachtung als falsch heraus. Damit erfüllt die Substanzvorstellung offensichtlich nicht den

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Zweck, den viele Philosophen seit Aristoteles6 mit ihr verbinden: sie vermag nicht zu erklären, warum wir trotz manchmal großer Veränderungen von ein und demselben Gegenstand sprechen, und auch meinen, dies mit Recht zu tun. 2. Eine Welt ohne Substanz Nachdem Hume im dritten Teil des ersten Buches der Abhandlung über die menschliche Natur bereits die Vorstellung einer notwendigen Verbindung und damit zugleich auch die Vorstellung einer Kausalverbindung auf eine vorschnelle Generalisierung zurückgeführt und damit als falsch ausgewiesen hatte, reißt er mit seiner Kritik an der Substanzvorstellung im vierten Teil eine zweite tragende Säule rationalistischer Metaphysik ein. Seine Kritik hat substantielle Auswirkungen in zwei Bereichen. Betroffen sind die Vorstellung materieller Substanzen, mit Folgen für die Diskussion um die Gegenstände der Außenwelt, und die Vorstellung einer geistigen Substanz, mit Folgen für die Konzeption des Selbst. Betrachten wir zunächst die Vorstellung materieller Substanzen. 2.1. Materielle Substanzen Es ist kein Zufall, daß Humes Kritik an der Vorstellung der Substanz direkt an das Kapitel anschließt, das ihm den Ruf eingetragen hat, einer der herausragenden Skeptiker der (modernen) Philosophiegeschichte zu sein, denn sie verschärft die skeptische Pointe.7 Hatte er im dritten Teil nur dafür argumentiert, daß wir mit unseren Schlußfolgerungen in keinem Fall berechtigt sind, über das hinauszugehen, was uns bereits aus früherer Erfahrung bekannt ist, und damit etwa auch den Schluß von vergangenen Beobachtungen auf zukünftige Fälle als zweifelhaft ausgewiesen, so zieht die Kritik an der Substanzvorstellung jetzt sogar jede Berechtigung in Zweifel, der Welt außerhalb unseres Geistes in epistemischer Absicht bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben. Die entsprechende Argumentation hat starke Ähnlichkeit mit der Argumentation George Berkeleys. Denn, um es noch einmal zu wiederholen: alles, was uns zur Verfügung steht, sind unsere Eindrücke und Vorstellungen.8 Damit werden „unsere 6

Vor allem die Wortwahl des Kapitels, in dem Hume sich mit seinen Vorgängern auseinandersetzt, verweist deutlich auf Aristoteles, s. 1739/40: 1.4.3.1. 7 Im Abstract stellt Hume kurz und bündig fest: „Philosophy would render us entirely Pyrrhonian, were not nature too strong for it“, 1740: 27. 8 „The most vulgar philosophy informs us, that no external object can make itself known to the mind immediately, and without the interposition of an image or perception“, 1739/40: 1.4.5.15. Mit dem Ausdruck ‚the most vulgar philosophy’

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Vorstellungen von Gegenständen zu nichts weiter als vom Geist gebildeten Sammlungen von Vorstellungen etlicher verschiedener wahrnehmbarer Eigenschaften, aus denen Gegenstände bestehen, und die wir in einer beständigen Gemeinschaft miteinander finden“, 1739/40: 1.4.3.2. Eine wesentliche Aufgabe der Erkenntnistheorie besteht unter diesen Vorzeichen darin, die entsprechenden Vorstellungen daraufhin zu überprüfen, ob sie dem Signifikanzkriterium genügen und sich tatsächlich auf (Sinnes-) Eindrücke beziehen lassen. Ebenfalls wichtig ist in dieser Perspektive die Untersuchung der Verbindungsprinzipien, nach denen Vorstellungen von Gegenständen gebildet werden.9 Dennoch kommt die zentrale Rolle in der Humeschen Analyse der Erkenntnis der Einbildungskraft (imagination) zu. Denn wenn Gegenstände „vom Geist gebildete Sammlungen von Vorstellungen“ sind (meine Hervorhebung), und wenn wir uns bei der Formulierung der Kriterien für Wissen allein auf flüchtige ‚Eindrücke’ mit wechselnden Inhalten stützen können,10 so ist klar, daß Wissen zu einem sehr großen Teil davon abhängig ist, wie das vorliegende Datenmaterial interpretiert wird. Dies zu tun, ist Angelegenheit der Einbildungskraft. Tatsächlich besteht Humes Vorgehen in erster Linie darin, verschiedene Interpretationen derselben Daten einander gegenüber zu stellen. Durch deren gründliche Untersuchung stellt sich dann regelmäßig heraus, daß die naheliegende und scheinbar unkontroverse Interpretation durch die gegebenen Daten nicht nur nicht gedeckt, sondern falsch ist. Zu diesen falschen Interpretationen gehört der Glaube an die ununterbrochene Existenz ebenso, wie der an die Identität oder die Einheit von Gegenständen,11 an Kausalität oder an eine notwendige Verbindung im Bereich der Erfahrung. In jedem dieser Fälle deckt Humes Untersuchung auf, daß es sich bei der verbreiteten und weithin akzeptierten Sicht der bezieht sich Hume auf die weithin akzeptierte ‚Standardmeinung’ seiner Zeit. Und: „nothing is ever really present to the mind, besides its own perceptions“ 1739/40: 1.4.2.21; vgl. 1.4.2.54. Der Gegenstand, der die entsprechenden Eindrücke auslöst oder verursacht, bleibt wenigstens bei Sinneseindrücken ausdrücklich epistemisch unzugänglich: „As to those impressions, which arise from the senses, their ultimate cause is, in my opinion, perfectly inexplicable by human reason.“ (1739/40: 1.3.5.2); „Impressions … of SENSATION arise … in the soul originally, from unknown causes“ 1739/40: 1.1.2.1. 9 Ein offensichtliches Mißverständnis dagegen wäre es, von der Erkenntnistheorie in einer Vermischung von ontologischer und epistemischer Perspektive zu fordern, sie solle einer Skepsis an der Existenz äußerer Gegenstände entgegentreten – anstatt Kriterien des Wissens formulieren. 10 „ll impressions are internal and perishing existences“, 1739/40: 1.4.6.6. 11 Vgl. beispielsweise: „This propension to bestow an identity on our resembling perceptions, produces the fiction of a continu’d existence; since the fiction, as well as the identity, is really false, as is acknowledg’d by all philosophers, and has no other effect than to remedy the interruption of our perceptions“; und „o that upon the whole our reason neither does, nor is it possible it ever shou’d, upon any supposition, give us an assurance of the continu’d and distinct existence of body. That opinion must be entirely owing to the IMAGINATION“, 1739/40: 1.4.2.14f.

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Dinge um Fiktionen der Einbildungskraft handelt, die auf den Hang des menschlichen Geistes zur Vereinfachung der Daten und das Bedürfnis zur Auflösung von Widersprüchen zurückzuführen sind.12 Trotz der Einsicht in ihre Falschheit halten wir jedoch mit einiger Beharrlichkeit an den entsprechenden Vorstellungen fest. Und dies nicht ohne Grund, denn sie sind eine notwendige Bedingung für die epistemische Interpretierbarkeit der Welt. Oder anders ausgedrückt: ausnahmslos jede Theorie und jedes Erklärungsmodell vereinfacht und abstrahiert. Vom fiktionalen Charakter der entsprechenden Vorstellungen sollten wir uns allerdings nicht irreführen lassen: diejenigen Fiktionen, die die Voraussetzung für die epistemische Interpretierbarkeit der Welt schaffen, können nicht zufällig oder beliebig sein. Im Gegenteil: sie werden uns unausweichlich von unserer Natur ‚aufgezwungen’, Biro (1983) 42; vgl. 1739/40: 1.4.7.3. Humes Analyse erinnert uns deshalb nicht nur daran, daß epistemisch grundlegende Vorstellungen wie die ‚Identität’, die ‚Einfachheit’ oder die ‚ununterbrochene Existenz’ von empirischen Gegenständen fiktional und strenggenommen auch falsch sind, sondern ruft ebenso ins Bewußtsein, daß wir trotz dieser Einsicht nicht auf sie verzichten können. Wenn wir in unserer Argumentation auf sie zurückgreifen, sollten wir dies auf jeden Fall im Auge behalten, denn sonst unterläuft uns leicht der Fehler der Rationalisten und wir versteigen uns in unplausiblen Theorien. Wir verlangen dann etwa zu wissen, was denn nun das ‚wahre Wesen’ der Substanz sei, wo es tatsächlich doch nur darum geht, die „bewundernswerte“ Eigenschaft der Einbildungskraft anzuerkennen, uns bei Bedarf mit den Vorstellungen zu versorgen, die jeweils „notwendig“ und „nützlich“ für unsere Argumentation und unseren Erkenntnisprozeß sind.13 Es ist offensichtlich, daß Humes Kritik weitreichende Folgen für die Erkennbarkeit äußerer Gegenstände hat. Denn sobald wir zugestehen, daß die Vorstellung, unseren Wahrnehmungen läge eine wie auch immer 12

Für den Glauben an die ununterbrochene Existenz bringt Hume den Widerspruch so auf den Punkt: „The imagination tells us, that our resembling perceptions have a continu’d and uninterrupted existence, and are not annihilated by their absence. Reflection tells us, that even our resembling perceptions are interrupted in their existence, and different from each other“, 1739/40: 1.4.2.52; vgl. 1.4.6.6. 13 „Nothing is more admirable, than the readiness, with which the imagination suggests its ideas, and presents them at the very instant, in which they become necessary or useful“, 1739/40: 1.1.7.15. – Die Frage nach der Beschaffenheit irgendeiner Substanz, die unseren Wahrnehmungen zugrunde liegen soll, ist schon deshalb absurd, weil es uns unmöglich ist, „to conceive or form an idea of any thing specifically different from ideas and impressions. Let us fix our attention out of ourselves as much as possible: Let us chance our imagination to the heavens, or to the utmost limits of the universe; we never really advance a step beyond ourselves, nor can conceive any kind of existence, but those perceptions, which have appear’d in that narrow compass. This is the universe of the imagination, nor have we any idea but what is there produce’d“, 1739/40: 1.2.6.9.

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beschaffene Substanz zugrunde, unnötig und unverständlich ist (sofern die Substanzvorstellung mehr sein soll als eine aus der Bequemlichkeit geborene sprachliche Konvention),14 erübrigt es sich selbstverständlich, nach der ‚wahren’ Natur dessen zu fragen, was ihnen zugrunde liegt. Mit anderen Worten, Hume legt mit dieser Kritik an der rationalistischen Substanzvorstellung ein Vorhaben endgültig zu den Akten, das seine Vorgänger noch auf vielfältige Weise beschäftigte, nämlich die Hoffnung, die eine wahre und richtige Sicht der Dinge ermitteln zu können.15 Andererseits schließt die Verabschiedung der Substanzvorstellung selbstverständlich nicht aus, daß wir berechtigterweise der Meinung sein können, zwischen der Art, wie wir Dinge wahrnehmen oder erkennen können, und der Beschaffenheit der Dinge bestehe eine epistemische Differenz, der Meinung, „daß die Welt über die Reichweite unseres Geistes hinausreicht“, wie es Thomas Nagel formuliert, Nagel (1986) 90; vgl. 90109. Hume bekräftigt mehrfach, daß unsere Wahrnehmungen demjenigen, was sie veranlaßt, nicht ähnlich sind oder sein müssen, s. Fn. 8. Doch wenn wir weder entscheiden können, ob Wahrnehmungen „unmittelbar auf einen Gegenstand zurückgehen, oder von der schöpferischen Kraft der Einbildungskraft hervorgebracht worden sind, oder von dem Schöpfer unserer Existenz abgeleitet wurden“ (1739/40: 1.3.5.2), noch überhaupt in der Lage wären, zu erkennen, wenn eine Ähnlichkeit vorläge,16 dann können wir dem skeptischen Einwand tatsächlich nur mit einer ‚skeptischen Antwort’ begegnen, also einer Antwort, die dem Einwand nicht rundweg seine Berechtigung abspricht, s. Kripke (1989). Es kann, und soweit ist die skeptische Hypothese berechtigt, kein absolutes Wissen geben, da alle Daten bereits von der Einbildungskraft (etwa unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit) interpretiert wurden, bevor wir sie zu einer Erkenntnis verbinden. Damit verschärft sich durch Humes Substanzkritik tatsächlich der Zweifel an der Möglichkeit empirischer Erkenntnis noch einmal, den er bereits durch seine Kritik des Kausalitätsprinzips kräftig geschürt hatte. 14

„The idea of a substance as well as that of a mode, is nothing but a collection of simple ideas, that are united by the imagination, and have a particular name assign’d them, by which we are able to recal, either to ourselves or to others, that collection“, 1739/40: 1.1.6.2. 15 Versucht Descartes noch, eine Version der Welt durch den Umweg über ein höheres Wesen als die eine verbindliche Wahrheit auszuweisen, tritt Humes Landsmann John Locke hier bereits den Rückzug an und versucht den Anspruch nur noch für einen kleinen Teil unserer Vorstellungen aufrecht zu erhalten. 16 „It is a question of fact, whether the perceptions of the senses be produced by external objects, resembling them: How shall this question be determined? By experience surely; as all other questions of a like nature. But here experience is, and must be entirely silent. The mind has never any thing present to it but the perceptions, and cannot possibly reach any experience of their connexion with objects“, 1748: 12.12.

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David Hume 2.2. Geistige Substanzen

Der zweite Bereich in dem Humes Kritik am Substanzbegriff Folgen für die hergebrachte Sichtweise der Dinge hat, ist der Bereich der geistigen Substanzen. Was für die Materie gilt, gilt selbstverständlich auch für den Geist: auch hier sind die Vorstellungen von Einheit und Identität falsch. Ebenso wie materielle Gegenstände „vom Geist gebildete Sammlungen von Vorstellungen“ sind, so kann auch das Selbst nur als ein „Bündel oder eine Sammlung verschiedener Wahrnehmungen“ (T.1.4.6.4) charakterisiert werden. Wenn die Wahrnehmungen „durch meinen Tod entfernt werden“, so stellt Hume unzweideutig fest, „dann wäre ich vollständig vernichtet ... ein perfekter Nicht-Gegenstand“, 1739/40: 1.4.6.3. Diese Hypothesen stehen offensichtlich erneut im krassen Gegensatz zur traditionellen Vorstellung. Vor allem sind sie natürlich eine Provokation für diejenigen, die in einer unwandelbaren geistigen Substanz die Voraussetzung der Unsterblichkeit der ‚Seele’ sehen. Und dies ist, seit Platon den Zusammenhang im Phaidon darstellte, tatsächlich die Mehrheit der abendländischen Denker.17 Humes Kritik an der traditionellen Auffassung des Selbst, dem eine unveränderliche geistige Substanz zugrunde liegt, betrifft allerdings nicht nur die mit empirischen Mitteln nicht zu entscheidende Frage der Unsterblichkeit der Seele, sondern sie hat durchaus konkrete theoretische und praktische Konsequenzen. Betrachten wir aber zunächst die Kritik, bevor wir uns den Folgen zuwenden. Humes Einwendungen gegen die Vorstellung einer geistigen Substanz sind ähnlich wie diejenigen gegen die Vorstellung einer materiellen Substanz. Der Haupteinwand lautet auch hier, daß der Vorstellung kein Eindruck zugrunde liegt und sie damit – jedenfalls vor dem Hintergrund seiner Ontologie – ebenfalls unklar, unverständlich und sinnlos ist. Ebenfalls analog zu den früheren Ausführung ist die Erklärung, die Hume für das Vorhandensein der Vorstellung eines identischen und unveränderlichen „Selbst“, einer „Seele“ oder einer geistigen „Substanz“ gibt: denn auch hier versuchen wir, Unterbrechungen und Veränderung durch eine Fiktion zu überspielen und zu beseitigen, um die Dinge zu vereinfachen, 1739/40: 1.4.6.6. Anders als bei der Diskussion um eine 17

Der Gedanke selbst ist älter und geht auf die orphische Seelenwanderungslehre zurück. Im Mittelalter verankert dann Augustinus das Voraussetzungsverhältnis fest in der christlichen Argumentation. Seinen prominentesten philosophischen Niederschlag findet der Zusammenhang im ‚Substanzendualismus’ Descartes’. – Auch Hume hatte die christliche Argumentation fest im Blick. Er unternimmt es nicht nur, den behaupteten Zusammenhang zwischen einem gleichbleibenden, substantiellen Selbst und der Unsterblichkeit der Seele als falsch auszuweisen, sondern bekräftigt, in einer weiteren gezielten Provokation, daß das Gegenteil richtig ist: „I assert, that the doctrine of the immateriality, simplicity, and indivisibility of a thinking substance is a true atheism“ (1739/40: 1.4.5.17), wobei dieser ‚Atheismus’ offensichtlich die Behauptung einschließt, die Seele sei sterblich.

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materielle Substanz beschränkt sich Hume bei der Vorstellung einer geistigen Substanz nicht auf die Kritik, sondern skizziert eine positive Theorie, die an die Stelle des unveränderlichen Selbst der Tradition treten soll. Ihr zufolge besteht das ‚Selbst’ in einem „Bündel oder einer Ansammlung verschiedener Wahrnehmungen, die mit unvorstellbarer Geschwindigkeit aufeinander folgen und dauernd im Fluß und in Bewegung sind“ (1739/40: 1.4.6.4). Ebenfalls im Unterschied zur materiellen Substanz kommt bei der Vorstellung der geistigen Substanz noch ein weiterer Gedanke hinzu, der sich so in der früheren Diskussion nicht findet. Er entspringt der Tatsache, daß Eindrücke und Vorstellungen selbst Gegenstände des Geistes sind und „das Selbst oder die Person nicht irgend ein Eindruck ist, sondern der, auf den sich, wie wir annehmen, unsere verschiedenen Eindrücke und Vorstellungen beziehen“, 1739/40: 1.4.6.2. Aus diesem Grund hat die Humesche Kritik an der Vorstellung einer geistigen Substanz einschneidende Folgen sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht. Im Hinblick auf unser Wissen fällt es Hume vor allem schwer zu erklären, wie ohne ein gleichbleibendes Selbst verschiedene Vorstellungen in einer regelhaften Weise aufeinander bezogen und systematisch zu einer Erkenntnis verbunden werden können. Denn dies ist die Konsequenz seiner Kritik: verschiedene Wahrnehmungen folgen nur zufällig aufeinander und hängen nicht nach Regeln miteinander zusammen. Wenn es aber zufällig ist, welche Vorstellungen sich im Geist ‚begegnen’ und verbinden, dann kann Erkenntnis kaum „ein Ganzes verglichener und verknüpfter Vorstellungen“ sein.18 In erster Linie aus diesem Grund gesteht Hume in einem der berühmtesten Anhänge der Philosophiegeschichte freimütig ein, weder in der Lage zu sein, seine früheren Äußerungen zu korrigieren, noch sie von Widersprüchen zu befreien (1739: 20): „was mich betrifft (...) so gebe ich zu, daß diese Schwierigkeit meinen Horizont übersteigt“ (1739: 21). In praktischer Perspektive berührt das Fehlen eines konstanten, identischen Selbst die Handlungsmotivation und die Zuschreibung von Verantwortung. Zukünftige Ereignisse können, ganz unabhängig von der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens, in Humes Theorie kaum zu Handlungen motivieren: zu schwach und unbestimmt ist die Verbindung des aktuellen „Bündels von Vorstellungen“ mit einem zukünftigen. Warum etwa sollte ich jetzt auf etwas verzichten, nur damit ein zukünftiges Ich, das in so gut wie keiner Verbindung zu mir steht, es unter Umständen irgendwann leichter hat? Hoffnung und Furcht, Geiz und Zuversicht verlieren in Humescher Perspektive ihre bisherige Grundlage, sofern sie sich auf die persönliche Zukunft beziehen und nicht ohnehin auf andere Menschen. Ohne die Vorstellung eines weitgehend gleichbleibenden und durch die Vorstellung einer geistigen Substanz stabilisierten Selbst kann 18

Kant (1781/7) A 64/B 89; vgl. Vorrede A XIV.

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die ‚eigene’ Zukunft nicht hinreichend interessieren, um zu Handlungen zu bewegen. Und eine ähnliche Überlegung gilt auch für die Vergangenheit; denn mit welcher Berechtigung soll man jemanden für Taten zur Verantwortung ziehen, die nicht er, sondern eine frühere, allenfalls vage mit ihm verbundene ‚Ansammlung von Vorstellungen’ begangen hat? Hume waren Einwände dieser Art selbstverständlich nicht fremd.19 Er beschränkt sich deshalb auch nicht darauf, das Selbst als eine Ansammlung von Wahrnehmungen zu charakterisieren, sondern bringt an dieser Stelle die Kausalverbindung als ein mögliches Organisationskriterium für den Übergang zwischen verschiedenen Ansammlungen von Wahrnehmungen ins Spiel: „die wahre Vorstellung vom menschlichen Geist ist, ihn als ein System unterschiedlicher Wahrnehmungen ... anzusehen, die durch die Relation von Ursache und Wirkung miteinander verbunden sind und sich gegenseitig hervorbringen, aufheben, beeinflussen und umgestalten“. So sei das Selbst mit einer „Republik oder einem Staatenbund zu vergleichen, in dem die Mitglieder durch wechselseitige Bande von Herrschaft und Unterordnung vereint sind (...) Mitglieder, Gesetzte und Verfassung wechseln mögen“, 1739/40: 1.4.6.19. Auf diese Weise entfalten, mit der tatkräftigen Unterstützung der Einbildungskraft, auch „entfernte Wahrnehmungen“, ihre Wirkung, so sollen auch vergangene oder zukünftige Eindrücke und Vorstellungen unser gegenwärtiges Verhalten beeinflussen können. Erinnert man sich allerdings daran, daß Hume in dem Abschnitt der Abhandlung über die menschliche Natur, der der Substanzdiskussion unmittelbar vorangeht, keine argumentativen Mühen gescheut hatte, um seine Leser und Leserinnen davon zu überzeugen, daß auch die traditionelle Auffassung von Ursache und Wirkung strenggenommen falsch ist, dann erscheint diese Analogie in einem etwas anderen Licht. Es kann dann wohl nicht in erster Linie darum gehen, durch das Bild der Republik oder des Staatenbundes mit wechselnden Mitgliedern und einem nachvollziehbaren Ablauf des Wechsels eine alternative, plausible Vorstellung des Selbst zu stützen, sondern vielmehr darum, erneut und mit Nachdruck daran zu erinnern, daß wir nicht umhin können, uns für ein Verständnis der Welt und unserer Selbst in erheblichem Umfang auf Fiktionen zu verlassen, von denen wir wissen, daß sie falsch sind. Auch 19

Seine Theorie des Selbst ist Thema einer umfangreichen Diskussion. Da es hier um die Theorie der Substanz geht, sei nur auf einige einschlägige Beiträge hingewiesen, etwa Kemp-Smith, N. The Philosophy of David Hume. A critical Study of its Origins and Central Doctrines. Repr. London: 1960. Bes. 96ff. Penelhum, T. Hume on Personal Identity. Repr. in: Hume. Hrsg. V. C. Chappell. London: 1968; und David Hume: Of Personal Identity. In: Introduction to the Philosophy of Mind. Readings from Descartes to Strawson. Hrsg. H. Morick. New Jersey: 1970. 57-73; Stroud, B. Hume. London: 1977. Kap. 6; Fogelin, R. J. Hume’s Worries about Personal Identity. In: Ders. Philosophical Interpretations. New York: 1992. 81-94; Falkenstein, L. Hume and Reid on the Simplicity of the Soul. In: Hume Studies 21 (1995). 25-45.

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von der Vorstellung geistiger Substanz, welche die Vorstellung eines identischen und weitgehend gleichbleibenden Selbst ermöglicht, können wir uns trotz der Einsicht in ihre Falschheit wohl nur dann trennen, wenn wir etwas an ihre Stelle setzten, das uns weiterhin die gewohnten Interpretationsmuster erlaubt. Sofern man Humes Argumentation für schlüssig hält, läge allerdings eine andere Konsequenz wohl näher als der Fatalismus im Hinblick auf unsere grundlegenden Interpretationsmuster. Konsequent wäre nämlich die Aufforderung, wenigstens den ernsthaften Versuch zu unternehmen, die Substanzvorstellung zu verabschieden und mit ihr gleichzeitig die Vorstellungen von ‚Furcht’, ‚Schuld’ und ‚Verantwortung’ – etwa so, wie es einige fernöstliche Weisheitslehren vorschlagen. Hume selbst hat diesen Weg nicht eingeschlagen. Im Gegenteil: sowohl seine philosophischen Schriften zur Moral als auch seine gesellschaftspolitischen Essays setzten voraus, daß tatsächlich niemand sich in dieser Weise von der Sorge um seine Zukunft oder seine Reputation lösen kann, oder davon in Kategorien von Schuld, Verantwortung und Rechenschaft zu denken. Trotz seiner wohldurchdachten Kritik an der Substanzvorstellung scheint Hume also davon überzeugt zu sein, daß der Zwang, den die Natur hier auf den Menschen ausübt, nicht zu brechen ist; er kann nicht anders, als wider besseres Wissen an einer nachweislich falschen Vorstellung festzuhalten.

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Literatur Baruch de Spinoza. (1677). Ethica ordine geometrico demonstrata (Ethik nach geometrischer Methode, 1677). In: Opera 2. Hrsg. C. Gebhardt. Heidelberg: 1925 Biro, J. (1983). Hume’s New Science of the Mind. In: The Cambridge Companion to Hume. Hg. D. F. Norton. Cambridge: 1994 (repr.). 33-63 Descartes, R. (1641). Meditationes de prima philosophia. In: AT 7 Descartes, R. (1644). Principia philosophiae. In: AT 8 Descartes, R. (AT). Ouevres de Descartes. Hrsg. C. Adam/P. Tannery. Paris: 1897ff. Hume, D. (1739). Appendix. In: Hume (1739/40). 396 – 401 Hume, D. (1739/40). A Treatise of Human Nature: Being an Attempt to Introduce the Experimental Method of Reasoning Into Moral Subjects. Hg. D. F. Norton/M. J. Norton. Oxford: 2000 Hume, D. (1740). An Abstract of a Book lately Published, entitled, ‚A Treatise of Human Nature &c.’. In: Hume (1739/40). 407-417 Hume, D. (1748). An Enquiry concerning Human Understanding. Hrsg. T. Beauchamp. Oxford: 1999 Kant, I. (1781/7). Kritik der reinen Vernunft. Hg. J. Timmermann. Hamburg: 1998 Kripke, S. (1989). Wittgenstein on Rules and Private Language: An Elementary exposition. Oxford Nagel, Th. (1986). The View from Nowhere. Oxford Yolton, J. W. (1996). Perception & Reality. A History from Descartes to Kant. Ithaca (NY)

Jindřich Karásek: Substanzkategorie und kategorische Urteilsform Substanztheoretische Überlegungen in der Perspektive des Kantischen Anschlusses an den Aristotelischen Kategorienbegriff

Konrad Cramer gewidmet

In der philosophischen Tradition des Substanzdenkens lassen sich grundsätzlich zwei Substanzbegriffe voneinander unterscheiden. So war mit „Substanz“ entweder eine Entität gemeint, die unabhängig von allen anderen Entitäten existiert, d.h. auch dann existieren würde, wenn es keine anderen Entitäten gäbe, oder der Begriff der Substanz hat ein solches Etwas bedeutet, das es erlaubt, eine Entität als eine bestimmt existierende Entität zu denken. Dieses Etwas wurde in der ontologischen Tradition als ‚eidos‘ bzw. ‚essentia‘ dieser Entität benannt. Mit dem ersten Substanzbegriff war aber eine Unterscheidung impliziert. Denn diejenigen Entitäten, von denen unabhängig eine als Substanz bezeichnete Entität existiert, sind entweder auch Substanzen, oder nur etwas an der Substanz. Das, was nur als etwas an einer Substanz existiert, wurde in der ontologischen Tradition ‚Akzidenz‘, ‚Attribut‘ oder ‚Modus‘ dieser Substanz genannt. Für eine als Akzidenz, Attribut oder Modus bezeichnete Entität war es also definierend, daß sie im Unterschied zu der als Substanz bezeichneten Entität gerade nicht über eine selbständige Existenz verfügt, sondern nur dann existiert, wenn die Substanz existiert. Dies ist jedoch nicht die einzige Unterscheidung, die mit dem ersten Substanzbegriff impliziert war. Denn man kann entweder davon ausgehen, daß es eine unbegrenzte Pluralität der Substanzen gibt, oder aber versuchen nachzuweisen, daß die Anzahl von Substanzen eingeschränkt gedacht werden muß. In dem zweiten Fall ergaben sich weitere Möglichkeiten hinsichtlich dessen, wie groß die Anzahl der Substanzen zu sein hat. Die extremste Möglichkeit bestand dabei darin, daran festzuhalten, daß es nur eine einzige Substanz gibt. Diese Position wurde in der ontologischen Tradition ‚Substanzmonismus‘ genannt. Wenn man diese Position einnimmt, dann muß man konsequenterweise daran festhalten, daß alle anderen Entitäten nur etwas an der einen Substanz sind, d.h. sie existieren nur als Akzidenzien, Attribute oder Modi der einen Substanz. Das besagt aber, daß sie nur dann existieren, wenn Substanz existiert. Eine alternative

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Kant

Position zum Substanzmonismus, die sich auch als entgegengesetzte Position zum Substanzmonismus verstand, bestand darin zu behaupten, daß es nicht eine einzige, sondern zwei Substanzen gibt, denen jeweils entgegengesetzte Bestimmungen zukommen. Diese Position wurde in der ontologischen Tradition ‚Substanzdualismus‘ genannt. Und auch innerhalb dieser Position muß konsequenterweise daran festgehalten werden, daß alles andere außer den zwei Substanzen nur als Akzidenzien, Attribute oder Modi dieser zwei Substanzen existiert. Das besagt erneut, daß alles andere nur dann existiert, wenn diejenige Substanz existiert, deren Bestimmung es ist. So ergaben sich in der ontologischen Tradition innerhalb des ersten Substanzbegriffs nur drei Alternativen: Substanzmonismus, Substanzdualismus und Substanzpluralismus. Während die Hauptströmung der ontologischen Tradition bis zur Entstehung der von der Subjektivität ausgehenden Ontologie ausschließlich den Substanzpluralismus vertrat, ist für die neue mit Descartes beginnende Ontologie der Streit über die Anzahl der Substanzen kennzeichnend. Dabei wurden bekanntlich innerhalb dieses Streits alle drei ontologischen Positionen vertreten. Kant hat mit seiner Auffassung des Substanzbegriffs die Position des Substanzpluralismus eingenommen, denn für ihn besteht offensichtlich die Möglichkeit, mit dem Begriff der Substanz unter bestimmten epistemischen Umständen, die er in der „Transzendentalen Analytik“ der Kritik der reinen Vernunft klärt, eine unbegrenzte Anzahl von Entitäten zu bezeichnen. Mit der soeben namhaft gemachten Tatsache verbindet sich eine eigentümliche Kantische These, die in Kants Anschluß an den Begründer der ontologischen Tradition, Aristoteles, besteht. So war Kant der Auffassung, daß die von ihm herausgestellten reinen Verstandesbegriffe, die er als Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung verstehen versucht hat und zu denen er auch den Substanzbegriff zählt, „nach dem Aristoteles“ „Kategorien“ genannt werden könnten. Kant macht darauf aufmerksam, daß seine Absicht, die er mit seiner Kategorienlehre vefolgte, „uranfänglich mit der seinigen [sc. der Aristotelischen] zwar einerlei ist, ob sie sich gleich davon in der Ausführung gar sehr entfernt.“1 Aus dem Kontext der zitierten Stelle geht hervor, daß die gemeinsame AristotelischKantische Absicht Kant zufolge darin bestand, die Kategorien als Grundbegriffe der Ontologie überhaupt erst ausfindig zu machen.2 Nach Kant besteht jedoch eine bedeutende systematische Differenz zwischen ihm und Aristoteles darin, daß Aristoteles aufgrund des Mangels einer bei der Aufsuchung der Kategorien leitenden Hinsicht (eines ‚Principiums‘) unter die Kategorien auch solche Begriffe zählte, die in den Bereich der reinen Verstandesbegriffe gar nicht gehören, weil sie entweder empirischer 1 2

Vgl. B 105/A 79-80. Vgl. B 107/A 81.

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Herkunft, oder aber aus höheren Begriffen abgeleitet sind.3 Das sei aber bei den Kategorien ausgeschlossen.4 Im Folgenden soll die Kantische Substanztheorie in der Perspektive seines Anschlusses an Aristoteles rekonstruiert werden. Es muß gefragt werden, warum Kant der Meinung ist, die ganze neuzeitliche Ontologietradition überspringen und seine Kategorienlehre gerade im Anschluß an Aristoteles, und nicht etwa im Anschluß an Descartes oder Spinoza entfalten zu müssen. Es muß weiter gefragt werden, ob dies nur mit dem eher äußerlichen und trivialen Umstand zusammenhängt, daß er seine reinen Verstandesbegriffe nach Aristoteles als Kategorien bezeichnet, oder ob es dazu vielmehr systematische Gründe gegeben hat, welche ausfindig gemacht werden können. Diese Fragen sollen im folgenden beantwortet werden. Aus dieser Aufgabenstellung ergeben sich für die Untersuchung jedoch zunächst zwei Einschränkungen. Die erste besteht darin, daß die eigentümlich Kantischen Theorieelemente seiner Kategorienlehre, wie das Problem der transzendentalen Deduktion der Kategorien und das Problem ihrer Schematisierung, im Einzelnen nicht diskutiert werden können. Bei den vorliegenden Überlegungen, so die zweite Einschränkung, soll nun insofern rein immanent verfahren werden, als nicht untersucht werden soll, ob die Kantische Interpretation und Kritik auf seinen antiken Anschlußpartner zutrifft. Es soll vielmehr und zunächst im ersten Schritt dargelegt werden, daß Kant anders als die neuzeitliche Substanzontologie (Descartes, Spinoza) die Aristotelische urteilstheoretische Bestimmung des Substanzbegriffs übernimmt. Damit ist ein erster Schritt von der metaphysischen zur funktionstheoretischen Auffassung des Substanzbegriffs getan worden, von welcher Ernst Cassirer spricht.5 Dies soll jedoch nicht weiter verfolgt werden. Stattdessen soll vielmehr im zweiten Schritt das Verhältnis der Substanzkategorie zur kategorischen Urteilsform untersucht werden. Daran anschließend soll im dritten Schritt die Funktion der Substanzkategorie mit Bezug auf die kategorische Urteilsform erörtert werden. Diese Erörterung geht von der radikalen Kritik an dem Kantischen Versuch aus, die Kategorien von den Urteilsformen herzuleiten, die Wolfgang Cramer vorgelegt hat. Zum Schluß soll im vierten Schritt dargetan werden, welche begriffstheoretischen Konsequenzen sich aus der Kantischen Behandlung der Substanzkategorie ergeben.

3 4 5

Vgl. ebd. Vgl. B 133, Anm. Vgl. E. Cassirer, Substanzbegriff und Funktionsbegriff. Untersuchungen über die Grundfragen der Erkenntniskritik, Berlin 1910. Hierzu vgl. K. Neumann, Ernst Cassirer: Das Symbol. In: Grundprobleme der großen Philosophen. Philosophie der Gegenwart II, hrsg. v. J. Speck, 3. A., Göttingen 1991, S. 110.

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Kant I. Die urteilstheoretische Bestimmung der Substanzkategorie

In der Einleitung ist an die bekannte Tatsache erinnert worden, daß Kant den Aristotelischen Kategorienbegriff zur Bezeichnung seiner reinen Verstandesbegriffe benutzt. Es fragt sich, ob Kant von Aristoteles nur den Titel ‚Kategorie‘ oder aber auch seine inhaltlich-systematischen Konnotationen übernommen hat. Es soll genauer gezeigt werden, daß Kant bei der Bestimmung des logischen Inhalts der Substanzkategorie ihre Aristotelische urteilstheoretische Bestimmung übernommen hat. Diese Bestimmung bedeutet, daß diejenige Entität, die als Substanz soll bezeichnet werden können, selber von einer anderen Entität als ihr Akzidenz nicht ausgesagt werden kann. Diese Bestimmung führt in der urteilstheoretischen Perspektive dazu, daß der Begriff von der als Substanz zu bezeichnenden Entität in einem Urteil nicht an der Prädikatstelle, sondern nur an der Subjektstelle auftreten kann. So sagt Aristoteles an einer Stelle in dem V. Buch seiner Metaphysik, daß eine Entität nur dann als ein Wesen (ousia) bezeichnet werden kann, wenn sie nicht von einem anderen Zugrundeliegendem (hypokeimenon) ausgesagt wird, sondern vielmehr es von ihr.6 Daraus ergibt sich für Aristoteles als eine von zwei Weisen, in denen der Begriff ‚Wesen‘ (ousia) in Aussagen gebraucht wird und oben als zwei Substanzbegriffe unterschieden sind, die, in der das Wesen „hypokeimenon eschaton, ho méketi kat’allou legetai, kai ho an tode ti on kai chóriston é“7

bedeutet, also das letzte Subjekt als das einem Urteil Zugrundeliegende, das von einem anderem Zugrundeliegenden nicht ausgesagt wird. Genauer gesagt, hypokeimenon eschaton meint hier eine solche Entität, deren Begriff in einem Urteil nicht anders als an der Subjektstelle gesetzt werden, denn etwas von etwas anderem aussagen, heißt, den Begriff von diesem etwas in einer Aussage an die Stelle des grammatischen Prädikats zu setzen. Diese Entität selber kann darüber hinaus nicht eine Eigenschaft (Akzidenz) an etwas anderem sein, sondern existiert selbständig, weil getrennt (chóriston). Es sind also im Anschluß an Aristoteles zwei Bestimmungen des Substanzbegriffs zu unterscheiden: (i) Die urteilstheoretische Bestimmung der Funktion des Substanzbegriffs in einem Urteil und (ii) die ontologische 6

Vgl. Aristoteles, Metaphysik, 1017b13-14. Zit. nach der von H. Seidl besorgten Ausgabe: Aristoteles’ Metaphysik, griechisch-deutsch, erster Halbband: Bücher I (A) – VI (E), Hamburg 1989. 7 Vgl. Met. 1017b24-25. („Das letzte Zugrundeliegende, das nicht von einem anderen ausgesagt wird und etwas bestimmtes einzelnes und abtrennbares ist“). Hvh. v. Vfr.

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Bestimmung der selbständigen Existenz. Dieser doppelten Bestimmung des Substanzbegriffs entspricht auch die Unterscheidung, die Aristoteles in der Kategorienschrift vorsieht. Hier unterscheidet er zunächst zwischen ‚en hypokeimenó esti’ und ‚kath’hypokeimenou legetai’, um von hier aus zu der Definition der Substanz (ousia) zu kommen, welche besagt, daß Substanz dasjenige ist, das weder von einem anderen ‚hypokeimenon’ ausgesagt wird, noch in einem anderen ‚hypokeimenon’ ist.8 Für Aristoteles gehen also beide Bestimmungen des Substanzbegriffs einher. Zu beachten ist dabei erstens, daß Aristoteles an der Stelle die auf diese Weise definierte Substanz als Substanz im eigentlichen Sinne bezeichnet, wobei mit dieser Substanz immer das Einzelding, ‚tode ti’, gemeint ist.9 Zweitens ist aber auf die für diese Untersuchung zentrale Tatsache aufmerksam zu machen, daß die Sequenz der Bestimmungen des Substanzbegriffs in der Kategorienschrift dieselbe ist wie die an der früher zittierten Stelle aus der Metaphysik, und zwar folgende: Zunächst wird die urteilstheoretische Bestimmung, von etwas anderem nicht ausgesagt zu werden, und erst dann die ontologische Bestimmung der selbständigen Existenz eingeführt. Die Definitionen der Substanz in beiden Schriften könnten anhand dieser Prioritätensetzung so gelesen werden, daß eine Entität, deren Begriff in einem Urteil nicht an der Prädikatstelle vorkommen kann, als selbständig existierende Entität angesehen werden muß. Man darf bei der Interpretation der Stelle aus der Metaphysik nicht aus dem Blick verlieren, daß es Aristoteles hier zunächst einmal darum geht, wie der Terminus ‚ousia’ in den Aussagen gebraucht wird.10 Die andere Weise nun, wie der Begriff ‚Wesen’ in Aussagen gebraucht wird, besteht darin, daß der Begriff ‚Wesen’ eidos bedeutet.11 Die erste Gebrauchsweise kommt z.B. in der Aussage zum Ausdruck: „Auf dem Planeten Pluto gibt es Wesen“, während der Begriff ‚Wesen’ auf die zweite Weise gebraucht wird, wenn man z.B. vom „Wesen der Gerechtigkeit“ spricht. Formal ausgedrückt entspricht die erste Verwendungsweise von Wesen den Aussagen von der Form „x ist Wesen“, während die zweite den Aussagen von der Form „x ist Wesen von y“ entspricht.12 Im ersten Fall bedeutet also Wesen ‚hypokeimenon eschaton von Aussagen’, im zweiten Fall ist das Wesen ‚eidos von etwas’, das allerdings diesem etwas auch nur in einer Aussage zugeschrieben werden kann. Ist das so, dann muß die 8

Vgl. Cat. 2a11-12. Zit. nach: Aristoteles, Die Kategorien, griechisch-deutsch, übers. und hrsg. v. I. W. Rath, Stuttgart 1998. 9 Es geht um ‚ousia kyriótata te kai prótós kai malista legomené‘. Vgl. ebd. 10 Es geht um „duo tropous tén ousian legesthai“. Met. 1017b23-24. 11 Vgl. Met. 1017b25-26. Jonathan Barnes meint unverständlicherweise, daß die zweite Gebrauchsweise des Ausdrucks ‚ousia’ mit den Worten „an tode ti on kai chóriston é“ angegeben ist. Vgl. J. Barnes, Aristoteles. Eine Einführung, übers. v. Chr. Goldmann, Stuttgart 1992, S. 69. 12 Vgl. A. Graeser, Die Philosophie der Antike 2. Sophistik und Sokratik. Plato und Aristoteles, München 1993.

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erste Verwendungsweise des Substanzbegriffs als grundlegender denn die zweite angesehen werden. Für seine Bestimmung des logischen bzw. urteilstheoretischen Inhalts des Substanzbegriffs übernimmt Kant diejenige Bedeutung der Aristotelischen ‚ousia’, die mit der ersten Verwendungsweise dieses Terminus nahegelegt ist, also die Bedeutung im Sinne von hypokeimenon eschaton. Zur Ergänzung ist zu sagen, daß die zweite „eidetisch“ zu nennende Verwendungsweise von Substanz Kant zufolge auf alle Kategorien ohne Rücksicht auf ihre inhaltlichen Differenzen zutrifft, sofern sie die Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung formulieren.13 Alle Gegenstände, sofern sie Gegenstände der Erfahrung sind, müssen nämlich durch die in den einzelnen Kategorien angegebenen Grundbestimmungen faßbar sein. So ist z.B. ein Gegenstand der Erfahrung so zu denken, daß er als Substanz existiert, die im wechselseitigen kausalen Zusammenhang mit anderen Substanzen steht. Die Welt im Sinne des antiken ‚kosmos’ kann in dieser Theorie als dynamisches Ganzes der Pluralität der Substanzen gedacht werden. Dieser Zug seiner Theorie rückt Kant in die Nähe der Aristotelischen Naturauffassung. Die Bestimmungen, Substanz zu sein und Ursache oder Wirkung einer anderen Substanz zu sein, machen also die eidetische Form aus, wie eine Entität existiert. Und bei dem Nachweis, daß es sich so verhält, muß auf die inhaltlichen Differenzen der einzelnen Kategorien keinerlei Rücksicht genommen werden. Bei der Bestimmung des spezifischen Inhalts der Substanzkategorie ist daher die erste Bedeutung des Substanzbegriffs zu berücksichtigen, weil sie es erlaubt, den spezifischen Inhalt der Substanzkategorie herauszustellen und damit ihre Eigentümlichkeit gegenüber den anderen Kategorien hervorzuheben. Ihr spezifischer Inhalt läßt sich nämlich nur aus ihrer ersten Bedeutung als hypokeimenon eschaton gewinnen. Den logischen Inhalt der Substanzkategorie expliziert Kant – dieser Strategie folgend – in dem Phaenomena/Noumena-Kapitel der Kritik der reinen Vernunft wie folgt: „Lasse ich die Beharrlichkeit (welche ein Dasein zu aller Zeit ist) weg, so bleibt mir zum Begriffe der Substanz nichts übrig, als die logische Vorstellung vom Subjekt, welche ich dadurch zu realisieren vermeine, daß ich mir Etwas vorstelle, welches bloß als Subjekt (ohne wovon ein Prädikat zu sein) stattfinden kann.“14

13

Kant identifiziert bekanntlich die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung mit den Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung. Vgl. B 197/A 158. 14 Vgl. B 300-301/A 242-243. Vgl. auch diese Formulierung: „… z.B. der Begriff einer Substanz, d.i. von etwas, das als Subjekt, niemals aber als bloßes Prädikat existieren könne“. B 149.

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Kant fragt also implizit: Was bleibt von der Substanzkategorie übrig, wenn von ihrem transzendentalen Schema – von der Beharlichkeit von etwas Realem in der Zeit – abgesehen wird?15 Seine Antwort auf diese Frage kann nicht mißverstanden werden: Es bleibt nur ein Gedanke (logische Vorstellung) von einem solchen Subjekt, das nicht mehr Prädikat von etwas anderem sein kann, ho méketi kat’allou legetai, wie Aristoteles formuliert. Es unterliegt also keinem Zweifel, daß Kant in der zitierten Aussage die Substanzkategorie als hypokeimenon eschaton verstanden wissen wollte. Oder genauer gesagt: die Substanzkategorie soll zur Bezeichnung derjenigen Entität verwendet werden, deren Begriff in einem Urteil nur an der Subjektstelle gesetzt werden kann. Dies ist dahingehend zu verstehen, daß eine Entität, die vermittelst des transzendentalen Schemas unter die Substanzkategorie subsumiert und damit als Substanz bezeichnet worden ist, in einer bestimmten Sequenz von Aussagen, in denen diese Entität weiter bestimmt wird, in eben diesen Aussagen von etwas anderem als seine akzidentelle Bestimmung nicht ausgesagt werden kann. Das heißt natürlich nicht, daß dieselbe Entität in einer anderen bestimmten Sequenz von Aussagen, in denen etwas anderes bestimmt wird, diesem zu bestimmenden Etwas als akzidentelle Bestimmung nicht zugeschrieben werden könnte. So kann eine Entität, die in einer Hinsicht als Substanz existiert, in einer anderen Hinsicht als Akzidenz einer anderen Substanz existieren. Deswegen ist aber auch die in der Explikation des Schemas der Substanzkategorie angegebene Bestimmung ‚ein Dasein zu aller Zeit‘ mit Vorsicht zu nehmen, denn zu ‚aller Zeit‘ bedeutet hier nur diejenige Zeitsequenz, in der etwas beharrt, während etwas anderes an ihm sich ändert. Diese Zeitsequenz mit dem soeben hervorgehobenen Anschauungsinhalt stellt ein Kriterium dafür bereit, dieses Etwas als Substanz aufzufassen, während das, was in dieser Zeitsequenz sich ändert, als eine Akzidenz des Beharrlichen aufgefaßt werden kann. Es ist eben die objektive Verbindung der Substanz mit dem Akzidenz das, was die Substanzkategorie a priori festlegt, so daß erst diese Kategorie es erlaubt, das Veränderliche als eine akzidentelle Bestimmung an dem Beharrlichen, also als etwas, was mit ihm gegenständlich verbunden ist, aufzufassen. Um den Kantischen Anschluß an den Aristotelischen Begriff des hypokeimenon eschaton systematisch angemessen beurteilen zu können, muß an zwei paradigmatische Substanzdefinitionen der neuzeitlichen Ontologie erinnert werden, damit klar wird, was Kant von dieser Ontologie unterscheidet. So definiert der Begründer der neuzeitlichen Ontologie, Descartes, die Substanz als etwas, das zu seiner Existenz keine andere Entität erfordert:

15

Das Schema der Substanzkategorie definiert Kant als „die Beharrlichkeit des Realen in der Zeit“. Vgl. B 183/A 144.

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„Per substantiam nihil aliud intelligere possumus, quam rem quae ita existit, ut nulla alia re indigeat ad existendum.“16

Daß der Begriff der selbständigen Existenz als primäres Definiens des Substanzbegriffs genommen werden muß, teilt Descartes mit Spinoza, der die Substanz wie folgt definiert: „Per substantiam intelligo id, quod in se est et per se concipitur.“17

Spinoza erweitert also die Descartessche Substanzdefinition insofern, als die Substanz nicht nur durch autonome Existenz, sondern auch durch autonome Erkenntnis ihrer selbst definiert wird, was vermutlich nur bedeutet, daß die Substanz ohne Rekurs auf etwas von der Substanz Verschiedenem begriffen werden kann.18 Der Grund dafür besteht darin, daß für Descartes – anders als für Spinoza – eine Substanz gerade keine solche Entität ist, die durch sich selbst ohne Rekurs zu etwas anderem erkannt werden kann. Denn den epistemischen Zugang zu einer Substanz haben wir Descartes zufolge nur durch ihre Attribute.19 Dagegen mit Spinozas Bestimmung ‚in se est‘ wäre Descartes einverstanden gewesen. Sie kommt bei ihm in der Form ‚nulla alia re indigeat ad existendum‘ vor. Aus dem ersten Axiom der Spinozanischen Ontologie geht nämlich hervor, daß die Bestimmung ‚in se est‘ mit der Bestimmung der selbständigen Existenz koextensiv ist.20 Das, was in sich ist, existiert daher so, daß es zu seiner Existenz keine andere Entität erforderlich macht. Das Gegenteil dieser Bestimmung gilt dann von dem, das in etwas anderem ist (in alio est), wie Spinoza den Modusbegriff definiert.21 Zwar kommt die ontologische Bestimmung der selbständigen Existenz bereits in der Aristotelischen ousia-Definition in der Form ‚chóriston é‘ vor, wobei gesagt werden muß, daß Descartes und Spinoza mit der 16

Vgl. R. Descartes, Principia philosophiae. In: Oeuvres de Descartes, hrsg. v. Ch. Adam und P. Tannery, Paris 1996, Bd. VIII, S. 24. (Unter Substanz kann nichts anderes verstanden werden als ein Ding, das so existiert, daß es zu seiner Existenz kein anderes Ding erfordert). Hvh. v. Vfr. 17 Vgl. B. Spinoza, Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt, hrsg. v. W. Bartuschat, lateinisch-deutsch, Hamburg 1999, S. 4. Hvh. v. Vfr. (Unter Substanz verstehe ich dasjenige, das in sich ist und durch sich selbst begriffen wird). Zit. als Ethik. 18 Ob mit dem „per se concipitur“ die Interpretation nahegelegt ist, der Substanz Selbstbewußtsein zuzuschreiben, bleibt dahingestellt. Hierzu vgl. H. G. Hubeling, Hat Spinozas Gott (Selbst)bewußtsein? In: Zeitschrift für philosophische Forschung 31 (1977); A. Kammerer, Die Frage nach dem (Selbst)bewußtsein Gottes im System Spinozas, Innsbruck 1992. 19 Vgl. AT VIII, S. 25. 20 Dieses Axiom lautet: „Omnia, quae sunt, vel in se, vel in alio sunt“. Vgl. Ethik, S. 6. 21 Vgl. Ethik, op.cit., S. 4.

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Aristotelischen ontologischen Bestimmung der Substanz als ‚tode ti‘ nicht einverstanden gewesen wären.22 Bei Aristoteles kommt jedoch in der Substanzdefinition an erster Stelle die urteilstheoretische Bestimmung vor, von nichts anderem ausgesagt werden zu können. Bei Descartes und Spinoza übernimmt diese Stelle die ontologische Bestimmung der selbständigen Existenz. Das ist in unserem Kontext entscheidend. Denn das deutet darauf hin, daß Kant mit Aristoteles und anders als Descartes und Spinoza die Überzeugung teilt, daß die Definition der Substanz vor allem urteilstheoretisch begründet werden muß, also anhand einer Analyse der Grundstruktur unserer Urteile über die Objekte in der Welt.23 Bei Kant und Aristoteles kommt in der Definition des Substanzbegriffs eine urteilstheoretische Bestimmung vor, die bei Descartes und Spinoza ganz abwesend ist. Denn das Spinozanische Definiens der Substanz ‚per se concipitur‘, das in seiner Substanzdefinition an der zweiten Stelle auftritt und in Descartes‘ Substanzdefinition gar nicht vorkommt, impliziert noch keineswegs irgendeine Urteilsstruktur. Es kann sich bei ihr durchaus um irgendeine Form einer intuitiven Erkenntnis handeln, für die als einen nicht-diskursiven Erkenntnisakt gerade nicht wesentlich ist, ob sie in einem Urteil formuliert ist. Es soll nicht geläugnet werden, daß bei der Definition des Substanzbegriffs der ontologisch relevante Umstand nicht außer Acht gelassen werden darf, daß eine als Substanz zu bestimmende Entität über selbständige (abtrennbare) Existenz verfügen muß, was für Aristoteles nichts anderes bedeutet, als daß Substanz als Einzelding (‚tode ti‘) existiert. Es geht jedoch darum, wie man zu der Erkenntnis dieses ontologischen Umstandes gelangt. Für Kant und Aristoteles kommt diese Erkenntnis in einem Urteil zustande, in dem und durch das man feststellt, daß der der als Substanz zu bestimmenden Entität entsprechende und sie beschreibende Begriff in diesem Urteil mit Sinn nur an der Subjektstelle vorkommen kann.24 Mit dieser Feststellung geht dann die Erkenntnis einher, daß diejenige Entität, die der in diesem Begriff angegebenen Beschreibung genügt, als Substanz aufgefaßt werden muß. Aristoteles spricht daher in diesem Zusammenhang von dem ‚apofantischen‘ Charakter eines Urteils (logos).25 Die apofantische Funktion eines Urteils 22

120.

23

Vgl. W. Röd, Benedictus de Spinoza. Eine Einführung, Stuttgart 2002, S. 119-

Wenn man sich den § 8 von Leibniz’ Metaphysischer Abhandlung anschaut, dann wird sofort klar, daß Leibniz zu der Aristotelisch-Kantischen Linie der Substanzauffassung gehört, denn hier wird deutlich, daß Leibniz seine Substanzauffassung auch urteilstheoretisch begründet. 24 Wie diese Feststellung genauer vollzogen wird, wird unten nur bei Kant zu untersuchen sein. 25 Aristoteles definiert eine Aussage als ‚logos apofantikos‘ in De interp. 4, 16b 33. Hierzu vgl. D. Frede, The Sea-Battle Reconsidered: A Defence of a Traditional

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meint auch Kant, wenn er das Urteil als „mittelbare Erkenntnis eines Gegenstandes‘ definiert.26 Man wird also sagen können, daß Kant mit seinem Anschluß an den Aristotelischen Kategorienbegriff die Absicht verfolgt, der Substanzkategorie ihre ursprünglich Aristotelische und durch die neuzeitliche Substanzontologie verdeckte Bedeutung zurückzugeben, ein strukturierendes Moment unserer Urteile über die Objekte in der Welt zu sein. So könnte man also vermuten, daß der Primat, den Hegel der antiken Philosophie gegenüber der neuzeitlichen Metaphysik in verschiedenen systematischen Kontexten zugesprochen hat, bereits bei Kant zu finden ist. Der Kantischen durch Aristoteles inspirierten Einsicht, daß Kategorien und damit auch die Substanzkategorie als a priori vorliegende strukturierende Momente unserer Urteile über die Objekte in der Welt zu fassen sind, entspricht auch Kants als ‚metaphysische Deduktion‘ bezeichnetes Verfahren bei der Gewinnung der Kategorien. Es ist zu vermuten, daß diesem Verfahren folgende Überlegung zugrundeliegt: Sind Kategorien solche Strukturmomente unserer Urteile, dann müssen die logischen Inhalte der Kategorien auf irgendeine Weise aus der logischen Struktur unserer Urteile gewonnen werden können. Es gilt aber auch korrelativ: Gelingt diese Ableitung, gewinnt man eine Begründung für die Annahme, daß die Kategorien tatsächlich Strukturmomente unserer Urteile über die Objekte in der Welt sind. Man kann sich auch relativ leicht die Grundstruktur der Argumentation vergegenwärtigen, auf der die metaphysische Deduktion der Substanzkategorie beruht. Das soll in folgendem geschehen. Dabei wird auch zu zeigen sein, wie in concreto die Identifizierung von etwas als Substanz vor sich geht. II. Das Verhältnis der Substanzkategorie zur kategorischen Urteilsform Kant leitet die Substanzkategorie aus der kategorischen Urteilsform her. Nun hat die kategorische Urteilsform die Gestalt: ‚A ist B‘. Die Bedeutung dieses Urteils besteht nun nicht darin, daß A mit B in irgendeiner Hinsicht identifiziert wird, wobei damit zugleich auch der Unterschied von A und B herausgestellt wird, wie dies später die deutschen Idealisten interpretieren sollten. Seine Bedeutung ist Kant zufolge vielmehr die, daß A durch die Zuschreibung von B als ein bestimmtes Etwas beschrieben wird. Daher kann man sagen, daß A durch die Zuschreibung von B bestimmt wird. Oder man könnte auch sagen, daß in einer jeden kategorischen Aussage von Interpretation, in: Oxford Studies in Ancient Philosophy 1985, S. 68-83. In seiner Interpretation dieser Aristotelischen Bestimmung des ‚logos‘ unterschlägt Heidegger, daß die ‚apofansis‘ nur als Urteilen stattfinden kann. Vgl. M. Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen 1972, 12. A., S. 32-34. 26 Vgl. B 93/A 68.

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einem Subjekt dieser Aussage etwas ausgesagt wird. Das, wovon die Aussage gemacht wird, nämlich ihr Subjekt, muß nun dem oben Gesagten zufolge etwas Bestimmbares sein, das wiederum etwas Bestimmendes voraussetzt. Mit anderen Worten, das Subjekt der Aussage setzt ein Prädikat voraus. Somit impliziert die Struktur dieser einfachsten Form eines Urteils zwei Gedanken: Zum einen einen Gedanken von etwas Bestimmbarem und zum anderen den Gedanken von etwas Bestimmendem. Die Aufgabe der metaphysichen Deduktion besteht darin zu zeigen, wie der Forderung, diese zwei Gedanke zu denken, Rechnung getragen werden kann. Das Bestimmende muß nun trivialerweise selber etwas Bestimmtes sein. Dazu muß es nun entweder durch etwas anderes Bestimmtes bestimmt worden sein, oder von Anfang an ein solches sein. Nimmt man das erste an, endet man in einem Regressus ad infinitum. Daraus folgt, daß es ein solches Bestimmendes geben muß, das seine Bestimmtheit von Anfang an – a priori – hat und sie daher nicht von einem anderen Bestimmenden erlangt. Es muß also ein Gedanke hervorgebracht werden, in dem jene von Anfang an bestimmte Entität als bestimmt gedacht wird, die in dieser, aber auch nur in dieser bestimmten Hinsicht etwas anderes bestimmen kann. Daher kann es wiederum in einer anderen bestimmten Hinsicht von etwas anderem bestimmt werden. Dasselbe, das von dem Bestimmenden gilt, gilt auch für das Bestimmbare. Es muß zwar als etwas Unbestimmtes gedacht werden, dies jedoch nicht im ganzen Umfang, sondern nur in derjenigen Hinsicht, die der Bestimmtheit des Bestimmenden entspricht. Entscheidend ist nun, daß das Bestimmende und das Bestimmbare in einem Verhältnis zueinander stehen müssen, denn sonst könnte das Bestimmende das Bestimmbare nicht bestimmen. In dieses Verhältnis werden sie erst durch das kategorische Urteil gesetzt, in dem die Verbindung des Subjekts und Prädikats die Kopula ‚ist‘ gewährleistet. Oben war bereits darauf hingewiesen worden, daß erst durch das Verhältnis des Bestimmbaren und Bestimmenden in einem Urteil klar wird, in welcher Hinsicht das Bestimmbare vor dem Urteilsvollzug unbestimmt war. Auch so ist der apofantische Charakter eines Urteils zu interpretieren. Das Bestimmbare muß nun an der Stelle des grammatischen Subjekts gesetzt werden, weil – und in dieser Hinsicht ist die Struktur des kategorischen Urteils von der Struktur unserer Sprache abgeleitet27 – nur so überhaupt zum Ausdruck gebracht werden kann, daß es sich um etwas Zubestimmendes handelt. Denn unsere Sprache ist so verfaßt, daß das grammatische Subjekt durch das grammatische Prädikat in einer bestimmten Hinsicht beschrieben wird. Das, was bestimmt werden soll, muß also als grammatisches Subjekt der Aussage oder, mit anderen 27

Hierzu vgl. E. Benveniste, Catégories de pensée et catégories de langue. In: Problemes de linguistique générale, Bd. I, Paris 1966, S. 63-74.

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Worten, an der Stelle des grammatischen Subjekts gesetzt werden. Das Bestimmende muß wiederum an der Stelle des grammatischen Prädikats stehen, weil erst diese Stelle es klar macht, daß es sich um etwas handelt, durch das etwas anderes bestimmt werden kann. Wenn man nun in Betracht nimmt, daß Kant die Erscheinung als den unbestimmten Gegenstand einer empirischen Anschauung definiert,28 dann wird damit deutlich, daß es für Kant gerade die Erscheinungen sind, die durch Urteile über sie bestimmt werden sollen. Das heißt korrelativ, daß die Begriffe von Erscheinungen an die Stelle des grammatischen Subjekts gesetzt werden müssen. Auf Erscheinungen müssen sich allerdings auch diejenigen Begriffe stützen, die an die Stelle des grammatischen Prädikats gesetzt werden, denn sonst handelte es sich nicht um Begriffe mit objektiver Gültigkeit. Dieses scheinbare Dilemma löst Kant mit dem Hinweis darauf auf, daß prinzipiell alle Begriffe, also auch alle Begriffe von Erscheinungen, als mögliche Prädikate der Urteile aufzufassen sind. Aus dieser Lösung ergibt sich eine Theorie des Urteils, die besagt, daß auch der an der Stelle des grammatischen Subjekts gesetzte Begriff eine Bestimmung von Etwas ist, und zwar von Etwas in einer bestimmten Hinsicht Unbestimmtem. Diese Theorie besagt also in der explizierten Fassung, daß zunächst Etwas durch den an die Stelle des grammatischen Subjekts gesetzten Begriff und dann durch den an die Stelle des grammatischen Prädikats gesetzten Begriff bestimmt wird. Diese Begriffe als Begriffe von Erscheinungen haben nun zwar dieselbe Art der objektiven Gültigkeit. Die Bestimmung, die anhand ihrer erfolgt, hat jedoch jeweils eine andere Bedeutung. Die erste Eigentümlichkeit der Kantischen Kategorienlehre besteht darin, daß der Unterschied beider Bestimmungsakte durch den logischen Inhalt der Substanzkategorie, genauer gesagt, durch den logischen Inhalt der ersten Relationskategorie, der die notwendige Verbindung der Substanz mit dem Akzidenz festlegt, begründet wird. Das heißt nun nicht nur, daß immer dort, wo etwas Substanzielles vorkommt, auch etwas Akzidentelles vorkommen muß, sondern auch, daß mit dem an der Stelle des grammatischen Subjekts gesetzten Begriff von einer Erscheinung irgendein Objekt (Etwas) zunächst als Substanz bestimmt und ihm dann durch den an der Stelle des grammatischen Prädikats gesetzten Begriff eine Eigenschaft (Akzidenz) zugeschrieben wird. Die weitere Eigentümlichkeit der Kantischen Theorie besteht darin, daß Erscheinungen, die als unbestimmte Gegenstände einer empirischen Anschauung definiert sind,29 bestimmte Gegestände werden, wenn sie als gegenständliche Bestimmungen eines Objekts gefaßt werden. Damit ist noch diejenige Eigentümlichkeit der Kantischen Theorie verbunden, die besagt, daß das 28 29

Vgl. B 34/A 20. So lautet Kants Erscheinungsdefinition. Vgl. B 34/A 20.

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beschriebene Bestimmen der Erscheinungen den Charakter ihres synthetischen Verbindens hat. Die Erscheinungen werden also dadurch zu einer Einheit verbunden, daß sie als gegenständliche Bestimmungen eines Objektes gefaßt werden. Und schließlich ist die Kantische Theorie dadurch eigentümlich, daß die Zuschreibung von diesen Bestimmungen immer nur in den Urteilen erfolgt. Es fragt sich, auf welche Weise in diese Struktur der Bestimmung die Substanzkategorie eingreift. Festzuhalten ist zunächst, daß das Bestimmen der Erscheinungen in den Urteilen so geschieht, daß sie zunächst mit Hilfe der in dem Urteil an die Subjektstelle zu setzenden Begriffe als Substanzen bezeichnet und dann mit Hilfe der anderen an die Prädikatstelle zu setzenden Begriffe als Substanzen mit bestimmten Eigenschaften gefaßt werden. Daraus ergibt sich jedoch ein neues Dilemma. Denn dies impliziert, daß eine Erscheinung zunächst als Substanz erkannt worden ist, damit der Begriff von ihr in einem Urteil zu Recht an der Stelle des grammatischen Subjekts auftreten kann. Diese Diagnose scheint aber mit dem apofantischen Charakter des Urteils, der auch Kant zugeschrieben worden ist, in Widerspruch zu stehen. Denn der apofantische Charakter des Urteils soll darin bestehen, daß alle Erkenntnis nur durch Urteile möglich ist. Soeben wurde aber von einer Erkenntnis von Etwas (Erscheinung) als Bedingung der Möglichkeit gesprochen, den Begriff von diesem Etwas in den Urteilen an die Stelle des grammatischen Subjekts zu setzen. Somit scheint eine Erkenntnis von etwas als Substanz vor einem jeden Urteil vorhergehen zu müssen. Wie ist dieses Dilemma zu lösen? Für die Kantische Erkenntnistheorie ist es definierend, daß auch die primäre Erkenntnis von Etwas als Substanz erst in einem Urteil zustande kommen kann. Der Umstand, daß dazu das transzendentale Schema der Substanzkategorie, das die Beharrlichkeit von Etwas Realem in der Zeit ist, erforderlich ist, kann in unserem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, daß wir Kant zufolge nur vermittelst der Urteile erkennen können. Das geht eindeutig aus einer Stelle hervor, an der Kant feststellt, daß wir nur diskursiv – durch Begriffe – erkennen, diese aber ihre Anwendung nur in Urteilen haben können.30 Daraus ergibt sich, daß die Struktur des kategorischen Urteils „A ist B“ wie folgt interpretiert werden muß: „Dasjenige [X], was ich unter der Bestimmung A erkenne, das erkenne ich auch unter der Bestimmung B“.31 Wenn man also die Struktur des kategorischen Urteils in der explizierten Form darstellt, dann stellt sich heraus, daß sie eigentlich aus zwei weiteren kategorischen Urteilen besteht: „X ist A“ und „X ist B“. Die jetzt zu stellende Frage lautet: Kraft welcher Überlegung kann mit Kant an der These festgehalten werden, daß diese 30 31

Vgl. B 93/A 68. Vgl. K. Cramer, Einheit des Bewußtseins und Bewußtsein der Einheit. Ein Problemaufriß in der Perspektive Kants. In: Systeme im Denken der Gegenwart, hrsg. v. H.-D. Klein, Bonn 1993, S. 134.

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Struktur aus der kategorischen Urteilsform ableitbar ist? Bei der Antwort auf diese Frage wird berücksichtigt werden müssen, daß die Substanzkategorie ihrerseits eine erkenntnistheoretische Funktion gerade mit Bezug auf die kategorische Urteilsform übernimmt. Dieser Zusammenhang soll jetzt anhand einer Auseinandersetzung mit der radikalen Kritik entfaltet werden, die Wolfgang Cramer vorgelegt hat. III. Die Funktion der Substanzkategorie mit Bezug auf die kategorische Urteilsform Ohne bei den Details und einzelnen Schwierigkeiten der Kantischen metaphysischen Deduktion zu verweilen, hat Wolfgang Cramer mit seiner Kritik nichts anderes als den grundlegenden Gedanken der Kantischen Strategie bei der Gewinnung der Kategorien angegriffen; den Gedanken nämlich, daß die Kategorien als aus den Formen der Urteile ableitbare begriffliche Funktionen der Urteile aufzufassen sind. So schreibt Cramer Folgendes: „Das Verhältnis von Urteilsform und Kategorie ist genau umgekehrt als es Kant lehrt. Alle Urteilsformen sind Derivate ursprünglicher Seinsgedanken.“32

Cramer formuliert seine These als Umkehrung der Kantischen These. Die explizite These Cramers ist es also, daß die Urteilsformen aus den Kategorien, die allerdings als ursprüngliche Gedanken von Sein interpretiert werden, ableitbar sind. Mit den ‚Seinsgedanken’ meint Cramer Gedanken – Begriffe – von einem außerhalb des epistemischen Subjekts liegenden und unabhängig von ihm existierenden Sein. Als ein Argument für seine These führt Cramer folgendes aus: „In den formallogischen Begriff vom kategorischen Urteil sind nicht ontologische Verhältnisse hineinzuinterpretieren.“33

Wenn man also die Substanzkategorie aus der kategorischen Urteilsform ableiten wollte, so Cramer, müßte man sie zunächst in sie hineininterpretiert haben. Also wäre diese Ableitung bloß erschlichen. Denn man würde angeblich das ableiten, was man bereits unterstellt hätte. Es fragt sich, was aus der Kantischen Perspektive gegen diese Kritik zu sagen ist. Kant hätte vermutlich auf folgendes hinweisen können: Eine metaphysische Erörterung ist bloß ein Nachweis dessen, was zu dem 32

Vgl. W. Cramer, Das Absolute und das Kontingente. Unterschungen zum Substanzbegriff, Frankfurt a. M. 1959, S. 27, hvh. v. Vfr. Zit. als Cramer 1959. 33 Vgl. Cramer 1959, S. 28.

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Begriff analytisch gehört.34 Daher impliziert sie allein als solche keine transzendentallogischen Entscheidungen. Wenn Kant also die Substanzkategorie aus der kategorischen Urteilsform ableiten zu können meint, dann heißt das also nur, daß sie aus ihr als ihre analytische Begriffsimplikation zu gewinnen ist, bei der noch ganz offen steht, ob sie nun ihrerseits irgendeine Funktion mit Bezug auf die kategorische Urteilsform übernimmt. Dieses Verfahren schließt es also nicht aus, daß in der transzendentallogischen Perspektive die kategorische Urteilsform in der gegenständlich ausweisbaren Substanz-Akzidenz-Differenz fundiert ist. Wenn dieser Zusammenhang geklärt wäre, bekäme man auch eine Antwort auf die systematisch entscheidende Frage, die lautet: Welche urteilstheoretische Funktion übernimmt denn die Substanzkategorie mit Bezug auf die soeben angesprochene reine Struktur des kategorischen Urteils ‚A ist B‘? Eine Antwort auf diese Frage entwickelt Kant an einer Stelle in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft. Dort führt er zunächst die Definition der Kategorien ein: „Sie sind Begriffe von einem Gegenstande überhaupt, dadurch dessen Anschauung in Ansehung einer der logischen Funktionen zu Urteilen als bestimmt angesehen wird.“ (B 128).

Diese Stelle bestätigt, daß Kant die Bedeutung des Kategorienbegriffs und damit auch der Substanzkategorie urteilstheoretisch bestimmt wissen wollte. Kant bestimmt nun die Bedeutung des Kategorienbegriffs durch den Hinweis auf seine Verwendungsweise, die ihre Stelle und Funktion innerhalb derjenigen Urteilstruktur hat, in der Erscheinungen bestimmt werden. Denn es sind Kant zufolge nur Erscheinungen, die den Kategorien ‚Sinn und Bedeutung‘ verschaffen können.35 Oder man könnte mit Frege sagen, daß die Erscheinungen die Argumente für die Kategorien als Funktionen darstellen.36 Also müssen die Kategorien in den Urteilen zu Bestimmung der Erscheinungen verwendet werden. Wie ist das zu verstehen? Zu der Struktur eines jeden epistemisch relevanten Urteils gehört, daß die in ihm gemachte Aussage etwas wirklich Existierendes betrifft: Mit den 34 35

Vgl. B 38/A 23 Vgl. B 149. Konrad Cramer hat versucht, diese Kantische Wortverbindung mit Hilfe der bekannten Fregeschen Unterscheidung zu interpretieren. Vgl. K. Cramer, Nicht-reine synthetische Urteile a priori. Ein Problem der Transzendentalphilosophie Immanuel Kants, Heidelberg 1985, S. 280. Frege scheint in der Tat den Begriff der Bedeutung ähnlich dem Kantischen Begriff der objektiven Gültigkeit aufzufassen, nämlich als Referentialität, d.h. als Bezug zu etwas vom Begriff Verschiedenem. Vgl. G. Frege, Über Sinn und Bedeutung. In: G. Frege, Funktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Studien, hrsg. v. G. Patzig, 7. A., Göttingen 1994, S. 40-65. 36 Hierzu vgl. G. Frege, Was ist eine Funktion? In: G. Frege, Funktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Studien, hrsg. v. G. Patzig, 7. A., Göttingen 1994, S. 81-90.

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Urteilen wird immer ein Wahrheitsanspruch verbunden. Nun macht aber gerade der schematisierte Substanzbegriff klar, wie nun seinerseits dasjenige Objekt einer jeden epistemisch relevanten Aussage beschaffen sein muß, dessen Begriff in einem Urteil an die Subjektstelle gesetzt werden soll. Es muß etwas Reales, d.h. etwas sein, dessen Inhalt die Empfindungen ausmachen, d.h. es muß eine Erscheinung sein.37 Dieses Etwas muß nun in der Zeitsequenz t1-tn so existieren, daß es sich in dieser Sequenz nicht ändert. Dieses Etwas kommt aber nie isoliert vor, sondern immer mit einem solchen Etwas, das sich an dem nicht Ändernden ändert. Dies setzt der Inhalt der schematisierten Substanzkategorie fest. Der Inhalt der nicht-schematisierten Substanzkategorie, also ihr logischer Inhalt, der aus der kategorischen Urteilsform hergeleitet ist, setzt dann fest, daß der Begriff von dem auf diese Weise gefaßten Etwas in dem kategorischen Urteil mit Sinn nur an der Subjektstelle auftreten kann. Damit ist bereits eine Antwort auf eine naheliegende Frage angedeutet, wie nun ihrerseits die urteilstheoretische Funktion der Substanzkategorie bei der Berücksichtigung ihres spezifischen Inhalts genauer zu verstehen ist. Auf diese Frage entwickelt Kant folgende Antwort: „So war die Funktion des kategorischen Urteils die des Verhältnisses des Subjekts zum Prädikat, z.B. alle Körper sind teilbar. Allein in Ansehung des bloß logischen Gebrauchs des Verstandes blieb es unbestimmt, welchem von beiden Begriffen die Funktion des Subjekts, und welchem die des Prädikats man geben wolle. Denn man kann auch sagen: Einiges Teilbare ist ein Körper. Durch die Kategorie der Substanz aber, wenn ich den Begriff eines Körpers darunter bringe, wird es bestimmt: daß seine empirische Anschauung in der Erfahrung immer nur als Subjekt, niemals als bloßes Prädikat betrachtet werden müsse.“ (B 128-129. Hvh. v. Vfr.).

Zunächst ist zu klären, was Kant mit dem letzten hervorgehobenen Satz meint. Kant verbindet in ihm zwei Funktionen der Substanzkategorie: die urteilstheoretische und die ontologische, gegenständlich-konstitutive. Die zweite könnte man aus Gründen der Kantischen Systematik auch bewußtseinstheoretische Funktion nennen. Der Zusammenhang beider Funktionen der Kategorie ist nun dem letzten zitierten Satz gemäß genauer folgendermaßen zu beschreiben: Wenn der Begriff des Körpers unter die Substanzkategorie subsumiert wird, wenn also gesagt wird: Derjenige Begriff, der in unserer Aussage eine substantielle Entität bezeichnet, ist der Begriff der Körpers und nicht der Begriff des Teilbaren, dann wird in derjenigen Sequenz von Aussagen, in denen die mit dem Begriff des Körpers bezeichnete Entität bestimmt wird, der Begriff des Körpers nur an die Stelle des grammatischen Subjekts zu setzen und ein empirisch 37

Vgl. B 34/A 20.

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angeschauter Körper nur als Substanz und nicht als Akzidenz zu interpretieren sein. Kants entscheidendes Argument lautet nun: Die reine Struktur des kategorischen Urteils „A ist B“ als solche sagt noch nichts über die Position der konkreten Termini bzw. Begriffe in einem Urteil aus. Denn sie setzt nur ganz allgemein fest, daß ein kategorisches Urteil ein Verhältnis des grammatischen Subjekts A zum grammatischen Prädikat B aussagt. Anhand dieser Struktur allein kann also gar nicht entschieden werden, welche von den beiden Aussagen („Alle Körper sind teilbar“ und „Einiges Teilbare ist ein Körper“) epistemisch sinnvoll ist. Kant setzt hier seine Kritik an der Logik seiner Zeit fort, die mit seinem Einwand, die Logik abstrahiere von allem Inhalt der Erkenntnis, d.h. von aller Beziehung der Begriffe auf Objekte,38 begonnen hatte und dann mit seiner Unzufriedenheit mit der Urteilsdefinition dieser Logik fortgesetzt wurde.39 Denn aus der Sicht der Logik allein sind beide in dem zitierten Text hervorgehobenen Aussagen genauso sinnvoll. Der Logik zufolge muß nämlich die einfache Konversion von „Alle Körper sind teilbar“ auf „Einiges Teilbare ist ein Körper“ als gültig angesehen werden. Das ist aber epistemisch problematisch (so muß Kant hier verstanden werden), weil man einfach und schlechthin nicht unbestimmt lassen kann, welcher von den beiden Termini das Bestimmende und welcher das Bestimmbare bezeichnet, da man sich sonst der Gefahr der sinnlosen Aussagen aussetzt.40 Sollte man nun diese Interpretation für zu stark halten, dann möchte man zumindest in Betracht ziehen, daß die logisch gültige Konversion von der affirmativen All-Aussage „Alle Körper sind teilbar“ auf die affirmative Teil-Aussage „Einiges Teilbare ist ein Körper“ epistemisch gesehen nicht besonders informativ ist, denn es handelt sich bei ihr offenbar um eine analytische Implikation: Wenn alle Körper teilbar sind, dann gibt es trivialerweise innerhalb des Bereichs des Teilbaren einen Unterbereich der Körper. Oder aber es sind die beiden Bereiche koextensiv, was auf dasselbe, nämlich auf die analytisch wahre Implikation hinausläuft, daß, wenn alle Körper teilbar sind, es im Bereich des Teilbaren aus dem logischen Gesichtspunkt etwas Teilbares gibt, das ein Körper ist. Die epistemische Irrelevanz der angesprochenen an sich logisch gültigen Konversion ist das Mindeste, was Kant mit seiner Kritik meinen muß. Wenn man in diesem Zusammenhang also eine epistemisch informative Sequenz von Aussagen aufstellen will, muß entschieden werden, ob das 38 39 40

Vgl. B 79/A 55. Vgl. B 140-141. Dies ist sogar bei den Aussagen der ersten Ordnung über die Objekte noch deutlicher als bei den Meta-Aussagen der zweiten Ordnung über die Begriffe, zu denen auch das von Kant gewählte Beispiel gehört. Darauf kann hier nicht näher eingegangen werden.

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Teilbare oder aber der Körper als das zu Bestimmende gefaßt wird. Diese Entscheidung kann aber ersichtlicherweise nicht von der Willkür des epistemischen Subjekts abhängen, sondern sie muß anhand eines objektiv verbindlichen Kriteriums erfolgen können. Die Entscheidung darüber, welcher von beiden Termini als dasjenige angesehen werden muß, das in einer bestimmten Sequenz von Aussagen eine zu bestimmende Entität bezeichnet und daher in dieser Sequenz mit Sinn nur an die Stelle des grammatischen Subjekts zu setzen ist, kann erst dann getroffen werden, wenn die Substanzkategorie ins Spiel gebracht wird, so das Kantische Argument. Die Substanzkategorie stellt also Kant zufolge jenes objektiv verbindliche Kriterium zur Verfügung.41 Denn erst sie setzt es fest, daß, wenn ein Terminus unter sie subsumiert wird, dieser Terminus in der bestimmten Sequenz von Aussagen eine in dieser Sequenz zu bestimmende Entität bezeichnet und daher in dieser ganzen Sequenz mit Sinn nur an die Stelle des grammatischen Subjekts gesetzt werden kann. Dies ist die Funktion des logischen Inhalts der Substanzkategorie. Die Funktion des schematisierten Inhalts der Substanzkategorie besteht dann darin, mit Bezug auf das Mannigfaltige der empirischen Anschauung zu entscheiden, welche Entität innerhalb dieses Mannigfaltigen überhaupt mit Sinn als Substanz angesehen werden kann. Kant war der Auffassung, daß diese Entscheidung erst anhand eines Urteils erfolgt. Das ist so zu verstehen, daß der nicht-schematisierte rein logische Inhalt der Substanzkategorie nur die Implikation klar macht, daß, wenn etwas als Substanz bestimmt ist, der Begriff von diesem Etwas in der Sequenz der kategorischen Urteile, in denen dieses Etwas bestimmt wird, mit Sinn nur an der Stelle des grammatischen Subjekts auftreten kann. Erst der schematisierte Inhalt dieser Kategorie erlaubt es, aus dem in der sinnlichen und empirischen Anschauung gegebenen Mannigfaltigen Etwas als Substanz hervorzuheben. Dies geschieht in dem basalen kategorischen Urteil, in dem an der Subjektstelle kein Begriff von diesem Etwas, sondern nur ein deiktischer Ausdruck auftritt, mit dem auf dieses Etwas Bezug genommen wird. Dieses Urteil hat daher die Form „Dies X ist A“. In diesem Urteil wird dem mit dem deiktischen Ausdruck ‚dies‘ vertretenen Etwas ein Begriff zugeschrieben, der dann in der Sequenz von Aussagen, in denen dieses Etwas als Substanz mit bestimmten Eigenschaften bestimmt wird, nur an die Subjektstelle zu setzen ist.

41

Die These, daß ‚allein in Ansehung des logischen Gebrauchs des Verstandes‘ es unbestimmt bleibe, welcher von beiden in einem kategorischen Urteil verwendeten Termini an die Subjektstelle gesetzt werden soll, meint Ernst Vollrath in seiner durch Kant inspirierten Interpretation der Aristotelischen Kategorienlehre bereits bei Aristoteles finden zu können. Vollrath deutet sogar an, daß auch Aristoteles ein Kriterium für diese Entscheidung zu identifizieren versucht habe. Vgl. E. Vollrath, Studien zur Kategorienlehre des Aristoteles, Ratingen bei Düsseldorf 1969, S. 126 f.

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Diese Überlegung, die sich anhand der Kantischen Ausführung in B 128129 entfalten läßt, meint nun Wolfgang Cramer gegen Kant in Anschlag bringen zu können. Mit seiner Kritik scheint er jedoch vielmehr den Kantischen mit der Kategorienlehre verbundenen Punkt getroffen zu haben. Denn Cramer führt Folgendes aus: „In dem kategorischen Urteil ‚Tante Anna ist heute im Theater’ kann ‚Tante Anna’ Subjekt, aber auch Prädikat sein, ‚heute’ kann Prädikat sein oder auch ‚im Theater’ oder auch ‚heute im Theater’. Wenn man ‚Tante Anna’ das Subjekt dieses Satzes nennt, dann sind hierfür ganz andere Gründe als formallogische Gründe maßgebend nämlich kategoriale Differenzen. Diese sind natürlich nicht aus der Form eines kategorischen Urteils zu entwickeln.“42

Man sieht ziemlich schnell, daß Cramer die von Kant in B 128-129 formulierte These im Sinn hat, die formallogische Struktur des kategorischen Urteils erlaube noch keine Entscheidungen darüber, welche Termini in einem kategorischen Urteil an die Subjektstelle zu setzen seien, denn hierfür müsse vielmehr die Kategorie der Substanz in Anschlag gebracht werden. Der letzte, hervorgehobene Satz scheint darauf hinzudeuten, daß Cramer die zitierte Ausführung jedoch gerade als Kritik an Kant verstanden wissen will. Das beruht auf einem Mißverständnis, das darin besteht, daß Cramer die Unterscheidung übersieht, die mit dem Begriff der metaphysischen Deduktion qua metaphysischer Erörterung und mit der in B 128-129 formulierten These nahegelegt wird. Es ist dies die oben bereits angesprochene Unterscheidung zwischen einer metaphysischen Ableitung der Begriffe und ihrer transzendentallogischen Gültigkeit, die Kant in der transzendentalen Deduktion ihres konstitutiven Bezugs auf das empirisch gegebene Mannigfaltigen der Anschauung darzulegen sucht. Die Bedeutung dieser Unterscheidung besteht in unserem Zusammenhang darin, daß die Kategorien zwar aus den Urteilsformen zu gewinnen sind, sie jedoch wiederum mit Bezug auf die Urteile die Funktion übernehmen, den Urteilen eine gegenständliche Bedeutung zu verschaffen. In dem entscheidenden Argument der metaphysischen Deduktion versucht Kant, das Verhältnis der Kategorie als Funktion des Verstandes zur urteilstheoretischen Funktion des Verstandes zu klären. Dieses Argument lautet bekanntlich wie folgt: „Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urteil Einheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen in einer

42

Vgl. Cramer 1959, S. 28. Hvh. v. Vfr.

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Anschauung Einheit, welche, allgemein ausgedrückt, der reine Verstandesbegriff heißt.“43

Diese Satzverbindung ist so zu lesen, daß das zweite Relativpronomen ‚welche‘ auf die Wortverbindung ‚Einheit in einer Anschauung‘ bezogen ist. In dieser Lesart ist die Funktion des Verstandes dann und nur dann ein reiner Verstandesbegriff zu nennen, wenn sie auf das Anschauungsmannigfaltige angewendet wird. Die Funktion des Verstandes qua der reine Verstandesbegriff ist daher die Einheit der Synthesis von verschiedenen Vorstellungen in einer gegebenen Anschauung. Jetzt fragt sich, wie nun dieselbe Funktion des Verstandes genannt werden sollte, wenn sie nur die Einheit von verschiedenen Vorstellungen in einem Urteil darstellt? Ein paar Zeilen weiter unten nennt Kant sie logische Urteilsfunktion, indem er bemerkt, daß die verschiedenen reinen Verstandesbegriffe aus den verschiedenen Varianten dieser Funktion entspringen würden.44 Diese zwei Funktionen des Verstandes sind daher nicht mit den oben herausgestellten zwei Funktionen der Kategorie zu verwechseln. Denn der zweite Unterschied ergab sich anhand der Unterscheidung der schematisierten und der nicht-schematisierten Kategorie, während der erste durch den Übergang von der urteilstheoretischen zur kategorialen Funktion des Verstandes gegeben ist. Der zweite Unterschied besteht innerhalb der kategorialen Funktion des Verstandes selbst. Man könnte nun als eine Variante des Kantischen Arguments in der metaphysischen Deduktion folgende Formulierung aufstellen: Dieselbe Kategorie als Funktion des Verstandes, die in ihrer urteilstheoretischen Funktion die Einheit des Urteils stiftet, indem sie in dem Verhältnis des Subjekts zum Prädikat in einem kategorischen Urteil eine gegenständliche Hierarchie herstellt und damit dieses Verhältnis auf eine epistemisch sinnvolle Weise erst begründet, die gibt auch in ihrer bewußtseinstheoretischen Funktion der Synthesis des empirisch angeschauten Mannigfaltigen und damit dem Bewußtsein von diesem Mannigfaltigen Einheit. Kant verbindet daher beide Funktionen der Kategorie auf eine Weise, daß man ihren oben bereits angesprochenen Zusammenhang nun folgendermaßen beschreiben kann: Mit der Einheit der Termini in einem Urteil geht auch die Einheit des Bewußtseins des durch die in dem Urteil verwendeten Termini bezeichneten Anschauungsmannigfaltigen einher.45 43 44 45

Vgl. B 104-105/A 79. Hvh. v. Kant. Vgl. B 105/A 79. Ob man diese Formulierung als Grundargument der transzendentalen Deduktion nehmen kann, bleibt dahingestellt und kann hier nicht weiter verfolgt werden. Aus dem Zusammenhang ergibt sich allerdings ein entscheidender Grund dafür, den immer wieder gegen die Kantische Theorie erhobenen Psychologismusvorwurf abzulehnen,

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Wenn nun Wolfgang Cramer ausführt: „In einem Urteil wird ein Sachverhalt gedacht und nur in einem Urteil kann ein Sachverhalt gedacht werden. Es ist also unzureichend, nur das Denken vom Gedachten zu unterscheiden, vielmehr ist zu unterscheiden das Denken, das Mittel des Denkens und das Gedachte. Das Mittel des Denkens ist das Urteil, das Gedachte ist der Sachverhalt. Demnach ist Denken immer ein zweifaches Erzeugen: ein Erzeugen des Mittels und mittels des Erzeugens des Mittels ein Erzeugen des Sachverhalts, der das Gedachte ist“46,

dann ist dies nicht als eine Kritik an der Kantischen Theorie zu verstehen. Denn auch Kant ist der Auffassung, daß in den Urteilen in erster Linie nicht die Urteile selbst, sondern Sachverhalte gedacht werden. Das schließt nicht aus, daß es Urteile über Begriffe bzw. über Urteile gibt. Auch für Kant ist also das Urteil nur ein Mittel, einen Gegenstand – Sachverhalt – zu erkennen.47 Das Interessanteste in dem zitierten Text ist jedoch die These, daß das Denken ‚ein zweifaches Erzeugen’ ist. Diese These kann als zutreffende Interpretation der in dem Hauptargument der metaphysischen Deduktion formulierten These von der Identität der beiden Verstandesfunktionen verstanden werden. Der Verstand als Denken erzeugt kraft der Identität der ihm zur Verfügung stehenden Funktionen Kant zufolge nämlich zweierlei: Er stiftet einmal in seiner urteilstheoretischen Funktion die Einheit der Urteilsverbindung von zwei Termini bzw. Begriffen, und damit erzeugt das Denken ein Urteil. Zum anderen stiftet er in seiner kategorialen Funktion die Einheit des Bewußtseins des angeschauten Mannigfaltigen, und damit erzeugt das Denken den beurteilten Sachverhalt selbst, sofern dieser Sachverhalt immer als Einheit eines Anschauungsmannigfaltigen gedacht werden muß. Nun zeigt aber die Stelle B 128-129, daß die kategoriale Funktion des Verstandes mit Bezug auf die urteilstheoretische Verbindung des Subjekts mit dem Prädikat eine gegenständlich-hierarchisierende Funktion übernimmt. Die Kategorie ist also zwar aus der urteilstheoretischen Funktion des Denkens hergeleitet. Wie aber die Analyse der Stelle B 128-129 zeigt, kann das Denken ohne ihren Einfluß auf diese Funktion keine epistemisch relevante Urteilsverbindung erzeugen. Man könnte daher auch in der Kantischen Perspektive sagen, daß das Denken, indem es ein Urteil als ein Mittel zu seiner eigenen Ausführung erzeugt, es zugleich auch den beurteilten Sachverhalt erzeugt. Zwar kann die transzendentale Analyse beide Funktionen trennen und isoliert untersuchen. Der Sache nach stellen sie jedoch eine funktionale denn es ist klar, daß Kant das Bewußtsein urteilstheoretisch und nicht psychologisch erklärt. 46 Vgl. Cramer 1959, S. 32-33. Hvh. v. Vfr. 47 Vgl. B 93-94/A 68-69.

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Einheit derart dar, daß keine der beiden Funktionen die Funktion der anderen übernehmen kann und sie nur in dieser Einheit die Erfahrung qua Erkenntnis eines Gegenstandes möglich machen. IV. Der doppelte Sinn der Substanzkategorie als hypokeimenon eschaton Die beiden Funktionen der Kategorien ziehen nun verschiedene Konsequenzen nach sich. Sie sollen im folgenden entwickelt werden. Der schematisierte von dem rein logischen Inhalt abgeleitete Inhalt der Substanzkategorie führt bei seiner Explikation zum Gedanken eines letzten materiellen Weltsubstrats. Es handelt sich um eine Explikation, an derem Ende der Inhalt der Substanzkategorie so gedacht wird, daß die als Substanz zu bezeichnende Entität als eine Akzidenz an etwas anderem nicht gedacht werden und der Begriff von dieser Entität in keiner Sequenz von Aussagen an der Prädikatstelle auftreten kann. Da nun diesen Inhalt der Gedanke von etwas in der Zeit Beharrlichem ausmacht, kommt man bei der konsequenten Entwicklung dieses Inhalts zum Gedanken eines absolut Beharrlichen, das in keiner Zeit sich ändert, sich also weder geändert hat, noch ändert, noch ändern wird. Somit unterliegt es keinerlei Veränderungen. Deshalb kann auf es auch die weitere Relationskategorie, die Kategorie der Kausalität, die gerade den Begriff der Veränderung definiert, gar nicht angewendet werden. Aus diesem Grund kann auf es auch die dritte Kategorie dieser Klasse, die Kategorie der Gemeinschaft, nicht angewendet werden, denn sie wird durch den Begriff der wechselseitigen Kausalität von zwei Substanzen definiert. Anhand des Gedankens eines letzten materiellen Weltsubstrats läßt sich nun derjenige Grundsatz aller Erfahrung formulieren, den Kant in seiner Systematik der Grundsätze in der Ersten Analogie der Erfahrung „Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz“ nennt. Dieser Grundsatz hat in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft folgende Fassung: „Bei allem Wechsel der Erscheinungen beharrt die Substanz, und das Quantum derselben wird in der Natur weder vermehrt noch vermindert.“48

In diesem Zusammenhang wird also Substanz als materielles Weltsubstrat gefaßt, in dem alle Objekte der Erfahrung – Erscheinungen – ihre materielle Grundlage haben. Die Erscheinungen sind daher zwar nur mentale Entitäten, aber als solche haben sie ihre ontisch-materielle Grundlage in diesem als Substanz gedachten materiellen Weltsubstrat. Dem entspricht auch der epistemische Umstand, daß der Inhalt der 48

Vgl. B 224.

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Erscheinungen nun seinerseits etwas ist, das von dem Subjekt der Erfahrung gerade nicht hervorgebracht worden sein könnte. Der nicht-schematisierte, transzendentallogische, aus der kategorischen Urteilsform abgeleitete Inhalt der Substanzkategorie führt bei seiner Explikation zum Gedanken desjenigen letzten Subjekts aller Urteile, das diese Urteile fällt und in ihnen weder an der Subjekt- noch an der Prädikatstelle auftreten kann, weil es gar nicht als Prädikat von etwas gefaßt werden kann. Es handelt es sich um eine Explikation, an derem Ende der Inhalt der Substanzkategorie so gedacht wird, daß ein solches Subjekt gedacht wird, das selber kein Prädikat eines anderen Subjekts sein kann,49 und zwar gilt auch hier wieder: in keiner Sequenz von Aussagen. Im Paralogismenkapitel zeigt Kant im einzelnen, warum auf diesen Gedanken keine Kategorie so angewendet werden kann, daß dadurch eine Erkenntnis entsteht. An einer Stelle in der transzendentalen Dialektik sagt Kant, die Ideen, deren eine die Idee des spontanen Subjekts der Apperzeption ist, „laufen am Faden der Kategorien fort“.50 Damit deutet er an, daß die Idee des Subjekts aus der Kategorie hergeleitet werden kann. Wie ist das zu verstehen? Zunächst ist klar, daß die Idee des Subjekts aus der Kategorie der Substanz ableitbar sein muß, weil diese Kategorie wiederum aus der kategorischen Urteilsform hergeleitet ist, die das Verhältnis des Subjekts zum Prädikat enthält. Dieser Hinweis ist aber noch kein Argument, denn er beruht auf der Doppeldeutigkeit des Subjektbegriffs, nämlich einmal ein Subjekt des Bewußtseins und zum anderen ein Subjekt eines Urteils zu sein. Das Argument besagt vielmehr, daß, weil die Idee des Subjekts kraft der Definition der Idee ein Begriff vom unbedingten Subjekt sein muß,51 diese Idee auf irgendeine Weise aus der Substanzkategorie gewonnen werden kann, und zwar deshalb, weil es sich genauer um das unbedingte Subjekt aller Urteile handelt, das in dem Urteil als solches gar nicht vorkommt. Ein solches Subjekt kann nur diejenige Entität sein, die Urteile fällt. Aus der Substanzkategorie kann nun diese Idee dann gewonnen werden, wenn die restringierende Bedingung ihrer Anwendung auf das Mannigfaltige der empirischen Anschauung bei Seite gesetzt wird. Dann, wie es die oben zitierte Stelle ausführt, bleibt jedoch aus dieser Kategorie nur ein Gedanke von einem solchen Subjekt, das nicht mehr Bestimmung an etwas anderem sein kann. Kant meint nun, wie erwähnt, daß dieser Gedanke als eine angemessene Beschreibung des Subjekts der transzendentalen Apperzeption angesehen werden kann. Diese Explikation ist also als ein Übergang von dem letzten Subjekt aller Urteile zu dem Subjekt zu verstehen, das außerhalb der 49 50 51

Vgl. B 379/A 323. Vgl. B 392/A 335. Vgl. B 382/A 326.

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Urteile steht und sie fällt, d.h. durch das Denken die Urteile als Mittel des Denkens erzeugt, wie Cramer sich ausdrückt. Das ist bestimmt nicht unplausibel, denn der Begriff von dem Subjekt der transzendentalen Apperzeption ist ein Begriff, der in keinem synthetischen Erfahrungsurteil nicht nur nicht an der Prädikatstelle, sondern auch nicht an der Subjektstelle ausgesagt werden kann. Damit ist jedoch nur der urteilstheoretischen Seite dieses Begriffs Rechnung getragen. Die eigentlich subjekt-ontologische Seite ist damit noch gar nicht begründet. Denn sie besteht darin, daß das Subjekt der transzendentalen Apperzeption eine Entität ist, die einer spontanen Handlung fähig ist. Es ist aber gar nicht abzusehen, wie diese Eigenschaft des Subjekts anhand des beschriebenen formalen Verfahrens begründet werden können sollte. Zusammenfassend muß noch die entscheidende Differenz hervorgehoben werden, die sich oben ergeben hatte. Diese Differenz ist folgende: Während den Begriffen von Erscheinungen die Eigenschaft, in einem Urteil an die Subjektstelle gesetzt zu werden, nur relativ – in einer bestimmten Sequenz von Aussagen – zukommt, kommt diese Auszeichnung dem Begriff von dem materiellen Weltsubstrat einerseits und dem Begriff von dem letzten, Urteile fällenden Subjekt andererseits absolut zu, d.h. diese Begriffe können in keiner Sequenz von Aussagen als Prädikate von etwas Anderem aufgefaßt werden. Aus den Gründen, die oben als Implikationen der Kantischen Begriffstheorie herausgestellt worden waren, heißt dies aber, daß diesen zwei Begriffen konsequenterweise auch eine andere Eigenschaft zukommt als den Begriffen von Erscheinungen: diejenige Eigenschaft nämlich, in keinem Urteil als Prädikat ausgesagt zu werden. Das hat aber zur Folge, daß die in diesen Begriffen gedachten Entitäten gar nicht weiter bestimmt werden können. Bestimmen lassen sich diese Begriffe allein durch ihre Analyse. In der Kantischen Begrifflichkeit ausgedrückt heißt dies, daß diese Begriffe nur analytische Urteile möglich machen. Denn sie können in einem synthetischen Urteil nicht nur nicht an die Prädikatstelle, sondern auch nicht an die Subjektstelle gesetzt werden, und zwar deshalb nicht, weil diese Begriffe gar nicht als Prädikate von Etwas verwendet werden können. Der Ausdruck ‚in keiner Sequenz von Aussagen‘ ist also äquivalent mit dem Ausdruck ‚in keiner Aussage‘, insofern es sich um synthetische Aussagen handelt. Insbesondere mit Bezug auf die zweite Konsequenz unterscheidet sich Kant von Aristoteles. Denn während für den Begriff des letzten materiellen Substrats der Welt Aristoteles über einen entsprechenden Terminus, den Begriff der próté hylé („ersten Materie“) nämlich, verfügt, ist das mit Bezug auf den Begriff des letzten Subjekts aller Urteile qua Subjekt der Apperzeption nicht der Fall, es sei denn, man würde als einen solchen Terminus den Begriff von dem sich selbst denkenden Denken, den Begriff der noésis noéseós, ansehen. Das wäre aber nicht unproblematisch, weil

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Aristoteles vermutlich über kein Äquivalent des Apperzeptionsbegriffs verfügt. Diese Differenz ist jedoch entscheidend: Kant übernimmt zunächst von Aristoteles seine urteilstheoretische Bestimmung der Substanzkategorie, um aus diesem Begriff Konsequenzen abzuleiten, die mit ihm als solchem noch nicht impliziert waren und zu deren Ableitung ein die neuzeitliche Ontologie charakterisierendes Thema, das Thema des Selbstbewußtseins, eingeführt werden mußte. Dies tut Kant in der transzendentalen Deduktion der Kategorien, in der u.a. das Verhältnis der Kategorie zum Selbstbewußtsein untersucht wird. Diese Untersuchung hat dann Konsequenzen mit Bezug auf die Möglichkeiten, wie das Subjekt der Apperzeption – das letzte Subjekt aller Urteile – überhaupt aufgefaßt werden kann. Diese Konsequenzen macht Kant im Paralogismenkapitel namhaft. Das wichtigste Ergebnis dieses Kapitels besteht darin, das jenes Subjekt als solches nur gedacht, jedoch nicht erkannt werden kann. Deswegen ist der Begriff von diesem Subjekt „Idee“ zu nennen: Er ist zwar ein Begriff von etwas Unbedingtem, nämlich vom unbedingten Subjekt aller Urteile, das als solches jedoch – oder vielleicht gerade deshalb – in keiner sinnlichen Anschauung Referenzialität besitzen kann. Abgesehen davon, daß der Begriff des letzten materiellen Substrats der Welt im Ausgang von dem schematisierten Inhalt der Substanzkategorie entsteht, wäre zu fragen, warum Kant auch diesen Begriff nicht im Ideenkapitel der Kritik der reinen Vernunft behandelt hat. Denn zwar entsteht der Begriff des letzten Subjekts aller Urteile im Ausgang von dem nicht-schematisierten Inhalt der Substanzkategorie. Beiden Begriffen ist jedoch zumindest dies gemeinsam, daß die in ihnen gedachten Entitäten – in erkennender Absicht – durch keine Prädikate bestimmt werden können und sie daher in dieser Perspektive denselben epistemischen Status besitzen. Diese Fragestellung muß aber einer anderen Untersuchung vorbehalten bleiben.

Thomas Auinger: Substanz und Begriff – Zu Hegels Begriffsbestimmung des Begriffs anhand der Kategorie der Substanz1 Hegels philosophisches Credo, daß „das Wahre nicht als Substanz, sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken“2 sei, läßt sich am exaktesten in seiner Wissenschaft der Logik nachvollziehen. Dabei wäre es völlig verfehlt, die Kategorie der Substanz unabhängig von der Konzeption des Hegelschen Begriffs darstellen zu wollen. Jegliche Erläuterung des Substanzverständnisses bei Hegel muß also eingebettet sein in den umfassenderen Zusammenhang einer Exposition des Begriffs. Dies ist es, was im folgenden Text in einer zusammenfassenden Weise unternommen wird. 1. Anfängliches Um dasjenige einigermaßen auf den Begriff zu bringen, was unter dem Hegelschen Begriff zu verstehen sei, müßte man sich zuerst jene Frage noch einmal vorlegen, die Hegel selbst zu Beginn seines Werkes aufgeworfen hat, nämlich die Frage nach dem Anfang selbst. Die Bestimmungen des zweiten Teiles der Hegelschen Logik, worin die Darstellung des „Begriffs als Begriffs“3 gegeben wird, verdanken sich immer noch gewissen Festlegungen und Rahmenvorgaben, die bereits in dem kurzen Abschnitt mit dem Titel „Womit muß der Anfang der Wissenschaft gemacht werden?“4 aufgestellt wurden. Schon dort verknüpft sich die Möglichkeit der Beantwortung dieser Frage mit einer zweiten Frage, die dann im weiteren Verlauf der Logik stets im Auge behalten wird. Es ist die Frage nach Unmittelbarkeit und Vermittlung und deren dialektischer Verschränkung. Hegel stellt zunächst ganz lapidar fest, daß es 1

Anmerkung des Autors: Um im gegebenen Rahmen genügend Platz für die Wiedergabe der Hegelschen Position zu lassen, wird in diesem Artikel auf die Diskussion von Sekundärliteratur bewußt verzichtet. 2 G.W.F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, in: Werke in 20 Bänden, auf der Grundlage der Werke von 1832-1845 neu edierte 2 Ausgabe, Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt/M. 1989 , Bd. 3, S. 23. 3 G.W.F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, in: Werke in 20 Bänden, a.a.O., Bd. 5, S. 58. 4 Ebd. S. 65.

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Hegel

überhaupt „Nichts gibt, nichts im Himmel oder in der Natur oder im Geiste oder wo es sei, was nicht ebenso die Unmittelbarkeit enthält als die Vermittlung“.5 Diese einfache Aussage entpuppt sich sogleich als eine Grundschwierigkeit, welche die Entscheidung für einen bestimmten Anfang eher erschwert als erleichtert. Denn sie läßt eine absolute Vielfalt an möglichen Anfängen zu und es wird dadurch gerade kein besonderes Kriterium angegeben, wodurch ein konsistenter und sinnvoller Anfang ausfindig gemacht werden könnte. Was nun Hegels Lösungsvariante dieser Schwierigkeit betrifft, so bestimmt sich darin schon dasjenige mit, was sich später als ein Hauptsignum des Begriffes selbst erweisen wird. Einerseits ist es nämlich unumgänglich am Postulat der Unmittelbarkeit festzuhalten, weil alles andere nur in ein Feld von Beliebigkeit und Willkür abgleiten würde, andererseits muß eine Vermittlung in Kauf genommen werden, die ebenso gegen dieses Feld abgesichert werden muß. Die Vereinigung der beiden Gedanken bestimmt sich nun über das Wesen der Vermittlung, die eine ganz ausgezeichnete Leistung zu übernehmen hat. Sie soll sich so vermitteln, daß sie sich in ihrem eigenen Prozeß aufhebt und durch diese Aufhebung aller Vermittlungsvorgänge gerade die geforderte Unmittelbarkeit erstellt. Der Anfang der Logik soll daher durchaus völlig unmittelbar aufgefaßt werden können, aber seine Unmittelbarkeit hat ihren Ursprung in einer längeren Vermittlung, die sich in ihren Schritten eben auf dieses Unmittelbare hin aufgehoben hat. Der Name dieser für die Logik relevanten Vermittlung lautet Phänomenologie des Geistes. Sie wird auf diese Weise zum Kronzeugen für die Dignität des Anfanges der Logik, sofern überhaupt die Frage nach einer Ableitung außerhalb ihrer selbst erhoben wird. Sie wird aber auch zum Problemkreis, um welchen sich letztlich auch die Fragen nach der spezifischen Einbettung der Logik in das gesamte Hegelsche Werk drehen. Diesem Aspekt soll im vorliegenden Zusammenhang nicht nachgegangen werden. Die Bedeutung der Vermittlung ist jedoch nicht nur für die Beglaubigung des logischen Anfangs im Sinne seiner zurückliegenden Ableitung ausschlaggebend, sondern ebenso für den weiteren Fortgang innerhalb der Logik selbst. In eminenter Weise vollzieht sich die Bestätigung des anfänglich Vorausgesetzten nur in der weiter fortschreitenden Entwicklung, die also diesen ersten Schritt zu fundieren hat. Hegel drückt dies in der Methodenbetrachtung am Ende der Logik folgendermaßen aus: „Die Beglaubigung des bestimmten Inhalts, mit dem der Anfang gemacht wird, scheint rückwärts desselben zu liegen; in der Tat aber ist sie als Vorwärtsgehen zu betrachten, wenn sie nämlich zum begreifenden Erkennen gehört.“6

5 6

Ebd. S. 66. G.W.F. Hegel, Wissenschaft der Logik II, a.a.O., Bd. 6, S. 554.

Thomas Auinger

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Im Verlauf dieses Vorwärtsgehens, worin sich also die Gültigkeit des Anfangs zu erweisen hat, stellen sich nun solche Momente ein, in denen ein Rückverweis auf das Unmittelbare besonders explizit wird. Dies passiert immer dort, wo die Vermittlung den Charakter der Selbstaufhebung annimmt und eben dadurch einen neuen Sinn von Unmittelbarkeit generiert. Es geht hier nicht um eine vollständige Zusammenstellung dieser Passagen, sodaß ich mich hier auf die Erwähnung einer bemerkenswerten Stelle beschränke, die eine solche Aufhebung der Vermittlung sehr deutlich illustriert. Im Kapitel über den Hervorgang der Sache in die Existenz heißt es dazu: „Das Hervortreten in die Existenz ist daher so unmittelbar, daß es nur durch das Verschwinden der Vermittlung vermittelt ist.“7 […] „Diese durch Grund und Bedingung vermittelte und durch das Aufheben der Vermittlung mit sich identische Unmittelbarkeit ist die Existenz.“8

Dieses Beispiel einer Aufhebung von Vermittlung soll nun dazu dienen, die Kennzeichnung des Begriffs in Abhebung zum vorangegangenen ersten Teil der Logik weiter zu erläutern. Wenn es sich darum handeln soll, daß der Begriff als das Umgreifende und Begreifende der zuvor explizierten Sphären des Seins und des Wesens zu verstehen ist, dann wird auch er in dieser Linie der sich aufhebenden Vermittlung stehen müssen. Wie der Anfang der Logik die Grundlage für die weitere logische Entfaltung war, so zeigt sich der Begriff als Wiederherstellung dieser Grundlage durch eine Vermittlung, in welcher er sich zu dieser „Grundlage gemacht hat“.9 Das Zugrundeliegende gilt daher nicht mehr als bloß unmittelbare Voraussetzung, sondern als das Setzende dieser Voraussetzung selbst. Sie ist sowohl Grund durch ihre Vermittlung als auch Grundlage durch ihre Unmittelbarkeit. Ein dementsprechendes Zugrundeliegendes nennt Hegel eine „absolute Grundlage“10 und betont die einzig mögliche Weise, in welcher eine solche Grundlage zustande kommen kann: „Diese muß daher zwar ein Unmittelbares sein, aber so, daß es aus der Aufhebung der Vermittlung sich zum Unmittelbaren gemacht hat.“11

Das Unmittelbare erhält also letztlich seinen Sinn nur dadurch, daß es sich über den Prozeß einer Vermittlung wieder zu einem Unmittelbaren macht. 7 Ebd. S. 8 Ebd. S. 9 Ebd. S. 10 Ebd. 11 Ebd.

122. 123. 245.

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Erst so erfährt das „abstrakt Unmittelbare“12 des Anfangs einen konkreten und inhaltsvollen Gehalt. Dieser Inhalt erzeugt sich nur aus derjenigen Vermittlung, die in all ihren Aspekten in diese neu entstandene Unmittelbarkeit gemündet ist, eine Unmittelbarkeit, die Hegel mit dem schlichten Terminus Begriff benennt. Er beinhaltet somit den vollständigen Inhalt dieser Vermittlung, die sich anhand der vielfältigen Kategorien von Sein und Wesen ausgeprägt hat. Er ist ihr Resultat als eine „Identität, in welcher sie untergegangen und enthalten sind“.13 Sein und Wesen haben in dieser Identität nur mehr den Wert eines vermittelten Seins und eines vermittelten Wesens. Sie bleiben keine eigenständigen Blöcke, die nur in einen übergeordneten Bereich integriert worden wären, sie sind vielmehr zu bloßen Momenten herabgesetzt, die ihrerseits einen neuen Kanon von Kategorien oder Denkbestimmungen formieren. Aufgrund dieses Formprinzips, das nicht eine mehr oder weniger willkürliche Sammlung verschiedener logischer Formen nach sich zieht, sondern als tätiges Formieren immer neuer Bestimmungen zu begreifen ist, ergibt sich die Charakterisierung der Wissenschaft der Logik als einer „Wissenschaft der absoluten Form“.14 Was diese absolute Form nun ausmacht, ist unter anderem durch diese Figur der sich selbst aufhebenden Vermittlung bestimmt, die nach dem Erreichen des Begriffs ebenso als begriffliche Vermittlung anzusprechen ist. 2. Substantielles Um nun mehr über die spezifische Verfassung des Begriffs aussagen zu können, bedarf es eines Blicks auf seine Genese, denn nur durch sie wird sich der Begriff des Begriffes selbst eruieren lassen. Im ganzen gilt die objektive Logik als „genetische Exposition des Begriffes“,15 die den Begriff anhand seiner eigenen Entstehungsgeschichte thematisiert. Demgegenüber kann dann die subjektive Logik, welche die eigentliche Lehre vom Begriff enthält, als seine aktuale Exposition verstanden werden, denn sie gibt die Manifestation dessen, was bis dahin an Voraussetzungen gesetzt wurde, und insofern sich die letzte Denkbestimmung vor dem Begriff als diejenige der Substanz erwiesen hat, so bildet sie die eigentümliche und unmittelbare Voraussetzung für den Begriff. Sie ist „das an sich, was er als Manifestiertes ist“.16 Ihre Entwicklung als Verhältnis über die Stufen der Substanz, der Kausalität und der Wechselwirkung erschließt einen neuen logischen Sinn, der 12 13 14 15 16

Ebd. Ebd. Ebd. S. 265. Ebd. S. 245. Ebd. S. 246.

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letztlich allein dafür verantwortlich gemacht wird, daß die Subjektivität in ihrer Beziehung zur Objektivität gedacht werden kann. Der reifste Standpunkt einer Bestimmung dieses Objektiven, der noch innerhalb der objektiven Logik angegeben wird und der zugleich den Boden für die Substanz bereitet, ist der Standpunkt der Wirklichkeit. Sie ist die „gesetzte Einheit der Reflexion und der Unmittelbarkeit“17 und vereinigt so auf eine erste Weise die Sphären des Seins und des Wesens. Diese Wirklichkeit bestimmte sich über eine ansichseiende und eine fürsichseiende Komponente18 zur Substanz, die demgemäß von Hegel als „das an und für sich seiende Wirkliche“19 angeführt wird. Um nun die Genesis des Begriffs von dieser Kennzeichnung der Substanz her zu begreifen, muß man sich vorzüglich diejenige Bedeutung von Wirklichkeit vor Augen halten, die unmittelbar das Verhältnis der Substantialität generiert. Diese Wirklichkeit ist nämlich die Wirklichkeit der absoluten Notwendigkeit, die eine ganz ausgezeichnete Stellung in Bezug auf die Substanz und in Bezug auf den Begriff innehat. Falls man bei Nennung dieses Schlagworts von der absoluten Notwendigkeit noch imstande sein sollte, darin mehr als überzogenen Absolutheitswahn zu vermuten, wird man gerade bei diesem Thema einiges an Aufschluß über den Hegelschen Begriff erwarten können. Denn in Unterschied zu vielen anderen Philosophien und Philosophemen gewinnt hier eine Bestimmung eine zentrale Bedeutung, die mit der Notwendigkeit geradezu unvereinbar erscheint, nämlich die Zufälligkeit. Zuerst stellt sich die Zufälligkeit als die bloße Abwechslung von Wirklichkeit und Möglichkeit dar, die lediglich in einem Prozeß des ständigen Umschlagens ineinander begriffen sind. Was wirklich ist, ist möglich und was möglich ist, hat auch nur den Wert eines Seins überhaupt oder einer formellen Wirklichkeit. Weil aber so nur die eine „absolute Unruhe des Werdens dieser beiden Bestimmungen“20 vorhanden ist, zeigt sich dieses Verkehren selbst als ein Vollzug des Notwendigen oder vielmehr als die Notwendigkeit selbst. Bei näherer Betrachtung scheint sich dann dieser Zusammenhang an konkreten Inhalten zu verlieren, denn so erst bekommt das Mögliche einen eigenen vom Wirklichen unterschiedenen Gehalt. Weil aber hier die Möglichkeit nicht als vereinzelte auftritt, sondern als reale Möglichkeit eine Totalität von Bedingungen vertritt, stellt sich auch bei Berücksichtigung des spezifischen Inhalts einer Sache die Notwendigkeit wieder her. Hegel 17 18

Ebd. S. 201. Diese beiden Komponenten entsprechen den ersten beiden Kapiteln des dritten Abschnitts der Wesenslogik, also einerseits dem Kapitel über das Absolute und andererseits dem Kapitel über die eigentliche Wirklichkeit, worin die Modalitätskategorien abgehandelt werden. 19 G.W.F. Hegel, Wissenschaft der Logik II, a.a.O., Bd. 6, S. 246. 20 Ebd. S. 206.

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nennt sie eine reale Notwendigkeit, welche dadurch ausgezeichnet ist, daß sie nur dann sinnvoll festgestellt werden kann, wenn von irgendeiner zufälligen Sache ausgegangen wird und ihr Kontext in Bezug auf ihre Möglichkeit überhaupt zur Debatte steht. Anders ausgedrückt: Eine solche Notwendigkeit hat am Zufälligen ihre Voraussetzung und ist somit ganz und gar nicht absolut, sondern durch diese Abhängigkeit vollkommen relativ. Bis zu diesem Zeitpunkt ist es zumindest bei oberflächlicher Lesart immer noch möglich, das landläufige Verständnis der Notwendigkeit als Determination mit demjenigen Hegels zu kontaminieren. Beim nächsten Schritt zeigt sich aber die eigentümliche Pointe der logischen Argumentation, wodurch sich jeder naiv gefaßte Gegensatz von Zufälligkeit und Notwendigkeit radikal beseitigt. Sie besteht in der Einsicht, daß das Resultat eines jeden Aufzeigens von realer Notwendigkeit wieder zur Konstatierung eines unmittelbaren Sachverhaltes führt, ein Sachverhalt, der dann an ihm selbst ebenso nur ein Zufälliges repräsentiert. Von diesem Zufälligen aus wird dann erneut zur Notwendigkeit fortgeschritten usf. Man ersieht, daß diese Konstellation nichts anderes beschreibt, als daß sich die Notwendigkeit selbst zur Zufälligkeit bestimmt oder mit anderen Worten, daß die Voraussetzung, welche die reale Notwendigkeit hatte, ihr eigenes Setzen ist. Diese Erkenntnis hebt die äußerliche Relativität auf und eben dies ist es, was Hegel absolute Notwendigkeit nennt. Also weit davon entfernt alle Zufälligkeit zu tilgen und in ein notwendiges System ohne Freiräume zu inkorporieren, ist es vielmehr der Vollsinn von Notwendigkeit, sich aus sich selbst zur Zufälligkeit zu bestimmen. Diese Zufälligkeit ist aber nicht als das Ende der Verkettungen zu verstehen, die sich im Reigen der Modalitätskategorien einstellen. Sie läßt diese Verkehrungen nicht einfach hinter sich, sie bringt sie einfach auf den Punkt und zwar in einer Einfachheit, die sich über drei Momente formulieren läßt. Diese Dreifachheit, die es gleich zu erläutern gilt, ist exakt die, die sich im absoluten Verhältnis von Substanz, Kausalität und Wechselwirkung noch weiter intensiviert und die später auch für den Begriff Gültigkeit haben wird. Formal kann gesagt werden, daß diese drei Momente auch den drei großen Gliederungsgruppen in der ganzen Logik entsprechen, also der Abfolge von Sein, Wesen und Begriff. Der Sache nach geht es aber um die Bewegung des Setzens, die sich über das Voraussetzen mit der zunächst äußerlichen und vorausgesetzten Unmittelbarkeit vereinheitlicht. Es ist die absolute Notwendigkeit, die ein Setzen hervorbringt, welches durch die eigene Negativität zum Setzen des Unmittelbaren wird. Auf Sein und Wesen bezogen ergibt dies folgenden Dreischritt, der in dieser Aufzählung aber nur abstrakt festgehalten werden kann:

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Das Anfangen bei der Unmittelbarkeit des Seins. Das Fortgehen zum vollständigen Gesetztsein dieses Seins (Vermittlung). Das Aufheben dieses Gesetztseins als Rückkehr zur Unmittelbarkeit (die sich aufhebende Vermittlung). Was sich in diesem Gefüge, das als zeitlos logisches Geschehen zu fassen ist, vollzieht, ist also die Negation des Seins, welches in dieser Negation und durch diese Negation erst recht Sein ist. „Diese Identität des Seins in seiner Negation mit sich selbst“,21 genau das ist es, was Hegel mit dem Terminus Substanz bezeichnet. Sie vereinigt in ihr eine Wirklichkeit, die sich aus dem Verhältnis von Notwendigkeit und Zufälligkeit ergibt, so daß auf dieses Verhältnis eine sehr einprägsame Formulierung zutrifft: Es ist „das Sein, das ist, weil es ist“,22 also Grund und Grundloses in einem, eben die „Einheit des Seins und der Reflexion“.23 Der weitere Weg über die Kausalität und Wechselwirkung bietet die Ausgestaltung dieser ansichseienden Einheit, die sich in der Frage nach der Substanz qua Einzahl und Mehrzahl auch als fürsichseiend bestimmt. Damit wird dieses An-und-Fürsich-Sein der Substanz als Begriff gesetzt, in welchem die oben angeführten drei Momente wechselweise und gegenseitig ineinander verwoben sind. Die verwirrend anmutende Wendung dazu lautet wie folgt: Der „Begriff nun ist diese absolute Einheit des Seins und der Reflexion, daß das Anundfürsichsein erst dadurch ist, daß es ebensosehr Reflexion oder Gesetztsein ist und daß das Gesetztsein das Anundfürsichsein ist.“24

Auch Hegel gibt zu, daß dies erst das „abstrakte Resultat“25 der Fortbestimmung der Substanz ist. Es wird sehrwohl deren konkrete Auffächerung erfordert, wodurch dann auch dem Begriff ein konkreter Gehalt verliehen wird. Die Hauptmomente seien also im folgenden kurz angedeutet und zusammengestellt. Die absolute Notwendigkeit zeigte sich als ein Verhältnis von freien Wirklichkeiten, die an ihnen selbst als notwendiges Sein, in ihrer reflexiven Bezugnahme aufeinander aber unter der Ägide der Zufälligkeit begriffen werden mußten. Alle Negativität wurde dazu gebraucht, um dem Sein des Unmittelbaren in seiner Negation eine gewisse Festigkeit zu gewähren. Dieses, aus den Komplexionen des Negativen destillierte Sein, 21 22 23 24 25

Ebd. S. 217. Ebd. S. 219. Ebd. Ebd. S. 246. Ebd.

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ist das „Sein in allem Sein“,26 die Substanz. Sie baut sich auf über dem gesamten Bereich der Reflexion oder des Scheinens und ist dadurch in eminenter Weise als Verhältnis bestimmt. Die Substanz ist daher zugleich das Verhältnis der Substantialität. Wozu sich die Substanz in ihrer Substantialität verhält, ist die Akzidentalität, die gewissermaßen den gesamten Inhalt der Substanz darstellt. Es ist aber der einzige Inhalt, den die Substanz hat und durch welchen sie selbst substantiell ist, so daß die Akzidentalität wiederum nichts anderes ist als „die ganze Substanz selbst.“27 Diese ist somit ein „Verhältnis zu sich“28 als das Identische im Verhalten der vielen Akzidenzen zueinander, sie ist „Formeinheit der Akzidentalität“.29 Was also im Wechsel der Akzidenzen als dem Prozeß der sich stetig verändernden Dinge wirkt, ist die Macht der Substanz. Eine Macht, die nicht äußerlich auf die Akzidenzen ausgeübt wird, sondern eine Macht, die einzig und allein die Dynamik des Übersetzens von Möglichkeit in Wirklichkeit und von Wirklichkeit in Möglichkeit repräsentiert. Sie ist die Macht des Schaffens und Zerstörens, die als ein identischer Vorgang das Feld des Akzidentellen beherrscht. Was also das Verhältnis der Substantialität ausmacht, ist dieses eine Spiel der Macht, die sich in der Akzidentalität immer wieder auf sich selbst bezieht. Dieser Selbstbezug aber, der sich über ein Anderssein formiert, das keinen substantiellen Wert hat, ist auch der Mangel dieses ersten absoluten Verhältnisses. Denn die Bewegung der Akzidenzen wird im Vorherrschen der einseitigen Macht der Substanz lediglich als Werden begriffen, also als ein Geschehen, das nicht den Anspruch erheben kann, Wesensvollzug zu sein. Wie wir aber gesehen haben, ist das Werden prinzipiell ein Werden zum Wesen oder der Gang von der Unmittelbarkeit zur Reflexion. Die Akzidentalität reflektiert sich daher notwendig in sich, erreicht selbst den Rang eines Identischen und bestimmt sich auf ihrer Seite ebensosehr als „für sich seiende, mächtige Substanz.“30 Dieses Verhältnis zweier ebenbürtiger Mächte ist nun das Kausalitätsverhältnis oder das Verhältnis von Ursache und Wirkung. Hegel erörtert dieses Kapitel ausführlich in drei Unterkapiteln, wobei er die formelle Kausalität von der bestimmten unterscheidet und danach zur Bestimmung von Wirkung und Gegenwirkung übergeht. Es seien hier nur gewisse Hauptaspekte herausgegriffen, die für das Verständnis des Begriffs besonders relevant sind. Um aber die Genesis des Begriffs in seiner Konkretion nachzuvollziehen, wird man auch dem Kausalitätsverhältnis 26 27 28 29 30

Ebd. S. 219. Ebd. S. 220. Ebd. S. 217. Ebd. S. 220. Ebd. S. 222.

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mehr Aufmerksamkeit schenken müssen als dies zum Zwecke einer zusammenfassenden Darstellung der Fall sein kann. In komprimierter Weise kann gesagt werden, daß im Kausalitätsverhältnis von der Bestimmung der einen Substanz zum Aufweis von zwei Substanzen fortgeschritten wird. Es ist nicht mehr die „Aktuosität der Substanz als ruhiges Hervorgehen ihrer selbst“31 vorhanden, sondern ein Konflikt von Substanzen, durch welchen sich die Macht zur Gewalt bestimmt. Aber auch diese Gewalt ist nicht das letzte, denn sie zeigt sich sogleich in den Rahmen eines größeren Abhängigkeitsverhältnisses eingebunden, worin sich der Bezug der Substanzen aufeinander neu definiert. Es entsteht das bestimmte Verhältnis einer aktiven zu einer passiven Substanz. Letztere gilt als „ursprüngliches Gesetztsein“32 oder ansichseiendes „Substrat“33, die aktive Substanz aber als setzende Macht und sich auf sich beziehende Negativität. An dieser Stelle könnte man immer noch die Zuordnung zwischen passiver Substanz und Sein, bzw. aktiver Substanz und Wesen, treffen, aber insofern es sich um zwei vollwertige Substanzen handelt, begegnen wir schon hier einer begrifflichen Aufhebung dieses selbst noch reflektierten Unterschieds. Wenn das Verhältnis der beiden Substanzen in ihrer prozessualen Bezugnahme weiter betrachtet wird, dann ergibt sich, daß in einem ersten Schritt das Setzen der aktiven Substanz ihr eigenes Voraussetzen der passiven Substanz ist, d.h. die Aktivität wird so aktiv, daß sie sich selbst eine ihr entsprechende Passivität erzeugt. Auf dieser ersten Stufe ist das Setzen mit dem Voraussetzen so identisch, daß sich die Seite des Vorausgesetzten erst konstituiert und es also für die aktive Substanz noch keinen Spielraum gibt, an diesem Vorausgesetzten eine besondere Wirkung hervorzubringen. Die Negativität wird also noch für eine bestimmte Trennung benötigt, sie ist in das Sein der Substanzen versenkt. Der zweite Schritt läßt die Ursache und die Wirkung als solche erscheinen. Sie erhalten dadurch ein Fürsichsein und geben der Macht auch die Ausstrahlung und den „Schein der Macht“.34 Aufgrund des ersten Schrittes wird es jetzt möglich, daß die Ursache eine Wirkung an der passiven Substanz hervorbringt. Das Charakteristische auf dieser zweiten Stufe ergibt sich jedoch durch die Erkenntnis, daß die Ursache in ihrer Tätigkeit des Hervorbringens einer Wirkung allererst zur Ursache wird und andererseits die gesetzte Wirkung an der passiven Substanz auch diese allererst zur passiven Substanz macht. Die Verteilung nach Seiten wird über das Aufscheinen und Scheinen der in den jeweiligen Proponenten wirkenden Macht. Die Erscheinung ist hier die Sphäre, in welcher sich Wirkung und Gegenwirkung formieren. 31 32 33 34

Ebd. S. 220. Ebd. S. 247. Ebd. S. 234. Ebd. S. 247.

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Im dritten Schritt wird das gegenseitige Wirken so vollendet, daß damit auch der Gesichtspunkt der Kausalität verlassen wird. Als dritte Kategorie der Relation hat dieses Kapitel daher auch den Titel Wechselwirkung. Solange den Substanzen noch irgendeine Form zugebilligt wird, die für eine andere Substanz in dieser Hinsicht keine Gültigkeit besitzt, bleibt ihr Verhältnis einem „Mechanismus“35 unterworfen, durch welchen sich das Wirkliche nicht frei entwickeln und entfalten kann. Es herrscht dann ein Vorrang einer mechanischen Setzung, die sich nicht einer freien Selbstbestimmung verdankt. Die kausalen Beziehungen sind der höchste Ausdruck einer Notwendigkeit, die über die Vermittlung von anderen Substanzen auch die Zufälligkeit, zu der sie sich bestimmt, zu umgreifen vermag. Das Zufällige steht in der Kausalität unter dem Primat des Gesetztseins und bietet noch nicht den adäquaten Ausgangspunkt für freie Selbstbestimmung. In der Wechselwirkung fällt aber nun einerseits ein erhellendes Schlaglicht auf die Substantialität und Kausalität, die ihre Ausgestaltung eben unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit erfahren, und andererseits enthüllt sich durch sie eine Verhältnisweise, welche selbst diese Notwendigkeit integriert und sie als eine vorläufige und keineswegs endgültige Betrachtungsart offenbart. Das Verbleiben im Bereich der Notwendigkeit hat seinen Grund darin, daß „die Reflexion der Ursache in ihrer Wirkung in sich zugleich ein abstoßendes Sein ist“36 oder daß die aktive Substanz sich immer wieder so auf sich selbst bezieht, daß ihre Auswirkung zu keiner vollständigen Veränderung der passiven Substanz wird. Die Aktivität der Ursache besteht aber allein im Hervorbringen einer Wirkung. Sie ist das Setzen einer wirklichen und daher auch effizienten Wirkung. Was sie nun bewirkt, wenn sie ihrer Bestimmung gerecht wird, ist nichts anderes als eine substantielle Veränderung der Bestimmung der passiven Substanz. Weil aber deren Bestimmung sich nur durch ihr passives Gesetztsein erfüllt, so vollzieht sich ihre Veränderung durch einen radikalen Wechsel von Passivität zu Aktivität. Die passive Substanz verkehrt sich durch die Einwirkung der Ursache zur aktiven Substanz und verursacht sich damit selbst. Sie bekommt exakt dieselbe Bestimmung wie die Ursache und hat damit auch die Macht zur Veränderung der anderen Substanz, die sie nun ihrerseits zur Passivität verkehren kann. Diese Bezüglichkeit beschreibt also den Status der Wechselwirkung von Substanzen; „jede ist gegen die andere zugleich aktive und zugleich passive Substanz.“37

35 36 37

Ebd. S. 237. Ebd. Ebd. S. 238.

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Durch diese Ausgeglichenheit ist die Wechselwirkung „nur noch leere Art und Weise“38 und der Unterschied zwischen den Substanzen „ein völlig durchsichtiger Schein“.39 Es ist jedoch genau diese Durchsichtigkeit, welche die Sicht auf eine genuin andere Sphäre des Logischen freigibt. Denn die Wechselwirkung bringt den Schein der Kausalität auf den Punkt, der schlicht und einfach dies ausdrückt, „daß er Schein ist.“40 Es ist der Schein als Schein aufgedeckt und die „Ursache als Ursache“41 präsent. Jede Substanz macht sich zum Gegenteil ihrer selbst und bleibt doch in diesem Gegenteil identisch mit sich. Es ist und scheint ein reiner Formalismus, der aber die Inhalte von Sein und Wesen zugleich als reine Form bestimmt. Die hergestellte Identität ist gegen sich gerichtete Identität und hebt die Vermittlung, deren sie notwendigerweise bedarf, ebenso wieder auf. Eine Aufhebung, welche auch die in der Kausalität begriffene Notwendigkeit aufhebt und die Wahrheit der Notwendigkeit als Freiheit setzt. Diese Einsicht in die Freiheit ist es, welche für Hegel eine erste Einsicht in den „Begriff des Begriffes“42 erlaubt und die den Wechsel von Substantialität in Subjektivität ergibt. Die Wirkung der Substanz führt demnach zur Wirklichkeit des Subjekts oder das Zusammengehen der Substanzen zum Untergang in den Begriff. Seine Momente sind die Momente dieser dreigliedrigen Auflösung der Substanz und zeigen daher auch die Dreigliedrigkeit des Begriffs. Das Anundfürsichsein der Substanz ist ihr Gesetztsein als die Verdopplung ihrer selbst. Ihre Verdopplung ist aber das Setzen einer ansichseienden und vorausgesetzten Substanz im Verhältnis zu einer fürsichseienden und setzenden Substanz. Indem sich deren Bestimmungen durch ihre Wechselwirkung ineinander verkehren, zeigt sich erst das „Gesetzsein als Gesetztsein“43 oder die „unendliche Reflexion in sich selbst, daß das Anundfürsichsein erst dadurch ist, daß es Gesetztsein ist“.44 So erweist sich die blinde und nur erst „innere Notwendigkeit“45 der Substanz als Schau des Scheins oder als das Sein und die Reflexion des Begriffs. Dieses Sein als Gleichheit mit sich ist seine Allgemeinheit, die Reflexion als negative Beziehung auf sich seine Einzelheit, und die durch diesen Gegensatz erstellte Verbindung seine Besonderheit. – Diesen hiermit noch und schon „vollkommen durchsichtigen Unterschied“46 dieser 38 39 40 41 42 43 44 45 46

Ebd. Ebd. S. 238. Ebd. S. 248. Ebd. Ebd. S. 252. Ebd. S. 248. Ebd. Ebd. S. 251. Ebd. S. 240.

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Termini in der dialektischen Bewegung der Substanz aufgezeigt zu haben, dies war also zugleich die Aufgabe einer ersten Erläuterung des Begriffs. 3. Begriffliches Die Dialektik der in Wechselwirkung stehenden Substanzen führte zu einer ersten Bestimmung des Begriffs, der in seinem Anfang wiederum nur als unmittelbar gelten kann. Es ist die durch die aufgehobene Vermittlung entstandene Unmittelbarkeit, welche die inhaltlichen Aspekte der bis dahin vollzogenen Vermittlungsschritte auch nur als aufgehoben enthält. Oder der Begriff des Begriffes selbst ist „nur erst sein Begriff“,47 und er hat als solcher noch kein „eigenes und freies Dasein“.48 Gemessen an Sein und Wesen stellt sich der Übergang von der Substantialität in die Subjektivität zwar als ein eminenter Fortschritt dar, gemessen am Begriff selbst ist aber eben dies, nur erst subjektiv zu sein, gerade sein gravierendster Mangel. Der Begriff gewann seine Dignität aus der Überwindung der Notwendigkeit, die stets ein Bestimmtsein-durch-Anderes impliziert, und stellt sich in Abhebung dazu selbst unter die Ägide der Freiheit oder der Selbstbestimmung. Somit wird er sich auch seine Objektivität selbst bestimmen müssen, und es genügt für ihn nicht, sich diesen Objektivitätsgehalt durch die objektive Logik vorgeben zu lassen. Der Gewinn an Subjektivität bedeutet daher zugleich einen Verlust an Objektivität. Der erste Abschnitt der Begriffslogik über die Subjektivität ist daher im ganzen als eine Wiedergewinnung der Objektivität zu betrachten und beschreibt den Weg vom subjektiven „formellen Begriff“49 bis hin zu dieser Sphäre der Objektivität, in welcher der „reelle Begriff“50 abgehandelt wird. Der dritte Abschnitt wird dann von Hegel als die Vereinigung von Subjektivität und Objektivität begriffen und trägt den Titel »Die Idee«, worin letztendlich der Begriff als der „adäquate Begriff“51 zu einer gewissen Vollendung kommen soll. In der Subjektivität bildet nun die Darstellung der Momente des Begriffs das erste Kapitel und wir ersehen aus der angegebenen Einteilung, daß selbst in diesen ersten Schritten die Begriffsbewegung in Richtung Objektivität unterwegs ist. Dies sei hier deshalb so betont, weil es zu verstehen gilt, daß der Hegelsche Begriff, auch wenn er als subjektiv und allgemein bestimmt wird, niemals aus einer nur subjektiven Verallgemeinerung entspringt. Seine Allgemeinheit verdankt sich nicht einer solchen äußerlichen Setzung, die jenseits des Objektiven von einem 47 48 49 50 51

Ebd. S. 270. Ebd. S. 271. Ebd. Ebd. Ebd.

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beliebigen Subjekt vollzogen würde. Vielmehr leitet sich das Allgemeine des Begriffs direkt vom Resultat der Substanzdialektik ab, und im Rückblick darauf ergeben sich unmittelbar auch die beiden anderen Momente des Begriffs. Wenn wir also noch einmal das Verhältnis der Wechselwirkung betrachten, so sehen wir, daß schon dort alle drei Begriffsmomente in nuce aufgezeigt werden können. Das Verhältnis von aktiver und passiver Substanz wird, indem jede an ihr selbst ebensosehr die andere ist, zu einem Ganzen, das sich zu sich selbst verhält. Es teilt sich nicht mehr in Teile, die ein eigenes Fürsichsein anstreben, es bleibt ein Ganzes, das sich so auf sich bezieht, daß es das Gesetztsein in sich selbst enthält und daher nicht mehr gegen Anderes gesetzt wird. Der Schein der selbständigen Substanzen zeigt sich im ‚Wechsel-Wirken’ als Schein, und das gegenseitige Einwirken aufeinander bringt nur eine einzige Wirkung hervor, nämlich die Befreiung der Substanz zum Begriff. Was vor diesem Erscheinen des Scheins noch passive Substanz geheißen hat, setzt sich als Passivität des Begriffs, die darin besteht, daß sie dieselbe Totalität wie die aktive Substanz ist, ohne sich aber aktiv von dieser abheben zu müssen. Diese Totalität ist dadurch das ganze Verhältnis, welches sich gewaltlos in allem Anderssein zu sich selbst verhält, es ist die Totalität des Allgemeinen. Diese erste Charakterisierung der Allgemeinheit wird aus der sich auflösenden Bestimmung der passiven Substanz gewonnen, die, insofern sie sich „als einfaches Ganzes“52 erweist, keinen Gegenpol mehr zur aktiven Substanz bildet. Sie kehrt als „Reflexion aus der Bestimmtheit in sich“53 zurück und wird somit als identisch mit sich gesetzt. Diese Identität als das Positive,54 welche nichts Negatives außer ihr hat, ist die Identität des Allgemeinen. Die Sphäre der Bestimmtheit war als die bestimmte und wechselseitige Beziehung der Substanzen gekennzeichnet, so daß alle Bestimmtheiten von Sein und Wesen darin zum Austrag kamen. In der reflektierenden Bezugnahme des Wirkens als einer wirklichen Bewegung zwischen den Substanzen löste sich aber ihr Unterschied auf, und es resultierte nur ein identisches Unterscheiden. Dieses Ganze, als das sich in allen Bestimmtheiten Gleichbleibende, ist das Ganze des Allgemeinen, und was auf diese Weise allgemein ist, bleibt sich in aller möglichen und wirklichen Verschiedenheit treu, denn es begreift jeden Unterschied schon in sich.

52 53 54

Ebd. S. 240. Ebd. Vgl. ebd. S. 276: „Das Allgemeine dagegen ist gesetzt als das Wesen seiner Bestimmung, die eigene positive Natur derselben.“

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Als Allgemeinheit des Begriffs ist dies kein äußerliches Zusammenfassen des Unterschiedenen im Sinne eines Überbegriffs, sondern das Begreifen des Einfachen im Setzen der Unterschiede selbst. Die im Wesen artikulierten Identitäten nehmen sich in der Bewegung der Substanz durch die Kausalität und Wechselwirkung hindurch zur einen Identität des Allgemeinen zusammen. Aus der Negation des negativen Verhaltens der Substanzen resultiert das Identische des Begriffs: „Der Begriff ist daher zuerst so die absolute Identität mit sich, daß sie dies nur ist als die Negation der Negation oder als die unendliche Einheit der Negativität mit sich selbst. Diese reine Beziehung des Begriffs auf sich, welche dadurch diese Beziehung ist, als durch die Negativität sich setzend, ist die Allgemeinheit des Begriffs.“55

Diese Negativität, die zur Erstellung der absoluten Identität unerläßlich ist, bzw. das Identische nur in ihr formiert, verweist nun auf das zweite Moment des Begriffs. Wie die Allgemeinheit aus der Perspektive der passiven Substanz zum Vorschein kam, wird dieses Moment auf die Perspektive der aktiven oder ursächlichen Substanz rekurrieren. Sie ist ebenso Reflexion aus der Bestimmtheit in sich und macht sich daher auch zu einem Ganzen, das sein Anderssein vollständig an ihm gesetzt hat. Aber wie das Ganze des Allgemeinen als das Positive, das kein Negatives außer sich hat, bestimmt wurde, so ist dieses Ganze das Negative oder die Negativität selbst, die nichts Positives außer ihr hat. So besteht zwar ein „vollkommener Gegensatz“56 zum Allgemeinen, aber nichtsdestoweniger handelt es sich um ein und dieselbe Totalität, die ebensosehr das Allgemeine ist. Das Ganze in dieser negativen Bestimmung nennt Hegel das Einzelne. Zunächst mag der Ausdruck des Einzelnen für ein solch holistisches Ganzes ein wenig befremden, denn landläufig würde man sich unter diesem Terminus eher ein Vereinzeltes vorstellen, das nur in einem Ganzen eingebettet sein kann. Seine Genese aus der aktiven Substanz zeigt aber dies, daß es geradezu als ganzheitliches Umgreifen der anderen Substanz gefaßt werden muß und sich nicht als partikuläres Einzelnes auf eine Seite stellen kann. Würde es so nur ein Teil des Verhältnisses bleiben, so hätte es gar keinen substantiellen Gehalt und müßte auf irgendeine schon überwundene Stufe des Wesens zurückfallen. Dieses Einzelne ist aber das Einzelne des Begriffs und daher die ganze Einheit der beiden Substanzen, die in der Wechselwirkung als gesetzte Einheit erkannt werden. Wenn aber die Bestimmung des Ganzen auch für dies zweite Moment so wichtig ist, warum nennt Hegel es dann überhaupt »das Einzelne«?

55 56

Ebd. S. 274 f. Ebd. S. 252.

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Die Beantwortung dieser Frage verknüpft sich mit der weiteren Frage, wodurch eigentlich die eine Einheit des Begriffs gewährleistet wird? Dazu muß, wie auch bei der Allgemeinheit, auf die Sphäre der Bestimmtheit geachtet werden. Die ursächliche Substanz ist in ihrem Hervorbringen einer expliziten Wirkung ein Negieren der Bestimmtheit der passiven Substanz. Indem sie die andere Substanz aber zur Aktivität verkehrt, kehrt sie zu sich selbst zurück und bestimmt dadurch noch einmal ihr eigenes Bestimmen. D.h. nichts anderes, als daß sich die Bestimmtheit generell auf sich bezieht und das Einzelne lediglich der geeignetste »Begriff« für dies „bestimmte Bestimmte“57 ist. Was hier so kompliziert klingt, kann auch sehr einfach gesagt werden: Jede Bestimmung ist eine Bestimmung. Sie mag zwar viele und komplexe Bestimmtheiten in sich enthalten, insgesamt ist sie aber immer selbst bestimmt und die Einzelheit spricht lediglich diesen Umstand explizit aus. Was in der Hegelschen Logik das Eigentümliche der Einzelheit ausmacht, ist dies, daß sie eben die eine Bestimmung der Allgemeinheit ist und dadurch an ihr selbst die eine Totalität des Begriffs. Wie das Allgemeine die Identität als positive Gleichheit mit sich selbst darstellt, so ist das Einzelne die „mit sich identische Negativität“.58 Beide sind eine Totalität, also Zweiheit und Einheit zugleich: „Jedes von ihnen ist die Totalität, jedes enthält die Bestimmung des Anderen in sich, und darum sind diese Totalitäten ebenso schlechthin nur eine, als diese Einheit die Diremtion ihrer selbst in den freien Schein dieser Zweiheit ist – einer Zweiheit, welche in dem Unterschied des Einzelnen und Allgemeinen als vollkommener Gegensatz erscheint, der aber so sehr Schein ist, daß, indem das eine begriffen und ausgesprochen wird, darin das andere unmittelbar begriffen und ausgesprochen ist.“59

Es fehlt jetzt noch das dritte Begriffsmoment, welches von Hegel, auch schon im letzten Absatz über die Wechselwirkung, im Sinne einer Zusammenführung von Allgemeinem und Einzelnem dargelegt wird. Wenn man dabei der Vorstellung näher kommen wollte, könnte man einfach fragen, wovon denn das Allgemeine und wovon das Einzelne eigentlich ausgesagt wird? Dieses »Wovon« bringt nun die Sphäre der Bestimmtheit zum dritten Mal ins Spiel. Das Allgemeine ist das sich Gleichbleibende in allen Bestimmtheiten und das Einzelne ist das Bestimmte dieser Bestimmtheiten. Aber was ist dann die Bestimmtheit selbst? Sie ist das Besondere allen Inhalts oder als drittes Begriffsmoment wieder die Totalität der Besonderheit als Begriff. Es ist die ursprüngliche 57 58 59

Ebd. S. 296. Ebd. S. 240. Ebd. S. 252.

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Bestimmtheit als Qualität, die sich hier im Begriff als Besonderheit kundtut. Es ist das universell Verschiedene als das »Verschieden-art-ige« jeglichen Inhalts, die eigene Art und Weise des Begriffs oder die begrifflslogische Modalität. Diese Betonung der Art wird von Hegel selbst vollzogen, weil er die Besonderheit zumeist am Gattungs-Art-Verhältnis illustriert, worüber weiter unten noch ausführlicher die Rede sein soll. Im Kapitel über die Wechselwirkung wird die Besonderheit jedenfalls als „einfache Identität“60 von Allgemeinem und Einzelnem gedacht, „welche vom Einzelnen das Moment der Bestimmtheit, vom Allgemeinen das Moment der Reflexion-in-sich in unmittelbarer Einheit enthält.“61 Die Verbindung dieser besonderen Aspekte in einer dritten Totalität bildet auch das Besondere des Begriffs, insofern nämlich in ihm von der Relationalität des Wesens zur begrifflichen Dreifachheit fortgegangen wird. Im Wesen war das jeweilig dritte Moment schon das eine Relat der nächsten logischen Stufe, im Begriff aber werden die drei Momente grundsätzlich auf ein und derselben Ebene gedacht oder er ist die eine Reflexion dreier Totalitäten, die gänzlich aufeinander verwiesen sind. Jede kann schließlich von jeder anderen prädiziert werden, weil alle drei als vollständige Prädikationen eines (einzigen, besonderten und allgemeinen) Anundfürsichseins gelten. Die Dialektik von aktiver und passiver Substanz hat das Wesen der Gegenseitigkeit so sehr intensiviert, daß ein mögliches Entfliehen des dritten Moments in ein neues Verhältnis eben deswegen verunmöglicht wird, weil sich dieses Dritte schon in ihrer Beziehung selbst entfaltet. Die im Wechselbezug der Substanzen sich generierende Identität wird wieder in ihren zweipoligen Unterschied inkorporiert. Er offenbart sich dadurch als ein dreifaches Unterscheiden, welches in seinen Unterschieden immer auch das Ganze bleibt. Es sind also drei »Ganzheiten«, die an der Konstituierung jedes einzelnen Moments ganz be-teil-igt sind. Vom Standpunkt der Wechselwirkung aus hat die Besonderheit darin die Position des dritten Moments, innerhalb der eigentlichen Erörterung des Begriffs wird sie dann als zweite Bestimmung abgehandelt werden. Um nun das spekulative Ziel der Substanzentwicklung richtig einordnen zu können, bedarf es noch der Präsentation der drei Begriffsmomente, die zumindest in einer formal-operativen Hinsicht als die zentralen Denkbestimmungen des Hegelschen Denkens gelten können.

60 61

Ebd. S. 240. Ebd.

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3.1 Der allgemeine Begriff Die Negativität der Substanz ist als einfache Beziehung auf sich die Allgemeinheit des Begriffs. Das Wesen ihrer Bestimmungen erhält am Allgemeinen einen positiven Ausdruck, in welchen die vielfachen wesenslogischen Verschränkungen bzw. Verkehrungen von Positivem und Negativem eingemündet sind. Oder es ist überhaupt das Einfache, weil in ihm die gesamte Ausbreitung der logischen Materien »ver-allgemein-ert« und »ver-einheit-licht« ist. Dabei vollzieht sich dieser Prozeß nicht als subjektive Verallgemeinerung eines verständigen Subjekts, wodurch überhaupt nur ein Subsumtionsallgemeines zustande kommen könnte, sondern als immanentes Allgemein-werden des Scheins des Wesens. Gezeigt wurde dies in seiner Realisierung anhand des substantiellen Wirkens, worin sich der Schein als Schein gesetzt hat. Die Bewegung des Substantialitätsverhältnisses war die „dargestellte Realität“,62 die den Begriff in seinem Werden zeigte, ein Werden, das sich als „reine Beziehung“63 dieses Verhältnisses auf sich herausgestellt hat. Diese sich gleichbleibende Beziehung ist die Allgemeinheit. (Dabei ist zu sagen, daß die gediegene Realität der Substanz zunächst in den unmittelbaren und dadurch formellen Begriff versenkt ist, sie wird sich als eigene Realität des Begriffs erst in der Objektivität wiederhergestellt haben.) Die Frage nach der Gleichheit mit sich, die durch das Allgemeine in gewisser Weise beantwortet wird, war schon in allen logischen Schritten des Seins und Wesens virulent, sie ist überhaupt eine der Grundfragen der Wissenschaft der Logik. Im Sein konnte sich diese Gleichheit nur durch die Gleichheit eines ständigen Übergehens in Anderes konstituieren, und im Wesen herrscht eine Gleichheit des Negativen mit sich, die sich nicht zugleich als Positivität festhalten ließ. „Das Allgemeine dagegen ist gesetzt als das Wesen seiner Bestimmung, die eigene positive Natur derselben. Denn die Bestimmung, die sein Negatives ausmacht, ist im Begriffe schlechthin nur als ein Gesetztsein oder wesentlich nur zugleich als das Negative des Negativen, und sie ist nur als diese Identität des Negativen mit sich, welche das Allgemeine ist.“64

Diese auf den ersten Blick etwas konfus anmutende Formulierung läßt sich aber durchaus noch weiter aufklären. Sie demonstriert, daß jede allgemeine Aussage, und hier wird sie eben über den Begriff gemacht, nur dann Gemeingültigkeit besitzt, wenn sie als Identisches von dem Inhalt, auf 62 63 64

Ebd. S. 270. Ebd. S. 274. Ebd. S. 276.

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Hegel

welchen sie negativ bezogen wird, trotzdem eine positive Bejahung (d.h. ein Gesetztsein) zustande bringt (oder setzen kann). Der positive Gehalt des Allgemeinen stellt sich also nur dann ein, wenn er sich einer Negation der Negation verdankt, die als solche im Ausgesagten selbst bestehen kann. Ein Beispiel: Die allgemeine Aussage: Der Hund ist ein Lebewesen. Einerseits werden hier Subjekt und Prädikat negativ aufeinander bezogen. Es werden unterschiedliche Bestimmtheiten in Verbindung gebracht, denn der Hund ist nicht einfach das Lebewesen selbst. Andererseits wird aber ihr Unterschied selbst wieder negiert und die Totalität dessen, was ein Lebewesen ausmacht, trifft auch voll und ganz auf den Hund zu. Die Bestimmtheit, Lebewesen zu sein, ist vollständig im lebendigen Hund präsent und somit als allgemeine Aussage gültig. Solch ein Beispiel, das bereits ein Urteil ist, ist natürlich nur ein schwacher Versuch, den Sinn von begrifflicher Allgemeinheit vorstellig zu machen, denn die Allgemeinheit des Begriffs geht nicht von einer beliebig gesetzten Bestimmtheit aus, sie enthält vielmehr alle Bestimmtheit in sich. Ihre Negativität ist außerdem kein Negatives, sondern die absolute Negativität, wodurch sie eben befähigt wird, „den höchsten Unterschied und Bestimmtheit in sich“65 zu enthalten. Das Allgemeine als Begriff ist so „das Einfache, welches ebensosehr das „Reichste in sich selbst ist“.66 Im Gegensatz zum Urteil ist der Begriff hier noch ungeteilt in allen Bestimmtheiten präsent und bleibt in ihnen die ungetrübte Gleichheit mit sich. Er ist als allgemeiner Begriff „absolute Vermittlung, nicht aber ein Vermitteltes“.67 So ist er das konkrete Allgemeine, das sich durch alles Werden und Reflektieren hindurch kontinuieren kann. Zu diesen Charakteristika, die das Allgemeine selbst noch auf allgemeine Weise kennzeichnen, gehört auch diejenige der freien Macht, die als gewaltloses Umgreifen des Anderrsseins beschrieben wird, was nun freilich keinen neuen Gedanken mehr impliziert. Etwas pathetisch wird es dann, wenn sich Hegel bemüßigt fühlt, zu erwähnen, daß dieses Allgemeine „auch die freie Liebe und schrankenlose Seligkeit genannt werden“68 kann. Was nun aber einen eminenten Fortschritt innerhalb der Behandlung des Allgemeinen bringt, ist die explizite Berücksichtigung der Bestimmtheit, wodurch schlagartig die schon aus der Wechselwirkung her bekannten zwei anderen Begriffsmomente zum Tragen kommen: 65 66 67 68

W.d.L. II, S.275 ebd. ebd. Ebd. S. 277.

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„Es ist soeben der Bestimmtheit erwähnt worden, obgleich der Begriff nur erst als das Allgemeine und nur mit sich Identische noch nicht dazu fortgegangen ist. Es kann aber von dem Allgemeinen nicht ohne Bestimmtheit, welche näher die Besonderheit und Einzelheit ist, gesprochen werden; denn es enthält sie in seiner absoluten Negativität an und für sich; die Bestimmtheit wird also nicht von außen dazu genommen, wenn beim Allgemeinen von ihr gesprochen wird. Als Negativität überhaupt oder nach der ersten, unmittelbaren Negation hat es die Bestimmtheit überhaupt als Besonderheit an ihm; als Zweites, als Negation der Negation ist es absolute Bestimmtheit oder Einzelheit und Konkretion.“69

Der Satz, durch den nun das Allgemeine weiter expliziert werden kann, lautet also: Es kann von dem Allgemeinen nicht ohne die Bestimmtheit gesprochen werden. So unscheinbar das klingen mag, wird nun gerade aus dieser Überlegung heraus das Spezifische der Hegelschen Auffassung von Allgemeinheit gewonnen. Es genügt nämlich für die Kennzeichnung des Allgemeinen, in seinem Unterschied zu irgend einer anderen Denkbestimmung, nicht, bloß festzustellen, daß es den höchsten Unterschied und alle Bestimmtheit in sich enthält. Es wäre dann z.B. nicht von der Bestimmung des Absoluten zu unterscheiden. Es bedarf zu seiner Charakterisierung der Angabe einer eigentümlichen Bestimmtheit, die auch seine Einzigartigkeit verbürgt. Damit ist zugleich schon alles gesagt: Die eigentümliche Bestimmtheit des Allgemeinen ist seine Besonderheit und seine Einzigartigkeit das Einzelne selbst! Das Allgemeine hat das Besondere nicht außerhalb seiner, es ist nicht das Resultat einer Verallgemeinerung, die vom Besonderen ausgeht, so daß dieses auf das Allgemeine hin verlassen werden müßte. Das Besondere ist vielmehr schon an ihm selbst allgemein, oder umgekehrt hat eben auch das Allgemeine schon die Besonderheit an ihm. – Und die Besonderheit ihrerseits ist keine nebulose Sphäre, die nur Besonderheiten enthält, sie ist einfach das Besondere des Einzelnen. Das konkrete Einzelne ist Besonderes und Allgemeines in ein und derselben Hinsicht oder die Allgemeinheit ist die Besonderheit und Einzelheit an ihr selbst. Diese Konsequenz ergibt sich ganz einfach aus der Bestimmtheit, die im Allgemeinen unmittelbare Negation und zugleich absolute Negativität ist. Dadurch ist das Allgemeine auch als Reflexion bestimmt, sodaß die Bestimmtheit hier in ausgezeichneter Weise zum Tragen kommt:

69

Ebd.

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Hegel

„Diese Bestimmtheit ist nämlich als im Begriffe die totale Reflexion, der Doppelschein, einmal der Schein nach außen, die Reflexion-in-Anderes, das andere Mal der Schein nach innen, die Reflexion-in-sich.“70

Um diesen Doppelschein einigermaßen hinreichend zu interpretieren, bedürfte es einer längeren Abhandlung, die in diesem Zusammenhang nicht gegeben werden kann. Es seien dazu also nur wenige Worte gesagt: Das Allgemeine muß im Sinne dieses Doppelscheins als Beziehung begriffen werden. Wie es nicht bloß ein Vermitteltes ist, so ist es auch nicht bloß ein Bezogenes, sondern das Insgesamt einer vollständigen Beziehung (totale Reflexion). Diese Beziehung impliziert, daß das Allgemeine in Beziehung zu anderen Allgemeinen steht. D.h. es ist Gattung (=Allgemeines), zu welchen immer höhere Gattungen (=andere Allgemeine) gefunden werden können. Es steht als Beziehung im Beziehungsgeflecht dieser Gattungen, zu denen es eine äußere Beziehung unterhält. (Beziehungsgeflecht der Gattungen heißt z.B.: Reptil → Tier → Lebewesen als jeweilig allgemeine Begriffe). So ist jedes Allgemeine eine Beziehung nach außen, also Schein nach außen oder Reflexion-in-Anderes. Dies ist derjenige Aspekt, wodurch es ermöglicht wird, das Allgemeine in bloß äußerlicher Reflexion zu bestimmen, nämlich im Vergleich zu anderen Allgemeinheiten. Aber das Allgemeine ist auch der Schein nach innen. Es ist Beziehung nicht nur in Bezug auf Äußeres, es ist in eminenter Weise Beziehung an ihm und in ihm selbst. Das Reptil etwa ist dieses besondere Tier, das an ihm selbst schon Beziehung ist, z.B. in seinen Gliedern, Körperaufbau usw. Nach dieser Seite ist das Allgemeine ein Konkretes und Besonderes, das seine Allgemeinheit nicht aus einem äußerlichen Vergleich gewinnt, sondern an ihm selbst durch seinen eigenen immanenten Charakter allgemein ist. Dies ist seine Reflexion-in-sich, wodurch es sich von sich unterscheidet, so daß es Mannigfaltiges, Verschiedenes und zugleich Einzelnes ist. Der Doppelschein ist also auch das Scheinen des Allgemeinen in die beiden anderen Begriffsmomente, die es nun ebenfalls noch zu betrachten gilt. 3.2 Der besondere Begriff Hegel gibt dazu eine längere Darstellung als zum allgemeinen Begriff, sodaß ich mich hier auf einige wesentliche Aspekte beschränken will. Zunächst wurde schon durch die Allgemeinheit selbst klar, daß die Besonderheit nicht jenseits ihrer als eigener Bereich vorkommt, sondern als 70

Ebd. S. 278.

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„das eigene immanente Moment des Allgemeinen“71 zu verstehen ist. So ist umgekehrt auch das Allgemeine im Besonderen vollkommen präsent, eben seine gänzliche Durchdringung. Es ist „in der Besonderheit nicht bei einem Anderen, sondern schlechthin bei sich selbst.“72 Auch zur Erläuterung der Besonderheit wird nun wieder auf die Bestimmung der Gattung eingegangen. Insofern im Allgemeinen als Beziehung zu immer höheren Gattungen aufgestiegen werden kann, muß diese Beziehung ebenso im Abstieg zu niedrigeren Gattungen berücksichtigt werden. Dabei ist das, was unter einer Gattung subsumiert wird, einerseits wieder allgemein, andererseits aber auch das Besondere dieser Gattung im Sinne seiner Arten. Die Arten einer Gattung sind demnach als die Besonderheit einer Allgemeinheit zu begreifen und die verschiedenen Arten machen insgesamt die Totalität des Allgemeinen aus. „Das Besondere enthält also nicht nur das Allgemeine, sondern stellt dasselbe auch durch seine Bestimmtheit dar; dieses macht insofern eine Sphäre aus, welche das Besondere erschöpfen muß.“73

Die Erfüllung dieser Sphäre durch die besonderen Bestimmungen vollzieht sich so lange ohne immanenten Maßstab als nur nach verschiedenen Arten gesucht wird, die man dann vollständig aufzuzählen hätte. Dabei würde man aber überhaupt nie an ein Ende kommen, oder man wäre zu abstrakten und völlig willkürlich gewählten Ordnungsprinzipien gezwungen. Die Überwindung dieses Rückschritts in eine schlechte Unendlichkeit entsteht aus der Einsicht in das schon an sich erkannte Prinzip des Begriffes selbst. Denn das Besondere auch einer Art verdankt sich qua Begriff seiner Identität mit dem Allgemeinen, wodurch das Allgemeine selbst sich als die eine Art ihrer eigenen Gattung erweisen muß. Prinzipiell gibt es daher nur zwei Arten einer Gattung, nämlich das Allgemeine und das Besondere als solches. Das Allgemeine als Begriff dirimiert sich so in seine Arten, daß diese nur wiederum als das Allgemeine und Besondere begriffen werden können. Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, sei an dieser Stelle der ganze Absatz zitiert, worin Hegel, in Anknüpfung an den einen Aspekt des Doppelscheins, diesen Sachverhalt selbst darlegt: „Das Besondere ist das Allgemeine selbst, aber es ist dessen Unterschied oder Beziehung auf ein Anderes, sein Scheinen nach außen; es ist aber kein Anderes vorhanden, wovon das Besondere unterschieden wäre, als das Allgemeine selbst. – 71 72 73

Ebd. S. 280. Ebd. Ebd.

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Hegel

Das Allgemeine bestimmt sich, so ist es selbst das Besondere; die Bestimmtheit ist sein Unterschied; es ist nur von sich selbst unterschieden. Seine Arten sind daher nur a) das Allgemeine selbst und b) das Besondere. Das Allgemeine als der Begriff ist es selbst und sein Gegenteil, was wieder es selbst als seine gesetzte Bestimmtheit ist; es greift über dasselbe über und ist in ihm bei sich. So ist es die Totalität und Prinzip seiner Verschiedenheit, die ganz nur durch es selbst bestimmt ist.“74

Diese Konstellation der identischen und unterschiedenen Reflexion zwischen Allgemeinem und Besonderem kann in vertikaler und in horizontaler Richtung gelesen werden. Vertikal betrachtet sind die Arten des Allgemeinen und Besonderen dem Allgemeinen selbst „subordiniert“.75 So wird die Bestimmtheit gegen das Allgemeine abgehoben und ihr untergeordnet. Horizontal betrachtet liegt aber das Allgemeine auf derselben Ebene wie das Besondere und ist ebensosehr ein Bestimmtes und also auch ein Besonderes. Das Allgemeine wird somit der Bestimmtheit „koordiniert“.76 Insofern beide Lesarten die bestimmte Bezüglichkeit zum Ausdruck bringen, kann dieser Umstand »unbegrifflich« als ein Vorrang des Unterschieds interpretiert werden. Dadurch wird das Identische des Allgemeinen zu einer unwesentlichen Form, die auf einen ursprünglichen und ihr vorausgehenden Inhalt bezogen wird. Das Allgemeine verliert seine ihm eigene Konkretion, bzw. bleibt sie unbeachtet, und ist so das abstrakt Allgemeine. „Das abstrakt Allgemeine ist somit zwar der Begriff, aber als Begriffloses, als Begriff, der nicht als solcher gesetzt ist.“77 Die sich so einschleichende Begriffsvergessenheit hat ihren Grund darin, daß in der Gegenüberstellung von Allgemeinem und Besonderem von deren Identität abstrahiert wird, und sich diese Sichtweise hauptsächlich auf das Bestimmt-Sein des Allgemeinen konzentriert. Alle Bestimmtheiten werden dadurch fest-gesetzt und sind „fixierte, isolierte Unterschiede“.78 Die abstrakte Allgemeinheit verleiht ihnen den Schein von Unveränderlichkeit, der nun als über das Besondere ausgebreitet erscheint. Es ist dies die endliche Betrachtungsart überhaupt, welche die Bestimmtheiten einfach als gegeben ansieht und in ihren Unterschieden keinerlei Einheit zu erkennen glaubt. Hegel nennt es auch „eine subjektive Ohnmacht der Vernunft, welche diese Bestimmtheiten so gelten läßt und sie nicht durch die jener abstrakten Allgemeinheit entgegengesetzte dialektische Kraft, d.h. durch die eigentümliche Natur, nämlich durch den Begriff jener Bestimmtheiten, zur Einheit zurückzuführen vermag“.79 74 75 76 77 78 79

Ebd. S. 281. Ebd. Ebd. Ebd. S. 284. Ebd. S. 279. Ebd. S. 287.

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Der Begriff dieser Bestimmtheiten ist nun aber am bestimmten Allgemeinen ohnehin mitgesetzt und es müßte nur zum Vor-schein gebracht werden, welches Moment in dieser bestimmten Fixierung ja schon mit ausgesprochen ist. Es ist nämlich nichts anderes, als daß dieses Bestimmte durch das vehemente Besondern des Allgemeinen in gegeneinander Vereinzeltes gerade selbst bestimmt wird. Das Bestimmte des Begriffs wird auf sich selbst bezogen und „dies bestimmte Allgemeine ist die sich auf sich selbst beziehende Bestimmtheit; die bestimmte Bestimmtheit oder absolute Negativität für sich gesetzt“.80 So reflektiert sich der Begriff aus der Bestimmtheit in sich selbst, und eben diese wieder erlangte Selbstbezüglichkeit ist es, welche Hegel (hier nun als drittes Begriffsmoment) Einzelheit nennt. 3.3 Das Einzelne Wird der Weg in die Abstraktion nur als ein Prozeß des Weglassens aufgefaßt, so entsteht nur ein begriffloses Jonglieren mit Allgemeinheiten, die letztlich ihre Einheit verloren haben. Wird aber die Abstraktion als die Zentrierung des Bestimmten begriffen, das sich darin auf sich selbst bezieht, dann gelangt man zur gesetzten Einheit des Begriffs, die nunmehr den Titel »das Einzelne« trägt. Die Einzelheit ist das Moment der Negation der Negation, die nach der Bestimmung ihres Einsseins angesprochen wird. Sie ist die mit sich identische Negativität und enthält allen Gegensatz so in sich, daß er in ihr als in ihren Grund zurückgegangen ist. Sie bleibt aber nicht nur ein „drittes Verschiedenes“81 neben der Allgemeinheit und Besonderheit, sondern „es ist dies nunmehr gesetzt, daß das Gesetztsein das Anundfürsichsein ist, d.h. daß die dem Unterschiede angehörigen Bestimmungen selbst jede die Totalität ist. Die Rückkehr des bestimmten Begriffes in sich ist, daß er die Bestimmung hat, in seiner Bestimmtheit der ganze Begriff zu sein“.82 Was nun so perfekt dieses eine Ganze des Begriffs zur Vollendung gebracht hat, ist es aber auch, welches dieses Ganze durch die einzelnen Bestimmungen radikal teilt. Über das Moment der Vereinzelung teilt sich der Begriff selbst und es trifft nun auf ihn selbst zu, was Hegel zuvor beim besonderen Begriff ausgesagt hatte: „Die höchste Reife und Stufe, die irgend etwas erreichen kann, ist diejenige, in welcher sein Untergang beginnt.“83 80 81 82 83

Ebd. S. 288. Ebd. S. 299. Ebd. Ebd. S. 287.

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Hegel

Dies trifft nun auch für den Begriff als solchen zu, indem er sich durch das Einzelne in viele einzelne Begriffe teilt, die zwar ebenso allgemein und besondert sind wie der eine Begriff selbst, aber die sich zugleich als gegeneinander gleichgültig und selbständig verhalten. Die im Einzelnen explizit gesetzte Reflexion in sich ist auch die Reflexion des Unterschiedes in sich und ein „Setzen der Unterschiedenen als selbständiger, in sich reflektierter“.84 Diese Selbständigkeit des Bezogenen sprengt nun die ruhige Einheit des Begriffes, und er ist jetzt in diese selbständigen Bestimmungen versenkt, woraus Hegel folgende abschließende Konklusion aus der Entwicklung des Begriffs als solchen zieht: „Der Begriff als diese Beziehung seiner selbständigen Bestimmungen hat sich verloren; denn so ist er nicht mehr die gesetzte Einheit derselben, und sie [sind] nicht mehr als Momente, als der Schein desselben, sondern als an und für sich bestehende. – Als Einzelheit kehrt er in der Bestimmtheit in sich zurück; damit ist das Bestimmte selbst Totalität geworden. Seine Rückkehr in sich ist daher die absolute, ursprüngliche Teilung seiner, oder als Einzelheit ist er als Urteil gesetzt.“85

Was sich mit dieser Setzung des Urteils aus dem Begriff erfüllt, ist die begriffliche Reflexion der verdoppelten Substanz und damit die gesetzte Manifestation der substantiellen Wechselwirkung. Auch wenn hiermit erst wieder nur der Anfang der Bestimmtheit gemacht ist, verhindert dies nicht die Erkenntnis, daß die Dynamik des Substantialitätsverhältnisses nur aus den Begriffsmomenten verstehbar, aber auch umgekehrt der Hegelsche Begriff nur aus der Entwicklung der Substanz einsichtig zu machen ist. Diese Verschränkung in ihren Grundzügen aufgezeigt zu haben, war das Ziel der hier präsentierten Inhalte.

84 85

Ebd. S. 301. Ebd.

Pierfrancesco Basile: Monadologie und Relationen – Whitehead, Russell und die Ablehnung der Substanz-Metaphysik I. Einführung Alfred North Whitehead (1861-1947) ist bekannt geworden für seine Arbeit zu den Grundlagen der Mathematik, die er zusammen mit seinem Freund und ehemaligen Schüler Bertrand Russell (1872-1970) geleistet hat und die zu den drei Bänden der Principia Mathematica (1910-1913) führte. Nach dieser Zusammenarbeit mit Russell publizierte Whitehead eine Reihe wichtiger Studien über die Grundlagen der Naturwissenschaften – An Enquiry Concerning the Principles of Natural Knowledge (1919), The Concept of Nature (1920), The Principle of Relativity (1922) – die alle von seinen Zeitgenossen sehr gut aufgenommen wurden und ihm einen Ruf als herausragendem Wissenschafts-Philosophen eintrugen. In späteren Jahren weiteten sich Whiteheads Interessen aus in Richtung Ontologie und spekulative Metaphysik. Die Grundlagen einer neuen, überaus originellen Weltsicht kündigten sich an in Science and the Modern World (1925) und Religion in the Making (1926); in der Trilogie aus Process and Reality (1929), Adventures of Ideas (1933) und Modes of Thought (1938) fand Whiteheads metaphysische Position einen endgültigen Ausdruck. Die auffallendsten Elemente der Whiteheadschen Theorie der Realität sind, dass er (1) den Begriff der Substanz als wichtigster ontologischer Kategorie ablehnte und mit dem Begriff des Ereignisses ersetzte; dass er (2) eine panpsychistische Theorie übernahm, die allen realitätsbildenden Prozessen Subjektivität zuschreibt; und schließlich, dass er (3) seine Überzeugung von der gegenseitigen Abhängigkeit und Verbundenheit aller Dinge formulierte. Obwohl die verschiedenen Facetten seiner Metaphysik eng miteinander verbunden sind, soll in diesem Artikel vor allem die erste dieser Thesen diskutiert werden; dabei wird es insbesondere um die Gründe für die Ablehnung der Substanz-Metaphysik gehen. Sektion II bietet eine Darstellung der wichtigsten ontologischen Kategorien von Whiteheads „Prozess-Metaphysik“, die hier in erster Linie als Revision der Leibnizschen Monadologie interpretiert wird. Da Whiteheads Metaphysik

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nicht eine deskriptive Metaphysik im Sinne von Strawson1 ist, sondern eine tief greifende Revision unserer Grundbegriffe anstrebt, wird in Sektion III die Frage behandelt, wieso Whitehead glaubt, dass eine solche Revision überhaupt möglich sei. Ob sie auch nötig sei, wird dann ausgehend von Russells Kritik an der Philosophie Leibniz’ – eine Kritik, mit der Whitehead vertraut gewesen sein muss – in den Sektionen IV und V diskutiert. II. Whiteheads Prozess-Metaphysik als relationale Monadologie Whiteheads Ontologie kann als eine Art pluralistischer Monismus charakterisiert werden. Anders als Spinoza und Bradley sieht Whitehead das Universum nicht als eine einzige Realität; für ihn besteht es aus einer Vielzahl verschiedener Einheiten: „Das Universum ist eine Vielheit, weil es sich vollständig auf eine Vielzahl fundamentaler Realitäten…hin analysieren lässt“.2 Gleichzeitig grenzt sich Whitehead aber auch von Descartes ab, der das Universum in eine res extensa und eine res cogitans unterteilte: Für Whitehead sind die Grundelemente der Realität alle gleicher Natur. Seine Metaphysik ist also, wie jene von Leibniz, ein TypMonismus. Die Idee, dass es nur eine Art von Dingen gebe, führt Whitehead zusammen mit der Commonsense-Feststellung von der Realität des menschlichen Geistes dazu, das menschliche Selbst als ein Modell anzusehen, mit dessen Hilfe die Beschaffenheit aller Bestandteile der Realität beschrieben werden kann. Wenn der menschliche Geist eine Realität ist und alle grundsätzlichen Bestandteile der Wirklichkeit von gleicher Art sind, dann müssen alle realitätsbildenden Elemente in gewisser Weise „erfahrende Wesen“ sein: „Die Wirklichkeiten des Universums sind Erlebensprozesse. Und jeder dieser Prozesse ist ein individuelles Faktum“.3 Whiteheads Metaphysik kann auch als eine Form von Pan-Subjektivismus verstanden werden. Wenn die traditionelle Interpretation zutrifft, nach der Leibniz ein metaphysischer Idealist war und seine Monaden als seelenartig zu begreifen sind, dann ist Whitehead ein moderner Vertreter der Monadologie. Tatsächlich sieht Whitehead selbst die Wurzeln seiner Philosophie bei Leibniz. Gelegentlich nennt er jene grundsätzlichen Realitäten, die sein Universum bilden, Monaden. Häufiger allerdings vermeidet er den Begriff und benützt die Ausdrücke „wirkliche Einzelwesen“ (actual entities) oder auch „wirkliche Ereignisse“ (actual occasions). Diese Terminologie soll 1 2 3

P. F. Strawson, Individuals, 1959, London, p. 9. A. N. Whitehead, Abenteuer der Ideen, Frankfurt a. M., 1971, S. 348. Ibidem, S. 357.

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unterstreichen, dass die grundlegenden Bausteine der Realität nicht beständige Dinge, sondern momentane Geschehnisse oder Prozesse sind. Genauer gesagt: Whitehead versteht aktuelle Geschehnisse als Erlebensprozesse, in deren Verlauf mehrere Akte des Erfassens (prehensions) organisch zusammenwachsen und ein einheitliches, aber doch innerlich komplexes Moment der Erfahrung konstituieren. Den Prozess der Integration nennt Whitehead eine „Konkreszenz“ (concrescence): „Das Wort ‚Konkreszenz’ ist aus einem bekannten lateinischen Wort abgeleitet, das ‚zusammenwachsen’ bedeutet... ‚Konkreszenz’ ist also geeignet, die Vorstellung von einer Vielheit von Dingen zu vermitteln, die in eine vollständige komplexe Einheit übergeht.“4 Nach Whitehead mündet ein solcher Prozess des Zusammenwachsens immer in einen integrierten Augenblick der Erfahrung. Jeder solche Augenblick ist eine Art und Weise, die Welt zu erfahren, und stellt wie die Leibnizsche Monade eine „Perspektive“ auf das ganze Universum dar: „Jedes erlebende Subjekt [experient] hat eine perspektivistische Auffassung [apprehension] von der Welt und ist selber auch ein Bestandteil der Welt“.5 „Jedes monadische Gebilde“, so erklärt Whitehead seine Position auch, „ist eine Weise des Prozesses, die Welt zu ‚empfinden’, sie in einer Einheit des komplexen Empfindens unterzubringen, die in jeder Hinsicht bestimmt ist.“6 Whiteheads wirkliche Ereignisse haben nur eine zeitlich begrenzte Existenz: Sie dauern für eine kurze Zeitspanne, bevor sie von einem neu sich bildenden wirklichen Ereignis ersetzt werden. Die Grundbestandteile der Realität sind keine dauerhaften Dinge, sondern eher als „Pulsationen“ zu begreifen, die rasch aufeinander folgen. In der Regel sind wirkliche Ereignisse in kausalen Reihen organisiert. Indem ein wirkliches Ereignis ein vorhergehendes erfasst, nimmt es auch einige Aspekte von ihm auf. So kommt es zu einem Einfluss oder einer Übergabe von Bestandteilen von einem Ereignis zum nächsten. Der Strom von Erfahrungen, aus dem das innere Leben einer Person besteht, liefert ein Beispiel für eine solche Reihe. Das Phänomen des Kurzzeitgedächtnisses (oder, in Husserls Terminologie, der „Retention“) zeigt, dass das, was gerade erlebt worden ist, nicht aus der Realität verschwindet, sondern in unserer gegenwärtigen Erfahrung weiterlebt. Die Erfassung von vorangehenden wirklichen Ereignissen wird von Whitehead als Kausalzusammenhang zwischen den wirklichen Ereignissen gedeutet. Damit entsteht eine echte Verbundenheit der realitätsbildenden Elemente: „[D]er Grund für die Verbundenheit der Dinge untereinander“ – 4 5 6

Ibidem, S. 418. Ibidem, S. 404. A. N. Whitehead, Prozess und Realität. Entwurf einer Kosmologie, Frankfurt a. M., 1979, S. 163.

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so Whitehead – „[ist] im Erlebensvorgang zu suchen“.7 Interessanterweise sieht er sich auch in dieser Hinsicht als echten Nachfolger von Leibniz: „Auch Leibniz kann keine andere Verbundenheit unter den wirklichen Dingen finden, als die, die gänzlich innerhalb des individuellen Erlebens der einzelnen Monaden… liegt“.8 Whitehead erklärt nicht genau, was er mit dieser Aussage meint. Es scheint aber wahrscheinlich, dass er sich hier auf die Idee bezieht, dass jede Monade ein Spiegel des ganzen Universums ist. Obwohl die Leibnizsche Monade „fensterlos“ ist, ist sie nicht mit einem solipsistischen Selbst zu vergleichen, denn jede Monade nimmt in jedem Moment alle anderen wahr. Leibniz formuliert diesen Gedanken in einer berühmten Stelle seiner Monadologie: „Nun bewirkt diese Verknüpfung oder diese Anpassung aller geschaffenen Dinge an jedes andere und eines jeden an alle anderen, dass jede einfache Substanz Beziehungen hat, durch welche alle übrigen zum Ausdruck gelangen, und dass sie infolgedessen ein fortwährender lebendiger Spiegel der Welt ist“.9 Die Tatsache, dass jedes wirkliche Ereignis Aspekte von vorhergehenden Ereignissen erfassen kann, bedeutet aber auch einen wichtigen Unterschied zwischen Whiteheads Monadologie und jener von Leibniz. Für Whitehead hat nämlich jedes wirkliche Ereignis eine Art „Fenster“, durch das Bestandteile von früheren Ereignissen in seine Anlage eintreten können. Die finale Erfahrung, die bei diesem Prozess des Zusammenwachsens entsteht, ist ein vollständig festgelegtes Sein. Dieses besitzt eine gewisse Anzahl von Eigenschaften, die Whitehead als einen Komplex von Universalien oder Formen (Whitehead benutzt dafür den Begriff eternal object) versteht. Da auch Formen von einem Ereignis auf das nächste übertragen werden können, können sie als definierende Charakteristik funktionieren. Whitehead verwendet hier das juristische Konzept der Person: Wenn alle Ereignisse in einer bestimmten Reihe einen gemeinsamen Charakter realisieren, dann können sie als Momentaufnahmen einer einzigen Einheit gesehen werden. Auf diese Weise – und obwohl die einzigen konkreten Bestandteile, oder, wie Leibniz es in seiner Monadologie nennt, die wirklichen „Atome“ der Natur,10 nur momentane wirkliche Einzelwesen sind – kann Whitehead für die Erscheinung von bleibenden, dauerhaften Dingen plädieren. Dauerhafte Dinge sind Realitäten zweiter Ordnung, die nur so lang existieren, als die Form von einem Ereignis zum nächsten übertragen wird. Dauerhafte Dinge der einfachsten Art (etwa solche, die in der PartikelPhysik studiert werden) bestehen aus einer einzigen kausalen Reihe. Sie können sich zu dauerhaften Dingen von größerer Komplexität gruppieren 7 A. N. Whitehead, Abenteuer der Ideen, op. cit., S. 414. 8 Ibidem, S. 414. 9 Leibniz, Monadologie, übersetzt von H. Glockner, Stuttgart, 10 Ibidem, § 3.

1979, § 56.

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(etwa zu makroskopischen Alltagsobjekten); diese sind nichts anderes als Aggregate von verschiedenen Reihen wirklicher Ereignisse. III. Whiteheads Prozess-Metaphysik als revisionäre Metaphysik In Whiteheads Philosophie wird diese Ontologie zur Basis für eine Naturphilosophie, für eine Lösung des Körper-Seele Problems und für eine Erklärung der Beschaffenheit von Raum und Zeit. Er entwickelt daraus gar eine philosophische Theologie, die allerdings nicht im Detail ausgearbeitet, sondern eher skizziert ist.11 Trotz ihrer Originalität hatte Whiteheads Metaphysik keinen bedeutenden Einfluss auf die spätere Philosophie, insbesondere nicht auf die analytische Sprachphilosophie.12 Das hat zumindest teilweise mit dem vom logischen Positivismus geprägten philosophischen Klima zu tun, in dem Whiteheads spekulative Werke publiziert wurden. Wie auch Leibniz, ist Whitehead ein „systematischer“ Philosoph im strengsten Sinne des Wortes: Philosophische Probleme lassen sich für ihn nicht isoliert, d.h. „analytisch“ lösen. Angestrebt wird eher eine allgemeine Weltsicht oder ein Denkschema, das imstande sein soll, eine Vielzahl philosophischer Fragen gleichzeitig zu beantworten. Die Tatsache, dass Whitehead für eine Rückkehr der spekulativen Metaphysik plädiert, bedeutet aber nicht, dass seine Philosophie ein Anachronismus ist. In seiner Sicht basieren metaphysische Entwürfe nicht auf festen, axiomatischen Fundamenten; sie haben im Gegenteil immer etwas Provisorisches an sich, denn sie sind im Prinzip revidierbar. Die allgemeinsten Begriffe der Metaphysik sollen ein besseres Verständnis der Welt ermöglichen und müssen deshalb ständig mit Bezug auf die Vielfalt der menschlichen Erfahrungen getestet werden. (In der letzten Sektion dieses Artikels wird sich zeigen, dass die Idee eines möglichen 11

Eine detaillierte Darstellung der Whiteheadschen Metaphysik bieten u. a. A. Rust, Die organismische Kosmologie von Alfred North Whitehead, Frankfurt a. M., 1987; M. Hampe, Die Wahrnehmungen der Organismen, Göttingen 1990; T. E. Hosinski, Stubborn Fact and Creative Advance. An Introduction to the Metaphysics of Alfred North Whitehead, Lanhan / Boulder / New York / Toronto / Oxford, 1993; M. S. Lotter, Die metaphysische Kritik des Subjekts, Hildesheim / Zürich / New York, 1996; E. Kraus, The Metaphysics of Experience: A Companion to Whitehead’s “Process and Reality”, Fordham /New York, 19982. Für eine Weiterentwicklung der theologischen Implikationen der Metaphysik Whiteheads siehe insbesondere die Arbeiten von J. Cobb, Jr. A Christian Natural Theology: Based on the Thought of A. N. Whitehead, Philadelphia, 1967, und D. R. Griffin, God, Power, and Evil: A Process Theodicy, Philadelphia, 1976. 12 Siehe dazu die wichtigen Beiträge von R. Rorty, „The Subjectivist Principle and the Linguistic Turn“, in G. L. Kline (Hg.), Alfred North Whitehead. Essays on his Philosophy, Landham, 1979, S. 134-157, und P. Simons, „Metaphysical Systematics: A Lesson from Whitehead“, Erkenntnis, 48, 1998, S. 377-393.

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Falsifizierens der metaphysischen Abstraktionen durch die menschliche Erfahrung eine entscheidende Rolle spielt für Whiteheads Ablehnung der traditionellen Substanzmetaphysik). Allerdings ist nicht zu bestreiten, dass Whiteheads Metaphysik auch für gutwillige Leser eine Herausforderung sein kann. Insbesondere sein sehr persönlicher Sprachgebrauch hat sich als Quelle größerer Verwirrung erwiesen. Whitehead verwendet Neologismen (von Ausdrücken wie concrescence, prehension, actual occasion, eternal object war schon die Rede), er benützt die traditionelle philosophische Terminologie in unerwarteter Weise, erweitert die Bedeutung gängiger Wörter und macht üppigen Gebrauch von Metaphern. Als Folge davon haben seine Schriften oft eine Tendenz ins Obskure und wirken teilweise verdächtig ausweichend. Wie bemerkt worden ist, erzeugen „Whiteheads terminologische Eigenwilligkeiten erfahrungsgemäß mehr Unbehagen als Interesse“.13 Diese Reaktion ist aber ungerechtfertigt und sogar etwas enttäuschend. Einerseits hat es kaum eine Philosophie gegeben, die sich nicht gezwungen sah, ihr eigenes Vokabular zu entwickeln. Andererseits sind die Eigentümlichkeiten des Whiteheadschen Idioms nicht das Resultat unsorgfältigen Denkens oder ähnlicher Nachlässigkeiten von seiner Seite, sondern sie haben mit einer ernsthaften philosophischen Schwierigkeit zu tun. Die grammatikalische Unterscheidung zwischen Subjekt und Adjektiv hat ihre Parallelen in der metaphysischen Unterscheidung zwischen Substanz und Eigenschaft. Wie lässt sich also unsere Sprache gebrauchen, um einen philosophischen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen, der die ontologische Gültigkeit der Kategorie der Substanz bestreitet? Die Struktur unsere Sprache scheint die Möglichkeit auszuschließen, eine Weltsicht darzustellen, in der „Ereignisse“ und nicht „Substanzen“ oder „permanente Dinge“ die grundlegenden Realitäten sind. Das Problem der Sprache ist also eines, mit dem sich jede revisionäre Metaphysik auseinandersetzen muss, nicht nur jene von Whitehead. Sein Verdienst ist es, dass er es offensiv angeht. Philosophie, so argumentiert er einmal, heißt auch, die Sprache zu überdenken: „Jede Wissenschaft muss sich ihr Instrumentarium selbst ersinnen. Das Hilfsmittel, mit dem die Philosophie arbeitet, ist die Sprache. So gestaltet die Philosophie in derselben Weise Sprache neu, wie in den Naturwissenschaften vorgegebene Anwendungsmöglichkeiten neu gestaltet werden.“14

13

J. Seibt, „Kognitive Orientierung als epistemisches Abenteuer“, in W. Stegmaier (Hg.), Orientierung: Philosophische Perspektiven, Frankfurt a. M, 2005, S. 198. Vgl. S. Stebbings feindliche Rezension von Prozess und Realität in Mind, 39, 1930: „the difficulty is… increased by the obscurity of Prof. Whitehead’s style, by his queer choice of words, and by his failure to provide examples elucidating his main conceptions” (S. 465). 14 A. N. Whitehead, Prozess und Realität, op. cit., S. 45.

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Auch wenn Whitehead sich der Schwierigkeit dieses Unternehmens bewusst ist, sieht er keinen Grund zu denken, dass unsere grundlegenden Kategorien und ihr sprachlicher Ausdruck nicht verändert werden können. Das hat damit zu tun, dass er beides, die menschliche Sprache und das menschliche Denken, aus einer naturalistischen, nicht-Kantianischen Perspektive betrachtet. So sind für ihn selbst die fundamentalsten Kategorien nicht a priori gegeben, sondern das Resultat eines langen Prozesses von Versuch und Irrtum im Laufe der Evolution. In ähnlicher Weise sieht er nichts Normatives in der gewöhnlichen Sprache: Sie ist nur eine besonders erfolgreiche Art, jene Aspekte der erfahrenen Welt zu artikulieren, die wir bewältigen müssen, um überleben zu können. „Die primitiven Menschen waren weder Metaphysiker, noch waren sie daran interessiert, konkrete Erfahrung auszudrücken. Ihre Sprache formuliert nur nützliche Abstraktionen...“.15 Die Tatsache, dass unsere alltägliche Art zu denken und zu sprechen uns in gewisser Weise dazu zwingt, die Welt als eine Vielheit von Substanzen zu sehen, die gewisse Qualitäten haben, zeigt also nur, dass solche Kategorien einen wichtigen Überlebenswert haben. Es beweist aber nicht, dass unsere Kategorien oder die Sprache, die sie zum Ausdruck bringt, nicht revidiert werden können. Denkarten und Sprachgebräuche können also nur in relativer Bedeutung als a priori gegeben betrachtet werden, da sie mit den linguistischen Praktiken der Gesellschaft zu tun haben, in die wir geboren werden. Diese Praktiken sind im Laufe der Evolution entstanden und hätten auch eine andere Form finden können. „Unsere Sprache ist in allem unvollständig und fragmentarisch; sie ist nicht viel mehr als ein Niederschlag des Durchschnittserfolgs der ersten Schritte, die uns inzwischen vom Bewusstseinsleben der Affen trennen“.16 Wie kann eine solche Sprache verlangen, in der Philosophie eine normative Kraft zu besitzen? IV. Russells Deutung der Leibnizschen Substanz-Metaphysik Selbst wenn man annimmt, dass revisionäre Metaphysik möglich sei, bleibt dennoch die Frage offen, ob die Kategorien von Substanz und Prädikat tatsächlich aufgegeben werden müssen. Wie erwähnt, bestreitet Whitehead nicht, dass solche Kategorien für das Alltagsleben relevant sind, sondern nur, dass sie die Natur der letzten Dinge zu beschreiben vermögen. In einem prägnanten Aufsatz hat Gernot Böhme zwei Hauptgründe für Whiteheads Abkehr von der Substanzmetaphysik identifiziert. Böhme betont erstens, dass Whiteheads Philosophie als Fortsetzung der von Locke und Hume angebahnten Auflösung des Substanz-Begriffs anzusehen sei, 15 16

Ibidem, S. 298. Siehe dazu A. N. Whitehead, Abenteuer der Ideen, op. cit., S. 402.

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und zweitens, dass durch die neuere Physik der Begriff der Substanz als Träger von Eigenschaften an Bedeutung verloren hat. Weiter interpretiert Böhme Whiteheads Philosophie als Umkehrung der aristotelischen Vorstellung, dass Substanzen ontologisch unabhängig voneinander existieren können. Whiteheads wirkliche Ereignisse sind Prozesse der Integration und des Zusammenwachsens von Akten des Erfassens: Somit sind sie auf die Existenz eines Anderen – dessen, was erfasst wird – notwendigerweise angewiesen.17 Im Folgenden soll auf einem anderen Weg versucht werden, zu zeigen, dass Whiteheads Unzufriedenheit mit dem traditionellen Verständnis der Substanz seinen eigentlichen Ursprung in Russells Deutung und Kritik der Philosophie Leibniz’ hat. In seinem berühmten Buch A Critical Exposition of the Philosophy of Leibniz (1900), und vor allem in den Kapiteln I („Leibniz’s Premises“) und IV („The Conception of Substance“), schält Russell eine Anzahl grundsätzlicher Ansichten darüber heraus, was er für Leibniz’ Konzeption von Substanz hält, die dann im Laufe des Buches kritisiert werden. Der Eckpfeiler der Leibnizschen Metaphysik ist für Russell der Glaube an die logische Form der Propositionen, nämlich die aristotelische Doktrin, dass jede Proposition einem Subjekt ein Prädikat zuschreibt.18 Für Russell hat diese Überzeugung, dass alle Propositionen eine Subjekt/Prädikat-Form haben (oder auf eine solche Form reduzierbar sind) eine wichtige ontologische Folge: Sie führt unausweichlich zu einer Weltsicht, die auf Substanzen und ihren Eigenschaften aufbaut. Nach Russells Ansicht führt diese logische Doktrin automatisch dazu, das ontologische Prinzip zu vertreten, nach dem alles, was existiert, entweder eine Substanz oder ein Attribut einer Substanz sei. Nachdem er die logische Basis von Leibniz’ Metaphysik identifiziert hat, illustriert Russell sein Verständnis des Leibnizschen Substanzbegriffs. Er sieht darin drei Hauptcharakteristiken. 1. Erstens ist eine Leibnizsche individuelle Substanz das letzte Subjekt der Prädikation: „Wenn viele Prädikate einem einzigen Subjekt zugeschrieben werden können, während dieses Subjekt nicht zu einem Prädikat

17

G. Böhme, „Whiteheads Abkehr von der Substanzmetaphysik. Substanz und Relation“, in E. Wolf-Gazo (hrsg.), Whitehead. Einführung in seine Kosmologie, Freiburg / München, S.45-53. Vgl. dazu auch die Bemerkungen von M. Hampe, Alfred North Whitehead, München, 1998, S. 121: „Wenn eine Substanz nach der klassischen Definition das ist, ‚was in sich und aus sich heraus begriffen werden kann’, dann muss in der mit diesem Begriff vor allem operierenden Metaphysik expliziert werden, wie es zu Verbindungen, zu Vereinigungen, zu Verwandtschaft und Solidarität zwischen Substanzen überhaupt kommen kann. Sie sind ja grundsätzlich erst einmal nicht auf anderes bezogen.“ 18 “[E]very proposition is ultimately reducible to one which attributes a predicate to a subject”. B. Russell, A Critical Exposition of the Philosophy of Leibniz, Cambridge, 1900, S. 9.

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für irgendein anderes Subjekt gemacht werden kann, dann kann dieses Subjekt eine individuelle Substanz genannt werden.“19 Diese Definition entspricht Aristoteles’ Definition einer „ersten“ Substanz. In seinem Kommentar dazu unterstreicht Russell, dass für Leibniz alle Prädikate einer Substanz analytisch enthalten sind im vollständigen Begriff einer Substanz, mit dem Prädikat „Existenz“ als einzige Ausnahme. Alle Aussagen über eine Substanz, die sich nicht auf ihre Existenz beziehen, sind also als analytisch bzw. als notwendig zu erfassen; Aussagen, die die Existenz einer Substanz betreffen, sind dagegen zufällig. Der vollständige Begriff ist somit das Konzept von etwas rein Möglichem im Gegensatz zu etwas aktuell Existierendem. (Aussagen über die Existenz Gottes, dessen Begriff auch die Existenz einschließt, bilden die einzige Ausnahme.) 2. Zweitens sieht Russell Leibniz’ Substanzen als dauerhafte Subjekte des Wandels: „Veränderung impliziert etwas, das sich verändert; es impliziert also ein Subjekt, das seine Identität bewahrt hat, während sich seine Qualitäten verändert haben“.20 Diese Aussage, so erklärt Russell weiter, hängt logisch vom Begriff der Substanz als Subjekt von Prädikation ab; tatsächlich heißt es nicht mehr, als dass „der Begriff von Subjekt und Prädikat angewendet [wird] auf etwas, das in der Zeit existiert“.21 Russell unterscheidet klar zwischen dem philosophischen Begriff von „Veränderung“ (change) und jenem des „Werdens“ (becoming): Der Begriff der Veränderung setzt die Realität von etwas voraus, das durch verschiedene Zustände hindurch identisch bleibt; ohne ein solches permanentes Substratum gäbe es nur eine ständige Kreation von neuen Realitäten. Nach Russell kann Leibniz aus seinem Glauben an die Existenz von vollständigen Begriffen und der soeben skizzierten Konzeption einer Substanz eine sehr wichtige Folgerung ziehen. Wenn alle Prädikate einer Substanz analytisch enthalten sind in ihrem vollständigen Begriff, und wenn der vollständige Begriff einer Substanz die Natur dieser Substanz ausdrückt, dann muss der Grund dafür, dass eine Substanz ein bestimmtes Prädikat zu einer bestimmten Zeit hat, in der Natur dieser Substanz liegen. Daraus folgt, dass es keine Notwendigkeit gibt, sich auf andere Substanzen zu berufen, um die Veränderungen einer bestimmten Substanz zu erklären. Für Russell ist deshalb Leibniz’ Ablehnung einer kausalen Interaktion zwischen den Substanzen nur eine logische Konsequenz seiner Auffassung der Substanz: Mit einer solchen Auffassung wird der Verweis auf eine kausale Interaktion schlicht überflüssig. 19

“When many predicates can be attributed to one and the same subject, while this subject cannot be made the predicate of any other subject, then the subject in question is called an individual substance”. Ibidem, S. 10. 20 “Change implies something which changes; it implies, that is, a subject which has preserved its identity while altering its qualities”. Ibidem, S. 42. 21 “[T]he notion of subject and predicate applied to what is in time”. Ibidem, S. 42.

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3. In einem dritten Punkt vervollständigt Russell seine Rekonstruktion von Leibniz’ Begriff der Substanz, indem er unterstreicht, dass Substanzen für Leibniz aktive Wesen sind. Um diese Interpretation zu unterstützen, zitiert er eine Passage, in der Leibniz argumentiert, dass Kraft „angesehen werden muss als bestimmend für eine Substanz, da es das Prinzip der Aktion ist, das charakteristisch ist für eine Substanz“.22 Russell argumentiert, dass die Idee, nach der Substanzen aktiv sind, ihre volle Bedeutung nur dann erhält, wenn sie in einen Zusammenhang gebracht wird mit der Idee, dass Monaden nicht kausal interagieren. Wenn Substanzen aktiv sind, aber nicht auf andere Substanzen einwirken, worin besteht dann ihre Aktivität? Nach Russells Interpretation muss Leibniz schließen, dass die Aktivität einer Substanz als Kraft dieser Substanz, ihren eigenen Wandel zu vollziehen, verstanden werden muss, also als Kraft, den Wechsel von einem Zustand in einen anderen auszulösen. Der Punkt kann auch so formuliert werden: Da Substanzen sich verändern, ohne dass diese Veränderungen aufgrund von Aktivitäten anderer Substanzen geschehen, müssen sie von einer Aktivität ausgelöst werden, die im Innern der sich verändernden Substanz liegt.23 Das ist in Kürze Russells Zusammenfassung der logischen und metaphysischen Grundlagen von Leibniz’ Philosophie. Die Frage ist, ob die Metaphysik der Substanz an und für sich glaubwürdig sei und ob sie auch etwas zum Verständnis über die Natur der erfahrenen Welt beitragen kann. V. Die Ablehnung der Substanz-Metaphysik Das wichtigste Ziel von Russells Kritik an Leibniz’ Philosophie ist die Widerlegung der logischen Doktrin, dass alle Propositionen eine Subjekt/Prädikat-Form haben. Es ist einfach, Propositionen zu finden, die nicht in dieses Schema passen. Russell erwähnt als Beispiel eine Aussage von Leibniz’ eigener Theorie: Wo ist das Subjekt und wo die ihm zugeschriebene Qualität in der Aussage „es gibt viele Monaden“? Aber das größte Problem für die traditionelle aristotelische Doktrin, die Leibniz von seinen Vorgängern erbt, ist jenes, dass es ihr nicht gelingt, die Realität von Relationen zu erklären. Russell zitiert eine Passage „von kapitaler Bedeutung für das Verständnis von Leibniz’ Philosophie“,24 um Leibniz’ Unfähigkeit aufzuzeigen, in seiner Metaphysik der Substanz einen

22

“[Force is to be] regarded as constitutive of substance, since it is the principle of action, which is characteristic of substance”. Ibidem, S. 43. 23 Ibidem, S. 45. 24 Ibidem, S. 13.

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Platz für die Relationen zu finden. Die Passage stammt aus Leibniz’ V. Brief an Clark; es lohnt sich, sie in voller Länge zu zitieren: „Das Verhältnis oder die Proportion zwischen zwei Strecken L und M kann man sich auf dreierlei verschiedene Weise vorstellen: als Verhältnis der größeren L zur kleineren M, als Verhältnis der kleineren M zur größeren L, und schließlich als irgend etwas von ihnen beiden Abstrahiertes, d.h. wie das Verhältnis zwischen L und M ohne Rücksicht darauf, welche das erste oder das zweite ist, das Subjekt oder das Objekt… Nach der ersten Betrachtungsweise ist das größere L das Subjekt; nach der zweiten ist das kleinere M das Subjekt jener zufälligen Eigenschaft [accident], die die Philosophen Beziehung oder Verhältnis [relation ou rapport] nennen. Welches aber wird im dritten Sinn das Subjekt sein? Man wird nicht sagen können, dass alle beide, L und M zusammen, das Subjekt dieser Eigenschaft seien, denn dann hätten wir eine zufällige Eigenschaft in zwei Subjekten, mit einem Bein in einem und dem anderen im anderen, was dem Begriff der zufälligen Eigenschaft widerspricht. Also kann man sagen, dass dieses Verhältnis in diesem dritten Sinn allerdings außerhalb der Subjekte ist; da es aber weder eine Substanz, noch eine zufällige Eigenschaft ist, so muss es eine allein in der Vorstellung vorhandene Sache [une chose purement ideale] sein, deren Betrachtung dennoch nicht nutzlos ist.“25

Nach Russell versucht Leibniz hier, eine Proposition der Art „L ist länger als M“ auf eine Subjekt/Prädikat-Form zu reduzieren. Eine Möglichkeit wäre, diese Aussage als „L ist (länger als M)“ zu analysieren. Diese Analyse führt allerdings zu einem Problem bezüglich des Status von M innerhalb des Prädikats (länger als M). Wenn einerseits M als Bestandteil des Prädikats (länger als M) verstanden wird, dann ist M kein unabhängig Existierendes, sondern selbst Teil einer Eigenschaft von L: Wie kann man dann sagen, dass L in Beziehung zu einem Anderen steht? Wenn andererseits M unabhängig existiert, dann ist der Ausdruck „L ist (länger als M)“ nur eine komplizierte Formulierung für etwas ganz einfaches, nämlich die Aussage, dass L in einer gewissen Beziehung mit M steht. Damit ist die Reduktion der relationalen zur prädikativen Form aber nicht vollgezogen worden.26 Dieselbe Schwierigkeit entsteht bei der zweiten Art, die Verbindung zu analysieren, welche die erste umkehrt: „M ist (kürzer als L)“. Leibniz muss also eine andere Möglichkeit in Betracht ziehen: Könnte es sein, dass „länger“ und „kürzer“ Adjektive für beide, für M und für L sind? Leibniz schließt diese Lesart aus aufgrund seiner Überzeugung, dass eine 25

S. Clarke, Der Briefwechsel mit G. W. Leibniz von 1715/1716, übersetzt und herausgegeben von Ed Dellian, Hamburg, 1990, S. 80 (Gerhardt: vii, p. 401). Vgl. Russell, Leibniz, op. cit., S. 13. 26 Vgl. auch B. Russell, The Principles of Mathematics, London, 1903, §§ 213-214, S. 222-224: “An adjective involving a reference to M is plainly an adjective which is relative to M, and this is merely a cumbrous way of describing a relation” (S. 222).

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Eigenschaft immer die Eigenschaft einer einzigen Substanz ist; in dieser Interpretation dagegen „hätten wir eine zufällige Eigenschaft in zwei Subjekten, mit einem Bein in einem und dem anderen im anderen, was dem Begriff der zufälligen Eigenschaft widerspricht.“. An diesem Punkt wird Leibniz mit einem schwierigen Problem konfrontiert. Einerseits sind nur Substanzen und ihre Eigenschaften real. Andererseits können Relationen nicht auf Eigenschaften reduziert werden. Da aber Relationen in gewisser Weise sind, welche Art von Sein können sie besitzen? In der zitierten Passage sagt Leibniz, dass Verbindungen rein ideale Dinge seien. Zu Recht oder zu Unrecht schreibt ihm Russell die idealistische Theorie zu, nach der Relationen nur im Geist existieren, der sie wahrnimmt: „Wenn er [Leibniz] auf dieses ‚ideale Ding’ gestoßen würde“, so kommentiert Russell, „fürchte ich, er würde es als Eigenschaft eines Geistes, der die Ratio betrachtet, interpretieren“.27 Diese Interpretation der Grundschwierigkeit von Leibniz’ Philosophie erklärt Russells wiederholte Aussage, dass die Doktrin, nach der alle Propositionen Subjekt/Prädikat-Form hätten, entweder in den Monadismus oder in den Monismus führe. In der ersten dieser Theorien gibt es keine Beziehungen zwischen den Monaden, die alle eine Welt für sich bilden; in der zweiten gibt es nur eine einzige Monade: die Realität als Ganzes. Aber dieses Dilemma, so argumentiert Russell weiter, ist vielleicht nur ein scheinbares. Wenn es überhaupt eine Welt der Monaden gibt, wie es Leibniz in der Tat anzunehmen scheint, dann müssen diese Monaden in irgendeiner Weise verbunden sein. Aber wenn alle Relationen Adjektive eines wahrnehmenden Geistes sind, dann kann eine Welt der Monaden nur für diesen wahrnehmenden Geist existieren. Nur ein Gott allerdings könnte das Universum als Ganzes wahrnehmen: Aus diesem Grund schließt Russell, dass Leibniz nur deshalb nicht in den (idealistisch interpretierten) Spinozismus verfallen ist, weil er nicht alle Implikationen seiner eigenen Doktrin durchdacht hat. Whitehead akzeptiert Russells These, dass die logische Doktrin, nach der alle Propositionen Subjekt/Prädikat-Form haben, unvermeidlich in den Spinozismus oder in eine Monadologie führt, die so radikal ist, dass jede Monade ein eigenes, unabhängiges Universum bildet. Aber während Russell eher zum Argument tendiert, dass es gute Gründe gibt, Monadismus und Spinozismus abzulehnen, da sie auf einer falschen logischen Doktrin basieren, argumentiert Whitehead in die gegenteilige Richtung: Da idealistischer Monismus und Monadologie offensichtlich 27

„If he [Leibniz] were pushed as to this ‚ideal thing’, I am afraid he would declare it to be an accident of the mind which contemplated the ratio.“ B. Russell, Leibniz, op. cit., S. 13. Die Frage, ob Russell die Leibnizsche Theorie der Relationen missversteht, ist kompliziert und kann hier nicht weiterverfolgt werden. Vgl. dazu N. Rescher, „Leibniz on Intermonadic Relations“, On Leibniz, Pittsburgh, 2003, S. 45-67, und M. Mugnai, Leibniz’s Theory of Relations, Stuttgart, 1992.

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keine adäquaten Theorien sind, ist die Tatsache, dass sie die logische Folge der Substanz-Metaphysik sind, die reductio ad absurdum dieses logischontologischen Paradigmas. Nach Whitehead sind diese Arten, die Realität zu erklären, deswegen unangemessen, weil sie unsere Erfahrung gewissermaßen als Trugbild abtun. Indem sie uns zwingt, uns selbst entweder als Teil eines größeren Geistes oder als absolut unabhängig existierende Subjekte zu verstehen, gelingt es der Metaphysik der Substanz nicht, unser unmittelbares Erlebnis wiederzugeben, dass wir aktive Wesens in einer Welt voller anderer aktiver Wesen sind. Whitehead drückt diesen Punkt aus, indem er sich einerseits auf die Spinozistische Philosophie seines Zeitgenossen F. H. Bradley bezieht, andererseits auf den radikalen Pluralismus Leibniz’: „…die einzigen Alternativen [sind] entweder Bradleys Lehre von einem einzigen Erfahrenden, dem Absoluten, oder Leibnizens Lehre von den vielen fensterlosen Monaden… Beide Alternativen zeichnen die Erfahrung mit einem gewissen Air der Scheinhaftigkeit. Die Leibnizsche Lösung kann die Scheinhaftigkeit nur durch den Rückgriff auf eine gläubige Abhängigkeit von Gott abschwächen.“28

Die Metaphysik der Substanz führt damit in ihren beiden möglichen Formen zu einer verfälschten Darstellung der Welt, so wie wir sie unmittelbar erleben: Der Begriff der Substanz kann nur die Grundlage sein für eine sehr künstliche, unglaubwürdige Theorie der Natur der Dinge – wie zum Beispiel Leibniz’ Vorstellung, dass alle Beziehungen zwischen den Monaden nicht direkt, sondern nur durch eine von Gott prästabilierte Harmonie möglich sind. Es gibt zwei andere Punkte, die von Whitehead in diesem Zusammenhang besonders betont werden. Einerseits ist unsere unmittelbare Erfahrung immer die direkte Erfahrung einer externen, von uns unabhängig existierenden Welt. Wenn wir aber das Subjekt als eine Substanz im Sinne eines Trägers von Eigenschaften denken, dann können unsere Wahrnehmungsinhalte nur als Eigenschaften eines Trägers gedacht werden. Das erfahrende Subjekt wird so nicht mehr als in direkter Beziehung mit einer externen Welt, sondern nur als in Beziehung mit seinen eigenen Eigenschaften gedacht. Die Metaphysik der Substanz führt damit zu einer repräsentativen Theorie der Wahrnehmung und zum Kartesischen Problem des Skeptizismus, denn sie zwingt uns, die Inhalte unserer Wahrnehmung als „privates“ Eigentum des Selbst zu betrachten. Erst mit der Ablehnung der Substanz-Metaphysik können wir die Sackgasse der modernen Erkenntnistheorie vermeiden und die

28

A. N. Whitehead, Prozess und Realität, op. cit., S. 353.

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„Vorstellung individueller Substanzen zurückweisen, von denen jede ihre innere Welt von Qualität und Sinneswahrnehmungen hat“.29 Andererseits betont Whitehead, dass die Metaphysik der Substanz auch kein echtes Verständnis der Natur des Selbst zu liefern vermag, da sie uns dazu verleitet, das Selbst mit dem statischen, selbst-identischen Träger von Eigenschaften zu identifizieren. Das widerspricht aber der Art und Weise, wie wir uns erleben, nämlich als handelnde und leidende Wesen, die immer wieder neu auf die Veränderung ihrer Umgebung reagieren müssen. Whitehead formuliert es pointiert: “Die Lehre von der dauerhaften Seele mit ihren bleibenden Charakteristika ist genau die irrelevante Antwort auf das Problem, welches uns das Leben stellt. Dieses Problem ist: Wie kann es Originalität geben? Und die Antwort erklärt, warum die Seele nicht origineller sein muss als ein Stein”.30 Dieser Punkt ist auch insofern wichtig, als er zeigt, dass es zumindest einen Aspekt der Leibnizschen Substanz-Metaphysik gibt, den Whitehead nicht ablehnt. Seine wirklichen Ereignisse sind weder Träger von Eigenschaften noch permanente Substrata des Wandels, aber sie sind als aktiv zu begreifen. Sie sind nämlich Prozesse des Zusammenwachsens und können auf andere wirkliche Ereignisse einwirken, indem sie von diesen erfasst werden und in die Konstitution des erfassenden Ereignisses einfließen. Dieser Punkt kann auch als implizite Kritik an der Kohärenz der Leibnizschen Substanz-Metaphysik angesehen werden: Wie kann ein Substratum oder permanenter Träger gleichzeitig auch etwas Aktives sein? Die zwei Vorstellungen lassen sich schlecht in einer einheitlichen Konzeption zusammenfügen. In Bezug auf die Frage, ob der Begriff der Substanz ontologisch tauglich sei, sind die Unterschiede zwischen Whitehead und Russell allerdings nur eine Frage der Betonung. So bemerkt Russell beispielsweise einmal, dass Berkeley in gewisser Hinsicht ein besserer Philosoph als Leibniz gewesen sei, da er sich die Frage gestellt habe, ob eine materielle externe Welt tatsächlich existiere31: Russell scheint damit Whiteheads Kritik vorwegzunehmen, dass Leibniz aufgrund seiner Substanz-Metaphysik nicht berechtigt war, die Existenz einer äußeren Welt anzunehmen. Und tatsächlich formuliert Russell sehr explizit in seinem A Critical Exposition of the Philosophy of Leibniz, was er als generelle philosophische Implika29

Ibidem, S. 300. Wenn die Kategorien von Substanz und Eigenschaften auf das erfahrende Selbst angewendet werden – so lässt sich Whiteheads Kritik auch formulieren – werden die erfahrenen Inhalte implizit als Modi des Subjekts aufgefasst und nicht als die vom Subjekt intendierten Objekte. Auf diese Weise wird es unmöglich, die zwei verschiedene Relationen, Inhärenz und Intentionalität, auseinander zu halten. Diese Kritik ist allerdings nicht neu und bildet die zentrale Aussage von G. E. Moores „The Refutation of Idealism“, Mind, 1903, wiederabgedruckt in Philosophical Studies, London, 1922, S. 1-30. 30 A. N. Whitehead, Prozess und Realität, op. cit., S. 203. 31 B. Russell, Leibniz, op. cit. S. 70.

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tionen seiner Darstellung und Kritik von Leibniz’ Metaphysik sieht. Nach Leibniz, schreibt Russell, „wurde… es notwendig, Metaphysik auf Grund eines anderen Begriffs als jenem der Substanz aufzubauen – eine Aufgabe, die noch nicht erfüllt ist“.32 Whiteheads Prozess-Metaphysik ist ein Versuch, die monadologische Tradition wieder zu beleben, indem er genau diese – von Russell so klar dargelegte – Herausforderung annimmt und den traditionellen Begriff der Substanz mit dem des wirklichen Ereignisses, der actual entity, ersetzt.33

32 33

Ibidem, S. 43. Da Russell schon 1900 zum Schluss gekommen war, dass der traditionelle Begriff der Substanz für die Metaphysik untauglich sei, erstaunt es nicht, dass er in späteren Schriften eine Position entwarf, die den Begriff der Ereignisse für fundamental annahm. Siehe z. B. An Outline of Philosophy, London, 1927, S. 287 („Everything in the world is composed of ‚events‘; that, at least, is the thesis I wish to maintain”) und The Analysis of Matter, London, 1927, insbesondere S. 238-248 und 275-290.

Svaneke Schüler: Jean-Paul Sartre – ein Vertreter des Substanzendualismus? Einleitung Der Substanzbegriff ist zweifelsohne kein Schlüsselbegriff in der Sartreschen Philosophie. Dennoch scheint eine nähere Betrachtung des Sartreschen Verständnisses von ‚Substanz’ insbesondere hinsichtlich seiner Untersuchung dessen, was sinnvollerweise als epistemisches Subjekt oder Person bezeichnet werden kann, und des Verhältnisses dieses Subjekts zu der ‚für es’ erkennbaren Welt durchaus interessant und aufschlussreich. Die hinsichtlich des Sartreschen Ansatzes häufig aufgeworfene und hier im Titel aufgenommene Frage, ob und inwiefern Jean-Paul Sartre letztlich doch im Anschluss an René Descartes als Vertreter eines Substanzendualismus bezeichnet werden muß, kann, wenn auch im Rahmen dieses Aufsatzes nicht vollständig ausdiskutiert, jedoch in Bezug auf ihre inhaltliche Relevanz in der Diskussion beantwortet werden. Das Bewusstsein ist nichts ‚Substantielles’ Die These, dass das Bewusstsein des erkennenden Subjekt nichts ‚Substantielles’ sei und auch nicht sein könne, findet sich in den Sartreschen Schriften recht früh und wird erstmals in der Abhandlung La Transcendance de l’Égo (EA 1936)1 diskutiert. Die argumentative Basis für diese These liegt in der Sartreschen Exposition von zwei Seinstypen, in die sich Seiendes vollständig gliedern lasse: Das ‚Ansichsein’2 und das ‚Fürsichsein’3. Der zunächst sinnfälligste Unterschied zwischen beiden Seinstypen ist folgender: Das ‚Ansichsein’ beschreibt dasjenige Sein innerweltlicher, d.h. für Sartre in Zeit und Raum existierender Dinge, die im allgemeinen Sprachgebrauch als ‚Gegenstände’ bezeichnet werden. Sie existieren insofern ‚an sich’, als sie sich als kontingente, mit sich selbst 1

Im folgenden zitiert durch TE nach : Jean-Paul Sartre : La Transcendance de l’Égo, Vrin, Paris 1981. 2 « L’être en soi » ; die ausführliche Explikation dieser beiden Seinstypen folgt erst in Sartres Hauptwerk L’Être et le Néant, hier und im folgenden zitiert durch EN nach : Jean-Paul Sartre : L’Être et le Néant. Essai d’ontologie phénoménologique, Gallimard, Paris 1998, p.29ff. 3 « L’être pour soi » , EN, p.109ff.

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identische, in sich geschlossene ‚Seinsfülle’ und damit als ‚reine Positivität’ beschreiben lassen, die von sich aus in keiner Beziehung zu anderen innerweltlichen Gegenständen steht4. Das ‚Fürsichsein’ als Seinstyp des Bewusstseins hingegen ist so verfaßt, dass es aufgrund seiner Struktur und in diesem Sinne aufgrund seines Wesens notwendigerweise in Beziehung zu anderem innerweltlichen Sein steht, und zwar sowohl zu innerweltlichem Sein, das dem Seinstyp des ‚Ansichsein’ entspricht als auch zu anderem ‚Fürsichsein’. Inwiefern ist diese ‚notwendige’ Beziehung zu anderem Sein strukturell begründet? Sartre bezieht sich hier auf die von Franz Brentano und Edmund Husserl explizierte These von der Intentionalität des Bewusstseins. ‚Bewusstsein ist immer Bewusstsein von etwas’ heißt bei Sartre, dass das Bewusstsein immer einen Inhalt hat, dass es sich stets auf einen Gegenstand bezieht, von dem es Bewusstsein ist und dass dieser Gegenstand außerhalb des Bewusstseins liegt und sich stets auf ihn hin transzendiert. Dieser Bezug zu seinem Objekt lässt sich daher als das Bewusstsein als solches qualifizieren und somit als seine ursprüngliche Struktur beschreiben. Die eingangs genannte These von der Nicht-Substantialität des Bewusstseins exponiert Sartre nun wie folgt aus dieser ursprünglichen Struktur des Bewusstseins: Durch die Definition des Bewusstseins als wesentlich intentionales, d.i. als Sich-ständig-selbst-Transzendierendes, folge, dass es gänzlich inhaltsleer und sich selbst völlig transparent sei. Denn es „vereinigt sich, indem es sich selbst entgeht“5 und benötige daher darüber hinaus kein einheitsstiftendes Element im Sinne eines ‚transzendentalen Ich’. Wie ist diese Einheit des Bewusstseins ohne ‚Ich’, die sich durch die Struktur des Bewusstseins selbst konstituieren soll, zu verstehen? Das sich ständig transzendierende Bewusstsein soll seine Einheit durch seinen Bezug zu seinem Objekt als das ihm Transzendente finden6. Diese Einheit soll sich stets durch den Vollzug der intentionalen Struktur des Bewusstseins konstituieren. Das folge aus der Definition des Bewusstseins als ‚reine Intentionalität’ selbst. Sie funktioniere nur bar jedes substantiellen Inhaltes auf der Seite des Bewusstseins, der es in seiner Transparenz und Transluzidität verdunkele. Die Rede von der Transparenz und Transluzidität des Bewusstseins legt nahe, dass Sartre 4

Dies ist so zu verstehen, dass diese innerweltlichen Gegenstände, strukturell als in sich geschlossene Seinsfülle verstanden, eben aufgrund dieser Struktur weder notwendigerweise in Beziehung zu anderem Sein stehen, um zu existieren (unabhängig von ihrem ‚Erkanntwerden’ durch anderes Sein), noch in der Lage sind, eine wie auch immer geartete Beziehung zu anderem Sein aufzunehmen. Sie existieren völlig unabhängig von anderem ‚an sich’. Sartre drückt dies durch folgende Formel aus: « L’être est. L’être est en soi. L’être est ce qu’il est... » EN, p.33. 5 TE, p.21: « ... elle [la conscience] s’unifie en s’échappant. » [Zusatz] der Verfasserin. 6 TE, p.22: « L’objet est transcendant aux consciences qui le saisissent et c’est en lui que se trouve leur unité. »

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unter einem substantiellen Inhalt einen materiellen Inhalt etwa in Form eines Einzeldinges, dem bestimmte Qualitäten zukommen, versteht. So wird die Folgerung, dass die Annahme eines ‚transzendentalen Ich’ im Bewusstsein quasi den ‚Tod’7 des Bewusstseins bedeuten würde und dem folglich jede Existenzberechtigung abzusprechen sei, auf dem Hintergrund dieser Interpretation verständlich. Dies freilich nur, wenn man dieses Sartresche Verständnis des Substanzbegriffes als ‚materielles Einzelding’ zugrunde legt und diesen Begründungszusammenhang hier nicht etwa auf die semantische Definition von Substanz als desjenigen, dem Qualitäten zukommen, das aber nicht selbst Qualität eines anderen ist, verweisen lässt. Sartres Unterscheidung der Seinstypen ‚Ansichsein’ und ‚Fürsichsein’ scheint ja zudem, wenn auch nicht explizit, eben diese beiden Definitionen von Substanz aufzugreifen. Dies wird im folgenden Argumentationsgang nochmals deutlich: Im Bewusstsein als ‚reiner Intentionalität’ ist im wahrsten Sinne des Wortes kein Raum für ein ‚Ich als Substanz’, d.i. für ein Ich als materielles Einzelding, das gewissermaßen als ‚Bewohner’ des Bewusstseins fungierte. Dennoch muss Sartre in seiner Explikation des Bewusstseins, als Bewusstseins eines epistemischen Subjekts, doch auf ein näher zu bestimmendes Ich rekurrieren bzw. es in irgendeiner Weise in seine Darstellung einbeziehen, zumal Bewusstsein als ‚reine Intentionalität’ definiert in seiner Struktur ohne ein transzendentales Ich auszukommen vermag, jedoch diese Definition nicht hinreicht, um auch den Sachverhalt ‚Selbstbewusstsein’ in diese Konzeption des Bewusstseins einzubinden. Zudem muss die Sartresche Konzeption letztlich die ‚Einheit des Bewusstseins’ in plausibler Weise sichern, die ihrerseits ein ‚Ich’ als Bezugspunkt erfordert. Eine Bewusstseinskonzeption, die diesen Sachverhalten nicht Rechnung trüge, wäre von vornherein jeglicher Diskussion unwürdig. So verknüpft Sartre die Explikation des Sachverhaltes ‚Selbstbewusstsein’ wesentlich mit der dargestellten These, dass ein Ich weder formal noch material im Bewusstsein anzunehmen sei: Als ‚substantielles Moment’ habe es vielmehr seinen Platz auf der Seite der innerweltlichen Objekte als Subjekt in der Welt, d.i. als Person, die ihrerseits Objekt sowohl für ein fremdes als auch für das eigene Bewusstsein sein kann. Mit dieser Rede vom ‚substantiellen Moment’ des Ich scheint Sartre dieses in der Tat zunächst mit dem epistemischen Subjekt gleichzusetzen, ihm jedoch zudem auch ein weiteres für die Bewusstseinsstruktur als solche relevantes Moment zuzugestehen, das über ‚Ich’ als bloßen ‚Inhalt’ des Bewusstseins hinausgeht. An diesem Punkt lässt sich der oben angedeutete Verweis auf die semantische Definition von 7

TE, p.23: « Le Je transcendantal n’a donc pas de raison d’être. … Le Je transcendantal, c’est la mort de la conscience. »

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‚Substanz’ denken, da Sartre sich hier explizit auf das ‚Ich’ des ‚Ich denke, das alle meine Vorstellungen begleiten können muss’8 bezieht. Diesem ‚Ich’ ‚begegnen’ wir in unserem Bewusstsein, jedoch wird es erst durch die synthetische Einheit unserer Vorstellungen, die das intentionale Bewusstsein als solches leisten soll, ermöglicht und fungiert eben nicht als formales Vereinigungsprinzip9. Für den Sachverhalt ‚Selbstbewusstsein’ folgt aufgrund theoretischer Erfordernisse und aus dem Gesagten im Wesentlichen zweierlei: Wenn ein Bewusstsein von etwas nicht zugleich seiner selbst als Bewusstsein von etwas bewusst wäre, würde jegliches Bewusstsein von etwas sich seiner selbst letztlich unbewusst bleiben – eine Annahme, die Sartre zu Recht als ‚absurd’ bezeichnet10. Aber auch wenn jeder Fall von Bewusstsein von etwas immer zugleich ein Bewusstsein seiner selbst implizieren muss, folgt aus obiger Darlegung, dass in seiner Grundstruktur ein Selbstbewusstsein ohne ‚Ich’, d.i. ohne wissenden Selbstbezug, vorzustellen sein soll. Sartre bezeichnet dieses Bewusstsein als ‚conscience non-thétique de soi’11 als nichtthetisches, d.h. ein nicht-reflexives, nicht-setzendes Bewusstsein von sich. Das ‚Ich’ als wissende Selbstbeziehung wird in diesem Bewusstsein gar nicht thematisch. Es handelt sich vielmehr um eine vorreflexive Spielart des Bewusstseins, in der das Bewusstsein ganz bei seinem Gegenstand ist12. Was dies bedeuten kann, versucht Sartre an dem Beispiel des Akts des Zählens deutlich zu machen:

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Sartre bezieht sich in TE explizit auf den Kantischen Satz der Kritik der reinen Vernunft (KrV B131 - B132: „Das: I c h d e n k e, muß alle meine Vorstellungen begleiten k ö n n e n ; denn sonst würde etwas in mir vorgestellt werden, was gar nicht gedacht werden könnte, welches eben so viel heißt, als die Vorstellung würde entweder unmöglich, oder wenigstens für mich nichts sein“, Hervorhebungen im Text). TE, p.13ff und 26f. Sartre stimmt diesem Satz zu, fasst seine Aussage jedoch lediglich als optional, d.h. als Beschreibung einer Möglichkeitsbedingung auf. Prinzipiell muss die Möglichkeit bestehen, dass das ‚Ich denke’ alle meine Vorstellungen begleitet. Doch aus der o.g. Definition des Bewusstseins als reine Intentionalität folgt eben, dass dies nicht nur nicht immer der Fall sein muss, sondern dass die Grundstruktur des Bewusstseins in ihrem Vollzug kein ‚Ich’ kennt. 9 TE, p.19: « ... le Je pense peut accompagner nos réprésentations parce qu’il paraît sur un fond d’unité qu’il n’a pas contribué à créer et que c’est cette unité préalable qui le rend possible au contraire ; … .» 10 EN, p.18 « ..., une conscience qui s’ignorerait soi-même, une conscience inconsciente – ce qui est absurde. » 11 EN, p.19ff. In TE spricht Sartre auch von einer « conscience irréfléchie de soi », p.30f. Diese wäre also als ein Selbstbewusstsein vorzustellen, das nicht weiß, dass es sich in dem, dessen es sich bewusst ist, um sich selbst handelt. 12 Sartre bezieht sich hier implizit auf die Ausführungen Edmund Husserls, die die Konzeption des inneren Zeitbewusstseins betreffen, nach der ein bestimmtes Erlebnisdatum zunächst, d.h. vor jeglichem Akt der Reflexion, auf ‚unreflektierte Weise’ bewusst ist.

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„Wenn ich die Zigaretten in dieser Schachtel zähle, habe ich den Eindruck der Enthüllung einer objektiven Eigenschaft dieser Zigarettenmenge: es sind zwölf. Diese Eigenschaft erscheint meinem Bewußtsein als eine in der Welt existierende Eigenschaft. Ich muß nicht unbedingt ein setzendes Bewußtsein davon haben, daß ich sie zähle. Ich «erkenne mich nicht als zählend». Der Beweis dafür ist, daß Kinder, die spontan addieren können, hinterher nicht erklären können, wie sie das gemacht haben: ... Und doch habe ich in dem Moment, da sich mir diese Zigaretten als zwölf enthüllen, ein nicht-thetisches Bewußtsein von meiner Additionstätigkeit. Wenn man mich nämlich fragt: «Was tun Sie da?», antworte ich sofort: «Ich zähle», und diese Antwort meint nicht nur das instantane Bewußtsein, das ich durch die Reflexion erreichen kann, sondern auch die Bewußtseine, die vergangen sind, ohne reflektiert worden zu sein, ... “13.

Mit diesem Beispiel macht Sartre zudem deutlich, dass das ‚Ich’ als wissender Selbstbezug erst durch das reflexive Bewusstsein auftritt und keinesfalls mit diesem gleichzusetzen ist14. Damit stützt er seine oben formulierte These, dass das ‚Ich’ auf der Seite der innerweltlichen Objekte, gleichsam als Korrelat des reflexiven Bewusstseins zu denken ist und dass das ‚Ich’ eben nicht der die Bewusstseinsmomente vereinheitlichende Pol ist, sondern aus der Einheit des Bewusstseins als Transzendenz heraus erst möglich wird15. Die Frage, die an Sartre in Hinblick auf die Thematik des vorliegenden Aufsatzes nun zu stellen ist, lautet: Inwiefern kann Bewusstsein als NichtSubstantielles als eigener Seinstyp angesprochen und als solcher dem Seinstyp des Ansichsein gegenübergestellt werden?

Das Bewusstsein als Autonomes und Absolutes Sartre versucht dem Einwand, der die Basis der o.g. Frage bildet, zu begegnen, indem er seine vorgestellte Bewusstseinskonzeption wie folgt ergänzt:

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Jean-Paul Sartre: Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie, zitiert nach der Übersetzung von Traugott König et al., Philosophische Schriften Band III, Rowohlt, Reinbek, 1995, S. 21f., im folgenden zitiert durch SN. Hervorhebungen im Text. 14 Vgl. dazu auch: TE, p.35. 15 Freilich ergänzt Sartre zu diesem Aufweis, dass sich das ‚Ich’ als Korrelat des reflexiven Bewusstseins von anderen Korrelaten dieses Bewusstseins, d.i. innerweltlichen Objekten, sehr wohl unterscheidet, da es sich durch eine besondere Intimität zum Bewusstsein auszeichne (TE, p.68), welche es unmöglich mache, einen diesem ‚Ich’ äußeren Standpunkt einzunehmen. – Diese in der Tat notwendige und einleuchtende Ergänzung wird ihrerseits jedoch nicht näher erläutert.

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Das unreflektierte, nicht-thetische Bewusstsein sei zum einen notwendig als autonom16 zu denken, da es, wie das aufgeführte Beispiel des Zählens zeigt, dem reflektierten Bewusstsein stets als dessen Grundlage vorausgeht. Das reflektierte Bewusstsein könne niemals primär ursprünglich sein und als reflektiertes seinen Ursprung auch keinesfalls im Unbewussten haben. Jegliche Reflexion sei vielmehr dadurch definiert, dass sie von einem Bewusstsein ‚gesetzt’ werde17. Dies soll das unreflektierte Bewusstsein leisten können. Es habe quasi ontologische Priorität vor dem reflektierten Bewusstsein, da es vor jeglicher Reflexion angenommen werden und selbst nicht erst reflektiert werden muss, um zu existieren18. Jegliches Bewusstsein definiert sich folglich durch die beiden Momente unreflektiert und reflektiert, nicht-thetisch und thetisch. Für jeglichen Fall von thetischem Bewusstsein gilt, dass es stets als Einheit von thetischem und nicht-thetischem Bewusstsein existiert. So wird ausgeschlossen, dass sein thetischer Gehalt, wie oben ausgeführt‚ ins Unbewusste falle’. Folgt man den Sartreschen Ausführungen, muss man, wie das genannte Beispiel des Zählens zeigt, zumindest die Möglichkeit der Existenz bestimmter Fälle von nicht-thetischem Bewusstsein ohne thetisches Bewusstsein zugeben. Sartres These von der Einheit des Bewusstseins, d.i. der Einheit seiner beiden Momente thetisch und nicht-thetisch, geht auf diesen Fall, der sich konsequenterweise aus der Annahme der ontologischen Priorität des nicht-thetischen Bewusstseins vor dem thetischen Bewusstsein ergibt, jedoch in den folgenden Ausführungen nicht weiter ein. Aus der These der Einheit des Bewusstseins schließt Sartre vielmehr weiter, dass die Existenz von Bewusstsein sein Wesen impliziere, d.h. aufgrund seiner Struktur ist Bewusstsein nie bloß potentiell, sondern existiert immer schon, und zum anderen kann es, sofern es überhaupt existiert, nur in der oben beschrieben Weise existieren19. Das Bewusstsein kann auch keinesfalls als Wirkung einer ihm äußeren Ursache aufgefasst werden, da eine außerhalb des Bewusstseins liegende Ursache allenfalls Bewusstsein von etwas, d.h. thetisches Bewusstsein als ihre Wirkung auslösen könnte. Dieses widerspräche der Konzeption des Bewusstseins als Einheit seiner beiden Momente, deren Notwendigkeit sich u.a. aus der erwähnten Überlegung ableitet, dass die Vorstellung eines Bewusstseins von etwas, das sich seinerseits nicht als solches bewusst ist, absurd sei. 16 17 18

TE, p.41: « ... la conscience irréfléchie doit être considérée comme autonome. » Ebd. Mit dieser Ergänzung kann Sartre hier freilich zunächst lediglich die ontologische Unabhängigkeit des unreflektierten von dem reflektierten Bewusstsein behaupten. Für eine ausführliche Diskussion der Sartreschen Argumentation zu diesem Punkt sei der Leser an dieser Stelle auf die Ausführungen in L’Être et le Néant verwiesen. 19 EN, p.21: « ... comme la conscience n’est pas possible avant d’être, mais que son être est la source et la condition de toute possibilité, c’est son existence qui implique son essence. ».

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Aufgrund seiner Struktur sei das Bewusstsein vielmehr als ‚Ursache seiner eigenen Seinsweise’20 aufzufassen. Hier unterstreicht Sartre wiederum die Notwendigkeit der strukturellen Auffassung des Bewusstseins als Einheit seiner beiden Momente, deren Existenz das Wesen des Bewusstseins, nämlich stets als solches zu existieren, impliziert. Aus dieser Autonomiethese, Ursache seiner eigenen Seinsweise zu sein, entwickelt Sartre seine Auffassung vom Bewusstsein als Absolutem. Sie knüpft zudem direkt an die ausgeführte These von der Nicht-Substantialität des Bewusstseins an, geht jedoch über den Verweis auf die strukturelle Unmöglichkeit der Annahme eines ‚transzendentalen Ich’ als ‚Bewohner’ des Bewusstseins hinaus. In dieser Argumentation wird nochmals deutlich, dass sich Sartre auch gegen ein Substanz- und Absolutheitsverständnis im Sinne des Rationalismus wendet. Er versteht ‚Substanz’ konsequent als ‚Einzelding’ und nicht etwa als ein ‚seinsmäßig Erstes’ und daher ‚Absolutes’ wie es beispielsweise Spinoza auffasst. Zwar stellt Sartre wie oben ausgeführt, Bewusstsein als ein Sein vor, dessen Existenz seinem Wesen in dem Sinne vorausgeht, als es dieses impliziert, jedoch verweist diese Rede nicht auf die Vorstellung eines ‚seinsmäßig Ersten’ im Sinne Spinozas, sondern wehrt wiederum die Vorstellung von Bewusstsein als ‚Einzelding’ ab. So wendet sich Sartre hier auch explizit gegen Descartes’ Konzeption der ‚res cogitans’ als Substanz21. Des weiteren dürfe die unteilbare strukturelle Einheit des Bewusstseins ihrerseits auch keinesfalls als Substanz aufgefasst werden, da dieser Begriff impliziere, dass ihren Qualitäten ein minderes Sein zugeschrieben werden müsse, als der Einheit selber, welches der Gleichursprünglichkeit beider Momente entgegen stünde. Sartre führt hier das Beispiel der Lust an, welche nicht eher als das Bewusstsein der Lust oder gar unabhängig von ihm existieren könnte22. Dieses Beispiel zeigt, dass Sartre versucht, hier so zu argumentieren, dass die Auffassung von Bewusstsein als Substanz dazu nötigt, die Bewusstseinsakte, wie etwa ein LustBewusstsein, als Eigenschaften dieses Bewusstseins anzusehen. Eine solche Auffassung ist jedoch keinesfalls zwingend, da, wie Sartre selbst betont, Bewusstseinsakte als Zustände des Bewusstseins aufzufassen sind und als solche auch als Zustände eines als Substanz aufzufassenden Bewusstseins möglich wären. Zu der von Sartre eingeforderten Gleichursprünglichkeit der beiden Momente des Bewusstseins, die dessen 20 21

EN, p.22: « cause de sa propre manière d’être. » EN, p.23: « L’erreur ontologique du rationalisme cartésien, c’est de n’avoir pas vu que, si l’absolu se définit par le primat de l’existence sur l’essence, il ne saurait être conçu comme une substance. La conscience n’a rien de substantiel, c’est une pure « apparence », en ce sens qu’elle n’existe que dans la mesure où elle s’apparaît. ». Hervorhebung im Text. 22 EN, p.21. Lust sei daher keine Vorstellung, sondern « un événement concret, plein et absolu. ».

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Einheit garantieren sollen, ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass diese Einheit von nicht-thetischem und thetischem Moment des Bewusstseins, von reiner Intentionalität und Reflexion, von Sartre aufgrund von die Bewusstseinsstruktur betreffenden Gründen zwar postuliert wird, die genannten Beispiele jedoch zum einen, wie erwähnt, zeigen, dass Intentionalität ohne Reflexion möglich ist und zum anderen zu der Überlegung Anlass geben, dass Intentionalität und Reflexion als zwei Bewusstseinsmomente eben doch als Qualitäten eines jeden Bewusstseins zu begreifen sind. In Hinblick auf das das nicht-thetische Moment des Bewusstseins, das als solches wie gesehen Grundlage für jegliches thetische Bewusstsein sein soll, stellt Sartre nochmals eigens heraus, dass dieses ebenfalls nichts Substantielles an sich haben könne, da es sich stets als ein reines ‚SichErscheinen’ manifestiere und nur insofern existiere, als es sich erscheine23. Die Gegenstände, auf die das Bewusstsein sich in seiner thetischen Spielart bezieht, sind, wie Sartre ausführlich in seinem Aufsatz L’Imaginaire zeigt, nicht als Bild oder Abbild im Bewusstsein vorhanden, welches thetisches Bewusstsein von diesen Gegenständen hat, sondern sind gänzlich außerhalb des Bewusstseins, in der Welt, lokalisiert, so dass das Bewusstsein als reine Transzendenz und ‚völlige Leere’24 vorgestellt werden muss. So wird das Bewusstsein von Sartre zum einen also als ‚reine Erscheinung’ und zum anderen als ein ‚durch sich selbst Existierendes’ begriffen und in diesem Sinne als ‚Absolutes’ bezeichnet25. Es handelt sich für Sartre dabei um ein Absolutes an Existenz. In seiner Seinsweise gibt es keinen Unterschied zwischen ‚Erscheinen’ und ‚Existieren’. Als bewusste und unmittelbar bei sich gegenwärtige Existenz ist das Bewusstsein die absolute Erscheinung, da es die notwendige Bedingung dafür darstellt, dass dem Bewusstsein als thetischem Bewusstsein überhaupt etwas erscheinen kann. 23 24

Vgl. : EN, p.23 und Fußnote 21. Ebd.: « ... elle [la conscience] est un vide total (puisque le monde entier est en dehors d’elle), ... . ». [Zusatz] der Verfasserin. Hervorhebung im Text. – Auf eine Erläuterung und Diskussion der Sartreschen Argumentation in L’Imaginaire wird hier im Sinne der diesem Aufsatz übergeordneten Thematik verzichtet. 25 Ebd.: « ..., c’est à cause de cette identité en elle de l’apparence et de l’existence qu’elle put être considérée comme l’absolu. ». Die Rede davon, dass das Bewusstsein als ein ,durch sich selbst Existierendes’ vorgestellt werden muss, bezieht sich, wie gesehen, auf seine Seinsweise. Seine strukturelle Verfasstheit begründet die Art und Weise seiner Existenz. Die Absolutheitsthese, die hier begründet werden soll, zielt darüber hinaus darauf, dass das Bewusstsein niemals als bloß Relatives auf ein Erkennendes oder Erlebendes gedacht werden kann, sondern vielmehr als dasjenige, das die Grundlage für jegliche Erkenntnis darstellt : « En fait, l’absolu est ici non pas le résultat d’une construction logique sur le terrain de la connaissance, mais le sujet de la plus concrète des expériences. Et il n’est point relatif à cette expérience, parce qu’il est cette expérience. », Ebd..

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Sartre – ein Vertreter des Substanzendualismus? Die zum Ende des zweiten Abschnittes gestellte Frage ist bisher nur zu einem Teil beantwortet: Das Bewusstsein ist nichts Substantielles, aber autonom und ein Absolutes an Existenz. Insofern scheint zunächst die Rede von einem das Bewusstsein als reine Transzendenz auf einen Gegenstand hin auszeichnenden Seinstyp, der sich von dem Seinstyp der innerweltlichen Gegenstände, die von sich aus in keinerlei Bezug zu anderem Seienden stehen, signifikant unterscheidet26, gerechtfertigt. Und dass Bewusstsein als Fürsichsein nicht als Substanz im Sinne eines materiellen Einzeldinges aufzufassen sei, hat Sartre in diesem Zusammenhang begründet dargelegt. Wenn jedoch die Seinstypen Ansichsein und Fürsichsein für eine vollständige Disjunktion jeglichen innerweltlichen Seins stehen, ist zu erläutern, welchem Seinstyp das Sein des epistemischen Subjektes, das über Bewusstsein verfügt, zuzuordnen ist und was daraus im Sinne des Sartreschen Substanzbegriffes folgt. Evident scheint zu sein, wie im Abschnitt II bereits angesprochen, dass Sartre das ‚Ich’ als ein substantielles Element auffasst und es in dieser Hinsicht mit dem epistemischen Subjekt gleichzusetzen scheint. In dieser, jedoch nicht nur in dieser Weise ist das Subjekt Substanz. Denn, und hier drängt sich ein Vergleich mit der cartesischen Unterscheidung von ‚res cogitans’ und ‚res extensa’ geradezu auf, das epistemische Subjekt ist in seiner Seinsweise mehr als ‚Bewusstsein’ und ‚Ich’. In der Tat widmet Sartre diesem Punkt in L’Être et le Néant ein ausführliches Kapitel, dessen Beginn das o.g. Problem aufwirft27 und dem je eigenen Körper eines bewussten Subjekts einen besonderen Stellenwert zukommen lässt. Diesem liegt die These zugrunde, dass das bewusste Subjekt sich seines Körpers nicht auf dieselbe Weise bewusst ist, wie der Körper anderer bewusster Subjekte oder allgemeiner anderem innerweltlichen Seienden. Der je eigene Körper eines bewussten Subjekts sei daher keinesfalls, wie die Unterscheidung alles Seienden in die Seinstypen Fürsichsein und Ansichsein nahe legen würde, als ein ‚Ansich’ im ‚Fürsich’ aufzufassen, denn ein ‚Ansich’ im ‚Fürsich’ ließe die Struktur des ‚Fürsich’ aufgrund seiner materiellen Präsenz quasi ‚erstarren’28. Der Körper des sich der Welt bewussten Subjekts sei vielmehr nichts anderes als das ‚Fürsich’ selbst und 26

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass hier lediglich die für die übergeordnete Thematik relevanten Unterschiede der beiden Seinstypen vorgestellt und diskutiert wurden. 27 EN, p.342: « Si, en effet, après avoir saisi « ma » conscience dans son intériorité absolue, et par une série d’actes réflexifs, je cherche à l’unir à un certain objet vivant, constitué par un système nerveux, un cerveau, …. ». Hervorhebung im Text. 28 EN, p.348: « ...; il [le corps] n’est pas un en-soi dans le pour-soi, car alors il figerait tout. » Hervorhebung im Text. [Zusatz] der Verfasserin.

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zwar in dem Sinne, dass der Körper die Kontingenz des ‚Fürsich’, d.i. die Kontingenz seiner Existenz in der Welt darstelle. Insofern unterscheide sich der Körper nicht von der Situation des Fürsich, die sich, heideggersch gesprochen, als In-der-Welt-sein des Fürsich auffassen lasse. Sein ‚InSituation-Sein’ erfasst das Fürsich dadurch, dass es sich seines Körpers bewusst ist. Dies ist sowohl in nicht-thetischer als auch in thetischer, und damit zugleich auch nicht-thetischer, Spielart des Bewusstseins möglich. Lediglich in dem Maße wie die Welt nun als ‚totale Situation’, in der sich das Fürsich stets befindet, gelten kann, lässt sich sein Körper mit der ‚Welt’ identifizieren29. Durch diese Wendung der Geist-Körper-Problematik wird deutlich, dass sich Sartre in diesem Punkt gegen Descartes’ Rede von Körper und Geist als zwei vollständig getrennten und unterschiedlichen Substanzen wendet, indem er unterstreicht, dass der Körper ein notwendiges Merkmal des Fürsichseins ist, ohne das es als solches nicht existieren könnte und nicht eine Substanz, die zu ihm als vollständig Bestimmtem noch hinzukäme30. Das sich seiner selbst und innerweltlichen Dingen bewusste Subjekt ist als solches notwendigerweise körperlich – eine Voraussetzung, auf die sich sein In-der-Welt-Sein gründet und die es beschreibt. Das auf diese Weise bestimmte bewusste Subjekt würde Sartre als Person bezeichnen. Jean-Paul Sartre als Vertreter eines Substanzendualismus im Anschluss an René Descartes aufzufassen, scheint sich vor dem Hintergrund des Gesagten als nicht haltbar zu erweisen. Die Unterscheidung von zwei Seinstypen, dem Fürsich- und dem Ansichsein rechtfertigt eine solche Einordnung aufgrund folgender Punkte nicht: Sartres Argumentation nimmt ihren Ausgang von einer Bewußtseinskonzeption, die Bewusstsein als reine Transzendenz definiert und meint, nicht auf ein ‚Ich’ rekurrieren zu müssen, das die Einheit des Bewusstseins garantierte31. Dass Sartre dieses ‚Ich’ als Substanz oder ‚substantielles Element’ verstanden aus der Binnenstruktur des Bewusstseins auszuschließen, die Körperlichkeit des bewussten Subjekts andererseits jedoch als Wesensmerkmal eines jeden Fürsichseins zu begreifen sucht, gründet in 29

Ebd.: « En tant que tel, le corps ne se distingue pas de la situation du pour-soi, puisque, pour le pour-soi, exister ou se situer ne font qu’un; et il s’identifie d’autre part au monde tout entier, en tant que le monde est la situation totale du pour-soi et la mesure de son existence. » Hervorhebung im Text. 30 EN, p.349: « ... le corps est une caractéristique nécessaire du pour-soi : il n’est pas vrai qu’il soit le produit d’une décision arbitraire d’un démiurge, ni que l’union de l’âme et du corps soit le rapprochement contingent de deux substances radicalement distinctes; mais au contraire, il découle nécessairement de la nature du pour-soi qu’il soit corps, … . » 31 Angemerkt sei hier, dass dies auch für die Sartresche Argumentation zur Einheit der Bewusstseinsmomente in der Dauer gilt. Auf eine Darlegung der Sartreschen These, dass Bewusstsein stets notwendig als Zeitliches aufzufassen ist, kann hier jedoch verzichtet werden.

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der Absicht, die traditionelle Spaltung des Seienden in Subjekt und Objekt, die auch der cartesianische Substanzendualismus begründet, zu unterlaufen. Ansichsein und Fürsichsein als Seinstypen bezeichnen im Rahmen dieses Unternehmens tatsächlich unterschiedliche Verfasstheiten von Seiendem und suchen nicht zwei gänzlich voneinander zu unterscheidende Substanzen zu begründen oder zu beschreiben. Das Sartresche Fürsichsein, auch das besagt seine Konzeption des Bewusstseins als Intentionalität, kann zudem nicht ohne oder unabhängig von Seiendem vom Typ des Ansichsein existieren, da das Bewusstsein stets einen Gegenstand benötigt, auf den hin es sich transzendieren kann und den es so als thetisches Bewusstsein als sein Objekt setzt32. Seiendes unterschiedlicher Verfasstheiten existiert in Sartres Konzeption also nicht gänzlich unabhängig voneinander, sondern, gemäß seiner o.g. Ansicht, in notwendigen Bezügen. Als Ausblick auf eine weiterführende Diskussion der Sartreschen Bewusstseinskonzeption ließe sich abschließend noch folgender Hinweis geben: Interessant wäre zu untersuchen, inwiefern es Sartre gelingt, seine These von der Einheit des Bewusstseins in der Transzendenz ohne die Annahme eines die unterschiedlichen Bewusstseinsmomente vereinheitlichenden Elementes aufrechtzuerhalten. Mit der Konzeption des ‚Ich’ als eines dem Bewusstsein Transzendenten, in der es sowohl für mein Bewusstsein als auch für das Bewusstsein Anderer ein Objekt in der Welt ist, glaubt Sartre in La Trancendance de l’Égo zudem einen Solipsismus vermeiden zu können. Diese Überzeugung wird zwar in L’Être et le Néant revidiert, dennoch ließe sich die Argumentation für beide Thesen für ein tieferes Verständnis der Sartreschen Konzeption hinsichtlich einer tatsächlichen ‚Aufhebung’ einer Subjekt-Objekt-Dualität in der Beschreibung des epistemischen Subjektes in seinem Verhältnis zu der erkennbaren Welt fruchtbar machen.

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Selbstverständlich behandelt Sartre in seinem Werk auch ausführlich den Fall, dass sich ein Fürsichsein eines anderen Fürsichseins bewusst wird. Hier wird jedoch lediglich der generelle Fall betrachtet, dass ein Subjekt Bewusstsein von der Welt hat. So wird hier auch die Thematik des ‚Negativen’, die zu der These führt, dass das Fürsichsein, um als solches zu existieren, die Seinsweise des Ansich stets negieren müsse, nicht eigens diskutiert. Sie dient hier lediglich dazu, die Abhängigkeit eines jeden Fürsischsein vom Seinstyp des Ansichsein zu unterstreichen.

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Literatur: Jean-Paul Sartre : Une idée fondamentale de Husserl in : Situations I, Paris 1947, S.31-35 Jean-Paul Sartre: La Transcendance de l’Égo, Vrin, Paris 1981 Jean-Paul Sartre : L’Imaginaire, Psychologie phénoménologique de l’imagination, Gallimard, Paris 1967 Jean-Paul Sartre: L’Être et le Néant, Essai d’ontologie phénoménologique, Gallimard, Paris 1998 Jean-Paul Sartre : Conscience de soi et connaissance de soi in : Selbstbewußtseinstheorien von Fichte bis Sartre, Hrsg. : Manfred Frank, Frankfurt/M. 1993, S.367-411 Immanuel Kant : Kritik der reinen Vernunft, Reclam, Stuttgart 1993 Jean-Marc Mouillie : Sartre. Conscience, ego et psyché, Presses universitaires, Paris 2000

Daniel von Wachter: Substanzen phänomenologisch untersucht – Roman Ingardens Substanzontologie Ein Überblick über Ingardens Ontologie Im Reich des Seienden gibt es Ideen, Universalien und individuelle Gegenstände. Individuell ist z.B. dieses Buch, das Matterhorn, jene Rose und auch das Rotsein der Rose. Konkrete Dinge wie diese Rose, also Substanzen, fallen unter eine Idee, z.B. die Idee der Rose. Eigenschaften wie z.B. das Rotsein der Rose sind wie ihre Träger individuell. Zusätzlich zu den individuellen Eigenschaften gibt es Eigenschaftsuniversalien; sie nennt Ingarden „ideale Qualitäten“. Jede Eigenschaft ist eine Exemplifikation eines Eigenschaftsuniversale. Eigenschaften werden getragen, d.h. Dinge sind nicht Bündel von Eigenschaften, sondern sie bestehen aus einem Eigenschaftsträger und den von ihm getragenen Eigenschaften. Eigenschaftsträger sind nicht nackte Substrate, sondern sie sind Exemplifikationen von Artuniversalien. Die Eigenschaften eines Dinges sind untereinander und mit dem Eigenschaftsträger durch Seinsabhängigkeit verbunden. – Das ist die Ontologie des polnischen Philosophen Roman Ingarden, soweit sich eine Ontologie in vierzehn Zeilen zusammenfassen läßt, deren Darstellung die vier Bände des Werkes Der Streit um die Existenz der Welt füllt. Roman Ingarden, Schüler Edmund Husserls Roman Ingarden wurde 1893 in Krakau geboren, als dieser Teil Polens noch von Österreich regiert wurde, und starb 1970 in Krakau. 1912 zog er nach Göttingen, wo er bei Edmund Husserl zu studieren begann, unter dem er 1918, nachdem er ein Semester Mathematik und Physik in Wien studiert hatte, für eine Dissertation über Henry Bergson promoviert wurde. Ausgiebige Diskussionen führte Ingarden mit Husserl sowohl in Husserls Wohnzimmer, wo der Gast mitunter blieb, bis ihn Husserls Gemahlin zum Heimgehen mahnte, als auch in Briefen. Husserl hatte 1901 mit seinen Logischen Untersuchungen den Psychologismus wirkungsvoll kritisiert und, inspiriert durch Ideen Hermann Lotzes (1817-1881) und Bernard Bolzanos (1781-1848), die Phänomenologie ins Leben gerufen. Wie andere

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Schüler Husserls auch hielt Ingarden Husserls Wende zum Idealismus für einen Fehler.1 Der Kern Husserls phänomenologischer Methode ist das Betrachten und Analysieren eigener Bewußtseinsinhalte. Husserl nannte das „Wesensschau“, Max Scheler sprach auch von „phänomenologischer Erfahrung“ (Scheler 1916, 68). Das, was man im Sinn hat, das, was man durch Denken ergründen kann, das ist ins geistige Auge zu fassen und zu untersuchen. Husserl hatte sich davon „lichtvolle Gewißheit“ (LU I, § 6) versprochen, die uns vor den „Klippen des extremen Skeptizismus“ bewahrt. Spätestens in den Ideen zu einer reinen Phänomenologie (1913) verband Husserl diese Methode mit dem Idealismus: Realität, sowohl Realität des einzeln genommenen Dinges als auch Realität der ganzen Welt, entbehrt wesensmäßig [...] der Selbständigkeit. [...] Es ist in absolutem Sinne gar nichts, es hat gar kein „absolutes Wesen“, es hat die Wesenheit von etwas, das prinzipiell nur Intentionales, nur Bewußtes, bewußtseinsmäßig Vorstelliges, Erscheinendes ist. (Ideen, § 50)

Ingarden warf Husserl vor, er habe doch selbst am Anfang der Ideen „die Wesensheterogenität der Realität und des reinen Bewußtseins“ betont, leugne sie nun aber. Ein Großteil von Ingardens Arbeit hat das Ziel, gegen den Idealismus Husserls den Unterschied zwischen Realität und Bewußtsein, zwischen realen Dingen und bewußtseinsabhängigen Gegenständen, herauszuarbeiten. So rührt Ingardens philosophisches Interesse an Ästhetik und an Kunstwerken daher, daß Husserl von allen Dingen behauptete, was Ingarden nur von Dingen wie Kunstwerken wahr zu sein schien: sie sind bewußtseinsabhängig. Husserl vertrat die idealistische These, daß das Sein aller Dinge und ihre Eigenschaften vom Bewußtsein abhängen. Ingarden hielt dem entgegen, daß Romanfiguren z.B. in der Tat bewußtseinsabhängig sind, viele andere Gegenstände aber nicht. Antonie Buddenbrook beispielsweise existiert nur, weil Thomas Mann sie in seinem Roman auftreten läßt, und sie hat nur deshalb graublaue Augen, weil Thomas Mann sie so beschrieben hat. Sie existiert gar nicht wirklich, sie ist nicht real. Ingarden nennt so einen Gegenstand, dessen Sein und Eigenschaften abhängig sind von den Bewußtseinsakten einer Person, in Anlehnung an Husserls Terminologie einen (rein) „intentionalen Gegenstand“. Die Abhängigkeit zwischen dem Autor und der Romanfigur ist aber nicht eine kausale wie sie etwa zwischen Gott und dem Universum besteht, wenn Gott das Universum geschaffen hat. Antonie Buddenbrook ist, wie 1

Ingardens Kritik an Husserls idealistischer Wende: (Ingarden 1918), (Ingarden 1975). Weitere Information über Ingardens Leben: (Thomasson 2003), (Mitscherling 1997, Kap. 1).

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Ingarden sagt, seinsheteronom (im Gegensatz zu „seinsautonom“), d.h. sie hat ihr „Seinsfundament“ nicht in sich selbst, ihr Sein und ihre Eigenschaften sind ihr nur „zugedacht“. Ingarden untersucht die intentionalen Gegenstände gründlich, um gegen Husserl zeigen zu können, daß nicht alle Gegenstände intentionale Gegenstände sind. Deshalb nennt er sein vierbändiges Werk zur Ontologie Der Streit um die Existenz der Welt. Es ist ein Streit mit Husserl darüber, ob die Welt ein „intentionaler Gegenstand“ ist. Neben den intentionalen Gegenständen untersucht Ingarden darin auch Ideen und, womit wir uns näher befassen werden, Substanzen. Ontologie und Metaphysik Nach der traditionellen, sich bei Christian Wolff (1679-1754) findenden Terminologie ist die Ontologie ein Teil der Metaphysik, deren andere Teile die philosophische Theologie (theologia rationalis), die Philosophie des Geistes (psychologia rationalis) und die philosophische Kosmologie (cosmologia rationalis) sind. Ingarden hingegen unterscheidet die Ontologie von der Metaphysik: Die Ontologie handelt von den „reinen Möglichkeiten und reinen Notwendigkeitszusammenhängen“ (Streit II/1, 29), die Metaphysik hingegen sucht herauszufinden, was tatsächlich existiert und wie es beschaffen ist. Die Ontologie untersucht, was sein könnte und wie Dinge bestimmter Art wären, wenn sie existierten. So untersucht Ingarden in seinem Werk zur Ontologie, welche ontische Struktur Substanzen, intentionale Gegenstände, Ideen etc. haben, wenn es welche gibt. Ob es tatsächlich Substanzen gibt und welche existierenden Gegenstände Substanzen sind, das herauszufinden, sagt er, sei nicht Aufgabe der Ontologie. Zum Entdecken der ontologischen Strukturen z.B. von Substanzen folgt Ingarden der phänomenologischen Methode: „Die ontologische Betrachtung besteht in der apriorischen Analyse der Ideengehalte.“ (Streit I, 33) Das heißt, wir können durch eine Art Nachdenken z.B. herausfinden, daß einige Eigenschaften eines Dinges veränderlich sind, ohne daß das Ding dadurch zu existieren aufhört, andere hingegen nicht. Ideen sind für Ingarden nicht etwas Psychisches, sondern bewußtseinsunabhängige unzeitliche Entitäten, unter welche Einzeldinge wie dieser Baum und jener Hund „fallen“ und an denen es liegt, was im Bereich der Einzeldinge möglich ist und was nicht. Sie bestimmen, was für die Dinge, die unter sie fallen, notwendig, was kontingent und was möglich ist. Ideen haben Bestandteile – Ingarden nennt das den „Gehalt“ der Idee – so daß jeder ontische Bestandteil eines Dinges einem Bestandteil der Idee entspricht, unter welche es fällt. Im Gehalt der Idee eines Rauhaardackels z.B. ist festgelegt, daß ein Rauhaardackel eine Masse haben muß. Es kann 5

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Kilogramm sein oder auch eine andere Masse, aber er kann nicht keine Masse haben und er kann auch nicht zwei Massen haben. Ingarden nennt das eine „Variable“ im Gehalt der Idee. Von einer „Konstanten“ im Gehalt der Idee spricht er, wenn ein unter die Idee fallender Gegenstand die entsprechende Eigenschaft haben muß, und zwar diese Eigenschaft und keine andere. In der Idee eines Rauhaardackels könnte es z.B. eine Konstante sein, daß ein Rauhaardackel eine Seele haben muß, sonst ist es kein Rauhaardackel, und wenn einer seine Seele verliert, hört er damit auf zu existieren. Ideen sind nach Ingarden nicht nur bewußtseinsunabhängig, sondern existieren auch unabhängig davon, ob es etwas gibt, was unter sie fällt. Durch Nachdenken können wir Einsicht haben in den Gehalt von Ideen und somit einsehen, wie Dinge bestimmter Art sind, wenn es sie gibt. So untersucht Ingarden auch, wie Substanzen ontisch aufgebaut sind, wenn es sie gibt. Die Dinge, wie sie an sich sind Ingarden untersucht die Struktur der Dinge zwar durch das Denken, aber sein Ziel ist nicht, Bewußtseinsakte zu beschreiben. Er versucht herauszufinden, wie die Dinge an sich sind, unabhängig von der Existenz von denkenden Wesen und unabhängig davon, wie wir die Dinge auffassen und über sie sprechen: [Wir nehmen] den individuellen Gegenstand nicht in dem relativen Aspekt [...], welchen ein Seiendes als das Gegenüber eines es meinenden Bewußtseinsaktes (insbesondere zu dem sogenannten „Vorstellen“) annimmt. Unser Begriff des „Gegenstandes“, den wir im folgenden zu entwickeln suchen, enthält somit keinen erkenntnistheoretischen Anstrich in sich, sondern ist rein ontologisch und bezieht sich auf einen Spezialfall des irgendwie Seienden überhaupt [nämlich auf Dinge]. (Streit II/1, 62f)

Damit stellt Ingarden klar, daß er weder Kantische Transzendentalien oder Denkkategorien noch Begriffe untersucht. Sehen wir uns, um dies zu verdeutlichen, Peter Strawsons Unterscheidung zwischen deskriptiver und revisionärer Metaphysik an, die heute von Vertretern der deskriptiven Metaphysik oft verwendet wird. Strawson schreibt: Deskriptive Metaphysik begnügt sich damit, die tatsächliche Struktur unseres Denkens über die Welt zu beschreiben, revisionäre Metaphysik hat das Ziel eine bessere Struktur hervorzubringen. (Strawson 1959, 9)

Klar ist, daß Ingarden demnach nicht deskriptive Metaphysik betreibt. Aber es wäre auch ein Fehler, seine Ontologie als „revisionäre

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Metaphysik“ zu bezeichnen, denn nach Strawsons Definition versucht revisionäre Metaphysik, ein besseres Begriffssystem hervorzubringen. Ingarden will aber gar kein Begriffssystem, sondern eine wahre Beschreibung der Dinge hervorbringen. Strawson ist zu sehr auf Begriffe fixiert, um zu erwägen, daß ein Philosoph auch etwas anderes betreiben wollen könnte als Begriffsuntersuchungen. Hätte Strawson das Wort „deskriptiv“ nicht schon anders geprägt, würde ich Ingardens Projekt als deskriptive Ontologie bezeichnen, denn er will ja die Wirklichkeit beschreiben, und Strawsons Projekt als „Begriffsontologie“. Obwohl Ingarden sich klar dazu bekennt, die ontische Struktur der Dinge an sich untersuchen zu wollen und nicht die Struktur unseres Denkens über die Dinge, ähnelt Ingardens Ontologie auffallend der Begriffsontologie Strawsons. Ingarden nimmt anscheinend eine Parallelität zwischen den Strukturen des Denkens und denen der Gegenstände an. Wenn wir Aussagen über die Welt machen, greifen wir mit sortalen Begriffen wie „Affe“, „Tisch“ oder „Berg“ immer einzelne Dinge heraus, denen wir dann Eigenschaften zuschreiben. Dem entsprechend nehmen Substanzontologen wie Ingarden an, daß die Welt aus lauter einzelnen Dingen besteht, die Eigenschaftsträger sind. Insofern steht Ingarden den heutigen Philosophen nahe, die glauben, von den Strukturen der Sprache die Grundstrukturen der Wirklichkeit ablesen zu können. Uwe Meixner nennt das den „realistischen Ansatz“ und beschreibt das so: „Die Grundstrukturen des Seienden sind [...] an sich gegeben und spiegeln sich, durch die Erfahrung hindurch, in den Grundstrukturen der Sprache. Sie sind an sich da, werden abgebildet in der Sprache – wenn auch mit gewissen Verzerrungen –, und an der Sprache können wir sie mehr oder weniger wirklichkeitsgetreu ablesen.“ (Meixner 2004, 11) Seinsweise, Form und Materie Sowohl eine Substanz als auch eine Eigenschaft weist nach Ingarden eine Art Dreifaltigkeit auf: sie hat eine Form, eine Materie und eine Seinsweise. Beispiele von Seinsweisen sind für Ingarden Idealsein, d.h. unzeitliches Sein, und Realsein. Substanzen und alle ihre ontologischen Bestandteile sind real, Ideen sind ideal. An einer Seinsweise unterscheidet Ingarden weitere Aspekte, sog. „existentiale Momente“. In Band I des Streits, der den Untertitel „Existentialontologie“ trägt, unterscheidet Ingarden verschiedene solcher existentialer Momente, nämlich verschiedene Arten existentialer Abhängigkeit. (Vgl. Wachter 2000, Kap. 2.1.) Bei Aristoteles gründet die Unterscheidung zwischen Form und Materie auf dem Gedanken, daß der Veränderung eines Dinges etwas zu Grunde liegt, das die Veränderung überdauert und an dem die Veränderung stattfindet. Und wenn etwas entsteht, dann entsteht es aus etwas. Die

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Bronze, aus der eine Statue gemacht ist, ist die Materie der Statue, und sie hat eine Form. Ingarden stellt diese und auch etliche andere Konzeptionen von Form und Materie vor, entscheidet sich dann aber dafür, eine andere zu verwenden. Unter Materie versteht er alles Qualitative; unter Form versteht er das, worin eine Materie steht, d.h. die Art des Gegenstandes, den das Qualitative bestimmt. Nehmen wir die Dichte des Mondes von 3,34 g/m². Sie hat eine Form: die Form einer Eigenschaft. An der Materie, die in dieser Form steht, liegt es, daß es nicht eine Eigenschaft des 5 kg Masse Habens, sondern eine Eigenschaft des 3,34 g/m² Dichte Habens ist. Andere Beispiele einer Form sind: die Form eines „seinsautonomen individuellen Gegenstandes“ (Substanz), die Form eines intentionalen Gegenstandes, die Form einer Idee. Ingardens Begriff einer Form erinnert somit das, was viele Philosophen „Kategorie“ nennen, also eine allgemeinste Art. Der zweite Band von Ingardens Streit trägt den Untertitel „Formalontologie“, denn in ihm werden die verschiedenen Formen untersucht. Eigenschaften sind individuell Während die Zahl Drei, die Idee des Rauhaardackels und Zinnoberröte im allgemeinen ideale Gegenstände sind, sind der Rauhaardackel, die Masse dieses Rauhaardackels von 3,7 Kilogramm, meine Jähzornigkeit, Wladimir Putins Seele und der Poltergeist von Enfield hingegen, sofern sie existieren, reale, individuelle Gegenstände. Unter diesen sind einige unvollständig, denn sie können nur mit oder an bestimmten anderen Entitäten existieren; z.B. kann die Masse des Rauhaardackels nur an dem Rauhaardackel existieren. Andere hingegen, z.B. der Rauhaardackel, sind vollständig oder „konkret“. Ingarden bezeichnet sie als „seinsautonome individuelle Gegenstände“, wir werden aber weiterhin die übliche, von Ingarden aber nicht verwendete Bezeichnung „Substanz“ verwenden. Eigenschaften hält Ingarden für individuell, Müllers 69-KilogrammMasse-Haben ist also numerisch verschieden von Hubers 69-KilogrammMasse-Haben; es sind zwei Eigenschaften, die sich ganz gleichen. (Streit II/1, 236) Die Alternative dazu wäre zu sagen, daß Eigenschaften Universalien sind (so z.B. Armstrong 1989), daß also Müller und Huber jene Eigenschaft teilen; Müllers 69-Kilogramm-Masse-Haben ist dieselbe Entität wie Hubers 69-Kilogramm-Masse-Haben. Ingarden lehnt diese Auffassung mit der Begründung ab, daß nicht im Seinsbereich eines Gegenstandes sowohl ideale als auch reale Entitäten sein können. Wenn ein Gegenstand individuell ist, dann sind auch alle seine ontologischen Bestandteile, z.B. seine Eigenschaften, individuell. Wie Husserl nennt Ingarden Eigenschaften auch „Momente“, was nichts mit „Haben Sie einen

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Moment Zeit?“ zu tun hat, sondern gleichbedeutend ist mit „Merkmal“ oder „Eigenschaft“. (In der englischen Philosophie ist die durch Donald Williams (1953) eingeführte Bezeichnung „tropes“ verbreitet.) Die Auffassung, daß Eigenschaften individuell sind, ist durchaus nicht neu, denn die als „Akzidentien“ in der scholastischen Philosophie bezeichneten Eigenschaften sowie Eigenschaften gemäß Aristoteles’ Kategorienschrift sind ebenfalls individuell. Das Universalienproblem löst Ingarden, wie auch Aristoteles, durch die Annahme von Universalien (Ingarden nennt sie „ideale Qualitäten“) zusätzlich zu den individuellen Eigenschaften.2 (Die meisten heutigen Universalienrealisten, z.B. David Armstrong, nehmen sie statt der individuellen Eigenschaften an.) Wenn zwei Steine beide die Masse 2 kg haben, dann haben beide eine Eigenschaft, die eine Exemplifikation des Eigenschaftsuniversale „2 kg überhaupt“ (oder „2-kg-Masse-Haben“) ist. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Steinen gründet in der Ähnlichkeit zwischen ihren Masse-Eigenschaften. Diese Ähnlichkeit gründet darin, daß sie beide Exemplifikationen desselben Universale sind. Ähnlichkeit wird also nicht als eine primitive Beziehung angesehen, sondern auf das Exemplifizieren desselben Universale zurückgeführt. Universalien sind ideale, d.h. zeitlose Entitäten, die Exemplare haben, die real und ontologische Bestandteile von Dingen sind. Das Herz einer Substanz: der Eigenschaftsträger Nach einigen Ontologien (z.B. Simons 1994) sind Substanzen Bündel von Eigenschaften, aber bei einer klassischen Substanzontologie wie Ingardens gibt es außer Eigenschaften auch Eigenschaftsträger. Entgegen der Auffassung, daß Eigenschaftsträger selbst völlig qualitätslos sind (engl. „bare substrata“), meint Ingarden, daß sie an sich qualitativ bestimmt sind, sie haben eine „Materie“, sie selbst sind von einer bestimmten Art. Die Materie einer Eigenschaft steht in der Form „Eigenschaft von etwas“, die Materie eines Subjektes steht in der Form „Subjekt von Eigenschaften“, genauer: „das unmittelbar qualifizierte Subjekt von Eigenschaften“ (Streit II/1, 64). Die Materie einer Eigenschaft und die Materie eines Subjektes ähneln einander nie, denn nur Materien, die in der gleichen Form stehen, können einander ähneln. Die Materie des Subjektes ist die Art des Dinges. In der Scholastik nannte man das die „forma substantialis“. Nehmen wir einmal an, daß Sokrates eine Substanz ist. Dann steht das individuelle 2

In der heutigen Terminologie sind Ingardens „ideale Qualitäten“ „transzendente Universalien“ (Armstrong 1989, 76), d.h. Universalien, die unabhängig davon existieren, ob sie exemplifiziert sind, und die nicht „in“ den Dingen sind, sondern in der Beziehung der Exemplifikation zu den Dingen stehen, die unter sie fallen.

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Menschsein des Sokrates in der Form „Subjekt von Eigenschaften“ und ist der Träger der Eigenschaften des Sokrates. Ingarden nennt den Eigenschaftsträger die konstitutive Natur des Gegenstandes. Wie Eigenschaften so sind auch konstitutive Naturen Exemplifikationen von Universalien. Es gibt zwei Arten von Universalien: Eigenschaftsuniversalien, deren Exemplifikationen die (individuellen) Eigenschaften von Gegenständen sind, und Artuniversalien, deren Exemplifikationen konstitutive Naturen, d.h. Eigenschaftsträger sind. Gegen Ingardens These, daß der Träger von Eigenschaften an sich selbst „unmittelbar“ qualitativ bestimmt ist, d.h. ohne daß da einerseits eine Qualität und andererseits ein Träger dieser Qualität wäre, läßt sich folgender Einwand erheben: Daß das Subjekt „qualifiziert“ ist, kann nur heißen, daß es eine Qualität trägt, also kann man die Qualität von dem Eigenschaftsträger unterscheiden und die Vorstellung eines „unmittelbar qualifizierten Subjektes von Eigenschaften“ ist widersprüchlich. Ingarden sollte entweder annehmen, daß es keine Eigenschaftsträger gibt und daß Dinge Bündel von Eigenschaften sind, oder daß der Eigenschaftsträger aus einer Artqualität und ihrem Träger besteht. Ingardens würde antworten, daß das eine Verwechslung der „rein ontischen formalen Struktur“ und der „bloß intentionalen formalen Struktur“ des Denkens über den Gegenstand ist. (Streit II/1, 105) Die Aussage „Das Subjekt X ist von der Art Y“ hat eine Subjekt-PrädikatStruktur, aber das zeigt nicht, daß es im Gegenstand einerseits die Artqualität und andererseits den Träger dieser Qualität gäbe. Das qualifizierte Subjekt ist ontologisch einfach, obwohl wir zu Recht von ihm aussagen können, daß es der Art Y ist. Der Einwand nimmt an, daß in allem, über das sich eine Aussage mit Subjekt-Prädikat-Struktur machen läßt, ein ontischer Unterschied zwischen einem Subjekt und dem ihm Zugeschriebenen besteht. Ingarden lehnt dies ab. Eine konstitutive Natur ist, wie eine Eigenschaft auch, eine Exemplifikation eines Universale und eine in einer Form stehende Materie. Ingarden kritisiert den „Denkautomatismus, infolge dessen man geneigt ist, die ‚Kategorie’ der Eigenschaft auf alles und jedes anzuwenden, was überhaupt im Seienden unterscheidbar ist.“ (Streit II/1, 96) Der Begriff der Eigenschaft umfaßt weder das Sein noch die Form noch eben die konstitutive Natur von etwas. Nicht jedem Prädikat entspricht eine Eigenschaft,3 und nicht alles, was an einem Ding unterschieden werden kann, ist dessen Eigenschaft. Jeder Gegenstand hat also in sich einen Eigenschaftsträger, der die Exemplifikation eines Artuniversale ist. Jedes Ding gehört zu einer Art. (Streit II/1, 82) Doch gehört nicht dieser Apfel hier sowohl zur Art Frucht, 3

Ingardens Schriften hatten keinen Einfluß auf die heutige Ontologie, doch David Armstrong (Armstrong 1978, Kap. 13) hat später genau dies behauptet, daß es keine Eins-zu-eins-Relation zwischen Prädikaten und Universalien gibt.

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als auch zur Art Apfel, als auch zur Art Boskop? Ingarden hält daran fest, daß eine Substanz nur eine konstitutive Natur hat und daß die anderen Arten, zu denen eine Substanz gehört, nur „Quasi-Naturen“ sind. Das Fruchtsein dieses Apfels beispielsweise ist eine Quasi-Natur. Was aber unterscheidet die konstitutive Natur einer Substanz von seinen Quasi-Naturen? Fruchtsein ist eine Quasi-Natur des Apfels, weil es verschiedene Arten von Früchten gibt. In der Hierarchie von Arten, zu der eine Substanz gehört, gibt es eine niedrigste, spezifischste; sie ist die konstitutive Natur der Substanz. In der Scholastik nannte man dies die „infima species“. Dagegen würde ich einwenden, daß es unter den Arten, zu denen eine Substanz gehört, keine niedrigste Art gibt. Für jede Art kann man einen Begriff einer niedrigeren Art bilden, indem man ihn spezieller macht. Wir sind frei darin, unter einen wie speziellen Begriff wir einen Gegenstand fassen. In der Zoologie z.B. faßt man diejenigen Lebewesen zu einer Art zusammen, die sich miteinander fortpflanzen können, doch man könnte auch spezifischere Artbegriffe wählen. Nach Ingarden gibt es eine niedrigste Art, zu der ein Ding gehört, auch wenn wir sie nicht entdecken können. Wir können immer einen Begriff einer niedrigeren Art bilden, aber nach Ingarden gibt es einen Punkt, an dem man nur noch dadurch einen spezifischeren Artbegriff bilden kann, daß man auf Eigenschaften Bezug nimmt. Wir können die Begriffe „Frucht“, „Apfel“, „Boskop“, „roter Boskop“ bilden, doch „roter Boskop“ bezeichnet nicht die konstitutive Natur, denn „rot“ nimmt auf eine Eigenschaft Bezug. Ingarden nimmt an, daß es eine niedrigste Art eines Dinges gibt, weil die phänomenologische Analyse zeigt, daß die ontische Struktur einer Substanz so ist. Nach Ingarden besteht die Natur einer Substanz nicht aus einer Menge von Eigenschaften. Unter den ontischen Bestandteilen eines Dinges gibt es sowohl Eigenschaften als auch eine konstitutive Natur. Aber können wir nicht eine Art durch die Angabe einer höheren Art und unterscheidender Eigenschaften definieren? Können wir nicht einen Menschen als ein rationales Lebewesen definieren? Ingarden antwortet: Wir können so vielleicht alle Gegenstände einer bestimmten Art herausgreifen, weil alle Dinge mit einer konstitutiven Natur einer bestimmten Art notwendig auch bestimmte Eigenschaften haben, doch die Natur eines Dinges ist von den Eigenschaften verschieden. Das ontologische Quadrat Mit der Unterscheidung zwischen der Artqualität eines Dinges, welche die Exemplifikation eines Artuniversale ist, und den Eigenschaften eines Dinges, welche Exemplifikationen von Eigenschaftsuniversalien sind, steht Ingardens Ontologie in der Tradition der Ontologie der Kategorienschrift

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(1a20-1b10) des Aristoteles. In frühen Logikschriften wird diese Ontologie durch das ontologische Quadrat4 illustriert, das durch die möglichen Kombinationen der Unterscheidung zwischen individuell und universal einerseits und der Unterscheidung zwischen Art und Eigenschaft andererseits entsteht. Nach Aristoteles ist eine Eigenschaft in einem Substrat (aber nicht dessen Teil), eine Art hingegen nicht, und etwas Universales wird über ein Substrat ausgesagt (καθ΄ ὑποκειμένου τινὸς λέγεται), etwas Individuelles hingegen nicht.5 Seiendes, das ...

über ein Substrat ausgesagt wird (etwas Universales)

nicht über ein Substrat ausgesagt wird (etwas Individuelles)

nicht in einem Substrat ist (Substanz) II Substanzuniversalien, z.B. Menschsein im allgemeinen

in einem Substrat ist (Eigenschaft, Akzidens) IV Eigenschaftsuniversalien, z.B. Weißsein im allgemeinen

I Substanzen, z.B. Sokrates, dieser Apfel hier

III Akzidentien (Momente), z.B. die Röte dieses Apfels

Im Feld (I) steht bei Ingarden, anders als bei Aristoteles, nicht eine konkrete vollständige Substanz, sondern nur die als Eigenschaftsträger fungierende individuelle Artqualität, die konstitutive Natur. Wie schon gesagt verwendet Ingarden keine traditionelle Terminologie. Statt von „Universalien“ spricht er von „idealen Qualitäten“, „Substanzen“ nennt er „seinsautonome individuelle Gegenstände“ oder einfach nur „Gegenstände“, Akzidentien nennt er „Momente“ oder „Eigenschaften“, und die in der Tradition „forma substantialis“ genannte individuelle Artqualität nennt er „konstitutive Natur“.

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Die Bezeichnung stammt von (Angelelli 1967, Kap. 1). Zeitgenössische Autoren, die eine solche Ontologie vertreten sind: (Lowe 2006), (Smith 1997), (Loux 1998, Kap. 3).

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Substanzen sind seinsselbständige Gegenstände Während nach Aristoteles die Eigenschaften einer Substanz nicht Teile von ihr sind (Kategorien, 1a26), faßt Ingarden sie als Teile auf, allerdings als Teile einer besonderen Art. Wie Husserl in der III. Logischen Untersuchung unterscheidet er zwei Arten von Teilen: Das Griffbrett ist ein „konkreter Teil“ der Geige, die Masse eines Rauhaardackels ist ein „abstrakter Teil“ des Dackels. Das Griffbrett kann man aus der Geige ausbauen, wenn man nur das richtige Werkzeug besitzt, die Masse des Rauhaardackels kann man aber nicht ausbauen, sie kann überhaupt nicht alleine existieren, sondern nur als Masse dieses Dackels. Im Gegensatz zu einem konkreten Teil kann ein abstrakter Teil grundsätzlich nicht aus dem Ganzen herausgelöst werden, denn er ist existentiell von den anderen ontischen Bestandteilen, d.h. abstrakten Teilen, der Substanz abhängig. Erst das Ganze aus allen abstrakten Teilen einer Substanz ist existenzfähig. Diesen in vielen Substanztheorien6 vorkommenden Gedanken, daß Substanzen unabhängig sind, präzisiert Ingarden durch seine Unterscheidung von verschiedenen Arten von Seinsabhängigkeit in seiner „Existentialontologie“ im ersten Band des Streits. Er faßt sie als „existentiale Momente“ auf, d.h. als etwas an einer Seinsweise, wie z.B. Realsein oder Idealsein, zu Unterscheidendes. Das existentiale Moment, das Substanzen auszeichnet, ist die Seinsselbständigkeit, die ontischen Bestandteile einer Substanz sind hingegen seinsunselbständig. Ingarden definiert dies wie folgt: Seinsselbständig ist eine Gegenständlichkeit, wenn sie ihrem Wesen nach zu ihrem Sein das Sein gar keiner anderen Gegenständlichkeit erfordert, welche mit ihr innerhalb der Einheit eines Ganzen zusammen sein müßte, oder mit anderen Worten, wenn ihr Sein kein notwendiges Zusammensein mit einer anderen Gegenständlichkeit innerhalb der Einheit eines Ganzen ist. Seinsunselbständig dagegen ist eine Gegenständlichkeit, wenn ihr Sein ein aus ihrem Wesen fließendes notwendiges Zusammensein mit einer anderen Gegenständlichkeit [...] in der Einheit eines Ganzen ist. (Streit I, § 14) Was versteht Ingarden unter der „Einheit eines Ganzen“? Auch der Stimmstock und das Griffbrett einer Geige existieren in der Einheit eines Ganzen, aber sie könnten auch ohne die anderen Teile der Geige existieren und ohne in die Geige eingebaut zu sein. Man könnte auch sagen, daß der Grundstein eines Hauses nicht ohne das Haus, dessen Grundstein er ist, existieren könnte, weil er sonst kein Grundstein wäre, doch das ist nicht, was Ingarden meint, denn der Grundstein eines Hauses kann von dem Haus entfernt werden und dabei weiter existieren. Er ist dann zwar nicht mehr Grundstein, aber er existiert doch weiter. Wäre er seinsunselbständig, wäre 6

Zum Beispiel (Lowe 1998, Kap. 6).

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das nicht möglich. Eine seinsunselbständige Entität wäre nicht nur eine andere Entität, wenn sie aus dem Ganzen entfernt würde, sie kann überhaupt nicht außerhalb des Ganzen existieren. Es ist völlig unmöglich, eine seinsunselbständige Entität aus dem Ganzen zu entfernen. Wenn T ein seinsunselbständiger Teil des ganzen G ist, dann kann es nichts geben, das T gleicht, das aber nicht Teil eines Ganzen ist, d.h. das nicht so mit anderen Entitäten verbunden ist, wie T mit den anderen Teilen von G verbunden ist. Unter der „Einheit eines Ganzen“ versteht Ingarden die Einheit, in der die Masse, die Dichte und die Temperatur des Mondes stehen, also die Einheit, in der die Eigenschaften (und anderen ontischen Bestandteile) eines Dinges stehen. Wir können demnach Ingardens Definition wiedergeben als: Seinsunselbständig ist eine Entität, wenn sie nur in der Einheit eines Dinges existieren kann. Ingarden führt weitere Differenzierungen durch: x ist eindeutig seinsunselbständig in Bezug auf y: x kann nur existieren, wenn es mit y in der Einheit eines Dinges ist. x ist vieldeutig seinsunselbständig gegenüber y: x kann nur existieren, wenn es mit y oder einer anderen Entität einer bestimmten Art in der Einheit eines Dinges ist. (Die Masse des Mondes z.B. ist vieldeutig seinsunselbständig gegenüber der Temperatur des Mondes, denn der Mond könnte eine andere Temperatur, aber dieselbe Masse haben.) x ist gegenseitig seinsunselbständig gegenüber y: x ist eindeutig seinsunselbständig gegenüber y, und y ist eindeutig seinsunselbständig gegenüber x. x ist seinsunselbständig (oder „abstrakt“): es gibt eine Entität, gegenüber welcher x (eindeutig oder vieldeutig) seinsunselbständig ist. Alle ontischen Bestandteile einer Substanz, insbesondere alle Eigenschaften, sind nach Ingarden seinsunselbständig gegenüber den anderen Bestandteilen der Substanz. Die gegenseitige Seinsunselbständigkeit hält die abstrakten Teile einer Substanz zusammen, sie ist gleichsam ihr ontologischer Leim. Nur Substanzen sind seinsselbständig: „[Die im Bestand einer Substanz] untertauchenden seinsunselbständigen Momente [haben] ihre [...] Ergänzungsbedürftigkeit restlos gestillt“ (Streit II/1, 91). Notwendigkeit, die Empiristen nicht mögen Wenn Ingarden sagt: „x kann nur existieren, wenn es mit y in der Einheit eines Dinges ist“, dann heißt das nicht, daß „x existiert nicht mit y in der Einheit eines Dinges“ selbstwidersprüchlich ist. Die Empiristen wollen Unmöglichkeit auf Widersprüchlichkeit zurückführen, aber Phänomenologen nehmen modale Wahrheiten an, die weder analytisch noch selbstwidersprüchlich sind. Wenn die Masse des Rauhaardackels seinsun-

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selbständig ist, liegt das nicht an der Bedeutung von „die Masse des Rauhaardackels“, es liegt nicht an Begriffen, sondern an der Masse des Rauhaardackels, also an den beschriebenen Gegenständen. Ingardens Auffassung, daß Momente seinsunselbständig sind, widerspricht dem Empirismus vieler zeitgenössischer Ontologen. Keith Campbell (1990, 59) läßt in seiner Momentenbündelontologie beispielsweise ausdrücklich die Möglichkeit eines allein und isoliert existierenden Moments zu. Er läßt keine notwendigen Verbindungen zwischen den ontischen Bestandteilen eines Dinges zu: „It is a matter of fact, and not of metaphysical necessity, that tropes commonly occur in compresent groups.“ (Campbell 1990, 21) Er möchte die Annahme vermeiden, daß eine Entität x nicht ohne eine Entität y existieren kann, obwohl x und y verschieden sind. Empiristen der Humeschen Tradition glauben, daß alles Wissen durch Sinneswahrnehmung kommt, und sie möchten die Annahme vermeiden, daß es Tatsachen gibt, von denen wir nicht wissen können. Die von Ingarden behaupteten Seinsunselbständigkeiten wären etwas, was man nicht durch die Sinne erkennen kann. Daher nehmen viele heutige Ontologen wie Campbell an, daß die ontischen Bestandteile eines Dinges voneinander unabhängig sind. So findet David Armstrong, Abhängigkeiten zwischen voneinander verschiedenen ontischen Bestandteilen eines Dinges wären „eine recht mysteriöse Notwendigkeit in der Welt“ (Armstrong 1989, 118), und vertritt deshalb eine „kombinatorische Theorie der Möglichkeit“, in der alle voneinander verschiedenen Entitäten voneinander unabhängig sind. (Armstrong 1989) Empiristen sagen typischer Weise, daß Notwendigkeit allein in der Verwendung der Worte oder in den Begriffen, mit denen die Aussagen ausgedrückt werden, ihren Grund haben kann. (Armstrong 1978, 168) Ingarden sieht das nicht so, er lehnt die Annahme des „radikalen Empirismus“ (Streit II/1, 278) ab, daß voneinander verschiedene Entitäten voneinander unabhängig seien, und nimmt genau solche Notwendigkeit an, wie Empiristen sie mysteriös finden, nämlich synthetische Notwendigkeit, d.h. Notwendigkeit, die nicht auf Analytizität oder Selbstwidersprüchlichkeit zurückzuführen ist. (Vgl. Wachter 2000) Das Wesen einer Substanz Alle Eigenschaften einer Substanz sind seinsunselbständig und können daher nicht ersatzlos von ihr entfernt werden. Einige der Eigenschaften einer Substanz können aber entfernt werden, indem eine andere ihren Platz einnimmt. Das sind die nicht-wesentlichen Eigenschaften des Dinges. Andere Eigenschaften einer Substanz können nicht entfernt werden, ohne daß die Substanz dadurch zerstört wird, d.h. zu existieren aufhört.

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Eine Substanz existiert genau so lange wie ihre konstitutive Natur existiert, sie ist identisch mit jedem seinsselbständigen Ganzen, welches sie enthält. Daß eine Substanz zu existieren aufhört, heißt, daß ihre konstitutive Natur zu existieren aufhört. Wesentlich sind diejenigen Eigenschaften einer Substanz, gegenüber denen die konstitutive Natur eindeutig seinsunselbständig ist. Nichtwesentlich sind diejenigen Eigenschaften einer Substanz, gegenüber denen die konstitutive natur vieldeutig seinsunselbständig ist. Zum Wesen einer Substanz gehören die konstitutive Natur und die wesentlichen Eigenschaften. Die diachrone Identität eines Dinges, d.h. das über die Zeit hinweg Existieren und dasselbe Ding Bleiben, ist für Ingarden gänzlich unabhängig von den Begriffen, unter die wir die Dinge fassen. Er kritisiert Adolf Reinachs Ansicht, „die Dieselbigkeit des in der Zeit verharrenden Gegenstandes sei nicht in ihm selbst immanent verkörpert, sondern irgendwie und aus irgendwelchen Gründen nur von dem erkennenden Subjekt dem Gegenstand aufgedrungen“. (Streit II/2, 13) Die von Ingarden abgelehnte Auffassung können wir Identitätsrelativismus nennen und wie folgt formulieren. (Ich verteidige sie in (Wachter 2000, Kap 4.8).) Um auf bestimmte Portionen unserer Umwelt Bezug zu nehmen, fassen wir sie unter sortale Begriffe wie „Vogel“, „Boskop-Apfel“, „Schiff“ oder „Planet“. Diese Begriffe erlauben uns auch, Veränderungen zu erfassen, z.B. indem wir sagen „Das Schiff hat gestern den Hafen verlassen und fährt heute in Richtung Madagaskar“ oder „Das Haus wurde durch einen Kometen zerstört“. Diese Begriffe haben einen Gehalt, der besagt, was für Eigenschaften ein Ding haben muß, um unter ihn zu fallen. Wenn wir ein Ding unter einen sortalen Begriff fassen und es verliert einige dieser Eigenschaften, so daß es nicht mehr unter diesen Begriff fällt, dann ist es mit Bezug auf den betreffenden sortalen Begriff wahr zu sagen, daß es zu existieren aufgehört habe. Demnach ist, gegen Ingarden, die Dieselbigkeit des in der Zeit verharrenden Gegenstandes ihm nicht immanent, sondern sie ist relativ zu dem sortalen Begriff. Wenn man vor einem „Kunstwerk“ von Josef Beuys steht, das aus 27 aneinander gelehnten Besenstielen besteht, kann man das unter den Begriff einer Kunst-Installation oder unter den Begriff einer Besenstilsammlung fassen. Stößt jemand aus Versehen die Besenstiele um, dann ist damit die KunstInstallation zerstört, aber die Besenstilsammlung nicht. Ein anderes Beispiel: Vor mir auf einem Teller liegt ein Eiswürfel. Wenn er schmilzt hört der Eiswürfel auf zu existieren, die Portion Wasser aber nicht. Es ist nichts zu Entdeckendes, ob eine Zerstörung stattgefunden hat, es hängt davon ab, unter welchen Begriff der Gegenstand gefaßt wird. Bei jeder Veränderung läßt sich ein sortaler Begriff bilden, der vor der Veränderung zutrifft, nach der Veränderung aber nicht. Mit ihm läßt sich dann eine wahre Aussage der Art „A hat aufgehört zu existieren“ bilden.

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Ingarden hingegen behauptet, daß es etwas an einem Ding zu Entdeckendes ist, welches seine konstitutive Natur ist und ob eine bestimmte Veränderung die Existenz des Gegenstandes beendet hat. Ein seinsselbständiger Gegenstand „verschiebt sich mit seinem ganzen Seinsbereich in eine immer neue Gegenwart, bis er eventuell in einer Gegenwart zu sein aufhört.“ (Streit II/2, 32) Die Einteilung der Welt Ist Ingardens Ontologie wahr? Das hängt davon ab, ob es Substanzen gibt. Genauer: Es hängt davon ab, ob die Welt aus Substanzen besteht. Es muß nach Ingardens Ontologie eine eindeutige Einteilung der Welt in Substanzen geben, und jede dieser Substanzen muß einer niedrigsten Art zugehören.7 Jener Stein dort wäre entweder eine Substanz, ein Teil einer Substanz, aus Substanzen zusammengesetzt oder überlappte mit Substanzen. Ingarden läßt offen, was die Substanzen sind, aus denen diese Welt besteht. Es könnten Elementarteilchen oder Strings sein oder auch mittelgroße Gegenstände wie Kaninchen und Steinchen. Das zu untersuchen hält Ingarden aber nicht für die Aufgabe der Ontologie, nicht einmal der Metaphysik: „Darüber müßte uns die Physik bzw. die Biologie belehren.“ (Streit II/1, 62) * Literatur Angelelli, Ignacio. 1967. Studies on Gottlob Frege and Traditional Philosophy. Dordrecht: Reidel. Armstrong, David M. 1989. A Combinatorial Theory of Possibility. Cambridge UP. ———. 1989. Universals: An Opinionated Introduction. Boulder: Westerview Press. ———. 1978. Universals and Scientific Realism II: A Theory of Universals. Cambridge UP. Campbell, Keith. 1990. Abstract Particulars. Oxford: Blackwell. Ingarden, Roman. 1975. On the Motives which led Husserl to Transcendental Idealism (translation from Polish). Übs. A. Hannibalson. The Hague: Nijhoff. 7

In (Wachter 2000) habe ich die Auffassung vertreten, daß zumindest die materielle Welt nicht aus Substanzen besteht, und eine alternative Ontologie, eine „Feldontologie“ vorgestellt. * Ich danke dem Freistaat Bayern, der durch den Bayerischen Habilitationsförderpreis diese Arbeit möglich gemacht hat.

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———. 1974. Der Streit um die Existenz der Welt III: Über die kausale Struktur der realen Welt. Tübingen: Niemeyer. ———. 1965. Der Streit um die Existenz der Welt II/1: Formalontologie. Tübingen: Niemeyer. ———. 1965. Der Streit um die Existenz der Welt II/2: Formalontologie 2. Teil. Tübingen: Niemeyer. ———. 1964. Der Streit um die Existenz der Welt I: Existentialontologie. Tübingen: Niemeyer. ———. 1918. Brief an Edmund Husserl über die VI. Untersuchung und den Idealismus. In Analecta Husserliana 2. Hg. A. Tymieniecka. Dordrecht: Reidel, 357-374. Loux, Michael J. 1998. Metaphysics: A Contemporary Introduction. London: Routledge. Lowe, E. J. 2006. The Four-Category Ontology: A Metaphysical Foundation for Natural Science. Oxford: Clarendon Press. ———. 1998. The Possibility of Metaphysics: Substance, Identity, and Time. Oxford: Clarendon Press. Meixner, Uwe. 2004. Einführung in die Ontologie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Mitscherling, Jeff. 1997. Roman Ingarden's Ontology and Aesthetics. University of Ottawa Press. Scheler, Max. 1916. Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik. 6. Aufl. Bern, München: Francke Verlag, 1980. Simons, Peter. 1994. Particulars in Particular Clothing: Three Trope Theories of Substance. Philosophy and Phenomenological Research 54:553-575. Smith, Barry. 1997. On Substances, Accidents and Universals: In Defence of a Constituent Ontology. Philosophical Papers 26:105-127. Strawson, Peter F. 1959. Einzelding und logisches Subjekt. Übs. F. Scholz. Stuttgart: Reclam, 1972. Thomasson, Amie. 2003. Roman Ingarden. In The Stanford Encyclopedia of Philosophy, Hg. E. N. Zalta. URL = . Wachter, Daniel von. 2000. Dinge und Eigenschaften: Versuch zur Ontologie. Dettelbach: Verlag J.H. Röll. ———. 2000. Synthetische Notwendigkeit. Metaphysica Sonderheft 1:155-177. Williams, Donald C. 1953. On the Elements of Being. Review of Metaphysics 7:3-18 & 171-192.

Erwin Tegtmeier: Wesenlose Substanz (Gustav Bergmann) 1. Die Ausdünnung des Wesens In seiner Metaphysik-Schrift setzt Aristoteles die individuelle Substanz noch mit ihrem Wesen (ti en einai) bzw. der substanziellen Form (eidos) gleich. Im Laufe der Entwicklung der Substanzphilosophie im Mittelalter wird die substanzielle Form jedoch zunehmend als problematisch empfunden und ihr Aufgabenbereich geschmälert. Die substanziellen Formen werden zudem ausgedünnt (d.h. abstrakter gefaßt), und in dem Maße verringert sich ihre Anzahl. Bei Descartes gibt es dann nur noch zwei substanzielle Formen (er nennt sie „attributa“), die des Geistigen und die des Körperlichen. Der deutsche Cartesianer Clauberg entwickelt anscheinend als erster die Konzeption einer wesenlosen Substanz, eines reinen Trägers von Bestimmungen1. Und so richtet sich denn die empiristische Kritik an der Substanz gegen einen reinen Eigenschaftsträger (Locke spricht von einem „I know not what“), obwohl Aristoteles noch ausdrücklich ausschließt, daß der Eigenschaftsträger (hypokeimenon) eine Substanz (ousia) ist. Seine Begründung ist, daß sonst die Materie Substanz wäre.2 Die erste Materie (prote hyle), den Träger der substanziellen Bestimmungen, der substanziellen Form läßt Aristoteles überhaupt nicht als Entität gelten. 2. Vorläufer des bloßen Einzelnen Im 20. Jahrhundert haben erst Russell und dann später Gustav Bergmann systematischer und konsequenter eine wesenlose Substanz bzw. ein wesenloses Individuum in der Ontologie verfochten. Der englische Ausdruck bei Bergmann ist „bare particular“, was man auch mit „bloßes Einzelnes“ übersetzen kann. Als historischen Vorläufer verweist Bergmann auf Thomas von Aquins bezeichnete Materie (materia signata), die das gewöhnliche Ding (wie z.B. einen Baum oder eine Statue) individuieren soll. Aristoteles’ erste Materie 1

J. Clauberg, Disputationes physicae, Disputatio IV, in: ders., Opera omnia philosophica I. Hildesheim 1968: Georg Olms 2 Aristoteles: Metaphysica. Z 3

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kommt als Vorläufer weniger in Frage, weil Aristoteles sie als nicht individuiert ansieht, als kein Diesda (tode ti). Russell und Bergmann messen dem bloßen Einzelnen vor allem die Aufgabe der Individuation des gewöhnlichen Dings zu. Man kann auch die Ansicht vertreten, daß die von ihrer substanziellen Form verschiedene und sich durch sich selbst individuierende Substanz bei Francisco Suarez ein bloßes Einzelnes bzw. eine wesenlose Substanz ist3. Suarez gehört noch ins 16. Jahrhundert und wird zur Spätscholastik gerechnet. Er ist also zeitlich früher einzuordnen als Clauberg. 3. Mißverständnisse des bloßen Einzelnen Die Gefahr bei dem Begriff des bloßen Einzelnen ist, daß der Ausdruck „bare particular“ als Bezeichnung für etwas Eigenschaftsloses, etwas, das tatsächlich keine Eigenschaften hat, mißverstanden wird. W. Sellars z.B.4 hält den Begriff des bloßen Einzelnen für widersprüchlich, insofern als diesem alle Eigenschaften abgesprochen werden und es zugleich als Eigenschaftsbesitzer angesehen werde. Er verkennt, daß damit keineswegs dem Ding alle seine Eigenschaften abgesprochen werden sollen. Vielmehr wird bloß zwischen dem Ding und allen seinen Eigenschaften unterschieden und es wird ausgeschlossen, daß das Ding irgendwelche Eigenschaften wesentlich und von sich aus hat. Ein ähnliches Mißverständnis des Begriffs des Dings als Trägers seiner Eigenschaften begegnet einem schon bei Locke und Kant, und Sellars’ Kritik ist sicher von ihnen angeregt. Locke argumentiert, daß ein bloßer Eigenschaftsbesitzer unbeschreibbar und unerkennbar wäre5 und Kant, daß nichts mehr übrig bliebe, wenn man von einem Ding die Prädikate wegnähme6. Locke und Kant setzen dabei als selbstverständlich voraus, was die Verfechter eines Dings als Eigenschaftsbesitzer gerade bestreiten müssen, nämlich, daß ein solches Ding nicht existiert, daß es nicht erkennbar wäre, weil nur eine Eigenschaft, ein Sosein erkennbar ist. Daß nur Sosein (eidos) erkennbar ist, war ein Grundsatz Platons, dem sich Aristoteles in seiner Metaphysik-Schrift unterworfen hat, mit der Konsequenz, daß er die erste Materie, eine nicht unwichtige Kategorie seiner Ontologie, für unerkennbar erklären mußte. 3

E. Tegtmeier: Das bloße Einzelne und Suarez’ Individuationsprinzip, in: W. Löffler / E. Runggaldier (Hrsg.): Vielfalt und Konvergenz der Philosophie. Wien 1999: Hölder-Pichler-Tempsky 4 Vgl. W. Sellars: Science, Perception, and Reality. London 1963: Routledge and Kegan Paul S. 282f. 5 Vgl. J. Locke: An Essay Concerning Human Understanding, Book II Chapter XXIII §2 6 Vgl. Kant: Prolegomena, §46

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4. Russells Argument für das bloße Einzelne Für die Annahme eines bloßen Einzelnen bringt Russell ein Argument vor. Es lautet: im Falle von zwei qualitativ genau gleichen Dingen könnte man ohne die Annahme verschiedener bloßer Einzelner ihre numerische Verschiedenheit ontologisch nicht begründen7. Eine entsprechende Schwierigkeit ist für die aristotelischen substanziellen Formen bekannt, sofern man sie als Allgemeines auffaßt, das mehreren Dingen gemeinsam sein kann. In der Tradition wird die Schwierigkeit meist dadurch behoben. daß die substantielle Form für individuell erklärt wird, was ohnehin aus Aristoteles’ erwähnter Identifikation von Einzelding und substantieller Form (eidos) folgt. In entsprechender Weise läßt sich Russells Argument dadurch unwirksam machen, daß man Eigenschaften als individuelle auffaßt statt als allgemeine, die mehreren Dingen gemeinsam sein können. Nach dieser Auffassung würden zwei genau farbgleiche Objekte doch numerisch verschiedene individuelle Farbqualitäten haben. Bergmann berücksichtigt später, wenn er Russells Argument wieder aufnimmt, während Russell selbst davon abkommt8, diese Möglichkeit, und er weitet die Argumentation auf das Universalienproblem aus9. Er bringt vor, daß sich zwar das Individuationsproblem für die beiden qualitativ genau gleichen Dinge lösen ließe, also ihre numerische Verschiedenheit ontologisch begründet werden könnte, wenn man sie als Bündel individueller Eigenschaften (die Bergmann „perfect particulars“ genannt hat, die man heute aber meist „tropes“ nennt) auffaßt, statt als Bündel von Universalien, daß mit diesen individuellen Eigenschaften die ontologische Fundierung der qualitativen Gleichheit, also die Lösung des Universalienproblems, jedoch in große Schwierigkeiten führt. 5. Inwiefern ist das bloße Einzelne eine Substanz? Russell kehrt mit seinem Argument und der Annahme eines einfachen Individuums bis zu einem gewissen Grade zur Substanztradition zurück, insoweit als er die Auflösung der Substanz in einen Komplex von Qualitäten, wie ihn Gassendi, Locke und Hume betrieben haben, rückgängig macht. Er knüpft allerdings nicht einmal terminologisch an die Substanztradition an. Und auch Bergmann distanziert sich eher von ihr. Sie 7

Vgl. B. Russell: On the Relations of Universals and Particulars, in: ders.: Logic and Knowledge. London 1956 : Allen & Unwin 8 Vgl. B. Russell: Human Knowledge. London: Allen & Unwin 1948, Part Four, Chap. 8 9 Vgl. G. Bergmann: Russell on Particulars, in: derselbe: Collected Works Vol. I. Frankfurt 2003: Ontos Verlag, und Collected Works Vol. III. Realism. Frankfurt 2004: Ontos Verlag, Part I

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Gustav Bergmann

meinen, das bloße Einzelne sei ein reiner Individuator und deshalb von der Substanz mit ihrem Wesen weit entfernt, zumal Individuation nicht gerade die naheliegende Aufgabe des Wesens ist. Welches sind überhaupt die Aufgaben der Substanz, welche ontologischen Probleme sollen damit gelöst werden? Welche ontologischen Rollen schreibt man einer Entität zu, wenn man sie als Substanz anerkennt? Bergmann hat fünf Rollen der Substanz zusammengestellt: 1. die des Individuators, 2. die des Trägers der Eigenschaften, 3. die des Minimalobjekts (sozusagen des Kerns eines gewöhnlichen Dings), 4. die der Grundlage des Fortbestehens eines gewöhnlichen Dings über Zeit und Veränderungen hinweg und 5. die des Agens. Nun erfüllt das bloße Einzelne offenbar die ersten drei Aufgaben. Das Wesen diente in der Substanztradition in erster Linie der 4. Aufgabe. Dazu mußte es allerdings auch die ersten drei erfüllen können, vor allen Dingen auch ein Individuator sein, zumal die Substanz darauf angelegt ist, eine einfache Entität zu sein, auch wenn das viele Vertreter der Substanzphilosophie nicht gesehen haben. Bei Russell und Bergmann spielt das bloße Einzelne die vierte Rolle nicht. Es ist kein Fortdauerndes. Das hat aber mehr mit dem starken empiristischen, ja sogar phänomenalistischen Einfluß zu tun, unter dem sie stehen, als mit der Konzeption des bloßen Einzelnen. Es ist denn später10 auch ein fortbestehendes bloßes Einzelnes vertreten worden, das einfach ist, während Russell und Bergmann es generell für momentan erklären und die Fortdauer des gewöhnlichen Dings auf eine kausal zusammenhängende zeitliche Reihe von momentanen bloßen Einzelnen gründen. Dabei wird das gewöhnliche dauerhafte Ding in der ontologischen Analyse in eine Vielzahl von momentanen bloßen Einzelnen aufgelöst, und die Vielzahl wird nicht selbst als Entität angesehen, auch wenn sie zeitlich geordnet und in sich kausal verknüpft ist. Russell und Bergmann vertreten diese Auffassung wegen der Beschränkung der Wahrnehmung auf das jeweils Gegenwärtige, in der demnach nur Momentanes gegeben ist, und um Widersprüche bei der ontologischen Analyse der Veränderung zu vermeiden. Diese Widersprüche lassen sich jedoch auch mit einen einfachen und doch fortdauernden bloßen Einzelnen vermeiden.11 Der entscheidende Schritt zu dieser Auffassung ist die Annahme von zeitlichen Teilen eines fortdauernden bloßen Einzelnen, die selbst bloße Einzelne, aber keine Bestandteile von ihm sind. Zeitliche Teile sind sie vielmehr aufgrund einer Beziehung (einer relationalen Universalie), in der sie zu dem fortdauernden bloßen Einzelnen stehen.

10 11

E. Tegtmeier: Grundzüge einer kategorialen Ontologie. Teil II Ebenda, § 9

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Ein fortdauerndes bloßes Einzelnes, das alle Rollen bis auf die fünfte spielen kann, wird man uneingeschränkt unter den traditionellen Begriff der Substanz bringen können. 6. Das Wesen des bloßen Einzelnen Bergmann ist irgendwann klar geworden, daß das bloße Einzelne nicht ganz wesenlos sein kann. Da er neben der Kategorie der bloßen Einzelnen noch andere Kategorien annimmt, stellte er sich die Frage, worin der Unterschied zwischen den Kategorien und die Gemeinsamkeit zwischen Entitäten derselben Kategorie gründen. Seine Antwort: in Bestimmungen, die enger mit der jeweiligen Entität verbunden sind als ihre gewöhnlichen Eigenschaften, und die mit ihr notwendig verbunden sind. Bergmann vertritt, daß den bloßen Einzelnen notwendig eine Bestimmung zukommt, die sie zu Einzelnen macht. Er nennt diese „Partikularität“. Verglichen mit einem aristotelischen Wesen (wie z.B. ein Mensch zu sein oder eine Hermesstatue zu sein) sind Bergmanns kategoriale Wesensbestimmungen sehr abstrakt. Dies liegt aber im Zuge der schon erwähnten Entwicklung der Substanzphilosophie zu immer abstrakteren Wesensbestimmungen. Auf der Partikularität der bloßen Einzelnen und auf den kategorialen Bestimmungen im Allgemeinen beruht nicht nur die Zugehörigkeit zu einer Kategorie, sondern auch die Möglichkeit des Verknüpftseins mit den Entitäten bestimmter anderer Kategorien. So kann ein bloßes Einzelnes aufgrund seiner Partikularität mit einer nichtrelationalen Universalie erster Stufe zu einem atomaren Sachverhalt verknüpft sein, nicht jedoch mit einer relationalen Universalie oder einer Universalie zweiter Stufe. Mit einer relationalen Universalie, die zwei Stellen hat und auf der ersten Stufe steht, können hingegen zwei bloße Einzelne zu einem atomaren Sachverhalt verknüpft sein. 7. Gamma- und Epsilon-Ontologien12 Bergmann diagnostiziert einen Grundgegensatz in der Geschichte der Ontologie zwischen Gamma- und Epsilon-Ontologien. Der Gegensatz betrifft die ontologische Analyse von Komplexität. Gamma und Epsilon stehen für verschiedene Weisen, in denen die Einheit eines Komplexes ontologisch fundiert wird. Gamma ist eine Funktion im Sinne Freges, die mehreren Entitäten als Argumenten zusammen ein andere Entität als Funktionswert zuordnet, ohne dass der Wert aus seinen Argumenten bestehen müsste. Deshalb ist der Funktionswert auch kein echter Komplex. 12

G. Bergmann: Realism. Section 2-4

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Gustav Bergmann

Er baut auf seinen Argumenten auf, aber er besteht nicht aus ihnen. Weil der Wert kein Komplex zu sein braucht, können Argumente und Werte zur selben Kategorie gehören und daher kann eine Gamma-Ontologie mit einer einzigen Kategorie auskommen. Dagegen ist eine Epsilon-Ontologie von vornherein auf mindestens drei verschiedene Kategorien angelegt. Zum einen, weil Epsilon ein Nexus, ein Verknüpfer ist, der Entitäten zu einem Komplex verknüpft und damit mindestens eine Kategorie von Komplexen mit sich bringt. Zum anderen, weil der Epsilon-Nexus die Aufgabe hat, den Eigenschaftsbesitz gewöhnlicher Dinge und das Bestehen von Beziehungen zwischen ihnen ontologisch zu fundieren. Epsilon verbindet also Entitäten verschiedener Kategorie. Bergmann spricht deshalb von einem „inhomogenen Nexus“. Nun führt Bergmann die Notwendigkeit eines inhomogenen Nexus in Epsilon-Ontologien auf die Kategorie der bloßen Einzelnen zurück. Weil ihnen an sich fast alle Bestimmungen fehlen, sind dafür noch Entitäten anderer Kategorie, ist also noch eine weitere Kategorie erforderlich. Bergmann schließt auch, daß in einer Ontologie mit bloßen Einzelnen, die Entitäten der anderen Kategorie, die Epsilon mit ihnen verknüpft, Universalien sein müssen, weil die Aufgabe der Individuation der gewöhnlichen Dinge schon durch die bloßen Einzelnen erfüllt wird, sie sich mithin auf die Aufgabe beschränken können, das Sosein des gewöhnlichen Dings zu begründen. Die Alternative zu den Universalien sind die schon erwähnten vollendeten Einzelnen (perfect particulars), wie Bergmann sie nennt, weil sie sowohl eine Bestimmung (ein Sosein) geben, als auch für die Individuation des gewöhnlichen Dings sorgen. Die Epsilon-Ontologien haben also die Kategorien der bloßen Einzelnen der Universalien, nicht die der vollendeten Einzelnen, und eine Kategorie von Komplexen, die Bergmann „Tatsachen“ (facts) nennt. Nach dem, was über die zentrale Rolle der bloßen Einzelnen gesagt worden ist, könnte man sie auch als „BloßeEinzelne-Ontologien“ bezeichnen. Dagegen haben Gamma-Ontologien nur eine Kategorie, deren Mitglieder allesamt einfach sind. In diese Kategorie fallen sowohl das Ding wie auch seine Eigenschaften. Es gibt in den Gamma-Ontologien eine starke Tendenz, die Eigenschaften nicht als Universalien, sondern als vollendete Einzelne aufzufassen. Das gewöhnliche Objekt wird im Rahmen der Gamma-Ontologien als Wert der Gamma-Funktion aufgefaßt für die vollendeten Einzelnen, die seinen Eigenschaften entsprechen, als Argumente. Als zentrales Merkmal von Gamma-Ontologien sieht es Bergmann auch an, daß sie nicht nur keinen Verknüpfer wie Epsilon zulassen, sondern auch keine gewöhnlichen Relationen, die in einer Epsilon-Ontologie als mehrstellige Universalien kategorisiert werden. Der Gamma-Ontologe läßt sich von der Konzeption der internen Relation leiten, mit der die Relation allein auf ihre Relata gegründet werden soll. Er

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nimmt im Hinblick auf das Bestehen einer Beziehung zwischen zwei vollendeten Einzelnen außer diesen keine weitere Entität an. Vom Standpunkt der Philosophiegeschichtsschreibung mag es unbefriedigend sein, wenn Bergmann erklärt, alle traditionellen ontologischen Systeme seien Gamma-Ontologien gewesen. Nun ist der Begriff der Tatsache in der Tat relativ neu. Allerdings ist auch Freges Begriff der Funktion neu. Bergmann vertritt jedoch die These, daß der darin steckende Gedanke von allen traditionellen Ontologien zur Lösung bzw. Vermeidung des Komplexitäts- bzw. Verknüpfungsproblems eingesetzt wird. Man könnte auch eine weitere Anwendbarkeit von Bergmanns Zweiteilung verfechten, als er selbst vorsieht, mit dem Hinweis, daß viele ältere Ontologen einer Epsilon-Ontologie zumindest nahe kommen (z.B. Aristoteles in seiner Kategorienschrift, Ockham mit seinen Schülern, die schon die Kategorie der Tatsache finden, und der schon erwähnte Clauberg). Im übrigen kann ein historischer Begriff erhellend sein, auch wenn nicht viel darunter fällt, wenn nämlich damit eine bisher unbemerkte grundsätzliche Gemeinsamkeit in einer langen wechselhaften Entwicklung und eine historische Wende herausgearbeitet werden. 8. Die Ausbreitung der bloßen Einzelnen Lange Zeit arbeitete Bergmann mit dem Gegensatz zwischen bloßen (bare) und bestimmten (natured) Entitäten. Die bloßen Entitäten charakterisierte er auch als reine Individuatoren. Die bestimmten Entitäten in diesem Sinne sind in den Epsilon-Ontologien vor allem die Universalien. Für die Universalien stellte sich Bergmann das Individuationsproblem, d.h. das Problem, die numerische Verschiedenheit einer Entität von allen anderen Entitäten ontologisch zu erklären, nicht oder anders als für die bloßen Einzelnen. An diesem Punkt setzt sich Bergmann von der verbreiteten und mehr in eine Gamma-Ontologie passenden Auffassung ab, daß die gewöhnlichen Objekte durch ihre Eigenschaften individuiert werden. Diese Auffassung ist z.B. in der sogenannten Leibniz-RussellDefinition der Identität niedergelegt, die die Identität von irgendwelchen Entitäten auf die Identität ihrer Eigenschaften zurückführt. Sie kann durch Umkehrung zu einer Definition der Nicht-Identität (also der numerischen Verschiedenheit) gemacht werden und wird dann für die Individuation relevant. Obwohl sich Bergmann von dieser Definition distanziert, was sich ja schon aus Russells Argument für die bloßen Einzelnen ergibt, behält er jedoch die implizite Voraussetzung dieser Definition bei, daß die Individuation der Eigenschaften selbst kein Problem sei. Man setzt als selbstverständlich voraus, ein Sosein unterscheide sich eo ipso dadurch, daß es so ist, wie es ist, und beläßt es dabei.

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Gustav Bergmann

Diese Ansicht mag bei der numerischen Verschiedenheit von zwei Farben oder zwei Formen, also bei Eigenschaften derselben Art noch überzeugen. Wie steht es aber bei der Verschiedenheit zwischen einer Farbe und einer Form, oder eine Tonhöhe und einer Temperatur? Zudem müssen die Universalien einer Epsilon-Ontologie sich nicht nur voneinander numerisch unterscheiden, sondern auch von jedem bloßen Einzelnen. Dies ist Bergmann in der zweiten Hälfte der 1960iger Jahre aufgegangen und er hat die Schwierigkeit zunächst durch die Annahme einer Diversitätsrelation beseitigen wollen.13 Schließlich ist er jedoch zu der Lösung gelangt, auch in den Universalien reine Individuatoren anzunehmen14. Diese benennt er „items“ (Punkte) und er gelangt zu einer ähnlichen ontologischen Analyse für bloße Einzelne und Universalien. Beide sind in Bergmanns später Ontologie zusammengesetzt aus einem Punkt (item) und einer Letztart (ultimate sort). Auf der Letztart beruht die Kategorienzugehörigkeit eines bloßen Einzelnen oder einer Universalie. Wir haben sie für die bloßen Einzelnen schon besprochen und als deren, wenn auch ausgedünntes, Wesen charakterisiert. Nun kommt das Wesen gemäß den gemeinsamen Prinzipien der Substanzphilosophie der betreffenden Entität notwendig zu. Dies findet nach Bergmann darin eine ontologische Grundlage, daß die Verbindung zwischen Punkt und Letztart äußerst eng ist, enger als sie durch den Epsilon-Verknüpfer hergestellt wird. Wie ist die Ausbreitung der bloßen Einzelnen auf die Universalien vom Standpunkt der Geschichte der Substanzphilosophie zu beurteilen? Wenn man die Einführung der bloßen Einzelnen und der Punkte in die Ontologie als Fortsetzung des Substanzgedankens betrachtet, kann man das als eine Bestätigung und Bekräftigung des Substanzgedankens verstehen. Er bekommt eine starke Stellung, die der im Aristotelismus nahe kommt. Und hier ist sie nicht wie dort durch Schwierigkeiten mit dem Komplexitätsproblem bedroht, zumal in der Gamma-Ontologie echte Komplexe keinen Platz haben. Die Reduktion des Wesens auf die kategorialen Rudimente liegt zudem, wie schon festgestellt wurde, im Zuge der Entwicklung des Aristotelismus.

13 14

Vgl. G. Bergmann: Diversity Vgl. G. Bergmann: Sketch of an Ontological Inventory

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Literatur E. B. Allaire: Bare Particulars, in: ders. et al.: Essays in Ontology. The Hague (Martinus Nijhoff) 1963 G. Bergmann: Collected Works I-III. Frankfurt 2003-4: Ontos Verlag G. Bergmann: Russell on Particulars, in: Collected Works I G. Bergmann: Strawson’s Ontology, in: Collected Works II G. Bergmann: Diversity, in: Collected Works II G. Bergmann: Sketch of an Ontological Inventory, in: Collected Works II G. Bergmann: Realism. Collected Works III G. Bergmann: New Foundations of Ontology. Madison (The University of Wisconsin Press) 1992 B. Russell: On the Relations of Universals and Particulars, in: ders.: Logic and Knowledge. London 1956: Allen & Unwin B. Russell: Human Knowledge. London 1948: Allen & Unwin E. Tegtmeier: Grundzüge einer kategorialen Ontologie. Freiburg / München 1992: Alber

Mark Textor: P. F. Strawson – Substanzen und identifizierende Bezugnahme1 0. Einleitung Der Englische Philosoph Peter F. Strawson verfolgt in seinen Büchern Individuals, The Bounds of Sense und Subjekt and Predicate on Logic and Grammar das Projekt einer deskriptiven Metaphysik. Die deskriptive Metaphysik beschreibt die begrifflichen Voraussetzungen unserer Common Sense Auffassung der Welt, d.h. derjenigen Propositionen über allgemeine Züge der Wirklichkeit, die für uns im Alltag fraglose Gewißheiten darstellen. Zu unserer Common Sense Auffassung der Welt gehört es, dass es EINE Welt gibt, die von wirklichen Dingen bevölkert wird. Wirkliche Dinge sind solche, die die Kraft haben, Veränderung zu bewirken und/oder selber Veränderungen erleiden. Musterbeispiele von wirklichen Dingen sind Personen, Lebewesen, materielle unbelebte Dinge (mein 5er BMW), Ereignisse (die Mondlandung) und Prozesse (die Schlacht bei Austerlitz). Viele wirkliche Dinge existieren unabhängig von unseren Wahrnehmungen und bewirken diese in uns. Alle wirklichen Dinge beginnen ihre Existenz irgendwann irgendwo; sie existieren für eine gewisse Zeit und vergehen dann. Manche von ihnen wechseln während ihres ‚Lebens‘ oft ihren Ort und verändern sich. Das Gegenstück der deskriptiven ist die revisionäre Metaphysik, die den Common Sense durch eine bessere Auffassung ersetzen will. Beispielsweise behaupten einige revisionäre Metaphysiker, dass der Common Sense inkonsistent ist, wenn er annimmt, dass derselbe wirkliche Gegenstand zu verschiedenen Zeiten existiert. Um diese Inkonsistenz zu vermeiden, sollte man besser von einer Serie von zeitlichen Teilen als von einem Gegenstand mit einem ‚Leben‘ sprechen.2 Wie hängen deskriptive Metaphysik und Substanztheorie zusammen? Die Annahme, dass es Substanzen gibt, hat in der Geschichte der 1

Dieser Aufsatz verdankt dem Seminar, das ich 1999 mit Wolfgang Künne in Hamburg zu Strawsons Philosophie gegeben habe, und dem Workshop, den ich 2006 zu Strawsons Individuals in Bern zusammen mit Hans Peter Schuett geleitet habe, entscheidende Anregungen. Den Teilnehmern beider Veranstaltungen und insbesondere Wolfgang Künne sei herzlich gedankt. Hanjo Glock, Holger Gutschmidt, Anneli Jefferson, Nora Kreft und Fraser McBride danke ich für hilfreiche Kommentare und Hinweise. 2 Vgl. dazu Lewis 1986, 202ff.; eine von Aristoteles’ Substanzlehre inspirierte Antwort geben Johnston 1987 und Wiggins 1995, §4.

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Philosophie verschiedene Rollen gespielt. Z.B. gehen Philosophen der Neuzeit, inspiriert durch die Naturwissenschaften ihrer Zeit davon aus, dass Substanzen die grundlegenden Dinge eines wissenschaftlichen Weltbildes sind. Substanzen wurden und werden als Dinge aufgefasst, die in einer bestimmten Hinsicht vorrangig sind. • Explanatorische Priorität: Die Eigenschaften von Substanzen und die für sie geltenden Gesetze erklären alle Phänomene. • Mereologische Priorität: Substanzen sind die Dinge, aus denen alles andere besteht. • Ontologische Priorität: Substanzen sind die Dinge, von deren Existenz die Existenz aller anderen wirklichen Dinge abhängt. • Logische Priorität: Substanzen sind die paradigmatischen Subjekte der Zuschreibung von Eigenschaften.3 Verschiedene Substanztheorien haben verschiedene Punkte dieser Liste ausgearbeitet. Strawson stellt einen neuen Gesichtspunkt vor, in dem Substanzen grundlegend sein sollen: • Identifikatorische Priorität: Substanzen begründen die Möglichkeit der identifizierenden Rede über wirkliche Dinge. Daraus, dass Substanzen in dieser Hinsicht grundlegend sind, soll folgen, dass sie in einigen der anderen Hinsichten grundlegend sind. Auf diese Weise, so die Idee, kann die Theorie der Substanzen vereinheitlicht werden. Grob gesagt, argumentiert Strawson für seine These so: Um ein wirkliches Ding zu identifizieren, müssen wir über ein einheitliches Raum-Zeit-System verfügen. Die Dinge, die dieses System konstituieren, sind Körper oder Dinge, die Körper haben (Personen). Daher begründen diese Dinge die Möglichkeit der identifizierenden Rede. Strawsons Argument soll uns einen Grund geben, zu akzeptieren, was wir zuvor ‚instinktiv’ hinnahmen. Die grundlegenden Dinge sind demnach Körper und Personen. Was ist ein Körper? In erster Näherung ist etwas genau dann ein Körper, wenn es ein Raumvolumen ausfüllt. Zwei Dinge x und y können dasselbe Raumvolumen zur selben Zeit ausfüllen, wenn es mindestens eine fundamentale Art gibt, der x, aber nicht y angehört. Die Statue und die

3 Vgl.

dazu Robinson 2004, sec. 1.

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Bronzeportion, aus der sie besteht, sind zur selben Zeit am selben Ort.4 Laut Strawson kann etwas nur dann ein Körper sein, wenn es zumindest einige taktile Eigenschaften hat.5 Warum? Ein Hologramm oder ein leuchtendes Gas kann ein Raumvolumen ausfüllen, aber solche Raumerfüller sind keine Körper. Ob Strawson in diesem Punkt Recht hat, muß uns hier nicht interessieren. Wenn wir festlegen, unter „Körper“ Raumerfüller mit zeitlicher Ausdehnung zu verstehen, können wir Strawsons Argument unabhängig von strittigen und schwer entscheidbaren Fragen diskutieren. Die Frage, was Personen sind, kann hier (natürlich) nicht diskutiert werden. Strawson argumentiert, dass, was immer Personen auch sind, sie nicht ausschließlich oder primär mentale Eigenschaften haben können. Warum? Ein Teil unseres Verständnisses davon, was Personen sind, ist unser Wissen, wann wir es mit ein und derselben Person zu tun haben. Dieses Wissen besteht in der Kenntnis von Kriterien der Persistenz/ Selbigkeit für Personen. Laut Strawson kann es keine rein mentalen Kriterien der Persistenz/Selbigkeit von Personen geben. In diesem Punkt folgt Strawson Kant: „[D]ie Beharrlichkeit der Seele, als bloß Gegenstandes des inneren Sinnes, [bleibt] unbewiesen, und selbst unerweislich, obgleich ihre Beharrlichkeit im Leben, da das denkende Wesen (als Mensch) sich zugleich Gegenstand äußerer Sinne ist, für sich klar ist, [….]“ (KdrV B 415, dazu Strawson 1966, 164).

In der Tat schreiben wir Personen mentale (ich bin vergeßlich) und körperliche Eigenschaften (Sie sind schlank) zu. Die körperlichen Eigenschaften einer Person begründen unsere Fähigkeit, die Person zu unterscheiden und wiederzuerkennen. Das so skizzierte Argument verdient eine ausführliche Diskussion, die ich hier nicht geben kann. Wenn es überzeugend ist, sind Körper die allerersten Substanzen. In den Abschnitten 1. bis 5. werde ich das oben skizzierte Argument Strawsons rekonstruieren und diskutieren. Im letzten Abschnitt 6. werde ich Strawsons Argument für die These, dass Substanzen die fundamentalen Objekte der Prädikation sind, unter die Lupe nehmen.

4

Siehe Wiggins 1968. Kritik an der Zwei-Dinge-zur-selben-Zeit-am-selben-Ort These wird von Johnston 1992 und Fine 2002 beantwortet. 5 Strawson 1959, 39.

502

P. F. Strawson 1. Identifizierende Bezugnahme und uniformes Bezugssystem

Strawson will durch eine Untersuchung der Frage, wie wir auf etwas identifizierend Bezug nehmen, eine Sorte von Dingen als basal auszeichnen. Was ist identifizierende Bezugnahme? Jemand, der erfolgreich einen singulären Term (Musterbeispiele sind Eigennamen, Kennzeichnungen oder Demonstrativa) verwendet, um auf einen Gegenstand Bezug zu nehmen, macht laut Strawson eine identifizierende Bezugnahme auf einen Gegenstand.6 Diese Auskunft ist nicht besonders hilfreich. Selbst wenn wir den Begriff der Bezugnahme voraussetzen, ist noch nicht klar, was die Besonderheit der identifizierenden Bezugnahme ist. Füllen wir diese Lücke aus. Es ist nur dann zweckrational, sich mit einer Behauptung über ein Ding x an ein Publikum zu richten, wenn ich zu einer Bekanntheitsvermutung (Mein Publikum kennt x bereits aus anderen Zusammenhängen) und einer Unwissenheitsvermutung (Mein Publikum weiß noch nicht, was ich ihm über x mitteile) berechtigt bin.7 Die Bekanntheitsvermutung ist für den Sprechakt der identifizierenden Bezugnahme charakteristisch. Von vielen Dingen x gilt, dass jeder von uns etwas über x weiß, das es von allen anderen Dingen unterscheidet. Man kann einen Gegenstand auf verschiedene Weise von allen anderen Gegenständen unterscheiden: indem man ihn wahrnimmt oder erkennt, dass er eine ihn von allen anderen Dingen unterscheidende Eigenschaft hat. Allgemein gilt: wer ein Einzelding von allen anderen unterscheidet, der weiß etwas über es, das auf kein anderes Einzelding zutrifft.8 Wenn S einen singulären Term t auf Grund der Bekanntheitsvermutung mit der Absicht verwendet, dass S‘ Publikum erkennt, dass der Gegenstand auf den S mit t Bezug nimmt identisch mit einem dem Publikum bereits bekannten Gegenstand ist, dann identifiziert S den Gegenstand für das Publikum.9 Das Publikum identifiziert den Gegenstand, wenn es die beabsichtigte Erkenntnis macht.10 Um diese Erkenntnis zu machen, muß der Hörer sein Vermögen, den bezeichneten Gegenstand von allen anderen Dingen zu unterscheiden, im Verständnis der Äußerung zur Anwendung bringen. Man versteht also manche Äußerungen nur, wenn man erkennt, dass der Sprecher einen Gegenstand bezeichnet, der einem schon bekannt ist. Auf 6 Vgl. Strawson 1959, 16. 7 Vgl. Strawson 1964, 76. 8 Vgl. Strawson 1959, 23. 9 Vgl. Strawson 1964, 78. 10 Aber man kann doch immer

erkennen, daß der Gegenstand, den der Sprecher identifizieren will, der Gegenstand ist, den sie identifizieren will etc. Strawson weist aber zu Recht darauf hin, daß diese relative Identifikation wertlos ist. Wenn wir einen Gegenstand nur als das Bezugsobjekt des jeweiligen Sprechaktes identifizieren könnten, dann könnten wir das mit dem Sprechakt Gesagte nicht mit dem, was wir schon über den Gegenstand wissen, in Verbindung bringen.

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welche Weise kann ich das Wissen erwerben, dass Sie mit t über a sprechen? Im einfachsten Fall gibt es einen Bereich von Gegenständen, den Sie und ich wahrnehmen und wir beide teilen das Wissen, dass wir diese Gegenstände wahrnehmen. In einer solchen Situation können Sie das Einzelding für mich mit Hilfe des Demonstrativpronomens identifizieren. Wenn ich auf der Basis der Äußerung des Demonstrativpronomens und der die Äußerung begleitenden Umstände erkenne, dass es dieser Gegenstand ist, von dem die Äußerung handelt, dann habe ich laut Strawson den Bezugsgegenstand demonstrativ identifiziert.11 Die demonstrative Identifikation des Bezugsgegenstandes mag sich zwar schwierig gestalten; „Nevertheless one thing at least is clear in demonstrative identification: viz. the identity of the range of particulars, of the sector of the universe, within which the identification is to be made. It is just the entire scene, the entire range of particulars now present. [...] There can be no question as to which scene we are talking about, though there may be question enough as to which part of it, which element in which part of it, and so on. These are questions which we have the linguistic means of settling.“ (Strawson 1959, 20)

Auf welchen Gegenstand innerhalb dieses Bereichs Bezug genommen wird, kann bei Unklarheiten durch weitere Hinweise des Sprechers eindeutig geklärt werden.12 Das ist kontrovers. Sage ich „Dies ist ein schrecklicher Ort“ und mache eine Zeigegeste, dann kann ich auf einen Ort identifizierend Bezug nehmen, der in der für uns wahrnehmbaren Szene lokalisiert ist; ich kann aber auch auf etwas Bezug nehmen, das über diese Szene hinausgeht und sie einschließt, etwa das gesamte Diesseits.13 Es kann also durchaus die Frage entstehen, innerhalb welcher Szene der Bezugsgegenstand lokalisiert ist. Zudem wird manchmal der Bezugsgegenstand gar nicht innerhalb des Bereichs der zum Zeitpunkt der demonstrativen Bezugnahme wahrnehmbaren Gegenstände lokalisiert sein. Im Fall der sogenannten „verschobenen Ostension“ nehme ich auf einen Gegenstand identifizierend Bezug, der zu dem von mir demonstrierten Gegenstand in einer für die Gesprächspartner erkennbaren Beziehung steht. Ich kann beispielsweise auf Enrico Caruso verschoben demonstrativ Bezug nehmen, indem ich, während eine Plattenaufnahme mit seiner Stimme ertönt, sage „Er konnte noch singen“. Strawsons These zur demonstrativen Bezugnahme sollte also vorsichtiger formuliert werden. Es mag unklar sein, in welchem Bereich sich der identifizierte Gegenstand befindet, aber die aktuell 11

Dazu gehört auch, was der Sprecher über den Gegenstand sagt. In meiner Äußerung von „Dies ist ein Cockerspaniel” hilft das Prädikat, den Gegenstand zu identifizieren. 12 Vgl. Strawson 1959, 19-20. 13 Vgl. die Beispiele in Bühler 21965, 132.

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P. F. Strawson

wahrnehmbaren Dinge stellen einen plausiblen Ausgangspunkt für die Ermittlung dieses Bereichs dar. Wir wollen aber auch auf demonstrativ nicht-(mehr)-erreichbare Einzeldinge Bezug nehmen. Wie kann der Sprecher auf einen aktuell demonstrativ unerreichbaren Gegenstand identifizierend Bezug nehmen? Eine (voreilige) Antwort auf diese Frage ist, dass man solche Dinge eindeutig kennzeichnet („der erste auf See geborene Hund“), ohne dabei Ausdrücke wie Indikatoren („ich“, „hier“, „jetzt“) oder Demonstrativpronomen zu verwenden, deren Bezug vom Äußerungskontext abhängt.14 Strawson argumentiert gegen diese naheliegende Option. Machen wir uns sein Argument an einem Beispiel klar. Fido sei der erste auf See geborene Hund. Nehmen wir an, ich sage „Der erste auf See geborene Hund ist ein Cockerspaniel“. Können Sie auf der Basis meiner Äußerung Fido identifizieren, d.h. können Sie erkennen, dass der Gegenstand, von dem die Rede ist, identisch mit dem ersten auf See geborenen Hund ist?15 Strawson sagt NEIN, weil wir für keine nicht-indexikalische Kennzeichnung „der/die/das F“ das Risiko, dass sie auf mehr als einen Gegenstand zutrifft, mit zwingenden Gründen ausschließen können. Selbst wenn alles, was wir wissen, dafür spricht, dass es genau ein F gibt, kann es in einem uns unbekannten Teil des Universums ein zweites F geben. Strawson argumentiert weiter: Wenn wir keine zwingenden Gründe haben können, dass es genau ein F gibt, dann können wir nicht wissen, dass es genau ein F gibt. A fortiori können wir nicht wissen, dass der Gegenstand, von dem in einer Äußerung die Rede ist, der F ist. Also ist Identifikation durch nicht-indexikalische Kennzeichnungen nicht möglich. Dieses Argument setzt voraus, dass eine notwendige Bedingung für Wissen der Besitz zwingender Gründe ist. Wessen Evidenz nicht ausschließt, dass nicht-p der Fall ist, der kann nicht wissen, dass p. Das klingt sehr stark, ist aber plausibel.16 Ich kaufe ein Los in einer fairen Lotterie mit einer Million Lose. Die Ziehung fand gestern statt, das Resultat ist aber noch nicht bekannt gegeben. Ich weiß, dass meine Chance, die Lotterie zu gewinnen, eins zu einer Million ist. Also habe ich sehr starke induktive Gründe, die meine Überzeugung stützen, dass ich nicht gewonnen habe. Aber ich weiß nicht, dass ich nicht gewonnen habe.17 Ich weiß nur, dass ich wahrscheinlich nicht gewonnen habe. 14 15 16

Vgl. Strawson 1959, 20. Vgl. ibid. Zum Zusammenhang zwischen zwingenden Gründen und Wissen siehe Fogelin 1994, Kap. 1. 17 Vgl. Williamson 2000, 246-249 und die dort zitierte Literatur.

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Warum? Meine induktiven Gründe sind keine zwingenden Gründe. Ich kann sie besitzen und dennoch in der Lotterie gewinnen. Ebenso können wir eine sehr gut begründete Meinung besitzen, dass es genau ein F gibt. Denn obwohl ich nicht mit zwingenden Gründen ausschließen kann, dass eine Kennzeichnung auf mehr als ein Einzelding zutrifft, kann ich sehr gute induktive Gründe haben, dass höchstens ein F existiert, und ich kann sehen, dass mindestens ein F existiert. Beispielsweise kann ich einen Menschen mit drei Köpfen gesehen haben, und aller Wahrscheinlichkeit nach gibt es nicht mehr als einen Menschen mit drei Köpfen. Sprecher und Hörer können also induktiv starke Gründe für die Überzeugung besitzen, dass es genau ein F gibt. Aber wie im Fall der Lotterie sind diese Gründe nicht für Wissen ausreichend. An diese Überlegung knüpfen sich zwei Fragen an: Erstens, wenn eine notwendige Bedingung für den Besitz von identifizierendem Wissen zwingende Gründe sind, besitzen wir dann jemals identifizierendes Wissen? Z.B. der visuelle Eindruck eines Gegenstandes direkt vor mir schließt nicht aus, dass vor mir kein Gegenstand oder mehr als einer ist. Ich könnte einer Wahrnehmungstäuschung unterliegen: dort, wo mir ein Gegenstand zu sein scheint, sind eigentlich zwei oder gar keiner. Antwort: Unsere Evidenz muß nicht alle möglichen, sondern nur alle relevanten Situationen ausschließen, in denen es mehr als ein F gibt. Beispielsweise ist es im Normalfall nicht notwendig, die Situation auszuschließen, dass es zwei auf See geborene Hunde gibt, weil jeder auf See geborene Hund von einem Magier einen Kompagnon beigesellt bekommt. Welche Möglichkeiten sind relevant und daher von unserer Evidenz auszuschließen? Die verschiedenen Antworten auf diese Frage sind kontrovers; wenig kontrovers ist, dass der Äußerungskontext zumindest eine sehr wichtige Rolle dabei spielt, relevante von nichtrelevanten Situationen zu unterscheiden. Wie eine Antwort auf diese Frage aber auch ausfallen mag, wenn wir stets nur starke induktive Gründe dafür hätten, dass es genau ein F gibt, dann könnten wir nie wissen, dass es genau ein F gibt. Zweitens, warum sollte identifizierende Bezugnahme überhaupt identifizierendes Wissen erfordern? Ist nicht wahre oder begründete Meinung ausreichend? Antwort: Dies ist die falsche Frage. Strawson behauptet nicht, dass wir immer dann, wenn wir identifizierend auf ein Einzelding Bezug nehmen, wir dieses Einzelding von allen anderen unterschieden haben müssen. In unserer alltäglichen Praxis sind wir, ohne zwingende Gründe zu haben und ohne überhaupt das thematisierte Einzelding zur Zeit der Äußerung lokalisieren zu können, zu Recht gewiß, erfolgreich ein Einzelding zu identifizieren. Wenn ich z. B. über eine mir bekannte Person rede, dann

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unterscheide ich sie nur in äußerst seltenen Ausnahmefällen von allen anderen Dingen: „Clearly we do not, in ordinary conversation, make explicit the referential frameworks we employ. [...] when our talk transcends [our immediate surroundings], we do not elaborately relate the things we speak of to the things we see. The place of the explicit relational framework is taken in part by that linguistic device which has often and so justly absorbed the attention of logicians — the proper name.“ (Strawson 1959, 58)18

Wenn eine Gruppe von Personen einen Eigennamen für etwas x eingeführt hat, dann ist es für die Mitglieder der Gruppe nicht mehr notwendig, x in Beziehung zur jeweiligen Redesituation zu setzen. Die Frage, wie Eigennamen diese Leistung erbringen können, kann ich hier nicht weiter verfolgen. Für Strawsons Argumentation ist entscheidend, dass wir auch dann, wenn wir in der alltäglichen Kommunikation kein identifizierendes Wissen besitzen müssen, um über Einzeldinge zu reden, wir doch in problematischen Fällen solches Wissen erwerben können. Prinzipiell sind wir immer in der Lage, den von uns zu Grunde gelegten ‚referentiellen Rahmen’ explizit zu machen. Wie können wir aber angesichts der Möglichkeit der massiven Verdopplung jemals in der Position sein, identifizierendes Wissen über demonstrativ unerreichbare Einzeldinge zu erwerben? Manchmal setzen wir den Gegenstand der Rede in eine eindeutige Beziehung zu Gegenständen, die unserem Publikum bereits bekannt sind oder die sie gerade wahrnehmen:19 „Welchen Manfred Müller meinst Du? Na, den Vater meiner Frau, den Bruder von Heinz, der da an der Bar steht.“ Das ist meist unpraktisch und fast immer überflüssig. Strawson geht aber davon aus, dass im Prinzip eine Reihe von „Wer ist ... ?“-Fragen immer durch eine Antwort beendet werden kann, die den Gegenstand durch seine Beziehung zu demonstrativ erreichbaren Gegenständen von allen anderen Gegenständen unterscheidet. Im Prinzip ist jeder wirkliche Gegenstand also durch seine Beziehungen zu gegenwärtig wahrgenommenen Gegenständen von allen anderen Gegenständen unterscheidbar.20 Damit dies prinzipiell möglich ist, muß zwischen jedem Paar wirklicher Dinge mindestens eine eindeutige Beziehung R bestehen. Nur dann kann man prinzipiell jedes Ding x von allen anderen Dingen durch seine Beziehung zu einem demonstrativ erreichbaren Ding y unterscheiden.

18

Textor 2005, Kap. 5 stellt die kühne Behauptung auf, dass diese These der Schlüssel zum Verständnis von Eigennamen ist. 19 Vgl. Strawson 1959, 24. 20 Vgl. Strawson 1959, 22 und 24.

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Von welcher Sorte von Beziehungen gilt, dass Beziehungen dieser Sorte zwischen beliebigen Paaren von wirklichen Dingen bestehen? Von den räumlichen und zeitlichen Beziehungen. Denn sie sind: (i) einzigartig: Es gibt nur ein System raum-zeitlicher Beziehungen;21 und: (ii) umfassend: Jedes wirkliche Einzelding hat zu einem Zeitpunkt genau einen Ort oder steht in einer eindeutigen Beziehung zu einem Einzelding, das zu einem Zeitpunkt genau einen Ort hat.22 (ii) Bedarf ergänzender Erläuterungen: (ii.a) Obwohl man nicht fragen kann, wo mein Urteilen, dass Napoleon Bonaparte wirklich existierte, sich befindet, kann eben dieses mentale Ereignis dadurch identifiziert werden, dass es mein Urteilen ist. Mich kann man wiederum durch meine raum-zeitliche Position von allen anderen Menschen unterscheiden. Hier deutet sich schon der Gedanke an, dass es basale Einzeldinge gibt. (ii.b) Um diese Dinge zu unterscheiden, die zur selben Zeit dasselbe Raumvolumen erfüllen, reicht die Angabe einer raum-zeitlichen Position nicht aus. Wir müssen zusätzlich angeben, um welche Sorte von Gegenstand es sich handelt. 2. Uniformes Bezugssystem und basale Einzeldinge Strawson geht also davon aus, dass identifizierende Bezugnahme ein System raum-zeitlicher Beziehungen voraussetzt. Aus dem Charakter des Bezugssystems soll nun die Identifikationspriorität der Körper folgen.23 Das Argument vom Charakter des Bezugssystems: 1. Unser einheitliches Bezugssystem ist nichts anderes als die Gesamtheit der Einzeldinge, die in räumlichen und zeitlichen Beziehungen zueinander stehen. Also: 2. Die grundlegenden Eigenschaften des Bezugssystems, nämlich (i) Dreidimensionalität und (ii) Permanenz, müssen ihm von seinen Elementen verliehen werden. 3. Die Elemente des Bezugssystems müssen für Wesen mit unserem Wahrnehmungsapparat beobachtbar sein. (Zusatzannahme) 4. In geeignetem Maß haben nur Körper die in 2. und 3. genannten Eigenschaften. 21

Dies wird von Quinton 1962 kritisch unter die Lupe genommen. Strawson 1966, Kap. 2.1 arbeitet die Beziehungen dieser Thesen zur transzendentalen Aesthetik Kants heraus. 22 Vgl. Strawson 1959, 25. 23 Strawson 1959, 39.

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Also: 5. Körper sind die Dinge, die unser Bezugssystem ausmachen. Konkretisieren wir das Argument am Beispiel der Eigenschaft der Permanenz. Nehmen wir zwei verschiedene Äußerungssituationen S (Hamburg, 15.3.1990) und S’ (London, 15.3.2003). Wenn S und S’ Teile EINES raum-zeitlichen Bezugssystems sind, dann müssen sie in räumlichen Beziehungen zueinander stehen.24 Die räumlichen Beziehungen bestehen darin, dass es Dinge gibt, die in beiden Äußerungssituationen enthalten sind, oder zu denen beide Situationen in einer räumlichen Beziehung stehen. Wenn die basalen Dinge als Orientierungspunkte in unserem Bezugssystem dienen sollen und wir wiederholt auf sie zurückgreifen müssen, dann müssen sie eine hinreichend lange Lebensdauer haben. Wir können also nur dann Dinge wiederholt in Beziehung zu einem umfassenden raum-zeitlichen System setzen, wenn einige Dinge eine ausreichend lange Lebensspanne haben und wir sie reidentifizieren können: Wenn es also keine Körper gäbe, gäbe es weder ein uniformes Bezugssystem, noch könnten wir es für die identifizierende Bezugnahme nutzen. Ist also Strawsons Argument für die Notwendigkeit eines solchen Bezugssystem überzeugend, dann ist die Existenz und (Re)Identifizierbarkeit von Körpern eine Bedingung der Möglichkeit von Identifizierbarkeit überhaupt: Körper sind grundlegende Einzeldinge. An dieser Stelle können wir schon erste Konsequenzen für eine Theorie der ersten Substanzen ziehen: (A) Basale Einzeldinge müssen zu jedem Zeitpunkt ihrer Existenz eine Position im Raum haben und zumindest für längere Zeitspannen von mehreren Personen beobachtbar sein. Diese Eigenschaften kommen nicht notwendigerweise nur Körpern zu. Enthielte unsere Welt eine Vielzahl markanter Hologramme mit einer gewissen Lebensspanne, dann könnten rein visuelle ‚Raumbewohner‘ basal sein. So wie die Welt aber nun mal beschaffen ist, weisen nur Körper die fraglichen Eigenschaften in ausreichendem Maße auf. (B) Basale Einzeldinge müssen re-identifizierbar sein, d.h. wir müssen erkennen können, das etwas, das wir in der Vergangenheit wahrnahmen, identisch ist mit etwas, das wir jetzt wahrnehmen. Da unsere Wahrnehmung eines Gegenstandes selten ununterbrochen sein wird, und Gegenstände sich verändern, müssen wir Kriterien haben, die es uns erlauben, Gegenstände trotz Veränderung wiederzuerkennen. Welche sind das?25 Wir bringen Einzeldinge unter Artbegriffe. Damit bringen wir sie auch unter Gesetze, die für Mitglieder der Art gelten. Wenn wir wissen, dass etwas ein Schwan ist, dann wissen wir auch etwas darüber, wie es sich in Zukunft entwickeln wird und wie es sich in bestimmten Umständen 24 25

Siehe Dretske 1964, 136. Siehe dazu Künne 1975, 179ff.

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verhalten wird. Dieses Wissen ist die Basis für unsere Wiedererkennensurteile. (C) Personen, die etwas identifizieren können, müssen selbst in Raum und Zeit sein. Sie müssen einen Körper haben, damit etwas links oder rechts von ihnen, unter oder über ihnen, vor oder hinter ihnen sein kann. Strawson selbst ist mit dem Argument vom Charakter des Bezugssystems unzufrieden: „To rest any philosophical position on an argument so general and so vague would be undesirable.“ (Strawson 1959, 40)

Das Argument vom Charakter des Bezugssystems behauptet das Bestehen einer generellen Identifikationsabhängigkeit. Strawson ergänzt es durch eine Reihe von Beispielanalysen, die dem Leser jeweils einen Grund dafür geben sollen, dass Körper grundlegender als eine andere Sorte von wirklichen Dingen sind. 3. Körper sind grundlegender als mentale Zustände Strawson behauptet, dass die Identifizierbarkeit mentaler Zustände von der Identifizierbarkeit von Personen und die Identifizierbarkeit von Personen wiederum von der Identifizierbarkeit von Körpern abhängt: Wir können nur dann auf einen Schmerz identifizierend Bezug nehmen, wenn wir auf die Person, die ihn hat, identifizierend Bezug nehmen. Aber nimmt mein Zahnarzt nicht auf meinen Zahnschmerz identifizierend Bezug, wenn er während der Wurzelbehandlung sagt: Tut mir leid. Dieser Schmerz ist sicher fürchterlich. Ja, antwortet Strawson, aber in diesem und allen ähnlichen Fällen ist das komplexe Demonstrativpronomen elliptisch für „Der Schmerz, den Du gerade hast“.26 Warum? Weil die Identifikation des Schmerzes nur vermittels der Identifikation der ihn erleidenden Person möglich ist. Das komplexe Demonstrativpronomen „dieser Baum“ ist dagegen keine Abkürzung für einen Bezeichner, der den Baum durch eine Beziehung zu etwas anderem herausgreift. Warum? Wir können den Baum wahrnehmen und von anderen Dingen unterscheiden. Dieses Argument ist nicht überzeugend. Denn kann ich Ihre Freude nicht wahrnehmen („Seine Freude war ihm ins Gesicht geschrieben“)? Manchmal sagen wir von Dingen, die mit anderen kausal verknüpft sind, dass wir sie wahrnehmen. Ich höre den Ferrari im Hof. Ist diese 26

Strawson 1959, 42.

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Wahrnehmung indirekt? Sie ist zumindest nicht durch einen Schluß vermittelt. Der indirekte Charakter bezieht sich darauf, wie meine Wahrnehmungsmeinung entsteht, nicht darauf, wie ich ihren Gegenstand konzeptualisiere. Ich kann lernen, einen Ferrari von einem Porsche zu unterscheiden. Nach einigem Training höre ich den Ferrari. Warum sollte das bei Schmerzen usw. anders sein? Nach einigem Training sieht der Therapeut den stechenden Schmerz im Gesicht des Patienten. Wenn ich Schmerzen wahrnehmen kann, dann kann ich auf sie demonstrativ Bezug nehmen. Ich und mein Arzt können daher beide in derselben Weise demonstrativ auf meinen Schmerz Bezug nehmen, auch wenn nur ich ihn haben kann. Aus dieser Überlegung ergibt sich eine weitere Konsequenz. Wenn nur die Dinge basal sein können, die wir wahrnehmen können,27 dann stellt sich die Frage nach der Grenze der Wahrnehmbarkeit. Auf diese Frage hat, soweit ich sehen kann, Strawson keine Antwort. Dadurch wird die Überzeugungskraft aller Argumente geschwächt, die sich auf den Begriff der Wahrnehmung berufen. 4. Körper sind grundlegender als Ereignisse Ein wichtiger weiterer Testfall für Strawsons These des Identifikationsprimats der Körper sind Ereignisse und Prozesse. Diese werden von vielen Autoren als starke Kandidaten für die Rolle der grundlegenden Einzeldinge betrachtet. Viele Ereignisse kann man demonstrativ identifizieren („dieser Knall“) und man kann Körper durch Beziehungen zu Ereignissen identifizieren: Der Motor des Autos verursachte diesen Knall. Ereignisse sind oft Veränderungen eines Körpers. Diese Veränderungen können wahrgenommen werden, ohne dass man den Körper wahrnimmt, dem sie widerfahren: Ich höre den Knall des Motors, ohne den Motor zu sehen. Warum sollten also die Körper nicht durch die Veränderungen identifiziert werden, die sie erleiden? Wenn dem so wäre, würde ein Keil zwischen Identifizierbarkeits- und ontologischer Abhängigkeit getrieben: Mona Lisas Lächeln ist von Mona Lisa ontologisch abhängig (kein Lächeln ohne lächelnde Person), aber das Lächeln ist in seiner Identifizierbarkeit unabhängig von der lächelnden Person. Unkontrovers an diesem Argument ist, dass wir Ereignisse identifizieren können, ohne sie in Beziehung zu Körpern zu setzen. Dies gilt sowohl für Ereignisse, die Veränderungen von Körpern (Hinsetzen, Erröten) oder Pluralitäten von Körpern (Städtebrände) sind, als auch für subjektlose Ereignisse (Explosionen). Dennoch würde dieses Argument als ein 27

Siehe dazu Smith 2002, 12.

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Argument für die Identifikationspriorität von Ereignissen wirkungslos sein, wenn das eine umfassende raum-zeitliche Bezugssystem weiterhin von Körpern aufgespannt würde. Wir mögen zwar einige Ereignisse unabhängig von Körpern identifizieren können, aber letztlich können wir Ereignisse nur identifizieren, indem wir sie zu Körpern, die uns als Orientierungspunkte dienen, in raum-zeitliche Beziehungen setzen. Beispielsweise kann ich jemand anderem klarmachen, welche Feier er verpaßte, indem ich sage, dass es die Feier war, die am Tage der Wahl von Tony Blair zum Ministerpräsidenten in meinem Garten stattfand. Grundlegend ist wiederum das durch Körper aufgespannte Bezugssystem. Wir können Strawsons These, dass Körper das raum-zeitliche Bezugssystem aufspannen, an Gegenargumenten schärfen. Tiles hat in seinem Buch Things that happen ein komplexes Argument dafür entwickelt, dass eine Gemeinschaft von mobilen Wesen nur dann ein einheitliches Raum-Zeit-System verwenden kann, wenn ihre Mitglieder ihre Bewegungen im Raum beschreiben können.28 Wenn ich z.B. Huchting und Delmenhorst als Orte im einheitlichen Raum-Zeit-System betrachte, dann kann ich im Prinzip anderen und mir den Weg von Huchting nach Delmenhorst beschreiben: ich gebe an, wie man sich im System bewegen muß, damit man von Huchting nach Delmenhorst gelangt. Dies ist aber nur möglich, wenn ich die erforderliche Bewegung in Teile zerlege: Gehe an der Kreuzung hinter Getränke Hofmann nach links, dann biege zweimal nach rechts ab. … Das Verständnis dieser Beschreibung setzt die Kenntnis eines Identitätskriteriums für Bewegungen, also für Ereignisse einer besonderen Sorte, voraus. So muß ich z.B. Ereignisse („Aha, ich bin zweimal abgebogen“) zählen können. Wie sieht es mit Wesen aus, die sich nicht im Raum bewegen können? Laut Tiles brauchen auch sie Identitätskriterien für Bewegungen. Intelligente Bäume, die nur die Bewegungen von Dingen im Raum beobachten können, können den Begriff eines Dings besitzen, das unabhängig von ihren Beobachtungen existiert, wenn sie Hypothesen über den Weg eines unbeobachteten Dinges im Raum anstellen können. Dazu müssen sie wiederum die Bewegungen des Gegenstandes im Raum beschreiben können („Wenn dieser Gegenstand sich auf dieser Bahn weiterbewegt, dann wird er gleich verschwinden und dann wieder zum Vorschein kommen“). Wiederum ist die Kenntnis eines Identitätskriteriums für Bewegungen im Raum erforderlich. Tiles‘ Argument widerlegt folgende These: 28

Tiles 1981, 105ff. gibt eine Zusammenfassung des Arguments.

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Wir können ein einheitliches Raum-Zeit-System kennen und verwenden, ohne über Identitätskriterien für Ereignisse zu verfügen. Im Aufbau eines einheitlichen Raum-Zeit-Systems mögen Ereignisse und Körper gleichursprünglich sein. Die entscheidende Frage ist aber, welche Sorte von Gegenständen das aufgebaute System ausmacht. Man vergleiche: Ein Hilfsmittel mag zum Bau eines Hauses unentbehrlich sein, ohne ein Bestandteil des gebauten Hauses zu sein. Deshalb ist die in Strawsons Argumentation zentrale These: die Dinge, die ein einheitliches Raum-Zeit-System konstituieren, sind Körper, nicht widerlegt. Strawsons These ist keine These über eine begriffliche Asymmetrie; etwa, dass der Begriff des Körpers gegenüber dem des Ereignisses primär ist oder dass man den einen Begriff ohne den anderen erwerben kann.29 Tiles’ Argument macht aber klar, dass wir weitere Argumente für die These brauchen, dass Körper und Personen grundlegend sind. Warum sollten Ereignisse nicht das einheitliche Raum-Zeit-System konstituieren, wenn wir das System nur aufbauen können, indem wir u.a. Ereignisse individuieren und identifizieren? Wer die These plausibel machen will, dass Ereignisse basal sind, der muß zeigen, dass sie ein umfassendes und wiederholt zur Identifikation in verschiedenen Situationen verwendbares raum-zeitliches Bezugssystem aufspannen.30 Damit Ereignisse ein solches Bezugssystem aufspannen können, muß es (a) ein einheitliches System von eindeutigen Beziehungen geben, derart, dass (b) diese Beziehungen zwischen jedem Paar von Ereignissen bestehen und (c) diese Beziehungen in verschiedenen Situationen uns bekannt oder zumindest erkennbar sind, in Strawsons Worten, das System muss ‚humanly constructible’ sein.31 Betrachten wir potentielle Kandidaten für ein von Ereignissen gebildetes Bezugssystem. Wir kennen zeitlich geordnete Ereignisfolgen. Zum Beispiel die der Endspiele um den DFB Pokal: 28. Mai 2005 Olympiastadion Berlin: Bayern München – Schalke 04 2:1; 29. Mai 2004 Olympiastadion Berlin: Werder Bremen – Alemannia Aachen 3:2 (2:0); 31. Mai 2003 Olympiastadion Berlin: FC Bayern München – 1. FC Kaiserslautern 3:1 (2:0) usw. Der Fußballfan mag jeden ihm wichtigen Gegenstand in Beziehung zu den Pokalendspielen setzen. Wenn wir solche markanten Ereignisserien kennen, können wir auf Ereignisse und auf Körper durch ihre eindeutigen Beziehungen zur Serie identifizierend 29

Obwohl er selbst diese Lesart ermutigt und sie von Davidson 1967 und Moravcsik 1965 verfolgt wird. 30 Strawson 1959, 53. 31 Strawson 1959, 48.

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Bezug nehmen („die Person, die unmittelbar nach dem Pokalsieg 2003 geboren wurde“). Strawson bestreitet, dass solche Serien (a) und (c) erfüllen. Es gibt viele spezielle Ereignisserien, die einzelnen Personen bekannt sind. Aber es gibt nicht die alle Ereignisse umfassende Serie, die allen Personen bekannt ist, und die wiederholte und situationsunabhängige identifizierende Bezugnahme auf beliebige Dinge ermöglicht. Ich mag die Pokalendspiele zurückverfolgen können, Sie nicht. Der Arzt mag die Operationen der letzten drei Wochen überschauen, Sie nicht usw. Es gibt vielleicht einige direkt lokalisierte Ereignissserien, die in einer Situation von allen Beteiligten wahrgenommen und deren Elemente ausreichend lange erinnert werden. Aber das ist die Ausnahme von der Regel und sie ermöglicht nur situationsabhängige identifizierende Bezugnahmen.32 Es gibt eine Serie von Ereignissen, die (a) erfüllt! In der vollständigen Kausalkette hat jedes Ereignis seinen Platz. Deshalb behauptet Davidson: „that the causal nexus provides for events a ‚comprehensive and continuously usable framework‘ for the identification of events analogous in many ways to the space-time coordinate system for material objects.“ (Davidson 1967, 180)

Die vollständige Kausalkette erfüllt in der Tat (a) und (b), aber nicht (c). Vergleichen Sie bitte Ihre Kenntnis der Kausalkette und Ihre Kenntnis der in Ihrer Umgebung lokalisierten Dinge. Ich weiß, dass ca. 5 min. von meinem Büro die Themse fließt; wenn ich dann 2 min. den Fluß entlanggehe, kommt eine Brücke, sollte ich die überqueren, liegt zur linken Hand das National Theatre, zur rechten Hand nach ca. 2 weiteren min. Waterloo station. So könnte ich eine ganze Zeit weitermachen, obwohl mein Orientierungssinn eher unterentwickelt ist. Fragen Sie mich allerdings nach den Gliedern der Ursachen-Wirkungsserie, die meinem Mittagessen vorausging, bin ich sehr bald am Ende meiner Weisheit angelangt oder die Charakterisierungen der Ereignisse werden so uninformativ, dass sie zu Zwecken der Identifikation wenig taugen. Wir haben nun mal Karten mit geographischen Orientierungspunkten und keine umfassenden Ereignisserienaufzeichnungen. Warum ist das so? Ereignisse sind im allgemeinen relativ kurzfristige Veränderungen von Körpern. Wenn sie vergangen sind, können wir ihnen nicht wiederbegegnen. Wir müßten über ein detailliertes Gedächtnis verfügen, welches uns erlaubte, Ursache-Wirkungsserien zwischen beliebigen Gegenständen und allgemein bekannten Ereignissen herzustellen. Damit sind Wesen, wie wir es sind, überfordert. Dagegen überdauern die meisten Körper die meisten Veränderungen. Körper existieren für einen längeren Zeitraum, in dem wir ihnen wiederbegegnen können. Aus diesem 32

Strawson 1959, 48-49.

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Grund sind sie als Landmarken geeignet. Wir können unsere ‚privaten‘ Landkarten in Bezug auf die Körper, die wir immer wieder besuchen können, aufeinander abstimmen. Strawson macht sich selbst den Einwand, dass es Prozesse gibt, die so lange stattfinden, wie manche Körper existieren.33 Die Erosion der Klippe endet mit der Klippe, das Leben einer Person endet mit der Person. Warum sind also nicht solche Prozesse basal? Weil sie in der Regel nur in einem sekundären Sinne lokalisiert sind. Wenn man vom Leben einer Person überhaupt sagen kann, es sei irgendwo, dann ist es da, wo die Person ist. Dadurch, dass es ein Leben einer Person ist, wird es durch seine raumzeitlichen Beziehungen identifizierbar. Selbst wenn also Ereignisse und Körper ontologisch und begrifflich wechselseitig voneinander abhängen, besteht noch immer eine Asymmetrie darin, dass nur Körper ein umfassendes and allzeit verfügbares Bezugssystem für Wesen mit unseren Fähigkeiten aufspannen.34 Diese Asymmetrie ist ausreichend, um Körper als basale Einzeldinge zu qualifizieren. 5. Körper sind grundlegender als Orte und Zeitpunkte Eine weitere Alternative zu Strawsons These, dass Körper und Personen grundlegend sind, ist es, Zeiten und Orte als basal anzunehmen.35 Beispielsweise kann man argumentieren, dass demonstrative Identifikation auf der Wahrnehmung eines Ortes aufbaut. Dieser Gegenstand ist der Gegenstand, der dort drüben ist. Wer noch keine Objektbegriffe anwenden kann, mag schon denken können: Es regnet jetzt hier. Wenn „jetzt“ und „hier“ („dort“ etc.) für Zeiten und Orte ständen, dann wären Zeiten und Orte begrifflich grundlegender als Körper, die Wahrnehmung von Orten wäre zudem Grundlage der demonstrativen Identifikation von Körpern. Wenn wir ein Koordinatensystem und einen Kalender aufgebaut haben, können wir jeden Körper in Beziehung zu einem Ort identifizieren. Warum sollten Orte und Zeiten also nicht grundlegend sein? Strawson macht sich selbst das Leben schwer, indem er argumentiert, dass die Verwendung von „jetzt“ und „hier“ einen Test dafür besteht, dass durch „jetzt“ und „hier“ Gegenstände eingeführt werden. „Es regnet jetzt 33 34 35

Strawson 1959, 56. Siehe Davidson 1969, 174. Siehe Pears 1961, 272-274.

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hier“, wahrheitsgemäß in einem Kontext geäußert, impliziert, dass es irgendwann irgendwo regnet. Also legt uns diese Äußerung auf die Existenz von Zeiten und Orten fest, über die wir quantifizieren. Andererseits soll gelten: „‚Now‘ and ‚here‘, by themselves, set no boundaries at all, nor is it their function to introduce extensionless points or durationless instants.“ (Strawson 1959, 216)

Was ist also ausschlaggebend? Dass wir in die Position von „jetzt“ („hier“) quantifizieren können oder dass wir „jetzt“ („hier“) verwenden können, ohne in ihnen entsprechende Intervalle oder Regionen unterscheiden zu können? Strawson geht vom Unterscheidungskriterium aus, ohne seine Privilegierung dieses Kriteriums zu begründen.36 Strawsons Wahl kann man aber so begründen. Der Quantifikationstest ist nicht ausschlaggebend, da „jetzt“ („hier“) nicht den richtigen Quantifikationstest bestehen. Wenn wir folgern, dass es irgendwann irgendwo regnet, dann haben wir in die Position von demonstrativen Adverbien quantifiziert. Ganz generell gilt, dass die Quantifikation in die Position von Adverbien uns nicht auf die Existenz von Gegenständen festlegt: Wer folgert „Britney tanzt sexy. Also: Britney tanzt irgendwie”, hat sich nur auf die Existenz von Britney festgelegt. Was für „irgendwie“ gilt, gilt auch für „irgendwo“ und „irgendwann“. Die Quantifikation in die Position eines demonstrativen Adverbs ist ontologisch unschuldig. Wir haben also keinen guten Grund anzunehmen, dass „jetzt“ und „hier“ Einzeldinge einführen. Der richtige Quantifikationstest besteht darin, dass „Es regnet jetzt hier“, wahrheitsgemäß in einem Kontext geäußert, impliziert, dass es zu einem Zeitpunkt an einem Ort regnet. Um diese Quantifikation in die Position von singulären Termen zu verstehen, müssen wir aber u.a. wissen, wo ein Ort aufhört und ein anderer beginnt. Aber wir haben schon gesehen, dass wir „jetzt“ („hier“) verwenden können, ohne solche Grenzen ziehen zu können. Orte und Zeiten werden also nicht durch „jetzt“ und „hier“ eingeführt. Ob sie unabhängig von Körpern und ihren Veränderungen eingeführt werden können, ist weiter eine offene Frage. Strawsons Verteidigung des Identifikationsprimats von Körpern und Personen ist also in weiten Teilen plausibel. 6. Basale Einzeldinge als logische Subjekte Aristoteles charakterisiert erste Substanzen als Objekte von Prädikationen, die aber selbst nicht prädizierbar sind. Diese Charakterisierung hat auch 36

Siehe die Diskussion in Pears op. cit.

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heute noch viele Anhänger. So schreibt der australische Philosoph Armstrong: „Primary substance is that of which things are predicated, but is not itself predicated of anything. Properties are properties of individuals. Relations are relations holding between individuals. But individuals are not individuals of their properties. Nor do individuals hold between the relations which relate them. So, at any rate, ordinary discourse assures us. It seems reasonable to take this asymmetry recognised by discourse as marking a rather fundamental asymmetry.“ (Armstrong 1989, 44)

Handelt es sich hier um ein unbegründetes Vorurteil oder um eine im Wesen von ersten Substanzen alias basalen Einzeldingen und Universalien begründete Unterscheidung? Ramsey hat die erste Auffassung vertreten.37 Strawson versucht zu zeigen, dass letzteres der Fall ist, indem er die Bedingungen der Einführung von Einzeldingen und Universalien in die Rede untersucht. Der Unterschied in ihrer Einführung soll zeigen, dass Einzeldinge und Universalien verschieden sind, und unter Rückgriff auf diesen Unterschied soll begründet werden, warum Universalien, nicht aber Einzeldinge, prädizierbar sind. Was ist erforderlich, um etwas in unseren Diskurs einführen zu können? Man muß die Frage „Welches etwas wird thematisiert?“ erhellend beantworten können. Strawson unterscheidet nun: „(1) Expressions such that one cannot know what they introduce without knowing (or learning from their use) some distinguishing empirical fact about what they introduce; (2) Expressions such that one can very well know what they introduce without knowing any distinguishing empirical fact about what they introduce.“ (Strawson 1959, 186-7)

Zu (1): Vor mir sitzt jetzt genau ein Hund. Ich führe den Namen „Fido“ für diesen Hund ein. Meine Verwendung des Namens „Fido“ präsupponiert, dass es eine individuierende empirische Bedingung gibt, die Fido erfüllt. Wenn ich „Fido“ verwende, dann sage ich nicht aus, dass diese Bedingung erfüllt ist. Aber wenn die Bedingung nicht erfüllt wäre, wären Aussagen, die „Fido“ als grammatisches Subjekt enthalten, weder wahr noch falsch. Zu (2): Um zu wissen, was „Schönheit“ in die Rede einführt, müssen wir nicht wissen, dass eine individuierende empirische Bedingung erfüllt ist. Strawson sagt, die Kenntnis der Sprache sei ausreichend.38 Wie ist das zu verstehen? Zulässige Antworten auf die Frage „Wer ist Fido“ werden von Fido erfüllte empirische Bedingungen angeben. Auf die Frage „Was ist Schönheit?“, können wir zwar solche Bedingungen angeben („die von 37 38

Vgl. Ramsey 1925, 405. Siehe Strawson 1959, 185-186.

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Catherine Deneuve (noch immer!) verkörperte Eigenschaft“). Die Angabe solcher Bedingungen ist aber nicht notwendig. Wer den Ausdruck „Schönheit“ versteht, der weiß, um welchen Gegenstand es sich handelt. Natürlich können wir auf die Universalie Schönheit auch in Weisen Bezug nehmen, die man verstehen kann, ohne zu wissen, welcher Gegenstand bezeichnet wird („meine Lieblingseigenschaft“). Aber es gibt zumindest einige singuläre Terme, die man nicht verstehen kann, ohne damit schon zu wissen, welche Universalie sie bezeichnen.39 Die Bezeichnungen, die man nicht verstehen kann, ohne zu wissen, was sie bezeichnen, sind abgeleitet von Prädikaten: Der Eigenschaftsname „Schönheit“ ist z.B. eine Nominalisierung des Prädikats „ist schön“. Wer den Sinn von „ist schön“ kennt, der kennt ein individuelles Identitätsprinzip für die von „Schönheit“ bezeichnete Eigenschaft.40 Dieses Prinzip legt fest, wann etwas identisch mit Schönheit ist. Daher reicht das Verständnis des Prädikats „ist schön“ aus, um zu wissen, was „Schönheit“ bezeichnet. Es gibt dagegen kein generelles Prädikat, von dem gilt, dass die Kenntnis seines Sinns ausreicht, um zu wissen, wen „Catherine Deneuve“ bezeichnet. Was ergibt sich weiter aus dem Kontrast zwischen Ausdrücken der Sorte (1) und (2)? Strawson schreibt: „Of expressions of class (1), one might say: although they do not explicitly state facts, they perform their role only because they present or represent facts, only because they presuppose, or embody, or covertly carry, propositions which they do not explicitly affirm. They necessarily carry a weight of fact in introducing their terms. But expressions of class (2) carry no weight of fact in introducing their terms.“ (Strawson 1959, 187)

Darauf baut Strawson dann weiter auf: Die Verwendung eines Ausdrucks der Sorte (1) präsupponiert eine empirische Tatsache. Daher ist ein solcher Ausdruck vollständig und kann nicht prädiziert werden; die Verwendung eines Ausdrucks der Sorte (2) präsupponiert keine empirische Tatsache. Daher ist ein solcher Ausdruck unvollständig und kann prädiziert werden. Dieser Versuch Strawsons, eine Asymmetrie zwischen Einzeldingen und Universalien zu begründen, scheitert an Gegenbeispielen. Der Ausdruck „die leere Menge“ führt ein unwirkliches Einzelding in die Rede ein. Die leere Menge ist keine Universalie und kein allgemeiner Gegenstand. Sie kann z.B. nicht von etwas anderem prädiziert werden. Die 39 40

Siehe Künne 1983, 175ff. Siehe z.B. Strawson 2000, 58-9.

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Verwendung von „die leere Menge“ präsupponiert aber keine empirische Tatsache. Präsupponiert wird eine Tatsache, die notwendigerweise besteht und a priori erkannt werden kann, nämlich, dass es eine Menge gibt, deren Umfang identisch mit der Extension des Prädikats „ist nicht identisch mit sich selbst“ ist. Also gibt es Ausdrücke, deren Verwendung keine empirische Tatsache präsupponiert, die aber nicht für Universalien stehen. Umgekehrt gibt es auch Eigenschaftsbezeichnungen, deren Verwendung eine empirische Tatsache präsupponiert. In der Pferdezucht mag die Eigenschaft, ein Nachfahre von Red Rum zu sein, eine wichtige Rolle spielen. Aber die Verwendung des Bezeichners „die Eigenschaft, ein Nachfahre von Red Rum zu sein“ präsupponiert eine empirische Tatsache. Um zu wissen, welcher Gegenstand von „die Eigenschaft, ein Nachfahre von Red Rum zu sein“ eingeführt wird, muss man u.a. wissen, welchen Gegenstand „Red Rum“ einführt, und dazu muss man etwas wissen, das diesen Hengst von allen anderen Hengsten unterscheidet. Kann man diesen Problemen entgehen, indem man auf die Eigenschaft, ein Nachfahre von Red Rum zu sein, auf andere Weise Bezug nimmt? Dies setzte voraus, dass man das Einzelding Red Rum von anderen Einzeldingen unterscheiden kann, ohne eine empirische Tatsache zu kennen, die von ihm gilt. Wenn dem so wäre, würde das Prinzip, auf dem Strawsons Unterscheidungsversuch aufbaut, vollends unterminiert. Strawson beantwortet in Individuals Ramseys Herausforderung nicht. Strawson selbst wird seine Theorie nie verwerfen; er ergänzt sie in Subject and Predicate in Logic and Grammar durch weitere Überlegungen. Ob diese erfolgreich sind, kann ich hier nicht entscheiden. Schluß Ziehen wir Bilanz. Strawson hat ein auf plausiblen Annahmen aufbauendes Argument dafür gegeben, dass Körper und Personen in unserem Denken eine zentrale Rolle spielen. Körper und Personen sind die Ankerpunkte des identifizierenden Denkens und Redens über wirkliche Dinge jeglicher Art. Strawsons Argument wird demjenigen unzureichend erscheinen, der erste Substanzen als eine von unseren Bedürfnissen und Interessen unabhängige Kategorie begreift. Denn Strawsons Argument zeichnet Körper und Personen als Bezugspunkt von Sprechakten der identifizierenden Bezugnahme aus, die von Wesen mit unseren Fähigkeiten vollzogen werden. Wesen mit anderen Fähigkeiten mögen ohne Substanzen auskommen.

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Christian Kanzian & Joseph Wang: Substanzen in der analytischen Ontologie 1. Einleitung In diesem Beitrag möchten wir verschiedene Positionen zur Frage von Substanzen in der analytischen Ontologie darstellen. Bevor wir das tun, wollen wir in gebotener Kürze und soweit es für unser Projekt unumgänglich ist, „Analytische Philosophie“ im Allgemeinen und analytische Ontologie näher bestimmen, um dann vor diesem Hintergrund die einflussreichsten Theorien für bzw. wider Substanzen zu entwickeln. 1) Lehrbuchartig mag der Hinweis sein, dass die Analytische Philosophie den so genannten „linguistic turn“ vollzogen hat und durch ihn bestimmt ist. Dummett umschreibt den „linguistic turn“ folgendermaßen: „Was die analytische Philosophie in ihren mannigfaltigen Erscheinungsformen von anderen Richtungen unterscheidet, ist […] die Überzeugung, dass eine philosophische Erklärung […] durch eine philosophische Analyse der Sprache erreicht werden kann, und […] die Überzeugung, daß eine umfassende Erklärung nur in dieser und keiner anderen Weise zu erreichen ist.“1 Dass eine philosophische Analyse der Sprache, ihrer Struktur und ihrer Funktion für die Analytische Philosophie von vorrangiger Bedeutung ist, besagt freilich nicht, dass die Analytische Philosophie mit Sprachphilosophie in eins zu setzen wäre. Es besagt vielmehr eine Option bezüglich des Ansatzes, verschiedene philosophische Themen anzugehen. Als zweites Merkmal der Analytischen Philosophie ist die Festlegung auf eine bestimmte Terminologie sowie das Postulat der Nachvollziehbarkeit von der Einführung und Verwendung technischer Termini zu nennen. Wer zur analytischen Forschergemeinschaft gehören möchte, muss um diese technischen Termini Bescheid wissen und sie entsprechend verwenden. Es wäre abwegig zu behaupten, dass nur für die Analytische Philosophie gründliche und nachvollziehbare Argumentationen bedeutsam sind. Dennoch ist fest zu halten, dass in ihrer Forschergemeinschaft Wert auf hohe argumentative Standards gelegt wird. In der Regel wird in der Analytischen Philosophie zu Gunsten von Klarheit der Gedankenführung auf literarische Eigenwilligkeiten und Eleganz verzichtet. 1

Dummett 1988, 11.

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„Analytisch“ philosophieren besagt demnach, philosophische Probleme auf eine bestimmte Weise anzugehen. Diese Weise, philosophische Themen zu diskutieren, scheint, so können wir zusammenfassen, gekennzeichnet zu sein durch philosophische Analysen problemrelevanter (Aspekte) sprachlicher Ausdrücke; ferner durch eine bestimmte technische Terminologie und durch eine besondere Art, argumentative Standards zu wahren. 2) Was aber besagt die Ansage, analytisch Ontologie betreiben zu wollen? Die Ontologie ist jene philosophische Disziplin, welcher es um die Grundstrukturen der Wirklichkeit geht; d.h. um die Grundelemente der Wirklichkeit und ihre wechselseitigen Bezugsverhältnisse. Das bedeutet, dass es nicht um eine kumulative Auflistung von Strukturen oder eben von Elementen geht, deren Aufweis Sache anderer philosophischer Disziplinen oder anderer Wissenschaften ist. „Grund-“ Struktur bzw. „Grund-“ Element meint vielmehr Strukturen und Elemente, welche die Wirklichkeit allgemein, d.h. ohne Einschränkungen bestimmter partikulärer Interessen, und universal, d.h. ohne Ausklammerung von Gegenstandsbereichen, betreffen. Aus den bisherigen Überlegungen kann zur Frage nach einer analytischen Ontologie bereits so viel gesagt werden, dass sie gerade nicht durch bestimmte inhaltliche Positionen zu charakterisieren sein wird. Um uns auf unser Thema zu beziehen: Analytisch Ontologie zu betreiben, verpflichtet weder auf die Akzeptanz noch auf die Negierung von Substanzen als Grundelementen der Wirklichkeit. Tatsächlich wird gerade diese Frage, wie zu zeigen sein wird, in der analytischen Ontologie kontrovers diskutiert. Unter dem speziell Analytischen einer Ontologie wird man also nicht die Tendenz zu dieser oder jener inhaltlichen Lösung der Grundfragen der Ontologie verstehen, sondern vielmehr eine bestimmte Weise, diese Fragen oder Themen zu diskutieren. Diese Weise wird die zuvor aufgewiesenen allgemeinen Merkmale analytischen Philosophierens erkennen lassen: Eine analytische Ontologie wird ihren Ausgang von einer philosophischen Analyse sprachlicher Strukturen nehmen. Die analytische Ontologie wird eine im Bereich der Analytischen Philosophie eingeführte technische Terminologie anwenden und in besonderer Weise argumentative Standards anstreben. 3) Welche typisch analytischen Argumentationsstrategien für bzw. wider Substanzen ins Treffen geführt werden, wollen wir im Folgenden entfalten. Zunächst noch kurz zum Überblick: Als erste Grundposition innerhalb der analytischen Ontologie kann der Naturalismus (Abschnitt 4) angesehen werden. Wir wollen ihn anhand der Theorien von Willard Van Orman Quine darstellen. Quine lehnt Substanzen zu Gunsten von „physikalischen Objekten“ ab. Ebenso wie die zweite hier zu behandelnde Richtung: die Tropen-Ontologie, wie Keith Campbell sie etabliert hat (Abschnitt 5), welche Substanzen in Bündel von Tropen, das sind individuelle

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Eigenschaften, auflöst. Als Befürworter von Substanzen führen wir die Auffassung von Joshua Hoffman und Gary S. Rosenkrantz (Abschnitt 6) an. Sie entwickeln ein neues Unabhängigkeitskriterium für Substanzen und schildern Lebewesen als paradigmatische Substanzen. In ihrer Akzeptanz von Substanzen kommen Hoffman / Rosenkrantz mit Ernest Jonathan Lowe (Abschnitt 7) überein, der Substanzen im aristotelischen Sinn als die grundlegenden Arten von Entitäten einführt. Bevor wir allerdings zur Schilderung der einzelnen Theorien übergehen, möchten wir uns anfänglich die Frage stellen, was man heute überhaupt unter Substanzen versteht. Entitäten mit welchen Merkmalen möchte man in der Ontologie verankern bzw. aus der Ontologie verbannen, wenn man Substanzen anerkennt bzw. negiert? 2. Der Substanzbegriff in der aktuellen analytischen Ontologie Unter Substanzen sollen im Folgenden Entitäten verstanden werden, die dreidimensional, (folglich) durch die Zeit mit sich identisch sind und (folglich) als Träger von Ereignissen fungieren können. Substanzen sind außerdem durch eine irreduzible sachverhaltsartige Struktur gekennzeichnet, der ihre innere Komplexität ausmacht. 1) Dass Substanzen dreidimensionale Entitäten sind, besagt, dass sie eine in drei Dimensionen räumliche Ausdehnung haben. Dass sie nur drei-, nicht aber vierdimensional sind, heißt, dass ihnen eben keine zeitliche Ausdehnung oder Dauer zukommt. Substanzen haben somit nur räumliche, nicht aber zeitliche Teile. Substanzen sind, so verstanden, zu jedem Zeitpunkt ihrer Existenz nicht (zeitlich) teilweise, sondern ganz da. Entitäten, die zu jedem Zeitpunkt ihrer Existenz als Ganze da sind, sind aber im strikten Sinne diachron identisch.2 Dadurch, dass Substanzen durch die Zeit mit sich identisch sind, kommen sie als Träger von Ereignissen in Frage. Deutet man Ereignisse im aristotelischen Sinne als Änderungen, wird das besonders deutlich. Wie soll man sich auch Änderungen denken können, ohne etwas, das sich ändert, und in der Änderung dasselbe bleibt?3 So gesehen sind Substanzen sogar die einzigen möglichen Träger von Ereignissen. 2) Dreidimensionalität, diachrone Identität und ihre Funktion als Träger von Ereignissen sind Merkmale von Substanzen, die in jeder SubstanzOntologie zum Standardrepertoire gehören. Von der oben erwähnten 2

Vgl. hierzu: Runggaldier / Kanzian 1998, v.a. die Kapitel II.4 „Identität“, sowie III.1 „Konkrete Dinge“. 3 Diesen Gedanken hat Brian Lombard in seinem Buch über Ereignisse betont. Siehe u.a.: Lombard 1986, 80f. Siehe auch Lowe 1998, 122.

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inneren Sachverhaltsstruktur von Substanzen kann das nicht behauptet werden. Deshalb soll diese etwas ausführlicher erläutert werden, zumal es die komplexe innere Struktur von Substanzen ist, die sie, das kann hier bereits vorausgeschickt werden, von Tropen unterscheidet. Beginnen wir mit der Feststellung, dass Substanzen zweifelsohne aus irgendeinem Material bestehen. Sowohl Räumlichkeit als auch Zeitlichkeit von Substanzen sind durch ihre Materialität bedingt.4 Insofern aber Räumlichkeit und Zeitlichkeit maßgeblich sind für die Individualität der Substanzen, ist auch die letztere durch ihre Materialität bedingt. Ein Lebewesen, wie eine Katze etwa, besteht aus organischen Bausteinen. Aufgrund der Position dieser organischen Bausteine kann man der Katze räumliche sowie zeitliche Eigenschaften zusprechen. Und es sind diese räumlichen und zeitlichen Eigenschaften, welche diese Katze von allen anderen unterscheiden. So gesehen machen sie die Individualität der Katze aus. Was aber Substanzen weiterhin ausmacht, ist, dass ihr Material in irgendeiner Weise geformt ist. Unter Form verstehen wir zunächst keinen technischen Terminus, etwa im Sinne der klassischen Ontologie, sondern einfach die Weise wie die materialen Bestandteile einer Substanz zusammengesetzt sind. Ohne eine bestimmte Form können wir von keiner Katze sprechen. Es muss eine Form vorliegen, die bestimmt, wie die materialen Bausteine zueinander stehen bzw. wirken bzw. sich entwickeln.5 3) Inwiefern ergibt sich aus diesen Überlegungen aber eine sachverhaltsartige Struktur von Substanzen? Unter Entitäten mit sachverhaltsartiger Struktur verstehen wir, allgemein gesprochen, solche, die man als komplexe Gebilde auffassen kann, in denen verschiedenartige Elemente zusammen vorkommen. Was auch immer das Material, aus dem Substanzen bestehen, sowie die Form, wie Substanzen bestehen, ist, sie sind doch, um zunächst das eine Moment sachverhaltsartiger Struktur zur Geltung zu bringen, verschieden. Substanzen bestehen somit aus zwei verschiedenen Komponenten. Sie sind komplexe Entitäten. Sind aber die Komponenten auch verschiedenartig, wie das oben als zweites Moment für sachverhaltsartige Strukturen verlangt wurde? Wir meinen, das ist der Fall. U.E. ergibt sich diese Verschiedenartigkeit daraus, dass das eine Element 4

Dass hier Substanzen als „zeitliche“ Entitäten bezeichnet werden, steht ihrer Bestimmung als drei-dimensional nicht entgegen. Wir können hier die Eigenart des für Substanzen „akzidentellen“ Bezugs zur Zeit nicht erörtern. Siehe dazu: Kanzian 2001, IV-3. 5 „Material“ verwenden wir als Funktion eines metaphysischen Bestandteils von Dingen, und zwar im Hinblick auf die Konstitution des Dinges. Der Gegensatz von „material“ ist: „die Form betreffend“. „Materiell“ steht für „körperlich“, im Gegensatz zu unkörperlich oder geistig. Wir meinen, dass alle körperlichen Substanzen ein „materielles Material“ besitzen. Das schließt aber nicht aus, dass das Material mancher körperlichen Substanzen auch „nicht rein materiell“ sein kann. Auch folgt daraus nicht, dass es keine Substanzen geben könnte mit nicht-materiellem Material.

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„Material aus dem …“ niemals die Funktion des anderen „Form wie …“ für den Aufbau des Komplexes, der ganzen Substanz, wird erfüllen können. Man kann rein aus materialen Komponenten Form oder Gestalt oder Bauplan einer Substanz nicht rekonstruieren, weder begrifflich noch im Sinne einer ontologischen Analyse. Man kann aber auch aus Form oder Gestalt oder Bauplan einer Substanz nicht ihre materiale Grundlage oder „Verwirklichung“ in der Welt gewinnen. Somit ergibt sich, dass Substanzen eine irreduzible innere Komplexität aus verschiedenartigen Elementen aufweisen. Sie sind, in eingeführtem Sinne verstanden, sachverhaltsartig strukturiert. 3. Die Entscheidung zwischen deskriptiver und revisionärer Ontologie als Kernkriterium zur Akzeptanz bzw. Ablehnung von Substanzen 1) Dass es der Ontologie um die Grundstrukturen der Wirklichkeit geht, steht außer Streit. Äußerst kontrovers ist hingegen die Frage, was man meint, wenn man von „der Wirklichkeit“ spricht, die man analysieren möchte. Was ist das eigentliche und primäre Forschungsobjekt der Ontologie? In der aktuellen Debatte finden sich zwei große Richtungen von Antworten. Die eine ist, „Wirklichkeit“ zu verstehen als jene Lebenswelt, in der wir Menschen miteinander und mit anderen Lebewesen und der unbelebten Natur interagieren. Ontologie würde demnach aufzufassen sein als jene Disziplin, welche unsere Alltagswelt als solche in ihren Grundzügen beschreibt. Und eine solche Ontologie wird für gewöhnlich „deskriptiv“ genannt. Was eine Alltags- oder deskriptive Ontologie weiterhin auszeichnet, ist die Anerkennung der Autorität von Intuitionen, die Menschen bzgl. ihrer Umwelt, insbesondere bzgl. anderer Menschen haben.6 Ein zweites Merkmal von deskriptiver Ontologie besteht darin, dass sie in einem noch näher zu bestimmenden Sinn mit Grundzügen unseres alltäglichen Sprechens zurechtkommen muss. Hier kommt ein typisch analytisches Merkmal, wie in der Einleitung angekündigt, zur Sprache. Um dieses Merkmal zu erläutern, muss man zunächst einmal klären, welche Züge man meint, wenn man von Grundzügen unseres alltäglichen Sprechens redet. Unter den Grundzügen einer Sprache verstehen wir jene Strukturen, für die gilt, dass sie nicht nur auf einen Teilbereich dieser Sprache zu beschränken sind, sondern eben die ganze Sprache betreffen. Weiterhin sind Grundzüge sprachinvariant, insofern als sie sich nicht auf eine einzelne natürliche Sprache, etwa das Deutsche oder das Englische, beschränken lassen. Linguistische Besonderheiten, etwa des Deutschen oder des Englischen, sind somit ebenfalls aus dem Bereich der Grundzüge auszuschließen. Als drittes 6

Vgl. Kanzian 2003.

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Kriterium möchten wir nennen, dass Grundzüge des Sprechens für die Grammatik einer Sprache derart grundlegend sind, dass sie selbst nicht, zumindest nicht allein, mit Mitteln der Grammatik erklärt werden können. „Grundlegend“ zu sein meint aber auch, dass sich die so bezeichnete Eigenart nicht einfach innerhalb einer Sprache weginterpretieren lässt. Die Subjekt-Prädikat-Struktur wäre beispielsweise so ein Grundzug unseres alltäglichen Sprechens. Natürlich kann dies nicht bedeuten, dass man eine konkrete ontologische Theorie alleine aufgrund oder in naiver Umlegung von Intuitionen oder sprachlichen Grundzügen gewinnen kann. Dennoch gilt, dass eine deskriptive Ontologie bei der Theorienbildung besagte Instanzen nicht ignorieren kann. Ein Wahrheitskriterium für eine deskriptive Theorie ist, ob sie mit alltäglichen Intuitionen zurechtkommt und eine Basis für eine plausible Erklärung dieser Grundstruktur des Sprechens bereithält. 2) Nach der revisionären Ontologie7 ist die Frage nach Grundstrukturen der Wirklichkeit zu verstehen als Frage nach „Basisbausteinen“ derselben. Es geht nicht darum, die Alltagswelt in ihren Grundzügen zu beschreiben, sondern sie als (nachrangiges) Folgephänomen eben aus diesen Basisbausteinen zu rekonstruieren. Der Ontologie, so verstanden, geht es um die „Mikro-Welt“ und die Ableitung der „Makro-Welt“ aus derselben. Alltägliche Intuitionen und Praxis zählen im Kontext einer so verstandenen Ontologie nicht als Kriterien für die Adäquatheit von Theorien. Z.T. wird es sogar als große Errungenschaft erachtet, alltägliche Einstellungen bezüglich unserer Lebenswelt zu revidieren. Eine revisionäre Ontologie wird auch den Bezug auf die eben erwähnten Grundzüge unseres alltäglichen Sprechens als für ihre Theorienbildung nicht maßgeblich erachten. Vielmehr wird sie eine nicht-alltägliche „Basissprache“ entwickeln, versehen mit dem Postulat, dass alle wissenschaftlichen, aber auch alltäglichen Redeweisen ohne Verlust ihrer kognitiven Relevanz in diese Basissprache übersetzt werden können. 3) Peter Simons kommt das Verdienst zu, den Zusammenhang einer Entscheidung zwischen deskriptiver und revisionärer Ontologie und der Wahl in der Substanz-Frage am deutlichsten dargestellt zu haben.8 In unserer alltäglichen Lebenswelt, das gibt Simons nicht nur zu, sondern verteidigt dies auch, sind durch die Zeit identische Substanzen, allen voran wir menschliche Personen, irreduzible Bestandteile. Also haben auch Substanzen in einer Ontologie unserer alltäglichen Lebenswelt ihre unverzichtbare Berechtigung.9 Der deskriptiven Ontologie gegenüber steht aber die revisionäre Ontologie. Ihr geht es nicht um unsere alltägliche Lebenswelt als solcher. Sie bezieht sich auf die naturwissenschaftliche 7

Allgemein wird die Unterscheidung zwischen deskriptiver und revisionärer Ontologie P. F. Strawson zugeschrieben. Siehe Strawson 1972, 1. 8 U.a. Simons 1998. 9 Siehe Simons 1998, 239 ff.

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Basis der Lebenswelt und versucht deren Grundzüge zu beschreiben. Und die Naturwissenschaftler, allen voran die Physiker, lehren uns, dass man an der Basis unserer Lebenswelt keine Substanzen vorfindet, sondern vielmehr eine Vielheit konkreter Qualitäten, welche die Gegenstände unserer alltäglichen Welt, sowohl der unbelebten als auch der belebten Natur konstituieren. Im Rahmen einer revisionären Ontologie haben somit Substanzen ausgedient. 4. Naturalismus – Willard Van Orman Quine 1) Grundlegend für das Denken Quines ist seine Überzeugung, dass „Erkenntnis [von der] Realität im Rahmen der Wissenschaft [science; Anm.] selbst identifiziert beschrieben werden muss, nicht in einer vorgängigen Philosophie“10. Die traditionelle Position, dass es eine „erste Philosophie“ gibt, welche außerhalb der (Natur-) Wissenschaft steht und die Grundlage für dieselbe bereitstellt, lehnt Quine ab. Vielmehr gilt für ihn, dass die Philosophie nur in Zusammenhang mit den bzw. auf derselben Ebene wie die Naturwissenschaften als Wissenschaft agieren kann. Philosophen und Naturwissenschaftler sitzen, um ein bekanntes Bild Neuraths aufzugreifen, im selben Boot. Diese Grundüberzeugung ist es auch, welche Quine als Vertreter des so genannten Naturalisierungsprogramms kennzeichnet. Ontologische Fragen sind für Quine relativ zur Wahl einer passenden Sprachform, eines passenden Begriffsschemas oder eines begrifflichen Rahmens zu sehen und zu klären. Die Frage nach den grundlegenden Strukturen der Wirklichkeit wird also relativ zur Frage nach grundlegenden Sprachformen zu erörtern sein. Darin erweist er sich als paradigmatischer Vertreter einer analytischen Ontologie. Quine erachtet nun die physikalische Sprache als grundlegend. Alle anderen Sprachen, sowohl jene anderer Wissenschaften als auch die Alltagssprache, insofern sie von kognitiver Relevanz ist, können ohne Verlust ihres Gehalts in diese physikalische Sprache übersetzt werden. Darin erweist sich Quine in seiner Theorienbildung als „revisionär“. Quine begründet diese seine Übersetzbarkeitsthese u.a. durch den Hinweis, dass man sich mit der physikalischen Sprache nur auf leicht einlösbare „ontologische Verpflichtungen“ einlässt; wobei „ontologische Verpflichtung“ im Sinne der Akzeptanz von Wahrheitsbedingungen für bestimmte Aussagen zu verstehen ist. Wir verpflichten uns in diesem Sinne, physikalische Objekte anzunehmen, damit die Sätze der physikalischen Sprache nicht nur 10

Quine 1985, 35. Für Koppelberg ist dieser Punkt ebenfalls das wichtigste Merkmal des metaphysischen Naturalismus, vgl. hierzu: Koppelberg 2000, in Keil / Schnädelbach 2000, 79. Vgl. hierzu auch: Sellars 1991, 173.

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sinnvoll, sondern auch wahr sein können. Und die Verpflichtung auf physikalische Objekte („physical objects“) ist auch schon die einzige, die wir eingehen, wenn wir die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft und letztlich auch der kognitiv relevanten Alltagsrede anerkennen. 2) Was aber sind physikalische Objekte? Für eine Ontologie physikalischer Objekte ist es wesentlich, dass es sich bei ihnen um raumzeitlich lokalisierbare Einheiten handelt. Alles, dem eine raum-zeitliche Ausdehnung („Extension“) zukommt, und nur dieses, gilt in einem ontologisch relevanten Sinn als „physical object“. Als entscheidend ist festzuhalten, dass nach Quine physical objects, verstanden als raumzeitliche Einheiten, vier-dimensionale Gebilde sind. Sie sind nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich ausgedehnt. Und zwar so, dass ihre zeitliche Ausdehnung in strenger Analogie zu ihrer räumlichen zu sehen ist. Eine Folge ist, dass sich ihre Zusammensetzung aus räumlichen Teilen von ihrer Komposition aus zeitlichen Abschnitten nicht unterscheidet. Unter dieser Rücksicht macht es keinen Unterschied, ob man von Kopf und Fuß als distinkten Teilen eines Menschen spricht oder von seinem ersten und fünften Lebensjahrzehnt als numerisch verschiedenen Abschnitten.11 Ontologisch betrachtet sind physikalische Objekte vier-dimensionale Raum-Zeit-Zonen, Summen numerisch verschiedener raum-zeitlicher Teile. Schon aus diesen grundlegenden Bestimmungen ergibt sich, dass Quine Substanzen im Sinne von Entitäten – wie sie im Abschnitt 2 eingeführt wurden – ablehnen muss. Quines physical objects sind vier-, nicht dreidimensional. Sie sind auch zeitlich ausgedehnt. Sie können somit nicht zu einem Zeitpunkt als Ganze da sein. Somit können sie durch die Zeit nicht identisch sein. Das disqualifiziert sie auch als Träger von Ereignissen, zumindest dann, wenn man Ereignisse im aristotelischen Sinne als Änderungen versteht. Wie beschrieben setzen aristotelische Änderungen etwas voraus, das durch die Veränderung hindurch in einem strikten Sinn dasselbe bleibt, das m.a.W. die Änderung „überlebt“. Des Weiteren können Raum-Zeit-Zonen keine sachverhaltsartigen Gebilde in oben eingeführtem Sinne sein. Sie sind nicht nur nicht sachverhaltsartig strukturiert, sondern auch ontologisch einfach oder uniform, wenn man darunter das Gegenteil von komplex versteht. 3) Obgleich für Substanzen im qualifizierten Sinne der eben angeführten Merkmale kein Platz in Quines Ontologie bleibt, lehnt er die Verwendung des Begriffs „Substanz“ nicht unter jeder Rücksicht ab. Um dies in den Blick zu bekommen, muss man zuvor sehen, dass Quine es für einen wichtigen theoretischen Vorteil seiner physical-object-Ontologie ansieht, dass damit die Unterscheidung zwischen jenen Entitäten, die klassisch als 11

Vgl. Quine 1960, 171.

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Substanzen galten, etwa Lebewesen, und Ereignissen als ontologisch irrelevant angesehen werden kann. Sämtliche materielle Dinge, Tische, Katzen und Menschen sind gleichermaßen physical objects wie Möbelumsiedelungen und Tierversuche. Vormalig als Substanzen gedeutete Entitäten sind ebenso wie vormalig als Änderungen interpretierte Ereignisse als vierdimensionale Gebilde in der Raum-Zeit aufgefasst, und somit ontologisch ununterscheidbar. Einen Unterschied zwischen vormaligen Substanzen und vormaligen Ereignissen lässt Quine, und das legitimiert für ihn die Beibehaltung des Begriffs „Substanz“, dennoch gelten: „if an object is a substance, there are relatively few atoms that lie partly in it (temporally) and partly outside.“12 Es liegt auf der Hand, dass es sich hierbei, wenn überhaupt, dann nur um einen graduellen oder quantitativen Unterschied handeln kann. Ontologisch betrachtet, ist diese Differenz unerheblich. Wenn man so will, werden vormals als Substanzen aufgefasste Entitäten und vormals als Ereignisse interpretierte Vorkommnisse auf die Grundkategorie, und das sind physical objects, reduziert, ohne dass die Begriffe „Substanz“ bzw. „Ereignis“ verschwinden müssen. Die Begriffe stehen nun nur nicht mehr für sachverhaltsartig strukturierte, dreidimensionale Gebilde bzw. für Änderungen, sondern für bestimmte Portionen der vierdimensionalen Raum-Zeit. 5. Die Tropen-Ontologie – Keith Campbell 1) Im Unterschied zu Quine setzt sich Keith Campbell explizit mit dem traditionellen aristotelischen Substanzbegriff auseinander. In seinem Buch „Abstract Particulars“13 begründet er seine Ablehnung von Substanzen mit folgenden Argumenten: Versteht man Substanzen als Träger von Eigenschaften bzw. Änderungen, setzt das voraus, dass Substanzen selbst eigenschaftslos seien. Der Begriff solcher „bare particulars“14 sei aber unverständlich.15 Sind bare particulars tatsächlich ohne jegliche Eigenschaft, dann können sie auch nicht die Fähigkeit („capacity“) besitzen, Eigenschaften zu haben. Denn genau genommen handelt es sich bei dieser Fähigkeit wohl auch um eine Eigenschaft. Wenn wir diesem Träger aber zumindest die Fähigkeit oder die Eigenschaft, Eigenschaften zu haben, zugestehen, dann ist dieser Träger nicht mehr eigenschaftslos. Er hört auf, ein „bare particular“ zu sein. 12 13 14 15

Quine 1960, 171. Campbell 1990. Campbell 1990, 7. Siehe Campbell 1990, 7.

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Im Rahmen einer Substanzontologie kann man zwar die (akzidentellen) Veränderungen von Substanzen mit dem Begriffspaar „Substanz – Eigenschaft“ gut erklären, die substanziellen Änderungen, sprich Zerstörung oder Tod, aber nicht.16 Das zeigt sich, wenn man fragt, was der Träger einer substanziellen Änderung ist. Sicherlich keine Eigenschaft, wohl auch keine andere Substanz. Müssen wir zusätzlich noch eine dritte Art Entitäten annehmen, die als Träger oder „Individuator“ von Substanzen und substantiellen Änderungen auftritt? Eine dritte Schwierigkeit für eine Substanz-Ontologie sieht Campbell im Problem der Einheit bzw. des mereologischen Bestands von Substanzen. Zweifelsohne bestehen jene Entitäten, die man gewöhnlich für Substanzen hält, aus bestimmten Teilen. Ein Messer z.B. besteht aus Klinge, Griff etc., Teile, die – für sich gesehen – wiederum aus (einfacheren) Teilen bestehen, und so weiter. Was ist hier die Substanz? Das ganze Messer? Die atomaren Bestandteile? Oder irgendeine Einheit dazwischen? Nach Campbell ist es unmöglich, eine (nicht-willkürliche) Antwort zu finden. Das aber ist ein schwerwiegendes Problem für jede Ontologie, die Substanzen anerkennt. Wenn man nämlich keine verbindliche Antwort auf die Frage der numerischen Einheit und Anzahl („Identität und NichtIdentität“) ihrer Vorkommnisse geben kann, ist es um eine Kategorie schlecht bestellt. 2) Campbells Anliegen in der Ontologie ist aber nicht vorwiegend kritisch. Auch setzt er nicht beim Substanz-Thema als solchem an, sondern bei einem anderen altehrwürdigen Problem der Ontologie, nämlich dem Universalienproblem. Sein Anliegen ist es, Eigenschaften in die Ontologie einzubeziehen, ohne sich damit auf die Annahme der Existenz universaler (d.h. abstrakter, allgemeiner) Entitäten festzulegen. Campbell meint, mit der Verfolgung dieses Anliegens der traditionellen Ontologie entgegenzustehen. Diese habe Eigenschaften entweder als universale Entitäten angesehen oder sie gänzlich eliminiert. Ersteres entspräche einer universalien-realistischen, letzteres einer nominalistischen Ontologie. Diesen Alternativen setzt die Ontologie Campbells eine Theorie von Eigenschaften als Tropen, als partikulären Entitäten, entgegen. Die Tropen-Ontologie greife somit, so Campbell, folgende „große, befreiende Einsicht“ (engl.: great, liberating insight) auf: „Properties can be particulars, so the denial of universals need not be the denial of properties.“17 Tropen sind also Partikularien. Sie sind konkrete, d.h. raum-zeitlich verfasste, und individuelle Eigenschaften, wie z.B. dieses Braun dieses Tisches, jene Höhe des Stuhles, dieses Gewicht meines Computers. Tropen sind, um ein weiteres Charakteristikum zu nennen, einfach. Tropen haben 16 17

Siehe Campbell 1990, 7-10. Campbell 1990, preface, xi.

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keine komplexe Struktur. Das mag nicht ausschließen, dass es auch zusammengesetzte Tropen geben mag, etwa die Trope dieses Grün-undRund der Scheibe hier. Aber auch die bilden, um die Überlegungen des obigen Absatzes aufzugreifen, keine sachverhaltsartige Struktur – dazu mangelt es ihnen an der Verschiedenartigkeit der Elemente. Tropen sind also keine „Mini“- oder „Ersatz“-Substanzen. Im Hinblick auf die Gegnerschaft zur Substanz-Ontologie muss man bei der Tropen-Ontologie eine wichtige Unterscheidung vornehmen. Es mag nämlich durchaus Positionen geben, die (zusätzlich zu Substanzen) auch partikuläre Eigenschaften mit einfacher Natur, sprich Tropen, annehmen. Es ist sogar möglich, Tropen zusammen mit Substanzen und universalen Eigenschaften zu akzeptieren: Bei hinreichend platonischer Veranlagung mag man durchaus geneigt sein, im Bereich der Eigenschaften zwischen Universalien und Partikularien zu unterscheiden.18 Es bedarf dazu lediglich der zusätzlichen Annahme einer Instanziierungsrelation zwischen beispielsweise der Farbe Grün als Universale und diesem konkreten Grün der Tafel da. Wie auch immer, solche Auffassungen stehen, das ist klar, einer Ontologie mit Substanzen im eingeführten Sinne nicht entgegen. Ein (unversöhnlicher) Gegensatz zur Substanz-Ontologie ergibt sich allerdings dann, wenn Tropen nicht nur als eine Art von Entitäten neben anderen aufgefasst werden, sondern, wie etwa bei Keith Campbell, als grundlegende, ja als die grundlegenden Bestandteile der Wirklichkeit. Nach Campbell gibt es nur Tropen. Nach ihm sind sämtliche alltäglichen Gegenstände ontologisch betrachtet als „Bündel von Tropen“ zu begreifen. Die Annahme von Substanzen in ihrer ontologischen Interpretation erübrigt sich also. Unsere Katze z.B. ist nichts anderes als ein Bündel oder Kompositum aus Tropen, wie dieser ihrer Größe, ihrem Gewicht, ihrer Farbe etc. Was sie „zusammenhält“ ist kein metaphysisches Substratum, sondern die Beziehung der „Kopräsenz“, in der sämtliche Tropen, welche die Katze konstituieren, zueinander stehen. Unsere alltäglichen Gegenstände, Lebewesen eingeschlossen, sind somit nichts anderes als Bündel oder Gruppen „kopräsenter“ Tropen. 3) Keith Campbells Ansage einer universalien- und substanzfreien Ontologie mit Eigenschaften mutet zunächst nicht unbedingt revisionär an. Dass dieses Grün der Tafel hier als partikuläres Vorkommnis gedeutet wird, steht unseren alltäglichen Intuitionen wohl kaum entgegen. Selbst Campbells Deutung von Substanzen als Tropenbündeln ist, zumindest auf den ersten Blick gesehen, nicht zwingend revisionär. So scheint insbesondere der Verzicht auf empirisch unzugängliche Substrata nicht kontraintuitiv zu sein. 18

U.a. Chisholm sieht in seinem Kategorienschema sowohl individuelle als auch abstrakte Eigenschaften vor, wenn man individuelle Eigenschaften als Bestandteile von „states“ zulässt, und abstrakte Eigenschaften als „attributes“ in Chisholms Sinn versteht. Vgl. ders. 1996, 3.

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Dieser erste deskriptiv anmutende Schein trügt allerdings. Versteht man Campbells Ontologie tatsächlich deskriptiv, kommt man sehr bald in unüberwindbare Schwierigkeiten. Hier seien nur zwei erwähnt: Erstens gibt es kein (zumindest kein nicht-willkürliches) Kriterium für die Identität von Tropen, verstanden als partikuläre Eigenschaften im Sinne deskriptiver Ontologie. Wie viele Grün-Tropen kommen hier im Verbund des „Tropenbündels“ Tafel vor. Eine? – Sprich eine Trope für die Farbe der ganzen Tafel. Drei? – Je eine Trope für die beiden räumlich separierbaren Tafelflügel, und eine für den Hauptteil? Sechs? – Oberer und unterer Abschnitt jedes Hauptteils? Die Vorschläge können beliebig erweitert werden, ohne dass sich eine (nicht-willkürliche) Entscheidung nahe legen würde. Neben dem Problem der Identifikation von Tropen stellt sich das Problem des Verschwindens von Tropen bei Änderungen. Bleiben wir beim Beispiel der Tafel und fragen wir uns, wie es zu erklären ist, wenn das Grün chemisch abgetragen und die Tafel blau gestrichen wird. Nach dem Farbwechsel liegen eine oder mehrere Blau-Tropen vor. Wo aber sind die Grün-Tropen hin? Sind sie zugrunde gegangen? Wenn ja, wie ist das Zugrundegehen eines ganz und gar Einfachen zu erklären? Leibniz’ Lösung der Auslöschung durch Gott19 steht Campbell wohl nicht zur Verfügung. Wenn keine Zerstörung stattfindet, stellt sich die Frage nach dem neuen Aufenthaltsort der Grün-Tropen post mutationem der Tafel aufs Neue und Eindringlichste. Schon diese beiden Problemkreise, nämlich der Identifikation und der Änderung, machen deutlich, dass man die Rede von Tropen in Campbells Sinn einer Tropen-Ontologie nicht für bare deskriptive Münze nehmen darf. Was uns im Alltag an partikulären Eigenschaften begegnet, gibt uns keinen Aufschluss darüber, was Tropen letztlich sind. Campbell ist zu Gute zu halten, dass er sich dies selbst zugesteht, und im Verlaufe von Abstract Particulars konsequenterweise zu einer revisionären Tropen-Ontologie kommt. Die Basisbausteine der Wirklichkeit sind nicht die partikulären Eigenschaften unseres Alltags, sondern „Basis-Tropen“, sprich Felder, die letztlich physikalisch zu interpretieren sind.20 Die Eigenschaften des Alltags entstehen durch Verdichtungen und Verdünnungen dieser BasisTropen. Als solche sind sie „well-founded appearances“, die nicht einfach als Illusion abzutun, aber auch nicht als zur „straightforwarded reality“ zu zählen sind.21 Wir untersagen es uns, hier weiterführende Fragen zu stellen. Für unseren Kontext entscheidend ist, dass auch Campbells Ablehnung von Substanzen zu Gunsten von partikulären Eigenschaften 19 20

Siehe Leibniz, Monadologie, Paragraph 6. Siehe Campbell 1990, 146. Hier identifiziert Campbell jene Felder, die er als „Basis-Tropen“ ausweist, mit den „fundamental forces recognized in contemporary physics“. 21 Campbell 1990, 152.

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letztlich vor dem Hintergrund seines Anliegens einer revisionären Ontologie zu verstehen ist. 6. Ein neues Kriterium für Substanzen – Hoffman and Rosenkrantz Wir wenden uns nun Autoren zu, die im Unterschied zu den bisher behandelten eine Ontologie mit Substanzen befürworten. Als erste möchten wir die Position von Joshua Hoffman and Gary S. Rosenkrantz (im folgenden HR) darstellen. Darüber, dass sich die beiden der deskriptiven Richtung innerhalb der Ontologie zugehörig erachten, lassen sie von Beginn an keinen Zweifel.22 Der konkrete Ansatz zu einer Substanzontologie führt HR aber über den Weg der Klärung von „Kategorie“ und der Darlegung eines neuen Kriteriums für Substanzen, welches die Probleme traditioneller Kriteriologien zu vermeiden sucht. 1) Kommen wir zunächst zur Klärung von „Kategorie“, und speziell zur Frage, was denn nun eine ontologische Kategorie sei. „[O]ntological categories are of different levels of generality, and are related to one another as species and genus. Thus, these categories constitute a system of classification which reflects these logical relations.“23

Da sich ontologische Kategorien nach HR analog zum Verhältnis von Spezies und Genus der Tradition aufeinander beziehen, kann man eine Hierarchie nach Allgemeinheitsgrad der ontologischen Kategorien angeben. HR unterscheiden vier Stufen („level“), wobei Level A die umfassendste Kategorie darstellt, und Level D im Vergleich die wenigsten Mitglieder hat.24 Zum Level A gehört die Kategorie der Entität („entity“). Entitäten können in abstrakte und in konkrete Entitäten (Level BKategorien) eingeteilt werden. HR teilen diese wiederum in verschiedene Level C-Kategorien. Zu der Level B-Kategorie „Concreta“ gehören beispielsweise die Level C-Kategorien „Ereignis“, „Raum“, „Zeit“, „Adhärenz“ („Trope“), „Grenze“, „Privation“25, „(individuelle) Klasse“ und „Substanz“. Die Level D-Kategorien sind Unterarten der Level CKategorien. Beispielsweise sind die Kategorie „Materielle Objekte“ und 22 23 24

Vgl. HR 1994, 1; dies. 1997, 7. HR 1994, 16. Vgl. auch dies. 1997, 46. HR schließen nicht aus, dass es mehr als vier ontologische Levels geben könnte. Sie listen allerdings nur vier auf. 25 Mit „Privation“ sind Mängel gemeint, ein klassisches Beispiel dafür ist das Loch im Hemd. Ein anderes Beispiel kommt von der Musik, die Pause zwischen zwei Noten kann als Privation angesehen werden.

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Analytische Ontologie

die Kategorie der reinen Geistwesen („spirits“) Level D-Kategorien der Level C-Kategorie „Substanz“.26 Ob eine ontologische Kategorie zum Level C oder zu einem anderen Level gestuft werden soll, kann anhand folgenden Kriteriums festgestellt werden: Da jede Entität ihren Platz in der Ontologie haben muss, ist eine Kategorie dann in den Level C einzustufen, wenn die Entitäten, die unter sie fallen, nicht bereits einer anderen Level C-Kategorie zugeordnet werden, und es für sie keine übergeordnete Kategorie gibt, die bereits den Charakter von Level C-Kategorien aufweist.27 Da die Kategorie „Substanz“ dieses Kriterium erfüllt, gilt sie auch als Level C-Kategorie. Diese Analyse der Kategorien betreiben HR aus einer „ontologisch neutralen“ Position.28 Sie sind der Meinung, dass sowohl physical-object-, Tropen-, als auch Substanzontologien diesem Kategorien-Schema folgen können. Es geht hier, unabhängig davon, was es nun tatsächlich gibt, um eine Theorie der Systematisierung von Kategorien und in Folge auch von Entitäten. Diese ontologisch neutrale Position behalten sie ebenfalls bei, wenn sie in einem nächsten Schritt ihr neues Kriterium für Substanzen entwickeln, welches man als ein Unabhängigkeitskriterium bezeichnen kann. „Ontologisch neutral“ heißt hier wohl, dass sie dieses Unabhängigkeitskriterium ungeachtet der Frage, ob es nun tatsächlich Entitäten gibt, die es erfüllen oder nicht, einführen. 2) Besagtes Unabhängigkeitskriterium verstehen HR in der Tradition des Aristoteles und auch des Descartes. Seine Annahme verfolgt den Zweck, Substanzen als solche ontologisch zu charakterisieren und in Folge auch von anderen Entitäten abzuheben. Dabei kommen sie (nach einigen vorläufigen Versuchen und Ergänzungsvorschlägen) zu folgender Definition (D3): „(D3) x is a substance = df. x instantiates a level C category, C1, such that: (i) C1 could have a single instance throughout an interval of time, and (ii) C1’s instantiation does not entail the instantiation of another level C category which could have a single instance throughout an interval of time, and (iii) it is impossible for C1 to have an instance which has as a part an entity which instantiates another level C category, other than Concrete Proper Part, and other than Abstract Proper Part.“29

Die so verstandene ontologische Unabhängigkeit ist keine generelle Unabhängigkeit, im Besonderen keine von Entitäten anderer Kategorien. Unabhängigkeit wird hier verstanden als (zumindest zeitweilige) Unabhängigkeit von anderen Vorkommnissen der eigenen Kategorie 26 27 28 29

HR 1994, 14-22. Siehe auch: HR 1997, 46-50. Vgl. HR 1994, 19, insbesondere (1D5). Siehe HR 1997, 43. HR 1997, 65. Siehe auch: HR 1994, 94, (4D1), (4D2) und 127, (4D1*), (4D2*).

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(„independence within its kind“30), siehe Klausel (i). Dass Substanzen unabhängige Entitäten sind, heißt somit nicht, dass sie auch unabhängig sein müssten beispielsweise von Eigenschaften oder Ereignissen. Damit verpflichten sich HR nicht auf eigenschaftslose Substanzen und sind nicht der Problematik von „bare particulars“ ausgesetzt, wie sie in Abschnitt 5 angedeutet wurde.31 Worauf sie sich jedoch verpflichten ist, dass man sich, zumindest für eine bestimmte Zeitspanne, ein Universum mit genau einer Substanz denken können muss. Klausel (ii) meint, dass aus der Verwirklichung einer Substanz nicht folgt, dass es noch andere Entitäten geben müsste, die über eine bestimmte Zeit hinweg die einzigen ihrer Kategorie wären. HR argumentieren hier folgendermaßen: Nehmen wir an, Substanzen verlangten nach dem Vorkommen von Eigenschaften. Eigenschaften sind aber nicht so, dass sie (Begründung folgt) die einzigen ihrer Art sein können. Also verlangen Substanzen, so sie nach dem Vorkommen von Eigenschaften verlangen, nicht nach einer Kategorie, die nur eine einzige Instanz haben könnte. Die Klausel (iii) schließt aus, dass Substanzen als Summen anderer C-Level Entitäten, wie Ereignissen oder Eigenschaften, verstanden werden können. Steht sie ja bereits der Annahme entgegen, irgendein Teil könnte ein Vorkommnis dieser oder anderer Level-C Kategorien sein. Damit wird u.a. eine tropen-theoretische Interpretation von Substanzen von vornherein verhindert.32 Eigenschaften, Tropen inkludiert, können mit Klausel (i) aus dem Bereich der Substanzen ausgeschlossen werden. Wenn es eine Eigenschaft gibt (z.B. die Farbe Rot), so muss es auch andere Eigenschaften geben, die auf Grund ihrer Allgemeinheit übergeordnet ist (z.B. Färbigkeit). Andererseits können übergeordnete Eigenschaften nicht ohne die untergeordneten Eigenschaften existieren: Die Eigenschaft Färbigkeit kann nicht vorkommen ohne eine bestimmte Farbe. Für Tropen gilt analoges.33 Mit der Akzeptanz der Klausel (i) erweist sich u.a. auch der Raum als Nicht-Substanz. Denn wenn es den Raum (an sich) gibt, dann ist er entweder ausgedehnt, oder er ist ein Punkt („point-position“). Letzteres ist nach HR letztlich eine unintelligible Position. Wenn der Raum aber ausgedehnt ist, dann kann dieser Raum in kleinere Teile geteilt werden, die – jeder für sich – wiederum einen Raum darstellen. Wenn es also einen ausgedehnten Raum gibt, dann gibt es auch mehrere ausgedehnte Räume. 3) Was sind aber nach HR genauerhin Substanzen und welche Arten von Substanzen kann man nach gegebenem Kriterium annehmen? Das besagte 30 31 32

HR 1994, 127; HR 1997, 50. Siehe HR 1997, 17-20. Die Klausel (ii) und (iii) werden von HR im Rahmen der Diskussion um Privationen eingeführt. HR geht es zwar primär darum, Privationen aus dem Bereich der Substanzen auszuschließen, mit diesen Klauseln kann aber auch (u.a.) die Deutung der Substanzen als Tropenbündel blockiert werden. 33 Siehe HR 1997, 53 ff.; HR 1994, 97-100.

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Unabhängigkeitskriterium (v.a. Klausel (i)) impliziert, dass Substanzen durch die Zeit identisch bleiben müssen. Damit ist ein wesentliches Charakteristikum genannt. Da diachrone Identität Dreidimensionalität impliziert, sowie die Fähigkeit, Träger von Eigenschaften und auch von Veränderungen zu sein, entspricht HRs Verständnis von Substanzen dem in Abschnitt 2 angedeuteten. In diesem Zusammenhang führen HR ein weiteres Charakteristikum an: Das Prinzip nämlich, welches die diachrone Identität von Substanzen gewährleistet, muss, so HR, in der Substanz selbst, d.h. in ihrer Natur liegen. Dieses Prinzip darf m.a.W. nicht von einem äußeren Beobachter („psychological subject“) abhängen. Im Hintergrund steht die Überzeugung, dass eine derartig starke Form von Existenzabhängigkeit, wie es die Abhängigkeit der Identität von einem beobachtenden Subjekt bedeuten würde, den Status von etwas nicht nur als Substanz, sondern überhaupt als ontologische Entität negiert. Im Hinblick auf Substanzen ist jedoch klar, dass die Abhängigkeit von einem „psychological subject“ Unabhängigkeit im Sinne der Definition (D3) ausschließen würde. In einem weiteren Schritt versuchen HR herauszufinden, welche Entitäten tatsächlich in ihrem Sinne als Substanzen gelten können. Zunächst gibt es die „basic particles“34. Zwar äußern sich HR zunächst einmal kritisch gegenüber räumlich ausgedehnten, aber dennoch unteilbaren Atomen, weisen aber auf die empirische Wissenschaft hin, die uns Beweise für die Existenz derartiger Atome liefere. Diese sind ontologisch „simple“, haben keine (echten) Teile, und werden daher mit Klausel (iii) des Unabhängigkeitskriteriums nicht ausgeschlossen. Allen Entitäten, nach deren Vorkommen Atome verlangen, beispielsweise Eigenschaften, Raum etc., steht Klausel (ii) nicht entgegen.35 Auch ist es denkbar, dass es in einer möglichen Welt nur ein einziges Atom und sonst keine anderen Substanzen gibt, im Sinne von (D3), Klausel (i). Unbezweifelbar ist ja auch, dass das Prinzip der Identität von „basic particles“ in ihnen selbst, d.h. unabhängig von subjektiven Beobachtern liegt. Relativ zum Stand naturwissenschaftlicher Forschung kann man Atome somit als Substanzen bezeichnen. Als nächstes untersuchen HR die „mereological compounds“36. Darunter verstehen sie gleichmäßig aufgebaute, physikalische Körper (z.B. einen Goldbarren), deren Teile essentiell für diese Körper sind. Sie können m.a.W. keinen ihrer Teile verlieren, ohne dass sie zu Grunde gehen. HR argumentieren, dass das Prinzip des Zusammenhalts der Goldatome, das sind gewisse physikalische Gesetze, in den Goldbarren selbst liegt. Die Wirkung der maßgeblichen physikalischen Gesetze ist nicht abhängig von 34 35 36

Siehe HR 1997, 150 f. Zur Begründung siehe den vorhergehenden Abschnitt (2), letzter Abschnitt. Siehe HR 1997, 73-90 und 151 f.

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irgendwelchen Beobachtern. Klausel (i) scheint somit kein Problem zu sein; ebenso wenig wie Klausel (ii), hier besteht eine genaue Analogie zu den Atomen. Schließlich gibt es die Möglichkeit, Instanzen anderer CLevel Kategorien, wie Eigenschaften, Ereignisse etc. von Goldbarren, im Sinne der Tradition als von Goldbarren abhängige Akzidentien zu verstehen, nicht aber, wie durch Klausel (iii) ausgeschlossen, als deren (Bestand-)Teile. Somit können auch „mereological compounds“ wie unser Goldbarren sämtliche Klauseln der gegebenen Definition (D3) erfüllen. Bei jenen Entitäten, deren Teile sich ändern können, ohne dass ihre Identität beeinträchtigt ist, unterscheiden HR zwischen unbelebten und belebten. Die unbelebten Entitäten (sowohl Artefakte, wie Autos oder Computer, als auch typische „natural formations“ wie Berge, Meere und Planeten) sind keine Substanzen. HR argumentieren damit, dass die Identitätsbedingungen von Artefakten konventionell festgelegt werden.37 Die diachrone Identität der Artefakte hängt somit von mindestens einem Beobachter ab, woraus folgt, dass sie Klausel (i) von (D3) nicht erfüllen. Ähnliches gilt für die „natural formations“. Auch bei den Bergen und Meeren werden Identitätsbedingungen subjektabhängig aufgestellt.38 Bei Lebewesen ist die Situation anders. Für HR steht fest, dass es bei allen Lebewesen ein Prinzip gibt, das die Veränderungen der Teile des Organismus koordiniert.39 Dieses Prinzip ist in den Lebewesen selbst in Form von Genen kodiert, daher kann behauptet werden, dass es ein Ordnungsprinzip ist, welches unabhängig von Beobachtern ist. Dadurch, dass die Lebewesen durch dieses Prinzip eine echte Einheit bilden, können sie diachron mit sich identisch sein.40 Weiters ist es plausibel anzunehmen, dass über eine gewisse Zeit hinweg genau ein Lebewesen (welcher Art auch immer) existieren kann, wie in Klausel (i) verlangt. Für Klausel (ii) gilt bei Lebewesen Analoges wie für die oben erwähnten SubstanzKandidaten. Und schließlich gibt es gute Gründe, dass Teile von Lebewesen, wie in Klausel (iii) vorgesehen, nicht eigenschafts- oder ereignisartig sein können. Auch das sollte aus den bisherigen Ausführungen hinreichend klar geworden sein.

37

Siehe HR 1997, 163 ff. HR nennen hier das Beispiel des Schiffs von Theseus. Die einzelnen Planken eines Holzschiffes (S1) werden nach und nach durch neue Planken ersetzt, bis das Schiff generalüberholt wird, welches wir nun S2 nennen. Aus den alten Planken bastelt man ein neues Schiff, das wir mit dem Namen S3 taufen. Mit welchem Schiff ist S1 nun identisch? Aus besitzrechtlichen Gründen könnte dafür plädiert werden, dass S1 mit S2 identisch ist. Die Selbigkeit der Teile spricht aber dafür, dass S1 mit S3 identisch ist. HR meinen, dass die Frage der Identität von S1 nur konventionell gelöst werden kann. 38 Siehe HR 1997, 169 f. Vgl. auch: Nida-Rümelin 2001. 39 Siehe HR 1997, 128-134. 40 Siehe HR 1997, 166f.

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Analytische Ontologie 7. Substanzen als grundlegende Entitäten – E. J. Lowe

Um zu Jonathan Lowes These von Substanzen als den für andere Entitäten grundlegenden Bestandteilen der Wirklichkeit hinzuführen, möchten wir sein Verständnis der sortalen Abhängigkeit der Identität von Substanzen und seine Auffassung vom einfachen („primitive“) Charakter der Identität von Substanzen schildern. Beide Thesen unterstreichen zunächst den deskriptiven Charakter der Ontologie Lowes. Es spielen weder Arten oder Sorten in revisionären Entwürfen (siehe Quine) eine Rolle für die Bestimmung der Identität von Entitäten, noch kann die Identität von Entitäten vor dem Hintergrund revisionärer Annahmen als einfach („primitive“) gelten. Sie lässt sich zurückführen auf andere Relationen, etwa raum-zeitliche Kontinuität (Quine) oder Kopräsenz (Campbell). 1) Bei Lowe bildet der alltägliche Akt des Zählens von Dingen oder Substanzen den Ausgangspunkt der ontologischen Überlegungen hinsichtlich der sortalen Abhängigkeit ihrer Identität.41 Lowe bemerkt, dass wir, um erfolgreich zählen zu können, Dinge als Einheiten identifizieren und voneinander unterscheiden können müssen. Um das in die Wege leiten zu können, brauchen wir freilich Identitätsbedingungen für jene Dinge, die wir zählen wollen. Wir müssen wissen, wann bzw. unter welchen Umständen wir es mit einem oder mit mehreren Dingen zu tun haben. Diese Identitätsbedingungen für die Dinge oder Substanzen sind aber abhängig von deren Art oder Sorte. Somit gibt die sortale Zugehörigkeit vor, wie die Dinge identifiziert, und schließlich gezählt werden können. So lässt sich auf die Frage, wie viele Bücher es in diesem Regal gibt, eine eindeutige Antwort geben. Wenn wir nach der Anzahl von sortal unbestimmten Dingen, z.B. in einem Raum, gefragt werden, müssen wir wohl zurückfragen, welche Dinge oder Dinge von welcher Art gemeint wären? Erst wenn die Art oder Sorte des Zuzählenden geklärt ist, können wir uns sinnvoll daran machen. Lowe präzisiert: „What is crucial is that if one is to count the Fs and Gs, then (i) F and G must each supply determinate identity-conditions for their instances and (ii) F and G must be disjoint kinds, so that nothing can be an instance of both […].“42

Begriffe von Sorten oder Arten, die maßgeblich sind für die Identität jener Entitäten, die unter sie fallen, nennt Lowe sortale Ausdrücke oder „sortals“. Dabei bemerkt Lowe ein weiteres Phänomen, nämlich das einer 41 42

Siehe: Lowe 1998, 31 ff. Lowe 1998, 32.

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wechselseitigen Abhängigkeit zwischen individuellen Substanzen und jenen Sorten oder Arten, wofür sortale Ausdrücke stehen. „But an important point to appreciate here is that the notions of individual (or particular) and sort (or kind) are, very arguably, interdependent and mutually irreducible. Individuals are only recognizable as individuals of a sort, while sorts are only intelligible as sorts of individuals.“43

2) Nach Lowe ist die Beziehung der Identität, insbesondere der Persistenz oder diachronen Identität, „primitive“. Das bedeutet zunächst, dass sie selbst nicht auf andere Beziehungen zurückgeführt werden kann. Das heißt aber auch, dass Identität nicht in dem Sinn „erklärt“ werden kann, dass man sie eben aus grundlegenderen Beziehungen herleitet.44 Schließlich ist die Persistenz selbst Basis für anderes, etwa von Änderungen („changes“) und folglich auch für Zeit bzw. zeitliche Verhältnisse. Lowe argumentiert für den „ungegründeten“ Charakter der Persistenz: „So, the three premisses of our argument are as follows: (1) time necessarily involves change, (2) a change can only occur if there is something which persists through that change, and (3) if there were nothing whose persistence was ungrounded, then everything’s persistence would have to depend upon a succession of changes.“45

Aus den Prämissen (1) und (2) lässt sich ableiten, dass (4) Zeit nur dann existieren kann, wenn es etwas gibt, was durch die Zeit persistiert. Aus (2) lässt sich außerdem ableiten, dass, (5) wenn irgendetwas durch die Zeit persistiert, es dann auch etwas geben muss, dessen Persistenz nicht von einer Abfolge von Veränderungen abhängt. Aus (5) und (3) kann geschlossen werden, dass, (6) wenn irgendetwas durch die Zeit persistiert, es dann auch etwas geben muss, dessen Persistenz nicht auf etwas anderem basiert („ungrounded“). Und schließlich lässt sich aus (4) und (6) ableiten: (7) Zeit kann nur dann existieren, wenn es etwas gibt, dessen Persistenz nicht auf etwas anderem basiert. Diese Argumentation ist besonders für die Auseinandersetzung mit Gegnern von Substanzen aufschlussreich. Quine behauptet beispielsweise, dass die Identität, insbesondere die Persistenz, von physical objects gerade nicht einfach oder „primitive“ im Sinne Lowes ist. Die Persistenz von physical objects ist etwa rückführbar auf die Beziehung der Kontinuität raum-zeitlicher Teile, was aber diachrone Identität in einem strikten Sinne unmöglich macht. In Konsequenz leugnet Quine Substanzen, verstanden eben als diachron identische Entitäten. Hat Lowe Recht, und darauf 43 44 45

Lowe 1989, 11. Siehe Lowe 1998, 28; Lowe 1998, 121-125. Lowe 1998, 124.

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möchten wir das Augenmerk lenken, ist Quines Abwehrstrategie gegen Substanzen hinfällig. 3) Mit Hilfe der These der sortalen Abhängigkeit ihrer Identität und der Nicht-Analysierbarkeit ihrer diachronen Identität kann Lowe einerseits eine Definition der Substanzen, und andererseits den Unterschied zwischen Substanzen und Entitäten anderer Kategorien einführen. Lowe geht zunächst auch davon aus, dass Substanzen ontologisch (also nicht kausal genetisch) unabhängige Entitäten sind. Anders als Hoffman und Rosenkrantz erklärt Lowe aber die ontologische Unabhängigkeit der Substanzen durch die Unabhängigkeit ihrer Identität von der Identität anderer Entitäten. „(T7) x is a substance if and only if x is a particular and there is no particular y such that y is not identical with x and the identity of x depends on the identity of y.“46

Was bedeutet es aber, dass die Identität einer Entität x von der Identität einer anderen Entität y abhängt? Lowe expliziert dies so: „To say that the identity of x depends on the identity of y – or, more briefly, that x depends for its identity upon y – is to say that which thing of its kind y is fixes (or at least helps to fix) which thing of its kind x is.“47

Substanzen sind deswegen ontologisch als unabhängig zu betrachten, weil ihre Identität von nichts anderem abhängt, außer von ihnen selbst und ihrer Artzugehörigkeit. Andere Entitäten erfüllen (T7) aber nicht. Anhand von drei (vermeintlichen) Kandidaten soll das gezeigt werden. Die erste Gruppe „collectives“ (Kollektive wie Sandhaufen etc.) erfüllt (T7) nicht, da ihre Identität von der Identität ihrer Mitglieder abhängt. Die „spatiotemporal parts“ können ebenfalls keine Substanzen sein, da ihre Identität wesentlich von der Identität des Ganzen abhängt, dessen Teile sie sind. Wir können m.a.W. die Identität keines raum-zeitlichen Teiles von etwas angeben, ohne uns auf die Identität des Ganzen zu beziehen. Die dritte Gruppe umfasst die Ereignisse („events“). Ereignisse sind Änderungen der Eigenschaften oder der Relationen von Substanzen. Deren Identität hängt demnach wesentlich von der Identität der Substanzen ab, die in die Ereignisse verwickelt sind. Hängt die Identität der Substanzen aber nicht von ihrer Artzugehörigkeit ab? Ist sie somit nicht unabhängig wie in (T7) gefordert? Wir können beispielsweise behaupten, dass Sokrates in seiner Identität von seinem Menschsein abhängt. Lowe antwortet hierzu: 46 47

Lowe 1998, 151. Lowe 1998, 147.

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„Certainly, if there is such a thing as the particular humanity of Socrates, he cannot lose it without ceasing to exist. But perhaps we can deny that this particularized humanity is anything distinct from Socrates himself: after all, its existence necessarily coincides with his. […] In short, perhaps we can argue that the distinction, such as it is, between Socrates and his humanity is merely a ‚distinction of reason’.“48

Sokrates’ Unabhängigkeit ist so gesehen nicht durch die sortale Dependenz seiner Identität gefährdet. Das qualifiziert ihn, wie alle anderen Lebewesen, als geradezu paradigmatisches Vorkommnis jener Kategorie, um die es Lowe im Kern seiner Ontologie geht, nämlich als Substanz. 8. Literaturliste Campbell, Keith 1990: Abstract Particulars. Oxford / Cambridge / Massachusetts: Basil Blackwell. Chisholm, Roderick M. 1996: A Realistic Theory of Categories. Cambridge / New York / Melbourne: Cambridge University Press. Dummett, Michael A. E. 1988: Ursprünge der Analytischen Philosophie. Übersetzt von: Schulte, Joachim. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Hoffman, Joshua / Rosenkrantz, Gary S. 1994: Substance Among Other Categories. Cambridge / New York / Melbourne: Cambridge University Press. Hoffman, Joshua / Rosenkrantz, Gary S. 1997: Substance, Its Nature and Existence. London / New York: Routledge. Hoffman, Joshua / Rosenkrantz, Gary S. 2002: The Divine Attributes. Oxford / Malden: Blackwell Publishers. Kanzian, Christian 2001: Ereignisse und andere Partikularien. Paderborn: Schoeningh. Kanzian, Christian 2003: Der Verweis auf Intuitionen als Argument in der Ontologie. In: Metaphysica, Bd. 4(1), 83-100. Koppelberg, Dirk 2000: Was ist Naturalismus in der gegenwärtigen Philosophie. In: Keil, Geert / Schnädelbach, Herbert (Hg.) 2000: Naturalismus. Philosophische Beiträge. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 6891. Leibniz, Gottfried Wilhelm 1998: Monadologie. Französisch / Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von: Hecht, Hartmut. Stuttgart: Philipp Reclam jun. Lombard, Brian 1986: Events. London / Boston / Henley: Routledge.

48

Lowe 1998, 142.

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Lowe, Ernest Jonathan 1989: Kinds of Being. A Study of Individuation, Identity and the Logic of Sortal Terms. Oxford / New York: Basil Blackwell (Aristotelian Society Series Vol. 10). Lowe, Ernest Jonathan 1998: The Possibility of Metaphysics. Substance, Identity, and Time. Oxford: Clarendon. Nida-Rümelin, Martine 2001: Realismus bezüglich transtemporaler Identität von Personen. In: Sturma, Dieter (Hg.) 2001: Person. Philosophiegeschichte, Theoretische Philosophie, Praktische Philosophie. Paderborn: Mentis, 197-221. Quine, Willard van Orman 1960: Word and Object. Cambridge / Massachusetts: M.I.T. Press. Quine, Willard van Orman 1985: Theorien und Dinge. Übersetzt von: Schulte, Joachim. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Runggaldier, Edmund / Kanzian, Christian 1998: Grundprobleme der Analytischen Ontologie. Paderborn / München / Wien / Zürich: Schoeningh, (UTB 2059). Sellars, Wilfrid 1991: Science, Perception and Reality. Atascadero / California: Ridgeview Publ. Simons, Peter 1998: Farewell To Substance: A Differentiated LeaveTaking. In: Ratio (new series), Bd. 11, 235-252. Strawson, Peter Frederick 1972: Einzelding und logisches Subjekt (Individuals). Übersetzt von Scholz, Freimut. Stuttgart: Philipp Reclam Jun.

Holger Gutschmidt, Antonella Lang-Balestra & Gianluigi Segalerba: Substantia – Sic et Non I Der philosophische Substanzbegriff ist griechischen Ursprungs und gehört zu einem der ältesten und einflußreichsten Konzepte der Geschichte der Philosophie. Die Beiträge, die in diesem Band versammelt sind, zeigen seine wechselvolle Geschichte und die Vielfalt der Interpretationen, die er über diesen langen Zeitraum erfahren hat. Seine Fruchtbarkeit erweist sich allerdings nicht nur darin, sondern auch in der Tatsache (worauf die Beiträge, die in diesem Band der Philosophie des 20. Jahrhunderts gewidmet sind, hinweisen), daß er noch gegenwärtig intensiv diskutiert wird und es auch in den letzten Jahren Versuche gegeben hat, ihn als Grundkategorie der Ontologie beizubehalten oder wiedereinzuführen.1 Indessen finden sich über die ganze Philosophiegeschichte hinweg auch immer wieder Ansätze dazu, auf seine Verwendung ganz zu verzichten oder ihn doch so zu reformulieren, daß er die ursprünglichen Funktionen2 nicht oder nur noch in übertragener Weise erfüllt. Insofern ist die – einstmals scholastische – Gegenüberstellung der alternativen Positionen zum Substanzbegriff („sic et non“) zu seinem Verständnis und seiner Bewertung unverzichtbar. Da der Substanzbegriff weiterhin diskutiert und an ihm weiter gearbeitet wird, kann dieser Band nicht dazu dienen, zu einer abschließenden Bewertung oder gar zu einer Retrospektive seiner geschichtlichen Entwicklung und seiner Interpretationen beizutragen. Eher ist das Gegenteil der Fall. Seit Peter Strawsons Entwurf einer „deskriptiven“ Metaphysik ist das Interesse am Substanzbegriff wieder stark angestiegen,3 und eine Reihe jüngerer Autoren beschäftigt sich derzeit intensiv mit ontologischen Fragen, sowohl in systematischer als auch in philosophiehistorischer Perspektive. Insofern muß es vielmehr darum gehen, den 1 2

Vgl. den Beitrag von Christian Kanzian und Joseph Wang in diesem Band. Vgl. hierzu etwa die Zusammenfassung der verschiedenen Weisen der Priorität der Substanz in dem Beitrag von Mark Textor in diesem Band, Abschnitt 0, und Bergmanns Komponenten des Substanzbegriffs nach Erwin Tegtmeier, „Parmenides“, Abschnitt 4, in diesem Band. 3 In Deutschland haben dazu besonders die Arbeiten Wolfgang Künnes beigetragen.

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Nachwort

Reichtum der bald zweieinhalbtausendjährigen Geschichte der gegenwärtigen Diskussion in Erinnerung zu rufen und auch dem gebildeten und interessierten Laien die Vorgeschichte dieser Diskussion zu erschließen. Dabei hat ein Sammelband den Vorteil, spezielle Forschungsergebnisse zusammentragen zu können, aber er ersetzt keine Begriffs- oder Theoriegeschichte. Er kann jedoch eine wichtige Vorstufe und Anregung zur Ausarbeitung einer solchen darstellen und wird von den Herausgebern auch so verstanden. In diesem Zusammenhang sollte es unkontrovers sein, daß die Begriffsgeschichte (man kann sie auch „Problemgeschichte“ nennen) nicht bloß historisches Interesse erheischt, sondern sowohl zur Effektivität der Sachdiskussion beizutragen vermag, als auch zur Verständigung über Traditionen, unter denen die eigene Arbeit (zuweilen vielleicht nur unbewußt) steht. So läßt sich etwa bei kontinentaleuropäischen Forschern stärker die Tendenz beobachten, Fragen der Substanzontologie mit einem wiedererwachten Interesse an anderen Fragen der Metaphysik, etwa der rationalen Theologie, zu verbinden, als etwa bei ihren angelsächsischen Kollegen. Wer die Beiträge dieses Bandes liest, wird erkennen können, daß dies auch durch die unterschiedliche Tradition der Behandlung des Substanzbegriffes in diesen beiden Welten bedingt sein dürfte. Obwohl dieser Sammelband also nur einen ersten Schritt auf dem Wege zu einer systematisch orientierten Problem- oder Begriffsgeschichte darstellt, sollen im Folgenden doch einige Bemerkungen über wichtige Grundzüge dieser Geschichte erfolgen, die dem Leser eine vorläufige Orientierung erlauben. Diese Bemerkungen beziehen sich v.a. auf die in diesem Band versammelten Texte und sind somit auch als ein kleiner „Wegweiser“ zu den durch diese Texte herausgearbeiteten Einsichten zu verstehen. Sie sind aber alles andere als erschöpfend und spiegeln durchaus die Interessen der Herausgeber wider. II Wie die Betrachtung der voranstehenden Beiträge zeigt, tritt der Substanzbegriff in verschiedenen Funktionen und Theorievarianten auf. In der Theorie des Aristoteles, die den Ausdruck überhaupt erst in die philosophische Diskussion einführt, ist damit bereits eine wichtige Errungenschaft verbunden, die – ganz gleich, wie man zu dieser Ontologie stehen mag – ihr Erscheinen legitimiert. Während in der voraristotelischen Ontologie die Welt und ihre Gegenstände weitgehend auf ihre qualitativen, quantitativen oder materiellen Komponenten reduziert sind, bietet Aristoteles zum ersten Mal eine Theorie des Einzeldinges (Individuale)

Holger Gutschmidt, Antonella Lang-Balestra & Gianluigi Segalerba 545 und erschließt der Philosophie damit einen neuen Problembereich.4 Und während in den voraristotelischen Theorien (aber ebenso im Cartesianismus des 17. Jahrhunderts) die Gegenstände das Definiendum sind, das auf ein Anderes, das ihm zugrunde liegt, zurückgeführt wird, werden nun die Gegenstände, unter ihren Bestimmungsformen als tode ti und als Wesenheit, das Definiens des Wirklichen. Mit dieser Position sind weitere Theoriealternativen verbunden. In den voraristotelischen Konzeptionen finden wir oft Theorien vor, die das Wirkliche durch wenige oder gar nur ein qualitatives Prinzip zu erklären beanspruchen. Mit Aristoteles hingegen tritt zum ersten Mal eine Theorie auf, die diesen Anspruch, das Viele aus Einem oder aus Wenigen zu verstehen, aufgibt.5 In manchen Formen der Aristotelesinterpretation – etwa dem spätmittelalterlichen Nominalismus – geht diese Aufgabe soweit, daß noch nicht einmal die Eigenschaften eines Einzelnen aus dessen (qualitativem) Substanzbegriff, d.h. aus seinem Wesen, erklärt werden. Desweiteren ergibt sich gerade durch den Begriff der Usia als Wesensbestimmung des Einzelnen auch die Unterscheidung zwischen wesentlichen Eigenschaften eines Gegenstandes, die die Bedingungen seiner Existenz ausmachen, und akzidentiellen Eigenschaften, die auch fehlen können, ohne daß der Gegenstand aufhört, ein Gegenstand von dieser Usia zu sein. Die wesentlichen Eigenschaften sind auch Erkenntnisbedingungen für den Gegenstand, da er sinnvoll nur mit Rekurs auf diese Eigenschaften bzw. seine Wesensdefinition zu identifizieren ist. In manchen neueren Konzeptionen, etwa bei Hume oder in der modernen Tropenontologie, ist diese Position – z.T. ausdrücklich gegen Aristoteles – weitgehend aufgegeben. Schließlich sei noch ein drittes Beispiel einer solchen Alternative genannt. Zu den Funktionen einer Substanztheorie gehört auch die Erklärung von Prozessen des Entstehens und Vergehens bzw. der Veränderung allgemein. In einer Substanzontologie des Einzeldinges ist es demgemäß die Definition der individuellen Substanz, aus der diese Erklärungsleistung, insbesondere im Bereich der organischen Natur und des Geistes, hervorgehen soll. (Die individuelle Substanz umfaßt also auch das Prinzip des Lebens, etwa in Aristoteles’ De anima.) Mit dem Aufkommen des naturwissenschaftlichen Weltbildes und seiner Erklärung der erfahrbaren Wirklichkeit durch Naturgesetze gerät diese Position immer stärker unter Druck.6 Eine besonders radikale Form des 4

Vgl. hierzu W.-R. Mann, The Discovery of Things. Aristotle’s Categories and their contexts, Princeton 2000. 5 Dagegen spricht auch nicht die späte Theorie des „unbewegten Bewegers“ aus Met. Lambda. 6 Vgl. etwa Galileis Konflikte mit dem frühneuzeitlichen Aristotelismus in Italien (dazu E. Cassirer, 5Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit (1922 ), Darmstadt 1971, Bd. 1, S. 377ff.).

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Nachwort

Antiessentialismus finden wir in der Gegenwart etwa in Gestalt von Quines Physikalismus. Dies sind nur einige Beispiele, die die Verzweigtheit der Substanztheorie mit anderen Bereichen einer philosophischen Weltinterpretation zeigen. Wie zu sehen war, sind viele dieser Verzweigungen bereits in der Philosophie des Aristoteles präsent bzw. sie sind von ihm zum Teil allererst gesehen und formuliert worden. Auch die Beiträge unseres Bandes zeigen das implizite und oftmals auch explizite Verhältnis der behandelten Autoren zu Aristoteles. Die folgenden Bemerkungen (Abschnitt III) stellen daher den Versuch dar – anhand der hier vorgestellten Beiträge – die Substanzontologie der letzten zweieinhalbtausend Jahre auch als Geschichte der Aristotelesrezeption zu verstehen. Selbst das neuere Verständnis der Ontologien als Formen revisionärer oder deskriptiver Metaphysik durch Peter F. Strawson (siehe hierzu Abschnitt IV) nimmt seinen Ausgangspunkt von Aristoteles. Dies ist nicht nur deswegen so, weil Strawsons eigener Ansatz eine Rückkehr zu Aristoteles’ Theorie der Substanz als Einzelding darstellt, sondern auch deshalb, weil Aristoteles das erste Beispiel des von Strawson favorisierten Theorietyps deskriptiver Metaphysik bietet.7 Es scheint mithin, daß das Nachdenken über Substanz nicht unabhängig von Aristoteles möglich ist. III Aristoteles kann, wie bereits gesagt, als der eigentliche Urheber des Substanzbegriffes aufgefaßt werden. Die Definition, die Aristoteles in der Kategorienschrift (Kat. 2 a 10f.) liefert: Die (erste) Substanz sei im strengen Sinne nur das, das weder von einem anderen ausgesagt werde, noch in ihm sei, liegt als Hauptgedanke der ganzen weiteren Entwicklung dieses Begriffes bis zur Gegenwart zugrunde. Die nachfolgenden Konzeptionen lassen sich fast durchgängig als Versuche verstehen, entweder die Art der von Aristoteles ausgesagten Unabhängigkeit der Substanz anzugeben oder eine sachhaltige Definition dessen zu ermitteln, das zu Recht unter die Kategorie „Substanz“ fällt. Demgegenüber versuchen die gegnerischen Positionen nachzuweisen, daß weder die Sprache, noch die empirische Wissenschaft die Annahme von dem, was Aristoteles „Substanz“ nennt, rechtfertigen. Für Aristoteles sind, gemäß der genannten Stelle aus der Kategorienschrift, primär Einzeldinge Substanzen, „der einzelne Mensch oder das 7

„Revisionär“ ist Aristoteles’ Theorie hingegen bestenfalls in dem Sinne zu nennen, daß er die Vorgängertheorien kritisiert und durch seine eigene Konzeption abzulösen versucht.

Holger Gutschmidt, Antonella Lang-Balestra & Gianluigi Segalerba 547 einzelne Pferd“. Da wir uns auf diese allerdings vermittelst bestimmter sortaler8 Begriffe beziehen („Mensch“, „Pferd“), werden auch sie von Aristoteles „Substanzen“ genannt („zweite Substanzen“, Kat. 2 a 15ff.).9 Für Aristoteles sind aber nicht allein identifikatorische Funktionen für den Substanzbegriff ausschlaggebend. Ebensosehr können wir uns über die Substanz auch auf das Wesen eines Gegenstandes beziehen, d.h. auf dasjenige, was ihn zu etwas Bestimmten werden oder ihn etwas Bestimmtes sein läßt. Beides, der einzelne Gegenstand wie auch das Wesen dieses Gegenstandes, sind ontologisch primär in dem Sinne, daß es nichts Grundlegenderes gibt, auf das sie zurückgeführt werden können.10 In Anbetracht der Vielzahl der Einzelgegenstände und ebenso der Wesenheiten bzw. „Formen“11 ist klar, daß das Substanz-Sein nicht inhaltlich definierbar ist. Es ist auch begrifflich nicht nur Eines, da auf seine Definition aus der Kategorienschrift mindestens drei verschiedene aristotelische Verwendungsweisen bezogen werden können.12 Erwin Tegtmeier13 hat darauf hingewiesen, daß der von Aristoteles (und auch von Platon) gebrauchte Ausdruck „Usia“ übersetzt „das eigentlich Seiende“ bedeutet. Es ist nun Parmenides gewesen, der als erster eine Theorie des „eigentlich Seienden“ vorgelegt hat. Danach ist ein solches Seiendes nur möglich, wenn es einfach und eines, unveränderlich und unvergänglich (ewig) ist.14 Manche dieser Seinskennzeichen lassen sich auch auf die aristotelische Substanz anwenden, etwa die Einfachheit und die (relative) Dauer. Andere hingegen, v.a. diejenigen, die eine Pluralität von Substanzen sowie die Unveränderlichkeit des Substanziellen ausschließen, sind z. T. noch nicht einmal von Platon angenommen worden. Sie treten erstaunlicherweise erst wieder im 17. und 18. Jahrhundert als Kennzeichen der Substanz auf. Von den auf Parmenides nachfolgenden vorsokratischen Philosophen haben hingegen einige versucht, etwas von einer deskriptiven Bestimmtheit zu finden, das diesen 8

Vgl. zur Unterscheidung substantialer und nicht-substantialer Sortalbegriffe M.Th. Liske, Aristoteles und der aristotelische Essentialismus. Individuum, Art, Gattung, Freiburg 1985, S. 169ff. 9 Vgl. hierzu Gianluigi Segalerbas Beitrag in diesem Band, Abschnitt (b). 10 Das gilt auch für die unterschiedlichen Bedeutungen des Substanzbegriffs selbst, die auch nicht aufeinander zurückgeführt werden können, vgl. Gianluigi Segalerbas Beitrag in diesem Band, Abschnitt (a). – Die Substanz ist allerdings nicht, wie ihre Äquivalente (arche, aitia, idea) in den voraristotelischen Theorien, die Existenzursache, sondern lediglich die Existenzbedingung desjenigen, was von einem Gegenstand wahrerweise ausgesagt werden kann. 11 Besonders, wenn man die Usia in Aristoteles’ Metaphysik Zeta als individuelle Form auffaßt, so etwa M. Frede, G. Patzig, Aristoteles „Metaphysik Z”. Text, Übersetzung und Kommentar, 2 Bde., München 1988. Zu einer anderen Deutung vgl. Gianluigi Segalerbas Beitrag in diesem Band, Abschnitt (e). 12 Vgl. Gianluigi Segalerbas Beitrag in diesem Band, Abschnitt (a). 13 Vgl. Erwin Tegtmeier, „Parmenides“, in diesem Band (Abschnitt 1). 14 Ebda., Abschnitt 3.

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Kriterien des Seins entspricht.15 Das lag für diese Denker deshalb nahe, weil eine Substanz, die solchen Kriterien genügt, auch ein idealer Kandidat für den materiellen und/oder qualitativen Grund (die arche) des Kosmos darstellt. Für Platon und Aristoteles figuriert die Suche nach einem einzelnen, d.h. monistischen Grund für das Ganze aber nur noch am Rande ihrer Theorien. Sie fragen eher danach, welches die Bezugsgegenstände wahrer Aussagen, und welches die Grundlagen des Wissens von solchen Gegenständen sind. Insofern lassen sich Parmenides und die übrigen voraristotelischen Philosophen nur avant la lettre auf die aristotelische Substanztheorie beziehen, und zwar überwiegend als ihre (potentiellen) Gegner.16 Darin, daß Parmenides und Aristoteles Kriterien dafür formuliert haben, was ein „eigentlich Seiendes“ darstellt, sind sie einander ähnlich, in den Kriterien selbst aber unterscheiden sie sich, woraus auch folgt, daß es jeweils andere Gegenstände sind, die für sie das „eigentlich Seiende“ darstellen. Der Grund hierfür liegt in der Herangehensweise an das Problem: für Aristoteles liegt die Lösung für die Frage in der Analyse von prädikativen Sätzen, d.h. in der „urteilstheoretischen Bestimmung“ der Substanzkategorie,17 für Parmenides scheint eher die Analyse des Begriffs oder schlicht der Sache „Sein, Seiendes“ im Vordergrund zu stehen. Solche Unterschiede in der Herangehensweise an das Problem sind natürlich auch für die nacharistotelische Philosophie zu konstatieren. Der Neuplatoniker Plotin versucht, eine Mittelstellung zwischen einem platonischen Verständnis dessen, was im eigentlichen Sinne ist, und der aristotelischen Substanztheorie einzunehmen. Plotin vereinfacht dabei den Substanzbegriff18 und entwickelt wie Platon eine Theorie der Seinsgrade oder -stufen, die für ihn auch die Grundlage seiner Metaphysica specialis sind. So ist die Seele zwar mehr „usia“ als die reinen Körperdinge, aber sie ist nicht in jeder Hinsicht unabhängig (wie das rein Intelligible).19 Nur dieses ist stetes Sich-selbst-gleich-Bleiben, und nur es ist lediglich seiend 15 16

Vgl. den Beitrag von Holger Gutschmidt in diesem Band, Abschnitt 2. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf Aristoteles’ Auseinandersetzung mit Parmenides in Physik I 3 sowie in Metaphysik Beta (achte und elfte Aporie), in der Aristoteles gegen dessen These, daß das Eins und das Sein die Substanz der Dinge sind, die Pluralität des Wirklichen geltend macht. 17 Vgl. den Beitrag von Jindřich Karásek in diesem Band, Abschnitt I. 18 Vgl. den Beitrag von Damian Caluori in diesem Band, Abschnitt „Ousia in the sensible world: bodies“. Vgl. auch den Beitrag von Abraham Stone, Abschnitt I. – Im Grunde gilt bereits für Plotin und nicht erst für die mittelalterliche Philosophie, daß der aristotelische Substanzbegriff als inadäquat erscheint, die Vielfalt des Wirklichen angemessen zu beschreiben. So etwa kann das Prinzip des „Einen“ als des Grundes der Wirklichkeit nicht mehr als Substanz verstanden werden. – Eine gestufte Ontologie, die manche Nähe zum Platonismus aufweist, scheint sich auch bei Duns Scotus zu finden. Vgl. den Beitrag von Carl Ledsham in diesem Band. 19 Vgl. a.a.O., Abschnitt „Ousia in the intelligible world I: the soul“.

Holger Gutschmidt, Antonella Lang-Balestra & Gianluigi Segalerba 549 und nie werdend, d.h. ohne Veränderung und ewig. Dies trifft jedoch nur für den Intellekt und die Welt der reinen Formen (der Wesenheiten) zu. Für die mittelalterliche Philosophie, die in vieler Hinsicht Aristotelismus ist, ist diese Abstufung eine Weise, den aristotelischen Substanzbegriff auszuhöhlen. In diese Linie sind die Ansätze von Anselm von Canterbury, Thomas von Aquin und Nikolaus von Kues zu stellen. Für Anselm etwa ist Gott nicht mehr Substanz in dem klassischen Sinne, daß die Substanz das ist, an dem (wechselnde) Eigenschaften sind, sondern in dem buchstäblichen Sinne, daß es allem zugrundeliegt (substat), ohne daß dieses, dem es zugrundeliegt, noch als seine Eigenschaften verstanden werden könnte. Der Ausdruck „das Zugrundeliegende“ erfährt dabei auch eine Neuinterpretation: er meint nun nicht mehr den Gegenstand prädikativer Aussagen, sondern die Ursache der Existenz und der Qualitäten des Wirklichen, wodurch er in einen neuen ontologischen Argumentationskontext eintritt. (Gott kann deshalb „Substanz“ auch nur in übertragenem Sinne genannt werden.)20 Vergleichbar hierzu revidiert Thomas von Aquin seine frühere Position, daß Gott Substanz sei – wenn auch die einzige Substanz, deren Wesen ihr „Sein selbst ist“ – und gelangt, wenngleich über andere Argumente als Anselm, zu einer ähnlichen Position wie jener: daß Gott nicht mehr als Substanz verstanden werden darf.21 Und schließlich tendiert auch Nikolaus von Kues in seinen Schriften stärker dazu, den Substanzbegriff auf Gott nicht mehr anzuwenden oder dies nur noch in analoger Weise zu tun, sondern stattdessen vom „Übersubstantiale“ zu sprechen, das der Grund aller Substanzen und ihres Substanzseins darstellt.22 Während sich bei Nikolaus seine Nähe zum Neuplatonismus ausgewirkt haben dürfte, gilt für die christlichen Theologen v.a. die religiös motivierte Vorstellung vom Stufenbau der Schöpfung, die sich durch die kategoriale Ontologie des Aristoteles nicht angemessen wiedergeben läßt.23 20

Kristell Trego hat in ihrem Anselm-Beitrag wahrscheinlich gemacht, daß sich die Umdeutung des Ausdrucks „das Zugrundeliegende“ den Überlegungen Godescalcs verdankt. 21 Vgl. den Beitrag von Ludger Jansen in diesem Band, Abschnitt 4. – In De Ente et Essentia wird Gott noch als Substanz verstanden, und zwar als „getrennte“ Substanz, d.h. als solches Seiendes, das unabhängig von jeglicher Materie besteht. Die Stufenordnung unter diesen Substanzen erreicht Thomas durch die Unterscheidung von Graden der Potentialität. Im Gegensatz zu Seelen oder Engeln ist nur Gott ein rein aktuales Wesen. Erst in der Summa Theologiae wird die Charakterisierung Gottes als Substanz aufgegeben, interessanterweise aber nicht deshalb, weil der konzeptionelle Rahmen des Aristoteles als unzureichend aufgefaßt wird (so sieht es Nikolaus von Kues), sondern deshalb, weil für eine Substanz gelten müßte, daß sie unter einen Gattungsbegriff fällt, was auf Gott per definitionem nicht zutreffen kann. 22 Vgl. den Beitrag von Jörg Lauster in diesem Band. 23 Plotin hat bereits die Linie weiterverfolgt, die Platon vorgegeben hatte, der das Gute über bzw. „jenseits“ des Seins und d.h. der Substanz ansiedelte. In gewissem

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Dagegen steht wiederum die nominalistische Aristotelesinterpretation des Mittelalters, die sich gegen die Lehre von den „zweiten Substanzen“ und gegen die realistische Interpretation von Wesensaussagen wendet, weitgehend auf dem Boden der aristotelischen Ontologie.24 Eine bemerkenswerte Rezeption erlebt Aristoteles’ Substanzdefinition im 17. Jahrhundert. Hier wird der klassische Substanzbegriff auf die Unterscheidung von Physischem und Mentalem angewandt, die als aufeinander und als auf ein Drittes irreduzible Seinsbereiche verstanden werden. Daraus resultiert das Verständnis von „Substanz“ als Bezeichnung für die obersten Gattungen der Dinge, während Einzeldinge und (allgemeine) Wesensbegriffe nur noch als „Modi“, d.h. als akzidentielle Bestimmungen der obersten Gattungen (Cartesianer) oder als ihre „Affektionen“ (Spinoza) angesehen werden. Dementsprechend gilt das Prinzip der unabhängigen Existenz der Substanz auch nur noch für diese höchsten Dinggattungen. Descartes schränkt aber diesen Gedanken selbst noch ein.25 Zwar sind für uns die Welt der Vorstellungen (res cogitans) und die Welt des Ausgedehnten (res extensa) höchste Bereiche dessen, was ist, und zwar derart, daß alles, was je zu diesen Bereichen gehört, auch deren wesentliche Eigenschaft (nämlich res cogitans oder res extensa zu sein) teilt, doch können auch diese höchsten Gattungen nicht im strengen Sinne als Substanzen aufgefaßt werden, da sie abhängig sind vom Schöpfungsakt Gottes, während Gott allein als in jeder Hinsicht unabhängig verstanden werden kann. Er verdient daher auch als einzige „res“ die Bezeichnung „Substanz“ im strengen Sinne. Wie im Neuplatonismus und in Teilen der mittelalterlichen Philosophie kommt es auch hier zu einer Theorie der abgestuften Seinsbereiche, die in diesem Falle (ähnlich wie bei Plotin) auch zu einem abgestuften Substanzbegriff führt. Für Aristoteles war die reale Selbständigkeit ja nur ein Interpretament der kategorialen Selbständigkeit, i.e. einerseits etwas zu sein, von dem etwas anderes ausgesagt wird, andererseits aber nicht selbst von etwas Sinne wird diese Position von Johannes Scottus Eriugena, der Gott als Superessentia ansieht (vgl. hierzu den Eriugena-Beitrag von Kristell Trego in diesem Band), sowie von Nikolaus von Kues, für den Gott das „Übersubstantiale“ ist, fortgeführt. Plotin, Eriugena und Cusanus bieten unterschiedliche Beispiele dafür dar, daß das kategoriale System des Aristoteles insgesamt und sein Begriff „Substanz“ im Besonderen sich innerhalb bestimmter (etwa christlicher) Wirklichkeitsinterpretationen als nicht durchgängig angemessen für die Erfassung dessen, was ist, erweisen. Nikolaus von Kues hat dies in De docta ignorantia durch seine Ablehnung der scholastischen Methode (und damit des Thomismus) sowie durch sein Eintreten für die Inkommensurabilität Gottes und der geschaffenen Entitäten klar ausgesprochen. Vgl. auch Werke wie De possest, De venatione sapientiae und De non aliud, worin Cusanus dafür eintritt, daß das Wesen Gottes angemessener verstanden wird, wenn Gott als Potenz (!) im Sinne der umfassenden Schöpfungsmacht, statt als reine Aktualität bestimmt ist. 24 Vgl. den Beitrag von Harald Berger in diesem Band. 25 Vgl. den Beitrag von Andreas Brandt in diesem Band.

Holger Gutschmidt, Antonella Lang-Balestra & Gianluigi Segalerba 551 anderem ausgesagt zu werden. In der Philosophie des 17. Jahrhunderts wird nun die kategoriale Selbständigkeit nach Aristoteles mit der realen auf interessante Weise verbunden. Über das von Leibniz so formulierte Prinzip des „praedicatum subjecto inesse“ (der Forderung nach Enthaltensein des Prädikatbegriffs im Subjektbegriff für alle wahren Aussagen über Substanzen) wird aus der kategorialen Abhängigkeit der Prädikation auf ein Inklusionsverhältnis der Eigenschaftsbegriffe im Begriff der Substanz geschlossen, und zwar derart, daß aus der Analyse des Substanzbegriffes die Wahrheit oder Falschheit von Aussagen über Substanzen hervorgeht.26 Allerdings lassen sich für dieses Prinzip zwei mögliche Interpretationen angeben: die nominalistische Interpretation behauptet lediglich die logische Inklusion der Prädikate; möglich ist aber auch ein Verständnis des Prinzips im Sinne der Realdefinition. Dann gibt der vollständige Begriff zugleich den Grund des Inklusionsverhältnisses der Prädikate im Begriff an. Doch abgesehen davon ist besonders hervorzuheben, daß für Leibniz der Begriff der individuellen Substanz alle Prädikate und Elemente der Prädikation umfaßt, d.h. nicht nur Art- und Gattungsbegriffe, sondern etwa auch zeitliche Indizierungen oder Relationen, die dadurch einen ontologischen Status enthalten.27 Eine vergleichbare Position nimmt Spinoza ein. So lautet seine berühmte Substanzdefinition, die sich deutlich an die aristotelische anlehnt: „Unter Substanz (Per substantiam) verstehe ich das, was in sich ist [reale Selbständigkeit] und durch sich begriffen wird [„kategoriale“ Selbständigkeit]; das heißt das, dessen Begriff nicht den Begriff eines anderen nötig hat, um daraus gebildet zu werden (cuius conceptus non indiget conceptu alterius rei, a quo formari debeat).“28 (Unsere Hvh.) Während für Spinoza es nur eines geben kann, das unter einen solchen Begriff von Substanz fällt – wofür in der Ethica auch eigens ein Beweis formuliert wird29 – hat nach Leibniz jede individuelle Substanz einen eigenen Begriff (die sog. „notio completa“), durch den sie auch begriffen werden kann. Zwar ist die Möglichkeit, alle wahren Aussagen über die individuelle Substanz apriori zu erkennen – d.h. nur mit Rekurs auf eine Analyse des Begriffs, durch den die Substanz gedacht wird – für Leibniz 26 27

Vgl. den Beitrag von Antonella Balestra in diesem Band, Abschnitt 2 und 3. Für Leibniz gibt es daher auch keine „denominationes extrinsecae“, d.h. Relationen, die keine Veränderung in dem Subjekt repräsentieren, auf das sie sich beziehen. – Russell hat mit Bezug auf die logische Satzform der Definitionen von Leibniz argumentiert, daß Leibnizens Ontologie nur Verhältnisse zwischen Substanzen und ihren Eigenschaften kenne und daher Relationen ontologisch nicht angemessen erfassen könne. Es scheint allerdings so zu sein, daß Russells Kritik auf die ganze klassische kategoriale Substanzontologie angewendet werden könnte, nicht nur auf die von Leibniz. Vgl. zu diesem schwierigen Problem etwa M. Mugnai, Leibniz’s Theory of Relations, Stuttgart 1992. 28 Ethica ordine geometrico demonstrata, Pars prima, Definitio III. 29 Vgl. den Beitrag von Konrad Cramer in diesem Band.

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nur eine hypothetische, da kein diskursiver Verstand den vollständigen Begriff einer individuellen Substanz jemals erschöpfend analysieren kann. Aber seine Position zeigt doch, wie sehr die urteilstheoretische Bestimmung der Substanzkategorie mit der weitreichenden These verbunden war, daß die Sprache (zumindest die Sprache der Wissenschaft) die Beziehungen zwischen den Gegenständen, über die geurteilt wird, und den Eigenschaften, die von diesen Gegenständen in Urteilen wahrerweise ausgesagt werden, abbildet und dies unabhängig von jeglicher Erfahrung. Mißt man diese Position an der Substanzdefinition der aristotelischen Kategorienschrift, ist erkennbar, daß die rationalistische Theorie sich in erster Linie an dem Merkmal der Unabhängigkeit der Substanzen orientiert, und zwar so, daß sie es als unabhängige Existenz auffaßt. Substanz ist bei Descartes und Spinoza das, das die Ursache seiner Existenz nur in sich, d.h. in seinem Wesen hat. Lediglich Leibniz bewahrt den Gedanken von der Substanz als dem geschaffenen Einzelding. Doch wenn auch für Leibniz die Substanz nicht mehr die Grundlage des Wirklichen sein sollte, so ist sie doch in seiner Lehre der expressio prinzipiell ein Schlüssel zum Verständnis des Wirklichen.30 Aus der Analyse des Begriffes der Substanz sind grundlegende Einsichten über den Aufbau und sogar über die Sinnhaftigkeit des Ganzen zu gewinnen. Die Kritik des englischen Empirismus (v.a. Lockes31) an diesen kontinentaleuropäischen Theorien teilt mit ihnen die Auffassung, daß der Ausdruck „Substanz“ für eine Repräsentation des dadurch bezeichneten Dinges steht. Allerdings hat diese Repräsentation nur noch funktionale Bedeutung, inwiefern sie als Substrat aller derjenigen Eigenschaften fungiert, die wir von dem Gegenstand erfahren. Der Substanz entspricht kein Wesensbegriff. Sie ist, wie in der aristotelischen Theorie, nur noch dasjenige, an dem die Eigenschaften wechseln, d.h. das Beharrende im Wandel. Durch das funktionale Verständnis des Substanzbegriffes ist bei Locke sogar der aristotelischen Theorie des Hypokeimenon der Boden entzogen. Zwar denken wir notwendigerweise die Idee eines Beharrenden zum Wandel der Qualitäten hinzu, „da wir uns nicht vorstellen können, wie die einfachen Ideen bzw. die ihnen korrespondierenden Eigenschaften der Dinge für sich, gewissermaßen frei flottierend, bestehen könnten“ (Büttner-von Stülpnagels Beitrag, Abschnitt III). Doch diesem entspricht kein tode ti, da es davon keine Erfahrungsidee gibt. Locke ist höchstwahrscheinlich der erste Denker, der die Interpretation der Substanz als eines Faktors für das Sein der Dinge, der nicht bloß den Eigenschaften der Dinge entspricht, sondern an sich selbst etwas jenseits dieser Eigenschaften ist, abgelehnt hat. 30 31

Vgl. den Beitrag von Antonella Balestra in diesem Band, Abschnitt 3. Vgl. den Beitrag von Stefan Büttner-von Stülpnagel in diesem Band.

Holger Gutschmidt, Antonella Lang-Balestra & Gianluigi Segalerba 553 Eine ähnliche Position vertritt auch Berkeley,32 der eine (zu Locke vergleichbare) empiristische Substanztheorie lehrt und den mit Descartes v.a. die Außenweltskepsis verbindet. Für ihn ist allerdings der „mind“ (ähnlich wie für Descartes die „res cogitans“) Substanz, nämlich die Substanz der erfahrbaren Welt. Berkeley kann also auf einen gegenstandsspezifischen Substanzbegriff verzichten. Hume (der in dieser Hinsicht Berkeley recht nahe steht)33 zieht schließlich die Schlußfolgerung, daß auf den Substanzbegriff ganz verzichtet werden kann, da für den Zusammenhang der wahrgenommenen Qualitäten eines Einzelnen ein Substrat wie in der klassischen aristotelischen Ontologie (und selbst noch bei Berkeley) weder empirisch belegbar, noch theoretisch erforderlich ist. Die Gründe für dieses harte Urteil liegen in der Ontologie von Hume selbst: Das erkennende Subjekt verfügt ausschließlich über Eindrücke (impressions) und Vorstellungen (ideas); unter den zahlreichen Vorstellungen tritt auch die Vorstellung der Substanz auf; nun muss jede Vorstellung, welche sinnvoll sein will, auf einen entsprechenden Eindruck zurückgeführt werden. Da jedoch die Vorstellung der Substanz nie auf einen entsprechenden Eindruck zurückgeführt werden kann, erweist sich die Vorstellung der Substanz als unbegründet. Infolgedessen ist der Substanzbegriff ein Begriff ohne Bedeutung. Hume ist mit seiner radikalen Skepsis der erste, der von der aristotelischen Ontologie ganz Abschied nimmt. Er findet Nachfolger im 20. Jahrhundert in Gestalt der Ontologie Whiteheads, die statt Substanzen als Substrate Ereignisse als grundlegende Einheiten der Wirklichkeit animmt,34 und in der Tropenontologie Campbells, deren Grundelemente individuelle Eigenschaften (Tropen) sind, die die Gegenstände der Alltagserfahrung in Gestalt von Bündeln von Tropen konstituieren. Dagegen hat die Entwicklung auf dem Kontinent weiter am Substanzbegriff und damit am Erbe der aristotelischen Ontologie festgehalten. Dies trifft etwa auf Kant zu, der die Substanzkategorie analog zum aristotelischen „letzten Zugrundeliegenden“ als Substrat der Qualitäten eines Gegenstandes begreift und zugleich damit das Subjekt der kategorischen Aussagensätze bezeichnet.35 Indessen steht bei Kant diese Position unter der Einschränkung, daß sie sich nur auf Gegenstände möglicher Erfahrung, d.h. auf Erscheinungen und 32 33 34

Vgl. den Beitrag von Kiki Berk in diesem Band, Abschnitt 2. Vgl. den Beitrag von Karl Hepfer in diesem Band, Abschnitt 2,1. Vgl. den Beitrag von Pierfrancesco Basile in diesem Band, Abschnitt II. – Whitehead vertritt eine Form des Panpsychismus. Vgl. zu einer neueren Theorie dieser Art T. L. S. Sprigge, The Vindication of Absolute Idealism, Edinburg 1983. 35 Vgl. den Beitrag von Jindřich Karásek in diesem Band. – Kants Auffassung der Substanz steht in deutlichem Gegensatz zu der von Descartes und Spinoza, da laut Kant die Erkenntnis eines Seienden, dessen Wesen die Existenz einschließt, für den Menschen aus prinzipiellen Gründen unmöglich ist.

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Nachwort

nicht auf die Dinge als solche bezieht. Das Befangensein in der res cogitans hält sich bis zum Deutschen Idealismus (und darüber hinaus) durch, für welchen als Substanz in letzter Konsequenz nur das als epistemische Selbstbeziehung, als Wissen-von-sich, verfaßte Absolute gelten kann. Die Deutschen Idealisten nennen dies Absolute, das uns das Vernunftvermögen zugänglich macht, „Geist“ oder „absolutes Ich“, meinen damit aber nicht mehr den „mind“ von Berkeley und auch nicht mehr das „ego cogitans“ des Descartes. Der Geist umfaßt und begründet alle Differenzen, auch noch die von materiellen und mentalen „Substanzen“. Der phänomenologische Bewußtseinsbegriff Jean-Paul Sartres erfüllt eine vergleichbare Funktion.36 Daß Sartre die Verwendung des Substanzbegriffes jedoch zurückweist, vor allem in der Form, in welcher er ihn aus der cartesianischen Philosophie kannte, hat zwei Gründe: – Zum einen versteht Sartre unter „Substanz“ vor allem das aristotelische Einzelne (tode ti), das Ding. Der zweite, im Cartesianismus so wichtig gewordene Aspekt der ontischen Selbständigkeit, der ja auch bereits in der aristotelischen frühen Substanzdefinition enthalten ist, wird von Sartre anscheinend nicht mit dem Substanzbegriff verbunden. Aber selbst wenn Sartre einen weiten Substanzbegriff anerkannt hätte, so würde er doch die Grund- bzw. Begründungsfunktion, die mit diesem Begriff verbunden ist, zurückgewiesen haben. Das Bewußtsein ist für Sartre weder ein Hypokeimenon, noch ein Erkenntnisgrund, noch ist es kausal oder in irgendeinem metaphysischen Sinne der Seinsgrund des Ganzen. – Zum anderen ist die Gegenständlichkeit der Dinge Funktion des intentionalen Charakters des Bewußtseins, das auf einen von ihm selbst unabhängigen Bereich, auf eine Welt der inhaltlichen Korrelate bezogen ist. Deren Seinsart ist nur mit Rekurs auf einen bestimmten Bewußtseinstyp („Ansichsein“) zu bestimmen. Der Ausdruck „Substanz“ ist somit bestenfalls als bewußtseinsimplizite Zuschreibungsform, nicht als Grundbegriff oder Grundklassifikation eines unabhängig vom Bewußtsein beschreibbaren Wirklichen zu verwenden. Die in den folgenden Jahrzehnten entwickelten Substanztheorien zeichnen sich dadurch aus, daß sie nicht mehr speziell die Perspektive des Erkenntnissubjektes oder seines Bewußtseins einnehmen. Das gilt nicht nur für die analytische Ontologie, sondern etwa auch für den HusserlSchüler Ingarden.37 Die meisten dieser Theorien streben ein adäquates 36

Vgl. den Beitrag von Svaneke Schüler in diesem Band, Abschnitt „Das Bewußtsein als Autonomes und Absolutes“. 37 Vgl. den Beitrag von Daniel von Wachter in diesem Band, etwa den Abschnitt „Dinge, wie sie an sich sind“. – Ingardens Position scheint in mancher Hinsicht Aristoteles’ Ontologie ähnlich zu sein: Die Dinge sind keine Bündel von Eigenschaften. Sie bestehen aus einem Eigenschaftsträger, der die konstitutive Natur des Dinges ist, und aus den weiteren Eigenschaften. Eigenschaftsträger sind keine

Holger Gutschmidt, Antonella Lang-Balestra & Gianluigi Segalerba 555 Verständnis des Einzeldinges an.38 Dies gilt z. B. für Gustav Bergmanns Theorie der „bare particulars“, einer in gewisser Hinsicht neuaristotelischen Theorie der Substanz, die allerdings nicht das Wesen, wie Aristoteles in Metaphysik Zeta, sondern einen wesenlosen Eigenschaftsträger in der Substanzfunktion sieht.39 Eine ähnliche Absicht verfolgt Peter Strawsons „deskriptive Metaphysik“, in der die Substanzen die Identifikationsmöglichkeit der Dinge bieten sollen und deshalb (raumzeitliche) Entitäten sein müssen, welche sich in bestimmten raumzeitlichen Koordinaten antreffen lassen.40 Raum-zeitliche Entitäten, d.h. Gebilde sind (auch) die Grundelemente der Ontologie Quines.41 Da Quine die Dinge aber zugleich als zeitlich ausgedehnt auffaßt, können für ihn nicht Substanzen als das im zeitlichen Wandel Beharrende die Grundelemente des Wirklichen sein. Vielmehr sind dies die sog. „physikalischen Objekte“, d.h. vierdimensionale RaumZeit-Zonen und ihre Summen. – Es ist erkennbar, daß die derzeitige Situation wieder unübersichtlicher wird, sich aber auch durch eine erfreuliche Vielfalt an Ansätzen und Argumenten auszeichnet. Dabei liegt der lange Schatten des Aristoteles immer noch auf der gegenwärtigen Szenerie. Allerdings geht es heute nicht mehr nur darum, zu einer als kanonisch angesehenen Begriffsbestimmung die entsprechende Beschreibung des Wirklichen zu gesellen, sondern vielmehr darum, den „deskriptiven“ Charakter, über den die aristotelische Substanztheorie mit manchen ihrer Theoreme (gewiß nicht mit allen!) verfügt, für eine moderne Theoriebildung fruchtbar zu machen. Es läßt sich daher zugleich sagen, daß der lange Schatten des Aristoteles allmählich schwächer wird.

leeren Substrate, sondern sie entsprechen Exemplifikationen von Artuniversalien. Ingarden bezeichnet zudem unabhängig existierende Gegenstände als seinsautonome, individuelle Gegenstände, denn diese Gegenstände existieren nicht an etwas anderem: sie sind daher konkret oder vollständig. Andere Entitäten, die nur am Einzelding bestehen können, sind hingegen unvollständig. 38 Auch die neuesten Beiträge, etwa von Joshua Hoffman und Gary S. Rosenkrantz und besonders der von Ernest J. Lowe (vgl. hierzu die Abschnitte 6 und 7 des Beitrages von Christian Kanzian und Joseph Wang in diesem Band), haben wieder manche Ähnlichkeit mit der Aristotelischen Theorie: gestufte Kategorienhierarchie nach dem Grad der Allgemeinheit, Verständnis der Substanz als des Trägers wechselnder Eigenschaften, Definition der Substanz über ihre ontische Unabhängigkeit, sortale Abhängigkeit der Substanzen untereinander. 39 Vgl. den Beitrag von Erwin Tegtmeier, „Wesenlose Substanz“, in diesem Band. 40 Vgl. den Beitrag von Mark Textor in diesem Band. 41 Vgl. den Beitrag von Joseph Wang und Christian Kanzian in diesem Band, Abschnitt 4.

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Nachwort IV

Nähe und Ferne zum Aristotelismus scheinen mit einer bereits erwähnten modernen Einteilung der ontologischen Theorien zusammenzuhängen, die Peter F. Strawson eingeführt hat.42 Er definiert diese Einteilung folgendermaßen: „Deskriptive Metaphysik begnügt sich damit, die tatsächliche Struktur unseres Denkens über die Welt zu beschreiben, revisionäre Metaphysik hat das Ziel, eine bessere Struktur hervorzubringen.“43 Und weiter heißt es: „Die Idee einer deskriptiven Metaphysik wird leicht mit Mißtrauen betrachtet. Wie soll sie sich von dem abheben, was man als philosophische, logische oder begriffliche Analyse bezeichnet? Sie unterscheidet sich hiervon nicht durch die Art, sondern nur durch Umfang und Allgemeinheit der Fragestellung. Da sie darauf abzielt, die allgemeinsten Grundzüge unserer begrifflichen Strukturen freizulegen, kann sie viel weniger für selbstverständlich nehmen als eine enger begrenzte und partielle begriffliche Untersuchung.“44 Wenn Strawson etwa Aristoteles und Kant als herausragende Beispiele deskriptiver Metaphysik nennt, Descartes, Leibniz und Berkeley aber eher als Vertreter einer revisionären Metaphysik versteht, dann sagt er damit zugleich, daß sich Aristoteles und Kant in ihrer Interpretation des Wirklichen auf die allgemeinsten Züge unserer Weise, die Wirklichkeit tatsächlich zu beschreiben oder zu verstehen, stützen. Demgegenüber gibt es andere Weisen, die Wirklichkeit zu beschreiben, die nicht von gleicher Allgemeinheit sind, etwa bestimmte wissenschaftliche Beschreibungsweisen. Der Physikalismus von Quine zum Beispiel orientiert sich an der Sprache der naturwissenschaftlichen Weltbeschreibung. Auch die Tropenontologie von Campbell oder der spätmittelalterliche Nominalismus45 sind Theorien, die von der allgemeinen Weise, die Wirklichkeit zu beschreiben, abweichen. Die Funktion einer solchen Abweichung besteht darin, die „natürliche“ Ontologie zu verbessern, was etwa dadurch erfolgen mag, daß man die Zahl der Entitäten oder auch nur der Beschreibungskategorien verringert oder sie in ein konsistenteres Verhältnis zueinander bringt. Dagegen haben Aristoteles und Kant sich in ihren Theorien auf die normale Sprache bezogen, indem sie danach strebten, die allgemeinen Grundstrukturen des Urteilens (gr. „kategorein“) herauszuarbeiten und in der Orientierung an diesen zu bestimmen, was das Seiende ist und in welche Arten es sich aufteilt. Allerdings – und auch der Sprachgebrauch Strawsons in den o.a. Zitaten deutet dies an – heißt das nicht, daß 42

Vgl. hierzu den Beitrag von Christian Kanzian und Joseph Wang in diesem Band, Abschnitt 3, den Beitrag von Mark Textor in diesem Band, Abschnitt 0, sowie den Beitrag von Daniel von Wachter, Abschnitt „Die Dinge, wie sie an sich sind“. 43 P. Strawson, Individuals (1959), dt. Ausgabe Stuttgart 1972, S. 9. 44 A.a.O., S. 9f. 45 Vgl. hierzu U. Meixner, Einführung in die Ontologie, Darmstadt 2004, S. 87f.

Holger Gutschmidt, Antonella Lang-Balestra & Gianluigi Segalerba 557 Ontologie mit der Analyse der Sprache zusammenfiele. Sowohl im Falle von Kant als auch von Aristoteles wird man eher sagen müssen, daß die Strukturen objektiver Erkenntnisse an den Urteilsformen erkennbar sind, ihren Grund aber in etwas anderem als der Sprache haben, etwa im Denken („Verstand“) oder in empirisch begründeten Ansichten darüber, wie die Wirklichkeit beschaffen ist. Wie verhält es sich nun aber mit den revisionären Formen der Metaphysik? Wie wir oben in Abschnitt II gesehen haben, lassen sich die von Strawson genannten Theorien von Descartes, Leibniz und selbst Berkeley auch als Aufnahmen und Interpretationen von Aristoteles’ Substanzdefinition verstehen. Daher fällt – trotz des für die deskriptive Metaphysik paradigmatischen Charakters der aristotelischen Theorie – der „Aristotelismus“ in der Geschichte der Ontologie nicht extensional mit den Vertretern der deskriptiven Metaphysik zusammen. Dies liegt unter anderem daran, daß des Aristoteles realistische Interpretation der kategorialen Bestimmung „nicht von etwas anderem ausgesagt werden“ durch „nicht in etwas anderem sein“ selbst als Substanzdefinition betrachtet werden konnte, etwa von Descartes, aber im Grunde auch von Spinoza, dessen Theorie besagt, daß das, dessen begriffliche Selbständigkeit erkannt wird, auch ontisch selbständig ist, da diese begriffliche Selbständigkeit a priori gilt (dasjenige ist Substanz, dessen Wesen sein Sein einschließt, vgl. die Argumentation in Lehrsatz 6 und 7 der Ethica). Substanz kann also für Descartes und Spinoza nur das sein, das auch causa sui ist. Dies ist eine Position, die selbst noch Vertreter des Deutschen Idealismus einnehmen, etwa Hegel, obwohl er die Verfaßtheit der Substanz, d.h. ihre deskriptive Bestimmung, als „Erkennen“ bzw. „Wissen“ interpretiert.46 Darüber hinaus findet die Position, wonach die Ontologie ein „seinsmäßig Erstes“47 und Allgemeines definiert, auch noch im 20. Jahrhundert ihre Vertreter. (Sartre wäre hier zu nennen, aber auch Heidegger.) Doch im Grunde ist bereits die voraristotelische Metaphysik, d.h. die Vorsokratiker und Platon, revisionär. Bei vielen Vorsokratikern ist dies aufgrund ihrer reduktionistischen Auffassungen vom „Seinsgrund“ (arche) deutlich erkennbar, bei Parmenides folgt es – selbst wenn man seine Kriterien für das eigentlich Seiende als Seinskennzeichen und nicht als begriffliche Merkmale interpretiert – aus seiner Ablehnung des Werdens, d.h. der Veränderung sowie des Entstehens und Vergehens.48 Auch für 46

Vgl. hierzu H. Folkers, Spinozainterpretation bei Jacobi und ihre Nachfolge beim frühen Schelling und beim Jenenser Hegel, in: Philosophisches Jahrbuch 105 (1998), S. 398ff., und insgesamt den Beitrag von Thomas Auinger in diesem Band. 47 Vgl. den Beitrag von Svaneke Schüler in diesem Band. 48 Vgl. den Beitrag von Erwin Tegtmeier in diesem Band; vgl. zur parmenideischen Position zum Werden auch Tegtmeiers Abhandlung Zeit und Existenz (Tübingen 1997).

558

Nachwort

Platons Ideenlehre ist die Charakterisierung als revisionäre Metaphysik wohl die bessere Einordnung. Nicht nur, daß er über keine Theorie des Einzeldings zu verfügen scheint, legt dies nahe, sondern auch seine These, daß Ideen und nicht die Dinge das „wahrhaft Seiende“ sind, zumal Platons anfängliche Grundposition, wonach die Dinge nur Exemplifikationen der Ideen seien, sich als nicht haltbar erwies.49 Nicht leicht einzuordnen ist auch ein Autor wie David Hume, auf den Strawson selbst hinweist.50 Hume scheint mit seiner Leugnung der Substanz als Substrat der Veränderungen und der mit dieser These verbundenen Bündeltheorie des Einzeldinges einer Theorie wie der Campbells nahezustehen (die die Tropen allerdings nicht mir Rekurs auf Alltagserfahrungen beschreibt, sondern nur physikalistisch51). Auf der anderen Seite begründet Hume sein Verständnis des Einzeldinges gerade damit, daß die Annahme einer Substanz weder durch die Wahrnehmung gerechtfertigt, noch sonst irgendwie erfordert ist.52 Diese Argumentation entspricht eher den Prämissen einer deskriptiven Metaphysik. Indessen zeigt die Schwierigkeit der Einordnung Humes wie auch anderer Autoren an, daß die Unterscheidung Strawsons nur Näherungswerte ergibt. Strawson hat auch selber zugegeben, daß keiner der Autoren vollständig unter eine der beiden Kategorien fällt.53 Das mag damit zu tun haben, daß Ontologien in der Regel komplexe Theorien sind, von denen einzelne Teile einen anderen Charakter haben können als der Rest. Zu berücksichtigen ist aber auch, daß die Unterscheidung von revisionärer und deskriptiver Metaphysik selbst eine Theorie ist, d.h. ihre Anwendung auf bestimmte Aussagenmengen (etwa als Instrument der Interpretation) methodische Probleme aufwerfen kann. Man kann durchaus geteilter Ansicht darüber sein, was denn genau die „allgemeinsten Grundzüge unserer begrifflichen Strukturen“ sind und wie sie erhoben werden. Von dieser Ansicht kann es wiederum abhängen, ob man eine bestimmte Theorie eher in die eine oder eher in die andere Gruppe einordnet. – Schließlich besagt die Einteilung auch nichts darüber, ob die derart eingeteilten Theorien wahr oder falsch sind. Möglicherweise ist unsere lebensweltliche Auffassung von der Wirklichkeit auch nur für den Bereich der Lebenswelt brauchbar, als Theorie des Seienden aber im Vergleich mit einer wissenschaftlichen Ontologie eher ungeeignet. Möglicherweise müssen wir für unterschiedliche Wirklichkeitsbereiche 49

Selbst wenn Platon kein ganz eindeutiger Fall zu sein scheint, so sind doch allein die Vorsokratiker ein hinreichender Beleg dafür, daß Meixners Behauptung, wonach der Nominalismus die älteste Form revisionärer Metaphysik darstellt, nicht stimmen kann, vgl. a.a.O., S. 88. 50 A.a.O., S. 9. 51 Vgl. zum revisionären Charakter der Campbellschen Tropentheorie den Beitrag von Christian Kanzian und Joseph Wang in diesem Band, Abschnitt 5, (3). 52 Vgl. den Beitrag von Karl Hepfer in diesem Band, Abschnitt 1. 53 A.a.O.

Holger Gutschmidt, Antonella Lang-Balestra & Gianluigi Segalerba 559 sogar mit dem Erfordernis der Anwendung unterschiedlicher Ontologien rechnen, von denen eine u. U. deskriptiv, eine andere aber revisionär ist. Insofern ist eine solche Unterscheidung vor allem ein nützliches Orientierungsinstrument, dessen Wert aber doch von bestimmten Erkenntnisinteressen oder von Grundannahmen, die dieser Unterscheidung vorgeordnet sind, abhängen mag. V Die voranstehenden Diskussionen über die Nähe und über die Interpretationsform der betrachteten Theorien gegenüber der Aristotelischen Substanzdefinition in der Kategorienschrift einerseits, sowie über die Einteilungsmöglichkeiten der beschriebenen Theorien in Formen „deskriptiver“ und „revisionärer“ Metaphysik andererseits behandeln nur zwei Gesichtspunkte, unter denen die Geschichte der Ontologie und der Substanzdefinition im engeren Sinne betrachtet werden kann. Andere sind ebenso denkbar und fruchtbringend, so zum Beispiel eine Problemgeschichte des Essentialismus oder der mit der Ontologie des öfteren verbundenen rationalen Gotteslehre (ist Gott eine Substanz oder etwas kategorial davon Verschiedenes?).54 Für beide Gesichtspunkte findet sich der locus classicus wieder bei Aristoteles, diesmal in den Büchern der Metaphysik.55 Aber wie auch immer man die Geschichte der Substanzontologien systematisiert, wird man sich doch einigen Einsichten nicht verschließen können: a) Der Gedanke der Substanz, ob wir sie nun als Substrat, eigentlich Seiendes, Wesen oder Grund des Ganzen fassen, scheint mit einigen unserer grundlegenden Intuitionen über den Aufbau des Wirklichen verbunden zu sein und scheint, was auch die lebhafte Diskussion der Gegenwart zeigt, nicht so ohne Weiteres aufgegeben werden zu können. b) Für einen nicht unerheblichen Teil der Geschichte der Philosophie gilt, daß die Substanzontologie oder doch zumindest die kritische Auseinandersetzung mit ihr eine zentrale Bedeutung für viele klassische Theorien besitzt, so daß ein ernsthaftes Verständnis jener Theorien ohne die Würdigung dieses Sachverhaltes kaum erreicht werden kann. c) Auch für Theorien, die eine kategoriale Substanzontologie ablehnen, gilt oft, daß sie sich in abgewandelter Weise (etwa in Gestalt einer negativen Theologie, wie sie z. B. des öfteren im Mittelalter vertreten wurde) des Vokabulars einer solchen bedienen.

54

Eine andere Einteilung der Ontologien nimmt etwa Gustav Bergmann vor („Gamma- und Epsilon-Ontologien“), vgl. hierzu den Beitrag von Erwin Tegtmeier, „Wesenlose Substanz“, Abschnitt 7. 55 Vgl. den Beitrag von Gianluigi Segalerba in diesem Band, Abschnitt d ff.

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Nachwort

Somit ist selbst für den philosophischen Ideengeschichtler das Thema „Substantia. Sic et Non“ von einiger Bedeutung. Darüber hinaus hoffen aber die Herausgeber mit den hier versammelten Beiträgen nicht nur der historischen, sondern auch der systematischen Diskussion neue Anstöße vermitteln zu können.

Mitarbeiterverzeichnis Dr. Thomas Auinger, geb. 1970, Lehrbeauftragter am Institut für Philosophie der Universität Wien, an der Fachhochschule Hagenberg und an der Donau-Universität Krems. Forschungsausrichtung: Verflechtungen zwischen kontinentaler Philosophie (Schwerpunkt Deutscher Idealismus) und analytischer Philosophie (Schwerpunkt Neopragmatismus). Näheres unter: http://auinger.philo.at Dr. Pierfrancesco Basile studierte Philosophie in Bologna (Italien) und promovierte in Bern (Schweiz). Es folgten Forschungsaufenthalte in Edinburgh (Schottland) und Claremont (Kalifornien). Seine Interessen liegen im Bereich der Geschichte der Philosophie, der Philosophie des Geistes und der Metaphysik. Er ist Verfasser von Experience and Relations. An Examination of F. H. Bradley’s Conception of Reality und von Aufsätzen u.a. über Bradley, Whitehead, James, Moore und Russell. Ausserdem hat er zwei Sammelbände herausgegeben, Subjectivity, Process and Rationality (mit Michel Weber) und Consciousness, Reality and Value. Essays in Honour of T. L. S. Sprigge (mit Leemon B. McHenry). Mag. Dr. phil. Harald Berger, geboren am 2. 2. 1960 in Graz, Studium der Philosophie und Germanistik an der Karl-Franzens-Universität Graz. Lektor am Institut für Philosophie der Universität Graz sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle und des Dokumentationszentrums für Österreichische Philosophie, Graz. Hauptarbeitsgebiet Philosophie des Mittelalters, über 50 Publikationen dazu. Zuletzt Abschluß einer kritischen Edition der „Logica“ des Albert von Sachsen (gest. 1390), die zusammen mit einer deutschen Übersetzung erscheinen wird. Demnächst Editionsarbeiten zur Universitätsphilosophie des Spätmittelalters (Prag, Wien) im Rahmen eines Projekts des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Wien. Siehe auch die Homepage: http://www-gewi.uni-graz.at/staff/berger Kiki Berk, M.A., is a PhD-student at the Vrije Universiteit Amsterdam. After she got her MA in philosophy there, she studied at Notre Dame University for a year and is currently writing her dissertation about the problems concerning physicalism.

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Mitarbeiterverzeichnis

Dr. Andreas Brandt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Philosophischen Seminar der Universität Göttingen. Promotion im Jahr 2000 bei Konrad Cramer mit einer Arbeit über Leonard Nelsons Grundlegung der Ethik (veröffentlicht 2002 als Ethischer Kritizismus). Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Geschichte der Philosophie der Neuzeit (Erkenntnistheorie, Metaphysik und Religionsphilosophie von Descartes bis Kant; nachkantischer Kritizismus) sowie in der Religionsphilosophie. In der Planung ist ein Forschungsprojekt zur Systematik von Kants drei Kritiken. Dr. Stefan Büttner-von Stülpnagel, Privatdozent an der Universität Potsdam, vorher LMU-München. Spezialist für antike Philosophie, Philosophie des Rationalismus und des Deutschen Idealismus mit Schwerpunkt Wissenschaftsgeschichte und Biomedizin. Selbständig als freier Referent und Projektmanager im Bereich Wissensmanagement. (www.denkinform.de) Dr. Damian Caluori hat in Zürich Philosophie, Griechische Sprach- und Literaturwissenschaft und Mathematik studiert und mit dem Lizentiat abgeschlossen. Nach einjähriger Assistenz- und Forschungstätigkeit in Zürich war er fünf Jahre lang Doktorand an der Universität Oxford (inkl. eines eineinhalbjährigen Forschungsaufenthalts in Athen). Er hat dort mit einer Arbeit über Plotins Seelenlehre (Plotinus on the Soul), welche unter der Leitung von Michael Frede entstanden ist, promoviert und ist zur Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Klassisch-Philologischen Seminar der Universität Zürich tätig. Prof. Dr. Dr. h.c. Konrad Cramer ist emeritierter Lehrstuhlinhaber für Geschichte der Philosophie an der Universität Göttingen. Zu seinen Hauptarbeitsgebieten zählen die Philosophie Kants, die rationale Theologie der Neuzeit und Theorien der Subjektivität. Dr. Holger Gutschmidt, M.A., hat Evangelische Theologie, Altorientalistik, Wissenschaftsgeschichte und Philosophie an der Kirchlichen Hochschule Neuendettelsau sowie an den Universitäten Göttingen, Heidelberg und Turin (Italien) studiert. 1998 M.A. in Ägyptologie (veröffentlicht als Den ägyptischen Tempel als Kunstwerk begreifen!, 20082), Promotion in Philosophie mit einer Arbeit über das frühe Denken Hegels (Göttingen 2003, veröff. 2007 als Vernunfteinsicht und Glaube). Derzeit Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Habilitand an der Abteilung für Rechtsphilosophie (Juristisches Seminar) der Universität Göttingen.

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Dr. Karl Hepfer ist Privatdozent der Universität Erfurt. Seine Interessensschwerpunkte liegen in der Erkenntnistheorie, der Praktischen Philosophie und der Sprachphilosophie mit einem historischen Schwerpunkt in der Philosophie der Aufklärung. Monographien: Motivation und Bewertung. Eine Studie zur praktischen Philosophie Humes und Kants (1997); David Hume. Eine Untersuchung der Grundlagen der Moral. Übersetzung und Kommentar (2002); Die Form der Erkenntnis. Immanuel Kants theoretische Einbildungskraft (2006); Ethik. Eine systematische Einführung (UTB, 2007/8). Dr. Ludger Jansen M.Litt., M.A., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Rostock. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Metaphysik und Ontologie, antike und mittelalterliche Philosophie. Er ist Autor von Tun und Können (Frankfurt 2002) und von zahlreichen Artikeln und Lexikon-Beiträgen. Prof. Dr. Christian Kanzian ist Professor für Philosophie an der Universität Innsbruck. Schwerpunkte seines Arbeitens sind Analytische Philosophie und Ontologie. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Fragen der Metaphysik, Gotteslehre und Ontologie. Dr. Jindřich Karásek hat von 1990 bis 1998 an der Universität Prag und von 1994 bis 1997 an der Universität Göttingen Philosophie studiert. Er hat 1998 an der Karls-Universität in Prag mit einer Arbeit zu Kant promoviert und ist seither Fachassistent (Assistenzprofessor) ebda. Von 2003 bis 2006 war er zusätzlich Wissenschaftlicher Assistent unter Prof. Dr. Jürgen Stolzenberg an der Universität Halle. Zahlreiche Veröffentlichungen zur klassischen deutschen Philosophie. Dr. Antonella Lang-Balestra ist wiss. Mitarbeiterin an der Universität Bern und Dozentin an der Hochschule Winterthur. 1999 Promotion über Leibniz’ Metaphysik der Substanz (2002 veröffentlicht als Kontingente Wahrheiten. Ein Beitrag zur Leibnizschen Metaphysik der Substanz) an der Universität Göttingen. Danach Abschluß als Master in Kulturmanagement an der Hochschule Winterthur. Philosophische Schwerpunkte: Philosophie der Neuzeit und Italienische Renaissance (Philosophie und Literatur). Derzeit Arbeit an einem Forschungsprojekt über die Philosophie der Liebe von Cavalcanti bis Marsilio Ficino. Prof. Dr. Jörg Lauster ist Lehrstuhlinhaber für Systematische Theologie an der Universität Marburg und hat seine Dissertation über Marsilio Ficino und den Renaissanceplatonismus geschrieben.

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Mitarbeiterverzeichnis

Carl Ledsham, B.A. (U. Western Australia), M.A. (Monash. U.), is finalising a Ph.D. at the Hoger Instituut voor Wijsbegeerte, Katholieke Universiteit Leuven (Belgium) on the topic of John Duns Scotus’ prologues to his three Sentences commentaries. The dissertation seeks to show why Duns Scotus completely changed the structure of his commentary-prologue when he moved to Paris in 1302-1303. It will be completed by mid-2008. Svaneke Schüler, geb. 1972, Erstes und Zweites Staatsexamen in den Fächern Philosophie und Französisch mit Schwerpunkten in der Philosophie der Subjektivität und in französischer Literaturwissenschaft an der Universität Göttingen und dem Studienseminar für die Sekundarstufe II in Paderborn. Derzeit Gymnasiallehrerin für Philosophie und Französisch am Roswitha-Gymnasium Bad Gandersheim und Promovendin über die Konzeption des Bewusstseins in Jean-Paul Sartres „L’Être et le Néant“ bei Prof. Dr. Konrad Cramer, Göttingen. Dr. Gianluigi Segalerba, geb. 1967, erlangte sein Lizentiat beim Institut für Philosophie der Universität Pisa (1991) und promovierte ebenda 1998. Danach Post-Doc-Stipendiat des Kantons Bern (Oktober 1999 bis Dezember 2000) und mehrere Jahre freier Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Bern. Sodann Stipendiat des Österreichischen Fonds zur wissenschaftlichen Forschung im Rahmen des Lise-MeitnerProgramms (September 2005 bis Dezember 2006), das er beim Institut für Philosophie der Universität Wien verbrachte. Derzeit Lehrbeauftragter im Rahmen der Externen Lehre am Institut für Philosophie der Universität Wien. Sein Forschungsschwerpunkt gilt im Moment einigen Aspekten der Ontologie des Aristoteles. Abraham Stone received his Ph.D. in philosophy from Harvard University in 2000 and joined the UCSC Philosophy Department in 2005, after spending a year as a postdoctoral fellow in Israel, as well as four years as a Harper Fellow at the University of Chicago. His longstanding interest in the foundations of Avicenna’s physics and metaphysics, and their sources in Antiquity, has so far resulted in one long publication (“Simplicius and Avicenna on the Essential Corporeity of Material Substance”), with another (“Avicenna’s Theory of Primary Mixture”) forthcoming. He also works in several other areas, including philosophy of science and mathematics and early 20th-century German philosophy (both Analytic and Continental).

Mitarbeiterverzeichnis

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Prof. Dr. Erwin Tegtmeier lehrt Philosophie an der Universität Mannheim. Seine Arbeitsschwerpunkte: Ontologie und ihre Geschichte, Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie, frühe Phänomenologie (Brentano, Meinong). Veröffentlichungen: Komparative Begriffe (1981), Grundzüge einer kategorialen Ontologie (1992), Zeit und Existenz (1997), Hg. Ontologie (2000), Hg. Neue Ontologie und Metaphysik (2000). Dr. Mark Textor arbeitet zur Geschichte der Philosophie (Ursprünge der analytischen Philosophie und Phänomenologie, Empirismus) sowie zur Erkenntnistheorie, Metaphysik und Sprachphilosophie. Neben diversen Aufsätzen zu diesen Themen hat er die Bücher Bolzanos Propositionalism (Berlin / New York 1996) sowie Ueber Sinn und Bedeutung von Eigennamen (Paderborn 2005) veröffentlicht. Dr. Kristell Trego : Agrégée de philosophie, docteur en philosophie de l’Université Paris I Panthéon-Sorbonne. Spécialiste de philosophie médiévale, en particulier du premier Moyen Age latin. Membre de l’équipe de recherche « Identité et subjectivité » de l’université de Caen. Dr. phil. Dr. theol. Daniel von Wachter ist Habilitationsstipendiat an der Universität München. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in verschiedensten Bereichen der Metaphysik, Ontologie und Religionsphilosophie. Er ist Mitherausgeber der Reihe „Metaphysical Research“ beim Ontos-Verlag, Frankfurt/Main. (http://daniel.von-wachter.de) Mag. Dr. Joseph Wang studierte Medizin und Philosophie an der Universität Innsbruck und an der Medizinischen Universität Innsbruck. Seit 2006 ist er Projektmitarbeiter in dem Forschungsinstitut BrennerArchiv, derzeit arbeitet er an einer elektronischen Edition der Vermischten Bemerkungen von Ludwig Wittgenstein. Seine Forschungsschwerpunkte betreffen Metaphysik und Ontologie, biomedizinische Ethik, Wittgenstein, sowie computergestützte Editions- und Publikationstechniken.

PhilosophischeAnalyse PhilosophicalAnalysis 1 Herbert Hochberg Russell, Moore and Wittgenstein The Revival of Realism

8 Rafael Hüntelmann Existenz und Modalität Eine Studie zur Analytischen Modalontologie

2

9 Andreas Bächli / Klaus Petrus Monism

ISBN 3-937202-00-5 334 pp., Hardcover € 94,00

Heinrich Ganthaler Das Recht auf Leben in der Medizin Eine moralphilosophische Untersuchung

ISBN 3-937202-01-3 167 pp., Hardcover € 58,00

3 Ludger Jansen Tun und Können Ein systematischer Kommentar zu Aristoteles’ Theorie der Vermögen im neunten Buch der „Metaphysik“ ISBN 3-937202-02-1 302 pp., Hardcover € 70,00

4 Manuel Bremer Der Sinn des Lebens Ein Beitrag zur Analytischen Religionsphilosophie ISBN 3-937202-03-X 134 pp., Hardcover € 58,00

5 Georg Peter Analytische Ästhetik Eine Untersuchung zu Nelson Goodman und zur literarischen Parodie ISBN 3-937202-04-8, 332 pp. Hardcover € 94,00

6 Wolfram Hinzen / Hans Rott Belief and Meaning Essays at the Interface ISBN 3-937202-05-6 250 pp., Hardcover € 58,00

7 Hans Günther Ruß Empirisches Wissen und Moralkonstruktion Eine Untersuchung zur Möglichkeit von Brückenprinzipien in der Natur- und Bioethik ISBN 3-937202-06-4 208 pp., Hardcover € 58,00

ISBN 3-937202-07-2 189 pp., Hardcover € 58,00

ISBN 3-937202-19-6 340 pp., Hardcover € 70,00

10 Maria Elisabeth Reicher Referenz, Quantifikation und ontologische Festlegung ISBN 3-937202-39-0 ca. 300 pp., Hardcover € 89,00

11 Herbert Hochberg / Kevin Mulligan Relations and Predicates ISBN 3-937202-51-X 250 pp., Hardcover € 74,00

12 L. Nathan Oaklander C. D. Broad's Ontology of Mind ISBN 3-937202-97-8 105 pp., Hardcover € 39,00

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14 Donald W. Mertz Realist Instance Ontology and its Logic ISBN 3-938793-33-3 252 pp., Hardcover, EUR 79,00

15 N. Psarros / K. Schulte-Ostermann (Eds.) Facets of Sociality ISBN 3-938793-39-2 370 pp., Hardcover, EUR 98,00

16 Markus Schrenk The Metaphysics of Ceteris Paribus Laws ISBN 13: 978-3-938793-42-8 192pp, Hardcover, EUR 79,00

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PhilosophischeAnalyse PhilosophicalAnalysis 17 Nicholas Rescher Interpreting Philosophy The Elements of Philosophical Hermeneutics ISBN 978-3-938793-44-2 190pp., Hardcover € 89,00

18 Jean-Maurice Monnoyer(Ed.) Metaphysics and Truthmakers ISBN 978-3-938793-32-9 337 pp., Hardcover € 98,00

19 Fred Wilson Acquaintance, Ontology, and Knowledge Collected Essays in Ontology

25 Laird Addis Mind: Ontology and Explanation Collected Papers 1981-2005 ISBN 978-3-938793-86-2 289pp., Hardcover, EUR 79,00

26 Hans Bernhard Schmid, Katinka Schulte-Ostermann, Nikos Psarros Concepts of Sharedness Essays on Collective Intentionality ISBN 978-3-938793-96-1 306pp., Hardcover, EUR 89,00

ISBN 978-3-938793-58-9 XX, 726., Hardcover, EUR 159,00

20 Laird Addis, Greg Jesson, and Erwin Tegtmeier (Eds.) Ontology and Analysis Essays and Recollections about Gustav Bergmann ISBN 978-3-938793-69-5 312 pp., Hardcover, EUR 98,00

21 Christian Kanzian (Ed.) Persistence ISBN 978-3-938793-74-9 198pp., Hardcover, EUR 79,00

22 Fred Wilson Body, Mind and Self in Hume’s Critical Realism ISBN 978-3-938793-79-4 512pp., Hardcover, EUR 139,00

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24 Simone Gozzano, Francesco Orilia Tropes, Universals and the Philosophy of Mind Essays at the Boundary of Ontology and Philosophical Psychology ISBN 978-3-938793-83-1 196pp., Hardcover, EUR 69,00

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