Steuerberater-Jahrbuch: Steuerberater-Jahrbuch 2021/2022 9783504387785

Das Steuerberater-Jahrbuch bietet der Beratungspraxis Jahr für Jahr eine detaillierte Auseinandersetzung mit ausgewählte

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German Pages 700 [708] Year 2022

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
1. Leitthema: Unternehmensteuerrecht 1
Steuerpolitik nach der Bundestagswahl
Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Personengesellschaften
Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Personengesellschaften
Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Kapitalgesellschaften
2. Leitthema: Unternehmensteuerrecht 2
Die Option zur Körperschaftsteuer
Ausgewählte Aspekte des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes
3. Leitthema: Unternehmensteuerrecht 3
KöMoG und Organschaft, insbesondere Einlagelösung für organschaftliche Mehr- und Minderabführungen
Steuerliche Vorgaben für die Finanzierung im Konzern
Gesetzliche Neuregelungen im Umwandlungssteuerrecht und andere Neuigkeiten zu Umstrukturierungen
4. Leitthema: Bilanzsteuerrecht
Rechtsprechungs-Highlights zum Bilanzsteuerrecht
Wechselkurse und Währungsabsicherung in Steuerbilanz und Ertragsteuerrecht
Aktuelle Fälle des Bilanzsteuerrechts
5. Leitthema: Internationales Steuerrecht
Rechtsprechungs-Highlights zum Internationalen Steuerrecht
Die „Neuregelung“ der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATAD-UmsG und Ausblick auf die globale Mindestbesteuerung
§ 4k EStG und andere Neuregelungen zu hybriden Strukturen
6. Leitthema: Umsatzsteuerrecht
Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht
Umsatzsteuer: Aktuelles aus der Finanzverwaltung
Beschränkung des Vorsteuerabzugs durch Factoring?
Aktuelle Fragestellungen zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft
7. Leitthema: Steuerrecht und besondere Beratungsrisiken
Steuerliche Essentialia des AbzugsteuerentlastungsG, des FondsstandortG und des SteueroasenabwehrG
Mögliche steuerliche Auswirkungen des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG)
Steuerliche Folgen zunehmender Home-Office-Tätigkeit und anderer Formen des Flexible Working
Stichwortverzeichnis

Steuerberater-Jahrbuch: Steuerberater-Jahrbuch 2021/2022
 9783504387785

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Steuerberater-Jahrbuch 2021/2022

.

Steuerberater-Jahrbuch 2021/2022 zugleich Bericht über den 73. Fachkongress der Steuerberater Köln, 2. und 3. November 2021

Herausgegeben im Auftrag des Fachinstituts der Steuerberater von

Prof. Dr. Thomas Rödder

Prof. Dr. Marcel Krumm

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer

Universitätsprofessor

Zitierempfehlung: Verfasser, StbJb. 2021/2022, Seite …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0081-5519 ISBN 978-3-504-62668-6 ©2022 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza Printed in Germany

Vorwort Der 73. Fachkongress der Steuerberater wurde vom Fachinstitut am 2. und 3. November 2021 im Gürzenich zu Köln veranstaltet und mit einem Einführungsvortrag über Steuerpolitik nach der Bundestagswahl eröffnet. Am Vormittag des ersten Tages widmete sich der Kongress unter dem Leitthema Unternehmenssteuerrecht 1 den „RechtsprechungsHighlights“ bei der Besteuerung von Personen- und Kapitalgesellschaften. Das Leitthema Unternehmenssteuerrecht 2 hatte die Option zur Körperschaftsteuer sowie das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes zum Gegenstand. Schwerpunkte des Leitthemas Unternehmenssteuerrecht 3 waren die neue Einlagenlösung statt organschaftlicher Ausgleichsposten, außerdem standen steuerliche Vorgaben für die Finanzierung im Konzern auf dem Programm, ferner gesetzliche Neuregelungen und andere Neuigkeiten für Umstrukturierungen. Im Rahmen des Leitthemas Bilanzsteuerrecht widmete sich der Fachkongress „Rechtsprechungs-Highlights“ zum Bilanzsteuerrecht. Der nachfolgende Beitrag erörterte Wechselkurse und Währungsabsicherung in Steuerbilanz und Ertragsteuerrecht, und wie jedes Jahr wurde dieser Themenkomplex mit einem Überblick über aktuelle Fälle des Bilanzsteuerrechts abgeschlossen. Das Leitthema Internationales Steuerrecht wurde in diesem Jahr wieder mit einem Beitrag zu den „Rechtsprechungs-Highlights“ eröffnet. Die beiden nachfolgenden Vorträge hatten Neuregelungen der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATAD-UmsG zum Gegenstand, außerdem § 4k EStG und andere Neuregelungen zu „hybriden“ Strukturen. Auch am Anfang des Leitthemas Umsatzsteuerrecht stand ein Überblick über die „Rechtsprechungs-Highlights“. Der zweite Vortrag bot einen Bericht über Aktuelles aus der Finanzverwaltung, und abgeschlossen wurde dieser Themenkomplex mit Überlegungen zu Organschaft und Finanzdienstleistungen. Im Rahmen des Leitthemas Steuerrecht und besondere Beratungsrisiken wurden steuerliche Essentialia des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes, des Fondsstandortgesetzes und des Steueroasenabwehrge-

V

Vorwort

setzes vorgestellt und über mögliche steuerliche Auswirkungen des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts berichtet. Gegenstand waren ferner steuerliche Folgen zunehmender HomeofficeTätigkeit und anderer Formen des flexible working. Allen Referenten gilt großer Dank für ihre Mitwirkung. Köln, im Oktober 2022 Thomas Rödder

VI

Marcel Krumm

Inhalt* Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

1. Leitthema: Unternehmensteuerrecht 1 Prof. Dr. Roman Seer Ruhr-Universität Bochum Steuerpolitik nach der Bundestagswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

II. Wahlprogramme der Ampelkoalitionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

III. Koalitionsvertrag v. 24.11.2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

IV. Bewertung und Ausblick auf weitere gebotene Maßnahmen . . .

12

Dr. Ulrike Banniza Vorsitzende Richterin am BFH, München Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

I. Ausscheiden von Wirtschaftsgütern bei der Übertragung von Sachgesamtheiten am Beispiel der Übertragung eines Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG . . . . .

46

II. Erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG . . . . . . . . . . .

53

III. Wegfall gewerbesteuerrechtlicher Fehlbeträge bei Abspaltung .

58

IV. Investitionsabzugsbetrag bei Auftragsproduktion . . . . . . . . . . . .

62

* Ausführliche Inhaltsübersichten jeweils zu Beginn der Beiträge.

VII

Inhalt

Dr. Martin Strahl Steuerberater, Köln Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

I. Mitunternehmerstellung eines atypisch stillen Gesellschafters

67

II. Ausschluss der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG durch ausländische Buchführungs- und Bilanzierungspflichten . . . . . .

70

Dr. Peter Brandis Vorsitzender Richter am BFH, München Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

I. Rechtsfolgen bei Umstrukturierungen – Einbringungsgewinn II und Veräußerungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

II. Verdeckte Gewinnausschüttungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

III. Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 IV. Gestaltungsmissbrauch – Tatbestand seit Gesetzesfassung 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 V. Rangrücktrittsvereinbarung – Klausel „Sonstiges freies Vermögen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

2. Leitthema: Unternehmensteuerrecht 2 Dr. Rolf Möhlenbrock Ministerialdirektor, Berlin Prof. Dr. Ingo Stangl Steuerberater, München Die Option zur Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 I. Hintergrund und Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 III. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 IV. Übergang zur Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

VIII

Inhalt

V. Anwendung der KStG-Grundsätze (Behandlung „wie eine Kapitalgesellschaft“ und Behandlung der Gesellschafterebene) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 VI. Beendigung der Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Dirk Krohn Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen Dr. Stefan Behrens Rechtsanwalt/Steuerberater, Frankfurt am Main Ausgewählte Aspekte des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Überblick über die im Jahr 2021 in Kraft getretenen Änderungen des GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 II. Der „Übergangsfall“: Zweimaliger Anfall von Grunderwerbsteuer in Fällen des Signing vor und des Closing nach dem 30.6./1.7.2021? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 III. Der „Standardfall“ nach neuem Recht: Zweimaliger Anfall von Grunderwerbsteuer in allen Fällen des zeitlichen Auseinanderfallens von sog. Signing und sog. Closing? . . . . . . . . . . . . . 158 IV. Kommt es, und wenn ja unter welchen Voraussetzungen kommt es zur Zurechnung von Grundstücken von Tochter-/ Enkel-Gesellschaften zur Mutter-Gesellschaft im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a–3a GrEStG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 V. Verhältnis zwischen § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG einerseits und § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG andererseits in Beteiligungsketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 VI. Einzelfragen zu § 1 Abs. 2b GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 VII. Sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 VIII. Feststellungslast der Finanzverwaltung: Wie weit gehen die Mitwirkungspflichten der grundbesitzenden Gesellschaft im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG? . . . . . . 177 IX. Verhältnis zwischen § 23 Abs. 18 und § 23 Abs. 24 GrEStG . . 180 X. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

IX

Inhalt

3. Leitthema: Unternehmensteuerrecht 3 Thomas Stimpel Regierungsdirektor, Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen Prof. Dr. Andreas Schumacher Steuerberater, Bonn KöMoG und Organschaft, insbesondere Einlagelösung für organschaftliche Mehr- und Minderabführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 I. Einlagelösung für organschaftliche Mehr- und Minderabführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 II. Optionsmodell und Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Dr. Stefan Greil Berlin Prof. Dr. Xaver Ditz Steuerberater, Bonn Steuerliche Vorgaben für die Finanzierung im Konzern . . . . . . . . . . . 213 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 II. Notwendigkeit der Besicherung von Darlehen im Konzern . . . 214 III. Wirtschaftliche Notwendigkeit der Fremdfinanzierung . . . . . . 221 IV. Bestimmung angemessener Zinssätze – Preisvergleichsmethode als Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 V. Besonderheiten bei Finanzierungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . 227 VI. Besonderheiten bei Cash Pools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Dr. Norbert Schneider Rechtsanwalt/Steuerberater, Düsseldorf Alexandra Pung Leitende Regierungsdirektorin, Koblenz Gesetzliche Neuregelungen im Umwandlungssteuerrecht und andere Neuigkeiten zu Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 II. Räumlicher Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . 235 X

Inhalt

III. Ausweitung der gesellschaftsrechtlichen Möglichkeit grenzüberschreitender EU-Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 IV. Grenzüberschreitende Umwandlungen und Verlustbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 V. Umwandlungen in der Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . 263 VI. Sperrfristanteile iSd. § 22 UmwStG und Sperrfristverstöße durch Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 VII. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

4. Leitthema: Bilanzsteuerrecht Dr. Christian Graw Richter am BFH, München Rechtsprechungs-Highlights zum Bilanzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . 279 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 II. Passivierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt (§ 5 Abs. 2a EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 III. Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten in Fällen geringer Bedeutung (§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 IV. Veräußerungs-/Aufgabegewinn in den Fällen einer Abzugsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 V. Teilwertabschreibung auf Investmentanteile (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 VI. AfA-Fragen (§ 7 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 VII. Investitionsabzugsbetrag (§ 7g EStG) – Nachweis der fast ausschließlich betrieblichen Nutzung eines PKW . . . . . . . . . . . 327 VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

XI

Inhalt

Dr. Anett Albrecht Regierungsdirektorin, Berlin Prof. Dr. Heribert M. Anzinger Ulm Wechselkurse und Währungsabsicherung in Steuerbilanz und Ertragsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 II. Begriffliche, wirtschaftliche und bilanzielle Grundlagen . . . . . . 340 III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 IV. Währungsabsicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 V. Kryptowährungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Prof. Dr. Ulrich Prinz Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Köln Aktuelle Fälle des Bilanzsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 I. Zum Start: Herausforderungen im Bilanzsteuerrecht als „Spiegel aktueller Wirtschaftsrealitäten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 II. Bilanzierung digitaler Wirtschaftsgüter: BMF-Schreiben v. 26.2.2021/22.2.2022 (Fall 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 III. Rückstellungen für Altersfreizeit – ein neu entdecktes „Altphänomen“ (Fall 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 IV. Bilanzierung von Forschungszulagen – Kapitalgesellschaft, Mitunternehmerschaft (Fall 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 V. Umgang mit „fehlerhafter Steuerbilanzierung“ – vorgreifliche nicht steuerliche Rechtsfragen, Korrekturmechanik bei Organschaft (Fall 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 VI. Appell: „Alltagstaugliche Rechtssicherheit“ als Grunderfordernis im Bilanzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436

XII

Inhalt

5. Leitthema: Internationales Steuerrecht Dr. Michael Schwenke Richter am BFH, München Rechtsprechungs-Highlights zum Internationalen Steuerrecht . . . . 443 I. Darlehensvergabe im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 II. BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, DB 2021, 2531 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 III. BFH v. 27.11.2019 – I R 40/19, FR 2020, 1106 . . . . . . . . . . . . . . . . 451 Dr. Martin Klein Rechtsanwalt, Steuerberater, Frankfurt Die „Neuregelung“ der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATAD-UmsG und Ausblick auf die globale Mindestbesteuerung . . 453 I. Hinzurechnungsbesteuerung nach ATAD-UmsG . . . . . . . . . . . . 454 II. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 III. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 V. Kurzer Ausblick auf die globale Mindestbesteuerung . . . . . . . . . 475 Prof. Dr. Stefan Köhler Steuerberater, Eschborn § 4k EStG und andere Neuregelungen zu hybriden Strukturen . . . . 479 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 II. Überblick und Kernfragen zu den Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . 484 III. Überblick über die neuen Regeln neben § 4k EStG . . . . . . . . . . . 498 IV. § 4k EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 V. Zusammenfassung/Ausblick/Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524

XIII

Inhalt

6. Leitthema: Umsatzsteuerrecht Dr. Hans-Hermann Heidner Richter am BFH, München Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . 529 I. EuGH v. 12.11.2020 – C-42/19 (Sonaecom SGPS) . . . . . . . . . . . 529 II. EuGH v. 12.11.2020 – C-734/19 (ITH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 III. EuGH v. 17.9.2020 – C-791/18 (Stichting Schoonzicht) . . . . . . 532 IV. BFH v. 27.10.2020 – V R 20/20 (V R 61/17) . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 V. BFH v. 16.12.2020 – XI R 26/20 (XI R 28/17) . . . . . . . . . . . . . . . . 534 VI. Exkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 VII. EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19 (FA für Körperschaften Berlin)

538

VIII. BFH v. 26.5.2021 – V R 22/20 (EuGH-Vorlage) . . . . . . . . . . . . . . 540 Robert C. Prätzler Steuerberater, Frankfurt Mathias Szabó Regierungsrat, Düsseldorf Umsatzsteuer: Aktuelles aus der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . 543 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 II. Zukunft der umsatzsteuerlichen Organschaft . . . . . . . . . . . . . . 545 III. Erste Erfahrungen zum „Digitalpaket“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 IV. BMF-Schreiben zum Leistungsort bei Veranstaltungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 V. BMF-Schreiben zu Garantieleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 VI. BMF-Schreiben zu Aufsichtsratsvergütungen vom 8.7.2021 . . 562 VII. BMF-Schreiben zur Konsignationslagerregelung (§ 6b UStG) vom 10.12.2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578

XIV

Inhalt

Dr. Jan de Weerth Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Frankfurt Beschränkung des Vorsteuerabzugs durch Factoring? . . . . . . . . . . . . . 581 I. Einführung in die Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 II. Forderungsverkauf als Umsatz und Vorsteuerabzug nach nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 III. Forderungsverkauf als umsatzsteuerbarer Umsatz im Sinne der MWStSystemRL? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 IV. Forderungsverkauf als unbeachtlicher „Hilfsumsatz“? . . . . . . . . 584 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 Dr. Michael Rust Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, München Aktuelle Fragestellungen zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 II. Personengesellschaft als Organgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 III. Die Eingliederungsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 IV. Wer ist Steuerpflichtiger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 V. Umfang Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607

7. Leitthema: Steuerrecht und besondere Beratungsrisiken Dr. Georg Roderburg Rechtsanwalt, Steuerberater, Düsseldorf Dr. Eva Oertel Regierungsdirektorin, München Steuerliche Essentialia des AbzugsteuerentlastungsG, des FondsstandortG und des SteueroasenabwehrG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 I. Abzugsteuerentlastungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 II. Fondsstandortgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 III. Steueroasenabwehrgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630

XV

Inhalt

Prof. Dr. Sebastian Benz Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Düsseldorf Mögliche steuerliche Auswirkungen des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) . . . . . . . . . . . . . . . . 637 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638 II. Änderungen der Bestimmungen zur GbR durch das MoPeG . . . 640 III. Hat das MoPeG Konsequenzen für das Steuerrecht? . . . . . . . . . . 644 IV. Einzelbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 V. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659 Thorsten Kontny Ministerialrat, Düsseldorf Dr. Carsten Schlotter Rechtsanwalt, Steuerberater, Bonn Steuerliche Folgen zunehmender Home-Office-Tätigkeit und anderer Formen des Flexible Working . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 I. Vorbemerkung (Kontny/Schlotter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 II. Begrifflichkeiten und Ausgangspunkt (Schlotter) . . . . . . . . . . . . . 662 III. Das „häusliche Arbeitszimmer“ (Kontny) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664 IV. Die „Home-Office“ -Pauschale (Kontny) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665 V. „Home-Office“ als gewerbesteuerrelevante Betriebsstätte? (Kontny) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 VI. Grenzüberschreitende Sachverhalte (Schlotter) . . . . . . . . . . . . . . 669 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687

XVI

1. Leitthema: Unternehmensteuerrecht 1

Steuerpolitik nach der Bundestagswahl Prof. Dr. Roman Seer Ruhr-Universität Bochum I. Einführung II. Wahlprogramme der Ampelkoalitionäre

3. 4.

III. Koalitionsvertrag v. 24.11.2021 IV. Bewertung und Ausblick auf weitere gebotene Maßnahmen 1. Unternehmensbesteuerung a) Steuersatzniveau b) Globale Mindeststeuer c) Option zur Körperschaftsteuer, Thesaurierungsbegünstigung d) Vereinheitlichung der Gewinneinkunftsarten e) Kommunale Unternehmensteuer f) Verlustabzug g) Superabschreibung 2. Einkommensteuer a) Tarifreform b) Abgeltungsteuer

5.

6. 7.

c) Immobilieneinkünfte d) Familienbesteuerung Solidaritätszuschlag Erbschaft- und Schenkungsteuer Umsatzsteuer a) Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs b) Überwindung der Sollbesteuerung c) Reduzierung der Steuersatzermäßigungen und Steuerbefreiungen d) Umsatzsteuer-Anrufungsauskunft Grunderwerbsteuer Abgabenordnung a) Reform der Vollverzinsung b) Reform der Außenprüfung c) Kooperation statt bürokratielastige Anzeigepflichten

I. Einführung Die Bundestagswahl hat am 26.9.2021 für die 20. Legislaturperiode zu einem Regierungswechsel und erstmals auf Bundesebene zu einer sog. Ampelkoalition (SPD/FDP/Bündis90 Die Grünen) geführt. Angesichts disparater steuerpolitischer Vorstellungen der Koalitionsparteien (siehe nachfolgend II.) ist das steuerpolitische Profil der neuen Regierung mit einem SPD-Kanzler Scholz, einen FDP-Finanzminister Lindner und einem Bündnis90/Die Grünen-Wirtschaftsminister Habeck noch diffus. Auch der Koalitionsvertrag vom 23.11.2021 ist wenig konkret (siehe

3

Seer, Steuerpolitik nach der Bundestagswahl

nachfolgend III.).1 Gleichwohl soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, die aus heutiger Sicht erwartbaren Maßnahmen anzusprechen und aus Sicht eines unabhängigen Außenstehenden zu reflektieren. Dies kann naturgemäß nur eine Momentaufnahme sein. Die Abhandlung bietet dabei auch keine Gewähr auf Vollständigkeit.

II. Wahlprogramme der Ampelkoalitionäre In den Wahlprogrammen der die sog. Ampelkoalition bildenden Parteien2 finden sich steuerpolitische Aussagen, die am Anfang der Koalitionsverhandlungen standen und deren Ausgangspunkt bildeten. Zur besseren Übersichtlich- und Vergleichbarkeit habe ich sie tabellarisch nach ihren Gegenständen geordnet gegenübergestellt: Thema

SPD

Grüne

FDP

EinkSt

Besserstellung von kleinen u. mittleren Einkommen, ab 250 Tt: Steuersatz = 45 %

Erhöhung des GrundFreibetrags, ab 100 Tt: Steuersatz 45 %, ab 250 Tt: Steuersatz = 48 %

Sukzessive Abschaffung des „Mittelstandsbauchs“, ab 90 Tt: 42 %, automatische Tarifanpassung an Inflation



degressive AfA für klimaneutrale Industrietechnologien

Verbesserung der AfA-Bedingungen einschl. Wohnungsbau-Investitionen

1 Im Zeitpunkt meines Vortrags auf dem 73. Fachkongress der Steuerberater am 2.11.2021 in Köln befanden sich die drei genannten Parteien noch im Stadium von Koalitionsverhandlungen. Ich habe das im Koalitionsvertrag vom 24.11.2021 festgehaltene Verhandlungsergebnis für die schriftliche Fassung ergänzend unter III. dargestellt und in meine schriftlichen Überlegungen aufgenommen. Insoweit geht die schriftliche Fassung über den mündlichen Vortrag hinaus und unterscheidet sich von diesem. 2 SPD, Zukunftsprogramm 2021 (a.o. Parteitag v. 9.5.2021): „Aus Respekt vor deiner Zukunft – Das Zukunftsprogramm der SPD: Wofür wir stehen, was uns antreibt, wonach wir streben“; Bündnis 90/Die Grünen (46. Bundesdelegiertenkonferenz, 11.–13.6.2021), Bundestagswahlprogramm 2021: „Deutschland. Alles ist drin. Bereit, weil Ihr es seid.“; FDP (72. ord. Bundesparteitag, 14.– 16.5.2021), Bundestagswahlprogramm 2021: „Nie gab es mehr zu tun.“

4

Seer, Steuerpolitik nach der Bundestagswahl Thema

SPD

Grüne

FDP



Abzug mobiler Arbeitskosten

Erweiterung des Abzugs von Betreuungskosten, Unterhaltsaufwand + Erhöhung Home-Office-Pauschale Erweiterung des Abzugs haushaltsn. Dienstleistungen

Ehegattensplitting für wie SPD, außerdem soll LSt-Klasse V neu geschlossene abgeschafft werden Ehen abschaffen; für „Altehen“: Wahlrecht zur Beibehaltung

ausdrücklich: Beibehaltung des Ehegattensplittings

Kindergrundsicherung (gest. nach Bedürftigkeit, max. 500 t/Kind) soll Kindergeld/-freibetrag ersetzen

ähnlich der SPD

Keine Abschaffung der Kinderfreibeträge

Aufhebung der 10-Jahres-Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG, Idee eines Planungswertausgleichs

Aufhebung der Veräußerungsfristen des § 23 Abs. 1 EStG

Keine materielle Änderung des § 23 EStG



Abschaffung der abgeltenden KapESt

Einschränkung der Veräußerungsgewinnbesteuerung auf eine Spekulationssteuer (3 Jahres-Haltezeitraum), Anhebung des Sparer-FB auf 1.000 t Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung durch FB 1.000 t, Versteuerung erst bei Anteilsveräußerung

5

Seer, Steuerpolitik nach der Bundestagswahl Thema

SPD

Grüne

FDP

SolZ

Beibehaltung des Rest-SolZ



Abschaffung des Rest-SolZ

UntSt

Unterstützung einer globalen Mindeststeuer

EU-einheitliche Bemessungsgrundlage, globaler Mindeststeuersatz = 25 %

Unterstützung einer globalen Mindeststeuer, Absenkung UntSt in D auf 25 %, EU-einheitliche Bemessungsgrundlage, EU-Verbot von „Tax-Deals“

Effektive Mindeststeuer für DigitalUnternehmen

„Digitalkonzernsteuer“ für Google, Facebook u.a.

Einbindung in die internat. Steuerpolitik zur Mindeststeuer





Erweiterung des Verlustabzugs, Idee einer negativen Gewinnsteuer

GewSt



Kompensation der GewSt-Ausfälle 2021/22 durch Bund/ Länder

Abschaffung der GewSt, Ersatz durch HebesatzR auf ESt/ KSt, höhere Beteiligung der Kommunen an USt

VSt

1 % auf „sehr hohe“ Privatvermögen

1 % auf Vermögen . 2 Mio. t (mit BVBegünstigung)

ausdrücklich keine VSt

ErbSt

Abschaffung der „Überprivilegierung“ großer BV (MindestSteuer)

Verschärfung der ErbSt für „reiche Menschen“

Keine Verschärfung der ErbSt, Überprüfung des Bürokratieaufwands

USt



Ermäßigter Steuersatz für Reparaturdienstleistungen



EnergieSt u.a.

Abschaffung EEGUmlage bis 2025

Senkung der EEGUmlage

Abschaffung der EEGUmlage; Reduzierung der StromSt auf EUDurchschnittsniveau

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Seer, Steuerpolitik nach der Bundestagswahl Thema

SPD

Grüne

FDP

EUSteuerpolitik

Überwindung des Einstimmigkeitsprinzips

wie SPD

Ablehnung von EU-Steuern

GrESt

Erfassung von Share-Deals

wie SPD

wie SPD



Stärkung der Länder- Einführung eines FB kompetenz durch 500 Tt beim Erwerb diff. Steuersatzpolitik durch nat. Personen

FinanztransSt

EU-FTSt einführen

wie SPD



LuftVSt





Abschaffung der LuftVSt

AO

Erweiterung der Anwie SPD zeigepflichten auf nationale Gestaltungen Erweiterung des Katalogs gemeinnütziger Zwecke auf gesellschaftspolit. Organisationen

wie SPD, aber weiter- Erweiterung des Katalogs gemeinnütziger gehende Reform des GemeinnützigkeitsZwecke auf E-Sport rechts

öffentliches Country- wie SPD by-CountryReporting –





Ausbau der SteuerErleichterung vorausfahndung auf Bundes- gefüllter Steuerebene erklärungen

III. Koalitionsvertrag v. 24.11.2021 In dem zwischen den sog. Ampelparteien geschlossenen Koalitionsvertrag findet sich immerhin ein Abschnitt zur Steuerpolitik mit den Unterüberschriften „Steuern“, „Vollzug, Vereinfachung und Digitalisierung“ sowie der „Bekämpfung Steuerhinterziehung und Steuergestaltung“.3 Im letztgenannten Bereich soll die Bundesrepublik Deutschland sogar eine 3 Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP („mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhal-

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Seer, Steuerpolitik nach der Bundestagswahl

„Vorreiterrolle“ einnehmen.4 Daher wird bereits eingangs des Unterabschnitts „Steuern“ auf die Ziele der Vereinfachung des Steuersystems durch Digitalisierung und Entbürokratisierung der Steuerverwaltung sowie der intensiveren Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -vermeidung hingewiesen. Demgegenüber erweisen sich die Aussagen zu den angedachten Veränderungen des materiellen Steuerrechts nur punktuell und recht kleinteilig. Die Koalitionäre wollen zusätzliche Haushaltsspielräume dadurch gewinnen, dass sie überflüssige, unwirksame, umwelt- und klimaschädliche Subventionen abbauen.5 Dazu führen sie die Abschaffung der steuerlichen Bevorzugung des Dieselkraftstoffs bei der Energiesteuer6 an, wozu dann folgerichtig aber auch eine Überprüfung der Regelung bei der Kfz-Steuer gehören soll.7 Bis zur Einführung einer Kerosinsteuer auf EU-Ebene fordert die Ampelkoalition, Luftverkehrsteuern europaweit zu erheben.8 Nachgeschärft werden soll die Dienstwagenbesteuerung bei sog. Plug-In-Hybriden in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 4, 5 EStG, indem die Anforderung an die elektronische Mindestreichweite ab dem 1.8.2023 auf 80 km erhöht und die Förderung bis Ende 2025 befristet wird. Zusätzlich soll für neu zugelassene Fahrzeuge der auf 0,5 % des Bruttolistenpreises abgesenkte Nutzungswert anstelle der regulären 1 % nur anwendbar sein, wenn der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass das Fahrzeug überwiegend elektrisch betrieben wird. Nach 2025 soll auch der Nutzungswert für emissionsfreie Elektrofahrzeuge im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3 EStG von 0,25 % auf 0,5 % des Bruttolistenpreises angehoben werden.9 Im eigentlichen Unterabschnitt „Steuern“ spricht der Koalitionsvertrag von einer „Superabschreibung“ für Investitionen in Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter in den Jahren 2022 und 2023. Zugleich kündigte er eine Verlängerung des für 2020 und 2021 geltenden erweiterten Ver-

4 5 6

7 8 9

8

tigkeit) v. 24.11.2021, 164–167 (als Teil des VIII. Abschnitts „Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Finanzen“, 158–172). So der Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 166. So der Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 162 im Unterabschnitt „Subventionen“. Die Abschaffung der Sonderbehandlung des Dieselkraftstoffs ist auch im Entwurf zur Neufassung der Energiesteuerrichtlinie 2003/96/EG v. 27.10.2003 enthalten, s. EU-Kommission v. 14.7.2021, COM (2021), 563 final, Erwägungsgrund 19. Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 162. Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 54. Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 163.

Seer, Steuerpolitik nach der Bundestagswahl

lustrücktrags nach § 10d Abs. 1 EStG10 bis Ende 2023 an, wobei der Zeitraum für den Verlustrücktrag auf zwei Jahre erweitert werden soll. Als Reaktion auf die Grundsatzentscheidung des BFH zu dem seit 2005 vorgenommenen Paradigmenwechsel zur sog. nachgelagerten Besteuerung von Renteneinkünften11 sieht der Koalitionsvertrag den vollständigen Abzug der Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 EStG) bereits ab dem Jahr 2023 vor, während die nachgelagerte Vollbesteuerung der Renten in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Dopprlbuchst. aa EStG nicht durch jährliche Steigerungen von 1 % im Jahr 2040, sondern zukünftig durch jährliche Steigerungen von nur 0,5 % erst im Jahr 2060 erreicht werden soll.12 Erhöht werden soll außerdem der Sparer-Freibeitrag (§ 20 Abs. 9 EStG) von 801 t/1.602 t bei Zusammenveranlagung auf 1.000 t/2.000 t sowie der Ausbildungsfreibetrag des § 33a Abs. 2 EStG von bisher 924 t auf 1.200 t. Schließlich kündigt der Koalitionsvertrag eine Evaluierung der Regelungen der Option von Personengesellschaften zur Körperschaftsteuer (§ 1a KStG) sowie der unverändert bestehenden Begünstigung thesaurierter Gewinne (§ 34a EStG) an. Auf den Prüfstand soll außerdem die steuerliche Regelung des Home-Office für Arbeitnehmer (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 4 i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG) gestellt werden. Bei der Grunderwerbsteuer sprechen sich die Koalitionsparteien für eine flexiblere Gestaltung der Steuer aus, um so den Erwerb selbst genutzten Wohneigentums zu erleichtern.13 Als Gegenfinanzierungspotenzial sehen sie trotz der im letzten Jahr erst vorgenommenen Erweiterung der Besteuerung14 den Immobilienerwerb durch sog. Share Deals, womit steuerliche „Schlupflöcher“ geschlossen werden sollen. Neben einem Verbot des Immobilienerwerbs mit Bargeld soll ein obligatorischer Versteuerungsnachweis für gewerbliche und private Immobilienkäufer aus dem Ausland eingeführt werden.15 10 Zu den befristeten Ausdehnungen des Verlustrücktrags für 2020 und 2021 s. 2. Corona-Steuerhilfegesetz v. 29.6.2020, BGBl. I 2020, 1512 (Erweiterung des Rücktrags auf 5 Mio. t/10 Mio. t bei Zusammenveranlagung); 3. Corona-Steuerhilfegesetz v. 10.3.2021, BGBl. I 2021, 330 (Erweiterung des Rücktrags auf 10 Mio. t/20 Mio. t bei Zusammenveranlagung). 11 BFH v. 19.5.2021 – X R 33/19, BFHE 273, 266 = FR 2021, 747 m. Anm. WeberGrellet; dazu Reddig, DB 2021, 1496. 12 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 165. 13 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 165. 14 Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. 15 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 92.

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Seer, Steuerpolitik nach der Bundestagswahl

Fortentwicklungsbedarf erkennt die Ampelkoalition ferner bei der Einfuhrumsatzsteuer, ohne dies näher zu erläutern. Den Umsatzsteuerbetrug will sie stärker bekämpfen. Dazu soll ein elektronisches Meldesystem für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen eingeführt werden. Auf der EU-Ebene will sie sich für eine generelle Einführung des sog. Reverse Charge-Verfahrens bei zwischenunternehmerischen (B2B)-Umsätzen stark machen.16 Im Gemeinnützigkeitsrecht sieht die Koalition nach den Attac-Entscheidungen des BFH17 ein Bedürfnis nach gesetzlicher Klarstellung, dass sich gemeinnützige Organisationen innerhalb ihrer steuerbegünstigten Zwecke politisch betätigen und zudem auch gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen können. Außerdem sollen standardisierte Transparenzpflichten18 und Regeln zur Offenlegung der Spendenstruktur und Finanzierung steuerbegünstigter Organisationen geschaffen werden.19 Sog. Inklusionsbetriebe sollen im Umsatzsteuergesetz auch „formal“ privilegiert werden.20 Ein wichtiges Anliegen der Koalition ist die Verbesserung der Digitaltauglichkeit des Steuerrechts. Ziel ist die Digitalisierung der gesamten Interaktion zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung. Das Instrument der vorausgefüllten Steuererklärung („Easy Tax“) soll eine stärkere Verbreitung erhalten, die Außenprüfung modernisiert und beschleunigt werden. Insgesamt ist es Ziel, die Steuerbürokratie durch verbesserte Schnittstellen, Standardisierung und Einsatz neuer Technologien spürbar abzubauen.21 Neben der Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens fokussiert sich der Koalitionsvertrag auf die Bekämpfung der Steuerhinterziehung und Finanzmarktkriminalität einschließlich der Geldwäsche. Dazu sollen Zoll, BZSt., BaFin und FIU (Financial Intelligence Unit) personell aufgestockt und der Daten- und Informationsaustausch zwischen 16 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 167. 17 BFH v. 10.1.2019 – V R 60/17, BStBl. II 2019, 301; v. 10.12.2020 – V R 14/20, BStBl. II 2021, 739; dazu Hüttemann, DB 2019, 744; Weitemeyer, npoR 2019, 97; Seer, JZ 2019, 513. 18 Bereits nach dem Jahressteuergesetz 2020 v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096 (3135) ist beim BZSt. ab dem 1.1.2024 ein Zuwendungsregister vorzuhalten (s. § 60b AO), dem bestimmte Informationen über Zuwendungsempfänger zukünftig entnommen werden können; dazu näher Seer in Tipke/Kruse, § 60b AO Rz. 1 ff. (Mai 2021). 19 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 165. 20 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 79. 21 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 166.

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Seer, Steuerpolitik nach der Bundestagswahl

Steuerbehörden und Finanzaufsicht intensiviert werden. Durch Einsatz der Blockchain-Technologie will die Ampelkoalition Dividendenarbitragegeschäfte bekämpfen. Außerdem setzt sie sich für eine neuerliche Ausweitung des grenzüberschreitenden Informationsaustauschs22 ein. Die im Zuge der sog. DAC 6 (Directive on Adminstrative Cooperation 6)23 mit Wirkung v. 1.1.2020 in §§ 138d–138k AO eingeführte Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen will sie auf nationale Gestaltungen von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 10 Mio. t ausdehnen.24 Um sicherzustellen, dass aus Deutschland abfließendes Einkommen angemessen besteuert wird, soll zudem die Quellenbesteuerung ausgeweitet werden. Die Zinsschranke (§ 4h EStG) soll eine Ergänzung durch eine „Zinshöhenschranke“ finden.25 Die Ampelkoalition will außerdem ein Steuerforschungsinstitut errichten,26 um die Steuerregelungen besser evaluieren zu können und zu einer aktualisierten und verbesserten Datenlage zu kommen. Es soll dazu beitragen, die Grundlagen für eine evidenzbasierte Gesetzgebung zu verbessern. Außerhalb des Steuerabschnitts über Finanzen enthält der Koalitionsvertrag schließlich noch verstreute Aussagen zur Steuerpolitik. Unbeschadet der mit dem sog. Fondsstandortgesetz v. 3.6.202127 eingeführten aufgeschobenen Besteuerung bei Arbeitnehmerbeteiligungen an KMU (s. § 19a EStG n.F.) will die Ampelkoalition allgemein die Mitarbeiterkapitalbeteiligung durch Anhebung des Freibetrags des § 3 Nr. 39 EStG fördern.28 Um einen weiteren Anreiz für Pflegeberufe zu geben, soll ein zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber gezahlter „Pflegebonus“ bis zu 3.000 t p.a. steuerfrei bleiben.29 Vor dem Hintergrund veränderter Familienverhältnisse und mittlerweile sehr un22 Zum Entwicklungsstand s. Seer, Internationales Steuerverfahrensrecht, Kommentierung der Art. 26, 27 OECD-MA (Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft), 2020, Art. 26 Rz. 7 ff., 93 ff.; außerdem zuletzt RL (EU) 2021/514 des Rates v. 27.3.2021 zur Änderung der RL 2011/16/EU (DAC 7), ABl. EU 2021, Nr. L 104/1 v. 25.3.2021. 23 RL (EU) 2018/822/EU zur Änderung der RL 2011/16/EU v. 5.6.2018, ABl. EU 2018 Nr. L 139/1 v. 5.6.2018. 24 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 167. 25 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 167. 26 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 166. 27 BGBl. I 2021, 1498 (1525). 28 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 30. 29 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 80; damit würde der mit dem 1. Corona Steuerhilfegesetz v. 19.6.2020, BGBl. I 2020, 1385 in § 3 Nr. 11a EStG zum

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Seer, Steuerpolitik nach der Bundestagswahl

terschiedlicher Familienformen kündigt der Koalitionsvertrag die Fortentwicklung der Familienbesteuerung an.30 Konkret genannt wird dabei allerdings nur die Abschaffung der Lohnsteuerklassen III/V zugunsten des Faktorverfahrens innerhalb der Steuerklasse IV. Aufgrund der Umrechnung des Kindergelds in den Kinderfreibeitrag (s. § 31 EStG) werden sich aufgrund der geplanten Einführung einer allgemeinen Kindergrundsicherung31 auch Änderungen bei den Kinderfreibeträgen (§ 32 Abs. 6 EStG) ergeben. Zudem will sie eine „neue Wohngemeinnützigkeit“ mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den Weg bringen, ohne dies im Koalitionsvertrag näher zu konkretisieren.32 Schließlich spricht sie sich für eine steuerliche Filmförderung aus.33

IV. Bewertung und Ausblick auf weitere gebotene Maßnahmen 1. Unternehmensbesteuerung a) Steuersatzniveau Die unternehmensteuerrechtlichen Perspektiven des Koalitionsvertrags sind wenig ambitioniert. Eine grundlegende Unternehmensteuerreform ist nicht in Sicht. Die letzte Unternehmensteuerreform, die mit einer Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 15 % verbunden war, liegt mittlerweile ca. 15 Jahre zurück.34 Die damit für thesaurierte Unternehmensgewinne in der Zusammenschau mit der Gewerbesteuer hergestellte Tarifbelastung von ca. 31 %35 lag bei ihrer Einführung noch im Mittelfeld der OECD-Staaten.36 Die Bundesrepublik Deutschland konnte durch die deutliche Absenkung der vormaligen Tarifbelastung von 39,5 % den Spitzenplatz eines Hochsteuerlands vorübergehend verlassen. Dies hat zur Stärkung des deutschen Wirtschaftsstandorts im internationalen Wettbewerb in der letzten Dekade sicher positiv beigetragen. Die Zeit ist aber nicht stehengeblieben. In den letzten Jahren hat der in-

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12

1.7.2020 eingeführte Freibetrag von derzeit 1.500 t speziell für Pflegekräfte verdoppelt. Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 115. Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 100. Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 88. Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 123. Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. Einbezogen sind KSt, SolZ u. GewSt mit einem Hebesatz von 450 %. Siehe BDI/VCI, Die Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland 2007/ 2008, 10.

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ternationale Steuerwettbewerb weiter zugenommen. Vor allem die USSteuerreform 201837 mit einer Absenkung des Steuertarifs der Bundeseinkommensteuer für Körperschaften von 35 % auf 21 % hat den Steuersenkungswettbewerb weiter angefacht.38 Nach Berechnungen der kombinierten Gewinnsteuersätze von Kapitalgesellschaften39 in der OECD waren im Jahr 2019 Deutschland und Frankreich mit 31,62 % bzw. 32,02 % die Schlusslichter und überschritten den OECD-Durchschnitt von 23,6 % und den EU-Durchschnitt von 22,06 % deutlich.40 Dies gilt auch dann, wenn man mit dem Bundesfinanzministerium nur mit einem gewogenen Durchschnittshebesatz bei der GewSt von 403,7 % rechnet und so auf einen kombinierten Steuersatz von ca. 30 % kommt.41 Frankreich hat auf diese Situation reagiert und den Körperschaftsteuersatz stufenweise in 2020 auf 28 %, in 2021 auf 26,5 % und für Wirtschaftsjahre ab 2022 auf 25 % deutlich reduziert.42 Diesem Beispiel sollte die Bundesrepublik Deutschland folgen, um nicht weiter an Boden zu verlieren. b) Globale Mindeststeuer Selbstverständlich hat sich die Bundesrepublik Deutschland mit der künftigen Ausgestaltung und Umsetzung der OECD-Vorschläge zur Neuverteilung des Steueraufkommens aus Unternehmensgewinnen und zur globalen Mindeststeuer (OECD-Pillar One und Two) zu beschäftigen. Zwar hört sich die Idee einer formelhaften Gewinnaufteilung für sehr große multinational tätige Unternehmen mit einem globalen Umsatz von mehr als 20 Mrd. t und einer globalen Umsatzrendite von mehr als 10 % (Pillar One)43 zunächst gut an. Der Teufel steckt aber im Detail.44 Noch größere Bedeutung besitzt der OECD-Vorschlag zur Einführung einer globalen Mindeststeuer für multinationale Unternehmen in Höhe 37 Dazu Hey/Härtwig (Hrsg.), US-Steuerreform: Der Tax Cuts and Jobs Act 2017, 2019. 38 Dazu instruktiv Schreiber/von Hagen/Pönnighaus, StuW 2018, 239. 39 Zusammenfassung des KSt-Satzes inkl. nationaler Zuschläge sowie lokaler Gewinnsteuern. 40 Endres/Spengel, Festschrift Kroppen, 2020, 13 (16 f.). 41 BMF, Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich, 2020, 14. 42 IBFD, Database, France, Country Tax Guide, Corporate Taxation, 1.10.1.1. – Standard Rates (last reviewed 1.11.2021). 43 Zum sog. Inclusive Framework der OECD zu Pillar One s. Bußmann/Majewski, DB 2021, 194; Petkova/Greil, IStR 2021, 685. 44 Siehe auch die Einschätzung von Kaeser/Wünnemann, DStR 2022, 1 (4).

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von 15 % (Pillar Two).45 In Anknüpfung an die Arbeiten der OECD hat die EU-Kommission am 22.12.2021 dazu einen Richtlinienentwurf zur Einführung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmen in der EU vorgelegt.46 Er betrifft – anknüpfend an die sog. Country-by-Country-Report-Pflichten – multinationale Unternehmensgruppen mit einem konsolidierten Gruppenumsatz von mehr als 750 Mio. t. Es werden zwei Regelungskomplexe, die sog. Income Inclusion Rule (IIR) sowie die sog. Undertaxed Payments Rule (UTPR), vorgeschlagen. Beide werden gemeinsam als sog. Global anti-Base Erosion Rules (GloBE) bezeichnet. Ziel ist es, eine Besteuerung der Gewinne in allen Ländern, in denen die betroffenen Unternehmen tätig sind, mit einem effektiven Steuersatz von 15 % sicherzustellen. Über die IIR soll dies durch eine Art Hinzurechnungsbesteuerung („Top-Up Tax“) bei der Konzernobergesellschaft verwirklicht werden. Dabei kommt es nicht auf die Art der niedrigbesteuerten Einkünfte (aktive oder passive Einkünfte) an. Sollte die Konzernobergesellschaft keiner IIR unterfallen, greifen die UTPR mit dem Ziel, die Besteuerung auf der Ebene solcher nachgelagerter Konzerngesellschaften, die eine UTPR implementiert haben (sog. UTPR-Jurisdiktionen), sicherzustellen. Zwischen diesen Staaten soll die Zusatzsteuer formelhaft nach Mitarbeiterzahl und dem Netto-Buchwert der materiellen Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden.47 Da sich die Ampelkoalition steuerpolitisch uneingeschränkt für die Einführung einer globalen Mindeststeuer entschieden hat, sollte sie international darauf hinwirken, dass in möglichst vielen Staaten aufeinander abgestimmte, einheitliche Regelungen gelten (Gedanke des sog. level playing field). Auch hier steckt wieder der Teufel im Detail. Konsequenterweise sollte die neue Bundesregierung sich Sonderwegen, z.B. einer EU-weiten oder gar nationalen Digitalsteuer, verschließen.48 Dringender Handlungsbedarf besteht in diesem Zusammenhang bei der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG. Angesichts der weltweit gesunkenen Unternehmensteuersätze ist eine 25%ige Schwelle zur Kennzeich45 Siehe zuletzt OECD/G20 BEPS Project, Tax Challenges Arising from the Digitalisation of Economy Global Anti-Base Erosion Model Rules (Pillar Two) – Inclusive Framework on BEPS (veröffentlicht am 20.12.2021); dazu ausführlich Schwarz, IStR 2022, 37. 46 EU-Kommission v. 22.12.2021, COM(2021) 823 final (Proposal for a Council Directive on ensuring a global minimum level on taxation for multinational groups in the Union). 47 Zu Einzelheiten instruktiv Schwarz, IStR 2022, 37 (44 ff.). 48 Ebenso Kaeser/Wünnemann, DStR, 2022, 1 (4).

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nung einer Niedrigbesteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG) schon seit geraumer Zeit anachronistisch. Sie ist auch unabhängig von der Frage der Einführung einer globalen Mindeststeuer auf 15 % abzusenken. Mit der Implementierung der GloBE-Regelungen in das nationale Recht bedarf es darüber hinaus einer grundlegenden AStG-Reform, damit die betroffenen Unternehmen nicht mit parallel wirkenden, unterschiedlichen Hinzurechnungsregimen konfrontiert werden. c) Option zur Körperschaftsteuer, Thesaurierungsbegünstigung Die Ampelkoalition will die gerade erst in Kraft getretene Regelung des § 1a KStG49 über die Möglichkeit einer Option der Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaften zur Körperschaftsteuer evaluieren. Das ergibt Sinn. Auf den Prüfstand gehört zugleich aber auch die nur von wenigen Steuerpflichtigen (der „Elite der besonders ertragstarken Personenunternehmen“50) genutzte Begünstigung nicht entnommener Gewinne nach § 34a EStG.51 Diese besitzt einen weiteren Anwendungsbereich als § 1a KStG und umfasst auch Einzelunternehmer und jegliche Mitunternehmer.52 Daher wird sie aufgrund § 1a KStG nicht obsolet. Sie sollte mit der gerade erst eingeführten Regelung des § 1a KStG abgestimmt werden. Die zumeist unattraktive pauschale Nachversteuerung in Höhe von 25 % wäre zugunsten einer dem Teileinkünfteverfahren unterfallenden, individuellen Steuerbelastung zu überdenken. Ebenso müssen Rechtsformwechsel und Einbringung ohne Nachversteuerung nach § 34a Abs. 6 EStG ermöglicht werden. Im Zusammenhang mit der Option nach § 1a KStG sollte die Behandlung des Sonderbetriebsvermögens überdacht werden. Generell stellt sich die Frage nach dem Sinn und der Zukunft des Sonderbetriebsvermögens. Wer die zivilrechtliche Verselbständigung von nach außen hin am Markt agierenden Personengesellschaften53 auch im Steuerrecht ernst nimmt, muss sich nach der Existenzberechtigung des 49 Eingeführt durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. 50 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 8.828. 51 Eingeführt durch das Unternehmensteuerreformgesetz v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912 (1919 f.). 52 Zu den Mängeln der Vorschrift s. Wacker, DStR 2019, 585; Köster/Kettler, FR 2020, 19; Hey, Belastung thesaurierender Personenunternehmen, 2020 (Gutachten Stiftung Familienunternehmen). 53 Den Abschluss der gesellschaftsrechtlichen Entwicklung bildet das noch in der 19. Legislaturperiode beschlossene Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436.

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Rechtsinstituts „Sonderbetriebsvermögen“ fragen. Den berechtigten Interessen der Mitunternehmer, bei Aufgabe der Kategorie des Sonderbetriebsvermögens plötzlich nicht unvermittelt stille Reserven versteuern zu müssen, ließe sich durch die gesetzliche Möglichkeit einer optionalen Weiterführung als „ruhendes Sonderbetriebsvermögen“ entsprechen. Auf längere Sicht würden sich eine Fülle der mit dem Sonderbetriebsvermögen verbundenen Probleme (nicht zuletzt auch im Hinblick auf seine Behandlung im internationalen Steuerrecht) erledigen. d) Vereinheitlichung der Gewinneinkunftsarten Keinerlei Anstoß nimmt der Ampel-Koalitionsvertrag am tradierten Einkünftedualismus des § 2 Abs. 2 EStG und der überkommenen Einteilung der Gewinneinkunftsarten des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG. Alle Beteiligten haben sich offenbar an den nicht rechtssystematisch fundierten, sondern lediglich tradierten Einkünftehistorismus54 gewöhnt. Gerade bei den Gewinneinkünften führt das „Einkunftsarten-Kästchendenken“ zu einer Fülle von überflüssigen, streitanfälligen Abgrenzungsfällen.55 Der historische Gesetzgeber ging von bestimmten unterschiedlichen Berufsbildern (Berufstypen) aus. Als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) kategorisiert er Erträge des zur Urproduktion genutzten Grund und Bodens; bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) soll der Einsatz der eigenen Arbeitskraft, nicht der Einsatz von Kapital (Produktionsmittel) im Vordergrund stehen.56 Allerdings lassen sich derartige Unterscheidungen in einer dynamischen, vom Tätigkeitswandel und dem Entstehen neuer Berufsbilder geprägten digitalisierten Arbeits- und Lebenswelt nicht widerspruchsfrei aufrecht erhalten.57 Die Einkünfte im Sinne der §§ 13, 15, 18 EStG sind das Ergebnis unternehmerischen Handelns, dabei jeweils mehr oder weniger durch Einsatz von Kapital, Fremdmitteln, eigener Arbeitskraft, Intellektualität, Geschick und Glück. Am Maßstab des steuerlichen Belastungsgrunds der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit kommt es auf solche Unterscheidungen indessen schlechterdings nicht an. Daher würde die Zu-

54 So bereits krit. J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, 222 ff. 55 Siehe nur die ABC der Gewerbebetriebe und freien Berufe bei Wacker in Schmidt, EStG40, § 15 Rz. 150, § 18 Rz. 60 ff. 56 Zur Typologie der Gewinneinkünfte s. Seer in Kirchhof/Seer, EStG21, § 2 Rz. 46 ff. 57 Siehe nur Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2003, 696 f.

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sammenfassung der Gewinneinkünfte zu einer einzigen Einkunftsart der unternehmerischen Einkünfte sowohl gleichheitswidrige Ergebnisse vermeiden als auch zur deutlichen Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes beitragen.58 Die Möglichkeit einer vereinfachenden Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG sollte zudem Gewerbebetreibenden nicht minder zustehen als Freiberuflern. Um hier zumindest eine Annäherung zu erreichen, könnten die Bilanz-Schwellenwerte der Umsatzerlöse und des Jahresüberschusses der §§ 241a HGB, 141 AO deutlich angehoben werden, um zu der von der Ampelkoalition angestrebten Verringerung von Bürokratielasten beizutragen. e) Kommunale Unternehmensteuer Das Einkunftsarten-Kästchendenken pflanzt sich in Gestalt der Gewerbesteuer fort. Ihre Willkürlichkeit wird durch die Steuerermäßigung im Sinne des § 35 EStG nur kaschiert. Die Steuerermäßigung nach § 35 EStG ist eine Verlegenheitslösung (Kitt- oder Ausgleichsmasse), um die Verfassungswidrigkeit der Gewerbesteuer als willkürliche steuerliche Zusatzbelastung Gewerbetreibender zu vermeiden.59 Unverändert steht die Umwandlung der Gewerbesteuer in eine deutlich verbreiterte, allgemeine kommunale Unternehmensteuer aus. Dazu bietet sich nach wie vor der Vorschlag eines sog. 4-Säulen-Modells der Kommission „Steuergesetzbuch“ der Stiftung Marktwirtschaft an.60 Dadurch könnte die finanzielle Abhängigkeit einzelner Kommunen von bestimmten Großunternehmen verringert und das kommunale Steueraufkommen verbreitert und verstetigt werden. Die Steuerpolitik wagt sich aber nicht mehr an das „heiße Eisen“.61 Kommunalpolitiker erkennen die langfristigen Vorteile einer grundlegenden Strukturreform nicht, sondern halten lieber an einem scheinbar bewährten System fest. Daran wird sich auch in der 20. Legislaturperiode wohl nichts ändern. Die im internationalen Vergleich weitgehend einzigartige deutsche Gewerbesteuer bleibt damit

58 59 60 61

Seer in Kirchhof/Seer, EStG21, § 2 Rz. 50. Hey, FR 2001, 870. Lang/Eilfort, Strukturreform der deutschen Ertragsteuern, 2013, 426 ff. Den letzten ernsthaften Versuch einer Gewerbesteuerreform unternahm der damalige Bundesfinanzminister Schäuble im März 2010 durch Berufung einer Gemeindefinanzreform-Kommission. Die von CDU/CSU und FDP damals eingesetzte Kommission von Bund, Länder und Kommunalverbänden konnte sich auf keinen gemeinsamen Vorschlag einigen.

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weiterhin der Hauptstörfaktor eines in sich stimmigen, im internationalen Steuerwettbewerb bestehenden Unternehmensteuerrechts. f) Verlustabzug Die von der Ampelkoalition für die Veranlagungszeiträume 2022 und 2023 beabsichtigte Verlängerung des erweiterten Verlustrücktrags von 5 Mio. t/10 Mio. t bei Zusammenveranlagung ist ebenso begrüßenswert wie die Idee der Erweiterung des Rücktragszeitraums auf zwei Jahre. Allerdings sollten die interperiodischen Verlustabzugsbedingungen nicht nur befristet für 2022 und 2023, sondern dauerhaft verbessert werden.62 Zudem bleibt zu fragen, warum zu Lasten der betroffenen Unternehmen gem. § 10a GewStG ein Verlustrücktrag bei der Gewerbesteuer – anders als bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer – gänzlich ausgeschlossen bleibt. Darüber hinaus sind die restriktiven Bedingungen für den Abzug vorgetragener Verluste nach §§ 10d Abs. 2 EStG, 10a GewStG (sog. Mindestbesteuerung) zu lockern. Zwar hat der BFH die Mindestbesteuerung als noch verfassungskonform gebilligt.63 Seit zehn Jahren (!) ist vor dem BVerfG dagegen aber noch eine Verfassungsbeschwerde anhängig, über die das BVerfG bis heute nicht entschieden hat.64 Es ist den Unternehmen zu wünschen, hinsichtlich der Zulässigkeit der Mindestbesteuerung endgültig Klarheit zu gewinnen. Dasselbe gilt für die vor dem BVerfG zur Disposition stehenden Verlustabzugsbeschränkungen der §§ 8c, 8d KStG,65 die Zinsschranke nach § 4h EStG66 und den Rechnungszinsfuß des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG.67 Während sich die Ampelkoalition im Hinblick auf die sog. Mindestbesteuerung in vornehmer Zurückhaltung übt, will sie – ohne den Ausgang des Normenkontrollverfahrens vor dem BVerfG abzuwarten – die Zinsschranke des § 4h EStG um eine sog. Zinshöhenschranke ergänzen. Warum hier – über Art. 4 der sog. ATAD-Richtlinie 2016/1164/EU v. 12.7.201668 hinausgehend – ein 62 Ebenso Thörmer/Bockstahler, BB 2022, 158 f. 63 BFH v. 22.8.2012 – I R 9/11, BStBl. II 2013, 512 = FR 2013, 213 m. Anm. Hallerbach = GmbHR 2013, 52. 64 2 BvR 2998/12. 65 Vorlage des FG Hamburg v. 29.8.2017 – 2 K 245/17, FR 2017, 1134 m. Anm. Suchanek = EFG 2017, 1906 (BVerfG-Az.: 2 BvL 19/17). 66 Vorlage des BFH v. 14.10.2015 – I R 20/15, BStBl. II 2017, 1240 = FR 2016, 416 = GmbHR 2016, 300 m. Anm. Wiese (BVerfG-Az.: 2 BvL 1/16). 67 Vorlage des FG Köln v. 12.10.2017 – 10 K 977/17, FR 2018, 24 = EFG 2018, 287 (BVerfG-Az.: 2 BvL 22/17). 68 ABl. EU 2016, L 193/1 v. 19.7.2016.

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akuter Anlass zur weiteren Missbrauchsbekämpfung bestehen soll, erschließt sich nicht. Stattdessen sollte im Zuge der globalen Mindestbesteuerung (GloBE) kritisch überdacht werden, ob und in welchem Umfang es dann überhaupt noch einer besonderen Zins- und Lizenzschranke im Sinne der §§ 4h, 4i EStG bedarf. g) Superabschreibung Schließlich lockt die Ampelkoalition mit der Aussicht auf eine auf die Veranlagungszeiträume 2022 und 2023 beschränkte sog. Super-Abschreibung für Investitionen in den Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter. Es soll sich dabei wohl nicht bloß um eine Sonderabschreibung bzw. erhöhte Abschreibung im Sinne des § 7a EStG handeln.69 Vielmehr soll die Abschreibung offenbar über die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts hinausgehen. Dadurch erhält sie letztlich einen subventiven Zulagencharakter und tritt ergänzend zu der bereits existierenden sog. Forschungszulage70 hinzu. Es darf erwartet werden, dass die Super-AfA entsprechende Investitionen innerhalb des genannten Zeitraums anreizen wird.71 Allerdings sind nicht unerhebliche Mitnahmeeffekte zu vergegenwärtigen. Zudem wird die Abgrenzung, welche Investitionen und Wirtschaftsgüter konkret förderungswürdig sind, nicht leicht fallen.72

2. Einkommensteuer a) Tarifreform Nicht anders als bei der Unternehmensbesteuerung fehlt es bei der Einkommensteuer am grundlegenden Reformwillen der aktuellen Steuerpolitik. Die Ampelkoalition versucht sich weder an einer Reform der Bemessungsgrundlage noch an einer Tarifreform. Zumindest letztere wäre in Zeiten deutlich gestiegener Inflation überfällig. Das deutsche Einkommensteuergesetz enthält seit 1955 anstelle eines Stufentarifs einen

69 Auf die unklare Beschreibung im Koalitionsvertrag machen zu Recht Thörmer/Bockstahler, BB 2022, 158 (159) aufmerksam. 70 Forschungszulagengesetz v. 14.12.2019, BGBl. I 2019, 2763. 71 Siehe auch die Einschätzung aus ökonomischer Sicht von Sureth-Sloane, 81. Berliner Steuergespräch, 24.1.2022, FR 2022, 325 f. 72 Berechtigte Bedenken bei Kaeser/Wünnemann, DStR 2022, 1 (2 f.).

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progressiven Formeltarif.73 Die damit verbundene Umverteilung ist opfertheoretisch mit einer überproportionalen Steigerung der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei steigendem Einkommen begründet worden.74 Diesem opfertheoretischen Ansatz entsprach der Einkommensteuertarif 1958, der darauf angelegt war, annähernd 95 % aller zu besteuernden Personen zum Proportionalsatz von damals 20 % zu besteuern.75 Nur die bestverdienenden 5 % der Steuerpflichtigen sollten überhaupt der progressiven Besteuerung unterfallen. Demgemäß setzte die obere Proportionalzone (allerdings zu einem Spitzensteuersatz von 53 %) mit 110.040 DM bei einer Größenordnung an, die dem 21-fachen(!) des Durchschnittseinkommens entsprach.76 Demgegenüber wird die erste obere Proportionalzone heute bei 58.597 t (allerdings bei 42 %) erreicht, was lediglich das ca. 1,5-fache des Durchschnittseinkommens ausmacht.77 Die nach § 32a Abs. 1 EStG bereits mit 9.985 t zu versteuerndem Jahreseinkommen (Ledige) bei 14 % einsetzende, bis 58.596 t zu versteuerndes Jahreseinkommen (Ledige) bis auf 42 % steigende Progression hat mit einem abnehmenden Grenznutzen bei gestiegenem Einkommen schlechterdings nichts (mehr) zu tun. Gerade die vielzitierte arbeitende Bevölkerung, deren Leistung „Respekt“ verdient,78 hätte einen „steuerlichen Respekt“ durch eine abgeflachte, deutlich weiter nach hinten verschobene Progression verdient. In der genannten Progressionszone kumuliert die progressive Lohnsteuer mit den proportionalen Steigerungen der Arbeitnehmer-Beiträge zur Sozialversicherung, ohne dass in diesem Bereich die Beitragsbemessungsgrenzen erreicht wären.79 Ein wesentlicher Grund für die heutige, nicht überzeugende Tarifstruktur ist die durch die Inflation eingetretene „heimliche“ („kalte“) Steuerprogression, die in der Vergangenheit steuerpolitisch einfach hingenom-

73 Zur Rechtsentwicklung s. Siegel in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 32a Anm. 2 ff. (Feb. 2021). 74 Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, 1970, 177 f. 75 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts, BTDrucks. 3/260, 37, 43. 76 Esser, Die neuen Einkommensteuertarife 2000 bis 2005, ifst-Schrift Nr. 383, 2000, 19. 77 Seer, StuW 2019, 212 (214). 78 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 65 f. 79 Die Beitragsbemessungsgrenze der GKV beträgt 2022 unverändert 58.050 t, die der GRV 84.600 t (West) bzw. 80.400 t (Ost).

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men worden war.80 Erst in den letzten Jahren hat sich der Gesetzgeber des Problems angenommen und den in § 32a Abs. 1 EStG abgebildeten Tarif seit dem Veranlagungszeitraum 2016 jährlich der Inflationsrate entsprechend nach hinten verschoben.81 Nach wie vor steht aber die Forderung im Raum, ausländischen Vorbildern zu folgen und den Steuertarif automatisch der Inflationsrate anzupassen.82 Zudem sollte der Inflationsschutz sich nicht auf den Tarif beschränken, sondern durch entsprechende Anpassungen zumindest solche Freibeträge erfassen, die unzweifelhaft dem Fiskalzweck dienen und keine Steuervergünstigungen enthalten.83 b) Abgeltungsteuer Die Ampelkoalition will den Sparer-Pauschbetrag84 auf 1.000 t/2.000 t bei Zusammenveranlagung erhöhen, an der Abgeltungsteuer aber offenbar festhalten. Nach Einführung eines mit einer Vielzahl von Staaten geltenden grenzüberschreitenden Informationsaustauschs über Finanzkontendaten auf der Grundlage des seit dem 1.1.2017 geltenden OECDMeldestandards85 ist die bei Einführung der Abgeltungsteuer angeführte Rechtfertigung der Eindämmung der Kapitalflucht86 im Wesentlichen entfallen. Da ohne eine gleichzeitige Verlagerung von Wohnsitz und ge80 Dazu bereits krit. v. Arnim, BB 1973, 621 (622); aus jüngerer Zeit s. Houben, DStJG Bd. 37 (2014), 321 (323 f.); Djanani/Grossmann, StuW 2015, 33 (34). 81 Gesetz v. 16.7.2015, BGBl. I 2015, 1202 (1203 f.); Gesetz v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000 (3010 u. 3012); Gesetz v. 29.11.2018, BGBl. I 2018, 2210 f.; Gesetz v. 1.12.2020, BGBl. I 2020, 2616 u. 2617. 82 Siehe nur Stern, DStZ 2003, 294: Der Steuertarif gehört „auf Räder“; zum USamerikanischen Vorbild s. Seer, RIW 2001, 664 (665). 83 Seer, StuW 2019, 212 (215); zur „heimlichen“ Steuererhöhung durch Einfrieren von Freibeträgen s. Djanani/Grossmann, StuW 2015, 33 (50 f.). 84 Der gesetzliche Begriff „Pauschbetrag“ ist dabei fehlleitend. Tatsächlich handelt es sich nur um einen Freibetrag, weil der Nachweis tatsächlich höherer Werbungskosten nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbs. 2 EStG ausgeschlossen ist. 85 Siehe Multilateral Competent Authority Agreement (MCAA 1) v. 29.10.2014, in das deutsche Recht umgesetzt durch Ges. v. 21.12.2015, BGBl. II 2015, 1630 (mittlerweile 120 Unterzeichnerstaaten, Stand 25.9.2021, s. Signatories of the CRS Multilateral Competent Authority Agreement (oecd.org); innerhalb der EU: RL 2014/107/EU v. 9.12.2014, ABl. EU 2014 Nr. L 159/1 („DAC 2“); aus nationaler deutscher Sicht s. Finanzkonteninformationsaustauschgesetz (FKAustG) v. 21.12.2015, BGBl. I 2015, 2531, zuletzt geändert durch Ges. v. 25.6.2021, BGBl. I 2056 (2062 f.). 86 Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 52 (Anreizwirkung einer anonymen Abgeltungsteuer zur Inlandspatriierung von privatem Kapitalvermögen).

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wöhnlichem Aufenthalt die bloße Verlagerung von Kapital in das Ausland nichts an der inländischen (unbeschränkten) Einkommensteuerpflicht ändert, bedarf es zur Sicherung des Steuersubstrats keiner Abgeltungsteuer. Geblieben ist nur eine systemfremde Durchbrechung des Prinzips der synthetischen Einkommensteuer („Schedulenbesteuerung“), die in Gestalt eines komplexen Regelungsregimes zu mannigfaltigen Abgrenzungsproblemen gerade auch im Zusammenhang mit der Unternehmensbesteuerung führt. Die Sonderbehandlung der Kapitaleinkünfte beschränkt sich dabei nicht auf den Steuertarif, sondern erstreckt sich durch die massive Einschränkung des Werbungskostenabzugs und des Verlustausgleichs87 auch auf die Bemessungsgrundlage mit einer Verletzung des objektiven Nettoprinzips.88 Das demgegenüber gern vorgebrachte Argument der Steuervereinfachung vermag angesichts der komplexen Regelungen und Rückausnahmen zur Abgeltungsteuer nicht zu überzeugen. Ebenso wenig ist die Abgeltungsteuer geeignet, auf typisierende Weise die Inflationsanfälligkeit des Kapitalvermögens entlastend abzubilden.89 Dazu bedürfte es vielmehr eines an die Inflationsrate gekoppelten prozentualen Freibetrags, der zu einem der Steuervereinfachung dienenden Werbungskosten-Pauschbetrag hinzukommen müsste.90 Mit dieser Maßgabe ist die Rückkehr zur synthetischen Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen unter Anwendung des allgemeinen (progressiven) Einkommensteuertarifs zu befürworten. c) Immobilieneinkünfte Hinsichtlich der Besteuerung von Immobilieneinkünften darf erwartet werden, dass die neue Bundesregierung über die in § 7b EStG mit Wirkung v. 9.8.2019 eingeführte Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau91 hinaus zur Erreichung der angestrebten Klimaziele zusätzliche Abschreibungsmöglichkeiten für die energetische Sanierung bereits be87 Zur willkürlichen Beschränkung sogar des horizontalen Verlustausgleichs in Gestaltung der Sonderbehandlung von Verlusten aus Aktienverkäufen s. zuletzt überzeugend der Vorlagebeschluss des BFH v. 17.11.2020 – VIII R 11/18, BStBl. II 2021, 562 = FR 2021, 840 m. Anm. Kanzler = ZIP 2021, 1498 (BVerfGAz.: 2 BvL 3/21). 88 Zu den Mängeln der Abgeltungsteuer s. die Zusammenfassung von Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 8.504 ff. m.w.N. 89 Überzeugend bereits Englisch, StuW 2007, 221 (228 f.). 90 Zum Inflationsproblem s. Seer, StuW 2019, 212 (215 f.). 91 Gesetz zur Förderung des Mietwohnungsbaus v. 4.8.2019, BGBl. I 2019, 1122.

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stehender Wohnimmobilien schafft. Allerdings hat sich der Koalitionsvertrag dazu nicht eindeutig positioniert. Dasselbe gilt für die im Gegenzug vorstellbare erweiterte Besteuerung von Veräußerungsgewinnen. Während mit Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 die Kapitaleinkünfte durch eine deutliche Erweiterung des Katalogs des § 20 Abs. 2 EStG auch auf Veräußerungsgewinne ausgedehnt worden sind, beschränken sich die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG nach wie vor auf die quellentheoretisch fundierten laufenden Miet-/Pachterträge.92 Die Veräußerung der Vermögenssubstanz vermieteter Immobilien ist nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur innerhalb einer Haltedauer von max. 10 Jahren steuerbar. Mit Blick auf die vollständige Erfassung von Veräußerungsgewinnen bei den Gewinneinkunftsarten i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG und des Kapitalvermögens nach § 20 Abs. 2 EStG ist es nicht zu rechtfertigen, außerhalb der Haltedauer von 10 Jahren realisierte Gewinne aus der Veräußerung vermieteter/verpachteter Grundstücke unbesteuert zu lassen. Das Problem, dadurch inflationsbedingte Scheingewinne zu besteuern, beschränkt sich auf den Saldo zwischen den Grundstückswerten und den damit verbundenen Schulden und unterscheidet sich nicht gegenüber der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen im betrieblichen Bereich.93 Allerdings wäre eine – der Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG entsprechende – Regelung zumindest für die Fälle einer zeitnahen Ersatzbeschaffung vorzusehen. Wird der Veräußerungstatbestand sachgerechterweise in den Einkunftstatbestand des § 21 EStG integriert, stellt sich schließlich die Frage, ob es bei der kurzen Veräußerungsfrist von einem Jahr bei dem auf andere Wirtschaftsgüter sich beziehenden Veräußerungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bleiben kann. d) Familienbesteuerung Unter besonderem Reformdruck steht das Ehegattensplitting des § 32a Abs. 5 EStG. Es wird als „Fossil der Familienpolitik“94 mit erwerbshemmenden und frauenfeindlichen Effekten95 gebrandmarkt. Nüchtern be92 Zur sog. Quellentheorie s. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 8.50. 93 Seer, StuW 2019, 212 (216 f.), m.w.N. 94 So das Handelsblatt v. 27.1.2022 Nr. 19, S. 14 f. unter Hinweis auf eine Studie von Becker im Auftrag der Bertelsmann Stiftung; zuvor bereits Englisch/Becker, Reformbedarf und Reformoptionen beim Ehegattensplitting, ifst-Schrift Nr. 510, 2016. 95 Aus dem Gender-Blickwinkel vor allem Sacksofsky, NJW 2000, 1896; Sacksofsky, FR 2010, 119 (121); Vollmer, Das Ehegattensplitting: Eine verfassungs-

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trachtet geht es beim Ehegattensplitting allerdings nur darum, der mit der Zusammenveranlagung nach § 26b EStG verbundenen Progressionssteigerung zu begegnen. Die Ehegatten haben das Wahlrecht zwischen Einzelveranlagung (§ 26a EStG) und Zusammenveranlagung (§ 26b EStG), so dass es eine freiwillige Entscheidung der Ehepartner darstellt, eine Zusammenveranlagung (und damit verbunden den Splittingtarif) zu wählen. Es wäre auch nicht damit getan, Zusammenveranlagung und Ehegattensplitting einfach abzuschaffen. Nicht nur bei Getrenntleben (bzw. im Scheidungsfall) sind sich die Ehegatten gem. § 1361 BGB, §§ 1569 ff. BGB gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet. Vielmehr besteht erst recht nach § 1360 BGB innerhalb einer intakten Ehe eine gesetzliche Unterhaltsgemeinschaft („Verpflichtung zum Familienunterhalt“), bei der der jeweils besser verdienende Ehegatte den anderen Ehegatten angemessen an seinem Einkommen zu partizipieren lassen hat. Vor diesem Hintergrund lässt sich das Ehegattensplitting als typisierendes (pauschalierendes) Realsplitting rechtfertigen.96 Umstritten ist aber, ob der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet ist, immer den nach zivilrechtlichen Maßstäben „angemessenen“ Unterhalt bei dem unterhaltsverpflichteten Ehegatten abzuziehen.97 Im Zusammenhang mit dem Kindesunterhalt hat das BVerfG nur die Freistellung des existenzsichernden Unterhalts (s. Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG) gefordert.98 Folgt man dem auch für den Ehegatten-Unterhalt, wäre es dem Gesetzgeber unbenommen, das Ehegattensplitting zumindest zu kappen.99 Unter der Berücksichtigung, dass die Progressionszone bei zusammenveranlagten Ehegatten bereits

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rechtliche Untersuchung der Einkommensbesteuerung von Eheleuten, Diss., 1998; Brosius-Gersdorf, Demografischer Familienwandel und Familienförderung, Habil. 2012, 500 ff.; Spangenberg, Mittelbare Diskriminierung im Einkommensteuerrecht, Diss. 2013, 109; dazu aber jüngst die empirische Untersuchung v. Chirvi, StuW 2021, 148. Siehe bereits Söhn, Festschrift K.Vogel, 2000, 639 (655 f.); Seer, Festschrift Kruse, 2001, 357 (366 ff.); s.a. Modrezejewski, Existenzsicherung in Ehe und Familie im Einkommensteuerrecht, 2018, 318 ff. Zum Streit s. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 8.75 f., m.w.N. BVerfG v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 = FR 1990, 449 (86 f.); v. 12.6.1990 – 1 BvL 72/86, BVerfGE 82, 198 = FR 1990, 448 (208); v. 10.11.1998 – 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 = FR 1999, 139 (260); v. 10.11.1998 – 2 BvR 1852/97 u.a., BVerfG v. 10.11.1998 – 2 BvR 1852/97, 2 BvR 1853/97, BVerfGE 99, 273 = FR 1999, 147 m. Anm. Kanzler (278); v. 10.11.1998 – 2 BvR 1220/93, BVerfGE 99, 268 = FR 1999, 145 (272). Englisch, DStJG Bd. 37 (2014), 159 (168 ff.).

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bei 117.192 t zu versteuerndem Einkommen endet, lässt sich das Ehegattensplitting als typisierende Abbildung der familienrechtlichen Unterhaltsgemeinschaft aber nach wie vor zumindest rechtfertigen.100 Sollten allerdings in der 20. Legislaturperiode wesentliche Veränderungen im Familienrecht z.B. in Gestalt eines über die Ehe hinausgehenden zivilrechtlichen Rechtsinstituts der Verantwortungsgemeinschaft101 vorgenommen werden, wird dies wohl auch zu einer Neuvermessung des Ehegattensplittings zwingen. Deshalb ist die bei der Beurteilung des Ehegattensplittings im Ampelkoalitionsvertrag an den Tag gelegte Zurückhaltung richtig. Zutreffend wird dort als das bestehende Erwerbshindernis nicht das Ehegattensplitting als solches, sondern die verfehlte Steuerklassenkombination III/V (s. § 38b Abs. 1 Nr. 3, 5 EStG) ausgemacht, die in der Tat zu einer Überbelastung des geringerverdienenden Ehegatten (allerdings zugunsten einer Unterbelastung des besserverdienenden Ehegatten) führt. Diese lohnsteuerrechtliche Wirkung wird regelmäßig leider unrichtigerweise mit dem Ehegattensplitting (nicht selten wider besseren Wissens) gleichgesetzt bzw. vermengt.102 Wie im Ampelkoalitionsvertrag angekündigt, sollen diese Steuerklassen zugunsten des sog. Faktorverfahrens (s. § 39f EStG) im Rahmen der dann wohl obligatorischen Steuerklasse IV aufgegeben werden. Mit dieser Maßnahme würde in der Tat das wesentliche, vor allem Ehefrauen diskriminierende steuerliche Erwerbshindernis beseitigt. Zukünftig würde sich die Lohnsteuer generell am Verhältnis des Ehegatteneinkommens am Gesamteinkommen orientieren und den geringerverdienenden Ehegatten (allerdings nun zulasten des besserverdienenden Ehegatten) ein deutlich höheres Nettoeinkommen belassen. Dies könnte sich dann ggf. auch anspruchserhöhend auf bestimmte Sozialleistungen zugunsten des geringerverdienenden Ehegatten (z.B. Arbeitslosengeld) positiv auswirken. Die Ampelkoalition plant die Einführung einer Kindergrundsicherung. Diese soll aus zwei Komponenten bestehen: Einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist, und einem vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten 100 Siehe zum ehelichen Halbteilungsgrundsatz Seer, Festschrift Kruse, 2001, 357 (363 ff.). Die dortigen Ausführungen sind auch nach mehr als 20 Jahren nicht überholt. 101 So die Ankündigung des neuen Justizministers Buschmann (FDP) vor dem Deutschen Bundestag v. 12.1.2022. 102 So auch wieder im Handelsblatt v. 27.1.2022 Nr. 19, S. 14 f. geschehen.

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Zusatzbetrag.103 Will der Gesetzgeber an der in § 31 EStG verankerten Verknüpfung von Kinderfreibeträgen und Kindergeld festhalten, bedarf es dann insoweit auch der steuerrechtlichen Anpassung. Auf Grundlage der BVerfG-Rspr.104 könnte nur dann auf die Kinderfreibeträge verzichtet werden, wenn die Kindergrundsicherung so hoch ist, dass diese das sozio-ökonomische Existenzminimum jedes Kindes quantitativ abdeckt. Andernfalls müssen weiterhin Umrechnungs- oder Anrechnungslösungen vorgenommen werden.105

3. Solidaritätszuschlag Ebenso wie zur Reform des Einkommensteuertarifs schweigt sich der Koalitionsvertrag über die Zukunft des Solidaritätszuschlags aus. Der Solidaritätszuschlag ist als eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer i.S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG eingeführt worden.106 Er sollte zur Deckung der hauptsächlich vom Bund zu tragenden Kosten der Vollendung der Einheit Deutschlands beitragen.107 Nach mehr als 25 Jahren hat sich dieser Finanzierungszweck mit dem Auslaufen des sog. Solidarpakts II und der Neuordnung des Finanzausgleichs zum 1.1.2020 erledigt. Mit der Beendigung des Solidarpaktes II und der Schaffung eines neuen Finanzausgleichs endete die Anknüpfung des Finanzausgleichs anhand der Zugehörigkeit zu den alten oder neuen Bundesländern. Ab 2020 erfolgt der Finanzausgleich anhand der Steuerkraft der Bundesländer, mithin hat sich der Bundesgesetzgeber für eine „Blindheit“ gegenüber der örtlichen Lage eines Bundeslands entschieden und allein auf die jeweilige Steuerkraft abgestellt. Dass der die ursprüngliche Einführung des SolZ 1995 rechtfertigende außergewöhnliche Finanzbedarf des Bundes spätestens mit Auslaufen des Solidarpakts II weggefallen ist, hat an sich auch der Gesetzgeber erkannt. Mit dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 v. 10.12.2019108 hat er die bisherige Freigrenze des § 3 Abs. 3 Satz 1 SolZG von bisher 972 t Einkommensteuer/Steuerpflichtigen auf 16.956 t Einkommensteuer/Steuerpflichtigen ab dem Veranlagungszeitraum 2021 103 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 100. 104 Nachw. in Fn. 98. 105 Zur berechtigten Kritik am derzeitigen System s. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 8.94 ff. 106 SolZG v. 23.6.1993, BGBl. I 1993, 944 (975). 107 BT-Drucks. 12/4401, 51. 108 BGBl. I 2019, 2115.

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deutlich ausgedehnt. Ziel dieser Maßnahme war es, rund 90 % aller Zahler des SolZ zur Lohnsteuer und veranlagten Einkommensteuer vom SolZ vollständig zu entlasten.109 Steuerpflichtige mit höheren Einkommensteuerbelastungen (ca. 10 % der Einkommensteuerzahler) sowie körperschaftsteuerpflichtige Subjekte werden damit nach wie vor in vollem Umfang durch den SolZ 1995 belastet. Die frühere Bundesregierung sah darin nur einen „ersten Schritt“ zum Abbau des SolZ 1995 zu Gunsten niedriger und mittlerer Einkommen,110 ohne den „zweiten Schritt“ zum vollständigen Abbau des SolZ 1995 auch zu Gunsten höherer Einkommen und Körperschaften zeitlich näher zu konkretisieren. Mit der Rückführung des SolZ ging es nicht mehr um die Finanzierung der den Bund besonders getroffenen Kosten der deutschen Wiedervereinigung, sondern schlicht um eine sozial- und steuerpolitische tarifäre Maßnahme.111 Die partielle Beibehaltung des SolZ ist letztlich nichts anderes als ein Äquivalent zur Erhöhung der Einkommensteuer. Ob ein solcher Funktionswechsel zu einer Art umverteilungspolitisch motivierten Reichensteuer mit der Funktion einer Ergänzungsabgabe i.S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG vereinbar ist, werden die Gerichte zu entscheiden haben.112 Unabhängig davon wäre es eine zur Transparenz und Ehrlichkeit beitragende, angesichts der gemeinsamen Finanzierungsaufgaben von Bund und Ländern vorzugswürdige Maßnahme, den SolZ vollständig abzuschaffen und stattdessen den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer anzuheben.

4. Erbschaft- und Schenkungsteuer Der Ampelkoalitionsvertrag enthält auch keine substanzielle Aussage zur Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die unterschiedlichen Auffassungen der Koalitionäre sind offenbar zu groß, um sich über eine grundlegende Reform zu einigen. Dass vor allem die hyperkomplexe Steuerverschonung der §§ 13a–13c ErbStG nicht rechtssicher anzuwenden ist und zudem unverändert gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, hat der Verfasser jüngst noch einmal ausführlich begründet.113 Zur Vermeidung von 109 BT-Drucks. 19/14103, 9. 110 So BT-Drucks. 19/14103, 1. 111 Klarsichtig Wernsmann, ZG 2020, 181 (187); G. Kirchhof, DB 2021, 1039 (1040). 112 Es sind eine Verfassungsbeschwerde unter 2 BvR 1421/19 vor dem BVerfG und eine Revision unter IX R 15/20 vor dem BFH anhängig. 113 Seer, StuW 2021, 111–130.

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Wiederholungen kann darauf verwiesen werden. Der Gesetzgeber sollte auf die sich mittlerweile über fünf Vorschriften mit insgesamt 35 Absätzen erstreckende Verschonungssubvention zugunsten einer allgemein wirkenden, deutlichen Abflachung des Steuertarifs (z.B. auf 10 %) verzichten.114 Der Kreis der verschonungswürdigen Unternehmen (Unternehmenserwerber) und der sachliche Umfang der Verschonungssubvention sind nicht sicher abzugrenzen. Die hypertroph-technokratische Ausgestaltung des Normengeflechts setzt zudem unternehmensfremde Fehlanreize und birgt die Steuerrisiken, die sich regelmäßig gerade zur Unzeit (z.B. in einer Unternehmenskrise) realisieren.

5. Umsatzsteuer a) Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs Bei der Umsatzsteuer setzt die Ampelkoalition auf eine wirksamere Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs. Ein Mittel der Wahl bleibt im Bereich der zwischenunternehmerischen Umsätze die Erweiterung des Reverse Charge-Verfahrens (umgekehrte Steuerschuldnerschaft). Zwar ist der mögliche Anwendungsbereich für die Einführung von ReverseCharge-Verfahren durch die EU-RL 2018/1695 v. 6.11.2018115 zur Bekämpfung des Steuerbetrugs weiter ausgedehnt worden (s. Art. 199–199c MwStSystRL). Mittlerweile kann auch ein einzelner Mitgliedstaat nach Art. 199b MwStSystRL über einen sog. Schnellreaktionsmechanismus eine Ausdehnung des Reverse-Charge-Verfahrens bei der EU-Kommission beantragen; das Verfahren auf nationaler Ebene richtet sich in Deutschland dann nach § 13b Abs. 10 UStG. Davon könnte die neue Bundesregierung bei begründetem Anlass Gebrauch machen. Zur Wahrung des Neutralitätsprinzips innerhalb des Europäischen Binnenmarkts bleibt es den einzelnen Mitgliedstaaten aber weiterhin verwehrt, generell für zwischenunternehmerische („B2B“) Umsätze das Verfahren der umgekehrten Steuerschuldnerschaft einzuführen. Um dieses System zu verallgemeinern,116 bedürfte es einer erneuten Initiative auf der EU-Ebene über

114 Eingehend der Reformvorschlag des Wiss. Arbeitskreis Steuerrecht des DWS Instituts der Steuerberater, Zukunft der Erbschaft- und Schenkungsteuer, 2015. 115 ABl. EU Nr. L 282/5 v. 12.11.2018. 116 So etwa die Forderung des BRH, Bericht v. 29.10.2020 über Maßnahmen zur Verbesserung der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung – Chancen der Digitalisierung nutzen, 19 ff.

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die EU-Kommission und schließlich eines nach Art. 113 AEUV einstimmig zu fassenden Beschlusses des Rats der EU. Um die verbliebenen Lücken zu schließen, fordert der Bundesrechnungshof vor allem auch eine umfassende technologische Aufrüstung der Finanzbehörden unter Einsatz der Blockchain-Technologie und einen grenzüberschreitenden digitalen Datenaustausch.117 Eine weitere Maßnahme könnte nach italienischem Vorbild in der obligatorischen Einführung von sog. E-Rechnungen, die einem besonderen X-Format folgen, liegen.118 Allerdings wären dazu sowohl unionsrechtliche als auch föderale Hürden zu überwinden. Zur Einführung einer E-Rechnungspflicht bedürfte die Bundesrepublik Deutschland (ebenso wie Italien) gem. Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL einer Sondergenehmigung des Rats der EU. Dazu müsste sie gem. Art. 395 Abs. 2 MwStSystRL einen Antrag bei der EU-Kommission stellen und darlegen, dass die Einführung der E-Rechnung geeignet ist, die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen/-umgehungen zu verhindern. Außerdem wäre auf nationaler Ebene eine zentrale Clearingstelle (z.B. beim BZSt.) zu errichten, bei der die E-Rechnungen eingehen und automatisch geprüft werden können. Das BZSt. wäre mit den Finanzämtern der Länder, die originär zuständig sind, datentechnisch zu verbinden, damit diese die zur Prüfung auffälliger Sachverhalte nötigen Informationen auf möglichst kurzem Weg erhalten.119 b) Überwindung der Sollbesteuerung Bei der Umsatzsteuer besteht grundsätzlich ein erheblicher Reformbedarf, der über die Bekämpfung des Steuerbetrugs hinausgeht. Der Staat partizipiert mit der Umsatzsteuer an der sich durch den Konsum typischerweise am Markt offenbarenden, wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Endverbrauchers, des sog. Steuerträgers, der in der Anonymität des Markts verbleibt.120 Die Steuerschuld ist dabei nur formaler Natur und dient der verwaltungseffizienten Absicherung des Staates, dem es prak117 BRH (Fn. 116), 23 ff., 37 ff. 118 FDP-Fraktion des Deutschen Bundestags, BT-Drucks. 19/26534 v. 9.2.2021; ausf. Artinger/Putz/Zugmaier, DStR 2021, 2273; für eine Kombination von E-Rechnungspflicht und Reverse Charge-Verfahren Ismer/Schwarz, MwStR 2019, 348 (354). 119 Siehe Artinger/Putz/Zugmaier, DStR 2021, 2073 (2079 f.). 120 So plastisch P. Kirchhof, in Handbuch des Staatsrechts, Bd. V3, 2007, § 118 Rz. 241.

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tisch unmöglich ist, die Umsatzsteuer direkt beim Konsumenten zu erheben.121 So formuliert auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) klarsichtig, dass Lieferer als „Steuereinnehmer für Rechnung des Staates und im Interesse der Staatskasse“ fungieren und die Mehrwertsteuer schulden, obwohl diese Verbrauchsteuer letztlich vom Endverbraucher getragen wird.122 Die Umsatzsteuerschuldnerschaft des Unternehmers besitzt damit einen überschießenden Inhalt. Es soll nicht die sich im Umsatz zeigende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens, sondern die eines dem Staat unbekannten Dritten abgeschöpft werden. Dazu wird der Unternehmer als Privatsubjekt in den Dienst genommen und erfüllt eine Inkassofunktion.123 Diesem Inkassoprinzip widerspricht der derzeit geltende Grundsatz der sog. Sollbesteuerung (Art. 63 MwStSystRL, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a i.V. mit § 16 Abs. 1 UStG), wonach eine Besteuerung bereits nach vereinbarten Entgelten (sog. Sollprinzip) erfolgt, es also auf den tatsächlichen Eingang des Entgelts nicht ankommt. Diese technische Ausgestaltung deformiert den Belastungsgrund der Umsatzsteuer. Der Unternehmer wird nicht nur zum Inkasso (zur Steuereinsammlung), sondern darüber hinaus auch zur Vorfinanzierung der Mehrwertsteuerschuld gezwungen. Umgekehrt setzt sich der Staat zugleich dem durch Betrug ausnutzbaren Risiko einer unberechtigten Vorsteuervergütung aus, indem er den Vorsteueranspruch ebenfalls von einem Zahlungsvorgang abkoppelt. Eine unverhältnismäßige Belastung des leistenden Unternehmers kann rechtlich nicht durch eine unverhältnismäßige Begünstigung des die Leistung in Anspruch nehmenden Unternehmers kompensiert werden. Das systemkonsequente Prinzip ist das an den Zahlungen anknüpfende Istprinzip, das nach Art. 66 MwStSystRL de lege lata aber nur im Ausnahmefall für bestimmte Umsätze vorgesehen werden kann. Es würde das Bedürfnis nach aufwendigen Umsatzsteuer-Berichtigungen i.S. des § 17 UStG (s. Art. 90 MwStSystRL) ebenso mindern wie die Möglichkeiten des Umsatzsteuerbetrugs durch einen Vorsteuerabzug ohne Steuerzahlung.

121 Siehe Klose, Die Begriffe des Unternehmers und des Steuerpflichtigen im deutschen und europäischen Umsatzsteuerrecht, Diss. 2000, 20. 122 So EuGH v. 20.10.1993 – C-10/92 (Balocchi), Rz. 25; v. 21.2.2008 – C-271/06 (Netto Supermarkt), Rz. 21. 123 Davon auszunehmen ist allerdings die Inanspruchnahme des Unternehmers für unentgeltliche Wertabgaben nach Art. 16, 26 MwStSystRL (§§ 3 Abs. 1b, 9a UStG), weil der Unternehmer insoweit ausnahmsweise als Endverbraucher direkt besteuert wird.

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c) Reduzierung der Steuersatzermäßigungen und Steuerbefreiungen Ein Fundamentalprinzip des Umsatzsteuerrechts ist außerdem das Prinzip der Wettbewerbsneutralität.124 Der EuGH hat das Neutralitätsprinzip in zwei Richtungen hin entfaltet.125 Zum einen ist der Unternehmer vollständig von der im Preis von Vorleistungen auf ihn überwälzten Umsatzsteuer zu entlasten; der Vorsteuerabzug i.S. des Art. 167 MwStSystRL (§ 15 Abs. 1 UStG) ist daher ein „integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer“.126 Zum anderen effektuiert der EuGH das Neutralitätsprinzip als Ausprägung des Grundsatzes der Wettbewerbsgleichheit.127 Dieses System wird im geltenden Umsatzsteuerrecht leider gleich in mehrfacher Hinsicht verkomplizierend und zugleich wettbewerbsbeeinträchtigend verlassen. Wir finden – grob unterteilt – mindestens drei Typen von Umsätzen: –

regelbesteuerte Umsätze mit vollem Vorsteuerabzug,



ermäßigt besteuerte Umsätze mit vollem Vorsteuerabzug und



steuerbefreite Umsätze mit Ausschluss des Vorsteuerabzugs.

Die sich daraus ergebenden Friktionen können in ihrer Fülle hier nicht dargelegt werden. Nur so viel: Es bedarf des Vehikels eines weiter verkomplizierenden, allerdings derzeit nur begrenzten Optionsrechts (Art. 137 MwStSystRL, § 9 UStG) und des an sich systemfremden Gestaltungsmittels der umsatzsteuerlichen Organschaft (Art. 11 MwStSystRL, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG), um aus unternehmerischer Sicht das Schlimmste zu verhindern.128 Die systemkonforme Lösung wäre ein einheitlicher Steuersatz bei uneingeschränktem Vorsteuerabzug. Man mag über Lebensmittel aus sozialpolitischen Gründen diskutieren, aber die Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände hat nur sehr wenig mit der steuerlichen Schonung eines existenzsichernden Lebensbedarfs zu tun.

124 Ausführlich zur Verankerung des Neutralitätsprinzips in den EG/EU-Richtlinien zur Mehrwertsteuer s. Zirkl, Die Neutralität der Umsatzsteuer als europäischen Besteuerungsprinzip, Diss. 2015, 135 ff. 125 Siehe Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 17.23. 126 So EuGH v. 30.9.2010 – C-392/09 (Uszodaepitö), Rz. 34; v. 28.7.2011 – C-274/10 (Kommission/Ungarn), Rz. 43. 127 Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 17.23. 128 Instruktiv zur „Reparaturfunktion“ des Instruments der Organschaft Stößel, Vorsteuerabzugsprobleme innerhalb von Konzernstrukturen, Diss. 2020, 217 ff., 295 ff.

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d) Umsatzsteuer-Anrufungsauskunft Die Möglichkeiten des nationalen Gesetzgebers zur systemkonformen, gleichzeitig steuervereinfachenden Ausgestaltung des Umsatzsteuergesetzes sind aufgrund der Vorgaben der sog. Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) begrenzt. Art. 66 MwStSystRL ermöglicht derzeit nur eine sektorale Abweichung vom Sollprinzip. Auch schreiben Art. 135, 136 MwStSystRL eine bestimmte Liste von Steuerbefreiungen bereits unionsrechtlich vor. Jedenfalls mit dem Katalog ermäßigter Steuersätze könnte der nationale Gesetzgeber aber bereits allein aufräumen. Außerdem könnte er autonom die dringend benötigte Steuerplanungssicherheit zugunsten der Unternehmen verfahrensrechtlich signifikant erhöhen. Materiell betrachtet entspricht die Position des Unternehmers als Steuerpflichtiger – wie gezeigt – der eines Steuerentrichtungspflichtigen im Sinne des § 43 Satz 2 AO, so dass ihm an sich eine mit § 42e EStG vergleichbare gebührenfreie Anrufungsauskunft offenstehen sollte.129 Dem Schuldnerrisiko des Unternehmers entspricht zudem ein handfestes wirtschaftliches Risiko. Eine einmal in einer Leistungsbeziehung zu niedrig oder gar nicht berechnete Umsatzsteuer erzeugt Folgeprobleme für die gesamte Leistungskette. Nachforderungsmöglichkeiten sind dem Unternehmer in der Regel nicht gegeben; dies gilt insbesondere im internationalen Leistungsverkehr. Er bleibt mithin auf etwaigen Nachforderungen des Finanzamts sitzen, muss diese also aus eigener Tasche bezahlen. Der Unternehmer bedarf daher nicht minder als ein Steuerentrichtungspflichtiger eines effizienten Überforderungsschutzinstruments. Die Möglichkeit einer verbindlichen Auskunft im Sinne des § 89 AO genügt nicht. Sie ist weitestgehend untauglich, weil der Unternehmer hier schnelle Antworten braucht, die im Rahmen einer verbindlichen Auskunft regelmäßig nicht gegeben werden. Hinzu kommt, dass die verbindliche Auskunft gebührenpflichtig und mit hohen formalen Hürden behaftet ist. Aufgrund der aufgezeigten Vergleichbarkeit der Problembereiche Lohn- und Umsatzsteuer sollte der Unternehmer aber weder durch formale Hürden noch durch Gebühren von seinem anerken129 Zum Bedürfnis nach einer Umsatzsteueranrufungsauskunft s. Seer/Hardeck, StuW 2016, 366 (368 f.); Wiss. Arbeitskreis Steuerrecht des DWS-Instituts der Steuerberater, Recht auf Information und Auskunft im Besteuerungsverfahren, 2017, 27 ff.; verfassungsrechtlich weiter fundiert von Weber, Die Zusage im Umsatzsteuerrecht, Diss. 2019, 108 ff. (s.a. Weber, UR 2018, 752); Reiners, Verfassungsrechtliche Legislativpflichten im Umsatzsteuerrecht – zum Erfordernis eines umsatzsteuerspezifischen Auskunftstatbestandes, Diss. 2021, 259 ff. (s.a. Reiners, UR 2021, 655).

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nenswerten Bestreben abgehalten werden, frühzeitig durch Nachfrage bei der Finanzbehörde die ordnungsgemäße umsatzsteuerliche Verbuchung seiner Umsätze sicherzustellen. Eine kostenlose Auskunftsmöglichkeit des Unternehmers erweist sich damit als eine Grundbedingung für ein entschädigungsloses Inkasso der Umsatzsteuer durch den Unternehmer und als ein (Mindest-)Ausgleich zur Erfüllung der dem Unternehmer auferlegten Pflichten und Risiken.130 Dem verfahrensrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip entspräche es, die Lohnsteueranrufungsauskunft um eine Umsatzsteueranrufungsauskunft zu erweitern und so den Unternehmer vor nicht kalkulierbaren Haftungsrisiken zu schützen. Umso verwunderlicher ist, dass sich die Bundesrepublik Deutschland nicht an dem von der EU-Kommission ins Leben gerufenen Cross-Border-Ruling (CBR)-Pilotprojekt beteiligt hat und dieses befördert.131 Danach kann der Unternehmer bei komplexen Transaktionen, die mindestens zwei Mitgliedstaaten betreffen, kostenfrei die Erteilung eines sog. Vorbescheids bei dem Mitgliedstaat beantragen, in dem er umsatzsteuerlich registriert ist.132 Die Schwäche der Konzeption besteht derzeit zwar noch darin, dass es bisher keinen Schiedsmechanismus bezüglich der Umsatzsteuer zwischen den Mitgliedstaaten gibt133 und daher nicht gewährleistet ist, dass sich die Mitgliedstaaten auf eine einheitliche Behandlung des grenzüberschreitenden Umsatzsteuerproblems einigen.134 Diese noch bestehende Schwäche bietet aber kein Argument gegen die

130 Wiss. Arbeitskreis Steuerrecht (Fn. 129), 28 f. 131 An dem Projekt beteiligen sich derzeit 18 EU-Mitgliedstaaten, wozu die Bundesrepublik Deutschland nicht gehört (s. https://ec.europa.eu/taxation_cus toms/taxation-1/value-added-tax-vat/vat-cross-border-rulings-cbr_de mit einer Liste der Mitgliedstaaten). 132 Zum Verfahren s. näher Lejeune/Vandenberghe/Van de Putte, International VAT Monitor 2014, 181 ff.; Korf, UVR 2015, 183 (185 f.). 133 Es gibt weder MwSt-DBA noch MwSt-Verständigungsverfahren. Die EUSchiedskonvention (RL 90/436/EWG) bezieht sich nur auf Streitfragen zur Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen bzw. ihren Betriebsstätten. Ein oder mehrere Mitgliedstaaten könnten nach Art. 398 Abs. 4 MwStSystRL ggf. den sog. Mehrwertsteuerausschuss anrufen. Dieser besitzt aber nur eine beratende Funktion. 134 Einen guten Überblick über Stärken und Schwächen der Regelung gibt die sog. SWOT (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats)-Analyse v. Lejeune/Vandenberghe/Van de Putte, International VAT Monitor 2014, 181 (184).

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Einführung einer Umsatzsteuer-Anrufungsauskunft, sondern beweist – ganz im Gegenteil – das drängende Bedürfnis nach diesem Instrument, um den sich zu Lasten der Unternehmen und Marktteilnehmer auswirkenden Rechtsunsicherheiten im EU-Binnenmarkt entgegenzuwirken. Haben die Mitgliedstaaten das Instrument einer USt-Anrufungsauskunft einmal eingeführt, ergibt sich in einem zweiten Schritt das weitergehende Bedürfnis nach einer Schiedskommission oder zumindest der Einführung einer USt-Verständigungsverfahrenspflicht. Eine ganz erhebliche Rechtsunsicherheit herrscht derzeit auch über die Reichweite der umsatzsteuerlichen Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Obwohl Art. 11 MwStSystRL nur eine Option zu einer in der MwStSystRL nicht näher definierten Gruppenbesteuerung enthält, zieht der EuGH den Mitgliedstaaten relativ enge Grenzen für deren Ausgestaltung.135 Angesichts der bestehenden Rechtsunsicherheiten und einer zwischen dem V. und XI. Senat (noch) nicht einheitlichen Rspr.136 besteht ein Bedürfnis nach einem konstitutiven Feststellungsverfahren.137 Dies gilt umso mehr, als die Rechtsfolgen der Organschaft nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht bei Vorliegen einer Organschaft zwingend kraft Gesetzes eintreten und der Unternehmer – anders als in anderen EU-Mitgliedstaaten – über kein Wahlrecht verfügt.

6. Grunderwerbsteuer Die Ampelkoalition möchte die Grunderwerbsteuer zugunsten der Länder über den Rahmen des Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG („Bestimmung des Steuersatzes“) hinaus weiter flexibilisieren138. Als Beispiel nennt sie im Koalitionsvertrag einen Freibetrag für den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums. Die Grunderwerbsteuer ist neben der Spielbankabgabe die einzige Steuerart, deren Aufkommen die Länder autonom bestimmen. Sie ist in den letzten Jahren durch einen „Steuererhöhungswettbewerb“ 135 EuGH v. 16.7.2015 – C-108/14 u.a. (Larentia+Minerva u. Marenave Schiffahrts AG); v. 15.4.2021 – C-868/19 (M-GmbH), ZIP 2021, 2020. 136 BFH v. 2.12.2015 – V R 25/13, BFHE 251, 534 = GmbHR 2016, 245 = ZIP 2016, 463; v. 19.1.2016 – XI R 38/12, BFHE 252, 516 = GmbHR 2016, 426 = ZIP 2016, 1378; Vorabentscheidungsersuchen BFH v. 11.12.2019 – XI R 16/18, BFHE 268, 240 = GmbHR 2020, 553 m. Anm. Scholz/Fetzer = ZIP 2020, 2240 (EuGH-Az. C 141/20 – NDG). 137 So auch Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht24, 2021, Rz. 17.61, 17.64, m.w.N. 138 Koalitionsvertrag 2021–2025 (Fn. 3), 92.

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zu einer wichtigen Landes-Einnahmequelle geworden139. Mit Ausnahme von Bayern und Sachsen gilt der in § 11 Abs. 1 GrEStG vorgesehene Steuersatz in Höhe von 3,5 % in den Ländern nicht mehr (Steuersätze in den anderen Bundesländern: 4,5–6,5 %). Die wesentliche Ursache für den beträchtlichen Steuersatzanstieg liegt vor allem in § 7 Abs. 1 Sätze 2–4 FAG, wonach die Grunderwerbsteuer nicht mit ihrem tatsächlichen Ertrag, sondern mit ihrer Steuerkraft in den Länderfinanzausgleich eingestellt wird. Nach der gelungenen Grunderwerbsteuerreform 1983 (Einführung einer breiten Bemessungsgrundlage mit einem niedrigen einheitlichen Steuersatz von 2 %)140 befindet sich die GrESt wieder auf dem Weg in ihren früheren Zustand der Rechtszersplitterung mit Freibeträgen und hohen Steuersätzen. Die Ampelkoalition nimmt erneut die sog. Share Deals in ihren Fokus, obwohl der Gesetzgeber zum Ende der 19. Legislaturperiode durch Gesetz v. 12.5.2021141 gerade erst insoweit die Besteuerung deutlich verschärft hat. Als die von den Koalitionären angenommene „Gegenfinanzierungsmaßnahme“ ist eine weitere Absenkung der Share-Deal-Grenze sicher kaum geeignet, weil sich die Gestaltungspraxis darauf einstellen und Steuermehreinnahmen weitgehend vermeiden wird. Wichtiger wäre es, die mit der gerade getroffenen, komplizierten Neuregelung verbundenen Probleme auszuloten142 und die eingetretenen überschießenden Wirkungen zu korrigieren. Zudem sollte über eine Steuersatzobergrenze nachgedacht werden, um den „Steuererhöhungswettlauf“ zu begrenzen.

7. Abgabenordnung a) Reform der Vollverzinsung Will die Ampelkoalition die Vollverzinsung des § 233a AO aufrecht erhalten, so hat sie zunächst den vom BVerfG mit Beschluss v. 8.7.2021143 formulierten Reparaturauftrag zu erfüllen. Danach hat der Gesetzgeber 139 Das Aufkommen der Grunderwerbsteuer hat sich innerhalb von 10 Jahren mehr als verdreifacht! Für das Jahr 2021 wird es auf ca. 18 Mrd. t geschätzt. 140 Grunderwerbsteuergesetz 1983 v. 17.12.1982, BGBl. I 1982, 1777. 141 BGBl. I 2021, 986. 142 Siehe etwa Happel, DStR 2021, 1193 (Teil I), 1272 (Teil II); Brühl, GmbHR 2021, 749; Förster/Mendling, DB 2021, 1974; Tappe, StuW 2021, 139; Saecker, NWB 2021, 2842. 143 BVerfG v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14 u.a., BVerfGE 158, 282 = HFR 2021, 922 m. Anm. Bopp.

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bis zum 31.7.2022 für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 (rückwirkend) eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen. Für diese Verzinsungszeiträume besteht derzeit eine Anwendungssperre.144 Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 AO derzeit nicht mehr anwenden und haben die Verfahren auszusetzen.145 Zwar billigt das BVerfG im Ausgangspunkt die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten eines einheitlichen, festen Zinssatzes, der sowohl für Nachzahlungs- als auch für Erstattungszinsen gilt. Es gewährt dem Gesetzgeber damit einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum.146 Der Gesetzgeber kann bei der Auswahl des Zinsgegenstands und der Bemessung des Zinssatzes typisierende, der Praktikabilität dienende vereinfachende Regelungen treffen. Jedoch bedarf die Zinsregelung als steuerliche Nebenleistung zur Wahrung der Belastungsgleichheit eines über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden, besonderen sachlichen Rechtfertigungsgrunds und muss grundsätzlich in der Lage sein, den mit ihm verfolgten Belastungsgrund realitätsgerecht abzubilden. Dienen die Zinsen allein dem Zweck eines Vorteilsausgleichs (wie das BVerfG zutreffend festgestellt hat), muss die Verzinsung nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen werden, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Zins abgegolten werden soll. Das BVerfG hat klar erkannt, dass die derzeit (kapitalmarktferne) Bemessung dieses Vorteils mit 0,5 % pro Monat diesen Anforderungen nicht mehr genügt und eine vom Zweck der Vollverzinsung nicht mehr gedeckte, überschießende Wirkung besitzt. Da der Gesetzgeber die Höhe des gewählten Zinssatzes nicht näher begründet hat, unterzieht sich das BVerfG der beträchtlichen Mühe, die für die Bemessung des Zinssatzes leitenden Kriterien durch eine Gesamtschau aller in der Gesetzgebungshistorie erkennbaren Motive und Erwägungen für die Bemessung der Zinshöhe zu gewinnen. Dabei besteht im144 BVerfG v. 8.7.2021 (Fn. 143), Rz. 253. 145 Zu den einzelnen Varianten s. BMF v. 17.9.2021 – IV A 3 - S 0338/19/ 10004:005 – DOK 2021/0957238, BStBl. I 2021, 1759: Nach § 239 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 AO i.V.m. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 4 AO ist die Festsetzung von Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen auszusetzen. Soweit dies verfahrensrechtsrechtlich möglich ist, gilt dies auch für Änderungs- oder Berichtigungsbescheide. Ausgenommen sind nur die vor Veröffentlichung der Entscheidung des BVerfG bereits endgültig (bestandskräftig) festgesetzten Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen (s. BMF v. 17.9.2021 – IV A 3 - S 0338/ 19/10004:005 – DOK 2021/0957238, BStBl. I 2021, 1759 [1761]; s.a. § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). 146 BVerfG v. 8.7.2021 (Fn. 143), Rz. 146.

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merhin eine gewisse Plausibilität, dass sich der historische Gesetzgeber ursprünglich am Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zzgl. eines Aufschlags von 2 Prozentpunkten orientiert hat.147 Mit Blick darauf erteilt das BVerfG Rechtfertigungsversuchen, den Zinssatz in Höhe von 0,5 % p.m. durch einen Vergleich mit Unternehmensrenditen oder speziellen Anlageformen (Aktien, Investmentfonds) eine deutliche Absage.148 Vielmehr hält es die Bezugnahme auf den heutigen Basiszins, der den Diskontsatz abgelöst hat, und die Marktzinsen unter Berücksichtigung der von der Vollverzinsung überwiegend betroffenen Steuerpflichtigen in ihrer Gesamtheit für sachgerecht, um den potentiell bei einer verspäteten Steuerzahlung entstehenden Vorteil kompensatorisch abzubilden.149 Den richtigen Maßstab erkennt das BVerfG – abweichend von der Bundesregierung – nicht vorrangig in Kreditzinssätzen und schon gar nicht in den Zinssätzen für Überziehungskredite oder private Konsumentenkredite,150 da dies die bedeutende Gruppe liquider Steuerschuldner vernachlässigen würde und daher dem Erfordernis einer realitätsgerechten Typisierung widerspräche.151 Um beiden bedeutenden Gruppen, den liquiden und nicht liquiden Steuerzahlern, Rechnung zu tragen, befürwortet das BVerfG vielmehr einen aus Anlage- und Kreditzins gebildeten Mittelwert.152 Unter Berücksichtigung des Umstands, dass von der Zinspflicht nach § 233a AO vorrangig Unternehmen und Selbständige betroffen sind, bewegte sich auch das Kreditzinsniveau bereits im Jahr 2014 nur noch max. zwischen 3 % und 3,5 % und wurde damit durch den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO normierten Zinssatz deutlich verfehlt.153 Da sich das Zinsniveau seitdem sogar noch weiter nach unten hin verändert hat, vermisst das BVerfG eine gesetzgeberische Überprüfung und Anpassung des Zinstatbestands aufgrund zwischenzeitlich evident veränderter tatsächlicher Verhältnisse.

147 BVerfG v. 8.7.2021 (Fn. 143), Rz. 166 ff., unter Auswertung der sorgfältigen historischen Analyse von Dust, Der Zinssatz im Steuerschuldverhältnis, Diss. 2019, 170 ff. 148 BVerfG v. 8.7.2021 (Fn. 143), Rz. 179 f.; zuvor bereits und in Bezug genommen Seer, StuW 2019, 212 (222). 149 BVerfG v. 8.7.2021 (Fn. 143), Rz. 184 ff. 150 So unrichtigerweise noch BFH v. 9.11.2017 – III R 10/16, BStBl. II 2018, 255 Rz. 25 = FR 2018, 478 m. Anm. Sonnleitner/Witfeld. 151 BVerfG v. 8.7.2021 (Fn. 143), Rz. 191, 212 f.; zuvor bereits und in Bezug genommen Seer, DB 2014, 1945 (1948). 152 BVerfG v. 8.7.2021 (Fn. 143), Rz. 189. 153 BVerfG v. 8.7.2021 (Fn. 143), Rz. 213.

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Bei der Neuregelung hat der Gesetzgeber zu berücksichtigen, dass es keinen allgemeingültigen Typus von Steuerschuldnern (und Erstattungsgläubigern) gibt. Bei nicht wenigen ist hinreichend liquides Eigenkapital vorhanden, um die Steuerschuld zu zahlen. Andere müssen sich ganz oder teilweise am Kapitalmarkt refinanzieren, um die Steuerschuld zu tilgen. Im Hinblick auf zu erwartende Steuererstattungen kann ebenso danach gefragt werden, ob dem Erstattungsgläubiger insoweit eine Kapitalanlage oder eine Tilgung eines Kredits verwehrt wird. Das Gros der Nachzahlungszinsen stammen aus Zinsfestsetzungen nach Außenprüfungen.154 Es macht daher Sinn, auf eine kurzfristige, ungesicherte Fremdfinanzierung durch ein Unternehmen zur Bildung einer Benchmark abzustellen. Die Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank weist in dem 10-Jahreszeitraum nach Ausbruch der Finanzkrise (2009–2018) einen durchschnittlichen Effektivzinssatz aus, der nachhaltig unter 3 % liegt.155 Der mittlere Abstand zwischen dem Basiszinssatz und dem Effektivzinssatz betrug in diesem Zeitraum ca. 3,2 %. Demgegenüber betrug die Differenz zwischen Spareinlagen mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr und dem Basiszins in derselben Zeit nur ca. 0,7 %.156 Geht man vom Basiszinssatz aus, den auch das BVerfG im Ausgangspunkt für den sachgerechten Referenzzinssatz hält,157 gelangt man zu einem Nachzahlungszins von ca. 2 % und einem Erstattungszins von ca. 0 %.158 Folgt man vor dem Hintergrund, dass es den Typus des Steuerschuldners nicht gibt und auch Mischfälle geben kann, der Vorstellung des BVerfG von einem einheitlichen Mittelwert, der zwischen Anlage- und Kapitalmarktzinsen liegt,159 so ist der die ursprüngliche Entscheidung des Gesetzgebers tragende Zuschlag von 2 % zum Basiszins (früher zum Diskontsatz der 154 Von 11,2 Mrd. t Bp.-Mehrergebnissen der Länder im Jahr 2020 entfielen 1,6 Mrd. t auf die Festsetzung von Zinsen, s. BMF, Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfung der Länder im Jahr 2020, BMF-Monatsbericht Oktober 2021, 34 (37). 155 Seer, StuW 2019, 212 (221). 156 Fortgeführte Untersuchung von Seer/Klemke, Neuordnung der Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, ifst-Schrift Nr. 490, 2013, 133 u. 137 (Tabelle 3 u. 5); s. Wiss. Arbeitskreis Steuerrecht des DWS-Instituts der Steuerberater, DStR 2021, 1265 (1271). 157 BVerfG v. 8.7.2021 (Fn. 143), Rz. 185 ff. 158 Nachzahlungszins bei angenommener kurzfristiger Kreditierung (-0,88 % Basiszins + Zuschlag 3,2 %, abgerundet); Erstattungszins bei angenommener kurzfristiger liquider Kapitalanlage (-0,88 % Basiszins + Zuschlag 0,7 %, aufgerundet). 159 BVerfG v. 8.7.2021 (Fn. 143), Rz. 189.

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Deutschen Bundesbank) naheliegend. Der bisherige statische Zinssatz von 0,5 % pro Monat ist dann in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO durch einen kapitalmarktorientiert-variablen Zinssatz in Höhe von 1/12 der Summe aus dem Basiszins und dem Zuschlag von 2 % zu ersetzen. Diese Regelung entspräche der nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) Doppelbuchst. dd KAG Bayern für die dortigen Kommunalabgaben seit einigen Jahren geltenden Regelung.160 Im Zuge der Änderung des § 238 Abs. 1 AO sollte die Vollverzinsung einer grundlegend vereinfachten Revision unterzogen worden. An die Stelle der das Verfahren nach § 233a AO unnötig verkomplizierenden Kombination zwischen Soll-Verzinsung bei Nachzahlungszinsen und Ist-Verzinsung für Erstattungszinsen sollte eine konsequente Ist-Verzinsung treten.161 Um zu einer einheitlichen, einfachen Berechnung zu gelangen, wären die Veranlagungssteuern (Einkommen-, Körperschaft-, Umsatz- und Gewerbesteuer) bereits mit ihrer Entstehung (ab dem 1.1. des Folgejahres) unter Abzug der bis dahin geleisteten Vorauszahlungen und Quellensteuern zu verzinsen. Der Zinslauf würde mit Eingang der Nachzahlung bzw. mit der Anweisung zur Erstattung enden. Will man an einer Karenzzeit (s. § 233a Abs. 2 AO) festhalten, ließe sich diese nach Art einer Freigrenze ausgestalten, so dass vor allem die massenhaften Arbeitnehmerveranlagungen regelmäßig nicht zu einer Verzinsung führen würden.162 Zudem sollte den Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt werden, jederzeit – auch nachträglich – Vorauszahlungen leisten zu können.163 Die Absenkung des Zinssatzes in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO betrifft sämtliche Zinstatbestände, neben Aussetzungszinsen auch Stundungs- und Hinterziehungszinsen. Dies führt zwar für Stundungszinsen (§ 234 AO), die ja gerade für einen Zeitraum fehlender Liquidität und Kreditwürdigkeit des Steuerschuldners anfallen, zu einem nicht vollständigen Vorteilsausgleich zu Lasten des Staates.164 Jedoch dient diese einheitliche Behandlung der Steuervereinfachung, zumal bei einer konsequenten 160 Mit Wirkung v. 1.4.2014 ist durch Ges. v. 11.3.2014, GVBl. 2014, 70 (71), die Regelung des § 238 Abs. 1 AO für die bayrischen Kommunalabgaben entsprechend modifiziert worden. 161 Siehe bereits Seer/Klemke (Fn. 156), ifst-Schrift Nr. 490, 65 ff. 162 Wiss. Arbeitskreis Steuerrecht des DWS-Instituts der Steuerberater, DStR 2021, 1265 (1270). 163 Wiss. Arbeitskreis Steuerrecht des DWS-Instituts der Steuerberater, DStR 2021, 1265 (1271). 164 Seer, StuW 2019, 212 (221).

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Ist-Verzinsung auf die Unterscheidung der Zinstatbestände sogar gänzlich verzichtet werden könnte.165 Dies gilt auch für den Hinterziehungszins, der angesichts des Verbots der Doppelbestrafung keinen pönalen Zweck verfolgen, sondern sich nur auf den Vorteilsausgleich beschränken darf.166 Zu überdenken ist allerdings die Höhe des Säumniszuschlags von 1 % pro angefangenen Monat der Säumnis. Er gehört nach § 240 AO zwar systematisch nicht zum Unterabschnitt „Verzinsung“ und wird als besonderes „Druckmittel zur Durchsetzung fälliger Steuern“ eingeordnet.167 Materiell besitzt der an die Fälligkeit der Forderung anknüpfende Säumniszuschlag aber die Funktion eines Verzugszinses i.S.d. § 288 BGB.168 Dieser zeichnet sich durch einen erhöhten Zuschlag zum Basiszins (Zuschlag von 5 % bei Verbrauchern, von 9 % bei Nichtverbrauchern) aus und ist damit ebenfalls kapitalmarktorientiert. Selbst wenn man den erhöhten Zuschlag i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB anwendet, läge der Säumniszuschlag derzeit bei 1/12 × (-0,88 % + 9 %) = 0,68 % pro Monat unter dem aktuell auferlegten Säumniszuschlag von 1 % p.m. b) Reform der Außenprüfung Die Ampelkoalitionsparteien erkennen immerhin ebenfalls das dringende Bedürfnis nach einer Beschleunigung der Außenprüfung. Der Wissenschaftliche Arbeitskreis Steuerrecht des DWS-Instituts der Steuerberater hat jüngst einen Katalog von Reformvorschlägen unterbreitet, die zu einem wesentlichen Teil auf Vorarbeiten des Verfassers beruhen, so dass an dieser Stelle nur der Kern der Überlegungen holzschnittartig dargestellt werden soll.169 Die derzeit geltende Festsetzungsfrist ist gerade in Außenprüfungsfällen aufgrund der nahezu unbegrenzt wirkenden sog. Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO deutlich zu lang und konterkariert die Bemühungen zur Verwirklichung zeitnaher Außenprüfungen. Den Finanzbehörden sollte ein kürzerer Zeitraum ausreichen, um Außenprüfungen abzuschließen. Dazu ist die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO zu verkürzen und die Ablaufhemmung des § 171 165 Seer/Klemke (Fn. 156), ifst-Schrift Nr. 490, 126 f. 166 Seer/Klemke (Fn. 156), ifst-Schrift Nr. 490, 127 f. 167 So Loose in Tipke/Kruse, § 240 AO Rz. 1, m.w.N. (Okt. 2019). Danach soll der Zinseffekt nur ein „Nebeneffekt“ sein. 168 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 21.363. 169 Wissenschaftlicher Arbeitskreis Steuerrecht des DWS-Instituts der Steuerberater, Reform der Außenprüfung aus der Perspektive des Mittelstandes, DWS-Schriftenreihe Nr. 47, 2021; zu den Forderungen der Verbände s. zusammenfassend den Überblick von Kowallik, DB 2021, 1572.

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Abs. 4 AO deutlich stärker zu begrenzen. Der Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) sollte nach dem Abschluss der Außenprüfung bei dem darauffolgenden (Änderungs-)Steuerbescheid automatisch entfallen. Unabhängig davon sollte auch der Vorbehalt der Nachprüfung zeitlich begrenzt werden. Das bisher nur richterrechtlich hergeleitete Institut der sog. tatsächlichen Verständigung sollte gesetzlich verankert und mit der sog. verbindlichen Zusage (§§ 204–207 AO) verzahnt werden („verbindliche Verständigung“). Dabei sollten auch Regelungen getroffen werden können, die über den Prüfungszeitraum hinaus für nachfolgende Veranlagungszeiträume verbindlich sind. Zusätzlich sollte über die verbindliche Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) hinausgehend die Möglichkeit einer verbindlichen Vorabklärung bereits verwirklichter Sachverhalte, die Streitpotenzial besitzen, geschaffen werden. Wenn der Steuerpflichtige den VorabklärungsVerwaltungsakt akzeptiert, wird frühzeitig für beide Seiten Rechtssicherheit hergestellt. Ist der Steuerpflichtige dagegen nicht einverstanden, sollte eine sofortige Sprungklage zum FG (§ 45 FGO) eröffnet werden. Davon unbeschadet wäre im Übrigen die Außenprüfung fortzusetzen und zeitnah abzuschließen. Das in § 4 Abs. 2 BpO 2000 nach wie vor verankerte Anschlussprüfungsprinzip ist zugunsten einer risikoorientierten Prüfungsauswahl aufzugeben, so dass die Verwaltungskapazitäten im Sinne einer zeitnahen Außenprüfung eingesetzt werden können. Das Konzept einer zeitnahen Außenprüfung ist im Gesetz zu verankern und in den Zusammenhang mit einer kooperativen Außenprüfung zu stellen. Über diese Veränderungen hinaus sollte sich auch die Bundesrepublik Deutschland dem internationalen Trend zur sog. Cooperative Compliance anschließen.170 Dazu bietet sich das in Österreich zum 1.1.2019 als mögliche Alternative zur traditionellen Außenprüfung eingeführte Institut einer sog. begleitenden Kontrolle als Modell an. Es ließe sich in einer ersten Phase für multinationale Unternehmensgruppen mit einem konsolidierten Gesamtumsatz von mindestens 750 Mio. Euro (§ 138a AO) einführen171 und danach in einer zweiten Phase auch auf kleinere mittelständische Unternehmen ausdehnen. Voraussetzung für einen 170 Dazu näher Seer, IWB 2021, 143 (147 ff.). 171 Die Sonderbehandlung dieser Unternehmen lässt sich mit dem gesteigerten unternehmensinternen Compliance-Aufwand für ein Country-by-CountryReporting und für die zukünftige sog. GloBE-Tax (siehe oben 1.b]) rechtfertigen.

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Antrag auf eine ständig „begleitende Kontrolle“ ist die Unterhaltung eines auf seine Wirksamkeit und Angemessenheit durch unabhängige Steuerberater/Wirtschaftsprüfer172 geprüften unternehmensinternen Steuerkontrollsystems sowie eine positive Steuervita, die einen Vertrauensvorschuss zu begründen vermag.173 Zur positiven Steuervita gehören mangelnde Auffälligkeiten der Betriebsprüfungsergebnisse der letzten fünf Jahre (d.h. Steuermehrergebnisse liegen insgesamt unter 10 % der zuvor festgesetzten Steuern), vollständige Erfüllung der Mitwirkungspflichten bei diesen Außenprüfungen, fristgemäße Erfüllung der Steuererklärungs- und Steuerzahlungspflichten, Übermittlung von aussagefähigen E-Bilanzdaten und keinerlei Straf- oder Bußgeldverfahren, die zu Sanktionen oder Geldauflagen geführt haben oder noch führen können. Anstelle einer nur retrospektiv wirkenden Außenprüfung richtet sich die begleitende Kontrolle auf den laufenden Veranlagungszeitraum, innerhalb dessen das jeweilige Unternehmen in mindestens vierteljährlichen Besprechungen Resultate/Erkenntnisse des unternehmensinternen Kontrollsystems mit Vertretern der Finanzverwaltung bespricht und risikobelastete Fragen proaktiv von selbst vorlegt. Umgekehrt ist die Finanzverwaltung verpflichtet, zeitnah Auskünfte zu an sie herangetragenen Fragestellungen zu erteilen. Zu diesem kooperativen Ansatz passt auch die grenzüberschreitende Initiative des sog. International Compliance Assurance Program (ICAP 2.0), der sich die Bundesrepublik Deutschland mittlerweile angeschlossen hat.174 Schließlich ist in diesem Zusammenhang bis zum 31.12.2022 durch den deutschen Gesetzgeber auch die jüngste Reform des EU-AmtshilfeRL (RL 2021/514/EU – DAC 7175) zu den grenzüberschreitenden gemeinsamen Außenprüfungen in das nationale Recht umzusetzen. c) Kooperation statt bürokratielastige Anzeigepflichten Anstelle das kooperative Besteuerungsverfahren in der vorstehend skizzierten Weise fortzubilden, verfallen die Koalitionsparteien auf den Ge172 Zur Qualitätssicherung des internen Kontrollsystems sollte eine spezielle Zertifizierung der Tax Compliance Management-Gutachter eingeführt werden. 173 Siehe Wiss. Arbeitskreis Steuerrecht (Fn. 169), 22 ff. 174 Siehe dazu Kowallik, DB 2020, 412; Strohm, ISR 2019, 217; Geberth, IWB 2019, 838; Oertel, IWB 2019, 976. 175 Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates v. 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung, ABl. EU Nr. L 104/1 v. 25.3.2021.

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danken, die in §§ 138d–138k AO mit Wirkung v. 1.1.2020 in Umsetzung der DAC 6-Richtlinie176 eingeführten, ausladenden Mitteilungspflichten auf rein nationale Sachverhalte auszudehnen. Bevor eine solche bürokratielastige erweiterte Verpflichtung der steuerberatenden Berufe und Unternehmen eingeführt wird, sollten zunächst die gerade einmal seit zwei Jahren bestehenden Mitteilungspflichten für grenzüberschreitende „Steuergestaltungen“ evaluiert werden. Es darf getrost angenommen werden, dass der Gemeinwohlnutzen der ins Werk gesetzten besonderen Mitteilungspflichten in keinem angemessenen Verhältnis zu dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand steht.177 Dieses Missverhältnis nun auch noch auf nationale Sachverhalte zu erweitern, zeugt nicht von Weitblick, sondern von Populismus. Warum macht der Staat den steuerberatenden Berufen nicht gerade auch zu Steuergestaltungen ein (gebührenpflichtiges) Angebot verbindlicher Auskünfte durch zentrale Auskunftsbehörden? Bereits aus haftungsrechtlichen Gründen wären die Angehörigen der steuerberatenden Berufe genötigt, unsichere „Modelle“ zur Prüfung vorzulegen und möglichst abzusichern. Dem Staat würde so ein großer Kreis der Gestaltungen an einer zentralen Stelle von selbst bekannt. Die angesichts des Gebührenaufkommens auch hinreichend ausstattbare Zentralstelle würde sich aufgrund des vorgetragenen Fallspektrums ein gutes Gespür erwerben, ob die jeweilige Gestaltung noch vertretbar ist oder umgekehrt sogar durch eine gesetzgeberische Intervention oder durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift bekämpft werden muss. Die Furcht der Finanzverwaltung vor einer „Zertifizierung von Steuergestaltungen“ ist aus diesem Blickwinkel unberechtigt und sollte selbstbewusst überwunden werden.

176 Siehe oben bei Fn. 23. 177 Dem Verf. ist berichtet worden, dass von einigen tausend Mitteilungen bisher lediglich 6 Mitteilungen zu einer intensiveren Prüfung durch das BMF/ BZSt. Anlass geboten hätten!

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Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Personengesellschaften Dr. Ulrike Banniza Vorsitzende Richterin am BFH, München I. Ausscheiden von Wirtschaftsgütern bei der Übertragung von Sachgesamtheiten am Beispiel der Übertragung eines Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG 1. Unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils 2. BFH v. 10.9.2020 – IV R 14/18 (BFHE 270, 363 = BFH v. 10.9.2020 – IV R 14/18, GmbHR 2021, 265 m. Anm. Lorenz/Claussen = ZIP 2021, 1272 = FR 2021, 326) a) Sachverhalt b) In der Entscheidung geklärte Rechtsfragen aa) Konkretisierung der zeitpunktbezogenen Bestimmung des Übertragungsobjekts bb) Gewinnrealisierende Aufgabe des Mitunternehmeranteils bei zeitgleicher Veräußerung oder Entnahme von funktional wesentlichem SBV cc) Bestimmung der zeitlichen Reihenfolge der Übertragungen nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums c) Entscheidung des BFH 3. Fazit 4. Reaktion der Finanzverwaltung

5. Verfahrensrechtlicher Exkurs II. Erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1. BFH v. 22.10.2020 – IV R 4/19 (BFHE 270, 529, FR 2021, 285) a) Sachverhalt b) Entscheidung des BFH 2. BFH. v. 15.4.2021 – IV R 32/18 (BFHE 272, 360, GmbHR 2021, 1163 = FR 2021, 952) a) Sachverhalt b) Entscheidung des BFH c) Anmerkung 3. Neufassung des § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG III. Wegfall gewerbesteuerrechtlicher Fehlbeträge bei Abspaltung 1. Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Verlustabzugs nach § 10a GewStG 2. BFH v. 12.11.2020 – IV R 29/18 (BFHE 270, 538, ZIP 2021, 568 = GmbHR 2021, 561 = FR 2021, 493) a) Sachverhalt b) Entscheidung des BFH IV. Investitionsabzugsbetrag bei Auftragsproduktion 1. BFH v. 3.12.2020 – IV R 16/18 (BFHE 271, 501, BStBl. II 2021, 382 = GmbHR 2021, 609) a) Sachverhalt b) Entscheidung des BFH 2. Neufassung des § 7g EStG

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I. Ausscheiden von Wirtschaftsgütern bei der Übertragung von Sachgesamtheiten am Beispiel der Übertragung eines Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG Eine Sachgesamtheit (ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil) kann häufig zum Buchwert übertragen werden (z.B. § nach 6 Abs. 3 Satz 1 EStG, nach § 20 Abs. 2 Satz 2 oder nach § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Will der Übertragende allerdings einzelne Wirtschaftsgüter der Sachgesamtheit nicht mitübertragen (z.B. ein Grundstück), stellt sich die Frage, wann das Ausscheiden eines solchen Wirtschaftsguts dazu führt, dass die Übertragung der „verbleibenden“ Sachgesamtheit nicht mehr zum Buchwert erfolgen kann. Diese Frage kann sich insbesondere stellen bei der unentgeltlichen Übertragung einer Sachgesamtheit nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG („vorweggenommene Erbfolge“), bei der Einbringung einer Sachgesamtheit in eine Kapitalgesellschaft nach § 20 UmwStG und bei der Einbringung einer Sachgesamtheit in eine Personengesellschaft nach § 24 UmwStG. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die Fallgruppe der unentgeltlichen Übertragung einer Sachgesamtheit nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG, und zwar am Beispiel der Übertagung eines Mitunternehmeranteils.

1. Unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils a) Voraussetzung für eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG ist die unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils. Dabei versteht man unter einem Mitunternehmeranteil i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG den Anteil eines Mitunternehmers am Gesamthandsvermögen (sog. Gesellschaftsanteil) und das funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen (SBV) dieses Mitunternehmers.1 Für eine buchwertneutrale Übertragung eines Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG muss also neben dem Gesellschaftsanteil das komplette funktional wesentliche SBV I und II auf den Erwerber übertragen werden. Werden neben dem Gesellschaftsanteil nicht alle funktional we1 Z.B. BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, BFHE 238, 135 = BStBl. II 2019, 715 = GmbHR 2012, 1260 m. Anm. Hoffmann; v. 10.9.2020 – IV R 14/18, BFHE 270, 363 = GmbHR 2021, 265 m. Anm. Lorenz/Claussen = ZIP 2021, 1272 = FR 2021, 326.

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sentlichen Wirtschaftsgüter des SBV übertragen, liegt eine Aufgabe des Mitunternehmeranteils vor (§ 16 Abs. 3 EStG) – mit der Folge der Aufdeckung aller stillen Reserven.2 b) Bei einer Betriebsaufspaltung gehören die von den Mitunternehmern der Besitz-Personengesellschaft gehaltenen Anteile an der Betriebs-Kapitalgesellschaft zum funktional wesentlichen SBV II der Mitunternehmer bei der Besitz-Personengesellschaft.3 Ist der Mitunternehmer der Besitz-Personengesellschaft auch an der Betriebs-Kapitalgesellschaft beteiligt, gehört zu seinem Mitunternehmeranteil also nicht nur sein Gesellschaftsanteil an der Besitz-Personengesellschaft, sondern auch sein Geschäftsanteil an der Betriebs-Kapitalgesellschaft. Zum Buchwert nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG kann der Mitunternehmer seinen Mitunternehmeranteil daher nur übertragen, wenn er neben seinem Gesellschaftsanteil an der Besitz-Personengesellschaft auch seinen Geschäftsanteil an der Betriebs-Kapitalgesellschaft auf den Erwerber überträgt.

2. BFH v. 10.9.2020 – IV R 14/18 (BFHE 270, 363 = BFH v. 10.9.2020 – IV R 14/18, GmbHR 2021, 265 m. Anm. Lorenz/Claussen = ZIP 2021, 1272 = FR 2021, 326) a) Sachverhalt Stark vereinfacht ging es in diesem Fall um folgende Konstellation: Die Klägerin, eine GbR, war Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung mit der A-GmbH. Gesellschafter der GbR und der A-GmbH waren C zu 75 % und D zu 25 %. Nun wurden am selben Tag zwei Verträge geschlossen, und zwar wie folgt: In dem Vertrag 1 übertrug C ihren kompletten Gesellschaftsanteil an der GbR und einen Teilgeschäftsanteil an der A-GmbH unentgeltlich auf ihren Sohn F. Die Wirksamkeit des Vertrags stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass C die restlichen Anteile an der A-GmbH an D und G veräußert und der Kaufpreis gezahlt ist. In dem Vertrag 2 veräußerte C die restlichen Anteile an der A-GmbH an D und G. Diese Übertragung stand unter der Bedingung, dass der Vertrag 1 mit Bedingungseintritt wirksam wird. Das Finanzamt ging 2 Z.B. BFH v. 9.12.2014 – IV R 29/14, BFHE 247, 449 = BStBl. II 2019, 723 = GmbHR 2015, 263 m. Anm. Schmidtmann; v. 10.9.2020 – IV R 14/18, BFHE 270, 363 = GmbHR 2021, 265 m. Anm. Lorenz/Claussen = ZIP 2021, 1272 = FR 2021, 326. 3 Z.B. BFH v. 10.9.2020 – IV R 14/18, BFHE 270, 363 = GmbHR 2021, 265 m. Anm. Lorenz/Claussen = ZIP 2021, 1272 = FR 2021, 326.

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davon aus, dass alle Übertragungen zeitgleich erfolgt seien und C ihren Mitunternehmeranteil daher aufgegeben habe. Es stellte einen Veräußerungsgewinn fest, der sich aus dem Gewinn aus der Veräußerung der GmbH-Anteile an D und G sowie aus der Übertragung der weiteren GmbH-Anteile und des GbR-Gesellschaftsanteils an F zusammensetzte. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die GbR begehrte, im Rahmen des festgestellten Veräußerungsgewinns nur den Gewinn der C aus der Veräußerung der GmbH-Geschäftsanteile an D und G zu berücksichtigen, mit Urteil vom 19.4.2018 – 15 K 1187/17 F (FG Düsseldorf v. 19.4.2018 – 15 K 1187/17 F, EFG 2018, 1092) statt. Hiergegen richtete sich die Revision des FA. b) In der Entscheidung geklärte Rechtsfragen Die Entscheidung klärt weitere wichtige Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Wirtschaftsgütern bei der Übertragung von Sachgesamtheiten stellen können.4 Von Bedeutung ist sie insbesondere in folgender Hinsicht: aa) Konkretisierung der zeitpunktbezogenen Bestimmung des Übertragungsobjekts Maßgebend dafür, ob der gesamte Mitunternehmeranteil übertragen wird, ist das Betriebsvermögen, das im Zeitpunkt der Übertragung vorhanden ist. Insoweit präzisiert der BFH die Aussage in seinem Urteil vom 2.8.2012 – IV R 41/115, in dem insoweit noch auf das Betriebsvermögen abgestellt wurde, das „am Tag“ der Übertragung existierte. Abzustellen ist also nicht auf das am Tag der Übertragung vorhandene Betriebsvermögen (also kein „taggleich“), sondern (enger) auf das im Zeitpunkt der Übertragung vorhandene Betriebsvermögen.

4 Zu weiteren Fragen im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Wirtschaftsgütern bei der Übertragung von Sachgesamtheiten nach § 6 Abs. 3 EStG s. BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, BFHE 238, 135 = BStBl. II 2019, 715 = FR 2012, 1113 m. Anm. Kanzler = GmbHR 2012, 1260 m. Anm. Hoffmann; v. 9.12.2014 – IV R 29/14, BFHE 247, 449 = BStBl. II 2019, 723 = FR 2015, 457 m. Anm. Wendt = GmbHR 2015, 263 m. Anm. Schmidtmann; v. 12.5.2016 – IV R 12/15, BFHE 253, 556 = BStBl. II 2019, 726 = FR 2016, 952 m. Anm. Wendt = GmbHR 2016, 828 m. Anm. Levedag. 5 BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, BFHE 238, 135 = BStBl. II 2019, 715, Rz. 28 = FR 2012, 1113 m. Anm. Kanzler = GmbHR 2012, 1260 m. Anm. Hoffmann.

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Es ist also eine streng zeitpunktbezogene und keine zeitraumbezogene Prüfung vorzunehmen. Es erfolgt daher im Rahmen des § 6 Abs. 3 EStG auch keine „Gesamtplanbetrachtung“.6 Für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG ist das vorherige Ausscheiden eines Wirtschaftsguts danach selbst dann unschädlich, wenn dieses Wirtschaftsgut erst eine „juristische Sekunde“ vor der Übertragung des „verbleibenden“ – verkleinerten – Mitunternehmeranteils aus dem dazu gehörenden Betriebsvermögen ausscheidet. Der Mitunternehmeranteil kann somit auch noch eine juristische Sekunde vor seiner Übertragung verkleinert werden, ohne die Buchwertfortführung zu gefährden. bb) Gewinnrealisierende Aufgabe des Mitunternehmeranteils bei zeitgleicher Veräußerung oder Entnahme von funktional wesentlichem SBV Aus der streng zeitpunktbezogenen Betrachtung folgt zugleich, dass § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG nicht anwendbar ist, wenn zeitgleich mit der unentgeltlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils stille Reserven in funktional wesentlichen Wirtschaftsgütern des SBV (durch Veräußerung an Dritte oder durch Überführung in das Privatvermögen) aufgedeckt werden. Denn dann wird die im Zeitpunkt der Übertragung existierende Sachgesamtheit (der Mitunternehmeranteil) gerade nicht vollständig auf den Erwerber übertragen. Es liegt vielmehr eine Aufgabe des (gesamten) Mitunternehmeranteils i.S. des § 16 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor mit der Folge, dass auch hinsichtlich der unentgeltlichen Übertragung des verbleibenden Mitunternehmeranteils die stillen Reserven aufzudecken sind. Zwar hat der BFH für die unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils bei zeitgleicher Überführung bzw. Übertragung von funktional wesentlichem SBV nach § 6 Abs. 5 Satz 2 bzw. 3 EStG mit Urteil vom 2.8.2012 – IV R 41/117 entschieden, dass § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 6 Es gibt kein allgemeines Rechtsinstitut eines „Gesamtplans“: BFH v. 16.12.2015 – IV R 8/12, BFHE 252, 141 = BStBl. II 2017, 766 = FR 2016, 510 m. Anm. Wendt = GmbHR 2016, 440. Zur Gesamtplanbetrachtung als teleologische Auslegung des § 34 EStG z.B. BFH v. 9.12.2014 – IV R 36/13, BFHE 248, 75 = BStBl. II 2015, 529 = FR 2015, 710 m. Anm. Wendt = GmbHR 2015, 382; v. 17.12.2014 – IV R 57/11, BFHE 248, 66 = BStBl. II 2015, 536 = FR 2015, 522 m. Anm. Wendt = GmbHR 2015, 384 m. Anm. Suchanek. 7 BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, BFHE 238, 135 = BStBl. II 2019, 715 = FR 2012, 1113 m. Anm. Kanzler = GmbHR 2012, 1260 m. Anm. Hoffmann.

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EStG in diesem Fall anwendbar, eine Buchwertfortführung also möglich ist. Die parallele Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 und § 6 Abs. 5 EStG bei zeitgleichen Übertragungsakten liegt jedoch, wie der BFH in dem Besprechungsurteil erneut hervorhebt, insbesondere darin begründet, dass diese Privilegierungen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 und Abs. 5 EStG) nach dem Wortlaut des Gesetzes gleichberechtigt nebeneinander stehen. Werden hingegen zeitgleich mit der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils stille Reserven in funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen aufgedeckt, kommt eine parallele Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 und § 16 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht in Betracht. Der demnach grundsätzlich streng zeitpunktbezogenen Betrachtung kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, es könne keinen Unterschied machen, ob funktional wesentliches SBV zeitgleich mit der Übertragung des „verbleibenden“ Mitunternehmeranteils (der „verbleibenden“ Sachgesamtheit) ausgegliedert werde oder eine juristische Sekunde vor der Übertragung, denn entscheidend sei lediglich, dass beim Erwerber ein funktionsfähiger Mitunternehmeranteil (eine funktionsfähige Sachgesamtheit) ankomme.8 § 6 Abs. 3 EStG setzt zwar zum einen voraus, dass der Erwerber eine funktionsfähige Sachgesamtheit (einen funktionsfähigen Mitunternehmeranteil) erhält. Erforderlich ist aber zudem, dass der Übertragende die gesamte Sachgesamtheit (seinen gesamten Mitunternehmeranteil) überträgt. Hierfür kommt es allein darauf an, was beim Übertragenden im Zeitpunkt der Übertragung vorhanden war und ob er alle hierzu gehörenden Wirtschaftsgüter auf den Erwerber übertragen hat. cc) Bestimmung der zeitlichen Reihenfolge der Übertragungen nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums Für die Frage, ob mehrere Übertragungen in zeitlicher Reihenfolge erfolgt sind oder nicht, ist nach den Ausführungen des BFH im Besprechungsurteil auf den Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums abzustellen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das wirtschaftliche Eigentum bereits vor der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums übergehen kann. Nicht entscheidend ist das Datum, unter dem die den einzelnen Übertragungen zugrunde liegenden Verträge abgeschlossen wurden. 8 So aber wohl z.B. Kahle/Burger/Burmistrak, BB 2021, 1579, 1582, m.w.N.

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c) Entscheidung des BFH Der BFH gab der Revision des FA statt und verwies die Sache an das FG zurück, da aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht entschieden werden konnte, ob und ggf. in welcher zeitlichen Reihenfolge die streitigen Übertragungen erfolgt sind.

3. Fazit Die unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils zum Buchwert nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG ist (nur) möglich, wenn funktional wesentliches SBV vorab veräußert wird, vorab nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragen wird, oder wenn es zeitgleich nach § 6 Abs. 5 Satz 2 überführt bzw. nach Satz 3 übertragen wird.

4. Reaktion der Finanzverwaltung Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die Rspr. zur zeitpunktbezogenen Betrachtung im Bereich des § 6 Abs. 3 EStG zwischenzeitlich vollständig umgesetzt in den BMF-Schreiben vom 20.11.20199 und vom 5.5.202110. Für den Bereich der §§ 20, 24 UmwStG11 und jetzt auch für den Bereich des § 1a KStG (Option zur Körperschaftsbesteuerung)12 hat sich das BMF der zeitpunktbezogenen Betrachtung bislang (leider) nicht angeschlossen.13

9 BMF v. 20.11.2019 – IV C 6 - S 2241/15/10003 – DOK 2019/0964762, BStBl. I 2019, 1291. 10 BMF v. 5.5.2021 – IV C 6 - S 2240/19/10003:017 – DOK 2021/0450777, BStBl. I 2021, 696. 11 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.07 und 24.03. 12 Vgl. Rz. 35 des BMF. v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212. 13 Nach der Rspr. gilt die zeitpunktbezogene Betrachtung auch im Bereich des § 20 UmwStG (vgl. BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BFHE 227, 445 = BStBl. II 2010, 471 = FR 2010, 381 m. Anm. Wendt = GmbHR 2010, 317 m. Anm. Suchanek v. 29.11.2017 – I R 7/16, BFHE 260, 334 = BStBl. II 2019, 738 = FR 2018, 508 m. Anm. Wendt = GmbHR 2018, 644 m. Anm. Brühl/Weiss) und im Bereich des § 24 UmwStG (vgl. BFH v. 9.11.2011 – X R 60/09, BFHE 236, 29 = BStBl. II 2012, 638 = FR 2012, 584 = GmbHR 2012, 588).

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5. Verfahrensrechtlicher Exkurs Neben den dargestellten materiellen Rechtsfragen hat das Besprechungsurteil IV R 14/18 auch eine für die Praxis nicht unbedeutende verfahrensrechtliche Frage geklärt. Auf diese soll an dieser Stelle kurz hingewiesen werden. Klägerin des Verfahrens war eine GbR. Es ging jedoch allein um die Frage, welchen Gewinn C, die an der GbR mitunternehmerisch beteiligt war, im Zusammenhang mit der Übertragung ihres Mitunternehmeranteils zu versteuern hatte. Es ging also um eine Frage, die allein C betraf, und C war bei Klageerhebung bereits aus der GbR ausgeschieden. Es stellte sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht daher die Frage, ob die GbR überhaupt klagebefugt war. Denn die gesetzliche Prozessstandschaft der Gesellschaft erstreckt sich nicht auf ausgeschiedene Gesellschafter. Der BFH entschied jedoch, dass eine noch nicht vollbeendete Personengesellschaft nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO selbst dann für einen ausgeschiedenen Gesellschafter klagebefugt ist, wenn der Rechtsstreit Feststellungen betrifft, die allein den ausgeschiedenen Gesellschafter persönlich angehen. Er begründete dies damit, dass in einem solchen Fall die Klagebefugnis der Personengesellschaft ausnahmsweise aus einer eigenen steuerrechtlichen Rechtssphäre der Gesellschaft folgt.14 Man kann sich jedenfalls merken: „Die (noch nicht vollbeendete) Gesellschaft ist immer dabei“ – nämlich entweder als Klägerin oder als Beigeladene. Wenn aber die Klagebefugnis einer Personengesellschaft ausnahmsweise allein auf dem Schutz ihrer eigenen steuerrechtlichen Sphäre beruht, dann führt die Vollbeendigung der Gesellschaft während des gerichtlichen Verfahrens zwangsläufig zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses und zur Unzulässigkeit der Klage.15 Daraus folgt: Klagt die Personengesellschaft in einer Sache, die allein den ausgeschiedenen Gesellschafter (Mitunternehmer) betrifft, trägt der in diesem Verfahren beizuladende ausgeschiedene Gesellschafter zwar kein Kostenrisiko; er riskiert aber, dass die Klage unzulässig wird, er also keine Entscheidung in der Sache erhält, wenn die Personengesellschaft während des gerichtlichen Verfahrens vollbeendet wird. 14 Dazu ausführlich die Ausführungen im Besprechungsurteil vom 10.9.2020 – IV R 14/18, BFHE 270, 363 = GmbHR 2021, 265 m. Anm. Lorenz/Claussen = ZIP 2021, 1272 = FR 2021, 326, Rz. 12 ff. 15 Dazu ausführlich BFH v. 1.10.2020 – IV R 4/18, BFHE 271, 154 = ZIP 2021, 697 = GmbHR 2021, 675.

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II. Erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG Die Frage, ob ein Gewerbetreibender i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt bzw. daneben lediglich eine „unschädliche“ Tätigkeit ausübt, oder ob er daneben eine „schädliche“ Tätigkeit ausübt, die dazu führt, dass ihm auch für den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt, keine Kürzung zu gewähren ist, beschäftigt den BFH immer wieder. Im Folgenden sollen zwei Beispiele aus der jüngeren Rspr. des BFH dargestellt werden.

1. BFH v. 22.10.2020 – IV R 4/19 (BFHE 270, 529, FR 2021, 285) a) Sachverhalt Stark vereinfacht ging es um folgenden Sachverhalt: Die Klägerin ist als Untererbbauberechtigte des Grundstücks 1 Eigentümerin einer Halle, die sie vermietet hat. Auf dem benachbarten Grundstück 2 steht eine weitere Halle, von der ein Teil abgetrennt ist, der als Zufahrt zu der Halle der Klägerin dient (sog. Lieferschlauch). An diesem Teil besteht ein grundbuchrechtlich gesichertes Geh- und Fahrtrecht des Untererbbauberechtigten des Grundstücks 1. Die Klägerin hat den sog. Lieferschlauch gemietet und zusammen mit der Halle auf Grundstück 1 vermietet. Fraglich ist, ob die Weitervermietung des „Lieferschlauchs“ kürzungsschädlich ist. b) Entscheidung des BFH Der BFH hat zunächst folgende allgemeine Rechtsgrundsätze zu § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG aufgestellt bzw. wiederholt: (1) Ein Untererbbaurecht einschließlich des vom Untererbbauberechtigten errichteten Gebäudes ist „eigener Grundbesitz“ des Untererbbauberechtigten i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. (2) Ist an einem Grundstück eine Grunddienstbarkeit bestellt, ist die Dienstbarkeit für Zwecke des § 9 Nr. 1 GewStG dem Grundbesitz zuzuordnen, zu dem das herrschende Grundstück gehört. (3) Die An- und Weitervermietung fremden Grundbesitzes neben der Überlassung eigenen Grundbesitzes verstößt dann (ausnahmsweise) nicht gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, wenn sie zwingend notwendiger Teil der wirtschaftlich

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sinnvoll gestalteten Überlassung des eigenen Grundbesitzes ist und nur einen geringfügigen Umfang hat. Bezogen auf den Streitfall folgte daraus nach Ansicht des BFH: Das Untererbbauchrecht an Grundstück 1 und die Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrtrecht) an Grundstück 2 sowie die Halle auf dem Grundstück 1 gehören zum eigenen Grundbesitz der Klägerin. Die Weitervermietung des Lieferschlauchs16 ist als Nutzung von fremdem Grundbesitz grds. kürzungsschädlich. Im Streitfall ist sie allerdings ausnahmsweise kürzungsunschädlich, weil sie zwingend notwendiger Teil der wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Überlassung der Grunddienstbarkeit ist und nur einen geringfügigen Umfang hat. Diese Würdigung der Umstände dieses konkreten Einzelfalls durch das Finanzgericht17 war jedenfalls möglich, so dass sie revisionsrechtlich nicht zu beanstanden war. Dass die An- und Weitervermietung von fremdem Grundbesitz ausnahmsweise kürzungsunschädlich ist, wenn sie zwingend notwendiger Teil der wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Überlassung des eigenen Grundbesitzes ist, ist nicht neu.18 Klargestellt hat der BFH in dieser Entscheidung aber, dass selbst dieser Ausnahmefall nur dann eingreift, wenn diese Tätigkeit zudem nur einen ganz geringen Umfang hat.19 Damit hat der BFH allerdings keine „allgemeine Geringfügigkeitsgrenze“ angenommen, sondern er hat lediglich eine dem Grunde nach als ausnahmsweise zulässig angesehene Nebentätigkeit zusätzlich von der Geringfügigkeit des Umfangs dieser Tätigkeit abhängig gemacht. Er hat also den Anwendungsbereich der Ausnahme letztlich weiter eingeschränkt.

16 Dieser ist nicht Teil des Geh- und Fahrtrechts. 17 FG Münster v. 6.12.2018 – 8 K 3685/17 G, EFG 2019, 373. 18 So z.B. bereits BFH v. 11.4.2019 – III R 36/15, BFHE 264, 470 = BStBl. II 2019, 705 Rz. 26 = FR 2019, 1065 = GmbHR 2019, 1139 m. Anm. Schmich/Streckenbach; v. 28.11.2019 – III R 34/17, BFHE 267, 398 = BStBl. II 2020, 409 Rz. 16 = FR 2020, 695 m. Anm. Nöcker = GmbHR 2020, 714; v. 14.6.2005 – VIII R 3/03, BFHE 210, 38 = BStBl. II 2005, 778 = FR 2005, 1169 m. Anm. Wendt = GmbHR 2005, 1367. 19 Ähnlich bereits BFH v. 4.10.2006 – VIII R 48/05, juris.

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2. BFH. v. 15.4.2021 – IV R 32/18 (BFHE 272, 360, GmbHR 2021, 1163 = FR 2021, 952) a) Sachverhalt Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Im Streitjahr (2011) verwaltete sie zum ganz überwiegenden Teil in ihrem Eigentum stehende Wohnungen und gewerbliche Einheiten. Daneben erzielte sie in geringem Umfang Erträge aus der Verwaltung von fremdem Grundbesitz. Diese Fremdverwaltung umfasste in sehr geringem Umfang auch gewerbliche Einheiten. Es stellte sich daher die Frage, ob die Mitverwaltung von fremden gemischt-genutzten Gebäuden unter die kürzungsunschädliche Tätigkeit der „Betreuung von Wohnungsbauten“ fällt oder ob sie kürzungsschädlich ist. Das FG20 wies die Klage ab. b) Entscheidung des BFH Der BFH hat zunächst bestätigt, dass auch die Verwaltung von bereits fertig gestellten fremden Gebäuden als Betreuung von Wohnungsbauten gilt.21 Nach Ansicht des BFH sind Wohnungsbauten aber nur solche Gebäude, die ausschließlich Wohnzwecken dienen. Gemischt genutzte Gebäude werden also nicht erfasst. Zu diesem Ergebnis gelangt der BFH durch Auslegung des Begriffs „Wohnungsbauten“ nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte. Es gebe auch keinen allgemeinen Grundsatz, demzufolge der Begriff „Wohnungsbau“ in gewissem Umfang immer auch eine gewerbliche Nutzung des Gebäudes umfasse. Nach Ansicht des BFH kann auch § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG auf Wohnungsbauten nicht analog angewendet werden, weil es an der dafür erforderlichen erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke fehle. Die Auslegung, dass zu den Wohnungsbauten nur Gebäude zählen, die ausschließlich Wohnzwecken dienen, verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn der Gesetzgeber habe einen grundsätzlich weiten Ermessensspielraum bei der Festlegung von steuerlichen Vergünstigungen. Dass er diesen missbraucht habe, weil er gemischt genutzte Gebäude in § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG nur dann als kürzungsunschädlich ansehe, wenn ihre Errichtung und Veräußerung als Teileigentum in Verbindung mit der Errichtung und Veräußerung von Eigentumswohnungen steht, und nicht auch dann, wenn es um Wohnungsbauten geht, sei nicht erkennbar. 20 Nds. FG v. 19.9.2018 – 10 K 174/16, EFG 2019, 63. 21 Das war früher umstritten, vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 8/02, BFHE 203, 504 = BStBl. II 2004, 243 = FR 2004, 212 m. Anm. Wendt.

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Diese Entscheidung weiche auch nicht von dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.9.2018 – GrS 2/1622 ab. Dort heiße es zwar, dass die sog. erweiterte Kürzung keine begünstigende Subventionsnorm sei, sondern ein Instrument der folgerichtigen Fortschreibung des gewerbesteuerrechtlichen Belastungsgrunds. Diese Ausführungen hätten sich aber nur auf den Regelungszweck des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bezogen, soweit dieser darin liege, dass den nur kraft Rechtsform gewerbliche Einkünfte erzielenden Unternehmen die erweiterte Kürzung gewährt werde, wenn sie ausschließlich eigenen Grundbesitz oder daneben nur eigenes Kapitalvermögen verwalteten und nutzten, wenn also ihre Tätigkeit nicht über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgehe. Nur insoweit sei § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG keine Subventionsnorm. Die hier streitige Fallgruppe der Betreuung von Wohnungsbauten betreffe hingegen eine steuerliche Begünstigung. Denn bei der Betreuung von fremden Wohnungsbauten handele es sich um eine originär gewerbliche Tätigkeit, die auch bei einem im Übrigen nur vermögensverwaltend tätigen Unternehmen und damit ungeachtet der Rechtsform des Unternehmens zu in vollem Umfang gewerblichen Einkünften dieses Unternehmens führen würde. Wenn der Gesetzgeber trotzdem anordne, dass ein solches Unternehmen ungeachtet seiner Rechtsform seinen Gewerbeertrag um den Teil kürzen dürfe, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfalle, handele es sich um eine steuerliche Begünstigung und nicht um die folgerichtige Fortschreibung des gewerbesteuerrechtlichen Belastungsgrunds. Im Ergebnis hatte die Revision der Klägerin also keinen Erfolg. c) Anmerkung Auch wenn die danach kürzungsschädliche Mitverwaltung von fremden gewerblichen Einheiten im Streitfall nur von äußerst geringem Umfang war, führte sie dazu, dass die erweiterte Kürzung in vollem Umfang zu versagen war. Das mag man als misslich empfinden.23 Es ist jedoch grundsätzlich der Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten, die Voraussetzungen und Grenzen einer Begünstigung festzulegen. Und dazu zählt auch die Entscheidung, ob und in welchem Umfang er eine dem Grunde nach kürzungsschädliche Tätigkeit als kürzungsunschädlich ge-

22 BFH v. 25.9.2018 – GrS 2/16, BFHE 263, 225 = BStBl. II 2019, 262 = FR 2019, 437 m. Anm. Nöcker = GmbHR 2019, 486 m. Anm. Brühl = ZIP 2019, 768. 23 So z.B. Strahl, NWB 2021, 2091.

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wertet wissen möchte. Dass eine Geringfügigkeitsgrenze von Verfassungs wegen geboten ist, ist nicht ersichtlich.

3. Neufassung des § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG Durch das Fondsstandortgesetz v. 3.6.202124 wurde § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG mit Wirkung ab dem Erhebungszeitraum 2021 wie folgt neu gefasst: „Satz 2 gilt entsprechend, wenn a) in Verbindung mit der Errichtung und Veräußerung von Eigentumswohnungen Teileigentum im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes errichtet und veräußert wird und das Gebäude zu mehr als 66 2/3 Prozent Wohnzwecken dient, b) in Verbindung mit der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes Einnahmen aus der Lieferung von Strom aa) im Zusammenhang mit dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Sinne des § 3 Nr. 21 des. Erneuerbare-EnergienGesetzes oder bb) aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektrofahrräder, erzielt werden und diese Einnahmen im Wirtschaftsjahr nicht höher als 10 Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind; die Einnahmen im Sinne von Doppelbuchstabe aa dürfen nicht aus der Lieferung an Letztverbraucher stammen, es sei denn, diese sind Mieter des Anlagenbetreibers, oder c) Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes aus anderen als den in den Buchstaben a und b bezeichneten Tätigkeiten erzielt werden und diese Einnahmen im Wirtschaftsjahr nicht höher als 5 Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind.“

Der Gesetzgeber hat also die abschließende Aufzählung kürzungsunschädlicher Tätigkeiten um einige eng begrenzte und genau bezeichnete Tätigkeiten erweitert. Der Sachverhalt, der dem Besprechungsurteil zugrunde lag, fällt nicht darunter. Auch die Neufassung hätte der Klägerin daher nicht zum Erfolg ihrer Klage verholfen.

24 Art. 9 Nr. 1 des Gesetzes zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen (Fondsstandortgesetz – FoStoG), BGBl. I 2021, 1498.

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Mit der Neufassung bestätigt der Gesetzgeber allerdings erneut, dass jedenfalls die Tatbestände der erweiterten Kürzung, in denen diese Norm Subventions- und Lenkungscharakter hat, restriktiv auszulegen sind und der Gesetzgeber selbst entscheiden will, ob und ggf. in welchem Umfang er eine an sich kürzungsschädliche Tätigkeit als kürzungsunschädlich behandelt wissen will.

III. Wegfall gewerbesteuerrechtlicher Fehlbeträge bei Abspaltung 1. Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Verlustabzugs nach § 10a GewStG a) Vortragsfähige Fehlbeträge sind die nach Kürzung des maßgebenden Gewerbeertrags nach Satz 1 und 2 des § 10a GewStG zum Schluss des Erhebungszeitraums verbleibenden Fehlbeträge. Ihre Höhe ist auf den Schluss des Erhebungszeitraums gesondert festzustellen (§ 10a Satz 6 GewStG). b) Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines solchen festgestellten Fehlbetrags, d.h. Voraussetzung dafür, dass der vorgetragene Fehlbetrag in einem Folgejahr mit einem positiven Gewerbeertrag verrechnet werden kann, ist Unternehmensidentität und Unternehmeridentität.25 aa) Dabei versteht man unter Unternehmensidentität, dass der im Anrechnungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch sein muss mit dem Gewerbebetrieb, der im Jahr der Entstehung des Verlusts bestanden hat.26 Unternehmeridentität bedeutet, dass der Steuerpflichtige, der den Verlustabzug in Anspruch nimmt, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten haben muss.27 bb) Bei einer Personengesellschaft sind die Gesellschafter, die unternehmerisches Risiko tragen und unternehmerische Initiative ausüben können, die (Mit-) Unternehmer des Betriebs; als Mit25 StRspr., z.B. BFH v. 12.11.2020 – IV R 29/18, BFHE 270, 538 = BStBl. II 2021, 722 = FR 2021, 493 m. Anm. Nöcker = GmbHR 2021, 561 = ZIP 2021, 568. 26 Z.B. BFH v. 4.5.2017 – IV R 2/14, BFHE 258, 470 = BStBl. II 2017, 1138 = FR 2018, 226 m. Anm. Wendt = FR 2018, 271 m. Anm. Wendt = GmbHR 2017, 1276 m. Anm. Karl. 27 Z.B. BFH v. 12.11.2020 – IV R 29/18, BFHE 270, 538 = BStBl. II 2021, 722 = FR 2021, 493 m. Anm. Nöcker = GmbHR 2021, 561 = ZIP 2021, 568.

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unternehmer einer gewerblichen Personengesellschaft sind sie (und nicht die Gesellschaft) gewerbesteuerrechtlich Träger des Verlustabzugs. Daraus folgt, dass beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Personengesellschaft der Verlustabzug gem. § 10a GewStG verloren geht, soweit er anteilig auf den ausgeschiedenen Gesellschafter entfällt.28

2. BFH v. 12.11.2020 – IV R 29/18 (BFHE 270, 538, ZIP 2021, 568 = GmbHR 2021, 561 = FR 2021, 493) In diesem Fall stellte sich die Frage, ob die dargestellten Grundsätze zum Wegfall gewerbesteuerrechtlicher Fehlbeträge beim Ausscheiden eines Gesellschafters auch dann gelten, wenn es zwar auf der Ebene der Mitunternehmerschaft zu einem Wechsel der Mitunternehmer kommt, an der ausscheidenden und der eintretenden Kapitalgesellschaft aber jeweils derselbe Gesellschafter zu 100 Prozent beteiligt ist. a) Sachverhalt Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Gesellschafter der Klägerin, einer KG (X-KG), waren die A-GmbH als Kommanditistin und die B-GmbH als Komplementärin. Das Finanzamt hatte auf den 31.12.2013 einen vortragsfähigen Gewerbeverlust der X-KG festgestellt, der in vollem Umfang auf die A-GmbH entfiel. Diese spaltete einen Teil ihres Vermögens mit Wirkung zum 2.1.2014 ab und übertrug ihn gegen Gewährung neuer Gesellschaftsanteile auf die C-GmbH. Alleingesellschafter beider Gesellschaften – also sowohl der A-GmbH als auch der C-GmbH – war D mit Sitz im Ausland. Zu den übertragenen Vermögenswerten gehörte u.a. der Kommanditanteil an der X-KG. Das FA lehnte die Feststellung eines vortragsfähigen Fehlbetrags auf den 31.12.2014 mit der Begründung ab, dass der nicht verbrauchte vortragsfähige Gewerbeverlust in vollem Umfang auf einen ausgeschiedenen Gesellschafter (die A-GmbH) entfalle und deshalb untergegangen sei. Einspruch und Klage blieben erfolglos.29 Mit ihrer Revision rügte die Klägerin die Verletzung

28 StRspr., z.B. BFH v. 11.10.2012 – IV R 3/09, BFHE 239, 130 = BStBl. II 2013, 176, m.w.N = FR 2013, 338 m. Anm. Wendt = GmbHR 2013, 205 m. Anm. Rodewald. 29 FG Düss. v. 9.7.2018 – 2 K 2170/16 F, EFG 2018, 1666.

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von § 10a Satz 10 GewStG und von § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG in der im Streitjahr 2014 noch geltenden Fassung (heute § 8c Abs. 1 Satz 4 KStG). Nach dieser sog. Konzernklausel liegt ein schädlicher Beteiligungserwerb bei einer Körperschaft nicht vor, wenn an dem übertragenden und an dem übernehmenden Rechtsträger dieselbe Person zu jeweils 100 Prozent mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist. b) Entscheidung des BFH Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Der BFH bestätigte seine stRspr., der zufolge der Verlustabzug gem. § 10a GewStG beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Personengesellschaft verloren geht, soweit er anteilig auf den ausgeschiedenen Gesellschafter entfällt (dazu oben III.1.b). Abweichendes ergebe sich weder aus dem Umstand, dass der Kommanditanteil an der X-KG im Wege einer Abspaltung von der A-GmbH auf die C-GmbH übertragen wurde, noch aus § 10a Satz 10 GewStG i.V.m. § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG. Auf die im Streitfall gegebene Abspaltung nach § 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG finde das UmwStG Anwendung, das in seinem § 19 spezielle Regelungen für die Gewerbesteuer beim Übergang von Vermögen von einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft enthalte. Gehe das Vermögen der übertragenden Körperschaft auf eine andere Körperschaft über, gelten nach § 19 Abs. 1 UmwStG die §§ 11–15 UmwStG auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags. Für die vortragsfähigen Fehlbeträge der übertragenden Körperschaft i.S. des § 10a GewStG gelten nach § 19 Abs. 2 UmwStG die § 12 Abs. 330 und § 15 Abs. 3 UmwStG entsprechend. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 19 UmwStG ergebe, finde diese Norm auf den Fehlbetrag einer Mitunternehmerschaft, an der die übertragende Körperschaft beteiligt sei, jedoch keine Anwendung. § 19 Abs. 1 UmwStG verweise (nur) für die Ermittlung des Gewerbeertrags der an der Umwandlung beteiligten Körperschaften auf die §§ 11–15 UmwStG; in die Ermittlung des Gewerbeertrags der übertragenden Körperschaft gehe ein Fehlbetrag der Mitunternehmerschaft, an der die übertragende Körperschaft beteiligt sei, nicht ein. Ein Fehlbetrag der Mitunternehmerschaft habe lediglich Bedeutung für den Gewerbeertrag der Mitunternehmerschaft. § 19 Abs. 2 UmwStG erfasse schon seinem Wortlaut nach nur „die vortragsfähigen Fehlbeträge der übertra30 Nach § 12 Abs. 3 Halbs. 1 UmwStG tritt die übernehmende Körperschaft in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein.

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genden Körperschaft“; das seien (nur) die eigenen vortragsfähigen Fehlbeträge der übertragenden Körperschaft, d.h. solche, die auf ihrer Ebene entstanden seien. Der hier streitige Fehlbetrag sei aber auf der Ebene der X-KG, also der Mitunternehmerschaft, entstanden, an der die A-GmbH lediglich beteiligt gewesen sei. Ein für die Klägerin festzustellender vortragsfähiger Fehlbetrag auf den 31.12.2014 ergebe sich auch nicht aus § 10a Satz 10 Halbs. 1 GewStG i.V.m. § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG. § 10a Satz 10 Halbs. 1 GewStG sei, wie sich aus der Entstehungsgeschichte dieser Norm ergebe, nicht rechtsformneutral, sondern gelte nur für die Fehlbeträge von Körperschaften, nicht auch für die von Mitunternehmerschaften. § 10a Satz 10 Halbsatz 1 GewStG bezwecke die Erfassung des Fehlbetrags von Körperschaften, um auf diese Weise für Körperschaften in gleicher Weise den Verlustabzug wie bei der Körperschaftsteuer auch bei der Gewerbesteuer einzuschränken.31 Eine Anwendung des § 8c KStG auf gewerbesteuerliche Fehlbeträge von Mitunternehmerschaften habe der Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Ebenso wenig ergebe sich der von der Klägerin begehrte Übergang des Verlustvortrags von der A-GmbH auf die C-GmbH aus § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG i.V.m. § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG. Denn § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG erfasse nur den Gesellschafterwechsel auf der Ebene einer Körperschaft, die an einer Mitunternehmerschaft beteiligt sei, nicht aber den Gesellschafterwechsel auf der Ebene einer Mitunternehmerschaft. Im Besprechungsfall hätten aber nicht die Anteilseigner der A-GmbH gewechselt, sondern die A-GmbH habe ihren Anteil an der X-KG übertragen, so dass es zu einem Gesellschafterwechsel auf der Ebene der X-KG, also der Mitunternehmerschaft, gekommen sei. Es sei auch sonst kein Grund ersichtlich, weshalb § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG auf die Übertragung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft anzuwenden sein sollte. Diese Regelung bezwecke lediglich den Erhalt des Verlustabzugs bei Körperschaften im Fall konzerninterner Umstrukturierungen.32 Eine Annäherung an die transparente Besteuerung von Personengesellschaften für Körperschaften habe der Gesetzgeber mit § 8c KStG nicht beabsichtigt. Dafür spreche nicht zuletzt auch der Umstand, dass die Norm im KStG geregelt sei, das auf Mitunternehmerschaften keine Anwendung finde. 31 Vgl. BTDrucks 16/4841, 81. 32 Vgl. BTDrucks. 17/15, 1, 19.

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IV. Investitionsabzugsbetrag bei Auftragsproduktion Die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG und der in dieser Norm vorgesehenen Sonderabschreibungen zur Förderung mittlerer und kleiner Betriebe setzte nach der bisher geltenden Fassung der Norm u.a. voraus, dass das begünstigte Wirtschaftsgut mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wurde (§ 7g Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Nr. 2 EStG a.F.). Eine vergleichbare Nutzungsvoraussetzung enthält das Investitionszulagengesetz (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 2007). Im Hinblick auf die insoweit vergleichbare Zielsetzung beider Gesetze ist die im Folgenden dargestellte Besprechungsentscheidung auch für die Auslegung des InvZulG 2007 von Bedeutung.

1. BFH v. 3.12.2020 – IV R 16/18 (BFHE 271, 501, BStBl. II 2021, 382 = GmbHR 2021, 609) a) Sachverhalt Streitig war, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Investitionsabzugsbetrag für ein Wirtschaftsgut gebildet werden kann, das sich langfristig physisch nicht im Betrieb des Investors befindet. Stark vereinfacht ging es um folgenden Sachverhalt: Zur Herstellung eines Produkts benötigte die Klägerin – eine KG – Spritzgussformen. Solche Spritzgussformen werden als sog. „Werkzeuge“ in universelle Spritzgussmaschinen zur Produktion spezieller Kunststoffformteile eingesetzt, mit denen die speziellen Endprodukte hergestellt werden. Die Klägerin beauftragte im Jahr 2013 Z mit der Herstellung der Werkzeuge und B mit der Herstellung der Kunststoffformteile. Sie bestellt nun jährlich einmal Kunststoffformteile bei B, die diese bei Z herstellen lässt und nachfolgend an die Klägerin liefert. Die Werkzeuge, die im Eigentum der Klägerin stehen, werden dafür für etwa eine Woche pro Jahr von Z tatsächlich genutzt und in der übrigen Zeit bei Z für die Klägerin gelagert. Die Werkzeuge darf Z nicht anderweitig einsetzen und muss sie auf Verlangen an die Klägerin herausgeben. Im Jahr 2012 bildete die Klägerin für die anzuschaffenden Werkzeuge einen Investitionsabzugsbetrag. Nach Anschaffung der Werkzeuge im Jahr 2013 aktivierte sie die Werkzeuge als Anlagevermögen und nahm eine gewinnmindernde Herabsetzung der Anschaffungskosten nach § 7g Abs. 2 62

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Satz 2 EStG a.F. sowie Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 EStG a.F. vor. Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 7g EStG a.F. nicht vorlägen, da die Klägerin die Werkzeuge langfristig an Z überlassen habe, so dass keine Nutzung in einer inländischen Betriebsstätte der Klägerin gegeben sei. Das FG33 hingegen gab der Klage statt. b) Entscheidung des BFH Nach Ansicht des BFH wird ein Wirtschaftsgut des Investors auch dann noch i.S. des § 7g EStG a.F. in einer Betriebsstätte des Betriebs des Investors ausschließlich betrieblich genutzt, wenn es in dem Betrieb eines Anderen ausschließlich als Werkzeug zur Herstellung von durch den Investor in Auftrag gegebenen Teilen eingesetzt und in der restlichen Zeit dort für den Investor lediglich verwahrt wird. Zweck der sog. Nutzungsvoraussetzung in § 7g EStG a.F. sei die Sicherstellung einer dauerhaften zeitlichen und räumlichen Beziehung des Wirtschaftsguts zum Betrieb des Investors. Die geforderte räumliche Bindung des Wirtschaftsguts an den Betrieb des Investors zeige sich dabei insbesondere darin, dass der Investor die tatsächliche Gewalt über das Wirtschaftsgut habe bzw. innerhalb kurzer Zeit wiedererlange, das Wirtschaftsgut also im „Einflussbereich“ des Investors bleibe. Daran fehle es, wenn das Wirtschaftsgut langfristig – mehr als drei Monate34 – einem anderen überlassen werde und dieser das Wirtschaftsgut in dieser Zeit zu eigenen Zwecken nutzen könne. Dementsprechend scheide eine Begünstigung nach § 7g EStG a.F. bei langfristiger Nutzungsüberlassung aus, d.h. wenn das Wirtschaftsgut einem Anderen für mehr als drei Monate entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung überlassen werde. Das sei aber nur der Fall, wenn das Wirtschaftsgut einem Anderen zur eigenverantwortlichen Nutzung überlassen werde, wie dies typisch sei für ein Miet-, Pacht- oder Leihverhältnis.35 Anders verhalte es sich in einem Fall wie dem Streitfall. Die Werkzeuge hätten von Z ausschließlich für die Herstellung der Kunststoffformteile der Klägerin genutzt werden dürfen, nicht aber für eigene Zwecke der Z. Z habe kein Besitzrecht, sondern sei zur Herausgabe auf Verlangen der Klägerin verpflichtet. Die 33 Nds. FG v. 15.5.2018 – 3 K 74/18, EFG 2018, 1356. 34 So z.B. auch BMF v. 20.11.2013 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002 – DOK 2013/1044077, BStBl. I 2013, 1493 zu § 7g EStG. 35 Ein solcher Sachverhalt lag dem zum InvZulG ergangenen Urteil des BFH v. 28.2.2013 – III R 6/12, BFH/NV 2013, 1268, zugrunde.

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Werkzeuge seien zwischen ihrem jeweiligen Einsatz von Z für die Klägerin lediglich verwahrt worden, um der Klägerin die Kosten und Risiken des jeweiligen Transports zu ersparen. Diese Umstände rechtfertigten es nach Ansicht des BFH, die Werkzeuge trotz des Umstands, dass sie mehr als drei Monate bei Z verblieben, gleichwohl noch dem Betrieb der Klägerin zuzuordnen. Insoweit ist der für § 7g EStG a.F. erforderliche räumliche Bezug des Wirtschaftsguts zum Betrieb des Investors nach Ansicht des BFH funktional zu verstehen.36 Auch die weitere Voraussetzung des § 7g EStG a.F. – die (fast) ausschließliche betriebliche Nutzung des Wirtschaftsguts durch den Investor – sah der BFH als gegeben an. Zwar seien die Werkzeuge in der Spritzgussmaschine der Z eingesetzt worden. Das schließe aber die betriebliche Nutzung durch die Klägerin nicht aus. Denn Z erlange das Entgelt nicht aus dem Einsatz der Werkzeuge, sondern aus dem Spritzvorgang unter Nutzung der eigenen Spritzgussmaschine und des eingesetzten Materials. Die durch die Werkzeuge der Klägerin erfolgende Wertschöpfung werde hingegen allein im Betrieb der Klägerin erfasst. Die betriebliche Tätigkeit der Z sei nicht die Herstellung bestimmter Produkte, sondern die Durchführung des Spritzvorgangs. Dabei seien die von der Klägerin hierfür zur Verfügung zu stellenden Werkzeuge für den Betrieb von Z von untergeordneter, für den der Klägerin aber von entscheidender Bedeutung. Die Klägerin konnte danach für die Werkzeuge die Vergünstigungen des § 7g EStG a.F. in Anspruch nehmen.

2. Neufassung des § 7g EStG § 7g EStG ist (u.a.) hinsichtlich der Nutzungsvoraussetzung durch Art. 1 Nr. 4 des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.202037 neugefasst worden. Nunmehr38 kann die Vergünstigung nach § 7g EStG ausdrücklich auch für längerfristig vermietete Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden (§ 7g Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Nr. 2 EStG n.F.). In der Begründung des Gesetzentwurfs wird dazu ausgeführt, dass die Vermietung ei-

36 Ebenso z.B. Brandis in Brandis/Heuermann, § 7g EStG Rz. 47. 37 BGBl. I 2020, 3096. 38 Nach § 52 Abs. 16 EStG ist die Neufassung des § 7g Abs. 1 Satz 1 sowie des Abs. 6 erstmals für Investitionsabzugsbeträge und Sonderabschreibungen anzuwenden, die in nach dem 31.12.2019 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen werden.

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nes Wirtschaftsguts zu Betriebseinnahmen und damit zu einer betrieblichen Vermögensmehrung führe und dieses Ergebnis dem Fördergedanken des § 7g EStG entspreche.39 Begünstigt ist also eine langfristige Nutzungsüberlassung nur, wenn sie entgeltlich ist. Auch nach der Neufassung des § 7g EStG bleibt das Besprechungsurteil daher für die darin entschiedene Fallkonstellation von Bedeutung.

39 BR-Drucks. 503/20, 80 f.

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Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Personengesellschaften Dr. Martin Strahl Steuerberater, Köln I. Mitunternehmerstellung eines atypisch stillen Gesellschafters

II. Ausschluss der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG durch ausländische Buchführungs- und Bilanzierungspflichten

I. Mitunternehmerstellung eines atypisch stillen Gesellschafters (1) Das BFH-Urteil v. 12.4.20211 – VIII R 46/181 fügt der Vielschichtigkeit des Typus „Mitunternehmer“ eine weitere Facette hinzu, indem Ausführungen dazu getroffen werden, in welcher Konstellation die Mitunternehmerstellung eines atypisch stillen Gesellschafters auch bei einem nur herabgestuften Mitunternehmerrisiko zu bejahen sein kann. (2) Als Mitunternehmer anzusehen ist ein Gesellschafter oder Darlehensgeber, wenn er kumulativ Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Zwar müssen beide Merkmale vorliegen; indes kann ihre Ausprägung im Einzelfall unterschiedlich stark sein, so dass ein geringeres mitunternehmerisches Risiko durch eine besonders starke Ausprägung des Initiativrechts ausgeglichen werden kann und umgekehrt. Für die Annahme einer besonders stark ausgeprägten Mitunternehmerinitiative genügt es aber nicht, dass die Kontrollbefugnisse des § 233 HGB beispielsweise iS der Rechte nach § 716 BGB ausgedehnt werden (der Gesellschafter sich mithin von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich unterrichten, die Geschäftsbücher und die Papiere der Gesellschaft einsehen und sich aus ihnen eine Übersicht über den Stand des Gesellschaftsvermögens anfertigen kann). Erforderlich ist vielmehr, dass dem Stillen Geschäftsführungsbefugnisse oder anderweitige Direktionsrechte rechtlich abgesichert übertragen werden. Dabei ist 1 Vgl. BFH v. 12.4.2021 – VIII R 46/18, GmbHR 2021, 889 = ZIP 2021, 1702, BStBl. 2021 II, 614.

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bei einer GmbH & Still die Möglichkeit des stillen Gesellschafters zur Entfaltung einer besonders stark ausgeprägten Mitunternehmerinitiative nicht nur anhand des Gesellschaftsvertrags der stillen Gesellschaft zu beurteilen. Sie kann sich vielmehr auch aus der Stellung als Organ der GmbH ergeben (Rz. 22 der Urteilsgründe). (3) Der Kläger beteiligte sich als stiller Gesellschafter an einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer sein Vater ist. Nach dem Gesellschaftsvertrag war der Kläger zu 20 % am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt, wobei betragsmäßige Obergrenzen nicht bestanden. An der Vermögenssubstanz und dem Firmenwert des Unternehmens war der Stille nicht beteiligt. Bei Beendigung der Gesellschaft stand ihm eine Abfindung zu, bei deren Ermittlung stille Reserven unberücksichtigt bleiben. Die Abfindung bestand aus der Rückzahlung der Einlage nach Saldierung mit einem bestehenden Verlustkonto und einem Anteil an den am Tag der Beendigung der Gesellschaft schwebenden Geschäften. Dem Stillen standen die Rechte nach § 716 BGB zu. Er war darüber hinaus leitender Angestellter der GmbH, dem Einzelprokura erteilt worden war. (4) Sämtliche Beteiligten – sowohl der Kläger wie auch das FA – gingen davon aus, dass die Einnahmen aus der stillen Beteiligung Einkünfte aus Kapitalvermögen begründeten, es sich mithin um eine typisch stille Gesellschaft handele. Streitig war, ob auf diese Einkünfte der tarifliche Steuersatz oder aber der besondere Steuersatz von 25 % anzuwenden sei, was das in erster Instanz entscheidende Hessische Finanzgericht für die Streitjahre 2012 bis 2014 bejahte, da kein Näheverhältnis iSv. § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG zwischen dem Stillen und seinem Vater bestehe. (5) Der BFH hielt die Rev. des FA für begründet und wies die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. Dies indes vor dem Hintergrund, dass ein Feststellungsverfahren iSv. § 179 Abs. 1 iVm. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO durchzuführen sei, weil es zumindest möglich erscheine, dass der Stille – anders als von den Beteiligten angenommen – die streitigen Gewinnbeteiligungen als atypisch stiller Gesellschafter im Rahmen einer Mitunternehmerschaft bezogen habe. Das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide sei gem. § 74 FGO auszusetzen, um den – ggf. negativen – Abschluss des Verfahrens zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte abzuwarten. (6) Die Entscheidung unterstreicht in geradezu klassischer Form, dass es sich beim „Mitunternehmer“ um einen Typus mit offener Merkmals68

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menge handelt. Dies wird mit der folgenden Grafik zu verdeutlichen gesucht: Mitunternehmerstellung eines atypisch stillen Gesellschafters

Mitunternehmerrisiko

herabgesetztes Mitunternehmerrisiko

volles Mitunternehmerrisiko

Mitunternehmerinitiative

ausreichende Mitunternehmerinitiative

besonders stark ausgeprägte Mitunternehmerinitiative

in Kombination jeweils Mitunternehmerstellung gegeben

(7) Idealtypisch ist die Mitunternehmerstellung zu bejahen, wenn neben ein volles Mitunternehmerrisiko eine ausreichende Mitunternehmerinitiative tritt. Das volle Mitunternehmerrisiko eines atypisch stillen Gesellschafters ist regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass das Unternehmen mit schuldrechtlicher Wirkung auf gemeinsame Rechnung und Gefahr des Geschäftsinhabers sowie des stillen Gesellschafters geführt wird. Daraus wird abgeleitet, dass der Stille nicht nur am laufenden Unternehmenserfolg beteiligt sein muss, sondern er entsprechend seinem Gewinnanteil auch Anspruch auf den Zuwachs der stillen Reserven des Betriebsvermögens einschließlich des Zuwachses am Firmenwert hat. Bleibt das Mitunternehmerrisiko des stillen Gesellschafters aber hinter jener Rechtsstellung zurück, kann die Mitunternehmerstellung gleichwohl aufgrund einer besonders ausgeprägten Mitunternehmerinitiative gegeben sein. Der BFH arbeitet heraus, dass im Rahmen der Prüfung der gesteigerten Mitwirkungsrechte auch eine Stellung des Stillen als Organ der GmbH zu berücksichtigen sei; denn der GmbH-Geschäftsführer, welcher zugleich stiller Gesellschafter ist, werde über die GmbH als stiller Gesellschafter „im Dienste der Personengesellschaft“ tätig. (8) Im Streitfall, der sich dadurch auszeichnete, dass der Stille weder an den stillen Reserven noch am Geschäftswert beteiligt war, könnte nach Auffassung des BFH dieses Defizit eines Mitunternehmerrisikos durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen sein, 69

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weil der Stille auch leitender Angestellter und Prokurist der GmbH war. Dies lässt es nach Auffassung des BFH keinesfalls als ausgeschlossen erscheinen, dass ihm Aufgaben der Geschäftsführung zur selbständigen Ausübung übertragen waren, mit denen ein nicht unerheblicher Entscheidungsspielraum und damit auch ein Einfluss auf grundsätzliche Fragen der Geschäftsleitung verbunden war (Rz. 25 der Urteilsgründe). Für die Praxis ist diesbezüglich als Abgrenzungsmerkmal vorgegeben, dass eine entsprechende Stellung rechtlich abgesichert sein muss, um eine besonders stark ausgeprägte Mitunternehmerinitiative annehmen zu können. Nicht ausreichend sind nur faktische – dh. rechtlich nicht abgesicherte – Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Unternehmensführung. In diesem Abgrenzungsmerkmal liegt eine Möglichkeit der Steuerung der Zuordnung, wenn eine atypisch stille Gesellschaft nicht gewollt ist.

II. Ausschluss der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG durch ausländische Buchführungs- und Bilanzierungspflichten (9) Der BFH hat mit Urteil v. 20.4.2021 – IV R 3/202 entschieden, dass das (materielle) Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 EStG ausgeschlossen ist, wenn nach zwingenden ausländischen Vorschriften sowohl eine Buchführungspflicht als auch eine Bilanzierungspflicht besteht. Die dadurch eintretende Sperrwirkung setzt nicht voraus, dass die ausländischen gesetzlichen Pflichten mit den deutschen funktions- und informationsgleich sind. Bei seiner ein „Goldfingermodell“ betreffenden Entscheidung hat der Senat eine als Mitunternehmerschaft anzusehende luxemburgische Personengesellschaft für Zwecke der Ermittlung ihrer in Deutschland steuerbefreiten, aber dem Progressionsvobehalt unterliegenden Einkünfte als „fiktive“ Normadressatin des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG behandelt; ein etwaiges Gewinnermittlungswahlrecht ist von ihr selbst, nicht von ihren inländischen Gesellschaftern auszuüben. (10) Dass eine ausländische Buchführungs- und Abschlusspflicht die Wahl der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausschließt, hat der BFH erstmals in einer Urteilssache entschieden. Die bisherigen Entscheidungen tendierten zwar bereits in diese Richtung, jedoch war die Kernfrage letztlich nicht entscheidungsrelevant oder es ging um vorläufigen 2 Vgl. BFH v. 20.4.2021 – IV R 3/20, GmbHR 2021, 1282 m. Anm. Nacke = DStR 2021, 1806.

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Rechtsschutz. Es handelt sich nach dem Verständnis des BFH bei den ausländischen Bestimmungen um andere Gesetze als die Steuergesetze iSd. § 140 AO, die für die Besteuerung von Bedeutung und deshalb für die deutsche Besteuerung heranzuziehen sind. Allerdings verlangt der BFH einschränkend, es dürfe sich nicht nur um Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten handeln, sondern es müsse außerdem die Verpflichtung bestehen, Vermögensaufstellungen (Bilanzen) zu erstellen, die – ggf. nach Überleitungsrechnungen – einen Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermöglichen. Nicht neu ist, dass ohne eine diesbezügliche Verpflichtung tatsächlich erstellte Jahresabschlüsse der Besteuerung zugrunde zu legen sind (also ebenfalls das Wahlrecht nur die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sperren), wenn sie den Finanzbehörden (auch – was bemerkenswert ist – den ausländischen) vor einer außerdem erstellten Einnahmenüberschussrechnung als Grundlage für die Gewinnermittlung offenbart werden. (11) Eine – der deutschen GmbH & Co. KG entsprechende – in Luxemburg ansässige S.à.r.l. & Cie S.e.c.s. betrieb gewerblichen Goldhandel. An ihr waren zwei deutsche GbR als alleinige Kommanditistinnen zu 100 % am Ergebnis und Vermögen beteiligt, deren Gesellschafter der deutschen Einkommensbesteuerung unterliegende natürliche Personen waren. Die luxemburgische Gesellschaft praktizierte das sog. Goldfingermodell und machte in Luxemburg erzielte nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte gewerbliche Einkünfte geltend, die in Deutschland nach dem DBA-Luxemburg unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freigestellt waren. Diese Einkünfte waren für 2011 infolge von als Betriebsausgaben absetzbaren Ausgaben für Goldkäufe negativ und für 2012 positiv. Der angestrebte Steuereffekt bestand darin, durch die Gewinnermittlung nach Abs. 3 EStG für das Jahr 2011 einen negativen Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG für die über die GbR beteiligten deutschen natürlichen Personen zu generieren. Das FA war der Meinung, wegen der nach luxemburgischen Recht bestehenden Buchführungspflichten sei der Klägerin die Wahl der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für die Ermittlung der unter den Progressionsvorbehalt fallenden gewerblichen Einkünfte verwehrt. Außerdem seien die in Luxemburg erzielten Einkünfte ohnehin nicht nach dem DBA freigestellt, so dass es sich um in Deutschland zu besteuernde nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermittelnde gewerbliche Einkünfte handele. Den weiteren Einwand, das gekaufte Gold wäre bei der etwaigen Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht sofort abzugsfähig, weil es 71

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sich um Wirtschaftsgüter iSd. § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG handele, ließ das FA im Einspruchsverfahren fallen. Mit der Klage gegen den im Übrigen abgewiesenen Einspruch gegen die Gewinnfeststellungsbescheide – die Kommanditisten-GbR waren nach Vollbeendigung der luxemburgischen Gesellschaft während des Klageverfahrens deren prozessuale Rechtsnachfolgerinnen und damit Klägerinnen – wurde weiterhin begehrt, steuerfreie, dem Progressionsvorbehalt unterliegende nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte Einkünfte festzustellen. Das FG gab der Klage insoweit statt, dass es die Feststellung steuerpflichtiger Einkünfte aufhob, lehnte aber die Ermittlung des unter den Progressionsvorbehalt fallenden Einkünfte nach § 4 Abs. 3 EStG ab. Dabei ließ es offen, ob eine ausländische Buchführungspflicht das Gewinnermittlungswahlrecht ausschließt, weil die luxemburgische Gesellschaft tatsächlich in Luxemburg ihren Gewinn durch Bilanz ermittelt habe und die Gesellschaft nicht habe nachweisen können, dass die außerdem erstellte und dem deutschen FA übermittelte Einnahmenüberschussrechnung zeitlich vorab als Gewinnermittlungsgrundlage in Verkehr gebracht worden sei. Der BFH hat der von ihm zugelassenen Rev. dergestalt stattgegeben, dass er die Sache an das FG zurückverwies. Dieses muss im zweiten Rechtsgang klären, ob das luxemburgische Recht neben der Buchführungspflicht auch die Verpflichtung zur Bilanzaufstellung vorsieht, weil ohne eine derartige Pflicht das Gewinnermittlungswahlrecht nicht gesperrt wäre. Bestand keine Bilanzierungspflicht, muss das FG klären, ob die Gesellschaft der Steuerbehörde zuerst die von ihr erstellte Einnahmenüberschussrechnung oder Bilanz vorgelegt hat. (12) Für die Besteuerungspraxis hat das die Verwaltungsauffassung grundsätzlich bestätigende Urteil des BFH weitgehend klare Verhältnisse geschaffen, obwohl es nicht jeden überzeugen dürfte. Der BFH hat sich mit den Bedenken auseinandergesetzt, die im Fachschrifttum gegen die Beurteilung vorgebracht worden sind. Unbehagen hinterlässt es, dass ausländisches Recht grundsätzlich unabhängig von seiner Qualität und ohne die für deutsche Gesetze vorgesehenen Kontrollen in das deutsche Steuerrecht „hineinregiert“. Der BFH will eine Reißleine nur in Gestalt einer „entsprechenden Anwendung des kollisionsrechtlichen ordre public-Vorbehalts“ gezogen wissen, „demzufolge eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden ist, wenn sie zu einem Ergebnis führen würde, das mit den wesentlichen Grundsätzen deutschen Rechts – insbesondere den Grundrechten – nicht vereinbar ist“ (Rz. 58 der Ur72

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teilsbegründung). Dem im Fachschrifttum erhobenen Einwand, die ausländischen Aufzeichnungs- und Abschlussvorschriften seien mit dem deutschen Bilanzsteuerrecht im Einzelfall nicht kompatibel, begegnet der Senat mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Vornahme von Überleitungsrechnungen, wie sie etwa auch § 60 Abs. 2 EStDV für die Angleichung der Handels- an die Steuerbilanz oder § 146 Abs. 2 AO für die Verwendung steuerrelevanter ausländischer Buchführungsergebnisse für Betriebsstätten vorsieht. Nicht vertieft worden ist, ob im Einzelfall die ausländischen Vorschriften so rudimentär oder diskrepant sein können, dass die „Überleitung“ real auf die erstmalige Aufstellung des Abschlusses hinausläuft. Dieser Gesichtspunkt sollte aber durchaus bedeutsam sein. Jedenfalls ist empfehlenswert, die ausländischen Vorschriften einer genauen Prüfung zu unterziehen. (13) Die Analyse etwaiger von der FinVerw. für die Wahlrechtssperre herangezogenen ausländischen Vorschriften ist insbes. aber deshalb angezeigt, weil der BFH sie nur als steuerrechtlich zwingend maßgeblich toleriert, wenn das ausländische Recht ausdrücklich neben den Aufzeichnungen die Erstellung einer (bilanzgleichen) Vermögensaufstellung verlangt, die (ggf. mit Überleitung) Gegenstand der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich sein kann. Weil das FG dies für den Streitfall nicht festgestellt hat, ist ua. die Sache zurückverwiesen worden. (14) Sollte sich im vorliegenden Streitfall im zweiten Rechtsgang herausstellen, dass das luxemburgische Recht zwar eine Buchführung, aber keinen bilanzähnlichen Abschluss verlangt, gewinnt die Feststellung Bedeutung, ob ein Abschluss freiwillig erstellt worden ist, was die angestrebte Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG bereits ausschließen würde. Für die luxemburgische Goldhandelsgesellschaft ist beim deutschen FA mit den Erklärungen zur Feststellung der unter den Progressionsvorbehalt fallenden Einkünfte (offenkundig) nur eine Einnahmenüberschussrechnung eingereicht worden, deren Ergebnisse Eingang in die Feststellungserklärungen fanden. Damit hätte die die luxemburgische Gesellschaft eigentlich ihr Gewinnermittlungswahlrecht ausgeübt, wie man meinen könnte. Der BFH hat jedoch Zweifel daran aufgeworfen, weil offenbar in Luxemburg ein Abschluss erstellt worden ist. Hat die luxemburgische Gesellschaft diesen der Steuerbehörde in Luxemburg eingereicht, bevor sie für deutsche Steuerzwecke die Einnahmenüberschussrechnung beim zuständigen deutschen FA verwendete, hätte sie nach dem Verständnis des BFH bereits den Bestandsvergleich gewählt und könnte diese Wahl nicht 73

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mehr revidieren. Sie trägt – wenn nicht ohnehin eine gesetzliche Bilanzierungspflicht bestand – im zweiten Rechtsgang nach den Ausführungen des BFH in der Urteilsbegründung die Feststellungslast dafür, dass sie zuerst die Einnahmenüberschussrechnung für Besteuerungszwecke (in Deutschland) verwendet hat, bevor sie der luxemburgischen Steuerbehörde eine in Luxemburg erstellte Bilanz einreichte. Das geht zu Lasten der deutschen Stpfl. sehr weit.

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Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Kapitalgesellschaften Dr. Peter Brandis Vorsitzender Richter am BFH, München I. Rechtsfolgen bei Umstrukturierungen – Einbringungsgewinn II und Veräußerungsbegriff 1. Leitsatz und Sachverhalt 2. Fragestellung 3. Entscheidung 4. Bemerkungen II. Verdeckte Gewinnausschüttungen 1. Verrechnungspreise Darlehen a) Leitsatz und Sachverhalt (BFH v. 18.5.2021 – Ermittlung fremdüblicher Zinsen auf Konzerndarlehen/vGA) b) Fragestellung c) Entscheidung d) Bemerkungen e) Leitsatz und Sachverhalt (BFH v. 18.5.2021 – Verzinsung eines Gesellschafterdarlehens/vGA) f) Fragestellung g) Entscheidung h) Bemerkungen 2. Rentenzahlung und Weiterbeschäftigung

a) b) c) d)

Leitsatz und Sachverhalt Fragestellung Entscheidung Bemerkungen

III. Organschaft 1. Atypisch stille Gesellschaft a) Leitsatz und Sachverhalt b) Fragestellung c) Entscheidung d) Bemerkungen 2. Weitere Hinweise IV. Gestaltungsmissbrauch – Tatbestand seit Gesetzesfassung 2008 1. Leitsatz und Sachverhalt 2. Fragestellung 3. Entscheidung 4. Bemerkungen V. Rangrücktrittsvereinbarung – Klausel „Sonstiges freies Vermögen“ 1. Leitsatz und Sachverhalt 2. Fragestellung 3. Entscheidung 4. Bemerkungen

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I. Rechtsfolgen bei Umstrukturierungen – Einbringungsgewinn II und Veräußerungsbegriff 1. Leitsatz und Sachverhalt BFH v. 18.11.2020:1 „1. Nach § 22 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 gilt zwar die Veräußerung der im Rahmen eines qualifizierten Anteilstauschs erhaltenen Anteile als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (Rückwirkungsfiktion). Die Korrektur eines bereits bestandskräftig gewordenen Steuerbescheids zur Erfassung eines durch die Veräußerung ausgelösten Einbringungsgewinns II gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO setzt aber des Weiteren voraus, dass der Veräußerungstatbestand nach Erlass des zu ändernden Bescheids verwirklicht worden ist. 2. Wird die übernehmende Kapitalgesellschaft innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt, führt dies zu einer Veräußerung des eingebrachten Anteils i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006.“

Es geht um die einem qualifizierten Anteilstausch (Wertansatz mit einem Wert unterhalb des gemeinen Werts, § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006) nachfolgende formwechselnde Umwandlung der übernehmenden Gesellschaft in eine oHG (§ 190 UmwG); die Eintragung des Formwechsels (gemäß § 9 i.V.m. §§ 3 ff. UmwStG 2006 zu Buchwerten) im Handelsregister erfolgte am …9.2008. Das FA erblickte im Formwechsel eine innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist vollzogene Veräußerung i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006, änderte deshalb den gegenüber der Klägerin für das Jahr 2007 ergangenen Einkommensteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und erfasste auf diese Weise einen Einbringungsgewinn II. Das Hessische FG beanstandete weder die geänderte Steuerfestsetzung noch die Entscheidung des FA zur beantragten Billigkeitsmaßnahme.2

1 BFH v. 18.11.2020 – I R 25/18, BStBl. II 2021, 732 = ZIP 2021, 1603; Anm. (zB) von Graw, DB 2021, 1502; jh, StuB 2021, 555; Jordan, NWB 2021, 2672; Krüger/ Gebhardt, GmbHR 2021, 1200; Möller, DStRK 2021, 204; Pfirrmann, BFH/PR 2021, 340; Pfirrmann, BFH v. 12.11.2020 – V R 41/18, HFR 2021, 821; Prinz, DB 2021, 1903; Schwetlik, GmbH-StB 2021, 206; Wacker, BFH v. 2.12.2020 – II R 17/18, DStR 2021, 1354. 2 Hess. FG v. 10.7.2018 – 2 K 406/16, EFG 2019, 941 m. Anm. Hennigfeld.

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2. Fragestellung Entsteht ein Einbringungsgewinn II infolge einer „Veräußerung des eingebrachten Anteils i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006“, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt wird?

3. Entscheidung Der BFH hat (mit dem FG) die Voraussetzungen eines Einbringungsgewinns II als erfüllt angesehen (s. Leitsatz 2.), konnte aber eine entscheidungserhebliche verfahrensrechtliche Frage (sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine belastende Änderung [Änderungsnorm?] erfüllt) nicht abschließend entscheiden. Denn die umwandlungssteuerrechtlichen Regelungen fingieren lediglich, dass die Veräußerung der erhaltenen Anteile ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellt. Sie entbinden nicht von der Prüfung der weiteren Voraussetzungen dieser Korrekturnorm (es liegt kein sog. Rechtsfolgenverweis vor – s. Leitsatz 1. [im Streitfall geht es um das Erfordernis der „Nachträglichkeit des Eintritts des rückwirkenden Ereignisses“ zur systematischen Abgrenzung der Änderungsnormen § 173 AO einerseits, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO andererseits]). Materiell-rechtlich hat der BFH hervorgehoben, dass er unter dem Gesichtspunkt der Veräußerung („Entgeltlichkeit“; ebenfalls: tauschähnliche Vorgänge) bereits die Aufwärtsverschmelzung einer Tochter- auf die Muttergesellschaft aus Sicht der Muttergesellschaft als Veräußerung angesehen hat, obgleich diese im Gegenzug für das erhaltene Vermögen (der Tochtergesellschaft) keine unmittelbare Gegenleistung an die „untergehende“ Tochtergesellschaft gewährt, aber in einer dem Tausch ähnlichen Weise mit dem Untergang ihrer bisherigen Beteiligung an der Tochtergesellschaft einen „Preis“ gezahlt hat. Auch die Qualifikation einer Sacheinbringung gegen Gewährung von Rechten an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft als tauschähnlicher Vorgang beruht auf ähnlichen Wertungen – an die Stelle einer im Gegenzug für das erhaltene Vermögen „vollwertigen“ Gegenleistung durch die Kapitalgesellschaft tritt die „bloße“ Einräumung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der Kapitalgesellschaft, deren Vermögen durch den Wert der eingebrachten Gegenstände erhöht wurde. Vielfach hat der BFH auch sonstige Umwandlungen, insbes. den Formwechsel, als tauschähnlich und damit als Veräußerungsvorgänge qualifiziert. Dann ist aber auch der Formwechsel als 77

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tauschähnlicher Vorgang hinsichtlich des eingebrachten Anteils an der C GmbH zu werten. Denn dieser Anteil geht aus steuerrechtlicher Sicht zusammen mit dem sonstigen Vermögen der B GmbH auf die B OHG, mittelbar auf deren Gesellschafter, und damit auf andere Rechtsträger über. Als „Gegenleistung“ verlieren dessen Gesellschafter zugleich ihre bisherige Beteiligung an der B GmbH. Die geforderte, aber auch ausreichende „Ähnlichkeit“ mit einem Tausch bedingt, dass die Transaktion nicht sämtliche Merkmale eines „vollwertigen“ Austauschs von Leistung und Gegenleistung bei beiden Transaktionsbeteiligten aufweisen muss. Ansonsten würde es sich ohnehin um einen Tausch – und nicht um einen tauschähnlichen Vorgang – handeln. Deshalb ist es im Streitfall für die Annahme eines tauschähnlichen Geschäfts nicht schädlich, dass der Formwechsel aus Sicht der B GmbH „lediglich“ zu einer Übertragung von Vermögen (auf die B OHG und mittelbar deren Gesellschafter) und aus Sicht des Empfängers dieses Vermögens zu einem Vermögenserwerb und zugleich zu einer „Gegenleistung“ in Gestalt des Verlusts der bisherigen Kapitalgesellschaftsbeteiligung kommt. Eine teleologische Reduktion des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 kommt nicht in Betracht, da der Formwechsel zu einem Transfer stiller Reserven zwischen der Klägerin und dem Mitgesellschafter D führt. Denn zunächst standen die stillen Reserven in den Anteilen an der B SLU und der C GmbH den jeweiligen Anteilsinhabern jeweils „exklusiv“ zu. Es handelte sich also um bestimmte stille Reserven, die von einem Steuersubjekt leistungsfähigkeitserhöhend erwirtschaftet wurden und diesem steuerlich persönlich zuzurechnen waren. Diese nämlichen stillen Reserven eines bestimmten Steuerrechtssubjekts hat der Gesetzgeber im Blick, wenn er nach Maßgabe des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 deren rückwirkende Besteuerung zum Einbringungszeitpunkt anordnet. Nach dem Anteilstausch waren die Klägerin und der Mitgesellschafter D an der B GmbH beteiligt und damit wechselseitig auch an den stillen Reserven der nunmehr zum Betriebsvermögen dieser GmbH gehörenden Anteile an der B SLU und der C GmbH. Nach Vollzug des Formwechsels blieb diese wechselseitige „Beteiligung“ an den stillen Reserven des jeweils anderen Gesellschafters erhalten. Der Senat könnte einer teleologischen Reduktion des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 jedoch nur unter der Prämisse nähertreten, dass es zu keinem solchen interpersonellen Transfer von stillen Reserven kommt. Das ist bei Einpersonengesellschaften denkbar, in der Konstellation des Streitfalls aber nicht.

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4. Bemerkungen a) Es wird von einer „Gestaltungsbremse“3 oder einer „Steuerfalle Folgeumwandlung“4 gesprochen. „Sperrfrist-Parallelen“ bestehen bei § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG („Nachspaltungsveräußerungssperre“) und bei § 6 Abs. 5 Satz 4-6 EStG (dazu demnächst Entscheidungen des IV.5 und des XI. Senats6). Zu § 22 UmwStG: beim Einbringungsgewinn I sind Einbringender und Veräußerer personenidentisch, beim Einbringungsgewinn II veräußert die übernehmende Kapitalgesellschaft, löst aber interpersonell beim Einbringenden (nachträglich) Steuerfolgen aus. b) Der Revisionserfolg der Klägerin beruht auf einer verfahrensrechtlichen Grundlage – zwar geht es hier um ein „rückwirkendes Ereignis“, aber die Anteilsveräußerung hat nicht nach dem Erlass des zu ändernden Bescheids stattgefunden, so dass die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt sind (ob § 173 AO in Betracht kommt [hatte das FA bei Bescheiderlass Kenntnis von dem Formwechsel, evtl. durch rechtzeitige Mitteilung i.S. des § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 UmwStG?], ist vom FG im zweiten Rechtsgang [Zurückverweisung an das FG] zu prüfen). Die materiell-rechtliche Rückwirkungsfiktion suspendiert daher nicht von den anderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. c) Der BFH fasst den „Veräußerungsbegriff“ des § 22 Abs. 2 UmwStG weit7 – der Formwechsel (§§ 3 ff. UmwStG 2006 – von GmbH in gewerbliche Personengesellschaft [oHG] zu Buchwerten) wird als tauschähnlicher Vorgang angesehen („Wechsel des Steuersubjekts“), so dass ein Einbringungsgewinn II zu erfassen ist (möglicherweise aber andere Lösung bei Einpersonengesellschaft [sog. obiter dictum]8 – maßgebend ist die Frage eines interpersonellen Transfers von stillen Reserven). Dabei hatte schon das BFH-Urteil I R 48/159 in der Situation der Aufwärtsverschmel3 Prinz, DB 2021, 1903. 4 ZB Jordan, NWB 2021, 2888; s.a. Jordan, NWB 2021, 2672. 5 BFH v. 15.7.2021 – IV R 36/18, GmbHR 2022, 158 m. Anm. Schindler = FR 2022, 344; dazu Sobisch, GmbH-StB 2022, 4. 6 BFH v. 18.8.2021 – XI R 43/20, FR 2022, 352 m. Anm. Wendt = GmbHR 2022, 608; dazu Sobisch, GmbH-StB 2022, 166. 7 Krit. zB Jordan, NWB 2021, 2888 (2889 – „tendenziell ausufernde und potenziell normzweckwidrige Auslegung“). Als jedenfalls „nicht überraschend“ qualifiziert von Krüger/Gebhardt, GmbHR 2021, 1200 (1204). 8 ZB Krüger/Gebhardt, GmbHR 2021, 1200 (1203). 9 BFH v. 24.1.2018 – I R 48/15, BStBl. II 2019, 45 = GmbHR 2018, 990 = ZIP 2018, 1593 = FR 2018, 752.

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zung von einer „Veräußerung“ gesprochen. Schwetlik10 sieht als „nachversteuerungsgefährdet“ an: Verschmelzung auf eine Tochtergesellschaft (down-stream-merger); Verschmelzung auf eine Schwestergesellschaft (side-stream-merger); Abspaltung aus der eingebrachten Kapitalgesellschaft auf die übernehmende Kapitalgesellschaft oder eine andere Gesellschaft; Formwechsel der übernehmenden Kapitalgesellschaft in eine vermögensverwaltende Personengesellschaft; Ausgliederung aus der übernehmenden Kapitalgesellschaft, soweit die eingebrachten Anteile bewegt werden und dabei keine steuerliche Buchwertfortführung gem. §§ 20, 21 UmwStG erfolgt. Dabei spiele es keine Rolle, zu welchem steuerlichen Wert die Umwandlung erfolgt (gemeiner Wert oder Buchbzw. Zwischenwert), ob Gesellschaftsrechte gewährt werden, die Gewährung von Gesellschaftsrechten gesetzlich ausgeschlossen ist oder auf die mögliche Gewährung von Gesellschaftsrechten verzichtet wird, und ob die Umwandlung zu einer Verbesserung oder Verschlechterung des steuerlichen Status’ (zB nach § 18 Abs. 3 UmwStG) führt. d) In diesem Inlandsfall sah der BFH keinen Anlass, auf unionsrechtliche Fragestellungen (Vereinbarkeit mit der Fusionsrichtlinie) einzugehen11 (s. sogleich zu e) u. dortige Fußn.). e) Parallelentscheidung: BFH v. 18.11.2020 – I R 24/18, GmbHR 2021, 1232.12 f) Zur GewSt. (keine Besteuerung gegen FinVerw.) bei Einbringungsgewinn I s. BFH v. 11.7.2019 – I R 26/18 v. 11.7.2019 (s. dazu die Steuerfachtagung 2020/Drüen)13 und bei Einbringungsgewinn II s. BFH v. 11.7.2019 – I R 13/18, BStBl. II 2022, 92 = FR 2020, 461.

10 Schwetlik, BFH v. 18.11.2020 – I R 25/18, ZIP 2021, 1603 = GmbH-StB 2021, 206 (208). 11 Krüger/Gebhardt (GmbHR 2021, 1200, 1207 f.) sehen aber auch eine Relevanz dieser Frage bei inländischen Umwandlungen. 12 In diesem Fall ging es um eine vorherige Einbringung einer spanischen Kapitalgesellschaft – der BFH verweist darauf, dass im zweiten Rechtsgang auch die Frage der Übereinstimmung der Besteuerung mit der sog. Fusionsrichtlinie zu prüfen sei (dazu Krüger/Gebhardt, GmbHR 2021, 1200 [1206 f.]). 13 Drüen/Rödder, StbJb. 2020/2021, 25.

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II. Verdeckte Gewinnausschüttungen 1. Verrechnungspreise Darlehen a) Leitsatz und Sachverhalt (BFH v. 18.5.2021 – Ermittlung fremdüblicher Zinsen auf Konzerndarlehen/vGA) „1. Für die Ermittlung fremdüblicher Darlehenszinssätze ist vor Anwendung der sog. Kostenaufschlagsmethode zu prüfen, ob die Vergleichswerte mithilfe der Preisvergleichsmethode ermittelt werden können. Das gilt auch für unbesichert gewährte Konzerndarlehen und unabhängig davon, ob die Darlehen von der Muttergesellschaft oder von einer als Finanzierungsgesellschaft fungierenden anderen Konzerngesellschaft gewährt worden sind. 2. Für die Beurteilung der Bonität ist nicht die durchschnittliche Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns, sondern die Bonität der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft maßgebend (‚Stand alone‘-Rating). Ein nicht durch rechtlich bindende Einstandsverpflichtungen anderer Konzernunternehmen verfestigter Konzernrückhalt ist nur zu berücksichtigen, falls ein konzernfremder Darlehensgeber der Konzerngesellschaft dadurch eine Kreditwürdigkeit zuordnen würde, die die ‚Stand alone‘-Bonität der Gesellschaft übersteigt.“14

Unternehmensgegenstand der inländischen klagenden GmbH ist die Verwaltung industrieller Beteiligungen. Alleinige Gesellschafterin war in den Streitjahren (ursprünglich 2001 bis 2004, im Revisionsverfahren nur noch 2002 und 2003) die niederländische Y N.V., eine international tätige Industrieholding. Eine weitere Tochtergesellschaft der Y N.V. war die als Konzernfinanzierungsgesellschaft fungierende Z B.V. (Niederlanden). Die Z B.V. reichte an die Klägerin seit dem Jahr 1997 fortlaufend Darlehen aus, die eine Laufzeit von vier bis sieben Jahren aufwiesen (vorbehaltlich möglicher Sondertilgungen). Die vereinbarten Zinssätze betrugen zwischen 4,375 % und 6,45 %. Die Klägerin erklärte sich in den schriftlichen Darlehensverträgen zur Stellung ausreichender Sicher14 BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, ZIP 2021, 2385, Ubg. 2021 = 715 (eine zur mündlichen Verhandlung von der Pressestelle des BFH verlautbarte Zusammenstellung möglicher Fragenkomplexe als Gegenstände des Revisionsverfahrens war Anlass für weitere Stellungnahmen in der Literatur und Anregungen zur Urteilsfindung, s. Andresen, Ubg. 2021, 271); dazu Anm. (zB) von Andree/ Bärsch/Engelen, IStR 2021, 900; Binnewies/Mückl/Olbing, GmbHR 2021, 1293, 1312; Böing/Rasch, Ubg. 2021, 726; Busch, DB 2021, 2854; Greil, Ubg. 2021, 723; Greil, IStR 2021, 960 (963); Haverkamp, ISR 2021, 479; jh, StuB 2021, 868; JS, DStZ 2021, 964; Kohlhepp, DB 2021, 2920 (2924); Korn, NWB 2021, 3163; Levedag, GmbHR 2021, R 373; Martini, Ubg. 2021, 722; Salzmann, DStRK 2021, 323; Schnitger/Schäfer, IStR 2021, 848; Schwetlik, GmbH-StB 2021, 374; Seppelt, BB 2021, 2930.

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heiten bereit, „falls die Darlehensgeberin dies wünscht“. Zur Stellung von Sicherheiten ist es jedoch bei keinem der Darlehen gekommen. Zudem führte die Z B.V. gegenüber der Klägerin ein Kontokorrent-Darlehenskonto. Die Klägerin nahm auch bei Banken Fremdkapital auf. So nahm sie mit Vertrag vom 28.11.2003 bis zum 12.10.2004 einen Kreditrahmen bei der A Bank in Höhe von … t in Anspruch. Der Kredit diente der „Betriebsmittelfinanzierung im Teilkonzern Y GmbH, sowie für Aval-/Akkreditiv- als auch Derivate-Geschäft“. Die Sollzinsen betrugen 5,75 % p.a. für die Inanspruchnahmen im Kontokorrent. Als Sicherheit sah § 3 des Vertrags eine unbefristete selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft der Y N.V. von … t vor. Das FA meinte, der für die von der Z B.V. gewährten Darlehen in den Streitjahren gebuchte Zinsaufwand sei überhöht; die vereinbarten Zinssätze entsprächen nicht dem Fremdvergleich und seien deshalb teilweise als vGA zu behandeln. Die Zinssätze seien anhand des relevanten Euriborzinses für fünfjährige Darlehen zuzüglich einer Marge zur Abdeckung von Kosten und Risiken von 1,25 % ermittelt worden. Demgegenüber hätten die Zinsen für die von der Klägerin im Streitzeitraum aufgenommenen Darlehen bei Banken jeweils nur etwa 4,1 % bis 3,6 % im Jahr 2002 und 3,9 % bis 2,9 % im Jahr 2003 betragen. Die von der Klägerin gezahlten Zinsen seien zu überprüfen, weil die Niederlande Steuervergünstigungen für Konzernfinanzierungsgesellschaften anböten. Die Steuerbelastung belaufe sich bei voller Inanspruchnahme der Vergünstigungen auf nur etwa 7 % der Einkünfte. Die Überprüfung, ob die Zinsvereinbarungen einem Fremdvergleich standhielten, sei im Fall der Weiterleitung aufgenommener Kreditmittel an eine verbundene Gesellschaft nur nach der Kostenaufschlagsmethode vorzunehmen. Bei den Darlehensgewährungen im Unternehmensverbund stehe der Dienstleistungscharakter im Vordergrund; die Finanzierungsgesellschaft handle nicht als Bank und habe auch nicht die damit verbundenen Kosten. Die jährlichen Personal- und Sachkosten der Z B.V. seien gering. Vielmehr handele die Finanzierungsgesellschaft wirtschaftlich als Agent bzw. Kommissionär, so dass auch nach den sog. Verwaltungsgrundsätzen die Kostenaufschlagsmethode anzuwenden sei. Da die Klägerin während der Prüfung entgegen ihren Pflichten nach § 90 Abs. 2 und 3 AO die Refinanzierungskosten der Z B.V. nicht im Einzelnen nachgewiesen, sondern nur das „Konzernreporting“ vorgelegt habe, seien die angemessenen Kosten zu schätzen. Bei seiner Schätzung legte das FA zunächst die ihm aus dem Reporting bekannten Refinanzierungskosten der Z B.V. zugrunde. Diese betrügen zwischen 57,7 % bis 49,2 % der Zinseinnahmen 82

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der Z B.V. Zusätzlich seien die Kosten für das von der Z B.V. bei der Ausgabe der Darlehen eingesetzte Eigenkapital entsprechend der Eigenkapitalquote der Z B.V. zu ermitteln und ein angemessener Eigenkapitalzins zu berücksichtigen. Der Eigenkapitalzins, der sich an den Habenzinsen orientieren müsse, betrage geschätzt 70 % des Zinssatzes der Refinanzierungskosten. Abschließend seien die Personalkosten zu berücksichtigen, soweit sie bei der Z B.V. angefallen und auf die Darlehen der Klägerin entfallen seien. Auf die sich danach ergebenden Kosten sei ein konzernüblicher Gewinnzuschlag von 5 % der Kosten hinzuzurechnen. Die Klage hatte in erster Instanz teilweise Erfolg. Das FG Münster15 hält zwar (wie das FA) die Kostenaufschlagsmethode für die im Streitfall zutreffende Methode zur Ermittlung der Fremdvergleichspreise, kommt aber nach Durchführung einer eigenen Berechnung zu höheren Fremdvergleichszinsen. b) Fragestellung Es geht um die Methode zur Ermittlung des Fremdvergleichspreises bei Darlehensgewährung durch eine im Ausland ansässige Schwesterkapitalgesellschaft, insbes. um die Schätzung eines Fremdvergleichspreises nach der sog. Kostenaufschlagsmethode. c) Entscheidung Das Fremdvergleichsergebnis (als Grundlage des Ansatzes einer vGA/im Streitjahr deckungsgleich nach § 1 Abs. 1 AStG) wurde vom BFH verworfen. Auch wenn die Schätzung fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise im Rahmen von Lieferungs- und sonstigen Leistungsverhältnissen zwischen verbundenen Unternehmen mithilfe der sog. transaktionsbezogenen Standardmethoden (Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode, Kostenaufschlagsmethode) dem FG als Tatsacheninstanz obliegt, ist diese Schätzung revisionsrechtlich nicht unangreifbar. „aa) Bei der Preisvergleichsmethode handelt es sich um die Grundmethode zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise, weil sie unmittelbar zur Feststellung des Vergleichspreises führt (…). Der steuerrechtlich maßgebliche Fremdvergleich muss nach Möglichkeit aus konkret festgestellten Vergleichswerten abgeleitet werden. Deshalb ist, wenn sich für eine bestimmte Leistung im Geschäftsverkehr des betreffenden Unternehmens mit Dritten (interner Preisver15 FG Münster v. 7.12.2016 – 13 K 4037/13 K, F, EFG 2017, 334 m. Anm. Schmitz-Herscheidt.

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zu Kapitalgesellschaften gleich) oder im allgemeinen Geschäftsverkehr (externer Preisvergleich) ein bestimmter Preis als üblich feststellen lässt, für Zwecke der Besteuerung auf diesen Preis abzustellen (…). bb) Unter der zuletzt genannten Voraussetzung (es lässt sich ein bestimmter Preis oder eine Preisspanne als üblich feststellen) ist dieser übliche Preis (Marktpreis) für den Fremdvergleich auch dann maßgeblich, wenn er höher oder niedriger liegt als der Betrag, der bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode als Selbstkosten des leistenden Unternehmens nebst angemessenem Gewinnaufschlag ermittelt würde. Für den Fall, dass der übliche Preis den Betrag der Selbstkosten nebst angemessenem Gewinnaufschlag des leistenden Unternehmens übersteigt, ergibt sich dies aus der Überlegung, dass sich der gedachte ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des liefernden Unternehmens für seine Preisgestaltung gegenüber fremden Dritten auch dann am Marktpreis orientieren könnte und im Interesse seines Unternehmens auch würde, wenn der Marktpreis im betreffenden Fall zu einer ungewöhnlich hohen Gewinnmarge führen würde. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des die Leistung empfangenden Unternehmens würde den marktüblichen Preis akzeptieren dürfen und müssen, weil er auf dem Markt keinen günstigeren Anbieter finden würde. Liegt der Marktpreis hingegen unter dem Betrag der Selbstkosten des liefernden Unternehmens nebst angemessenem Gewinnaufschlag, würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter dieses Unternehmens regelmäßig vom Geschäftsabschluss ganz absehen, weil der Geschäftsabschluss zu einem Verlust für sein Unternehmen führen würde. … cc) Für die Ermittlung fremdüblicher Darlehenszinssätze kommt regelmäßig die Preisvergleichsmethode zur Anwendung; Fremdpreis ist der Zins, zu dem Fremde unter vergleichbaren Bedingungen den Kredit am Geld- oder Kapitalmarkt gewährt hätten (…). Die grundsätzliche Geeignetheit der Preisvergleichsmethode für die Ermittlung fremdüblicher Darlehenszinsen ergibt sich daraus, dass das Objekt der Leistung (Überlassung von Geld für einen bestimmten Zeitraum) im Kern homogen und objektiv vergleichbar ist und es für die Aufnahme und Vergabe von Krediten zahlreiche Märkte mit verfügbaren Informationen und Analysen gibt (…). dd) Wie sowohl die Klägerin als auch das BMF zu Recht bemängeln, hat das FG nicht hinreichend geprüft, ob im Streitfall die Preisvergleichsmethode für die Ermittlung der fremdvergleichsgerechten Darlehenszinsen zur Anwendung kommen kann (…). (1) So darf der (‚interne‘) Fremdvergleich mit den von der Klägerin bei außenstehenden Banken aufgenommenen Darlehen nicht ohne weitere Feststellungen mit der Begründung abgelehnt werden, es fehle an der Vergleichbarkeit der Leistungen, weil für die Bankdarlehen (anders als für die verfahrensgegenständlichen Darlehen der Z B.V.) Bürgschaften der Konzernobergesellschaft als Sicherheiten gestellt worden seien. Denn es erscheint nicht von vornherein als ausgeschlossen, dass der Einfluss dieser Sicherheiten auf die Höhe des vereinbarten Zinses (ggf.

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zu Kapitalgesellschaften unter Heranziehung eines Sachverständigen) im Rahmen einer Schätzung quantifiziert und durch Anpassungsrechnungen (…) eliminiert werden könnte. (2) Auch die Durchführung eines externen Fremdvergleichs hat das FG mit unzureichender Begründung verworfen. Dass die Darlehensgeberin Z B.V. als konzerninterne Finanzierungsgesellschaft nicht die gleichen Strukturen wie eine Geschäftsbank aufweisen mag, steht einem externen Fremdvergleich nicht grundsätzlich entgegen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass die Klägerin einen Vergleich mit der Verzinsung von Unternehmensanleihen vorgeschlagen hat (…). Es ist nicht ersichtlich, dass Unternehmensanleihen primär nur von Banken gezeichnet werden; vielmehr richten sich diese in der Regel an ein breiteres Spektrum von Geldgebern. Die Annahme, Unternehmensanleihen seien ‚typischerweise nachrangiges Kapital‘, wird vom FG durch keinerlei nähere Feststellungen belegt und erscheint rein spekulativ. (3) Ein Fremdvergleich anhand der Preisvergleichsmethode muss im Streitfall nicht daran scheitern, dass die Klägerin in einen Konzernverbund eingegliedert ist. Zwar geht die Vorinstanz im Ausgangspunkt zu Recht davon aus, dass die Konzernzugehörigkeit eines Unternehmens unter Umständen Einfluss auf die Beurteilung der Bonität dieses Unternehmens (dh. die Fähigkeit, zukünftig den Zahlungsverpflichtungen zu den vereinbarten Zeitpunkten nachzukommen) haben kann (…). Es fehlt jedoch jede Auseinandersetzung mit der Frage, ob und wie fremde Dritte die Konzernzugehörigkeit bei der Bemessung des Zinssatzes im Streitfall berücksichtigen würden und ob nicht ggf. durch Rückgriff auf die Behandlung der Gruppenzugehörigkeit im Rahmen von Ratingprozessen eine Anpassung im Vergleich zum reinen ‚Stand alone‘-Rating vorgenommen werden könnte (…). (4) Zu Unrecht hat das FG des Weiteren eine Befassung mit dem von der Klägerin vorgelegten Rating von Standard & Poor’s abgelehnt, weil dieses nicht prüfbar sei. Würde es sich … bei einem derartigen Rating um eine von der Marktpraxis anerkannte und angewendete Grundlage für die Bonitätsbeurteilung von Unternehmen handeln, könnte ein Gericht es durchaus auch dann zur Ermittlung eines fremdvergleichskonformen Darlehenszinses heranziehen, wenn ihm die von der Rating-Agentur verwendeten mathematischen Algorithmen und betriebswirtschaftlichen Kennzahlen nicht im Einzelnen bekannt sind. Im Übrigen hat das FG im Rahmen der Amtsermittlung nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO die Möglichkeit, ggf. einen Vertreter der Rating-Agentur zu Einzelheiten der Bonitätsermittlung zu befragen, das vorgelegte Rating durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen oder einen Sachverständigen mit einer eigenen Bonitätsbeurteilung zu betrauen.“

d) Bemerkungen aa) Im Streitfall hatte eine inländische Konzerngesellschaft mehrere Darlehen bei einer in den Niederlanden ansässigen Gesellschaft aufgenommen, die als Konzernfinanzierungsgesellschaft fungierte. FA und FG hielten die vereinbarten Darlehenszinsen für überhöht und ermittel-

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ten die fremdüblichen Zinssätze auf der Basis der sog. Kostenaufschlagsmethode. bb) In den Streitjahren 2002 und 2003 war der Prüfungsmaßstab vGA/§ 1 AStG rechtsidentisch, so dass sich der BFH nicht gehindert sah, Rechtsgrundsätze, die zuvor zu § 1 AStG gesprochen waren (zB sog. Konzernrückhalt; Bonitätsprüfung), auch auf die (hier streitige) vGA zu übertragen (wenn man allerdings mit guten Gründen davon ausgeht, dass § 1 AStG später nur „konkretisierend ausgefüllt“ wurde,16 gilt dies auch für spätere Zeiträume). „Angemessenheit“ ist grds. das Ergebnis einer Schätzung des Tatsachengerichts (dabei besteht im Grundsatz eine „Methodenwahlfreiheit“ bei der Ermittlung [„Wahlausübung durch das FG“]; aber es gilt auch die sog. Bandbreiten-Rspr., und der am wenigsten belastende „angemessene“ Preis ist in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen; verfahrensrechtlich besteht eine Bindung des Revisionsgerichts nach § 118 Abs. 2 FGO, soweit keine Rechtsfehler ersichtlich sind);17 maßgebender Zeitpunkt ist grds. der Vertragsschluss (s. nun auch § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG nF). cc) Die Fremdüblichkeit des vereinbarten Zinssatzes für ein Konzerndarlehen ist zunächst auf die Weise zu ermitteln, dass der vereinbarte Zins mit dem Zins verglichen wird, der bei vergleichbaren Geschäften zwischen unabhängigen Dritten oder zwischen einem der Konzernunternehmen mit einem unabhängigen Dritten vereinbart worden ist (sog. Preisvergleichsmethode). Die Preisvergleichsmethode ist dabei als „Grundmethode“ anzusehen (Instrumente: interner/externer Fremdvergleich, Rating – eine etwaige Nachrangigkeit und fehlende Sicherheiten sind zinserhöhend zu berücksichtigen). Erst wenn ein derartiger Preisvergleich nicht möglich ist,18 kann die sog. Kostenaufschlagsmethode angewendet werden, bei der die Selbstkosten des Darlehensgebers ermittelt und um einen angemessenen Gewinnaufschlag erhöht werden. In den Urteilsgründen ist der BFH auch auf weitere Aspekte des Fremdvergleichs eingegangen. So ist bei der für die Zinshöhe bedeutsamen Bonität des Darlehensnehmers grundsätzlich auf die Bonität des Einzelunternehmens („stand-alone“) und nicht auf die Bonität des Gesamtkonzerns 16 So Greil, Ubg. 2021, 723 (soweit es nicht um den Median-/Mittelwertansatz [§ 1 Abs. 3a Satz 3, 6 AStG nF] geht). 17 Greil, Ubg. 2021, 723 (725) differenziert zwischen der Schätzung iSd. § 162 AO (betr. vGA) und der Fremdvergleichspreisermittlung iSd. § 1 Abs. 3 AStG (Amtsermittlung). 18 „Ultima ratio“ – s. Böing/Rasch, Ubg. 2021, 726.

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abzustellen; immerhin kann einem konzernangehörigen Einzelunternehmen im Einzelfall auch eine höhere Bonität zukommen. Dies ist konsequent: „Ausgeblendet wird ausschließlich die zwischen Darlehensgeber und -nehmer bestehende gesellschaftliche Bindung, während die sonstigen Umstände – also auch die Konzernzugehörigkeit als solche – identisch bleiben. Dies schließt es … zugleich aus, auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhende Besonderheiten des Darlehens … bei dem Fremdvergleich zu berücksichtigen; auf ein Darlehen eines fremden Dritten finden solche Besonderheiten keine Anwendung“.19

dd) Weitere Überlegungen zum Fremdvergleich folgen aus den Hinweisen für den zweiten Rechtsgang: „a) Das BMF vermutet, eine noch durchzuführende Funktions- und Risikoanalyse der an den Geschäftsvorfällen beteiligten Personen werde voraussichtlich zu dem Ergebnis kommen, dass die Z B.V. tatsächlich nicht die üblichen Risiken eines Darlehensgebers trage, sondern lediglich als ‚risikoarmer Dienstleister‘ fungiere. In diesem Fall wäre … das angemessene Entgelt nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln, weil mit dem Zins lediglich eine konzerninterne Dienstleistung abzugelten sei. Um die Z B.V. als wirkliche Darlehensgeberin einordnen zu können, müsste diese nach Auffassung des BMF die aus den Darlehen resultierenden ökonomischen Risiken (Kreditausfallrisiko, Refinanzierungsrisiko und Zinsänderungsrisiko) tatsächlich tragen und in der Lage sein, die mit den Finanzierungen verbundenen Tätigkeiten und die damit einhergehenden Aufgaben des Risikomanagements selbstbestimmt wahrzunehmen. Diese Voraussetzungen wären nicht gegeben, wenn (wovon bei einer konzerninternen Finanzierungsgesellschaft auszugehen sei) die Sicherstellung der finanziellen Stabilität und Liquidität der Gesellschaft im Interesse der Muttergesellschaft bzw. der Unternehmensgruppe liege. Denn es wäre dann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Muttergesellschaft bei drohender Insolvenz der Gesellschaft finanzielle Unterstützung leisten würde. Die Finanzierungsgesellschaft trüge dann grundsätzlich keine faktischen Risiken, die mit dem Darlehenszins abzugelten wären. Diesen Erwägungen ist nicht zu folgen. Ausgangspunkt für die Risikoanalyse im Rahmen des Fremdvergleichs ist das aus dem abgeschlossenen Vertrag sich ergebende Leistungsgefüge und das Verhältnis der Vertragsparteien. Da es sich im Streitfall um unbesicherte Darlehen gehandelt hat, hat im Verhältnis der Vertragsparteien allein die darlehensgebende Z B.V. das Kreditausfallrisiko der Klägerin getragen. Ein Grund für eine Reduzierung der von der Klägerin für die Inanspruchnahme der Darlehen zu entrichtenden Entgelte, weil ein Teil der Kreditrisiken bei ihr selbst verblieben wäre, liegt somit nicht vor. Der Umstand, dass die darlehensgebende Z B.V. als konzerninterne Finanzierungsgesellschaft im Falle einer durch einen Kreditausfall ausgelösten Krise wahr19 Martini, Ubg. 2021, 722. Krit. bzw. abl. hingegen Greil, Ubg. 2021, 723 (724).

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zu Kapitalgesellschaften scheinlich von der Konzernspitze finanzielle Unterstützung erfahren würde, hat keinen Einfluss auf das Leistungsgefüge der mit den Konzerngesellschaften abgeschlossenen Darlehensverträge oder auf die Bewertung der im Rahmen der Darlehensverhältnisse zu erbringenden gegenseitigen Leistungen. Allenfalls könnte die Überlegung des BMF dazu führen, dass im Rahmen eines konzernweiten Fremdvergleichs die Finanzierungsgesellschaft einen Teil der vereinnahmten Zinserträge als ‚Gebühr‘ für den finanziellen Rückhalt an die Konzernspitze weiterleiten müsste, so dass bei ihr im Ergebnis nur noch ein Anspruch auf risikofreie Rendite verbleibt (…). Im Streitfall geht es jedoch nicht darum, welcher Teil der Zinserträge nach Durchführung eines konzernweiten Fremdvergleichs bei der Finanzierungsgesellschaft zu verbleiben hat, sondern ausschließlich um die Angemessenheit des Entgelts für die Kapitalüberlassung im Verhältnis der Parteien des Darlehensvertrags. Diese hängt aber nicht von den finanziellen Kapazitäten des Darlehensgebers ab. Andernfalls würde das nach dem Fremdvergleichsgrundsatz kaum zu rechtfertigende Ergebnis eintreten, dass Konzerngesellschaften Darlehen, die sie von einer Schwestergesellschaft erhalten, anders (geringer) zu verzinsen hätten als die nämlichen Darlehen, würden diese unter den gleichen Bedingungen unmittelbar von der Konzernobergesellschaft ausgereicht. b) Im Rahmen eines (internen oder externen) Preisvergleichs wird zur Feststellung des Kreditausfallrisikos eine Bonitätsbeurteilung der Klägerin erforderlich werden. Es bestehen zwischen den Beteiligten unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Bedeutung im Rahmen einer Bonitätsbeurteilung dem Umstand beizumessen ist, dass die Klägerin Bestandteil einer Unternehmensgruppe ist und dass ggf. damit gerechnet werden kann, dass sie im Krisenfall von der Konzernspitze finanzielle Unterstützung erfahren würde (Rückhalt im Konzern). Während die Klägerin für eine grundsätzlich konzernunabhängige (‚Stand alone‘-)Betrachtung der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft eintritt, die ggf. im Einzelfall (abhängig vom Grad der Integration der Gesellschaft in den Konzern) anzupassen ist, tritt das BMF dafür ein, für die Bonitätsbeurteilung von Konzerngesellschaften auf die gewichtete durchschnittliche Kreditwürdigkeit der gesamten Unternehmensgruppe (Konzernrating) abzustellen (…). Nach der jüngeren Senatsrechtsprechung zum Fremdvergleich im Rahmen des § 1 Abs. 1 AStG kann in einem passiven, dh. nicht durch rechtlich bindende Einstandsverpflichtungen anderer Konzernunternehmen verfestigten, Konzernrückhalt keine werthaltige Besicherung des Rückzahlungsanspruchs gesehen werden (…) und ist die Bonitätsprüfung daher an den Verhältnissen der konkret das Darlehen in Anspruch nehmenden Konzerngesellschaft auszurichten (…). An dieser Beurteilung ist (auch für den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) festzuhalten. Ein wirtschaftlich vernünftig handelnder, konzernfremder Darlehensgeber würde grundsätzlich nur diejenigen Aspekte in die Bonitätsbeurteilung seines Vertragspartners einfließen lassen, auf die er sich im Krisenfall tatsächlich verlassen könnte. Eine Bonitätsbeurteilung anhand der durchschnittlichen Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns würde den Erfordernissen des

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zu Kapitalgesellschaften Fremdvergleichs demgegenüber nicht gerecht. Sie wird denn auch vom BMF vornehmlich nicht mit Fremdvergleichsaspekten, sondern mit dem Argument der Missbrauchsverhinderung begründet: Mit einem derartigen Konzernrating könne verhindert werden, dass vergleichsweise hohe Fremdkapitalzinsen als Betriebsausgaben das zu versteuernde Einkommen bei Unternehmen in Ländern mit hohen Steuersätzen minderten und zugleich das zu versteuernde Einkommen als Betriebseinnahme bei Unternehmen in Ländern mit niedrigeren Steuersätzen erhöhten. Derartige allgemeinpolitische Überlegungen dürfen jedoch bei der Prüfung des Tatbestands des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG die individuelle, geschäftsvorfallbezogene Fremdvergleichsprüfung nicht überlagern. Aus dem Vorstehenden ist indessen nicht abzuleiten, dass im Rahmen des ‚Stand alone‘-Ratings die passiven Konzernwirkungen vollständig auszublenden wären. Den Regeln des Fremdvergleichs entsprechend ist vielmehr in dem Umfang, in dem ein fremder Dritter als Darlehensgeber einer Konzerngesellschaft eine Kreditwürdigkeit zuordnen würde, die die ‚Stand alone‘-Bonität dieser Gesellschaft übersteigt, diese höhere Kreditwürdigkeit zu berücksichtigen (…). Handelt es sich bei der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft zB um ein Unternehmen mit strategischer Bedeutung für den Gesamtkonzern, weil es ein wesentlicher Bestandteil der Konzernidentität oder der Zukunftsstrategie des Konzerns ist, kann sich die damit verbundene Erhöhung der Kreditwürdigkeit auf die Bonitätsbeurteilung der Konzerngesellschaft auswirken (…).“

ee) Zur Anwendung der Kostenaufschlagsmethode im Zusammenhang der Konzernfinanzierung dürfte ein Widerspruch zu Rz. 3.92 der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise v. 14.7.202120 bestehen (dort: Kostenaufschlagsmethode; Entgelt bis zur Höhe einer „risikolosen Rendite“);21 das Funktions- und Risikoprofil des Darlehensgebers wird im Wesentlichen außer Acht gelassen.22 Wird dadurch ein „unkompliziert zu etablierendes Gestaltungsmodell bestätigt“?23 Im Übrigen wird im Grundsatz von einer Unabhängigkeit der Finanzierungspartner ausgegangen und ein Konzernzusammenhang wird nur nachrangig einbezogen.24 Die Deutung, der BFH trete einer „dynamischen Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes“ bei, liegt ungeachtet der Zitate der OECDLeitlinien (in der aktuellen Version) in den Urteilsgründen (bei „alten 20 BMF v. 14.7.2021 – IV B 5 - S 1341/19/10017:001 – DOK 2021/0770780, BStBl. I 2021, 1098. 21 ZB Schnitger/Schäfer, IStR 2021, 848; Salzmann, DStRK 2021, 323; Binnewies/Mückl/Olbing, GmbHR 2021, 1293 (1312); s. auch Böing/Rasch, Ubg. 2021, 726 (727). 22 Dazu krit. Greil, IStR 2021, 960 (963 – Hinweis auf Rz. 3.19 der Verwaltungsgrundsätze); Greil, Ubg. 2021, 723 f. 23 So die Einschätzung von Greil, Ubg. 2021, 723 (724). 24 Krit. wiederum Greil, IStR 2021, 960 (963 – Hinweis auf Rz. 10.81 und 10.82 der sog. Verwaltungsgrundsätze).

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Streitjahren“) nicht nahe25 – es geht nur um Hinweise zur sachgerechten Deutung des wirtschaftlichen Hintergrunds von Finanzierungsbeziehungen, ohne dass es um verbindliche Vorgaben (wie beim Streit über die statische/dynamische Auslegung von Abkommensregelungen) geht. Insgesamt dürfte erkennbar sein, dass entsprechende Rechtsstreitigkeiten mit einem besonderen Fokus auf die Tatsacheninstanz (FG) zu führen sind.26 ff) Zu Finanzierungsbeziehungen „über die Grenze“: Zum unionsrechtlichen Maßstab ist die EuGH-Rspr. zu beachten, zuletzt zur Finanzierung (hier: Darlehensverträge ohne Zinsvereinbarung) zwischen (rumänischem) Stammhaus und EU-ausländischer Betriebsstätte EuGH v. 8.10.2020 – C-558/19 „Impressa Pizzarotti“27 (Stichworte: Anwendung der Niederlassungsfreiheit; Rechtfertigungsgrund „ausgewogene Verteilung der Steuerhoheit“ [Verhinderung eines grenzüberschreitenden Gewinntransfers]; Verhältnismäßigkeit, wenn „dem Steuerpflichtigen (ohne ihn übermäßigen Verwaltungszwängen zu unterwerfen) die Möglichkeit verbleibt, wirtschaftliche Gründe für den Abschluss des Geschäfts darzulegen“; Berichtigung nur des durch die gegenseitige Verflechtung ausgelösten Teils). Insgesamt besteht auf dieser Grundlage eine einheitliche Linie in der Folge von der EuGH-Entscheidungen „SGI“ und „Hornbach“, ohne dass aber eine genaue Beschreibung der „wirtschaftlichen Gründe“ geleistet wurde (wobei ein solcher „objektiver“ Grund auch vom Steuerpflichtigen nachzuweisen ist). e) Leitsatz und Sachverhalt (BFH v. 18.5.2021 – Verzinsung eines Gesellschafterdarlehens/vGA) „1. Bei der Ermittlung des fremdüblichen Darlehenszinses für ein unbesichertes Gesellschafterdarlehen steht die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) einem Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe zum Ausgleich der fehlenden Darlehensbesicherung nicht entgegen. 2. Es widerspricht allgemeinen Erfahrungssätzen, wenn das Tatgericht ohne gegenteilige Tatsachenfeststellungen davon ausgeht, dass ein fremder Dritter für ein

25 S. insoweit Busch, DB 2021, 2854 (2858); s. auch Greil, Ubg. 2021, 723. 26 Martini, Ubg. 2021, 722 (723). 27 ABl EU 2020, Nr C 414, 11 – s. den Hinweis im Bericht von Puls/Bickenbach/ Müller, ISR 2021, 365 (373); weitere Anm. (zB) von Blumers, BB 2021, 919; Böhmer, EuGH v. 8.10.2020 – C-558/19, ISR 2021, 4; Heidecke/Müller, Ubg. 2021, 469; Rasch, IWB 2020, 979; Schulz-Trieglaff, IStR 2021, 106.

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zu Kapitalgesellschaften nachrangiges und unbesichertes Darlehen denselben Zins vereinbaren würde wie für ein besichertes und vorrangiges Darlehen.“28

Die Klägerin, eine inländische GmbH, erwarb im Jahr 2012 (Streitjahr) von T sämtliche Anteile an der T GmbH zu einem Kaufpreis von … t. Jene GmbH wurde sodann mit Verschmelzungsvertrag vom …2012 auf die Klägerin verschmolzen (steuerlicher Übertragungsstichtag: 31.12.2011). Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm die Klägerin im Streitjahr bei ihrer Alleingesellschafterin, der D GmbH, ein Darlehen in Höhe von … t auf, das mit 8 % p.a. verzinst wurde (Gesellschafterdarlehen). Die Zinsen waren nicht laufend, sondern erst mit Ablauf des Darlehensvertrags am 31.12.2021 zu entrichten. Sicherheiten waren keine vereinbart. Die D GmbH nahm ihrerseits Fremdmittel in gleicher Höhe und unter identischen Konditionen von ihren Gesellschaftern auf, ua. von ihrer niederländischen Gesellschafterin, der N U.A., ein Darlehen über … t. Daneben erhielt die Klägerin ein Bankdarlehen in Höhe von … t, das mit durchschnittlich 4,78 % p.a. verzinst wurde und vollumfänglich (auch von der D GmbH) besichert war. Schließlich erhielt sie vom Verkäufer T ein Verkäuferdarlehen in Höhe von … t, das mit 10 % p.a. verzinst wurde und nicht besichert war. Das Gesellschafterdarlehen war gegenüber allen sonstigen Verbindlichkeiten der Klägerin, insbes. gegenüber den beiden anderen Darlehensverbindlichkeiten, nachrangig. In ihrer Bilanz zum 31.12.2012 erfasste die Klägerin im Zusammenhang mit dem Gesellschafterdarlehen eine Zinsverbindlichkeit von … t. Das FA legte dem angegriffenen Körperschaftsteuerbescheid hinsichtlich des Gesellschafterdarlehens die Auffassung zugrunde, dass fremde Dritte einen Zinssatz von 5 % vereinbart hätten. In Höhe der Differenz zum tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 8 % liege eine vGA vor. Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.29 f) Fragestellung Streiterheblich war der Ansatz einer vGA (überhöhte Verzinsung eines Gesellschafterdarlehens?). 28 BFH v. 18.5.2021 – I R 62/17, ZIP 2021, 2445 = DB 2021, 2604; dazu Anm. (zB) von Binnewies/Mückl/Olbing, GmbHR 2021, 1293 (1312); Busch, DB 2021, 2854; Ebeling/Nolden, IStR 2021, 904; Görden, GmbH-StB 2021, 373; Greil, IStR 2021, 960 (963); jh, StuB 2021, 869; Kahsnitz, NWB 2021, 3302; Kohlhepp, DB 2021, 2920 (2924); Levedag, GmbHR 2021, R373; Münch, BB 2021, 2994. 29 FG Köln v. 29.6.2017 – 10 K 771/16, EFG 2017, 1812 m. Anm. Rehm.

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g) Entscheidung Der vGA-Ansatz war nicht von ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getragen (Zurückverweisung). Die Schlussfolgerung, dass ein fremder Dritter das streitige Darlehen (Gesellschafterdarlehen, Zinssatz 8 %) zu einem Zinssatz von lediglich 5 % gewährt haben würde, ist rechtsfehlerhaft zustande gekommen. Insbesondere verstoße es gegen allgemeine Erfahrungssätze, wenn das FG annimmt, dass ein fremder Dritter ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen zum gleichen „Preis“ gewährt haben würde wie das Bankenkonsortium (gesichertes Darlehen). Auch ist der Hinweis des FG auf die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), die durch die Gestellung von Sicherheiten nicht ausgehebelt werden und folglich auch keinen Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe rechtfertigen könne, für den Fremdvergleich rechtlich unbeachtlich. Bei diesem Vergleich ist das „Nahestehen“ hinwegzudenken. Dann wäre aber ein Darlehensgeber gerade kein Gesellschafter, sondern ein fremder Dritter und seine Forderung würde keiner gesetzlichen Rangminderung im Insolvenzfall unterliegen. Entschlösse sich dagegen der fremde Dritte im Verhandlungswege, „freiwillig“ den Vorrang einer Forderung eines anderen Drittgläubigers zu akzeptieren, würde er mutmaßlich vom Darlehensnehmer eine finanzielle Kompensation für die Hinnahme dieses Nachteils verlangen. Nicht zuletzt würde ein fremder Dritter zur Frage eines Risikozuschlags bei der Festlegung der Kreditbedingungen nicht nur auf die aktuelle Vermögenssituation seines Schuldners abstellen, sondern vor allem dessen zukünftige wirtschaftliche Entwicklung in den Blick nehmen. h) Bemerkungen aa) Von Bedeutung sind auch die Hinweise des BFH für den zweiten Rechtsgang: „a) Zunächst wird das FG anhand der vom BFH entwickelten Grundsätze zu prüfen haben, ob der streitige Darlehensvertrag dem Grunde nach steuerrechtlich anzuerkennen ist. Dabei wird insbesondere zu berücksichtigen sein, dass nicht jede Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Fremdüblichen, wie etwa einzelner Abreden zur Frage der Verzinsung, der Sicherheitengestellung oder der Fälligkeit der Zinszahlungen, die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt (…). Sollte der Vertrag nicht anzuerkennen sein, wäre der geltend gemachte Zinsaufwand von vornherein nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen.

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zu Kapitalgesellschaften b) Bei einer Anerkennung des Darlehensvertrags dem Grunde nach kommt der Ansatz einer vGA nur dann in Betracht, wenn der ‚Preis‘ (als der der D GmbH als Darlehensgeberin zustehende Zins) für die Kapitalüberlassung das Maß des Fremdüblichen überschritten hätte. Dies festzustellen, obliegt in erster Linie dem FG als Tatgericht. Für die von ihm regelmäßig durchzuführende Schätzung kann es sich nach ständiger Senatsrechtsprechung verschiedener Methoden bedienen; die Bestimmung der im Einzelfall geeignetsten Methode obliegt ebenfalls zuvörderst dem FG. Entscheidet sich dieses, wie die Vorinstanz, für die Anwendung der Preisvergleichsmethode (…), dann setzt dies voraus, dass der zu beurteilende Preis einerseits und der als Maßstab anzulegende Vergleichspreis andererseits auf zumindest im Wesentlichen identischen Leistungsbeziehungen beruhen. Ein Preisvergleich ist deshalb nicht oder nur mit Einschränkungen möglich, wenn bei einem verbundenen Unternehmen spezielle Umstände gegeben sind, die im Verhältnis zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen eine abweichende Preisgestaltung veranlassen würden. In einem solchen Fall können tatsächlich vorhandene Vereinbarungen mit oder zwischen dritten Unternehmen allenfalls nach Vornahme entsprechender Anpassungen auf die konkret zu beurteilende Leistungsbeziehung übertragen werden (…). Will das FG das streitige Gesellschafterdarlehen mit dem tatsächlich gewährten Darlehen der Konsortialbanken vergleichen (interner Preisvergleich), dürfte es naheliegen, insbesondere die Nachrangigkeit und die Unbesichertheit des Gesellschafterdarlehens als solche speziellen Umstände anzusehen, die Anpassungen bei der Preisfindung erforderlich machen könnten (…). Auch das Darlehen des Verkäufers T, der bei Fehlen entgegenstehender Indizien als ‚fremder Dritter‘ anzusehen sein dürfte, wird im Rahmen eines Preisvergleichs bei der gebotenen Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zwingend einzubeziehen sein. Davon abgesehen wird das substantiierte Vorbringen der Klägerin zu würdigen sein, dass es einen Markt für nachrangige Kredite gibt. Trifft dies nach der Würdigung des Tatgerichts zu, gibt dieser Markt den zutreffenden Maßstab für einen etwaigen externen Preisvergleich her (…). Vor diesem Hintergrund erscheint es auch nicht als fernliegend, dass fremde Dritte auf diesem Markt bereit sind, gegen Zahlung eines höheren ‚Preises‘, also der Vereinbarung eines Zinszuschlages zur Kompensation eines höheren Ausfallrisikos, unbesicherte Nachrangdarlehen zu gewähren (…), mit der weiteren Folge, dass derartige Darlehen auch im Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Anteilseignern anzuerkennen wären. Da es sich bei vorgenannten fremden Dritten nicht um ‚klassische Banken‘ handeln muss, ist auf das gedachte Verhalten dieser Dritten abzustellen und nicht auf das Verhalten von Banken. Auf eine ‚Banküblichkeit‘ käme es mithin nicht an (…).“

bb) Es besteht ein enger (argumentativer) Zusammenhang zur Entscheidung I R 4/17 (s.o.). Immerhin wird auch plakativ die „Zwei-Stufen-Prüfung“ betont (steuerrechtliche Anerkennung eines Darlehens „dem Grunde nach“ [bei verbundenen Unternehmen ist auch „Zuführung von Eigenkapital“ denkbar]; Angemessenheit der Vergütung). Das Urteil be93

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tont die „Unabhängigkeit“ der zueinander nahestehenden Personen im Rahmen des Fremdvergleichs und sieht die gesetzliche Nachrangregelung (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) als insoweit unbeachtlich an.30 Bei Allem geht es nicht um „Banküblichkeit“. Die Feststellungslast für den vGAAnsatz trägt das FA; die Grundlagen der konkreten Finanzierungsabsprache sollten ausreichend dokumentiert werden. cc) Zu BFH I R 32/17 (betr. Einkünftekorrekturen nach § 1 Abs. 1 AStG bei Teilwertabschreibungen auf unbesichert im Konzern begebenen Darlehensforderungen …) ist der BFH-Beschluss vom 3.3.2021 bekannt geworden:31 „Das den Beteiligten mittels Empfangsbekenntnis am 10.1.2020 zugestellte Urteil des Senats vom 19.6.2019 – I R 32/17 ist unwirksam; es wird jedenfalls klarstellend aufgehoben.“ (es ging um eine Urteilsentwurfspassage „zur Möglichkeit einer „Risikokompensation“ im Rahmen des streiterheblichen sog. Fremdvergleichs bei gewinnabhängiger Verzinsung eines partiarischen Darlehens, die einen gewichtigen Unterschied zu den bisher vom Senat entschiedenen Festverzinsungsfällen ausmachen könnte“). Siehe im Zusammenhang mit Konzerndarlehen (zum Urteil BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, FR 2019, 526 = GmbHR 2019, 725 m. Anm. Breuninger = ZIP 2019, 1066 – der „Mutter“ der vom BFH entschiedenen „Reihe“ der Sperrwirkungs-/Konzernfinanzierungsfälle) auch BVerfG v. 4.3.2021 – 2 BvR 1161/1932 als stattgebender Kammerbeschluss des 30 Krit. Greil, IStR 2021, 960 (964). 31 S. dazu (zB) Andresen, Ubg. 2021, 237; Dörr, DB 2021, Heft 21/M4; jh, StuB 2021, 347; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 19/2021 Anm. 4 – dabei entbehrt es aber jeder Grundlage, wenn in der Literatur (Andresen, Ubg. 2021, 237 [238]) gemutmaßt wird, der BFH-Beschluss sei „möglicherweise … auf die Arbeit des BVerfG zurückzuführen“ (dem BFH-Beschluss vom 3.3.2021 lässt sich unschwer ein vorheriges gerichtsinternes Prüfungsverfahren über die konkreten Abläufe bei der Urteilsentstehung entnehmen [„Schreiben vom 22.7.2020“]; eine Information über Beratungsgegenstände oder -ergebnisse durch das BVerfG im dortigen laufenden Verfahren [Abschluss des Verfahrens durch den BVerfG-Beschluss v. 4.3.2021] an das Gericht, das die im Verfassungsbeschwerdeverfahren angegriffene Entscheidung erlassen hat, sind in keiner Verfahrensordnung vorgesehen). 32 BVerfG v. 4.3.2021 – 2 BvR 1161/19, FR 2021, 637; Anm. dazu (zB) Andresen, Ubg 2021, 237; Böing/Rösen, GmbH-StB 2021, 179; Bopp, HFR 2021, 507; Dörr, DB 2021, Heft 21, M4; Ebeling/Borgmann, ISR 2021, 165; Gläser/Zöller, FR 2021, 628; Haselmann/Bösken, IWB 2021, 416; Havenkamp, DStRK 2021, 126; jh, StuB 2021, 512; Kraft, NWB 2021, 1288; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 22/2021 Anm. 4; Zorn, RdW 2021, 366.

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BVerfG (Unterlassen einer Vorlage an den EuGH gem. Art. 267 AEUV verletzt bei Überschreitung des fachgerichtlichen Beurteilungsspielraums das Recht auf den gesetzlichen Richter [Art. 101 Abs 1 Satz 2 GG]; hier: steuerrechtliche Einkünftekorrektur wegen Ausgestaltung von Darlehen zwischen konzernangehörigen Gesellschaften mit Sitz in unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten – (konkludente) Annahme eines „acte clair“ bzw eines „acte éclairé“ auf Grundlage der EuGH-Entscheidung „Hornbach-Baumarkt“ nicht nachvollziehbar) mit einem „obiter dictum“ (dort Rz. 46 bis 51 – aus juris) zur „einfachrechtlichen Auslegung“ (unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots sei es unverständlich, warum der BFH für den von § 1 Abs. 1 AStG gebotenen Fremdvergleich mit Bedingungen, die „voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten“, ohne Weiteres von einer Vollbesicherung der Darlehensgewährung ausgehe; wie insoweit ein „werthaltiges Sicherungsrecht“ zwischen voneinander unabhängigen Dritten ausgestaltet wäre, werde nicht näher erläutert). Immerhin erhebt sich zu diesem Kammerbeschluss33 die Frage, ob hier nicht eine „Divergenz“ (Erfordernis einer Nichtigkeitsklage bei [evtl. nur vermeintlichem] Verstoß gegen eine EuGH-Vorlagepflicht – „Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde“) zu BVerfG v. 27.4.2021 – 1 BvR 2731/1934 besteht35 – jedenfalls dürfte der Streitgegenstand (unionsrechtlich harmonisierte [Umsatzsteuer-]Rechtsgrundlage der MwStSystRL) keinen entscheidungserheblichen Unterschied ausmachen und § 23 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 92 BVerfGG setzt für eine Substantiierung der Rechtsverletzung (Zulässigkeitsvoraussetzung!) voraus, dass eine Darlegung erfolgt, im fachgerichtlichen Verfahren auf eine EuGH-Vorlage hingewirkt zu haben (wohl auch dann, wenn es um ein Verfahren bei einem „letztinstanzlichen Gericht“ geht [Art. 267 Abs. 3 AEUV]). dd) Die Veröffentlichung des (neuen, s.o.) BFH-Urteils I R 32/17 v. 9.6.202136 erfolgte am 4.11.2021 (nach der Steuerfachtagung 2021) mit folgenden Leitsätzen: 33 Weitere anhängige Verfassungsbeschwerden: BVerfG 2 BvR 1079/20; 2 BvR 2002/20. 34 IStR 2021, 556 – unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen BFH v. 22.8.2019 – V R 14/17, BStBl. II 2020, 720. 35 S. dazu Hummel, UR 2021, 736; s. allg. auch Brandt, jurisPR-SteuerR 42/2021 Anm. 5. 36 BFH v. 9.6.2021 – I R 32/17, GmbHR 2022, 216 = ZIP 2022, 1380 = IStR 2021, 937; dazu Anm. (zB) von Becker/Schumann, IStR 2021, 944; jh, StuB 2021, 976; TK, DStZ 2021, 1007.

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zu Kapitalgesellschaften „1. Die fehlende Darlehensbesicherung gehört zu den ‚Bedingungen‘ i.S. des § 1 Abs. 1 AStG, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Fremdunüblichkeit der Geschäftsbeziehung führen kann; Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 Abs. 1 DBA-USA 1989 und Art. 5 DBA-Frankreich 1959). 2. Ob ein unbesichertes Konzerndarlehen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls fremdvergleichskonform ist, hängt davon ab, ob auch ein fremder Dritter – ggf. unter Berücksichtigung möglicher Risikokompensationen – das Darlehen unter gleichen Bedingungen ausgereicht hätte. Als ‚fremde Dritte‘ kommen insoweit nicht nur Banken, sondern auch andere Kreditgeber in Betracht, wenn es für die konkrete Finanzierung einen Markt gibt, auf dem solche Kreditgeber tätig sind. 3. Wäre ein unbesichertes Konzerndarlehen nur mit einem höheren als dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz fremdüblich, hat eine Einkünftekorrektur vorrangig in Höhe dieser Differenz zu erfolgen. 4. Im Rahmen von Feststellungen zum Fremdvergleich ist die Ausreichung unbesicherter Darlehen durch fremde Dritte an die Konzernobergesellschaft nicht geeignet, die Würdigung des einer (Tochter-)Gesellschaft eingeräumten Darlehens am Maßstab einer fremdüblichen Kreditgewährung zu ersetzen. 5. Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 Abs. 1 DBA-USA 1989 und Art. 5 DBA-Frankreich 1959) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf (Bestätigung der Senatsrechtsprechung). 6. Das Vorliegen einer ‚gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung‘ i.S. des § 1 Abs. 4 AStG i.d.F. des StVergAbG ist unter Heranziehung des für die ausländische Tochtergesellschaft maßgebenden materiellen Gesellschaftsrechts zu beurteilen.“

2. Rentenzahlung und Weiterbeschäftigung a) Leitsatz und Sachverhalt BFH v. 17.6.2020:37 „Zur Vertragsauslegung bei Weiterbeschäftigung nach Eintritt des Versorgungsfalles sowie der Bindung des Revisionsgerichts an die tatrichterliche Würdigung.“

Alleingesellschafterin der 2001 gegründeten Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, war zunächst die A GmbH, ab dem Jahr 2002 die B GmbH & Co. KG. Geschäftsführer der Klägerin waren F und T. Beide Geschäftsführer waren über ihre Beteiligung an der Mutterge37 BFH v. 17.6.2020 – I R 56/17, GmbHR 2021, 512; Anm. (zB) von Binnewies/ Mückl/Olbing, GmbHR 2021, 1293 (1307); Große, DStRK 2021, 121; Intemann, GmbHR 2021, 514; jh, StuB 2021, 344; Märtens, jurisPR-SteuerR 16/2021 Anm. 5; TK, DStZ 2021, 301.

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sellschaft zugleich mittelbare Gesellschafter der Klägerin. Beide erhielten im Jahr 1998 von der Muttergesellschaft der Klägerin Versorgungszusagen, die mit Wirkung vom 1.1.2002 auf die Klägerin übergeleitet wurden. Die dem T gewährte Versorgungszusage enthält ua. die folgenden Regelungen: „§ 1 … Sie erhalten eine lebenslängliche Altersrente in Höhe von monatlich 4.000,00 DM nach vollendetem 65. Lebensjahr (feste Altersgrenze), …; § 4 … Die Altersrente … erhöht sich vor Beginn der Rentenzahlungen in gleichen Verhältnis wie Ihr Bruttogehalt. Dieses beträgt zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage 10.240,32 DM … Im Falle der Ermäßigung des Bruttogehalts werden die Renten auf den vor der Ermäßigung erreichten Betrag festgeschrieben, maximal jedoch auf 75 % des reduzierten Bruttogehaltes (Obergrenze) …; § 6 … Die Renten werden am Letzten eines jeden Monats gezahlt, beginnend mit dem Monat nach Eintritt des Versorgungsfalles (Vollendung des 65. Lebensjahres, Berufsunfähigkeit bzw. Tod), in dem erstmals kein Gehalt oder entsprechende Zahlungen mehr geleistet werden … .“

Am 14.12.2007 vereinbarte die Klägerin mit T einen Nachtrag zur bestehenden Versorgungszusage, „um eine Angleichung an die Höhe der Versorgungszusage von Herrn F vom 17.12.1998 zu erreichen“. Der Nachtrag enthält Änderungen der §§ 1 und 4 der bisherigen Zusage. Unter § 1 ist nunmehr „eine lebenslängliche Altersrente in Höhe von monatlich 3.301,30 t nach vollendetem 65. Lebensjahr (feste Altersgrenze)“ vorgesehen. § 4 enthält folgende Anpassungsregelung: „Die Altersrente … erhöht sich vor Beginn der Rentenzahlungen im gleichen Verhältnis wie Ihr Bruttogehalt. Dieses beträgt derzeit 7.469,00 t.“ Die Nachtragsregelung bewirkt eine Anhebung der Versorgungsquote von zuvor 39,06 % auf 44,20 %. Am 30.12.2008 schloss T mit der Klägerin die nachfolgende „Aufhebungsvereinbarung“: „Der Geschäftsführervertrag vom 31.3.1998, seinerzeit geschlossen zwischen dem Geschäftsführer und der A GmbH, übergeleitet mit allen Rechten und Pflichten auf die Firma mit Geschäftsführervertragsänderung von 1.1.2002, wird hiermit einvernehmlich mit Wirkung zum 30.9.2009, also zum Ende des Monats, in dem der Geschäftsführer das 65. Lebensjahr vollendet, aufgehoben. Die Rechte und Pflichten aus der Versorgungszusage zwischen dem Geschäftsführer und der Firma als Rechtsnachfolger der A GmbH von 17.12.1998 in Form des Nachtrags vom 14.12.2007 bleiben hiervon unberührt, d.h. diese bestehen trotz der Aufhebung des zugrunde liegenden Geschäftsführervertrags über das Erreichen der in der Versorgungszusage vorgesehenen Altersgrenze hinaus fort.“

Das letzte Monatsgehalt (September 2009) aus dem aufgelösten Anstellungsvertrag von T betrug 7.731 t. Auf dieser Grundlage zahlte die Klägerin ab Oktober 2009 an T Versorgungsleistungen in Höhe von 3.417,10 t 97

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p.M. (Versorgungsquote 44,20 %). Parallel zur Aufnahme der Versorgungszahlungen schloss die Klägerin mit T am 1.10.2009 einen unbefristeten Arbeitsvertrag, der ua. die folgenden Regelungen enthielt: „§ 1 … Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung vom 1.10.2009 als Geschäftsführer in X-Stadt auf unbestimmte Zeit eingestellt. Die einzelnen zum Aufgabenbereich gehörenden Arbeiten sind beratende Tätigkeiten sowie beaufsichtigen des geplanten Neubaus …; § 3 … Die Arbeitszeit ist variabel und nach Bedarf …; § 4 … Die monatliche Bruttovergütung beträgt EUR 1.500,00 … .“

Das FA beanstandete zunächst die Erdienbarkeit der Pensionen im Hinblick auf eine nachträgliche Anhebung der Versorgungsquote bei beiden Geschäftsführern und die Zahlung von Versorgungsleistungen vor deren zivilrechtlicher Fälligkeit beim Geschäftsführer T und ging insoweit von einer vGA aus. Darüber hinaus kürzte es die Pensionsrückstellung für T, da der Berechnung der Rückstellung ein zu hoher Pensionsanspruch zugrunde gelegt worden sei. Wegen der dem T erteilten Versorgungszusage ging das FA zuletzt davon aus, dass im Hinblick auf den Nachtrag zur Versorgungszusage vom 14.12.2007, der zu einer Erhöhung der Versorgungsquote von zuvor 39,06 % auf dann 44,20 % geführt hat, die Erdienbarkeit nicht mehr gegeben sei. Während des Klageverfahrens wurde der Anspruch der Klägerin, soweit er F betrifft, vom FA anerkannt; hinsichtlich der Jahre 2007 und 2008 wurde der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Schleswig-Holsteinische FG38 ging davon aus, dass die Kürzung der für die Pensionsansprüche des Gesellschaftergeschäftsführers T gebildeten Rückstellung und die wegen vorzeitiger Auszahlung der Pension in Ansatz gebrachte vGA zu Unrecht erfolgt ist, während die mangels Erdienbarkeit der nachträglichen Anhebung der Versorgungsquote für den Gesellschaftergeschäftsführer T zugrunde gelegte vGA zutreffend angesetzt worden sei. b) Fragestellung Kommt es zu einer Klärung der Rechtsfrage („vGA-Ansatz“) in der Fallsituation der Weiterbeschäftigung (des Gesellschafter-Geschäftsführers) nach Eintritt des in der Versorgungszusage vereinbarten Versorgungsfalls (Entgeltanrechnung)? 38 FG Schl.-Holst. v. 4.7.2017 – 1 K 201/14, EFG 2017, 1457 m. Anm. Engellandt.

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c) Entscheidung Der BFH hat dem FG darin zugestimmt, dass die Zahlung der Altersrente auf den vereinbarten Versorgungsfall wegen dessen fortbestehender entgeltlichen Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin nur partiell eine vGA nach sich zieht, soweit das Einkommen aus der Tätigkeit als Geschäftsführer (monatlich 1.500 t) nicht auf die Versorgungsleistung (monatlich 3.417,10 t) angerechnet worden ist. Eine vGA in Höhe der gezahlten Versorgungsleistungen an T (monatlich 3.417,10 t) hat das FG zu Recht nicht angenommen. Das FA dringt weder mit seiner Annahme, es handele sich im Streitfall um ein ohne Unterbrechung fortgesetztes Arbeitsverhältnis, noch mit dem Hinweis, der Zahlungsanspruch aus § 6 der Versorgungszusage sei noch nicht fällig, durch. Wesentlich ist die revisionsgerichtliche Bindung an „Feststellungen“ des FG – das FG sei in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Abschluss des (neuen) Arbeitsvertrags vom 1.10.2009 eine eigenständige Neuregelung eines Dienstverhältnisses mit einer darauf abgestimmten Vergütungsregelung darstellt, so dass die Pensionsrückstellung auf der Grundlage eines monatlichen Pensionsanspruches von 3.417,10 t zu ermitteln ist und nicht (wie vom FA angenommen) aufgrund der im Neuvertrag vereinbarten monatlichen Vergütung von 1.500 t gemäß § 4 der Versorgungszusage auf 75 % dieses Betrags zu kürzen ist. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Zusage einer Altersversorgung im Hinblick auf die versprochene Altersrente nicht unbedingt das Ausscheiden des Begünstigten aus dem Betrieb oder die Beendigung des Dienstverhältnisses erfordert. Es genügt, wenn für den Eintritt des Versorgungsfalls nur die Vollendung des vorgesehenen Lebensjahres vorgesehen ist. Insbesondere verliert die Versorgung dadurch nicht ihren Charakter als betriebliche Altersversorgung. Darüber hinaus ist der Zahlungsanspruch aus § 6 der Versorgungszusage im Streitfall fällig. Denn es sei jedenfalls möglich, dass der Anspruch auf Auszahlung der Rente lediglich im Umfang der tatsächlichen Gehaltszahlungen hinausgeschoben wird. Das FG geht zu Recht davon aus, dass § 6 der Versorgungszusage lediglich den Beginn des Zahlungsanspruchs regelt, nicht aber eine Bestimmung der Höhe des Rentenanspruchs enthält und in dem Umfang, in dem die Klägerin ihrem Geschäftsführer T nach Erreichen des Ruhestandsalters weiterhin Vergütungen zahlt, ein für ihn entsprechend reduziertes Versorgungsbedürfnis besteht, so dass eine Vergütungsanrechnung sachgerecht ist. Diese Auslegung wird der Senatsrechtsprechung gerecht, dass sowohl das Aufschieben des Ein99

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tritts der Versorgungsfälligkeit (bis der Begünstigte endgültig seine Geschäftsführerfunktion beendet hat) als auch eine Anrechnung des Einkommens aus der fortbestehenden Tätigkeit als Geschäftsführer auf die Versorgungsleistung in Gestalt der Kapitalabfindung dem in diesem Zusammenhang anzustellenden hypothetischen Fremdvergleich entspricht. d) Bemerkungen aa) In der BFH-Entscheidung wird wesentlich auf die (revisionsrechtlich nicht zu beanstandende) Auslegung des Vertrags durch das FG abgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO). bb) Zur „innerbilanziellen Situation“ (§ 6a EStG) ist von Bedeutung, dass der BFH die Vertragsauslegung des FG nicht beanstandet, dass keine Reduzierung des ursprünglichen Bruttogehalts vorliege (eigenständige Neuregelung des Dienstverhältnisses) und damit die Bewertung der Pensionsrückstellung nicht berührt ist. cc) Zur vGA/„Erdienbarkeit“ mit Blick auf die nachträgliche Pensionserhöhung sah der BFH keine Ausnahme zur „Fristenregelung“ (3 bzw. 10 Jahre beim beherrschenden Gesellschafter) vor, insbes. war das Argument der Gleichbehandlung mit dem anderen Berechtigten nicht erfolgreich. dd) Zur Parallelität von Pension und Dienstbezug: Im Grundsatz muss ein Dienstbezug aus aktiver Tätigkeit auf die Versorgung angerechnet werden, um eine vGA auszuschließen.39 Daran („Fremdunüblichkeit einer gleichzeitigen Zahlung von Rentenzahlung und Arbeitslohn ohne Anrechnung“) wird vom BFH festgehalten. Vorausgesetzt wird aber wohl ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang der beiden Sachverhaltselemente40 – daran könnte es fehlen, wenn „aufgrund nicht zu beeinflussender Umstände die erneute Beschäftigung des pensionierten Geschäftsführers erforderlich wird (zB für den Fall, dass ein Nachfolgegeschäftsführer sich nicht als geeignet erweist und ein Ersatz nicht schnell gefunden werden kann)“.41

39 Krit. bzw. abl. zB Intemann, GmbHR 2021, 514 (516); Binnewies/Mückl/Olbing, GmbHR 2021, 1293 (1307) („realitätsferne Sichtweise des BFH“; Diskriminierung gegenüber Fremdgeschäftsführern). 40 Große, DStRK 2021, 121. 41 Große, DStRK 2021, 121.

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ee) Noch anhängige Revision in diesem Zusammenhang: BFH I R 41/19.42

III. Organschaft 1. Atypisch stille Gesellschaft a) Leitsatz und Sachverhalt BFH v. 15.7.2020:43 „Zur Frage der Organschaftsanerkennung bei atypisch stiller Beteiligung des vermeintlichen Organträgers am Handelsgewerbe der vermeintlichen Organgesellschaft.“

Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin zu 1.), eine in Liquidation befindliche GmbH, und die Klägerin und Revisionsklägerin zu 2. (Klägerin zu 2.), eine GmbH, sind aus verschiedenen Umstrukturierungsvorgängen hervorgegangen. In den Streitjahren (2004 bis 2008) war folgende Situation gegeben: Zwischen der Klägerin zu 1. und der Klägerin zu 2. bestand ein EAV, wonach sich die Geschäftsführung der Klägerin zu 1. dem Weisungsrecht der Klägerin zu 2. unterwarf und sie sich zur Abführung ihres gesamten, nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Ergebnisses verpflichtete. Es bestand des Weiteren ein Vertrag, wonach sich die Klägerin zu 2. am Betrieb der Klägerin zu 1. als stille Gesellschafterin mit einer Kapitaleinlage beteiligt. Der Vertrag sah ua. folgende Regelungen vor: Die Führung der Geschäfte stand allein der Klägerin zu 1. zu, die stille Gesellschafterin war an deren Entscheidungen entsprechend den gesetzlichen Vorschriften für einen Kommanditisten beteiligt. Am Gewinn und Verlust sowie am Vermögen der Klägerin zu 1. war die Klägerin zu 2. mit 10 % beteiligt, ebenso an den stillen Reserven im Fall einer Auflösung der stillen Gesellschaft. 42 Vorinstanz: FG Münster v. 25.7.2019 – 10 K 1583/19 K, EFG 2019, 1620 m. Anm. Borgdorf („Die gleichzeitige Zahlung eines Geschäftsführergehalts und einer Pension an einen beherrschenden Gesellschafter führt nicht zwingend zu einer vGA hinsichtlich der Pensionszahlung. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers mit Eintritt in das Rentenalter beendet wird, die spätere Wiedereinstellung zu diesem Zeitpunkt nicht beabsichtigt war und allein im Interesse der Gesellschaft erfolgt und darüber hinaus dem neu vereinbarten Geschäftsführergehalt nur Anerkennungscharakter zukommt“). 43 BFH v. 15.7.2020 – I R 33/18, GmbHR 2021, 950; Anm. (zB) von jh, StuB 2021, 422; Prinz, DB 2021, 1167; Schwetlik, GmbH-StB 2021, 182.

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Die Klägerinnen und das FA gingen übereinstimmend davon aus, dass durch den Vertrag eine steuerrechtliche Mitunternehmerschaft in Gestalt einer atypisch stillen Gesellschaft („… GmbH und Still“) entstanden war. Für diese Mitunternehmerschaft wurden in den Streitjahren Feststellungserklärungen abgegeben. In einer Anlage zu den jeweiligen Feststellungserklärungen ist eine Position „Aufwand aus Gewinnabführung“ enthalten, die betragsmäßig mit dem 90%igen Anteil der Klägerin zu 1. an den laufenden Einkünften der atypisch stillen Gesellschaft übereinstimmt. In der Anlage findet sich eine weitere Position „Gewinnzuweisung Stille Gesellschafterin“, die betragsmäßig mit dem 10%igen Anteil der Klägerin zu 2. an den laufenden Einkünften übereinstimmt. Die laufenden Einkünfte wurden nach dem Schlüssel 90 zu 10 auf die Klägerinnen verteilt. Bei der Klägerin zu 2. wurden zudem Ergebnisse aus Ergänzungsbilanzen sowie Vergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage erfasst. Das FA erließ zunächst erklärungsgemäß Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO. Später ging das FA davon aus, dass die auf dem EAV beruhende Gewinnabführung nicht zu einer Einkommenszurechnung gem. §§ 14 Abs. 1, 17 KStG führe. Wegen der Gewinnzuweisung an die Klägerin zu 2. als atypisch stille Beteiligte sei es nicht mehr zu der für die Anerkennung einer Organschaft erforderlichen Abführung des „ganzen Gewinns“ gekommen. Die aufgrund des EAV tatsächlich erfolgte Gewinnabführung sei daher als vGA zu qualifizieren. Die mit dieser rechtlichen Bewertung verbundenen Entscheidungen seien im Feststellungsbescheid für die Mitunternehmerschaft und nicht im KSt.-Bescheid für die vermeintliche Organgesellschaft (Klägerin zu 1.) zu treffen. Seine Rechtsauffassung setzte das FA im geänderten Feststellungsbescheid für das Jahr 2004 um. Gegen die geänderten Feststellungsbescheide wandten sich die Klägerinnen mit ihrer Klage, die weitgehend erfolglos war.44 b) Fragestellung Kommt es zu einer Klärung der Rechtsfrage, ob bei atypisch stiller Beteiligung des vermeintlichen Organträgers am Handelsgewerbe der vermeintlichen Organgesellschaft eine Organschaft steuerrechtlich anzuerkennen ist?

44 FG Meck.-Vorp. v. 5.9.2018 – 1 K 396/14, GmbHR 2019, 796 m. Anm. Brühl = EFG 2019, 1228 m. Anm. Oellerich.

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c) Entscheidung Die „materiell-rechtliche Frage“ blieb ohne Antwort; die Klägerinnen bekamen unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten recht, da das FG (auf der Grundlage einer Nichtanerkennung der Organschaft) zu Unrecht die vom FA in den streitigen Feststellungsbescheiden „als Sonderbetriebseinnahmen zu erfassenden Vergütungen auf schuldrechtlicher Grundlage“ im angegriffenen Urteil als „Gewinnzurechnung aufgrund vGA“ festgestellt hat. d) Bemerkungen aa) Neben der direkten Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft war der Organträger atypisch still am Geschäftsbetrieb der Organgesellschaft beteiligt. Gegenstand waren Einkünfte-Feststellungsbescheide der Streitjahre 2004 bis 2008; das FA berücksichtigte den von der Organgesellschaft abgeführten Gewinn infolge der Nichtanerkennung einer Organschaft im Feststellungsbescheid der atypisch stillen Gesellschaft als vGA und zugleich als Sonderbetriebseinnahme der Organträgerin. Der BFH beurteilte den Ansatz der Sonderbetriebseinnahmen als rechtswidrig und hob den ändernden Feststellungsbescheid auf. Denn die Frage der steuerrechtlichen Anerkennung der Organschaft wirkte sich nicht auf die Höhe des Gewinnanteils der Organträgerin aus der atypisch stillen Gesellschaft aus; vielmehr sei über die Frage einer vGA im Steuerbescheid der Organgesellschaft zu entscheiden. Zusammenfassend der juris-Orientierungssatz: „Der BFH verneinte eine Einbeziehung und Entscheidung über das Ob und ggf. die Höhe einer vGA im Feststellungsverfahren der Mitunternehmerschaft (atypisch stille Gesellschaft), wenn die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft zwischen den am Feststellungsverfahren beteiligten Kapitalgesellschaften nicht anerkannt wird (Umqualifizierung der Gewinnabführung in vGA). Ob der Gewinnanteil von der (vermeintlichen) Organgesellschaft wegen der Einkommenszurechnung gemäß § 14 Abs. 1 KStG nicht (Organschaftsanerkennung) oder wegen der Einkommenserhöhung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG selbst zu versteuern ist (Nichtanerkennung der Organschaft), hat mit den gemeinschaftlich erzielten Einkünften bzw. deren Höhe und deren Verteilung nichts zu tun.“

bb) Nach der Rechtslage ab VZ 2014 (s. sogleich) müsste die Entscheidung zur Anerkennung der Organschaft im Feststellungsbescheid gem. § 14 Abs. 5 KStG getroffen werden und nicht im Feststellungsbescheid

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der atypisch stillen Gesellschaft;45 der vGA-Ansatz (bei Nichtanerkennung der Organschaft) müsste auf dieser Grundlage im KSt.-Bescheid der Organgesellschaft erfolgen.46 cc) Die Streitfrage, ob eine atypisch stille Beteiligung an einer „Organgesellschaft“ für die ertragsteuerrechtliche Organschaft „anerkennungsschädlich ist“, wurde nicht entschieden. Die FinVerw. bestreitet, dass eine GmbH & atypisch Still Organgesellschaft oder Organträgerin sein kann,47 gewährt aber Vertrauensschutz für solche betroffenen Organträger (nicht: für Organgesellschaften!), die am 20.8.2015 bereits bestanden haben und steuerlich anerkannt sind.48 Betroffene Konstellationen: Organgesellschaft muss nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG eine Kapitalgesellschaft sein. Aber man hielt es für möglich, dass an einer Kapitalgesellschaft als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung besteht. Dem sollte nach An45 BFH v. 15.7.2020 – I R 33/18, GmbHR 2021, 950 = GmbH-StB 2021, 182 (183 f.). 46 BFH v. 15.7.2020 – I R 33/18, GmbHR 2021, 950 = GmbH-StB 2021, 182 (183 f.). 47 S. bereits OFD Frankf./M. v. 30.1.2013 – S 2770 A - 53 - St 51, GmbHR 2013, 448 (m. Anm. Luxem, GmbH-StB 2013, 177), und FinMin. Schl.-Holst. v. 4.3.2013, Der Konzern 2013, 263 (dazu Hageböke, Der Konzern 2013, 334), später dann BMF v. 20.8.2015 – IV C 2 - S 2770/12/10001 – DOK 2015/ 0717655, BStBl. I 2015, 649 (abl. Anm. Baltromejus, StuB 2015, 817; Hageböke, DB 2015, 1993; Hölzer, FR 2015, 1065; Olbing, GmbH-StB 2015, 321; Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbHR 2015, 1240 f.; Suchanek, GmbHR 2015, 1031; Weiss, GmbH-StB 2015, 317; Weiss, EStB 2015, 417; jedenfalls teilw. auch BFH v. 15.7.2020 – I R 33/18, GmbH-StB 2021, 182 [183]): „1. Atypisch stille Gesellschaft: Besteht am Handelsgewerbe einer Kapitalgesellschaft eine stille Beteiligung nach § 230 HGB, die ertragsteuerlich als Mitunternehmerschaft zu qualifizieren ist (atypisch stille Gesellschaft), kann diese atypisch stille Gesellschaft weder Organgesellschaft nach den §§ 14, 17 KStG noch Organträgerin nach § 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 KStG sein. 2. Kapitalgesellschaft, an der eine atypisch stille Beteiligung besteht: Eine Kapitalgesellschaft an der eine atypisch stille Beteiligung besteht, kann weder Organgesellschaft nach den §§ 14, 17 KStG noch Organträgerin nach § 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 KStG sein.“ 48 BMF v. 20.8.2015 – IV C 2 - S 2770/12/10001 – DOK 2015/0717655, BStBl. I 2015, 649 („Am 20.8.2015 bereits bestehende, steuerlich anerkannte Organschaften mit Organträgern, an deren Handelsgewerbe atypisch stille Beteiligungen bestehen, können unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls im Wege der Billigkeit und aus Gründen des Vertrauensschutzes weiter steuerlich anerkannt werden.“).

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sicht von Teilen der Literatur der BFH-Beschluss zum Umfang der Gewinnabführung49 nicht entgegenstehen. Denn der „ganze Gewinn“ sei iSd. § 301 AktG (handelsrechtlich) zu verstehen, und die Gewinnabführung an den Stillen sei handelsrechtlich (sowohl bei atypisch stiller als auch bei typisch stiller Beteiligung) als Aufwand zu buchen.50 Besteht am Organträger (Kapitalgesellschaft) eine atypisch stille Beteiligung, sollte dies nach Ansicht von Teilen der Literatur nicht schädlich sein, da zivilrechtlich die Zurechnung der Gewinnabführung an die Kapitalgesellschaft unbeeinträchtigt bleibe (insoweit bestehe kein Einfluss der steuerrechtlichen Einkommenszurechnung an die Mitunternehmerschaft). Dem stehe nicht entgegen, dass die Anteile an der Organgesellschaft („finanzielle Eingliederung“ – § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 KStG) bei zivilrechtlicher Betrachtung nicht zum Gesamthandsvermögen einer Organträgerin (Personengesellschaft) zähle (als Innengesellschaft gibt es kein Vermögen mit gesamthänderischer Bindung iSd. §§ 717–719 BGB), sondern zum Vermögen der Kapitalgesellschaft. Allerdings müsse die atypisch stille Gesellschaft als Organträgerin selbst gewerblich tätig sein. Es wird befürchtet, dass die FinVerw. die Grundsätze des BMF-Schreibens auf andere Fälle der Mitunternehmerschaft überträgt, die kein Gesamthandsvermögen haben.51 Jedenfalls besteht Bedarf, einer Umqualifizierung typisch stiller Gesellschaften in solche atypischer Art vorzubeugen (keine Beteiligung des „Stillen“ an den stillen Reserven/ dem Geschäftswert, keine Geschäftsführungsbefugnis52). Die Klärung der Rechtsfrage wird evtl. im Revisionsverfahren I R 17/21 (atypisch stille Gesellschaft an der vermeintlichen Organgesellschaft, wobei auch am

49 BFH v. 31.3.2011 – I B 177/10, GmbHR 2011, 836 = BFH/NV 2011, 1397 (m. Anm. Trossen, GmbH-StB 2011, 231): „1. Die für die Begründung der ertragsteuerlichen Organschaft erforderliche Abführung des ‚ganzen Gewinns‘ liegt nicht vor, wenn nur der Gewinn aus einer bestimmten Einrichtung oder einem bestimmten Betätigungsfeld einer KapGes. abgeführt werden soll. …“ – es ging dabei um die Ausklammerung des auf eine atypisch stille Gesellschaft entfallenden Teils; der BFH hat in dieser NZB-Entscheidung ein „Klärungsbedürfnis“ verneint (jedenfalls keine abschließende Sachentscheidung in einem Revisionsverfahren). 50 Wortbeitrag von Pung (im Tagungsbericht von Rüsch, DStZ 2015, 27 [29]); s. im Übrigen zB Beinert/Nees in Prinz/Witt, Organschaft2, Rz. 3.26; Krumm in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 14 KStG Rz. 48; Suchanek, Der Konzern 2019, 356. 51 Olbing, GmbH-StB 2015, 321 (322). 52 Prinz/Witt, Organschaft2, Rz. 7.42.

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Organträger eine atypisch stille Gesellschaft bestand [allerdings insoweit Billigkeitsregelung wie BMF v. 20.8.2015]) erfolgen.53

2. Weitere Hinweise Über den jeweils entschiedenen Einzelfall hinausgehende Bedeutung kommen dem BFH-Beschluss v. 19.10.202054 zur Anerkennung einer Organschaft im Zusammenhang mit vororganschaftlichen Rücklagen („Sieht ein Gewinnabführungsvertrag mit einer GmbH als Organgesellschaft die Möglichkeit des Verlustausgleichs durch Auflösung vororganschaftlicher Rücklagen vor, verstößt dies gegen § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG i.V.m. § 302 Abs. 1 AktG.“) zu.55 Dies gilt ebenfalls für das BFHUrteil v. 1.7.202056 zur Klagebefugnis bei einem Feststellungsbescheid iSd. § 14 Abs. 5 KStG, wonach die Organgesellschaft einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft als Adressatin des Bescheids nach § 14 Abs. 5 KStG auch dann beschwert (§ 40 Abs. 2 FGO) ist, wenn sich die streitige Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung, die Betriebsausgaben als nicht abziehbar qualifiziert (hier: § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 13 EStG), im Ergebnis allein bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der Organträgerin, auswirkt (es besteht eine parallele Rechtsschutzbefugnis von Organgesellschaft und Organträgerin; eine Rechtsschutzkonzentration auf den Organträger ist § 14 Abs. 5 KStG nicht zu entnehmen).57 53 Vorinstanz: FG Düss. v. 12.4.2021 – 6 K 2616/17 K, G, F, EFG 2021, 1052 m. Anm. Falk; s. auch Weiss, DStRK 2021, 149. 54 BFH v. 19.10.2020 – I B 20/20, BFH/NV 2021, 356; dazu Anm. (zB) von Pohl, Ubg. 2021, 178; TK, DStZ 2021, 155; Witt, Ubg. 2021, 177. 55 Nichtzulassungsbeschwerde mit eindeutiger Positionierung zu einer Rechtsfrage („Auch die allgemeinen Rechtsfragen zu den Anforderungen an eine Vereinbarung unter Verweis auf § 302 AktG und zu den möglichen Formen der Verlustübernahme erfüllen, soweit sie die Problematik vororganschaftlicher Rücklagen erfassen, nicht die oben genannten Anforderungen. Insofern fehlt jedenfalls die hinreichende Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Wie bereits dargelegt, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG iVm. § 302 Abs. 1 AktG eindeutig, dass eine Vereinbarung über die Möglichkeit des Verlustausgleichs durch Auflösung vororganschaftlicher Rücklagen schädlich ist.“). 56 BFH v. 1.7.2020 – XI R 20/18, BFHE 269, 525. 57 Praxisbezogene Merkpunkte zu § 14 Abs. 5 KStG (ab VZ 2014): Deklarationserfordernis; Rechtsbehelfsbefugnis sowohl bei Organträger als auch bei Organgesellschaft (s. insoweit auch R 14.6 Abs. 6 Satz 2 KStR); ggf. notwendige Hinzuziehung/Beiladung des jeweils anderen; mögliche Teilbestandskraft einzelner (Teil-)Feststellungen; zum Teil unbestimmter Feststellungsgegen-

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IV. Gestaltungsmissbrauch – Tatbestand seit Gesetzesfassung 2008 1. Leitsatz und Sachverhalt BFH v. 17.11.2020:58 „1. Einzelsteuergesetzliche Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen, die tatbestandlich nicht einschlägig sind, schließen die Anwendung des § 42 AO nicht aus. 2. Bei der Prüfung des Vorliegens eines Missbrauchs i.S. des § 42 Abs. 2 AO sind diejenigen Wertungen des Gesetzgebers, die den von ihm geschaffenen einzelsteuergesetzlichen Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen zugrunde liegen, zu berücksichtigen. 3. Wird eine ‚Gewinngesellschaft‘ auf eine ‚Verlustgesellschaft‘ verschmolzen und verrechnet diese die positiven Einkünfte der ‚Gewinngesellschaft‘ des Rückwirkungszeitraums mit ihren eigenen Verlusten, dann stellt dies nach der Rechtslage des Jahres 2008 keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar. Dies gilt auch dann, wenn die ‚Gewinngesellschaft‘ die Gewinne des Rückwirkungszeitraums bereits an ihre frühere Muttergesellschaft ausgeschüttet hatte.“

Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die konzernangehörige A GmbH (der Konzern fiel 2009 in Insolvenz). Die Klägerin befand sich Ende 2008 in Liquiditätsschwierigkeiten (es drohte die Insolvenz; Finanzspritzen der Gesellschafter oder Kredite durch Banken zur Liquiditätsverstärkung kamen nicht in Betracht). Die C-AG bot der Klägerin zum Zweck der Finanzierung an, ihre 100%ige Tochtergesellschaft (die stand („damit zusammenhängende andere Besteuerungsgrundlagen“); Nichtanerkennung durch (anfechtbaren) Negativbescheid; Verpflichtungsklage bei ausstehender Feststellung; „Multiplikation von Feststellungsverfahren“, da ein Feststellungsbescheid für jede einzelne Organschaft innerhalb eines Organkreises ergeht (s. Wortbeitrag Drüen im Tagungsbericht von Rüsch, DStZ 2015, 27 (35)); nach der gesetzgeberischen Absicht müsste mit der Feststellung des „dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft“ zugleich ggf. die Anerkennung der Organschaft Gegenstand der Feststellungswirkung sein. 58 BFH v. 17.11.2020 – I R 2/18, BStBl. II 2021, 580 = GmbHR 2021, 946 = ZIP 2021, 1864 = FR 2021, 695; Anm. (zB) von Bärsch, FR 2021, 699; Blumenberg/ Bernard, DB 2021, 1491; Bodden, BeSt. 2021, 37; Fechner, DStRK 2021, 222; Görden, GmbH-StB 2021, 210; JS, DStZ 2021, 596; Ott, DStZ 2021, 801; Pfirrmann, BFH v. 25.3.2021 – VIII R 45/18, GmbHR 2021, 1060 = HFR 2021, 748; Pfirrmann, BFH/PR 2021, 335; Schulze, StuB 2021, 737; Strahl, NWB 2021, 1644.

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D GmbH) zu erwerben. Die D GmbH erzielte in den Jahren 2008 und 2009 Gewinne aus Finanzgeschäften. Mit Gesellschafterbeschluss vom 29.1.2009 wurde der Gewinn 2008 an die C-AG ausgeschüttet. Ein im Januar 2009 erzielter Gewinn wurde am 17.2.2009 in Form einer Vorabausschüttung an die C-AG ausgekehrt. Die D GmbH hielt Anfang 2009 keine Geschäftsanteile, Beteiligungen oder stille Beteiligungen an einer anderen juristischen Person, Personengesellschaft oder einem Joint Venture. Unternehmensverträge iSd. §§ 291 ff. AktG bestanden nicht. Die D GmbH beschäftigte auch keine Arbeitnehmer. Das Vermögen der D GmbH bestand nach der Vorabausschüttung vom 17.2.2009 laut Bilanz vom 23.2.2009 im Wesentlichen aus liquiden Mitteln in Höhe von … t in Form von Bankguthaben sowie Steuererstattungsansprüchen (davon entfielen wiederum … t auf Forderungen gegen Kreditinstitute und … t auf sonstige werthaltige Forderungen). Die Steuerrückstellungen beliefen sich auf etwa … t. Das Eigenkapital belief sich auf etwa … t. Die C-AG veräußerte mit notariellem Vertrag vom 23.2.2009 ihre gesamten Anteile an der D GmbH an die Klägerin. Der Kaufpreis betrug … t. Der von der C-AG erzielte Veräußerungsgewinn blieb nach § 8b KStG steuerfrei. Mit Verschmelzungsvertrag vom 24.2.2009 wurde die D GmbH auf die Klägerin verschmolzen. Die Verschmelzung erfolgte rückwirkend auf den 1.7.2008 unter Zugrundelegung der auf den 30.6.2008 erstellten Schlussbilanz der D GmbH. Die übertragenen Wirtschaftsgüter der D GmbH wurden darin zu Buchwerten angesetzt und von der Klägerin entsprechend mit dem Buchwert übernommen. Wegen der Ausschüttung für 2008 und der Vorabausschüttung für 2009 wurde ein passiver Korrekturposten in der Bilanz berücksichtigt, so dass sich auch infolge des passiven Korrekturpostens aus der Verschmelzung ein Verschmelzungsverlust in Höhe von etwa … t ergab, der bei der Klägerin steuerlich nicht in Ansatz gebracht wurde. Die Verschmelzung führte dazu, dass der Klägerin das Einkommen und das Vermögen der D GmbH zum steuerlichen Übertragungsstichtag (1.7.2008) zugerechnet wurde. Das auf den Rückwirkungszeitraum entfallende (positive) Einkommen der D GmbH wurde mit den Verlustvorträgen der Klägerin verrechnet. Das hatte die Auflösung der bei der D GmbH gebildeten Steuerrückstellungen in Höhe von … t zur Folge. Nach Abzug des Kaufpreises von … t (für eine Gesellschaft mit einem Eigenkapital von … t) gingen der Klägerin wegen des insoweit nicht mehr durch die Rückstellungen überlagerten Aktivvermögens liquide Mittel in Höhe von … t zu. 108

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Das FA meinte, dass das von der D GmbH im zweiten Halbjahr 2008 sowie im Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 23.2.2009 erzielte Einkommen (Rückwirkungszeitraum) von ihr als Steuersubjekt zu versteuern sei, weil der Anteilsübertragung und der sich anschließenden Verschmelzung nach § 42 AO die steuerliche Anerkennung zu versagen sei. Die dagegen gerichtete Klage war erfolgreich.59

2. Fragestellung Hat sich durch die Gesetzesfassung des § 42 AO ab 2008 zur Frage der sog. Abschirmwirkung spezialgesetzlicher Missbrauchsverhinderungsvorschriften gegenüber der Generalklausel des § 42 AO etwas geändert?

3. Entscheidung Der BFH hat sich im Ergebnis dem FG angeschlossen – zwar habe das FG die Regelungen in § 12 Abs. 3 Halbs. 2 iVm. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 und in § 8c Satz 1 KStG (vor der Aufhebung) zu Unrecht als einzelsteuergesetzliche Umgehungsverhinderungsvorschriften iSd. § 42 Abs. 1 Satz 2 AO qualifiziert und diesen eine „Abschirmwirkung“ gegenüber der Anwendung des § 42 AO zuerkannt; das führe allerdings nicht zum Erfolg der Revision, weil der Erwerb der Anteile an der D GmbH und deren anschließende rückwirkende Verschmelzung auf die Klägerin keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten iSd. des § 42 Abs. 2 AO darstelle.60

4. Bemerkungen aa) Verlustnutzungen (Verrechnung von positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers mit verrechenbaren negativen Einkünften des übernehmenden Rechtsträgers61) im umwandlungssteuerrechtlichen Rückwirkungszeitraum sind (bei Anmeldung zum Handelsregister nach dem 6.6.2013) durch § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG ausgeschlossen. Der Erlass dieser Regelung ist argumentativ uneindeutig – es ist weder zwingend, dass dieser Regelung lediglich deklaratorische Wirkung zukommt

59 Hess. FG v. 29.11.2017 – 4 K 127/15, EFG 2018, 486 m. Anm. Loewens. 60 Zu Weiterungen betr. die hier nicht (mehr) entscheidungserhebliche Problematik von drittnützigen Steuergestaltungen s. Bärsch, FR 2021, 699 (701). 61 S. Strahl, NWB 2021, 1644 (1645); evtl. aber Rückausnahme in konzerninternen Fällen (s. Bärsch, FR 2021, 699 [700]).

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noch dass Gestaltungen vor dem Inkrafttreten uneingeschränkt zulässig gewesen sind.62 bb) Es geht um § 42 AO „nF“ (seit JStG 2008) und dabei um die Frage, ob die zur Vorgängerregelung vertretene Interpretation einer (rechtstechnischen) „Abschirmwirkung einer Spezialnorm“ angesichts von ausdrücklichen Vorgaben zur „Konkurrenzsituation“ von Spezial- und Generalregelung in Abs. 1 Satz 2, 3 uneingeschränkt aufrechterhalten bleiben kann. Der Wortlaut schließt dies (eine „Abschirmwirkung“ auch dann, wenn die Spezialnorm nicht erfüllt ist) aus. Das schließt es allerdings wiederum nicht aus, dass bei der subsidiären Anwendung der Generalklausel (die Spezialnorm ist nicht erfüllt) unter teleologischen und systematischen Gesichtspunkten die Existenz der (allerdings im konkreten Fall tatbestandlich nicht erfüllten!) Spezialklausel nicht außer Acht bleibt – die Wertung der Spezialnorm wirkt auf die Interpretation des Begriffs des Missbrauchs durch unangemessene Gestaltung (bzw. der Bestimmung „des Angemessenen“) in § 42 Abs. 2 AO. Beispiel:63 „Sperrfristen des § 22 UmwStG“. Im Erg. wird damit eine Abschirmwirkung erhalten, allerdings findet die Prüfung nicht in der Stufe „Normenkonkurrenz“ statt sondern auf der Ebene der Tatbestandsprüfung des § 42 AO.64 Wenn auf dieser Grundlage die Anwendung der Generalklausel „immer“ (ggf. „nachrangig“) möglich ist, sollen Zweifel, ob die Sonderregelung tatsächlich einem Gestaltungsmissbrauch entgegenwirken soll (so ausdrücklich der BFH zu § 12 Abs. 3 Halbs. 2 iVm. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG und auch zu § 8c Satz 1 KStG vor der rückwirkenden Aufhebung), unerheblich sein. Dies erscheint mE nicht uneingeschränkt als einsichtig – denn der „Wertungsübergriff“ auf § 42 Abs. 2 AO dürfte nur dann gerechtfertigt sein, wenn es um eine Missbrauchsverhinderungskonstellation geht, nicht aber um eine sachbezogene Tatbestandsbegrenzung, die auch der Gestaltungssicherheit dient (nach der Auffassung des BFH der Fall bei § 12 Abs. 3 Halbs. 2 UmwStG und bei § 8c Satz 1 KStG aF); allerdings ist eine trennscharfe Abgrenzung nicht immer möglich.65 62 Zutr. Schulze, StuB 2021, 737 (741). 63 Pfirrmann, BFH v. 25.3.2021 – VIII R 45/18, GmbHR 2021, 1060 = HFR 2021, 748. 64 Schulze, StuB 2021, 737, (740). 65 Jedenfalls ist gut nachvollziehbar, wenn gedeutet wird, der BFH habe das Verständnis dessen eingeschränkt, wann eine einzelsteuergesetzliche Missbrauchsverhinderungsvorschrift gegeben ist – so Strahl, NWB 2021, 1644 (1645); s. auch Blumenberg/Bernard, DB 2021, 1491 (1493).

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Zentral ist die Überlegung, dass eine „Verlustmonetarisierung“66 – steuerliche Nutzung („Rettung vor dem Verlustuntergang“ durch Erwerb einer inaktiven Gewinngesellschaft/„zugeschobene Einkünfte des Rückwirkungszeitraums“, die nicht selbst erwirtschaftet worden waren67) eines eigenen („echten“68) Verlusts als gestalterisches Ziel nicht dem Missbrauchsverdikt („das scharfe Schwert des Rechtsmissbrauchs“69) unterfallen soll. Verlustnutzbarmachung ist damit „wirtschaftlicher Zweck“70 bzw. Gestaltungen, die der Ausnutzung von Verlustausgleichspotentialen dienen, müssen grundsätzlich nicht durch weitere außersteuerliche Motive gerechtfertigt werden (s. juris-Orientierungssatz). Auch BVerfG v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/1171 hat ausdrücklich hervorgehoben, dass für den Gesellschafter ein Handel mit einem Verlustmantel „als solcher“ nicht inkriminiert ist (zu § 8c Satz 2 KStG aF72; dabei geht es beim „Mantelkauf“ aber in aller Regel um den Erwerb einer „inaktiven Verlustgesellschaft“ und damit um die Nutzung eines „Fremdverlusts“). Insoweit wird vom BFH nicht als ausreichend angesehen, dass die D-GmbH eine wirtschaftlich inaktive Gewinngesellschaft ist und deren Gewinne zu einem Großteil schon an den Anteilseigner ausgeschüttet worden waren73 und dass letztlich die (positiven) Einkünfte des Dritten zum Zweck der Verlustnutzung durch die Klägerin entgeltlich erworben wurden.74 cc) Dass das BFH-Urteil v. 23.4.2021 – IX R 8/2075 („eindeutige Missbrauchsverhinderungsvorschriften hindern die hilfsweise Anwendung des § 42 AO“ – dort zu § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG; Streitjahr 2012) in seinen Urteilsgründen das Urteil BFH I R 2/18 nicht erwähnt,76 dürfte daran liegen, dass die Entscheidung des I. Senats am 23.4.2021 (Freigabedatum der Entscheidung des IX. Senats) noch nicht bekannt war (Freigabe erst

66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76

Schulze, StuB 2021, 737. Görden, GmbH-StB 2021, 210 (211 f.). Fechner, DStRK 2021, 222. So Pfirrmann, BFH/PR 2021, 335 (336). Schulze, StuB 2021, 737 (740). BVerfG v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BStBl. II 2017, 1082 = FR 2017, 577 m. Anm. Suchanek = GmbHR 2017, 710 = ZIP 2017, 1009, dort Rz. 149. S. Brandis in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 8c KStG Rz. 22. Görden, GmbH-StB 210 (211 f.); Strahl, NWB 2021, 1644 (1645). Bärsch, FR 2021, 699 (700). BFH v. 23.4.2021 – IX R 8/20, BStBl. II 2021, 743. Hervorgehoben von kk, KÖSDI 2021, 22384 (22385); Bodden, BeSt. 2021, 37 (39).

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am 4.6.2021).77 Im dortigen Streitfall war die Missbrauchsverhinderungsnorm tatbestandlich erfüllt (!), was dann die Anwendung der allgemeinen Regelung hinderte („Sperrwirkung“ – der „Missbrauch“ sollte hier in einem Steuersatzvorteil durch Verlagerung der Einkünfte auf einen [unentgeltlichen] Rechtsnachfolger liegen) – jedenfalls war „das Prüfungsprogramm in Abs. 2 der Generalklausel … nicht mehr zu durchlaufen“78. dd) Durch das neue Urteil dürfte sich „im praktischen Ergebnis wenig (ge)ändert (haben)“79, auch wenn es allgemein nun „nicht mehr (genügt), ‚um eine spezielle Umgehungsverhinderungsgestaltung herum zu gestalten‘“80. Dies allerdings könnte den Gesetzgeber provozieren, erneut tätig zu werden.81

V. Rangrücktrittsvereinbarung – Klausel „Sonstiges freies Vermögen“ 1. Leitsatz und Sachverhalt BFH v. 19.8.2020:82 „Eine Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und Einnahmen, sondern auch aus ‚sonstigem freien Vermögen‘ vorsieht, löst selbst dann weder handels- noch steuerbilanziell ein Passivierungsverbot aus, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Ge77 Siehe auch Trossen, HFR 2021, 1085 (1086). 78 Bodden, BeSt 2021, 37, 39. 79 Pfirrmann, BFH v. 25.3.2021 – VIII R 45/18, GmbHR 2021, 1060 = HFR 2021, 748; gl.Erg. bei Blumenberg/Bernard, DB 2021, 1491, (1495); Schulze, StuB 2021, 737. 80 Bodden, BeSt 2021, 37, 39. 81 Für möglich (aber wenig erfolgversprechend) gehalten von Blumenberg/Bernard, DB 2021, 1491, 1495; abw. wohl Schulze, StuB 2021, 737, 741 (jedenfalls keine rückwirkende Änderung). 82 BFH v. 19.8.2020 – XI R 32/18, BStBl. II 2021, 279 = ZIP 2020, 2566 = FR 2021, 168; Anm. (zB) von Baumgartner, DStRK 2021, 31; Formel, GmbH-StB 2021, 72; jh, StuB 2021, 33; JS, DStZ 2021, 5; Kanzler, NWB 2020, 3680; Levedag, GmbHR 2021, R37; Nöcker, StuB 2021, 150 (155 f.); Rätke, StuB 2021, 95; Rauch, HFR 2021, 442; Reddig, jurisPR-SteuerR 10/2021, Anm. 3; Schmidt, DB 2021, 146; Seppelt, BB 2021, 114; Treiber, BFH/PR 2021, 97; Uhländer, DB 2021, 16 (25); Weber-Grellet, BFH v. 12.3.2020 – IV R 9/17, BB 2021, 43 (44); Weber-Grellet, FR 2021, 172 (Bemerkung: Die im BFH-Urteil anonymisierten Zahlenangaben sind nach den Angaben im juris-Nachweis des FG-Urteils hier ergänzt; s. auch die Analyse durch Graw, StbJb. 2021/2022, 279).

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zu Kapitalgesellschaften schäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, und eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens voraussichtlich nicht eintreten wird.“

Die konzernangehörige GmbH (Klägerin) hatte ihre operative Geschäftstätigkeit mindestens seit dem Jahr 2006 mit Ausnahme der Anmietung und Weitervermietung ihres Betriebsgeländes eingestellt und diese nach eigenen Angaben erst im Jahr 2017 wieder aufgenommen. Alleingesellschafterin ist die … GmbH (B). Die Klägerin, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, hatte im Jahr 2008 (Streitjahr) ein abweichendes Wj. vom 1.10. bis 30.9. Ihr Aktivvermögen zu den Bilanzstichtagen 30.9.2008, 30.9.2009, 31.12.2009 und 31.12.2010 bestand aus einer (Dritt-)Forderung, die durch eine Grundschuld besichert war, sowie aus dem Kassen- und Bankbestand. Am 21.9.2007 verzichtete B gegenüber der Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt eine bilanzielle Überschuldung in Höhe von 3.047.386,95 t aufwies, auf Forderungen in Höhe von 843.631,61 t und gab zugleich eine Rangrücktrittserklärung ab: „Zur Abwendung der Überschuldung bei Ihrer Gesellschaft werden wir mit unseren Forderungen aus gewährten Tagesgeldern und laufenden Kontokorrent bis zu einer Höhe von maximal 3.047.386,95 t hinter die Forderungen aller anderen gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger, die eine solche Rangrücktrittserklärung nicht abgegeben haben, in der Weise zurücktreten, dass die Forderungen nur aus sonst entstehenden Jahresüberschüssen, einem Liquidationsüberschuss oder aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft übersteigenden freien Vermögen zu bedienen sind. Diese Erklärung erlischt automatisch mit dem Zeitpunkt, zu dem der Tatbestand der Überschuldung aufgehoben ist, oder eine andere Gesellschaft die Forderungen übernimmt und darauf ihrerseits einen entsprechenden Rangrücktritt erklärt.“

Am 26.9.2008 verzichtete B gegenüber der Klägerin erneut auf einen Teil der Forderungen (nunmehr: 859.470,04 t). Die Klägerin buchte die Forderungen, auf die B verzichtet hatte, jeweils gewinnerhöhend aus. Nach einer Außenprüfung gingen die Prüfer davon aus, dass aufgrund der fehlenden operativen Geschäftstätigkeit sowie der Vermögenslosigkeit der Klägerin (Aktivvermögen: besicherte Forderung, ca. 88.000,00 t) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mit einer Rückzahlung der Verbindlichkeiten gegenüber B zu rechnen sei. Die Klägerin sei durch die bestehende Verpflichtung wirtschaftlich nicht belastet. Die Prüfer schlugen vor, die Verbindlichkeiten gegenüber B zum 30.9.2008 bis auf einen Betrag in Höhe des freien Vermögens, das sie auf 120.000 t schätzten, in Höhe von 2.081.312,85 t gewinnerhöhend aufzulösen. Eine 113

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verdeckte Einlage sei mit 0 t zu bewerten. Das FA schloss sich den Prüfungsfeststellungen an und erließ Änderungsbescheide ua. zur Körperschaftsteuer 2008. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG Münster der Klage statt.83 Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Auch wenn die Klägerin nach der Rangrücktrittserklärung verpflichtet gewesen sei, „die Verbindlichkeiten aus freiem Vermögen“ zu tilgen, sei diese Verpflichtung angesichts ihrer wirtschaftlichen Lage ohne wirtschaftlichen Gehalt und laufe leer; der Verweis auf das „freie Vermögen“ sei sinnlos und widersprüchlich.84 Es habe zum Bilanzstichtag 30.9.2008 außerdem nicht festgestanden, ob (wie es das FG rein hypothetisch für möglich gehalten habe) B künftig eine Einlage leisten werde. Jedenfalls stelle die Möglichkeit, künftig entstehendes „freies Vermögen“ zur Tilgung von Verbindlichkeiten verwenden zu müssen, keine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung dar. Es würde dem Gesetzeszweck des § 5 Abs. 2a EStG jede Grundlage entziehen, wenn die pauschale Einbeziehung des sonstigen „freien Vermögens“ in eine Rangrücktrittserklärung zur Passivierung führen würde. Außerdem habe die Zahlung auf eine nachträglich mit einer Rangrücktrittsvereinbarung versehene Verbindlichkeit (Schuldänderungsvereinbarung) keinen Rechtsgrund; es handele sich mithin um eine Leistung auf eine „Nichtschuld“.85 Die Klägerin macht im Kern geltend, dass der BFH86 bereits entschieden habe, dass im Fall eines Rangrücktritts die Verbindlichkeiten weiter zu passivieren seien, wenn die Tilgung auch aus sonstigem freien Vermögen zu erfolgen habe. Es komme hierbei nicht darauf an, ob freies Vermögen bei der Rangrücktrittserklärung tatsächlich vorhanden sei. Die wirtschaftliche Belastung sei bei § 5 Abs. 2a EStG nicht maßgeblich;87 vielmehr sei allein auf den rechtlichen Gehalt der Vereinbarung abzustellen.

83 FG Münster v. 13.9.2018 – 10 K 504/15 K, G, F, EFG 2018, 2010 m. Anm. Vasel; s. auch Heß, DStRK 2019, 41; Seppelt, BB 2019, 114. 84 Hinweis auf Weber-Grellet, BB 2015, 2667. 85 Hinweis auf BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 = GmbHR 2015, 472 m. Anm. Farian = ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim. 86 Hinweis auf BFH v. 10.8.2016 – I R 25/15, BStBl. II 2017, 670 = FR 2017, 1088 m. Anm. Weber-Grellet = FR 2017, 390 m. Anm. Scheifele = GmbHR 2017, 197 = GmbHR 2017, 657 = ZIP 2017, 818; v. 28.9.2016 – II R 64/14, BStBl. II 2017, 104 = FR 2017, 400 = GmbHR 2017, 100. 87 Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks 14/2070, 17).

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2. Fragestellung Führt die Rangrücktrittsvereinbarung der Gläubigerin zum Fortfall der allgemeinen Passivierungsvoraussetzungen oder greift ein spezielles Passivierungsverbot ein?

3. Entscheidung Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen (keine ertragswirksame Auflösung der Verbindlichkeiten). Denn eine Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und Einnahmen, sondern auch aus „sonstigem freien Vermögen“ vorsieht, löst selbst dann weder handels- noch steuerbilanziell ein Passivierungsverbot aus, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtags nicht in der Lage ist, „freies Vermögen“ zu schaffen, und eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens voraussichtlich nicht eintreten wird. Das wirtschaftliche Unvermögen des Schuldners ist unerheblich; vielmehr kommt es allein auf den rechtlichen Gehalt der Durchsetzungssperre an. Auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2a EStG (Passivierungsverbot) sind nicht erfüllt.

4. Bemerkungen aa) Die Literatur hat diese Entscheidung überwiegend positiv aufgenommen.88 Sie bildet – nach Entscheidungen insb. des I. (aber auch z.B. des II. und des VIII.) Senats des BFH – eine Art „Schlussstein“ der Rspr. zur Problematik von Rangrücktrittserklärungen.89 Dabei ist auch von Bedeutung, dass der Fokus der Entscheidung nicht ausschließlich auf § 5 Abs. 2a EStG gerichtet ist, sondern (systematisch zutreffend – s. auch Rauch, HFR 2021, 442) „vorrangig“ die handelsbilanzielle Frage der Pas88 S. insbes. Baumgartner, DStRK 2021, 31; Formel, BFH v. 19.8.2020 – XI R 32/18, FR 2021, 168 m. Anm. Weber-Grellet = GmbHR 2021, 211 = ZIP 2020, 2566 = GmbH-StB 2021, 72; JS, DStZ 2021, 4; Kanzler, NWB 2020, 3680; Reddig, jurisPR-SteuerR 10/2021, Anm. 3; Rätke, StuB 2021, 95; Schmidt, DB 2021, 146; Seppelt, BB 2021, 114; Uhländer, DB 2021, 16 (25); s. auch Sistermann, Wiesbadener Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e.V. 2021, Arbeitsbuch S. 183 ff.; abl. allerdings Weber-Grellet, BFH v. 12.3.2020 – IV R 9/17, BB 2021, 43 (44). 89 Uhländer, DB 2021, 16 (25) spricht von einer „präzisen Fortentwicklung“ der (vorhandenen) Rspr.

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sivierung beantwortet und erst „nachträglich“ selbstredend auch zu § 5 Abs. 2a EStG Stellung genommen wird. bb) Entscheidend ist, dass es für den Ausweis als Verbindlichkeit (entsprechend dem handelsrechtlichen Passivierungsgebot) auf den rechtlichen Gehalt der Durchsetzungssperre ankommt und ein wirtschaftliches Unvermögen des Schuldners im Zeitpunkt der Rangrücktrittsvereinbarung nicht zur Folge hat, dass eine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung nicht mehr besteht. Dabei stellt die nachträgliche Übereinkunft eines Rangrücktritts einen verfügenden Schuldänderungsvertrag iSd. § 311 BGB dar, wenn der Zweck einer Rangrücktrittsvereinbarung darin liegt, dass die betreffende Forderung zur Vermeidung einer Insolvenz nicht in der Überschuldungsbilanz erscheint, nicht aber einen Forderungsverzicht (der Gläubiger bleibt Inhaber der Forderung). Der rechtliche Bestand der Forderung ist durch den Umstand, dass dem Schuldner (wenn er die mit einem Rangrücktritt versehene Forderung trotz Insolvenzreife begleichen würde) nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB ein Rückforderungsanspruch gegen den Gläubiger zustehen würde und ein Insolvenzverwalter eine solche Zahlung anfechten könnte, nicht berührt. cc) Im Streitfall war zu einer Vereinbarung zu entscheiden, die ausdrücklich eine Tilgung unter Bezugnahme auf „freies Vermögen“ vorsah; allerdings ist der BGH-Rspr. eine solche Konkretisierung (bzw. konkrete Identifizierung) des Vermögensbereichs, aus dem eine Tilgung erfolgen kann, nicht zu entnehmen: Es ist für die rechtliche Qualifizierung ausschließlich im Blick, dass eine „nachrangige“ Tilgung der „subordinierten Verbindlichkeit“ – nach allgemeiner Maßgabe (aufgrund der Auszahlungssperre darf die Forderung dieses Gläubigers vor Insolvenzeröffnung nur erfüllt werden, wenn die Gesellschaft nicht insolvenzreif ist und die Insolvenzreife nicht droht) – (weiterhin) vorgesehen ist.90 Das mit der Rangrücktrittsvereinbarung verbundene Zahlungsverbot („wenn durch eine gedachte Zahlung Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zumindest einzutreten droht“) berührt auch ohne einen Verweis auf ein „freies Vermögen“ den Fortbestand der zivilrechtlichen Verbindlichkeit nicht (es ergibt sich aus dem Vertragsinhalt „von selbst“, dass eine Befriedigung der Forderung wegen der nachrangigen Position nur aus freiem, nicht zur Schuldendeckung benötigtem Vermögen der Gesellschaft gestattet ist). Daher ist die Frage, ob eine Tilgung „nur aus künftigen Einnahmen, 90 „… und damit eine ausdrückliche Bezugnahme auf das ‚freie Vermögen‘ vom BGH nicht verlangt wird“ – zutr. Schmidt, DB 2021, 146; s. bereits Schmidt, Der Konzern 2017, 86.

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Gewinnen, Bilanzgewinnen oder einem Liquidationserlös“ erfolgt (in der BFH-Rspr. ist insoweit von einem „spezifizierten Rangrücktritt“ die Rede), „nur“ für das steuerrechtliche Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG91 von Bedeutung. Und die rechtliche Qualifizierung als Verbindlichkeit besteht ungeachtet des Umstands fort, dass der Schuldner am Bilanzstichtag vermögenslos ist oder bei einer (sofortigen) Tilgung Insolvenzreife eintreten würde. Ein Wechsel der Verbindlichkeit in eine nicht zu passivierende „Nichtschuld“92 liegt durch den Rangrücktritt nicht vor – ein Wegfall der wirtschaftlichen Last für den Schuldner (wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit seiner Inanspruchnahme zu rechnen ist) ist mit der Vereinbarung nicht verbunden. Steuerrechtlich ist weder § 5 Abs. 2a EStG anwendbar (keine rechtliche Abhängigkeit zwischen dem Bestand der Verbindlichkeit und künftigen Einnahmen oder Gewinnen/Vermögenswerten – ein „faktischer Zukunftsbezug“ mit Blick auf eine „reale Erfüllungsfähigkeit“ [hier: z.Zt. nicht liquide, keine aktive Geschäftstätigkeit] reicht dazu nicht aus) noch ist eine Korrespondenz zur Qualifizierung beim Gläubiger (dort: Teilwertabschreibung der Forderung [Vorsichtsprinzip!]) angeordnet.

91 Einzelheiten in der sog. Filmförderdarlehen-Rspr. (BFH v. 10.7.2019 – XI R 53/17, BStBl. II 2019, 803 = FR 2020, 90): „Ein Passivierungsverbot kommt daher nach der Ergänzung des Gesetzes allgemein dann in Betracht, wenn sich der Rückforderungsanspruch des Gläubigers nur auf künftiges (nicht aber auf bereits vorhandenes) Vermögen des Schuldners am Bilanzstichtag erstreckt … Andererseits ist es dabei geblieben, dass allein die Vermögenslosigkeit des Schuldners nicht dazu führt, eine rechtlich bestehende Verpflichtung aus dem handels- oder steuerrechtlichen Abschluss auszubuchen, da ohne eine (rechtliche) Beschränkung des Rückzahlungsanspruchs auf künftige Einnahmen oder Gewinne (dh. auf künftige Vermögenswerte) der zutreffende Ausweis des schuldnerischen Vermögens die Passivierung der Schulden erfordert …“ Es geht daher um eine rechtliche Abhängigkeit (als ausdrückliche Verknüpfung) zwischen dem Bestand der Verbindlichkeit und künftigen Einnahmen oder Gewinnen (Vermögenswerten), dh. zwischen Betriebsvermögenszugang und Tilgungsverpflichtung. 92 Oder eine „künftige Verbindlichkeit“ – so aber BFH v. 12.3.2020 – IV R 9/17, BB 2021, 43 (44 – die gegenwärtige wirtschaftliche Belastung sei gemessen an dem neuen Inhalt der Verbindlichkeit entfallen); der Rangrücktritt erschöpfe sich nicht in einem schlichten „pactum de non petendo“, sondern bewirke die Umgestaltung des Forderungsrechts in Risikokapital.

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dd) Da im Umfang der Beschwer des revisionsführenden FA kein Rechtsfehler zu erkennen war, musste vom BFH nicht entschieden werden, ob die der Steuerfestsetzung zugrunde liegende (von der Klägerin selbst deklarierte) Einkommenserhöhung durch den Gläubigerverzicht (eine in der Gesamtkonzeption evtl. durch die höhenbeschränkenden Vorgaben der sog. Mindestbesteuerung [§ 10d Abs. 1, 2 EStG] gesteuerte Abfolge von Teilverzichten kurz vor dem jeweiligen Jahresabschlussstichtag) rechtmäßig war; der Gesetzeswortlaut lässt jedenfalls „Gestaltungsgrenzen“ für eine „betragliche Steuerung“ auch im Konzernverbund nicht erkennen. Insoweit konnte auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Mindestbesteuerung (Verfassungswidrigkeit bei Definitiveffekten?93) offenbleiben.94 ee) Zusammenfassung: Eine Rangrücktrittsvereinbarung (kein Verzicht!; Vertrag zugunsten der übrigen Gläubiger!; Sperre für eine „Durchsetzung“ durch den Gläubiger, die aber den Bestand der Verbindlichkeit nicht berührt) kann mit Blick auf § 39 Abs. 2 InsO95 eine insolvenzrechtliche Überschuldung vermeiden (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO96). Allein wirtschaftliches Unvermögen des Schuldners (Vermögenslosigkeit oder Einstellung des operativen Geschäftsbetriebs) berührt den handels- und steuerrechtlichen Bestand als Verbindlichkeit nicht (keine gewinnerhöhende [allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer verdeckten Einlage bei Gesellschafterdarlehen korrigiert/soweit werthaltig] Auflösung als „Wegfallgewinn“); ein Wegfall einer wirtschaftlichen Last für den Schuldner (wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit der Inanspruchnahme des Schuldners zu rechnen ist) ist dabei aus Gläubigersicht zu entscheiden (würde er [weiterhin] jedwede Realisierungschancen nutzen?) und mit der Vereinbarung nicht verbunden. – § 5 Abs. 2a EStG ist nicht angesprochen. Steuerrechtlich ist auch keine Kor93 BFH v. 26.2.2014 – I R 59/12, BStBl. II 2014, 1016 = GmbHR 2014, 1099 = FR 2014, 1033 – beim BVerfG anhängig (2 BvL 19/14). 94 Siehe auch Rauch, HFR 2021, 442 (443). 95 „Forderungen, für die zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart worden ist, werden im Zweifel nach den in Absatz 1 bezeichneten Forderungen berichtigt.“ 96 „Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.“

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respondenz zur Qualifizierung beim Gläubiger (dort: Teilwertabschreibung [Vorsichtsprinzip!]) angeordnet. – Es liegt nahe anzunehmen, „dass auch in der Liquidationsschlussbilanz subordinierte Verbindlichkeiten zu passivieren sind und nicht zu einem Liquidationsschluss(schein)gewinn führen, solange die Verbindlichkeit weiterhin besteht und aus freiem Vermögen zu tilgen wäre“97. Jedenfalls ist ein „Fortbestand in der Liquidation“ (keine gewinnerhöhende Ausbuchung) auch die Auffassung des FG Münster.98 Diese Linie wird im Grundsätzlichen wohl auch von der FinVerw. geteilt.99 – Umkehrsituation: Bei der Liquidation einer Kapitalgesellschaft, die eine Forderung gegen den vermögenslosen Gesellschafter ausweist, liegt im letzten noch möglichen (aber ohne Aktion verstrichenen) Zeitpunkt einer Rückforderung ein vGA vor.100 – Das BMF-Schreiben vom 8.9.2006 (BStBl. I 2006, 497) zur „Passivierung von Verbindlichkeiten bei Vereinbarung eines einfachen oder qualifizierten Rangrücktritts; Auswirkungen des § 5 Abs. 2a EStG“ hat Aktualisierungsbedarf (Terminologie [„einfacher/qualifizierter“ Rangrücktritt]; Be97 Seppelt, BB 2021, 114; s. auch Rätke, StuB 2021, 95 (100 f.). 98 FG Münster v. 23.7.2020 – 10 K 2222/19, DStRE 2021, 264; dazu Abele, BB 2020, 2482; Crezelius, NZI 2020, 1040; Junkers, NWB 2021, 973. Siehe die juris-Orientierungssätze: „1. Die Verbindlichkeit einer GmbH gegenüber ihrer Alleingesellschafterin ist nicht allein deswegen auszubuchen, weil – die GmbH ihren aktiven Geschäftsbetrieb unterjährig eingestellt und ihr gesamtes Inventar veräußert hat, – die GmbH mit unterjährigem Schreiben beim Finanzamt angezeigt hat, dass die Gesellschaft zum 31.12. liquidiert werden soll, – die GmbH selbst keine Einnahmen mehr erwirtschaften konnte, um die Verbindlichkeit zu begleichen, – die GmbH zur Begleichung der Verbindlichkeit ein Bankdarlehen hätte aufnehmen oder die Alleingesellschafterin der GmbH zuvor einen Betrag in entsprechender Höhe hätte einlegen müssen und – im Unternehmen der Alleingesellschafterin der GmbH korrespondierend eine Forderungsabschreibung erfolgt ist. 2. Zu einer (gewinnerhöhenden) Ausbuchung der Verbindlichkeit einer GmbH gegenüber ihrer Alleingesellschafterin kommt es – abgesehen von einem ausdrücklichen oder konkludenten Verzicht durch die Gläubigerin – unter Beachtung des Grundsatzes der Vollständigkeit und des Vorsichtsprinzips (vgl. § 246 Abs. 1 und § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) nur dann, wenn mit einer Inanspruchnahme mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechnen ist. 3. Die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ist nicht nach den subjektiven Erwartungen des Steuerpflichtigen zu prüfen, sondern auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen.“ 99 OFD Frankfurt v. 26.7.2021 – S 2743 A - 12 St 523, Der Konzern 2021, 391. 100 Junkers, NWB 2021, 973 (976 f.).

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Brandis, Rechtsprechungs-Highlights zu Kapitalgesellschaften

zugnahme auf „freies Vermögen“). – Wenn (und indem) in der Situation des (momentanen) wirtschaftlichen Unvermögens des Schuldners grds. kein Forderungsverzicht des Gläubigers anzunehmen ist, strahlt dies auch in weitere Rechtsbereiche aus – zB in die Steuerbefreiung des Sanierungsertrags bei unternehmensbezogener Sanierung nach § 3a Abs. 1–4 EStG/§ 7b GewStG, da der dort maßgebende Schuldenerlass (der zum grds. ertragswirksamen „Wegfallgewinn“ beim Schuldner führt) als Tatbestandsvoraussetzung „die Kehrseite des Forderungsverzichts“ ist.101

101 Kanzler, NWB 2020, 3680 (3681).

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2. Leitthema: Unternehmensteuerrecht 2

Die Option zur Körperschaftsteuer Dr. Rolf Möhlenbrock Ministerialdirektor, Berlin Prof. Dr. Ingo Stangl Steuerberater, München I. Hintergrund und Überblick 1. Hintergrund 2. Überblick II. Persönlicher Anwendungsbereich III. Antrag IV. Übergang zur Körperschaftsteuer 1. Fiktiver Formwechsel 2. Übergangsgewinn bei bisheriger Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG

V. Anwendung der KStG-Grundsätze (Behandlung „wie eine Kapitalgesellschaft“ und Behandlung der Gesellschafterebene) 1. Ebene der optierenden Gesellschaft 2. Ebene des Gesellschafters der optierenden Gesellschaft 3. Umwandlungen VI. Beendigung der Option

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Möhlenbröck/Stangl, Die Option zur Körperschaftsteuer

I. Hintergrund und Überblick 1. Hintergrund Im Jahr 1999 setzte das BMF eine Kommission zur Erarbeitung von Reformvorschlägen der Unternehmensbesteuerung ein, welche die sog. „Brühler Empfehlungen“ erarbeitete.1 Dort wurden für die Besteuerung von Personenunternehmen drei2 Modelle diskutiert:3 Modell 1: Optionen von Personenunternehmen zur Körperschaftsteuer. Modell 2: Einführung einer Sondertarifierung nicht entnommener Gewinn in Höhe des Körperschaftsteuersatzes. Modell 3: Einkommensteuerminderung durch Berücksichtigung der Gewerbesteuerbelastung. Als Kritikpunkte an dem Modell 1 (Option) hob die Kommission4 hervor, dass es kleineren Unternehmen keine Entlastung biete und dass Anpassungen der DBA notwendig werden dürften. Zunächst nahm der Gesetzgeber den Gedanken des Modells 3 auf, indem er mit dem StSenkG v. 23.10.20005 die pauschalierte Gewerbesteueranrechnung in § 35 EStG einführte. In diesem Gesetzgebungsverfah1 Vgl. BMF (Hrsg.), Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung – Bericht der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, 1999. 2 Als viertes Modell wurde eine weitere Absenkung des Sondersteuersatzes nach § 32c EStG für gewerbesteuerlich vorbelastete Gewinne unter (optionaler) Ausdehnung der Regelung auf Freie Berufe sowie Land- und Forstwirtschaft erwogen, vor dem Hintergrund steuersystematischer, ökonomischer, europa- und verfassungrechtlicher Gründe aber nicht weiter verfolgt; vgl. BMF (Hrsg.), Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung – Bericht der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, 1999, 19 (soweit sich die Kommission hierzu auf den Vorlagebeschluss des BFH v. 24.2.1999 – X R 171/96, BStBl. II 1999, 450 bezieht, hat sich das BVerfG den verfassungsrechtlichen Bedenken nicht angeschlossen; vgl. BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 = FR 1999, 586 m. Anm. Wendt = GmbHR 1999, 621). 3 Vgl. BMF (Hrsg.), Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung – Bericht der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, 1999, 72 ff. 4 Vgl. BMF (Hrsg.), Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung – Bericht der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, 1999, 78 ff. 5 Vgl. Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (StSenkG) v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433.

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Möhlenbröck/Stangl, Die Option zur Körperschaftsteuer

ren war bereits geplant, das Modell 1 (Option) zusätzlich umzusetzen,6 jedoch wurden die Planungen im Rahmen des Vermittlungsausschusses zurückgenommen.7 Der Ansatz des Modells 2 erfuhr im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 14.8.20078 durch § 34a EStG seine gesetzgeberische Umsetzung. Das Modell 1 (Option) war dennoch weiterhin Gegenstand steuersystematischer und -politischer Diskussionen.9 Mit der nunmehrigen Einfügung der Option zur Körperschaftsteuer in § 1a KStG durch das KöMoG v. 25.6.202110 ist auch das Modell 111 zur steuerrechtlichen Realität geworden. Damit sind nunmehr nach mehr als 20 Jahren alle drei von den Brühler Empfehlungen diskutierten Modelle kumulativ umgesetzt worden.12 § 1a KStG war erstmals für den Veranlagungszeitraum 2021 anzuwenden mit der Maßgabe, dass der Antrag erstmals für nach dem 31.12.2021 beginnende Wj. gestellt werden konnte. Da der Antrag spätestens einen Monat vor Beginn des Wj. zu stellen ist, ab dem die Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft gelten soll (§ 1a Abs. 1 Satz 2 KStG), war bei kalenderjahrgleichem Wj. für eine Option ab dem Veranlagungszeitraum 2022 eine Antragstellung bis spätestens 30.11.2021 erforderlich. Das BMF veröf6 Vgl. § 4a KStG-E idF der BT-Drucks 14/2683 (Regierungsentwurf) und BTDrucks. 14/3366 (Beschlussempfehlung des Finanzausschusses). Vgl. hierzu zB Bippus, DStZ 2000, 541; Haase/Diller, BB 2000, 1068 ff.; Kleineidam, DB 2000, 1289 ff.; Krabbe, FR 2000, 545 ff.; Kußmaul/Schäfer, BB 2000, 901 ff. 7 Vgl. BT-Drucks. 14/3760, 7. Vgl. zum Gesetzgebungsverfahren zB Schaumburg in Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, 2000, 110 ff. Zu einem „Nachruf auf ein steuerliches Optionsmodell“ s. Streck, NJW 2000, 3692. 8 Vgl. Unternehmensteuereformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 9 So hat zB das IDW 2017 ein Optionsmodell zum Einstieg in eine rechtsformneutrale Entwicklung und 2019 einen fortentwickelten Vorschlag eines Optionsmodells vorgeschlagen; vgl. Kelm/Rindermann/Hennrichs, WPg. 2021, 1166. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat Ende 2019 ein Optionsmodell vorgeschlagen (vgl. Pressemitteilung des BMWi v. 15.11.2019). Das Optionsmodell wurde dann auch in den Koalitionsausschüssen v. 8.3.2020 (vgl. hierzu zB Hechtner, NWB 2020, 754) und v. 3.6.2020 (vgl. hierzu zB Dreßler/Kompolsek, Ubg. 2021, 301) angesprochen. 10 Vgl. Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. 11 § 1a KStG geht auf das Modell 1 der Brühler Empfehlungen zurück; vgl. BTDrucks. 19/28656, 1, 14; vgl. zB auch Blöchle/Dumser, GmbHR 2022, 72; Meyering/Müller-Thomczik, Ubg. 2022, 95 (96;) Möhlenbrock/Haubner, FR 2022, 53 (55). 12 Vgl. auch BT-Drucks. 19/28565, 1 f.

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fentlichte sehr zeitnah zur Verabschiedung des KöMoG mit Datum vom 10.11.2021 – und somit noch vor dem 30.11.2021 – ein BMF-Schreiben zu der Norm.13

2. Überblick Personengesellschaften werden im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht grundsätzlich transparent behandelt14. Dh. sie sind kein Steuersubjekt in diesen beiden Steuerarten, sondern das mit ihnen erwirtschaftete Einkommen wird erst bei den Gesellschaftern der Personengesellschaft besteuert, wenn es sich bei diesen um Einkommenoder Körperschaftsteuersubjekte handelt. Dieser Ansatz führt im Ergebnis auch zu der Erfassung von Sonderbetriebsvermögen, Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben sowie zu der Bildung von Ergänzungsbilanzen. Der Gewerbesteuer unterliegt hingegen jeder stehende Gewerbebetrieb (soweit er im Inland betrieben wird, § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Ist die Tätigkeit einer Personengesellschaft Gewerbebetrieb, ist Steuerschuldner die Gesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Damit ist die Personengesellschaft in der Gewerbesteuer – anders als im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht – weitgehend „intransparent“ (eine gewisse „Transparenz“ besteht aber zB für den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag, vgl. § 10a Satz 4 und 5 GewStG). Bei Ausübung der Option des § 1a KStG soll die Personenhandelsgesellschaft hingegen sowohl auf der Gesellschaftsebene als auch auf der Ebene der Gesellschafter wie eine Kapitalgesellschaft bzw. wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu behandeln sein (§ 1a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 KStG). Daher unterliegt die optierende Gesellschaft der Körperschaftsteuer. Des Weiteren regelt § 2 Abs. 8 GewStG, dass eine optierende Gesellschaft auch für Zwecke der Gewerbesteuer als Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu

13 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212. 14 Die mitunternehmerische Personengesellschaft ist aber im Rahmen von Einkommen- und Körperschaftsteuer Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation; vgl. zB Krumm in Kirchhof/Seer, EStG21, § 15 Rz. 164. Die Einkünfte werden einheitlich und gesondert festgestellt (§§ 179, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, 182 Abs. 1 AO); vgl. zB Heinicke in Schmidt, EStG41, § 1 Rz. 13.

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behandeln sind. Folge der Option ist somit die Gleichstellung15 einer optierenden Gesellschaft und ihrer Gesellschafter mit einer Kapitalgesellschaft und ihren nicht persönlich haftenden Gesellschaftern für Zwecke der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer. Der aus vier Absätzen bestehende § 1a KStG hat den folgenden Aufbau: –

§ 1a Abs. 1 KStG: Persönlicher Anwendungsbereich, grundsätzliche Rechtsfolge und Antrag.



§ 1a Abs. 2 KStG: Besteuerung des Übergangs zur Körperschaftsteuer aufgrund ausgeübter Option.



§ 1a Abs. 3 KStG: Laufende Besteuerung v.a. auf der Gesellschafterebene.



§ 1a Abs. 4 KStG: Besteuerung bei Beendigung der Option.

II. Persönlicher Anwendungsbereich Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG steht die Option nur Personenhandelsgesellschaften (also OHG, KG und EWIV16) oder Partnerschaftsgesellschaften iSd. PartGG zur Verfügung. Personengesellschaften, die keine Personenhandelsgesellschaften sind (zB die GbR17), Einzelunternehmen, Erbengemeinschaften und reine Innengesellschaften (zB atypisch stille Gesellschaften) werden vom persönlichen Anwendungsbereich des § 1a KStG nicht erfasst.18

15 Vgl. BT-Drucks. 19/28656, 20 f. („Mit dem neuen § 1a KStG werden zur Körperschaftsteuer optierende Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich den Kapitalgesellschaften gleichgestellt.“). 16 Nach § 1 Halbs. 2 EWIVAG gilt eine EWIV als Handelsgesellschaft iSd. HGB. Vgl. zur Erfassung von EWIV auch BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/ 10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 2. 17 BT-Drucks. 19/28656, 21 weist aber darauf hin, dass eine andere Bewertung sich möglicherweise unter dem MoPeG ergibt und insoweit dann auch eine Anpassung des § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG zu prüfen sei. Ferner besteht bereits de lege lata für eine GbR die Möglichkeit zur freiwilligen Eintragung in das Handelsregister und der damit verbundenen Qualifikation als OHG (§ 105 Abs. 2 HGB) bzw. KG (§ 105 Abs. 2 HGB iVm. § 161 Abs. 2 HGB); vgl. zB Brühl/Weiss, DStR 2021, 889 (890 f.); Dreßler/Kompolsek, Ubg. 2021, 301 (302). 18 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 2.

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§ 1a Abs. 1 Satz 6 KStG enthält weitere Einschränkungen des persönlichen Anwendungsbereichs. Demnach steht die Option Investmentfonds iSd. InvStG (§ 1a Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 KStG) nicht offen. Des Weiteren können Gesellschaften nicht optieren, die nach Ausübung der Option in dem Staat, in dem sich ihre Geschäftsleitung befindet, keiner der deutschen unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegen würden (§ 1a Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 KStG). Im Kern bedeutet dies, dass eine Option nur möglich ist, wenn die Gesellschaft auch in ihrem Geschäftsleitungsstaat unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. Damit wird einem der Kritikpunkte der Brühler Empfehlungen an dem Optionsmodell (Anpassungsbedarf der DBA, s.o. unter I.1.) Rechnung getragen. Fraglich ist, ob auch eine rein vermögensverwaltende KG zur Körperschaftsteuer optieren kann. Dies ist jedenfalls zu bejahen, wenn die KG gewerblich geprägt iSd. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ist. Nach zutreffender Auffassung steht die Option aber auch nicht gewerblich geprägten vermögensverwaltenden Personengesellschaften offen, da der Wortlaut des § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG diesbezüglich keine Einschränkung der Option auf Mitunternehmerschaften vorsieht, sondern den zivilrechtlichen Begriff der Personenhandelsgesellschaft verwendet.19 Dies entspricht im Ergebnis auch der Auffassung des BMF.20 Auch ausländische Personengesellschaften können nach zutreffender Auffassung des BMF21 optieren, wenn sie nach dem Rechtstypenvergleich mit einer inländischen Personenhandelsgesellschaft oder Partnerschaftsgesellschaft vergleichbar sind.22 Dies gilt nach ebenfalls zutreffender Auffassung des BMF23 nicht nur in Fällen, in denen die optierende Gesellschaft nach der Option unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist, sondern auch dann, wenn die Option nur zu einer beschränkten Körperschaftsteuerpflicht führt.24 Hieran sind teilweise Zweifel geäußert 19 Vgl. zB Brühl in BeckOK KStG, § 1a Rz. 183; Dorn/Weiss, DStR 2021, 2489. 20 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 2 und Rz. 30. 21 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 3. 22 Vgl. zB auch Brühl/Weiss, DStR 2021, 889 (891); Brühl in BeckOK KStG, § 1a Rz. 168; Wackerbeck in Brandis/Heuermann, § 1a KStG Rz. 13. 23 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 4. 24 Im Ergebnis zustimmend zB auch Böhmer/Mühlhausen/Oppel, ISR 2021, 388 (389); Böhmer in Mössner/Oellerich/Valta, § 1a KStG Rz. 152 f.; Förster,

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worden, da § 1 Nr. 1 KStG für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht die optierende Gesellschaft explizit erwähnt, während sie für die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht in § 2 Nr. 1 KStG keine Erwähnung findet.25 Der Wortlaut des § 1a KStG enthält aber keine entsprechende Einschränkung. Vielmehr spricht der in § 1a Abs. 1 Satz 4 KStG enthaltene Verweis auf § 50a EStG für die Erfassung auch beschränkt körperschaftsteuerpflichtiger optierender Gesellschaften.

III. Antrag Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 KStG erfolgt die Option nur auf unwiderruflichen Antrag. Ist der Antrag gestellt, muss er nicht für die folgenden Wj. erneut erfolgen, wenn die Voraussetzungen für eine Option ununterbrochen vorliegen.26 Damit wirkt der Antrag im Grundsatz unbefristet.27 Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KStG gilt § 217 Abs. 1 UmwG entsprechend. Demnach erfordert der Antrag grundsätzlich Einstimmigkeit. Bei einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Regelung ist auch eine 3/4-Mehrheit möglich. Für die Maßgeblichkeit einer 3/4-Mehrheit ist es nach Auffassung der FinVerw. ausreichend, wenn der Gesellschaftsvertrag dieses Quorum für den echten Formwechsel vorsieht.28 Der Verweis auf § 217 Abs. 1 UmwG führt somit dazu, dass die Antragstellung keine reine Maßnahme der Geschäftsführung ist, sondern dass an der Antragstellung alle Gesellschafter mitwirken müssen.29 Ein über die

25 26 27 28

29

IStR 2022, 109 (110); Grotherr, Ubg. 2021, 568 (570); Müller/Lucas/Mack, IWB 2021, 528 (529 f.). Vgl. zB Haase, Ubg. 2021, 193 (194); s. hierzu zB auch Brühl/Weiss, DStR 2021, 889 (891). Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 23. Vgl. Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 1a KStG Rz. 34. Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 12. Demnach ist es nach Auffassung der FinVerw. wohl nicht erforderlich, dass der Gesellschaftsvertrag explizit für die Option nach § 1a KStG ein solches Quorum regelt. Im Schrifttum wird sich demgegenüber zum Teil dafür ausgesprochen, dass eine 3/4-Mehrheit nur dann für eine Option ausreichend ist, wenn diese im Gesellschaftsvertrag explizit auch im Hinblick auf § 1a KStG – und nicht nur für einen echten Formwechsel – geregelt ist; vgl. zB Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 1a KStG Rz. 35. Vgl. Bochmann/Bron, NZG 2021, 613 (617).

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Möhlenbröck/Stangl, Die Option zur Körperschaftsteuer 3/4-Mehrheit hinausgehender Minderheitenschutz ist in § 1a KStG nicht vorgesehen.30 So findet sich dort zB kein Verweis auf § 207 UmwG (wonach dissentierende Gesellschafter gegen eine angemessene Barabfindung aus der Gesellschaft ausscheiden können). Das Erfordernis der Antragstellung führt zu einer Vielzahl von gesellschaftsrechtlichen Zweifelsfragen.31 So betrifft zB der Verweis des § 1a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KStG auf § 217 Abs. 1 UmwG zunächst nur die formelle Legitimation. Problembehafteter ist die Frage nach der materiellen Legitimation, also ob die Antragstellung gegen dissentierende Minderheitsgesellschafter einen Eingriff in deren relativ unentziehbare Rechte darstellen kann.32 Wenn ein dissentierender Minderheitsgesellschafter zB im Rahmen des fiktiven Formwechsels (vgl. hierzu unter IV.) nicht ertragsteuerneutral einbringen kann, stellt sich auch die Frage nach der Bedeutung von Treuepflichten.

Fraglich ist, ob das FA den Antrag bei dessen Stellung einer Wirksamkeitsprüfung unterzieht. Die FinVerw. fordert zwar, dass die Zustimmung der Gesellschafter unter Berücksichtigung des notwendigen Quorums bei Antragstellung nachgewiesen wird.33 Eine generelle Prüfungspflicht bei Antragstellung lehnt die FinVerw. aber ab. Es soll vielmehr bei Antragstellung nur eine summarische Prüfung erfolgen, und eine gesonderte Mitteilung über die Wirksamkeit des Antrags ist im Grundsatz nicht vorgesehen.34 Die Mitteilung einer Körperschaftsteuernummer ist zwar ein Anzeichen dafür, dass das FA von einem wirksamen Antrag ausgeht, diese soll nach Auffassung der FinVerw. aber keinen Verwaltungsaktcharakter haben35 und damit keine bindende „Statusfeststellung“ darstellen. Kommt das FA bei der summarischen Prüfung der Antragstellung zu dem Ergebnis, dass keine wirksame Antragstellung vorliegt, hat es den Antrag abzulehnen, wobei diese Ablehnung nach Auffassung der

30 31 32 33

Vgl. Bochmann/Bron, NZG 2021, 613 (617). Vgl. zB Kelm/Rindermann/Hennrichs, WPg. 2021, 1166. Vgl. hierzu zB Bochmann/Bron, NZG 2021, 613 (618). Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 12. 34 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 20 f. 35 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 20 f.

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FinVerw. dann Verwaltungsaktcharakter hat und demzufolge mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen ist.36 Nach § 1a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 KStG ist der Antrag von der Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft –

nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz durch Datenfernübertragung,37



bei dem für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte nach § 180 AO zuständigen FA,



spätestens einen Monat vor Beginn des Wj. zu stellen, ab dem die Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft gelten soll.

Das Gesetz enthält selbst keine weiteren Anforderungen an etwaige Nachweise, die anlässlich der Antragstellung vorzulegen wären.38 Bei ausländischen Personengesellschaften fordert die FinVerw. allerdings einen Nachweis der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht im Ausland und eine Ansässigkeitsbescheinigung.39 Des Weiteren ist nach Auffassung der FinVerw. mit dem Antrag auf Option auch nachzuweisen, dass die erforderliche Anzahl der Gesellschafter der Ausübung der Option zustimmt.40 Der Antrag ist nach § 1a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 KStG von der Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft zu stellen. Hieraus leitet die FinVerw. ab, dass der Antrag nicht vor der Gründung dieser Gesellschaft gestellt werden kann und somit eine Option für das erste (Rumpf-)Wj. ausgeschlossen ist.41 Dies ergibt sich aus der Kombination des Erfordernisses im Hinblick auf den Antragsteller (Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft) und der zeitlichen Regelung zur Antragstellung 36 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 22; vgl. zB auch Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 1a KStG Rz. 33. 37 Nach § 1a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 KStG gilt die Härtefallregelung des § 31 Abs. 1a Satz 2 KStG entsprechend. Demnach kann die FinVerw. auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten. 38 Vgl. Kelm/Rindermann/Hennrichs, WPg. 2021, 1166. 39 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 11. 40 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 12. 41 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 18.

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(spätestens ein Monat vor Beginn des Wj., ab dem die Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft gelten soll). Demnach ist die unmittelbare Gründung einer optierenden Gesellschaft nach Verwaltungsauffassung nicht möglich. Auch ein unmittelbarer und lückenloser (echter) Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine optierende Gesellschaft dürfte demnach von der FinVerw. nicht akzeptiert werden.42 Erfolgt für die Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft keine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte, ist der Antrag bei dem für die Einkommen- oder Körperschaftsteuer des Gesellschafters zuständigen FA zu stellen (§ 1a Abs. 1 Satz 3 KStG). Erzielt die Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft ausschließlich Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag oder dem Steuerabzug aufgrund des § 50a EStG unterliegen, und gilt infolge dessen die Einkommensteuer nach § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG oder die Körperschaftsteuer nach § 32 Abs. 1 KStG als abgegolten, ist der Antrag beim BZSt. zu stellen (§ 1a Abs. 1 Satz 4 KStG). Hat die Gesellschaft ihren Sitz im Inland, ist der Antrag abweichend von § 1a Abs. 1 Satz 3 und 4 KStG bei dem FA zu stellen, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat (§ 1a Abs. 1 Satz 5 KStG).

IV. Übergang zur Körperschaftsteuer 1. Fiktiver Formwechsel Nach § 1a Abs. 2 Satz 1 und 2 KStG gilt der Übergang zur Körperschaftsteuer als Formwechsel iSd. § 1 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG, auf den die §§ 1 und 25 UmwStG entsprechend anzuwenden sind. Damit stellt die Option im Grundsatz einen gewinnrealisierenden Vorgang dar,43 der nur unter den Voraussetzungen der §§ 1 und 25 UmwStG und auf Antrag ertragsteuerneutral erfolgen kann. Die Ertragsteuerneutralität der Option setzt demnach zunächst voraus, dass der persönliche Anwendungsbereich der §§ 25, 20 ff. UmwStG nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 UmwStG eröffnet ist.44 Bei der Beteiligung von

42 Vgl. zB Leidl/Conrady, BB 2022, 663 (668), die als Alternative die Verschmelzung der Kapitalgesellschaft auf eine bereits optierte (ggf. Vorrats-)Gesellschaft ansprechen; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 1a KStG Rz. 37. 43 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 24. 44 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 26.

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Drittstaatengesellschaftern ist dabei nach Ansicht der FinVerw. erforderlich, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der optierenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.45 Des Weiteren setzt die Ertragsteuerneutralität der Option voraus, dass (mit Ausnahme des Formwechsels selbst) auch die sachlichen Voraussetzungen der §§ 25, 20 ff. UmwStG für eine Buchwertfortführung vorliegen. Dies erfordert zunächst, dass eine Mitunternehmerschaft vorliegt.46 Wie bei einem echten Formwechsel ist der Einbringungsgegenstand dabei der Mitunternehmeranteil an der optierenden Gesellschaft.47 Die FinVerw. fordert deshalb (ebenfalls wie bei einem echten Formwechsel), dass funktional wesentliche Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen mit „einzubringen“ sind, wobei diese Miteinbringung durch eine Übertragung auf die Mitunternehmerschaft bis zum fiktiven Einbringungszeitpunkt zu erfolgen hat.48 Diese Übertragung ist ein Bestandteil der Einbringung und kein Anwendungsfall des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG.49 Die FinVerw. hebt explizit hervor, dass in dem Fall, in dem funktional wesentliche Betriebsgrundlagen in einem zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Option auf ein anderes Betriebsvermögen übertragen werden, die Gesamtplanrechtsprechung zu prüfen ist.50 Hierbei bezieht sich die FinVerw. auf die Rz. 20.07 UmwSt.-Erlass und weist

45 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 26. Vgl. zur allgemeinen europarechtlichen Kritik betreffend diese Voraussetzung des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG Hageböke/Stangl, Ubg. 2021, 242. 46 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 30 mit Hinweis darauf, dass bei einer rein vermögensverwaltenden Personengesellschaft (ohne gewerbliche Prägung oder Infektion) eine entsprechende Anwendung der §§ 25, 20 ff. UmwStG ausgeschlossen ist. 47 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 28. 48 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 32. 49 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 34. 50 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 35.

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explizit darauf hin, dass die Rz. 10 des BMF-Schreibens v. 20.11.201951 nicht anzuwenden ist.52 Die Frage, inwieweit eine zeitnahe Übertragung von funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen der Steuerneutralität eines Vorgangs entgegensteht, wird seit geraumer Zeit von FinVerw. und Rspr. unterschiedlich beantwortet. Während die FinVerw. zunächst sowohl für § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG53 als auch für das Umwandlungssteuerrecht54 eine Buchwertfortführung unter Hinweis auf die „Gesamtplanrechtsprechung“ verneinte (bzw. in Frage stellte), hat der BFH solche Übertragungen als unschädlich anerkannt (und insoweit eine Anwendung der „Gesamtplanrechtsprechung“ verneint).55 Zunächst hat die FinVerw. auf diese Rspr. mit einem Nichtanwendungserlass56 reagiert. Anschließend hat sie sich dieser Rspr. für Zwecke des § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG angeschlossen.57 Eine entsprechende Reaktion für das UmwStG fehlte bislang. Mit der Rz. 35 des Schreibens zu § 1a KStG gibt die FinVerw. nunmehr zu erkennen, dass sie an der Rechtsauffassung der Rz. 20.07 UmwSt.-Erlass 2011 51 BMF v. 20.11.2019 – IV C 6 - S 2241/15/10003 – DOK 2019/0964762, BStBl. I 2019, 1291. 52 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 35. 53 Vgl. BMF v. 3.3.2005 – IV B 2 - S 2241 – 14/05, BStBl. I 2005, 458 Rz. 7. 54 Vgl. bereits Rz. 20.09 UmwStE 1998 (Prüfung Gesamtplanrechtsprechung und § 42 AO); nunmehr Rz. 20.07 UmwStE 2011 (Prüfung Gesamtplanrechtsprechung). 55 Vgl. zB BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 = FR 2010, 381 m. Anm. Wendt = GmbHR 2010, 317 m. Anm. Suchanek (zu § 20 UmwStG 1995); v. 9.11.2011 – X R 60/09, BStBl. II 2012, 638 = FR 2012, 584 = GmbHR 2012, 588 (zu § 24 UmwStG); v. 2.8.2012 – IV R 41/11, BStBl. II 2019, 715 = FR 2012, 1113 m. Anm. Kanzler = GmbHR 2012, 1260 m. Anm. Hoffmann (zu § 6 Abs. 3 EStG); v. 9.12.2014 – IV R 29/14, BStBl. II 2019, 723 = FR 2015, 457 m. Anm. Wendt = GmbHR 2015, 263 m. Anm. Schmidtmann (zu § 6 Abs. 3 EStG); v. 12.5.2016 – IV R 12/15, BStBl. II 2019, 726 = FR 2016, 952 m. Anm. Wendt = GmbHR 2016, 828 m. Anm. Levedag (zu § 6 Abs. 3 EStG); v. 30.6.2016 – IV B 2/16, BFH/NV 2016, 1452 (zu § 6 Abs. 3 EStG). Anders für eine „zeitgleiche“ Übertragung BFH v. 29.11.2017 – I R 7/16, BStBl. II 2019, 738 = FR 2018, 508 m. Anm. Wendt = GmbHR 2018, 644 m. Anm. Brühl/ Weiss. 56 Vgl. BMF v. 12.9.2013 – IV C 6 - S 2241/10/10002 – DOK 2013/0837216, BStBl. I 2013, 1164 (bezüglich § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG; im Hinblick auf das UmwStG wurde Rz. 20.07 UmwStE 2011 beibehalten). 57 Vgl. BMF v. 20.11.2019 – IV C 6 - S 2241/15/10003 – DOK 2019/0964762, BStBl. I 2019, 1291 Rz. 10 (geändert mit BMF v. 5.5.2021 – IV C 6 - S 2240/ 19/10003:017 – DOK 2021/0450777, BStBl. I 2021, 696).

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festhalten will, wobei zu erwarten ist, dass sich dies nicht auf § 1a KStG beschränkt, sondern dass dies auch die Verwaltungsauffassung zum UmwStG wiedergibt. Die unterschiedliche Behandlung von einerseits § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG und andererseits der §§ 20–25 UmwStG fällt auf.58 Die von der Rspr. entwickelten Maßstäbe sprechen dafür, dass die Wirkungen der Gesamtplanrechtsprechung (und des § 42 AO) in beiden Regelungskomplexen gleich zu würdigen sind (in beiden Regelungskomplexen geht es insoweit um die Buchwertfortführung bei der Übertragung von qualifizierten Sachgesamtheiten). Auch die FinVerw. weist in ihrem (ehemaligen) Nichtanwendungserlass59 bei § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG auf das anhängige Verfahren I R 80/12 hin: „Zur Frage der Anwendung der „Gesamtplanrechtsprechung“ ist ein Revisionsverfahren beim BFH anhängig – I R 80/12. Im Verfahren I R 80/12 geht es zwar im Schwerpunkt um eine Einbringung zum Buchwert nach § 20 UmwStG. Allerdings besteht im Verfahren I R 80/12 insofern eine gewisse Ähnlichkeit mit dem vom IV. Senat des BFH in seinem Urteil vom 2.8.2012 – IV R 41/11 – entschiedenen Fall, als hier kurz vor der Einbringung die beiden Grundstücke als funktional wesentliche Betriebsgrundlagen in ein anderes Betriebsvermögen ausgegliedert wurden. Es stellt sich demzufolge auch im Verfahren I R 80/12 die Frage, ob unter Berücksichtigung der ‚Gesamtplanrechtsprechung‘ ein vollständiger, nach § 20 Absatz 1 UmwStG begünstigter Betrieb eingebracht worden ist. Das Vorliegen eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils als Buchwertfortführungsgegenstand ist nämlich sowohl bei § 6 Absatz 3 EStG als auch bei den §§ 20 und 24 UmwStG erforderlich und grundsätzlich nach denselben Kriterien zu beurteilen. Die noch ausstehende Entscheidung des I. Senats des BFH ist deshalb abzuwarten.“60

Der Erlass zu § 1a KStG beurteilt die Frage nach der Reichweite der Gesamtplanrechtsprechung nunmehr gerade nicht „nach denselben Kriterien“ wie im Rahmen des § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG, sondern spricht sich explizit für eine gegensätzliche Behandlung aus, ohne dies näher zu begründen. Im Entwurf des BMF-Schreibens zu § 1a KStG v. 30.9.2021 wurde in Rz. 32 noch die Auffassung vertreten, dass ein Buch- oder Zwischenwert ausgeschlossen ist, wenn eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage 58 Im Ergebnis kritisch zB Kaminski, Stbg. 2021, 436 (442); Zapf, NWB 2021, 3792 (3799). 59 Vgl. BMF v. 12.9.2013 – IV C 6 - S 2241/10/10002 – DOK 2013/0837216, BStBl. I 2013, 1164. 60 Vgl. BMF v. 12.9.2013 – IV C 6 - S 2241/10/10002 – DOK 2013/0837216, BStBl. I 2013, 1164 Tz. 2.

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in Form der Beteiligung eines Mitunternehmers an der Komplementärgesellschaft nicht eingebracht wird, deren Tätigkeit auf die Geschäftsführungsfunktion bei der optierenden Personengesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft beschränkt ist. Das finale BMF-Schreiben versagt einen Buchwert- oder Zwischenwertansatz hingegen genereller und rekurriert auf eine nicht miteingebrachte Komplementärbeteiligung, „sofern die Beteiligung eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellt“.61 Eine Bezugnahme auf eine Komplementärgesellschaft, deren Tätigkeit auf die Geschäftsführungsfunktion beschränkt ist, ist im finalen BMF-Schreiben nicht mehr enthalten. Bei einem echten Formwechsel entspricht es der Rspr. des BFH62, dass eine Miteinbringung der Beteiligung an einer Komplementärgesellschaft, deren Tätigkeit sich auf die Geschäftsführungsfunktion bei der KG beschränkt hat, wirtschaftlich ohne Sinn (nach dem Formwechsel ist die bisherige Komplementärstellung zwangsläufig gegenstandslos) und demzufolge nicht erforderlich ist. Die FinVerw. wendet diese Rspr. an.63 Im Schrifttum wird die Frage diskutiert, ob dies auch für den fiktiven Formwechsel im Rahmen des § 1a KStG gelten kann, da dort die Anteile an der Komplementärin nach dem fiktiven Formwechsel gesellschaftsrechtlich noch notwendig und daher nicht zwangsläufig gegenstandslos seien.64 Der Entwurf des BMF-Schreibens vom 30.9.2021 schien dies aufzugreifen, wenn er eine Mitübertragung auch dann forderte, wenn sich die Tätigkeit der Komplementärgesellschaft auf die Geschäftsführung beschränkt. Fraglich ist, ob sich an dieser Verwaltungsauffassung etwas geändert hat, wenn das finale Schreiben nunmehr generell nur noch auf die Qualifikation der Anteile als funktional wesentliche Betriebsgrundlage verweist. Im Schrifttum65 wird dies wohl überwiegend abgelehnt, da bei einer Einmann-GmbH & Co. KG die Anteile an der Kom61 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 32. 62 Vgl. BFH v. 16.12.2009 – I R 97/08, BStBl. II 2010, 808 = FR 2010, 611 m. Anm. Schell = GmbHR 2010, 600. 63 Vgl. neben der Veröffentlichung der Entscheidung im BStBl. II zB OFD Frankfurt v. 3.12.2015 – S 2134 A - 14 - St 213, DStZ 2016, 302 Tz. 1.1.4; OFD NRW v. 21.6.2016, DB 2016, 1907 Tz. II.4.; FinSen. Berlin v. 7.3.2018, juris Tz. 3.4. 64 Vgl. zB Nagel/Schlund, NWB 2021, 1874 (1879 f.); Rickermann, DB 2021, 1561 (1566); Schiffers, DStZ 2021, 900 (908). 65 Vgl. Blöchle/Dumser, GmbHR 2022, 72 (76); Möhlenbrock/Haubner, FR 2022, 53 (56); Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 1a KStG Rz. 74; Zapf, NWB 2021, 3792 (3798 f.).

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plementärin nach allgemeinen Grundsätzen eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage seien und daher auch nach dem endgültigen BMFSchreiben mit einzubringen sind. Auf Basis dieser Auffassung hat eine „Miteinbringung“ regelmäßig durch die vorherige Herstellung einer Einheits-GmbH & Co. KG zu erfolgen. Zurückbehaltene Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens gelten als entnommen, sofern sie nicht zum Beginn des Wj. der Option zu einem anderen Betriebsvermögen gehören.66 Anlässlich der Option kann nach Verwaltungsauffassung auch eine Betriebsaufspaltungssituation entstehen (mit der Folge der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG).67 Für eine Buchwertfortführung ist ein eigener Buchwertantrag innerhalb der Ausschlussfrist des § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG erforderlich.68 Ein solcher wird durch die Option nicht obsolet, da es auch eine Option unter Aufdeckung der stillen Reserven geben kann. Das Bewertungswahlrecht des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG kann dabei für jeden Mitunternehmeranteil gesondert ausgeübt werden.69 Wenn vor der Option bereits Sperrfristen bestehen, soll nach Verwaltungsauffassung70 wie folgt vorzugehen sein: Wenn ein echter Formwechsel einen Sperrfristverstoß darstellen würde, dann soll dies auch für den fiktiven Formwechsel iSd. § 1a Abs. 2 KStG gelten. Dies hat zB Bedeutung für § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG, § 6 Abs. 5 Satz 4 und 6 EStG, § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG, § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG, § 18 Abs. 3 Satz 2 UmwStG, § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG, § 24 Abs. 5 UmwStG. Bei der Option bestehende Verlustvorträge nach § 10a GewStG, Zinsvorträge, EBITDA-Vorträge, Verluste nach den §§ 15a, 15b EStG gehen nach Verwaltungsauffassung anlässlich der Option unter.71 Ein bei der Option 66 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 36. 67 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 36. 68 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 31. 69 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 32. 70 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 45. 71 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 47; gl.A. zB Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 1a KStG Rz. 91 (mwN zum Diskussionsstand).

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bestehender nachversteuerungspflichtiger Betrag iSd. § 34a EStG soll anlässlich der Option nach § 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG der Nachversteuerung unterliegen.72 Nach § 1a Abs. 2 Satz 3 KStG gilt als Einbringungszeitpunkt das Ende des Wj., das dem Wj. iSd. § 1a Abs. 1 Satz 2 KStG unmittelbar vorangeht; § 9 Satz 3 UmwStG ist nicht anzuwenden. Damit kann der fiktive Formwechsel – anders als der echte Formwechsel – nicht rückwirkend erfolgen. Er erfolgt auf die letzte juristische Sekunde des Vorjahrs (iSv. Jahr vor erstmaligem Wirksamwerden der Option). Somit sind bereits für dieses Vorjahr zB eine Körperschaftsteuererklärung und eine Erklärung zur Feststellung des Einlagekontos abzugeben.73 Nach § 1a Abs. 2 Satz 4 KStG wird das im Einbringungszeitpunkt in der Steuerbilanz auszuweisende Eigenkapital auf dem steuerlichen Einlagekonto der optierenden Gesellschaft erfasst. Hierzu zählt auch das Eigenkapital etwaiger Ergänzungsbilanzen.74 Nach § 1a Abs. 2 Satz 5 KStG gelten die zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Personen als gesetzliche Vertreter der optierenden Gesellschaft.

2. Übergangsgewinn bei bisheriger Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG Da § 4 Abs. 3 EStG bei der optierenden Gesellschaft nicht anwendbar ist (§ 1 Abs. 3 Satz 6 KStG), ist anlässlich der Option zwingend auf einen Betriebsvermögensvergleich zu wechseln.75 Dieser Wechsel hat zum steuerlichen Übertragungsstichtag des fiktiven Formwechsels zu erfolgen,76 und er kann zu einem Übergangsgewinn führen. Nach Auffassung der FinVerw.77 ist dieser Übergangsgewinn ein laufender Gewinn des Wj., 72 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – BStBl. I 2021, 2212 Rz. 78 und Rz. 84. 73 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – BStBl. I 2021, 2212 Rz. 41. 74 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – BStBl. I 2021, 2212 Rz. 42. 75 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – BStBl. I 2021, 2212 Rz. 24. 76 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – BStBl. I 2021, 2212 Rz. 24. 77 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – BStBl. I 2021, 2212 Rz. 24.

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DOK 2021/1162290, DOK 2021/1162290, DOK 2021/1162290, DOK 2021/1162290, DOK 2021/1162290, DOK 2021/1162290,

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das dem Wj. der erstmaligen Ausübung der Option vorangeht. Daher ist nach Verwaltungsauffassung wohl die Verteilungsregelung in R 4.6 EStR nicht anzuwenden.

V. Anwendung der KStG-Grundsätze (Behandlung „wie eine Kapitalgesellschaft“ und Behandlung der Gesellschafterebene) Die Rechtsfolge des § 1a KStG wird zum einen in § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG und zum anderen in § 1a Abs. 3 KStG geregelt.

1. Ebene der optierenden Gesellschaft § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG enthält die grundlegende Rechtsfolge, dass die optierende Gesellschaft „wie eine Kapitalgesellschaft“ und ihre Gesellschafter „wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu behandeln“ sind. Diese umfassende Rechtsfolge wirkt sich auf das gesamte Ertragsteuerrecht aus (insbes. KStG, EStG, GewStG, SolZG, AStG und UmwStG78). Dabei entfaltet die Option auch Auswirkungen im Rahmen des InvStG79, des ZerlG80 und der Kirchensteuergesetze81. Im Hinblick auf die Forschungszulage sind optierende Gesellschaften als Stpfl. iSd. KStG anspruchsberechtigt (§ 1 Abs. 2 Satz 2 FZulG).82 Die optierende Gesellschaft kann ihren Gewinn nicht nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln (§ 1a Abs. 3 Satz 6 KStG); eine nicht buchfüh-

78 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 50. 79 Vgl. BT-Drucks. 19/28656, 21. Neben der diesbezüglichen Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs in § 1a Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 KStG sei auch auf die speziellen investmentsteuerlichen Regelungen für optierende Gesellschaften in § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 1 InvStG, § 2 Abs. 16 InvStG sowie § 20 Abs. 3a Satz 2 InvStG hingewiesen; vgl. hierzu BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 59 und zB auch Haug, FR 2021, 410 ff. 80 Vgl. BT-Drucks. 19/28656, 21. Vgl. hierzu zB Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 1a KStG Rz. 16. 81 Vgl. zB Feldgen/Feldgen in Bott/Walter, § 1a KStG Rz. 68. 82 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 57.

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rungspflichtige optierende Gesellschaft muss ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln.83 Das BMF sieht von dieser weitgehenden ertragsteuerlichen Gleichstellung mit Kapitalgesellschaften zwei bedeutende Ausnahmen vor: –

Die optierende Gesellschaft kann nach Verwaltungsauffassung keine Gesellschaft iSd. Anlage 2 Nr. 3 zu § 43b EStG (und auch iSd. § 8b Abs. 9 KStG) sowie iSd. Anlage 3 Nr. 1 zu § 50g EStG sein.84 Damit sind nach Auffassung des BMF die Mutter-Tochter-Richtlinie und die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie für die optierende Gesellschaft nicht anwendbar. Die Auffassung des BMF ist im Hinblick auf die Mutter-TochterRichtlinie umstritten.85 Einerseits wird für die Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie zB vorgebracht, dass die Anlage 2 zum EStG unter Nr. 1 Buchst. f auch von „andere[n] nach deutschem Recht gegründete[n] Gesellschaften [spricht], die der deutschen Körperschaftsteuer unterliegen“, was begrifflich auch die optierende Gesellschaft erfasse.86 Andererseits wird auf den Wortlaut von Anlage 2 zum EStG Nr. 3 hingewiesen, wonach die Gesellschaft „ohne Wahlmöglichkeit“ der Körperschaftsteuer in Deutschland unterliegen muss, was bei der optierenden Gesellschaft nicht gegeben sei.87 Dies ist auch die Auffassung des BMF, wenn es auf die Nr. 3 hinweist. Hiergegen wird eingewendet, dass die optierende Gesellschaft nach der Option „ohne Wahlmöglichkeit“ der Körperschaftsteuer unterliegt, denn die Option nach § 1a KStG lasse die optierende Gesellschaft erst entstehen und stelle daher nicht eine in der Nr. 3 der Anlage 2 zum EStG

83 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 60. 84 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 52. 85 Wie das BMF zB Feldgen/Feldgen in Bott/Walter, § 1aKStG Rz. 166; Grotherr, Ubg. 2021, 568 (571); Levedag in Schmidt, EStG41, § 43b Rz. 5; de lege lata auch Böhmer/Schewe, FR 2022, 69 (73); im Ergebnis wohl auch Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 1a KStG Rz. 23. Für eine Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie hingegen Bockhoff/Frieburg/Darijtschuk, DB 2021, 2521 (2524); Förster, IStR 2022, 109 (114 f.); Frotscher in Frotscher/Drüen, KöMoG Erstkommentierung, § 1a KStG Rz. 85; tendenziell auch Dibbert/Dorn, DB 2021, 2525 (2526). 86 Vgl. Bockhoff/Frieburg/Darijtschuk, DB 2021, 2521 (2524); Dibbert/Dorn, DB 2021, 2525 (2526). 87 Vgl. Grotherr, Ubg. 2021, 568 (571).

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genannte „Wahlmöglichkeit“ dar (die Option sei – ähnlich einer echten Rechtsformwahl – eine einer solchen „Wahlmöglichkeit“ vorgelagerte Entscheidung).88 Im Gesetzgebungsverfahren hat der Bundesrat ua. gefordert, die Regelung dahingehend zu überarbeiten, dass in Fällen mit ausländischen Gesellschaftern ungerechtfertigte Besteuerungsnachteile vermieden werden. Dies hat er ua. wie folgt begründet: „Nach dem Ziel des Gesetzes soll die optierende Personengesellschaft wie eine Kapitalgesellschaft behandelt werden. Dem widersprechend kann sie allerdings, anders als die Kapitalgesellschaft, nach dem derzeitigen Stand des Unionsrechts zB die Vorteile der Mutter-TochterRichtlinie sowie der Zins- und Lizenz-Richtlinie nicht in Anspruch nehmen.“89 Stellungnahme Stangl: Die Bundesregierung hat sich zwar zur Prüfung des Vorschlags bereit erklärt.90 Eine entsprechende Regelung hat jedoch nicht Eingang in das Gesetz gefunden. Dies ist zu kritisieren, da es – wie vom Bundesrat zu Recht betont – bei der Nichtwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie zu ungerechtfertigten Besteuerungsnachteilen kommt. Ungerechtfertigt deshalb, weil ohne die Mutter-Tochter-Richtlinie eine Mehrfachbesteuerung von Gewinnausschüttungen zwischen körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaften droht, die die Mutter-TochterRichtlinie gerade vermeiden will. Werden die beiden vorstehenden Aspekte zusammen betrachtet ([i] der Wortlaut des § 43b EStG steht der Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht zwingend entgegen und [ii] die Anwendung würde auch dem Telos der Richtlinie entsprechen), so sprechen mE die besseren Gründe 88 Vgl. Förster, IStR 2022, 109 (114): Die „Wahlmöglichkeit“ in der Nr. 3 der Anlage 2 zum EStG ziele darauf ab, dass eine Entlastung nur bei einer drohenden Mehrfachbelastung gewährt werden soll und eine solche Mehrfachbelastung nicht droht, wenn die Tochtergesellschaft persönlich eine Steuerbefreiung in Anspruch nehmen kann. Die Option stelle aber keine solche persönliche Steuerbefreiung dar, und bei Option stellt sich eine drohende Mehrfachbelastung ein, die von der Mutter-Tochter-Richtlinie gerade vermieden werden soll. Gleicher Ansicht Frotscher in Frotscher/Drüen, KöMoG 2021 Erstkommentierung, § 1a KStG Rz. 85, mit dem beachtlichen Hinweis, dass auch ein echter Formwechsel einer KG in eine GmbH eine Option der Gesellschafter ist (Rechtsformwahl) und dies auch nicht als schädliche „Wahlmöglichkeit“ iSd. Nr. 3 der Anlage 2 zum EStG angesehen wird. 89 Vgl. BT-Drucks. 19/29642, 5. 90 Vgl. BT-Drucks. 19/29642, 16.

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für eine Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie auf Ausschüttungen der optierenden Gesellschaft. –

Nach Auffassung des BMF kann eine optierende Gesellschaft zwar unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit91 Organträgerin einer ertragsteuerlichen Organschaft sein, ohne dass die Ausübung der Option zu einem Neubeginn der fünfjährigen Mindestlaufzeit iSd. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG führt.92 Sie soll jedoch keine Organgesellschaft im Rahmen einer ertragsteuerlichen Organschaft sein können.93 Begründet wird dies damit, dass insbes. die Regelungen des Gewinnabführungsvertrags bei Personengesellschaften nicht eingehalten werden (keine Eintragungspflicht und kein organisationsrechtlicher Charakter). Bei der Frage nach der Qualifikation einer optierenden Gesellschaft als Organgesellschaft innerhalb einer ertragsteuerlichen Organschaft sind ua.94 zwei Aspekte bedeutend: (i) Die subjektive Fähigkeit, Organgesellschaft zu sein, und (ii) die Fähigkeit, wirksam einen eintragungspflichtigen Gewinnabführungsvertrag abzuschließen. Für eine Organgesellschaftssubjektfähigkeit wird angeführt, dass der Begriff „Kapitalgesellschaft“ iSd. § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG auch die optierende Gesellschaft erfasst.95 Auch hinsichtlich des Gewinnabführungsvertrags wird diskutiert, dass ein solcher auch bei einer Personengesellschaft zulässig ist und wirksam abgeschlossen werden kann.96

91 Damit kann auch eine rein vermögensverwaltende optierende Gesellschaft Organträgerin sein; vgl. Dreßler/Kompolsek, Ubg. 2022, 1 (10). 92 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 55. Vgl. zB auch Levedag in Wacker/Krüger/Levedag/ Loschelder, DStR-Beih. 2021, 3 (17); Schiffers/Jacobsen, DStZ 2021, 348 (362); Wackerbeck in Brandis/Heuermann, § 1a KStG Rz. 66. 93 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 56. 94 Zu der Frage der finanziellen Eingliederung und der Inlandsverhaftung der Einkünfte und Beteiligung an der optierenden Gesellschaft vgl. zB Liekenbrock, DB 2021, 2111 (2112 f.). 95 So zB Bochmann/Bron, NZG 2021, 613 (615); Liekenbrock, DB 2021, 2111 (2112); Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 1a KStG Rz. 54; Wackerbeck in Brandis/Heuermann, § 1a KStG Rz. 67; aA zB Levedag in Wacker/Krüger/ Levedag/Loschelder, DStR-Beih. 2021, 3 (17). 96 Vgl. zB die Diskussion bei Liekenbrock, DB 2021, 2111 (2113 ff.); Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 1a KStG Rz. 54.

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Möhlenbröck/Stangl, Die Option zur Körperschaftsteuer

Umstritten ist, ob der Umstand, dass der Gewinnabführungsvertrag nicht in das Handelsregister der Personenhandelsgesellschaft eingetragen werden kann (fehlende Eintragsfähigkeit97), einer ertragsteuerliche Organschaft nicht entgegensteht98 oder diese verhindert99 (letztgenannter Auffassung folgt das BMF100). Die nach Verwaltungsauffassung fehlende Möglichkeit einer ertragsteuerlichen Organschaft mit einer optierenden Gesellschaft als Organgesellschaft ist ein gravierender Unterschied zu der Rechtsform einer echten Kapitalgesellschaft. Dies nimmt der Option zu einem beachtlichen Teil ihre Attraktivität.101 Es ist zu vermuten, dass der Verwaltungsauffassung die Befürchtung zugrunde liegt, anderenfalls einer Organschaft über die Grenz das Tor zu öffnen.102 Für Zwecke der Grunderwerbsteuer bleibt die optierende Gesellschaft zwar weiterhin eine Personengesellschaft, womit zB weiterhin § 1 Abs. 2a (und nicht Abs. 2b) GrEStG einschlägig ist.103 Allerdings wurden für optierende Gesellschaften in § 5 Abs. 1 Satz 2 GrEStG, § 5 Abs. 2 Satz 2 GrEStG, § 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG Einschränkungen der Steuerbefreiungen der §§ 5, 6 GrEStG aufgenommen.104

97 Vgl. OLG München v. 8.2.2011 – 31 Wx 2/11, GmbHR 2011, 376 = ZIP 2011, 526, RNotZ 2011, 365. 98 So zB Liekenbrock, DB 2021, 2111 (2115). 99 So zB Levedag in Wacker/Krüger/Levedag/Loschelder, DStR-Beih. 2021, 3 (17). 100 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 56. 101 Vgl. Dreßler/Kompolsek, Ubg. 2022, 1 (10). 102 Vgl. Dreßler/Kompolsek, Ubg. 2022, 1 (10). Für ausländische Organgesellschaften legt die FinVerw. ebenfalls Wert auf die Eintragungspflicht des Gewinnabführungsvertrags bzw. auf die Eintragungspflicht einer Satzungsänderung, bei der die Regelung zur Gewinnabführung in die Satzung aufgenommen wird; vgl. zu im EU/EWR-Ausland gegründeten Kapitalgesellschaften mit deutschem Ort der Geschäftsleitung OFD Frankfurt v. 9.7.2020 – S 2770 - 55 - St 55, DB 2020, 1768. Vgl. auch FinMin. Schl.-Holst. v. 17.1.2020 – VI 313 - S 2770 - 077, DB 2020, 698. 103 Vgl. zB Böhmer in Mössner/Oellerich/Valta, § 1a KStG Rz. 91; Broemel/Tigges-Knümann, Ubg. 2021, 521 (523). 104 Vgl. hierzu zB Broemel/Tigges-Knümann, Ubg. 2021, 521 ff.; Wagner, DStZ 2021, 604 ff.

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Möhlenbröck/Stangl, Die Option zur Körperschaftsteuer

Keine Wirkungen entfaltet die Option in der Umsatzsteuer sowie in der Erbschaft- und Schenkungsteuer.105 Auch in anderen Rechtsgebieten (zB HGB, UmwG) bleibt die optierende Gesellschaft Personenhandelsgesellschaft.106 Somit führt die Option im Grundsatz auch zu keiner Änderung bei der handelsrechtlichen Bilanzierung.107

2. Ebene des Gesellschafters der optierenden Gesellschaft Nach § 1a Abs. 3 Satz 1KStG gilt die Beteiligung an einer optierenden Gesellschaft anlässlich der Option für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen als Beteiligung eines nicht persönlichen haftenden Gesellschafters an einer Kapitalgesellschaft.108 Nach § 1a Abs. 3 Satz 2 KStG führen beim Gesellschafter daher insbes. –

durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Einnahmen zu Einkünften iSd. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG,



Einnahmen, die er für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft bezieht, zu Einkünften iSd. § 19 EStG,



Einnahmen aus der Hingabe von Darlehen zu Einkünften iSd. § 20 Abs. 1 Nr. 7 oder Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG und



Einnahmen aus der Überlassung von Wirtschaftsgütern zu Einkünften iSd. §§ 21, 22 EStG.

Auf Ausschüttungen der optierenden Gesellschaft hat diese Kapitalertragsteuer einzubehalten,109 wobei nach Veraltungsauffassung die optierende Gesellschaft nicht als Gesellschaft iSd. § 43b EStG gilt110 (vgl. zur entsprechenden Diskussion oben zu 1.). Die Regelungen zur verdeckten 105 Vgl. zB Levedag in Wacker/Krüger/Levedag/Loschelder, DStR-Beih. 2021, 3 (39 f.). Hinweis auf § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG, wonach eine optierende Gesellschaft wie eine Mitunternehmerschaft zu behandeln ist. 106 Vgl. auch BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/ 1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 49. 107 Vgl. Schiffers, DStZ 2021, 530 f. (mit Hinweis auf Auswirkungen bei der Bilanzierung latenter Steuern, da bei der optierenden Gesellschaft auch die Körperschaftsteuer – und nicht nur die Gewerbesteuer – zu Steuerlatenzen führen kann). 108 Hierbei handelt es sich um eine Negativformulierung mit einem indirekten Hinweis auf die KGaA-Besteuerung. 109 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 76. 110 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 52 und Rz. 73.

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Möhlenbröck/Stangl, Die Option zur Körperschaftsteuer

Gewinnausschüttung und zur verdeckten Einlage gelten bei der optierenden Gesellschaft entsprechend.111 Der Gesellschafter hat die Ausschüttungen ggf. nach dem Teileinkünfteverfahren bzw. § 8b KStG zu versteuern.112 Gewinnanteile gelten erst dann als ausgeschüttet, wenn sie entnommen werden oder ihre Auszahlung verlangt werden kann (§ 1a Abs. 3 Satz 5 KStG).113 Bei der Entnahmeregelung des § 122 Abs. 1 HGB (4 % des Kapitalanteils) greift die Ausschüttungsfiktion nur, soweit sie aus dem Gewinn des Vorjahres gespeist werden kann.114 Die Regelungen betreffend das Einlagekonto (§ 27 KStG) sind entsprechend anzuwenden.115 Werden fiktiv ausgeschüttete Beträge nicht entnommen, gelten sie als unmittelbar nach der fiktiven Ausschüttung eingelegt.116 Im Hinblick auf die Beteiligungshöhe iSd. §§ 8b (Abs. 4), 8c KStG sowie § 9 Nr. 2a oder Nr. 7 GewStG ist die Beteiligungsquote nach Verwaltungsauffassung nach den festen Kapitalkonten (Kapitalkonto I) zu ermitteln, sofern der Gesellschaftsvertrag entsprechende Regelungen umfasst und diese über die maßgeblichen Vermögensrechte entscheiden (anderenfalls soll das Verhältnis der Kapitalanteile iSd. Handelsrechts maßgeblich sein).117 § 50d Abs. 14 Satz 1 EStG enthält einen treaty-override, nach dem eine abkommensrechtliche Reduktion der Kapitalertragsteuer versagt wird, wenn die Kapitalerträge im anderen Staat aufgrund einer vom deutschen Recht abweichenden steuerlichen Behandlung der optierenden Gesellschaft nicht der Besteuerung unterliegen. Die Beteiligung an der optierenden Gesellschaft stellt ein eigenständiges Wirtschaftsgut dar.118 Die Spiegelbildmethode ist daher nach der Option nicht mehr anzuwenden. Auf Beteiligungsveräußerungen finden bei na111 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 69. 112 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 73. 113 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 74. 114 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 77. 115 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 70. 116 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 78. 117 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 61. 118 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 61.

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türlichen Personen die Regelungen des § 20 Abs. 2 EStG, des § 17 EStG und des Teileinkünfteverfahrens Anwendung; Entsprechendes gilt für gesetzlich einer Veräußerung gleichgestellte Vorgänge, zB solche iSd. § 6 AStG.119 Erfolgt der anlässlich der Option zu vollziehende fiktive Formwechsel (vgl. hierzu oben unter IV.1.) unter Ansatz von Buch- bzw. Zwischenwerten, dann ist die Beteiligung an der optierenden Gesellschaft nach § 22 Abs. 1 UmwStG sperrfristverhaftet.120 Daher sind auch die jährlichen Nachweise nach § 22 Abs. 3 UmwStG zu erbringen,121 und die Mitverstrickungsregel des § 22 Abs. 7 UmwStG ist bei der Aufnahme von Gesellschaftern und bei Kapitalerhöhungen zu beachten.122 § 50d Abs. 14 Satz 2 EStG enthält einen treaty-override, nach dem die abkommensrechtliche Befreiung eines Anteilsveräußerungsgewinns nicht gewährt wird, wenn der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an der optierenden Gesellschaft im anderen Staat aufgrund einer vom deutschen Recht abweichenden steuerlichen Behandlung der optierenden Gesellschaft nicht der Besteuerung unterliegt.123 Einnahmen, die der Gesellschafter für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft bezieht, führen zu Einkünften iSd. § 19 EStG (§ 1a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 KStG). Erforderlich hierfür ist, dass ein Dienstverhältnis iSd. § 1 LStDV vorliegt und die Leistungen der optierenden Gesellschaft aufgrund dieses Dienstverhältnisses erbracht werden.124 Wenn § 19 EStG dementsprechend anzuwenden ist, sind sämtliche Regelung zur Erhebung der Lohnsteuer in den §§ 38 ff. EStG anzuwenden.125 Ein gesellschaftsvertraglicher Vorabgewinn ist auch dann eine Gewinnausschüttung, wenn er für eine Tätigkeit des Gesellschafters vorgesehen ist.126 119 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 62. 120 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 46 und Rz. 65. 121 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 46. 122 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 66. 123 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 63. 124 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 81. 125 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 83. 126 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 81.

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3. Umwandlungen Nach Verwaltungsauffassung127 ist die optierende Gesellschaft auch für Zwecke des UmwStG wie eine Kapitalgesellschaft zu behandeln, was insbes. das folgende bedeutet: –

Wird die optierende Gesellschaft auf eine Körperschaft verschmolzen bzw. wird Vermögen von ihr auf eine Körperschaft abgespalten, gelten die §§ 11–13 bzw. 15 UmwStG.



Die Einbringung von Anteilen an der optierenden Gesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft stellt im Grundsatz128 einen Anteilstausch nach § 21 UmwStG dar.



Ein Ein- und Austritt von Gesellschaftern führt nicht zu § 24 UmwStG. Dies bedeutet, dass die Regelungen der Rn. 01.47 UmwStE bei der optierenden Gesellschaft nicht greifen.



Wird in die optierende Gesellschaft ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht, ist § 20 UmwStG anzuwenden.



Ein 100 %-Kommanditanteil129 ist fiktiver Teilbetrieb iSv. § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG und Rz. 24.02 UmwStE 2011.



Die Beendigung der Option kann zu Sperrfristverstößen führen (§ 15 Abs. 2 Satz 2–4 UmwStG, § 22 UmwStG).



Die Realteilungsgrundsätze (§ 16 Abs. 3 Satz 2 ff. EStG) sind ebenso wie sonstige ertragsteuerliche Regelungen, die sich auf Mitunternehmerschaften bzw. nicht dem KStG unterliegenden Personengesellschaften beziehen, bei der optierenden Gesellschaft nicht anzuwenden.



Die Beispiele der Billigkeitsregelung in Rz. 22.23 UmwStE sind so anzuwenden, als ob die optierende Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft wäre.

127 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 100. 128 Sofern die Anteile mit einem Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil eingebracht werden, liegt ein Vorgang iSd. § 20 UmwStG vor. 129 Dies bedingt, dass der Komplementär keine vermögensmäßige Beteiligung an der KG hält.

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VI. Beendigung der Option Die Beendigung der Option ist in § 1a Abs. 4 KStG geregelt und lässt sich überblicksmäßig wie folgt darstellen:

Die Beendigung durch eine Rückoption ist in § 1a Abs. 4 Satz 1–3 KStG geregelt. Sie ist auf Antrag möglich, wobei die Regelungen für den Antrag zur Option entsprechend gelten sollen.130 Der Antrag ist spätestens einen Monat vor Beginn des Wj. zu stellen, in dem die optierende Gesellschaft erstmals nicht mehr wie eine Kapitalgesellschaft besteuert werden soll. Insoweit ist keine Rückwirkung möglich.131 Die Beendigung stellt nach Verwaltungsauffassung einen Veräußerungs- und Erwerbsvorgang dar, für den die umwandlungssteuerlichen Regelungen für einen Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft entsprechend gelten sollen.132 Demnach findet ein fiktiver Formwechsel iSd. § 9 UmwStG (ohne Rückwirkungsmöglichkeit) statt, was ua. zum Untergang von Verlustvorträgen etc. (§ 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG), zur Besteuerung offener Rücklagen (§ 7 UmwStG) und zur Ermittlung und Besteuerung eines Übernahmeergebnisses führt. Die Beendigung durch einen Wegfall der Voraussetzungen ist in § 1a Abs. 4 Satz 4 KStG geregelt. Zu einem Wegfall der Voraussetzung kann es zB durch einen Formwechsel in die Rechtsform einer GbR oder einen

130 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 90. 131 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 97. 132 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 95.

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Verlust der Körperschaftsbesteuerung im Ausland kommen.133 Auch diese Beendigung stellt nach Verwaltungsauffassung einen Veräußerungsund Erwerbsvorgang dar, für den die umwandlungssteuerlichen Regelungen für einen Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft (ohne Rückwirkungsmöglichkeit) entsprechend gelten.134 Die Beendigung erfolgt im Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen. Liegt dieser Zeitpunkt unterjährig, so soll eine unterjährige Übertragungsbilanz aufzustellen sein.135 Die Beendigung durch eine Anwachsung ist in § 1a Abs. 4 Satz 5 und 6 KStG geregelt. Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus der optierenden Gesellschaft aus, gilt die optierende Gesellschaft als unmittelbar danach aufgelöst (§ 1a Abs. 4 Satz 5 KStG). Maßgeblicher Zeitpunkt ist nach Verwaltungsauffassung die zivilrechtliche Wirksamkeit der Anwachsung (keine Rückwirkungsmöglichkeit), wobei bei einer unterjährigen Anwachsung auf den Zeitpunkt der Anwachsung eine steuerliche Schlussbilanz aufzustellen ist.136 Die optierende Gesellschaft gilt anlässlich der Anwachsung als aufgelöst.137 Die Rechtsfolgen der Beendigung der Option hängen nach Verwaltungsauffassung138 von der Person des verbleibenden Gesellschafters ab: –

Übernehmer iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG (Verschmelzung): Die optierende Gesellschaft gilt als auf den verbleibenden Gesellschafter verschmolzen (Anwendung der für die Verschmelzung geltenden umwandlungssteuerlichen Regelungen).



Übernehmer iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwStG (Vermögensübertragung): Das Vermögen der optierenden Gesellschaft gilt als auf den verbleibenden Gesellschafter übertragen (Anwendung der für Vermögensübertragungen geltenden umwandlungssteuerlichen Regelungen).

133 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 91. 134 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 91 und Rz. 95. 135 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 91. 136 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 93 und Rz. 97. 137 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 96. 138 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 93 f. und Rz. 96.

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Alle anderen Fälle: Die optierende Gesellschaft gilt als aufgelöst und ihr Vermögen als an die Gesellschafter ausgeschüttet (entsprechende Anwendung von § 11 KStG mit der Maßgabe des Ansatzes des gemeinen Werts).

Die Beendigung durch eine Umwandlung in eine Körperschaft ist in § 1a Abs. 4 Satz 7 KStG geregelt. Die Rechtsfolgen dieser Beendigung richten sich nach Verwaltungsauffassung139 nach der Art der zivilrechtlichen Umwandlung: Erfolgt die Verschmelzung der optierenden Gesellschaft auf eine Körperschaft, sind die §§ 11 ff. UmwStG anzuwenden; erfolgt ein Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft, so handelt es sich nach Verwaltungsauffassung „ertragsteuerlich um einen homogenen und daher steuerlich grundsätzlich neutralen Formwechsel des Körperschaftsteuersubjekts“140. Die Folgen einer Beendigung der Option innerhalb der anlässlich der Option begründeten Sperrfrist nach § 22 Abs. 1 UmwStG sind nach Verwaltungsauffassung141 die folgenden: – Beendigung der Option anlässlich einer Rückoption, des Wegfalls der Voraussetzungen oder einer Anwachsung (§ 1a Abs. 4 Satz 1–6 KStG): Die Beendigung stellt einen Verstoß gegen die Sperrfrist nach § 22 Abs. 1 UmwStG dar. – Beendigung der Option durch eine Umwandlung in eine Körperschaft (§ 1a Abs. 4 Satz 7 KStG): Die Folgen für die Sperrfrist hängen von der Umwandlungsart ab. – Beendigung durch einen Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft: Die Beendigung stellt keinen Verstoß gegen die Sperrfrist nach § 22 Abs. 1 UmwSt dar. – Beendigung durch Verschmelzung: Anwendung der Rz. 22.23 UmwStE. Damit sind nach Verwaltungsauffassung wohl die allgemeinen Regelungen des § 22 UmwStG bei einer Verschmelzung der Gesellschaft, an der die sperrfristverhafteten Anteile bestehen, auf eine Körperschaft anzuwenden (nach Verwaltungsauffassung liegt hierin grundsätzlich ein Sperrfristverstoß, auf den aber ggf. die Billigkeitsregelung der Rz. 22.23 UmwStE anzuwenden ist). 139 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 92. 140 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 92. 141 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212, Rz. 98.

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Ausgewählte Aspekte des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes Dirk Krohn Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen1 Dr. Stefan Behrens Rechtsanwalt/Steuerberater, Frankfurt am Main I. Überblick über die im Jahr 2021 in Kraft getretenen Änderungen des GrEStG II. Der „Übergangsfall“: Zweimaliger Anfall von Grunderwerbsteuer in Fällen des Signing vor und des Closing nach dem 30.6./1.7.2021? III. Der „Standardfall“ nach neuem Recht: Zweimaliger Anfall von Grunderwerbsteuer in allen Fällen des zeitlichen Auseinanderfallens von sog. Signing und sog. Closing? 1. Problemstellung 2. Beispiel 3. Anwendung der verschiedenen Sichtweisen auf das Beispiel 4. Auf Grundlage der Verwaltungsansicht Risiko einer Doppelbesteuerung? 5. Schlussfolgerung a) Auffassung Stefan Behrens b) Auffassung Dirk Krohn c) Wie soll vorerst in der Praxis verfahren werden?

IV. Kommt es, und wenn ja unter welchen Voraussetzungen kommt es zur Zurechnung von Grundstücken von Tochter-/ Enkel-Gesellschaften zur MutterGesellschaft im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a–3a GrEStG? 1. Verhältnis zwischen § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG in Beteiligungsketten 2. Auffassung Stefan Behrens 3. Auffassung Dirk Krohn 4. Welche Auffassung soll bis zur Klärung dieser Rechtsfrage vorerst in der Praxis (etwa in Bezug auf die Erstattung von Grunderwerbsteuer-Anzeigen) zugrunde gelegt werden? 5. Anwendbarkeit der Verwaltungsansicht bei Grundstücksveräußerung innerhalb der Beteiligungskette? V. Verhältnis zwischen § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG einerseits und § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG andererseits in Beteiligungsketten VI. Einzelfragen zu § 1 Abs. 2b GrEStG

1 Dipl.-Fw. (FH) Dirk Krohn ist in der Groß- und Konzernbetriebsprüfungsstelle Schleswig-Holstein tätig. Der Beitrag wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt die persönliche Meinung des Verfassers wieder.

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes 1. Zeitliche Anwendungsfragen 2. Auslegung von § 1 Abs. 2b GrEStG entsprechend der Auslegung von § 1 Abs. 2a GrEStG? 3. Auffassung Stefan Behrens betr. Beispiel 4. Auffassung Dirk Krohn betr. Beispiel VII. Sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG VIII. Feststellungslast der Finanzverwaltung: Wie weit gehen die Mitwirkungspflichten der grundbesitzenden Gesellschaft im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG? IX. Verhältnis zwischen § 23 Abs. 18 und § 23 Abs. 24 GrEStG 1. Verlängerung der MindestHalte-Fristen in §§ 5, 6 GrEStG a) Gesetzesänderung ab 1.7.2021 b) Zeitlicher Anwendungsbereich der Haltefristverlängerungen in §§ 5, 6 GrEStG nF 2. Zeitlicher Anwendungsbereich der Verlängerung der MindestNachbehaltens-Fristen

3. Keine Verlängerung am 30.6./1.7.2021 noch laufender Nachbehaltens-Fristen a) Rangverhältnis zwischen § 23 Abs. 18 und § 23 Abs. 24 GrEStG nF aa) Auffassung Stefan Behrens bb) Auffassung Dirk Krohn b) Beispielsfall c) Verfahrensrechtliche Aspekte 4. Verlängerung der MindestVorbehaltensfrist iSv. § 6 Abs. 4 GrEStG a) Grundsatz b) Vor- oder Rückrechnung der Mindest-Vorbehaltens-Frist iSv. § 6 Abs. 4 GrEStG c) Anwendung der Alt- oder Neu-Fassung von § 6 Abs. 4 GrEStG bei Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG durch vor dem 1.7.2021 begonnene und nach dem 30.6.2021 endende gestreckte Anteilserwerbe X. Ausblick

In diesem Beitrag2 werden nach einem Überblick über die im Jahr 2021 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen mit Bezug auf die Grunderwerb2 Der Beitrag wurde im 4. Quartal 2021 und 1. Quartal 2022 geschrieben und gibt den Wissenstand im 1. Quartal 2022 wieder. Die Regelungen in den gleich lautenden Ländererlassen v. 10.5.2022 zur Anwendung der § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG (BStBl. I 2022, 801 und BStBl I 2022, 821) sind nicht Diskussionsgegenstand des Vortrags gewesen und sind auch nicht Teil des Beitrags. Soweit einzelne Themen des Beitrags in den gleich lautenden Ländererlassen geregelt wurden, sind in diesem Beitrag entsprechende Hinweise in den Fußnoten auf-

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

steuer einige ausgewählte Aspekte dargestellt bzw. diskutiert, die sich aus dem Gesetz zur Änderung des GrEStG vom 12.5.2021 ergeben. Nicht beabsichtigt ist eine Erörterung sämtlicher Aspekte dieses Gesetzes.

I. Überblick über die im Jahr 2021 in Kraft getretenen Änderungen des GrEStG Das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) ist im Jahr 2021 erheblich geändert worden, insbesondere durch das zum 1.7.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des GrEStG vom 12.5.20213 zu dem Zweck, die Besteuerung sog. Share Deals zu verschärfen. Nach der öffentlichen Anhörung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Änderung des GrEStG am 14.10.20194 wurde das Gesetzgebungsverfahren faktisch ausgesetzt.5 Im März bzw. April 20216 wurde es überraschend wieder aufgenommen und doch noch vor Ablauf der ausgelaufenen Legislaturperiode zum Abschluss gebracht. Im Vergleich zum Regierungsentwurf 2019 wurden die folgenden Änderungen umgesetzt: –

Einführung der sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG,



Einfügung der zeitlichen Anwendungsregelung für § 1 Abs. 2b in § 23 Abs. 23 GrEStG,



Streichung der im Regierungsentwurf 2019 noch vorgesehenen Vertrauensschutzregelungen im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG.

Die beiden erstgenannten Änderungen waren vom Bundesrat bereits im Herbst 2019 vorgeschlagen worden.7 Der Bundesrat hatte zudem gefor-

3 4 5

6 7

genommen worden. Zu diesen Erlassen vgl. Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667; Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689; Graessner, NWB 2022, 2527; Binder/Himmer, StuB 2022, 601. BGBl. I 2021, 986. Vgl. Deutscher Bundestag, Finanzausschuss, Protokoll-Nr. 19/53, Wortprotokoll der 53. Sitzung. Vgl. Pressemitteilung der CDU/CSU- und SPD-Bundestag-Fraktionen v. 24.10.2019 „Effektive und rechtssichere Lösung für Share Deals“ betr. Verschiebung der sog. Grunderwerbsteuerreform. Vgl. BT-Drucks. 19/28528 v. 15.4.2021, Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses. Vgl. Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates, BR-Drucks. 355/1/19 v. 9.9.2019; Stellungnahme des Bundesrats, BR-Drucks. 355/19 v. 20.9.2019 und Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 19/13546 v. 25.9.2019.

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

dert, dass § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG dahingehend ergänzt werden solle, „dass für die Bestimmung der Neugesellschaftereigenschaft bei einer an einer Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft lediglich Gesellschafterwechsel innerhalb eines Zeitraums entsprechend § 1 Abs. 2a Satz 1 und nicht unbefristet maßgebend sind“.8 Obwohl die Bundesregierung diesem Vorschlag in ihrer Gegenäußerung vom 25.9.20199 zustimmte, unterblieb eine entsprechende Änderung von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG. Der Bundesrat hatte zudem darum gebeten, „im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie § 6a GrEStG angepasst werden kann, damit Umstrukturierungsmaßnahmen im Konzern steuerneutral erfolgen können“.10 In ihrer Gegenäußerung antwortete die Bundesregierung, der Bitte um Prüfung nachkommen zu wollen. Tatsächlich erfolgte im weiteren Gesetzgebungsverfahren keine Änderung von § 6a GrEStG mit der Ausnahme, dass der durch das GrEStGÄndG geschaffene neue Ergänzungstatbestand in § 1 Abs. 2b GrEStG als begünstigungsfähiger Tatbestand in § 6a Satz 1 GrEStG aufgenommen wurde. Mit Wirkung ab 1.7.2021 wurden die bisherigen 95 %-Grenzen in § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a auf 90 % herabgesetzt, allerdings unter subsidiärer Fortgeltung der bisherigen 95 %-Grenzen.11 Die bisherigen fünfjährigen Fristen sind im Grundsatz auf zehn Jahre und im Fall von § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG nF auf 15 Jahre verlängert worden. Zudem ist ein § 1 Abs. 2a GrEStG entsprechender Ergänzungstatbestand für grundbesitzende Kapitalgesellschaften in § 1 Abs. 2b GrEStG eingeführt worden. Wie die anderen Gesetzänderungen (mit Ausnahme der Einführung der Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG) ist auch dieser neue Ergänzungstatbestand erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden, wobei der Erwerbsvorgang mit Erreichung bzw. Überschreitung der 90 %-Grenze verwirklicht wird. Zudem hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.7.2021 in § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GrEStG eine spezielle Steuervermeidungsregelung eingeführt, wonach sich die Grunderwerbsteuer nach der Ersatz-Bemessungsgrundlage bemisst, wenn im ertragsteuerrechtlichen Rückwirkungszeitraum einer übertragenden Umwandlung die an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklichen.

8 9 10 11

Vgl. Stellungnahme des Bundesrats v. 20.9.2019, BR-Drucks. 355/19, Ziff. 3. Vgl. BT-Drucks. 19/13546. BR-Drucks. 355/19 v. 20.9.2019, Ziff. 5. Vgl. § 23 Abs. 21, Abs. 22 GrEStG.

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Bereits durch das JStG 202012 waren die Kappung des Verspätungszuschlags bei der verspäteten Abgabe von Grunderwerbsteuer-Anzeigen auf maximal 25.000 t und der Höhe des Verspätungszuschlags bei verspäteter Abgabe von Feststellungserklärungen iSv. § 17 Abs. 2, Abs. 3 GrEStG auf „nur“ 25 t pro angefangenen Monat der Verspätung in § 152 Abs. 6 AO durch Einfügung von § 19 Abs. 6 GrEStG abgeschafft worden; diese Verschärfungen des Verspätungszuschlags gelten erstmals für Erwerbsvorgänge, die nach dem 28.12.202013 verwirklicht worden sind bzw. werden. Der Verspätungszuschlag beträgt nun mithin bei verspäteter Abgabe von Feststellungserklärungen für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 % der festgesetzten Steuer, mindestens 25 t für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung. Nicht Gegenstand dieses Beitrags sind die folgenden im Jahr 2021 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen, wobei die beiden erstgenannten uE unter Missachtung des Folgerichtigkeitsprinzips die Vergünstigungen nach §§ 5, 6 GrEStG im Fall der Körperschaftsbesteuerung von Personenhandelsgesellschaften erheblich eingeschränkt bzw. ausgeschlossen haben: –

Änderung von §§ 5, 6 GrEStG durch das ebenfalls zum 1.7.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG),14



Änderung von §§ 5, 6 GrEStG durch das ebenfalls am 1.7.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze (StAbwG),15



Das am 17.8.2021 verkündete Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG),16 das am 1.1.2024 in Kraft treten und das bisher den Personengesellschaftern zugeordnete Gesamthandsvermögen von Personenaußengesellschaften gem. § 713 BGB nF durch ein eigenes Gesellschaftsvermögen bzw. ein der Gesellschaft als solcher zugeordnetes Gesamthandsvermögen ersetzen wird.

Welche Änderungen das GrEStG in dieser Hinsicht zum 1.1.2024 erfahren wird, scheint derzeit noch völlig offen. Sollte es nicht spätestens zum 1.1.2024 zu einem auf Rechtsformneutralität ausgerichteten Systemwechsel im GrEStG gekommen sein, ist zu hoffen, dass rechtzeitig 12 13 14 15 16

BGBl. I 2020, 3096. Vgl. § 23 Abs. 17 GrEStG. BGBl. I 2021, 2050. BGBl. I 2021, 2056. BGBl. I 2021, 3436.

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

durch Gesetzesänderung geregelt werden wird, dass allein durch die Aufgabe des Gesamthandsprinzips bei Personengesellschaften keine Verletzung der Mindest-Nachbehalte-Fristen in § 5 Abs. 3 Satz 1 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG anzunehmen ist, dh. soweit durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts innerhalb von zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks das Vermögen der erwerbenden Personengesellschaft die Eigenschaft als Gesamthandsvermögen, das den Personengesellschaftern zugeordnet ist, verliert.17

II. Der „Übergangsfall“: Zweimaliger Anfall von Grunderwerbsteuer in Fällen des Signing vor und des Closing nach dem 30.6./1.7.2021? Nach dem Gesetzeswortlaut von GrEStG aF und GrEStG nF in der Fassung des GrEStÄndG vom 12.5.2021 könnte es zu zweifacher Erhebung von Grunderwerbsteuer kommen, wenn –

das unbedingt wirksame Verpflichtungsgeschäft vor dem 1.7.2021 abgeschlossen worden war,



dinglich die Rechtsinhaberschaft an der mindestens 95%igen Beteiligung jedoch erst nach dem 30.6.2021 auf den Erwerber übergegangen ist bzw. übergeht.

Nach dem Gesetzeswortlaut könnten sowohl der Anteilserwerber nach § 1 Abs. 3 GrEStG aF als auch die grundbesitzende Gesellschaft selbst nach § 1 Abs. 2b GrEStG zu besteuern sein.18 Denn in § 1 Abs. 3 GrEStG aF bezog sich der „soweit“-Halbsatz in § 1 Abs. 3 GrEStG nur auf § 1 Abs. 2a GrEStG, jedoch noch nicht auf § 1 Abs. 2b GrEStG, weil dieser Tatbestand vor dem 1.7.2021 noch nicht in Kraft getreten war. Der Gesetzgeber hat in § 23 GrEStG und auch an keiner sonstigen Stelle des GrEStG eine Regelung getroffen, wonach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht anzuwenden ist, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG aF in Betracht kommt.

17 Entsprechend den BREXIT-bezogenen Neuregelungen in §§ 5 und 6 GrEStG durch das JStG 2020. 18 Vgl. hierzu zB Behrens/Wagner, DB 2021, 866 (869).

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes Ausgangsstruktur: V

Signing vor 01.07.2021, Closing nach 30.06.2021: V

x

K

Begründung des Anspruchs auf Übertragung der min. 95 %igen Beteiligung an der G-GmbH § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG +

100 %

G-GmbH

Schuldner der GrESt sind V und K, § 13 Nr. 1 GrEStG entsprechend

100 %

100 %

G-GmbH x

§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG n.F. HS1: „Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegen der Steuer, soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a und 2b nicht in Betracht kommt, außerdem: …



vor 01.07.2021: § 1 Abs. 2b GrEStG-E



nach 30.06.2021:



§ 1 Abs. 2b GrEStG + , Schuldner ist die G-GmbH selbst; Übermaßbesteuerung?

Nr. 3 ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von min. 95 % der Anteile der Gesellschaft begründet, …“ § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG n.F. gilt erst ab dem 01.07.2021. Vor dem 01.07.2021 sperrt § 1 Abs. 2b GrEStG-E die Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F. dem Wortlaut nach nicht!

Dingliche Erfüllung des Übertragungsanspruchs

In § 23 GrEStG wurde keine Regelung eingefügt, wonach § 1 Abs. 2b GrEStG [n.F.] nicht anzuwenden ist, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG [a.F.] in Betracht kommt.

x

Praktische Lösungsmöglichkeit: Rückabwicklung und Antragstellung nach § 16 GrEStG

In dieser Fallkonstellation muss die FinVerw. uE mit teleologischer Reduktion oder mit Billigkeitsmaßnahmen aus Gründen sachlicher Unbilligkeit helfen.19 Der Gesetzgeber hat diesen Fall nicht hinreichend bedacht. Dass in der bezeichneten Fallkonstellation das Bedürfnis für eine zweimalige Besteuerung besteht, ist nicht begründbar. Der dringend notwendigen Billigkeitsmaßnahme steht in diesem Fall das EU-Beihilferecht nicht entgegen, weil sie eine Doppelbesteuerung vermeidet, zu der es nach der Systematik des GrEStG nicht kommen darf. In Betracht kommt die Nicht-Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG aF infolge teleologischer Reduktion, weil es im Fall des Vollzugs zur Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG kommt. 19 In Tz. 8 der gleich lautenden Ländererlasse (s. Fn. 2) wird geregelt, dass die FinVerw. das Signing und das Closing als zwei grunderwerbsteuerbare Vorgänge ansieht. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird dort in Tz. 8 geregelt, dass im Zeitpunkt des Signing eine Festsetzung von GrESt. nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG zu erfolgen habe, wenn „bis zu einem Jahr nach Kenntnisnahme der Finanzverwaltung von dem steuerbegründenden Sachverhalt eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG nicht zu erwarten ist“; sonst sei keine Steuerfestsetzung geboten, wenn „der Grundstücksbestand im Zeitpunkt des Closing und Signing identisch ist“. Im Zeitpunkt des Closing habe eine Festsetzung nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG zu erfolgen; die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG (im Zeitpunkt des Signing) sei bei Grundstücksidentität aufzuheben oder zu ändern.

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

III. Der „Standardfall“ nach neuem Recht: Zweimaliger Anfall von Grunderwerbsteuer in allen Fällen des zeitlichen Auseinanderfallens von sog. Signing und sog. Closing? 1. Problemstellung In Bezug auf Anteilskäufe, bei denen das sog. Signing und das sog. Closing zeitlich auseinander liegen, wird streitig diskutiert, ob bereits beim sog. Signing durch die rechtsgeschäftliche Begründung des unbedingt wirksamen Anspruchs auf Abtretung einer Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft einer der Tatbestände in § 1 Abs. 1 Nr. 3, ggf. iVm. Abs. 3a GrEStG, verwirklicht wird, obwohl beim späteren sog. Closing durch die dingliche Abtretung der Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG verwirklicht wird. Die FinVerw. vertritt die Auffassung, dass bei Erreichen bzw. Überschreiten der 90%igen Beteiligungsschwelle beim Anteilserwerber –

im Zeitraum des sog. Signing § 1 Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG verwirklicht wird und



im Zeitraum des sog. Closing zudem § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b verwirklicht wird.

Nach Auffassung der FinVerw. soll zudem eine Aufhebung bzw. Änderung der anlässlich des sog. Signing erfolgten Steuerfestsetzung aufgrund des geltenden Gesetzesrechts nicht in Betracht kommen. Insbesondere §§ 174, 175 AO seien nicht einschlägig. Es sei beabsichtigt, eine gesetzliche Korrekturvorschrift zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei zeitlichem Auseinanderfallen von sog. Signing und sog. Closing zu schaffen. Diese äußerst überraschende Ansicht der FinVerw. zwingt dazu, gegen Erstbescheide in Bezug auf das sog. Signing Einspruch einzulegen und zumindest zu beantragen, dass der Erstbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wird, um eine Bestandskraft zu vermeiden. Dadurch würde zumindest eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO erreicht. Demgegenüber steht nach in der Literatur vertretener Ansicht der Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG im Zeitpunkt des sog. Signing20 entgegen, dass „eine Besteuerung nach Abs. 2b 20 In den hier diskutierten Fallkonstellationen wird unterstellt, dass § 14 GrEStG nicht einschlägig ist, es also keine das Verpflichtungsgeschäft betreffenden aufschiebenden Bedingungen oder Genehmigungsvorbehalte gibt.

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

in Betracht kommt“. Solange nicht feststeht, dass eine oder mehrere der Vollzugsbedingungen in Bezug auf ein Grundstück der verkauften Gesellschaft endgültig nicht mehr erfüllt werden können, ist das Tatbestandsmerkmal „soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a und 2b nicht in Betracht kommt“ nicht erfüllt und die Verwirklichung des Tatbestands nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ausgeschlossen. Wenn es in Bezug auf ein oder alle Gesellschaftsgrundstücke nicht zum sog. Closing kommt, etwa –

weil eine Vollzugsvoraussetzung nicht erfüllt werden kann und die Transaktion insgesamt scheitert oder



weil die Gesellschaft ihren Grundbesitz vor dem sog. Closing verkauft,21

ist mangels dinglichem Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter bzw. mangels Vorhandenseins des Grundstücks im Vermögen der Gesellschaft eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG ausgeschlossen. Nach dem Gesetzeswortlaut wäre dann der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG erfüllt, weil insgesamt bzw. in Bezug auf das betreffende Grundstück keine Besteuerung mehr in Betracht kommt. Zeitgleich mit der Anzeige des Erwerbsvorgangs iSv. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG wäre dann jedoch ein Antrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zu stellen, um die Festsetzung von Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG zu verhindern. Um unnötige Bürokratie – Anzeige des Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 GrEStG und Antrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG – zu vermeiden, ist § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG teleologisch zu reduzieren.22 Infolge dieser teleologischen Reduktion ist mithin § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG auch dann nicht erfüllt, wenn der dingliche Anteilsübergang nicht mehr in Betracht kommt. Denn es liegt dann nach in der Literatur vertretener Ansicht insgesamt kein besteuerungswürdiger Vorgang vor. Die FinVerw. jedoch macht die Nicht-Erhebung bzw. die Aufhebung bereits festgesetzter Steuer von der Rechtzeitigkeit der Anzeige nach § 19 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 6 GrEStG abhängig.23 Nach Verwaltungsansicht ist die Anzeige innerhalb von zwei Wochen ab sog. Signing, dh. innerhalb von zwei Wochen ab unbedingtem Wirksamwerden des Anteilsübertragungsanspruchs beim zuständigen FA, und zwar bei der Grunderwerbsteuerstelle, anzuzeigen. 21 Zu diesem Fall Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870. 22 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter, GrEStG, 2018, § 1 Rz. 499. 23 Vgl. § 16 Abs. 5 GrEStG.

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

2. Beispiel Die betroffene Sachverhalts-Konstellation soll anhand des folgenden Beispiels veranschaulicht werden: Der bisherige Alleingesellschafter einer grundbesitzenden GmbH verkauft seine 100%ige Beteiligung am 1.7.2021 unbedingt wirksam an K. Der am 1.7.2021 notariell beurkundete Anteilskaufvertrag macht jedoch den Vollzug vom Eintritt mehrerer Bedingungen abhängig, deren Herbeiführung einige Zeit in Anspruch nimmt. Nach Eintritt der letzten Vollzugsbedingung am 30.9.2023 geht die dingliche Rechtsinhaberschaft der 100%igen Beteiligung am 30.9.2023 auf K über. Mit dem dinglichen Übergang der 100%igen Beteiligung an der G-GmbH auf K am 30.9.2023 wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht. Die G-GmbH schuldet nach § 13 Nr. 7 GrEStG die nach dem sog. Grundbesitzwert ihres Grundstücks zu berechnende Steuer. Fraglich ist, ob auch der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG verwirklicht worden ist. Wird diese Frage bejaht, ist innerhalb der Frist iSv. § 19 Abs. 3 GrEStG der unbedingt wirksame notarielle Anteilskaufvertragsabschluss anzuzeigen. Gegen die Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG spricht, dass, solange die Vollzugsbedingungen erfüllbar sind, die Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG möglich ist und – gemäß dem Gesetzeswortlaut – „in Betracht kommt“.24 Ebenso spricht dagegen, dass, wenn eine Vollzugsbedingung nicht herbeigeführt werden kann, aufgrund des § 16 Abs. 5 GrEStG im Fall einer nicht vollständigen Anzeige des unbedingt wirksamen Kaufvertragsabschlusses Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vom Käufer zu bezahlen wäre, obwohl tatsächlich kein Rechtsträgerwechsel eintritt.

3. Anwendung der verschiedenen Sichtweisen auf das Beispiel Auf der Grundlage der bisherigen Sichtweise zu § 1 Abs. 2a GrEStG in der Praxis ist am 1.7.2021 kein Tatbestand verwirklicht worden. Zwar wurde durch Rechtsgeschäft ein unbedingt wirksamer Anspruch auf Übertragung der 100%igen Beteiligung an der grundbesitzenden GmbH von V auf K begründet. Der Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG steht jedoch entgegen, dass „eine Besteuerung nach Abs. 2a oder Abs. 2b in Betracht kommt“. V und K haben sich im Verhältnis zueinander zur Herbeiführung des Eintritts der Vollzugsbedingungen verpflichtet. So24 Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624.

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lange nicht feststeht, dass eine oder mehrere der Vollzugsbedingungen in Bezug auf ein Grundstück der verkauften Gesellschaft endgültig nicht mehr erfüllt werden können, ist das Tatbestandsmerkmal „soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a und Abs. 2b nicht Betracht kommt“ nicht erfüllt und die Verwirklichung des Tatbestands nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ausgeschlossen. Es zeichnet sich ab, dass die FinVerw. eine andere Auffassung vertreten wird. Die Grunderwerbsteuer sei eine Stichtagssteuer. Stichtag sei der Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Anteilskaufvertrags. Weil im Zeitpunkt des Signing weder § 1 Abs. 2a noch § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht sind, käme daher bezogen auf diesen Zeitpunkt eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG – gemäß dem Gesetzeswortlaut – „nicht in Betracht“. Die FinVerw. will mithin ausschließlich auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts abstellen und bei Anteilsgeschäften, bei denen das Erfüllungsgeschäft (sog. Closing) dem Verpflichtungsgeschäft (sog. Signing) zeitlich nachfolgt, im Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts, dh. im Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Anteilskaufvertrags, stets die Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 GrEStG annehmen. Begründet wird dies damit, dass es sich bei der Grunderwerbsteuer um eine sog. Stichtagssteuer handelt. Zwar ist die Grunderwerbsteuer eine Stichtagssteuer. Hieraus folgt aber lediglich, dass vorbehaltlich der Sonderregelung in § 14 GrEStG der allgemeine Grundsatz von § 38 AO gilt, wonach Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis iSv. § 37 AO entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Solange die Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG in Betracht kommt, ist der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3, ggf. iVm. Abs. 3a GrEStG, jedoch noch nicht erfüllt.

4. Auf Grundlage der Verwaltungsansicht Risiko einer Doppelbesteuerung? Für den Fall, dass § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG tatsächlich bereits im Zeitpunkt des unbedingt wirksamen Abschlusses des Anteilskaufvertrags für verwirklicht gehalten werden sollte, stellt sich die Frage, wie, wenn das FA (Grunderwerbsteuerstelle) auch bereits Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erhebt, nach Vollzug sichergestellt werden kann, dass im Ergebnis auf den Lebenssachverhalt nur einmal Grunderwerbsteuer – und 161

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zwar nach § 1 Abs. 2b GrEStG auf den Vollzug, dh. den dinglichen Übergang der Rechtsinhaberschaft an der Beteiligung an der grundbesitzenden GmbH – erhoben wird. Darüber, dass im Ergebnis nur einmal Grunderwerbsteuer pro Gesellschaftsgrundstück zu erheben ist, wenn es wie regelmäßig zur Erfüllung der Anteilsübertragungsverpflichtung aus dem Anteilskaufvertrag kommt, besteht Einigkeit. Dies gebietet der klare Wortlaut der Tatbestände in § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG, denen vom Gesetzgeber gegenüber den Anteilsvereinigungs-Tatbeständen der Vorrang eingeräumt worden ist.25 Fraglich ist jedoch, wie die im Ergebnis nur einmalige Besteuerung, und zwar nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG, erreicht werden kann. Ein Vorläufigkeitsvermerk iSv. § 165 Abs. 1 Satz 1 AO und § 174 AO sind von vornherein ungeeignet, im Ergebnis die einmalige Besteuerung sicherzustellen.26 Auch der Nachprüfungsvorbehalt iSv. § 164 AO erscheint nicht als vom Gesetzgeber für diese Fallkonstellation vorgesehenes Instrument der Sicherstellung einer nur einmaligen Besteuerung. Grundsätzlich kann das FA, wenn der Stpfl. einen Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO stellt, die Bearbeitung gem. § 164 Abs. 2 Satz 3 AO ggf. bis zur Durchführung einer Betriebsprüfung aufschieben.27 Es käme mithin zu einer temporären Doppelbesteuerung, was nicht zulässig erscheint. In Betracht kommt die Einordnung der Verwirklichung von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG als auf das sog. Signing rückwirkendes Ereignis iSv. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO könnte mithin der die angebliche Anteilsvereinigung aufgrund Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts erfassende Bescheid aufzuheben sein, wenn die Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG ein Ereignis darstellt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Auch die Verwirklichung eines Steuertatbestands durch einen anderen Stpfl. (hier die grundbesitzende Gesellschaft selbst) kann ein rückwirkendes Ereignis im Steuerschuldverhält25 So auch Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624 (1624, 1628); Meßbacher-Hönsch in: Boruttau, GrEStG19, § 1 Rz. 726 zu § 1 Abs. 2a aF. 26 Vgl. Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870. 27 Zur Frage, ob bei Untätigkeit des FA nach Stellung eines Änderungsantrags der Untätigkeitseinspruch iSv. § 347 Abs. 1 Satz 2 AO statthaft ist, vgl. zB Oellerich in Gosch, AO/FGO, § 164 AO Rz. 118 (März 2021); Seer in Tipke/ Kruse, AO/FGO, § 164 AO Rz. 44 (Feb. 2022).

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nis zum die Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG primär schuldenden Anteilserwerber sein.28 Die FinVerw. ist jedoch anderer Ansicht und lehnt die Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf die hier diskutierte Fallkonstellation ab. Auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts nicht in Betracht kommt eine entsprechende Anwendung von § 1 Abs. 6 GrEStG. Nach dessen Satz 1 unterliegt ein in Abs. 1, 2, 3 oder Abs. 3a bezeichneter Rechtsvorgang der Steuer auch dann, wenn ihm ein in einem anderen dieser Absätze bezeichneter Rechtsvorgang vorrausgegangen ist. Die Steuer wird gem. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG jedoch nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den späteren Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG setzt die Identität des Erwerbers voraus.29 In der vorliegenden Fallkonstellation wird der Tatbestand von § 1 Abs. 3 GrEStG (angeblich) vom Anteilserwerber, der Tatbestand von § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG von der grundbesitzenden Gesellschaft selbst verwirklicht. Gegen die Anwendung von § 1 Abs. 6 GrEStG spricht außerdem, dass § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG in dieser Vorschrift gar nicht genannt sind: Dem liegt die (nach Ansicht von Stefan Behrens: irrtümliche) Vorstellung zugrunde, dass, weil es sich in den Fällen von § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG um fiktive Erwerber handelt, ein zweifacher Erwerb durch diesen fiktiven Erwerber nach verschiedenen Absätzen von § 1 GrEStG nicht denkbar sei. Dies ist nach Ansicht von Stefan Behrens keineswegs zwingend: Denkbar wäre, dass es auf der Ebene einer Gesellschaft, die zu mindestens 90 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, zunächst zu einem mindestens 90%igen Gesellschafterwechsel mit der Folge der Verwirklichung von § 1 Abs. 2a oder

28 Im Fall der sog. Sperrfrist-Verletzung bei § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG wird die Veräußerung des eingebrachten Wirtschaftsguts durch die übernehmende Mitunternehmerschaft innerhalb der Drei-Jahres-Frist iSv. § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG als ein für den zuvor einbringenden Mitunternehmer rückwirkendes Ereignis angesehen wird. Obwohl eine ausdrückliche Anordnung im Gesetzeswortlaut fehlt, heißt es in BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002 – DOK 2011/ 0973858, BStBl. I 2011, 1279 Tz. 27 wörtlich: „Dieses Finanzamt [dh. das FA des Übertragenden, dh. des Mitunternehmers] muss dann prüfen, ob rückwirkend der Teilwert anzusetzen und deshalb die Steuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 AO zu ändern ist“. Als weiteres Beispiel vgl. auch § 22 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 2 UmwStG. 29 BFH v. 27.10.1970 – II 72/65, BStBl. II 1971, 278 (279); Behrens in Behrens/ Wachter, GrEStG, 2018, § 1 Rz. 816.

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Abs. 2b GrEStG kommt, und anschließend die grundbesitzende Tochtergesellschaft auf diese Gesellschaft verschmolzen wird. Warum die im Zuge der Verschmelzung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG das Grundstück der Tochtergesellschaft steuerbar erwerbende (Mutter-)Gesellschaft nicht dieselbe (fingierte) neue Personengesellschaft sein soll, die zuvor den Tatbestand von § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG verwirklicht hat, ist nach Ansicht von Stefan Behrens nicht ersichtlich. Der unmittelbaren Anwendung von § 1 Abs. 6 GrEStG steht jedoch entgegen, dass der Gesetzgeber § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG nicht in § 1 Abs. 6 GrEStG aufgenommen hat. § 1 Abs. 6 GrEStG wäre vorliegend mithin wohl lediglich aufgrund einer Billigkeitsmaßnahme der FinVerw. denkbar. Im Fall der entsprechenden Anwendung von § 1 Abs. 6 GrEStG wäre ggf. vertraglich unter den Beteiligten zu vereinbaren, wer im Ergebnis anfallende Grunderwerbsteuer zu welchen Teilen tragen soll.

5. Schlussfolgerung a) Auffassung Stefan Behrens Der Tatbestand von § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG ist bei strikter Anwendung des Gesetzeswortlauts erst verwirklicht, wenn feststeht, dass eine Besteuerung nach Abs. 2a und Abs. 2b nicht in Betracht kommt. Dies ist ab dem Zeitpunkt der Fall, in dem feststeht, dass es zum dinglichen bzw. bei mittelbaren Anteilsgeschäften wirtschaftlichen Vollzug des Anteilskaufvertrags nicht kommen wird. Das Merkmal „soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a und Abs. 2b nicht in Betracht kommt“ in § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG, jeweils am Anfang, ist ein vollwertiges Tatbestandsmerkmal.30 Bei strikter Anwendung des Gesetzeswortlauts könnte § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG zwar als verwirklicht angesehen werden, sobald feststeht, dass die dingliche bzw. wirtschaftliche Erfüllung des Anteilskaufvertrags in Bezug auf ein bestimmtes inländisches Grundstück nicht stattfinden wird. Die Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG in dem Zeitpunkt anzunehmen würde jedoch dazu führen, dass zeitgleich sowohl die Grunderwerbsteuer-Anzeige für den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3, ggf. iVm. Abs. 3a GrEStG, nach §§ 19 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 6 GrEStG als auch der Antrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG bei der zuständigen Grunderwerbsteuerstelle einzureichen wären. Anzeige erstatten und 30 Vgl. Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870.

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Antrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG stellen zu müssen, führte jedoch zu unnötiger Bürokratie. Vorzugswürdig ist die teleologische Reduktion von § 1 Abs. 3, ggf. iVm. Abs. 3a GrEStG, dahingehend, dass diese Tatbestände auch dann nicht als verwirklicht anzusehen sind, wenn feststeht, dass es mangels Erfüllung des Anteilskaufvertrags zu keiner Anteilsvereinigung kommen wird.31 Der sich abzeichnenden Verwaltungsansicht steht entgegen, dass nach Verwaltungsansicht keine Vorschrift existiert, die dafür sorgt, dass auf den einheitlichen Lebenssachverhalt, der das sog. Signing und das sog. Closing umfasst, letztlich nur einmal Steuer erhoben wird. Dies spricht mE dafür, dass der Gesetzgeber diese Sichtweise nicht wollte; er hätte sonst die Korrekturvorschrift gleichzeitig ebenfalls gesetzlich geregelt. Gegen die sich abzeichnende Verwaltungsansicht spricht außerdem, dass – wenn es nicht zum sog. Closing kommt, der Kaufvertrag vielmehr aufgehoben bzw. rückabgewickelt wird – kein besteuerungswürdiger Sachverhalt verwirklicht worden ist. Entsprechendes gilt, wenn die Gesellschaft ein Grundstück im Zeitraum zwischen dem sog. Signing und dem sog. Closing verkauft; ein Rechtsträgerwechsel vom Anteilsverkäufer zum Anteilskäufer findet auch in diesem Fall in Bezug auf das zwischenzeitlich verkaufte Gesellschaftsgrundstück nicht statt. Die sich abzeichnende Verwaltungsansicht widerspricht zudem der bisherigen – auch von der FinVerw. nie offiziell in Frage gestellten – allgemeinen Praxis zu § 1 Abs. 2a GrEStG in der alten Fassung, das Signing nicht als Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 GrEStG anzusehen, solange die dingliche Abtretung des verkauften Anteils noch möglich ist, dh. die Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG noch in Betracht kommt. b) Auffassung Dirk Krohn Die Prüfung der Subsidiaritätsklausel „soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a und Abs. 2b nicht in Betracht kommt“ in § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG ist nach einem Stichtagsprinzip zu prüfen. Bei dieser Stichtagsbetrachtung stellen beide Rechtsvorgänge (das sog. Signing und das sog. Closing) jeweils einen grunderwerbsteuerlichen Vorgang dar. Auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Anteilskaufvertrags (sog. Signing) kommt 31 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter, GrEStG, 2018, § 1 Rz. 499; Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624 (1628); Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 726, zu § 1 Abs. 2a GrEStG aF.

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eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG nie in Betracht. Mithin ist § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG bzw. § 1 Abs. 3a iVm. Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erfüllt. Im Zeitpunkt des Erfüllungsgeschäfts (sog. Closing) kommen sowohl die Anwendung der § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG bzw. § 1 Abs. 3a iVm. Abs. 3 Nr. 3 GrEStG als auch des § 1 Abs. 2b GrEStG in Betracht, so dass in Bezug auf diesen Stichtag die Subsidiaritätsklausel in § 1 Abs. 3 Satz 1 GrEStG die Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG bestimmt. Diese enge Auslegung der Subsidiaritätsklausel ergibt sich mE schon aus der zivilrechtlichen Prägung des GrEStG. Das GrEStG stellt regelmäßig auf die zivilrechtlichen Rechtsvorgänge ab und lässt nur wenig Raum für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Das sich daraus ergebende Ergebnis wäre eine zweifache Besteuerung eines Erwerbsvorgangs bei unterschiedlichen Steuerschuldnern. Diese Betrachtungsweise führt zu einem klar überschießenden Gesamtergebnis und darf mE so nicht eintreten. Um eine zweifache Erhebung von Grunderwerbsteuer zu vermeiden, muss die FinVerw. bzw. der Gesetzgeber eine Regelung schaffen. Nach der bisherigen Systematik des Grunderwerbsteuerrechts werden vom Gesetzgeber ungewollte Doppelbesteuerungen durch die sog. Anrechnungsmethode des § 1 Abs. 6 GrEStG vermieden. Dabei werden beide Rechtsvorgänge zum Zeitpunkt der jeweiligen Verwirklichung der Grunderwerbsteuer unterworfen, aber beim zweiten Rechtsvorgang wird die Bemessungsgrundlage, die in Bezug auf den ersten Vorgang der Berechnung der Steuer zugrunde gelegt wurde, auf den zweiten Rechtsvorgang angerechnet, so dass nur noch die überschießende Bemessungsgrundlage der Besteuerung zugeführt wird. Diese Anrechnungsmethode verlangt nach der aktuellen Gesetzesfassung aber, dass die Doppelbesteuerung bei demselben Steuerschuldner eintritt. Das ist aber in diesen Sachverhalten nicht der Fall, da nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Erwerber und nach § 1 Abs. 2b GrEStG die Kapitalgesellschaft die Steuerschuldner sind. Der Gesetzgeber könnte für diesen Fall die Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG für zukünftige Sachverhalte in einem kommenden Gesetzgebungsverfahren regeln. Da rückwirkende Gesetzesänderungen grundsätzlich nur zugunsten des Stpfl. möglich sind, würde diese Gesetzesänderung für die Vergangenheit keine Wirkung entfalten. Eine Gesetzesänderung zugunsten des Stpfl. ist mE schon deshalb ausgeschlossen, da es sich um unterschiedliche Steuerschuldner handelt, die auch unterschiedliche Interessen verfolgen. Die FinVerw. könnte eine allgemeine Billigkeitsregelung schaffen, in der die zweimalige Besteuerung durch eine entsprechende Anwendung 166

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von § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG verhindert werden würde. Hier stellt sich aber die berechtigte Frage, ob die FinVerw. bei der Schaffung dieser allgemeinen Billigkeitsregelung ihren rechtlichen Rahmen überschreitet. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die FinVerw. eine Regelung schafft, nach der zwar beide Rechtsvorgänge der Grunderwerbsteuer unterworfen werden, aber immer dann, wenn dasselbe Grundstück im Zeitpunkt des sog. Signing und des sog. Closing erfasst wird, die Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG (sog. Signing) bei der Kapitalgesellschaft vorrangig ist. Das hätte zur Folge, dass die Besteuerung im Zeitpunkt des sog. Signing nach § 1 Abs. 3 GrEStG beim Erwerber grundstücksbezogen wieder rückgängig gemacht werden müsste. Dazu müsste man die jeweiligen Berichtigungsvorschriften der Abgabenordnung beachten oder die Grunderwerbsteuerbescheide im Zeitpunkt des Signing generell nach § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen. Diese Vorgehensweise hätte den Vorteil, dass ohne eine Gesetzesänderung alle vergangenen und zukünftigen Fälle von ihr erfasst werden würden. ME sollte die beabsichtigte Einmalbesteuerung des gesamten Vorgangs zunächst so vermieden werden. Zur Sicherheit sollte der Gesetzgeber in einem im Jahr 2022 sicherlich anstehenden Grunderwerbsteueränderungsgesetz eine sichere gesetzliche Regelung schaffen. c) Wie soll vorerst in der Praxis verfahren werden? In der Praxis zeichnet sich ab, dass die die von der FinVerw. angenommene (angebliche) Anteilsvereinigung infolge notarieller Beurkundung des Verpflichtungsgeschäfts betreffende Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bzw. Steuerfestsetzung durch einen Vorbehalt der Nachprüfung iSv. § 164 AO offengehalten werden muss. Mittelfristig wird wohl der Gesetzgeber durch Einführung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung sicherstellen, dass im Ergebnis eine Besteuerung nur nach § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG erfolgt, die nach Verwaltungsansicht zunächst gegebene Anteilsvereinigung beim sog. Closing jedoch wieder entfällt. Anteilserwerber und ggf. auch Anteilsverkäufer sollten vorsorglich schon das Verpflichtungsgeschäft (sog. Signing) anzeigen, dh. sie sollten im Hinblick auf diese neue Verwaltungsansicht beide Vorgänge – dh. sowohl das sog. Signing als auch das sog. Closing – beim zuständigen FA anzeigen.32 Auch sollten sie Regelungen im Anteilsübertragungsvertrag aufnehmen,

32 Wird das sog. Signing nicht angezeigt, drohen Verspätungszuschläge.

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aus denen sich klar ergibt, wer wirtschaftlich die Grunderwerbsteuer tragen soll.

IV. Kommt es, und wenn ja unter welchen Voraussetzungen kommt es zur Zurechnung von Grundstücken von Tochter-/Enkel-Gesellschaften zur Mutter-Gesellschaft im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a–3a GrEStG? 1. Verhältnis zwischen § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG in Beteiligungsketten In Beteiligungsketten-Fällen stellt sich, wenn 90 % der Anteile an der Ober-Gesellschaft auf neue Gesellschafter übertragen werden, die Frage, auf welcher Ebene Steuer nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG angefallen ist. Diese Fallkonstellationen lassen sich wie folgt veranschaulichen: Verkäufer

Käufer

Verkäufer

100 % 100 %

MutterGmbH 100 %

TochterGmbH

Käufer

Verkäufer

100 %

Käufer

100 %

100 %

Mutter-KG 100 %

TochterGmbH

Verkäufer

100 %

Käufer 100 %

100 %

MutterGmbH 100 %

Tochter-KG

Mutter-KG 100 %

Tochter-KG

In allen vier Fällen kann auf das Grundstück der Tochter-Gesellschaft nur einmal Steuer festgesetzt werden. Dazu, dass ein- und derselbe Lebenssachverhalt, dh. die Veräußerung der 100%igen Beteiligung an der Mutter-Gesellschaft vom Verkäufer an den Käufer, auf der Ebene beider Gesellschaften zum Anfall von Grunderwerbsteuer führt, darf es nicht kommen. Anderenfalls läge ein Verstoß gegen das Verbot der Übermaßbesteuerung vor.33 33 In Tz. 7 der gleich lautenden Ländererlasse v. 10.5.2022 wird ausgeführt, dass „§ 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 2b GrEStG gleichrangig sind und kein Vorrang besteht“. Im Zusammenhang mit Tz. 3 bedeutet dies nach der Lesart der obersten Finanzbehörden der Länder, dass in Beteiligungsketten-Fällen Grundstücke von Untergesellschaften von der FinVerw. tatsächlich für die Zwecke von § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG zugleich auch zum Vermögen der Ober-Gesellschaften gerechnet werden. Ob diese Regelung nach BFH v. 1.12.2021 – II R

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2. Auffassung Stefan Behrens Nach Auffassung von Stefan Behrens ist es in allen Fällen ausgeschlossen, das Grundstück der Tochter-Gesellschaft für die Zwecke von § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG zugleich auch als zum Vermögen der Mutter-Gesellschaft gehörend zu werten.34 Bei § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG geht es darum, das Grundstück einer fiktiv neuen Gesellschaft zuzurechnen. Es geht nicht darum, das Grundstück einem Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft zuzurechnen.35 Diese den Tatbeständen von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b zugrunde liegende Fiktion des Erwerbs der Gesellschaftsgrundstücke durch eine neue Gesellschaft muss auch für die Frage, welche Grundstücke zum Vermögen der Gesellschaft gehören, maßgebend sein. Eine Zurechnung der Tochter-Gesellschafts-Grundstücke zum Vermögen der Mutter-Gesellschaft auf der Grundlage von § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG ist im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG von vorherein und für alle Fälle ausgeschlossen.36 Nach Ansicht von Stefan Behrens ist daher in allen Fällen Steuer nur gegenüber der jeweiligen Tochter-Gesellschaft festzusetzen.

3. Auffassung Dirk Krohn Nach dem Wortlaut von Tz. 1.2 der gleich lautenden Länder-Erlasse vom 18.2.201437 vertrat die FinVerw. die Auffassung, dass „Grundstücke, die der Personengesellschaft nach § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen“ seien, ebenfalls zu ihrem Vermögen gehörten. Damit war gemeint, dass Grundstücke einer Tochter-Gesellschaft allein aufgrund mindestens (bis einschließlich 30.6.2021) 95%iger Beteiligung iSv. § 1 Abs. 3 GrEStG der Mutter-Gesellschafter an der Tochter-Gesellschaft auch zum Vermögen der Mutter-Personengesellschaft zuzurechnen seien. Hintergrund dieser

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44/18 (DB 2022, 1688) von der FinVerw. aufrecht gehalten werden kann, ist fraglich. Zu den Folgen dieser Rspr. vgl. Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1987. So zu § 1 Abs. 2a GrEStG bereits Behrens in Behrens/Wachter, GrEStG, 2018, § 1 Rz. 331 ff.; vgl. auch Brühl, FG München v. 24.10.2018 – 4 K 1101/15, GmbHR 2019, 199 (202). Vgl. BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777 = GmbHR 2002, 1086 (778 f.). AA allerdings Viskorf, DStR 2021, 74, der es für richtig hält, die Frage nach der Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Vermögen der Gesellschaft wegen der Identität des Gesetzeswortlauts für alle Ergänzungstatbestände nach denselben Kriterien zu beantworten. Vgl. BStBl. I 2014, 561.

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Regelung war die Entscheidung des BFH aus dem Jahr 1974. Ob ein Grundstück iSd. § 1 Abs. 3 GrEStG Baden-Württemberg zu dem Vermögen einer Gesellschaft gehört, richtet sich nicht danach, ob das Grundstück dieser Gesellschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt bewertungsrechtlich zuzurechnen war.38 In den Nachfolge-Erlassen vom 12.11.201839 änderte die FinVerw. den Wortlaut dieser Anweisung: In Tz. 3 heißt es hierzu nunmehr, dass ein Grundstück der Gesellschaft gehört, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Ein Grundstück gehört nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs iSv. § 1 Abs. 1, 3 oder 3a GrEStG war. Diese Formulierung, die ebenfalls der BFH-Rspr. entspricht,40 ersetzte zwar die bisherigen Formulierungen, wirdaber in der Praxis der FinVerw. nicht unterschiedlich ausgelegt. Die bisherige Praxis der Anwender in den Reihen der FinVerw. führt immer dann zur Zurechnung eines Grundstücks zur jeweiligen Obergesellschaft, wenn das jeweilige in § 1 Abs. 1, 3 oder 3a GrEStG erforderliche Quantum (bis 30.6.2021 95 %, ab 1.7.2021 90 %) erfüllt ist. Wann das Grundstück in der jeweiligen Tochtergesellschaft erworben wurde, spielt nach dieser Auslegung keine Rolle. Die Frage, ob ein Grundstück „auch“ einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist oder nicht, führt aber mE nicht zu einer doppelten Besteuerung auf der jeweiligen Ebene. Auch die Praxis der FinVerw. führt nicht zu einer doppelten Besteuerung, sondern nur zur Klärung der Frage, auf welcher Ebene das Grundstück der Grunderwerbsteuer, bezogen auf den verwirklichten Vorgang, zu unterwerfen ist. Sollte der BFH in den anhängigen Verfahren zum Ergebnis kommen, dass die Zurechnung des Grundstücks zur Obergesellschaft nur dann erfolgen kann, wenn das Grundstück im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs schon der Untergesellschaft zuzurechnen war, würde die Besteuerung des Grundstücks bei der Obergesellschaft entfallen. Aber

38 Vgl. BFH v. 18.9.1974 – II B 69/73, BStBl. II 1974, 751. 39 BStBl. I 2018, 1314. 40 Vgl. zB BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402 Rz. 18.

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da nun entweder eine mittelbare Anteilsübertragung bzw. -vereinigung bezogen auf die Tochtergesellschaft oder die Erfüllung des Bewegungstatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG gegeben ist, würde diese Besteuerung erfolgen. Aus Sicht der FinVerw. führt eine evtl. andere Auslegung der Zurechnungsregelung nur zur Besteuerung auf einer anderen Ebene.

4. Welche Auffassung soll bis zur Klärung dieser Rechtsfrage vorerst in der Praxis (etwa in Bezug auf die Erstattung von Grunderwerbsteuer-Anzeigen) zugrunde gelegt werden? Beim BFH ist unter dem Az. II R 44/18 die Revision gegen das Urteil des FG München vom 24.10.2018 anhängig. Zu klären ist die Frage, ob die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung des im zivilrechtlichen Eigentum einer Untergesellschaft stehenden Grundvermögens an deren OberGesellschaft voraussetzt, dass die Ober-Gesellschaft aufgrund eines früheren unter § 1 GrEStG fallenden Erwerbvorgangs als Erwerberin des Grundvermögens anzusehen ist. Ob der BFH diese Rechtsfrage tatsächlich in dem Verfahren II R 44/18 entscheiden wird, ist allerdings offen.

5. Anwendbarkeit der Verwaltungsansicht bei Grundstücksveräußerung innerhalb der Beteiligungskette? Dass die Ansicht, der Muttergesellschaft sei das TochtergesellschaftGrundstück allein aufgrund mindestens (seit 1.1.2021) 90%iger Beteiligung zuzurechnen, zu unlösbaren Folgefragen führt, veranschaulicht der Fall, in dem die Muttergesellschaft das ursprünglich von ihr erworbene Grundstück an ihre mindestens 90%ige Tochter-KG veräußert. Denn es erscheint ausgeschlossen, das von der Muttergesellschaft an die Tochter-KG veräußerte Grundstück auch anschließend noch als zum Vermögen der GmbH gehörend zu werten. Die Muttergesellschaft hat in Bezug auf dieses Grundstück als Verkäuferin einen GrunderwerbsteuerTatbestand dadurch verwirklicht, dass sie das Grundstück an die Tochter-KG verkauft bzw. in die Tochter-KG eingebracht hat.41

41 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402.

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Handelt es sich bei der Muttergesellschaft um eine Kapitalgesellschaft, endet die Anwendbarkeit von § 1 Abs. 2b GrEStG mit der Veräußerung ihres Grundstücks an ihre Tochter-KG. Erst mit unbedingt wirksamem Auflassungsanspruch der Tochter-KG beginnt der zeitliche Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG. Übergänge von Anteilen an der MutterKapitalgesellschaft vor und nach der Begründung des unbedingt wirksamen Auflassungsanspruchs können nicht zusammengerechnet werden.

V. Verhältnis zwischen § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG einerseits und § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG andererseits in Beteiligungsketten Bei § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG handelt es sich uE um zwei voneinander unabhängige Ergänzungstatbestände.42 Durch den heterogenen Formwechsel43 der grundbesitzenden Gesellschaft kann mithin die Anwendbarkeit des einen Ergänzungstatbestands beendet und der zeitliche Anwendungsbereich des anderen Ergänzungstatbestands eröffnet werden, ohne dass die Anteilsübergänge, die vor der Eintragung des Formwechsels erfolgt waren, mit den Anteilsübergängen, die nach der Eintragung des Formwechsels erfolgen, zusammengerechnet werden können.

VI. Einzelfragen zu § 1 Abs. 2b GrEStG 1. Zeitliche Anwendungsfragen Der neue Ergänzungstatbestand in § 1 Abs. 2b GrEStG ist gem. § 23 Abs. 18 GrEStG „erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden“. Gemäß § 23 Abs. 23 GrEStG „bleiben bei der Anwendung von § 1 Abs. 2b Übergänge von Anteilen der Gesellschaft, die vor dem 1.7.2021 erfolgen, unberücksichtigt“. Unberücksichtigt bleiben Übergänge von Anteilen sowohl unmittelbar an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft als auch mittelbare Anteilsübergänge, dh. Übergänge von Anteilen an Gesellschaften, die ihrerseits einen Anteil an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft halten. Auch wirtschaftliche Anteilsübergänge, die ausschließlich auf schuldrechtlichen Vereinbarungen beruhen, werden im Anwendungs-

42 Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624 (1628 f.). 43 Formwechsel von der Personen- in die Kapitalgesellschaft und umgekehrt.

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

bereich von § 1 Abs. 2b GrEStG nur berücksichtigt, wenn die schuldrechtlichen Vereinbarungen nach dem 30.6.2021 geschlossen werden. Einverständnis in Bezug auf die Auslegung von § 23 Abs. 23 GrEStG besteht insoweit, als alle Gesellschafter, die am 30.6.2021 24 Uhr/1.7.2021 0.00 Uhr an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind, auf der jeweiligen Beteiligungsebene sog. AltGesellschafter sind.44

2. Auslegung von § 1 Abs. 2b GrEStG entsprechend der Auslegung von § 1 Abs. 2a GrEStG? Es ist davon auszugehen, dass die FinVerw. § 1 Abs. 2b GrEStG ebenso auslegen wird wie § 1 Abs. 2a GrEStG. Ein unmittelbarer Anteilsübergang liegt danach vor, wenn ein Anteil dinglich wirksam auf einen anderen Rechtsträger übergeht, ohne dass es auf wirtschaftliche Aspekte ankommt. Ob ein mittelbarer Anteilsübergang vorliegt, entscheidet sich allein in wirtschaftlicher Betrachtung. Auch wenn eine bisher unmittelbar an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft abwärts auf die grundbesitzende Kapitalgesellschaft oder aufwärts auf ihren einzigen oder einen ihrer Gesellschafter verschmolzen wird, liegt nach Auffassung der FinVerw. ein tatbestandsmäßiger Übergang des Anteils an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf einen neuen Gesellschafter vor. Denn der bisher nur mittelbar über die verschmolzene Kapitalgesellschaft an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft Beteiligte könne – so die FinVerw. – kein sog. Altgesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft sein. Im folgenden Beispiel fällt nach Ansicht der FinVerw. mithin nach § 1 Abs. 2b GrEStG Steuer auf der Ebene der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft an, unabhängig davon, ob die unmittelbar an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft abwärts oder aufwärts verschmolzen wird:

44 Vgl. gleich lautende Länder-Erlasse zu den Übergangsregelungen v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, Beispiel 10.

173

Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

Ausgangsstruktur:

Nach 30.06.2021:

V

V

100 %

100 %

H-GmbH

H-GmbH

100 %

100 %

T-GmbH

T-GmbH 100 %

G-GmbH

Abwärtsverschmelzung

[ebenso: Aufwärtsverschmelzung der T-GmbH auf die H-GmbH]

100 %

G-GmbH

Im Rahmen von § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG unschädliche Verkürzung der Beteiligungskette Ab 01.07.2021: § 1 Abs. 2b GrEStG + (100 %iger Wechsel des unmittelbaren Gesellschafters)

3. Auffassung Stefan Behrens betr. Beispiel Nach den Gesetzesmaterialien soll es sich bei § 1 Abs. 2b GrEStG um eine typisierende Missbrauchsverhinderungsvorschrift handeln.45 Im Beispiel ist nicht ersichtlich, dass die objektive Möglichkeit einer missbräuchlichen Gestaltung besteht. Auch über eine Kapitalgesellschaft an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft Beteiligte können sog. Altgesellschafter iSv. § 1 Abs. 2b GrEStG mit der Folge sein, dass ihr erstmaliger Erwerb eines Anteils an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft kein unter den Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG fallender Erwerb durch einen sog. neuen Gesellschafter ist. Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich nicht, dass die Frage der Klassifizierung als sog. Alt- oder sog. Neugesellschafter auf jeder Ebene der Kapitalgesellschafts-BeteiligungsKette separat zu beantworten ist.46 45 Allerdings deckt § 1 Abs. 2b GrEStG (ebenso wie Abs. 2a GrEStG) nicht hinreichend zielgenau den „typischen Missbrauchsfall“ ab, was im Rahmen dieses Beitrags nicht diskutiert werden soll. 46 Ebenso, allerdings in Bezug auf eine andere Fallkonstellation, Nds. FG v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, juris, Leitsatz: „Ein ‚Altgesellschafter‘ der grundbesitzenden Personengesellschaft kann nicht als neuer Gesellschafter im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG qualifiziert werden“; Rev. beim BFH unter II R 28/21.

174

Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

4. Auffassung Dirk Krohn betr. Beispiel Die Fragen zur Alt- und Neugesellschafterstellung sind nach den Grundsätzen auszulegen, die zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG entwickelt wurden. Nur Kapitalgesellschaften selbst können unmittelbare oder mittelbare Alt- oder Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende Kapitalgesellschaft sein, deren Gesellschafter jedoch nicht. Eine als Altgesellschafterin geltende unmittelbar oder mittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft wird nach § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG in vollem Umfang zur fiktiven Neugesellschafterin, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an ihr unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 90 % ändern. Dies gilt unabhängig davon, ob die Änderung der Beteiligungsverhältnisse bei der Kapitalgesellschaft den Tatbestand des § 1 Absatz 3 GrEStG erfüllen würde. Die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft sind nur in Bezug auf die Kapitalgesellschaft, an der sie unmittelbar beteiligt sind, Alt- oder Neugesellschafter, nicht jedoch in Bezug auf die grundbesitzende Kapitalgesellschaft. Bezogen auf das Beispiel ist also die T-GmbH als Altgesellschafter bezogen auf die grundbesitzende G-GmbH anzusehen und die H-GmbH ist Altgesellschafterin bezogen auf die T-GmbH. Die H-GmbH ist aber nicht als Altgesellschafterin der grundbesitzenden G-GmbH anzusehen. Wenn nun die T-GmbH downstream auf die grundbesitzende G-GmbH verschmilzt, wird die H-GmbH unmittelbare Anteilseignerin der G-GmbH und der Vorgang löst Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG bei der G-GmbH aus, weil mindestens 90 % auf neue Anteilseigner innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren übergegangen sind. Dasselbe Ergebnis tritt ein, wenn die T-GmbH upstream auf die H-GmbH verschmilzt, weil auch in diesem Fall die H-GmbH Neugesellschafterin der grundbesitzenden G-GmbH wird.

VII. Sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG Neu eingefügt worden ist mit Wirkung ab 1.7.2021 sowohl für § 1 Abs. 2a GrEStG als auch für § 1 Abs. 2b GrEStG eine Börsenklausel als neuer Abs. 2c von § 1 GrEStG: Danach bleiben Übergänge von Anteilen an Kapitalgesellschaften für die Erreichung der 90 %-Quote außer Betracht, wenn –

die Anteile der Gesellschaft in einem im Inland, in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat betriebenen organisierten Markt nach § 2 Abs. 11 175

Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

WpHG zum Handel zugelassen sind (zB im Prime Standard oder General Standard der Frankfurter Börse, nicht jedoch im Open Market oder Scale-Segment für Wachstumsaktien), soweit –

der Anteilsübergang aufgrund eines Geschäfts an diesem Markt oder einem multilateralen Handelssystem (MTF) iSd. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 VO (EU) Nr. 600/2014 [MIFID II/MIFIR] erfolgt.

Entsprechendes gilt auch für von der EU-Kommission gem. Art. 25 Abs. 4 Buchst. a RL 2014/65/EU für gleichwertig erklärte Drittlandhandelsplätze. Als solche Drittlandhandelsplätze sind derzeit jedoch nur Handelsplätze in den USA, in Hong Kong, in Australien und in Singapur erfasst, bisher jedoch nicht zB in Großbritannien und in der Schweiz. Trotz der Nennung nur des jeweiligen Satzes 1 von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG in § 1 Abs. 2c GrEStG gilt die Börsenklausel uE auch für mittelbare Anteilsübergänge betr. grundbesitzende Tochter-, Enkeletc., Gesellschaften der börsennotierten AG/KGaA. Diese mittelbaren Anteilsübergänge sind ebenfalls im jeweiligen Satz 1 von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG erfasst. Die Sätze 2–5 von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG definieren nur die hierfür anwendbare Systematik. Der Verweis auf diese Sätze in § 1 Abs. 2c GrEStG ist daher für die Anwendbarkeit der Börsenklausel in diesen Fällen nicht erforderlich. Anderenfalls hätte die Börsenklausel für § 1 Abs. 2a GrEStG keinen Anwendungsbereich und griffe auch bei § 1 Abs. 2b GrEStG zu kurz, was vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung nicht beabsichtigt ist. Nicht vom Tatbestand in § 1 Abs. 2a bzw. § 1 Abs. 2b GrEStG ausgenommen sind (vorbehaltlich einer Überprüfung der im Einzelfall durchgeführten Rechtsgeschäfte) Anteilsübergänge im Rahmen von –

IPOs47



Begebung neuer Aktien bei Kapitalerhöhungen48



Wertpapierleihen und Wertpapierpensionsgeschäft



Systematische Internalisierung nach MiFID II (Matchen von Verkaufs- und Kaufordern des Kunden desselben WP-Dienstleistungsunternehmens, Verpflichtung zur Best Execution),

47 Die Aktien werden von Bankenkonsortien übernommen und an die Investoren/ggf. neue Aktionäre ausgereicht. 48 Die Aktien werden von Bankenkonsortien übernommen und an die Investoren/ggf. neue Aktionäre ausgereicht.

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obwohl es sich um standardisierte Vorgänge handelt, die nicht auf die Vermeidung von Grunderwerbsteuer ausgerichtet sind. Die Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG ist auf alle offenen Fälle anzuwenden49. Für die grundbesitzende Gesellschaft kann diese rückwirkende Anwendung der Börsenklausel auf alle offenen Fälle jedoch nachteilig sein, und zwar dann, wenn es für die grundbesitzende Personengesellschaft im Einzelfall günstiger ist, am 30.6.2021 24 Uhr die 90 %-Schwelle iSv. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG schon erreicht zu haben. In diesen Fällen scheidet eine rückwirkende Anwendung der sog. Börsenklausel wegen des Rückwirkungsverbots aus.50

VIII. Feststellungslast der Finanzverwaltung: Wie weit gehen die Mitwirkungspflichten der grundbesitzenden Gesellschaft im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG? Die Verfahrensherrschaft liegt gem. §§ 85 ff. AO beim FA (Grunderwerbsteuerstelle). Für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen von § 1 Abs. 2b GrEStG (und auch § 1 Abs. 2a GrEStG) trägt im Grundsatz die FinVerw. die sog. Feststellungslast. Die Unerweislichkeit steuerbegründender Tatsachen geht mithin grundsätzlich zu Lasten des FA.51 Die Beteiligten, dh. hier die grundbesitzende Gesellschaft als potenziell Stpfl., ist gem. § 90 Abs. 1, Abs. 2 AO zur unaufgeforderten Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung verpflichtet. Die Mitwirkungspflichten sind allerdings gem. § 90 Abs. 1, Abs. 2 AO auf das Mögliche, Zumutbare und Verhältnismäßige begrenzt. Was im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2b GrEStG an Mitwirkungsmaßnahmen von den grundbesitzenden Kapitalgesellschaften verlangt werden wird, ist unklar. Nach unserer Einschätzung sollte zumindest in Bezug auf die folgenden Punkte Rechtssicherheit bestehen:

49 Vgl. Tz. 1 der gleich lautenden Länder-Erlasse zu den Übergangsregelungen vom 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006. 50 Im Rahmen dieses Beitrags nicht zu diskutieren ist die Vereinbarkeit mit EUBeihilferecht und mit Art. 3 GG. 51 Demgegenüber geht die Unerweislichkeit steuerbefreiender oder steuermindernder Tatsachen grundsätzlich zu Lasten des Stpfl.; vgl. BFH v. 15.2.1989 – X R 16/86, BStBl. II 1989, 462 Tz. 13; v. 5.11.1970 – V R 71/67, BStBl. II 1971, 220 (224).

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes



Eine Nachverfolgung konzernexterner mittelbarer Anteilsübergänge kann nicht verlangt werden.52



Auskunftsersuchen an Gesellschafter in Bezug auf deren Gesellschafter sind nicht zumutbar, weil es sich um unverbindliche Bitten um Auskunft handeln würde. Nach in der Literatur zu § 8c KStG vertretener Ansicht sind die Identifizierung von Beteiligungsketten und Veränderungen darin von der Pflicht nach § 90 Abs. 1, Abs. 2 AO zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung nicht erfasst. Über gesetzliche Meldepflichten hinaus, deren Erfüllung durch die betroffenen Gesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft die Beschaffung von Informationen über unmittelbare Anteilsübergänge – allerdings nur sehr eingeschränkt – ermöglicht, fehlt es nach in der Literatur zu § 8c KStG geäußerter Auffassung regelmäßig am juristischen Zugang zu Informationen über Anteilsübergänge.53 In Bezug auf § 1 Abs. 2b GrEStG gilt dies entsprechend.



Zudem wird in der Literatur54 anerkannt, dass sich aus der schlichten Zahl der gehandelten Aktien innerhalb eines beliebigen Zeitraums keine Aussagen dazu ableiten lassen, ob ein Wechsel von mindestens 90 % der Anteilseigner auf neue Gesellschafter stattgefunden hat55.



Selbst die nach der zweiten Aktionärsrechte-Richtlinie geplanten (und mittlerweile umgesetzten) Transparenzregelungen56 würden es

52 Vgl. Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2015, § 8c Rz. 64: Die Möglichkeit, Beweisvorsorge zu treffen, „findet aber dort seine Grenzen, wo die betreffenden Informationen außerhalb des unmittelbaren Kenntnisbereichs der Geschäftsführung der KapGes. liegen. Beispielhaft wären hier Anteilserwerbe auf (ggf. weit entfernter) mittelbarer Ebene zu nennen“. 53 Vgl. Roser in Gosch, AO/FGO, § 90 AO Rz. 46; Kraft/Kraft, FR 2011, 841; Suchanek/Jansen, GmbHR, 2009, 412. 54 Happel (tätig in der Bundesbetriebsprüfung beim BZSt in Bonn), DStR 2021, 1193 (1197). 55 Protokoll-Nr. 19/53, Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung vom 14.10.2019 im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags, Stellungnahme von StBin Dr. Janine von Wolfersdorff, Seite 9: „Die Immobilien besitzende Gesellschaft muss zur Erfüllung des neu geplanten Ergänzungstatbestands für Kapitalgesellschaften also nicht nur über namentliche Gesellschafterlisten verfügen, sie muss auch im Einzelnen zwischen Alt- und Neugesellschaftern unterscheiden können.“ 56 Deutsche börsennotierte Gesellschaften haben nach § 67d AktG das Recht, von den Verwahrern der Aktien Informationen über die Identität ihrer Aktionäre zu verlangen. Börsennotierte AGs und KGaAs können auf diesem Weg durch

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nicht ermöglichen, mittelbare Vorgänge hinter dem unmittelbar an der Gesellschaft beteiligten Rechtsträger zu erfassen. UE ermöglichen sie auch nicht in zumutbarer Weise die zeitnahe Nachverfolgung im unmittelbaren Aktionärskreis. –

Schätzungen sind unzulässig, wenn dadurch die Steuerbarkeit erst begründet würde.57 Deshalb ist es grundsätzlich unzulässig, Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter zu schätzen. Insbesondere dürfen FÄ nicht unter Verweis auf statistische Daten davon ausgehen, dass sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Gesellschaft zu mindestens 90 % durch Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter änderte und folglich § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht wurde.58

Abfragen der einzelnen Kettenglieder in der Intermediärskette nach und nach bis zum Letzt-Intermediär vorstoßen, auch wenn dies für den Normalfall sehr aufwendig sein dürfte; vgl. BT-Drucks. 19/9739 v. 29.4.2019, Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechte-Richtlinie (ARUG II), S. 66. Im am 8.6.2021 im BGBl. I 2021, 1259, verkündeten Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz) vom 2.6.2021 wird mit Wirkung ab 1.1.2025 eine Regelung in § 45b Abs. 9 EStG in das EStG eingefügt werden, wonach inländische börsennotierte Gesellschaften gem. § 67d AktG Informationen über die Identität ihrer Aktionäre zum Zeitpunkt ihres Gewinnverteilungsbeschlusses zu verlangen und die ihnen übermittelten Informationen elektronisch nach Maßgabe des § 93c AO unverzüglich elektronisch an das BZSt zu übermitteln haben. 57 In der Literatur wird allerdings auf das Risiko hingewiesen, dass eine Schätzung von Anteilsübergängen erfolgen könnte; zu § 1 Abs. 2a GrEStG vgl. Heine, UVR 2010, 28 (30); zu § 8c KStG vgl. Suchanek/Jansen, GmbHR 2009, 412 (414). 58 Im Gesetzgebungsverfahren zum GrEStÄndG v. 12.5.2021 wurde in der Stellungnahme der acht Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft v. 7.10.2019 darauf hingewiesen, dass das schlichte Handelsvolumen bei im DAX notierten Unternehmen regelmäßig bereits nach etwas über einem Jahr die Schwelle von 90 % des jeweiligen Gesamtkapitals überschreite, daraus jedoch keine Rückschlüsse möglich wären, ob damit auch ein tatsächlicher Wechsel von mehr als 90 % der Anteilseigner verbunden ist; vgl. Anlage 2 zum Wortprotokoll der 53. Sitzung des BT-Finanzausschusses v. 14.10.2019, Protokoll-Nr. 19/53, S. 41.

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IX. Verhältnis zwischen § 23 Abs. 18 und § 23 Abs. 24 GrEStG 1. Verlängerung der Mindest-Halte-Fristen in §§ 5, 6 GrEStG a) Gesetzesänderung ab 1.7.2021 Nach Übergang eines Miteigentumsanteils oder des Alleineigentums an einem Grundstück von einem Gesamthänder auf die Gesamthand bleibt die für diesen Übergang nach § 5 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GrEStG gewährte Begünstigung nur dann endgültig erhalten, wenn sich der Anteil des übertragenden Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand innerhalb von bisher fünf, ab dem 1.7.2021 zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand nicht vermindert.59 Gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG gilt Entsprechendes für Grundstücksübertragungen zwischen Schwester-Gesamthandsgemeinschaften, soweit sich der Anteil des betreffenden an beiden Gesamthandsgemeinschaften beteiligten Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von bisher fünf, ab 1.7.2021 zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere Gesamthand nicht vermindert. Im Fall der Begünstigung von Grundstücksübertragungen zwischen Schwester-Gesamthandsgemeinschaften gilt die Begünstigung zudem gem. § 6 Abs. 4 GrEStG insoweit nicht, als –

[bis 30.6.2021 gültige Fassung] ein Gesamthänder – im Fall der Erbfolge sein Rechtsvorgänger – innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat, bzw.

59 Nach den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.11.2018 zu §§ 5, 6 GrEStG, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 6, beginnt die Fünfjahresfrist „mit dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs iSv. § 23 GrEStG für den Erwerbsvorgang. Die Fristberechnung richtet sich nach §§ 186 ff. BGB.“ Als Verminderung des Anteils des übertragenden Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand wird die Aufgabe, die Übertragung oder ein sonstiger Verlust bzw. eine Verminderung in dinglicher Hinsicht verstanden, dh. nicht schon die Begründung einer Verpflichtung zur Aufgabe, Übertragung etc. oder Verminderung des Anteils am Vermögen der Gesamthand; vgl. zB Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 80 ff.; Gottwald/Behrens/Böing/Seemaier, GrESt.Handbuch6, Kap. 4, S. 301 Tz. 17; Hofmann, GrEStG11, § 5 Rz. 16.

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[seit dem 1.7.2021 geltende Fassung] –

ein Gesamthänder – im Fall der Erbfolge sein Rechtsvorgänger – innerhalb von zehn Jahre vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat oder



die vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Auflösung der Gesamthand vereinbart worden ist oder



bei einem Erwerbsvorgang iSd. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 oder Abs. 3a der Erwerber – im Fall der Erbfolge sein Rechtsvorgänger – innerhalb von 15 Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil am Vermögen der Personengesellschaft erstmals durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat, es sei denn, einer der Erwerbe der Anteile am Gesellschaftsvermögen durch diesen Erwerber – im Fall der Erbfolge durch seinen Rechtsvorgänger – hat zu einem steuerpflichtigen Erwerbsvorgang iSd. § 1 Abs. 2a GrEStG geführt.

b) Zeitlicher Anwendungsbereich der Haltefristverlängerungen in §§ 5, 6 GrEStG nF Gemäß § 23 Abs. 18 GrEStG nF sind § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 GrEStG nF erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. § 23 Abs. 24 GrEStG nF regelt eine Ausnahme dazu: Danach sind § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 GrEStG nF entgegen der grundsätzlichen Regelung in § 23 Abs. 18 GrEStG nF nicht anzuwenden, wenn die in § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 in der am 30.6.2021 geltenden Fassung geregelte Frist vor dem 1.7.2021 abgelaufen war.

2. Zeitlicher Anwendungsbereich der Verlängerung der Mindest-Nachbehaltens-Fristen Auf den ersten Blick scheint es, als ob § 23 Abs. 24 GrEStG nF als Ausnahmeregelung in allen Fällen von § 23 Abs. 18 GrEStG, soweit § 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 GrEStG nF betroffen sind, zur Anwendung gelangen soll. Dem entspricht auch die Gesetzesbegründung vom 23.9.201960 zu § 23 Abs. 24 GrEStG nF: Denn diese deutet uE darauf hin, 60 Vgl. BT-Drucks. 19/13437 v. 23.9.2019 betr. Gesetzentwurf der Bundesregierung (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des GrEStG).

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dass ihre Autoren ursprünglich davon ausgingen, dass am 31.12.2019/ 1.1.2020 noch laufende Nachbehaltens-Fristen durch das GrEStÄndG von fünf auf zehn Jahren verlängert würden. In der Gesetzesbegründung zu § 23 Abs. 17 GrEStG [im GrEStÄndG vom 12.5.2021: § 23 Abs. 18 GrEStG] war zudem ohne Differenzierung zwischen Nach- und Vorbehalte-Fristen ausgeführt worden, dass „die Verlängerung von Fristen (§ 1 Abs. 2a Satz 1, § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 und § 7 Abs. 3 GrEStG) … grundsätzlich auch Bedeutung für Rechtsvorgänge der Vergangenheit“ habe.61 Auf den zweiten Blick jedoch ist die Verlängerung der Mindest-Nachbehaltens-Fristen in Fällen, in denen der Erwerbsvorgang vor dem 1.7.2021 verwirklicht worden war, in allen Fällen, und zwar auch wenn die fünfjährige Mindest-Nachbehaltens-Frist am 30.6./1.7.2021 noch nicht abgelaufen war, nicht einschlägig.

3. Keine Verlängerung am 30.6./1.7.2021 noch laufender Nachbehaltens-Fristen a) Rangverhältnis zwischen § 23 Abs. 18 und § 23 Abs. 24 GrEStG nF Gemäß § 23 Abs. 18 GrEStG nF sind § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 7 Abs. 3 GrEStG nF erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. aa) Auffassung Stefan Behrens Der Begriff „Erwerbsvorgänge“ meint die Tatbestände in § 1 GrEStG, nicht jedoch solche Vorgänge, die selbst nicht steuerbar sind und „nur“ zur Nicht-Wahrung einer noch laufenden Mindest-Nachbehaltens-Frist führen. In allen Fällen, in denen solche Mindest-Nachbehaltens-Fristen am 30.6./1.7.2021 noch laufen, war der maßgebende Erwerbsvorgang vor dem 1.7.2021 verwirklicht worden. § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG nF sind daher bei am 30.6./1.7.2021 bereits laufender Nachbehaltens-Frist nicht anwendbar. Das heißt, wenn die betreffende fünfjährige Mindest-Nachbehaltens-Frist am 30.6./1.7.2021 noch lief, kam bzw. kommt es aufgrund der Regelung in § 23 Abs. 18 GrEStG nF zu kei-

61 Für § 7 Abs. 3 GrEStG gilt dasselbe wie für § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG.

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ner Verlängerung dieser Frist auf zehn Jahre.62 Nach Ablauf von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Verwirklichung des maßgebenden Erwerbsvorgangs, der wie ausgeführt vor dem 1.7.2021 liegt, kann also auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts der betreffende Gesamthänder einen Anteil am Vermögen der Gesamthand vermindern, ohne dass ein sog. rückwirkendes Ereignis iSv. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vorliegt,63 das zur nachträglichen Festsetzung von Grunderwerbsteuer auf den vor dem 1.7.2021 verwirklichten Erwerbsvorgang führt. bb) Auffassung Dirk Krohn Aus Sicht von Dirk Krohn ist mit der Regelung im § 23 Abs. 24 GrEStG der Wille des Gesetzgebers klar zu erkennen. Eine Ausnahmeregelung zur Verlängerung der fünfjährigen Nachbehaltensfrist auf eine zehnjährige Nachbehaltensfrist für die Fälle, bei denen am 30.6.2021 die „alte“ fünfjährige Nachbehaltensfrist schon abgelaufen war, macht keinen Sinn, wenn für alle vor dem 1.7.2021 ausgelösten Nachbehaltensfristen eine Verlängerung ausgeschlossen wäre. Somit ist nach Auffassung von Dirk Krohn in jedem Fall, der nicht unter die Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 24 GrEStG fällt, von einer Verlängerung einer am 1.7.2021 noch laufenden Nachbehaltensfrist um weitere fünf Jahre auszugehen. b) Beispielsfall Am 30.6.2018 übertrug der zu 50 % an der KG gesamthänderisch beteiligte X ein bisher in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück auf die KG. Die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG angefallene Grunderwerbsteuer wurde gem. § 5 Abs. 2 GrEStG iHv. 50 % nicht erhoben. Am 15.7.2023 überträgt X eine 50%ige gesamthänderische Beteiligung an der KG auf Y.

62 Vgl. Behrens/Seemaier, UVR 2021, 348. 63 Die Anteilsverminderung stellt nach Verwaltungsansicht ein rückwirkendes Ereignis iSd. § 175 Abs. 2 Satz 1 AO dar, das den ursprünglichen Entstehungszeitpunkt der Grunderwerbsteuer für die Grundstücksübertragung unberührt lässt. Die Grunderwerbsteuer ist somit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 AO rückwirkend für das Jahr der Grundstücksübertragung festzusetzen. Vgl. gleich lautende Länder-Erlasse zu §§ 5, 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334.

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30.06.2018

15.07.2023

X

Y

X 50 % 50 %

KG

Die Fünf-Jahres-Frist i.S.v. § 5 Abs. 3 GrEStG a.F. läuft erst am 30.06.2023 ab.

50 %

KG

Ist die Fünf-Jahres-Frist am 30.06./01.07.2021 gemäß § 23 Abs. 24 GrEStG auf zehn Jahre verlängert worden?

Die am 15.7.2023 erfolgende Verminderung des Anteils des X am Vermögen der KG von 50 % auf 0 % löst auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts von § 23 Abs. 18 GrEStG, weil der relevante Erwerbsvorgang bereits am 30.6.2018 und damit vor dem 1.7.2021 verwirklicht worden war, keine nachträgliche Festsetzung von Grunderwerbsteuer auf den Grundstücksübergang am 30.6.2018 aus. Denn die fünfjährige Nachbehaltensfrist iSv. § 5 Abs. 3 GrEStG aF lief am 30.6.2023 ab. Nach Auffassung der FinVerw. jedoch soll die am 30.6./1.7.2021 noch laufende fünfjährige Mindest-Nachbehaltensfrist durch die Gesetzesänderung auf zehn Jahre verlängert worden sein.64 Würde sich diese Ansicht vor den Gerichten durchsetzen, würde die Übertragung des 50%igen Anteils an der KG von X auf Y am 15.7.2023 zur nachträglichen Erhebung von Grunderwerbsteuer auf den Erwerbsvorgang vom 30.6.2018 führen. Denn eine zehnjährige Nachbehaltensfrist würde im Beispielsfall erst am 30.6.2028 ablaufen.

64 In den gleich lautenden Länder-Erlassen vom 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, wird hierzu allerdings nicht Stellung genommen.

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

c) Verfahrensrechtliche Aspekte FÄ (Grunderwerbsteuerstellen) versenden derzeit Schreiben an betroffene Stpfl., um darauf hinzuweisen, dass die in den ursprünglichen Bescheiden enthaltenen Ausführungen, dass die Steuervergünstigung soweit nicht anzuwenden sei, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des inländischen Grundstücks auf die Gesamthand vermindert, und dass Änderungen gem § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG dem FA anzuzeigen seien, dahingehend geändert werde, dass sich die betreffende Nachbehaltensfrist durch das GrEStÄndG vom 12.5.2021 auf zehn Jahre verlängert habe. Diese Verlängerung gelte für alle Sachverhalte, für die die bisherige fünfjährige Frist vor dem Stichtag 1.7.2021 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die FÄ verweisen ausdrücklich auf § 23 Abs. 18 und 24 GrEStG. Es kommt in Betracht, vorsorglich gegen ein solche Schreiben Einspruch einzulegen werden. Zwar haben diese Schreiben das äußerliche Erscheinungsbild bloßer Informationsschreiben. Jedoch ist argumentierbar, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Einzelfallregelung mit Außenwirkung iSv. § 118 AO erfüllt sind, wenn das FA in dem Schreiben auf einen ganz bestimmten, vor dem 1.7.2021 verwirklichten Erwerbsvorgang Bezug nimmt und für diesen ganz bestimmten Erwerbsvorgang anordnet, dass sich die am 30.6./1.7.2021 noch laufende Nachbehaltensfrist von fünf auf zehn Jahre verlängert hat. Durch die Einlegung von Einsprüchen kann ggf. zumindest im Verhältnis zwischen Stpfl. und FA eine Klarstellung herbeigeführt werden, dass diese Schreiben keine Bindungswirkung entfalten. Der Hinweis auf § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG ist in Feststellungs- oder Grunderwerbsteuer-Bescheiden häufig unter der Überschrift „Erläuterungen“ enthalten. In Betracht kommt die rechtlich-qualitative Gleichstellung der derzeit von FÄ versandten Schreiben mit dem Hinweis auf die angebliche Verlängerung der Fünf-Jahres-Frist auf zehn Jahre mit diesem im ursprünglichen Feststellungs- bzw. Grunderwerbsteuer-Bescheid enthaltenen Hinweis. Auf dieser Grundlage kann Rechtssicherheit in Fällen, in denen der Anteil des übertragenden Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand zu einem Zeitpunkt vermindert werden soll, in dem zwar bereits die ursprüngliche Fünf-Jahres-Frist, jedoch noch nicht die (nach dem Gesetzeswortlaut von § 23 Abs. 18 GrEStG hier gar nicht einschlägige) Zehn-Jahres-Frist abgelaufen ist, vorab nur durch Erhebung einer Feststellungsklage erlangt werden. Sofern keine Rechtssicherheit vorab durch Feststellungsklage erreicht werden kann, sollte die (von der 185

Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

FinVerw. behauptete) Verlängerung der bisherigen Fünf-Jahres-Frist auf zehn Jahre beachtet werden. In solchen Fällen, in denen der Anteil am Vermögen der Gesamthand nach Ablauf der Fünf-, aber vor Ablauf der Zehn-Jahres-Frist vermindert wird, kommt, wenn das zuständige FA (Grunderwerbsteuer) tatsächlich in Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nachträglich Grunderwerbsteuer festsetzt, die Einlegung von Rechtsbehelfen in Betracht.

4. Verlängerung der Mindest-Vorbehaltensfrist iSv. § 6 Abs. 4 GrEStG a) Grundsatz § 23 Abs. 24 GrEStG nF ist nach dem Gesetzeswortlaut von § 23 Abs. 18 GrEStG also nur für Fälle der sog. bisher fünfjährigen, ab 1.7.2021 zehnund in einem Spezialfall 15jährigen Mindest-Vorbehaltensfrist iSv. § 6 Abs. 4 GrEStG relevant. Denn der Erwerbsvorgang, für den die MindestVorbehaltensfrist iSv. § 6 Abs. 4 GrEStG nF Bedeutung hat, wird erst nach dem 30.6.2021 verwirklicht. Gemäß § 23 Abs. 18 GrEStG nF ist daher im Fall der Verwirklichung des relevanten Erwerbsvorgangs im Grundsatz § 6 Abs. 4 GrEStG nF auf die am 30.6./1.7.2021 noch laufende Vorbehaltensfrist anwendbar. b) Vor- oder Rückrechnung der Mindest-Vorbehaltens-Frist iSv. § 6 Abs. 4 GrEStG Bei Anwendung von § 23 Abs. 24 GrEStG nF in Fällen, in denen der relevante Erwerbsvorgang nach dem 30.6.2021 verwirklicht worden ist bzw. wird, könnte theoretisch fraglich sein, ob die bisherige fünfjährige Mindest-Vorbehaltens-Frist vom Beginn des Haltens des Anteils am Vermögen der Gesamthand, in dessen Höhe die Nicht-Erhebung nach § 6 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 1 GrEStG geltend gemacht wird, zu rechnen ist oder vom Zeitpunkt der Verwirklichung des relevanten Erwerbsvorgangs aus in die Vergangenheit gerichtet. Hätte § 23 Abs. 24 GrEStG nF in Bezug auf die Mindest-Vorbehaltens-Frist iSv. § 6 Abs. 4 GrEStG keinen Anwendungsbereich, weil dann diese Frist, bei der der Erwerbsvorgang nach dem 30.6.2021 verwirklicht wird, am 30.6./1.7.2021 noch nicht abgelaufen sein kann.

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes Beispiel: Ursprünglich ist V alleiniger Kommanditist mit einem Vermögensanteil von 100 % an der grundbesitzenden KG und zudem auch alleiniger Gesellschafter ihrer vermögensmäßig zu 0 % beteiligten Komplementär-GmbH. Am 30.6.2016 veräußert und überträgt V 94,9 % der Anteile an der KG und an der Komplementär GmbH an K. Am 15.7.2021 überträgt V seine restlichen jeweils 5,1 %, so dass K Alleingesellschafter der grundbesitzenden GmbH & Co. KG wird.

V

K 91 %

bis 30.06.2016: 100 % am 30.06.2016: ./. 94,9 % am 15.07.2021: ./. 5,1 % = 0%

Kompl.-GmbH

94,9 % ab 30.06.2016 + 5,1 % ab 15.07.2021 = 100 %

0%

KG

Weil 94,9 % der Anteile bereits vor dem 1.7.2021 auf neue Gesellschafter übergegangen waren, der neue Gesellschafter K jedoch nicht spätestens mit Ablauf des 30.6.2021 sog. Alt-Gesellschafter geworden ist, scheidet die Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG gem. § 23 Abs. 20 Satz 1 GrEStG aus. § 1 Abs. 2a GrEStG aF ist nicht verwirklicht, weil die Fünf-Jahres-Frist am 15.7.2021 bereits abgelaufen ist; am 15.7.2021 wird jedoch § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG aF gem. § 23 Abs. 21 GrEStG verwirklicht. In Höhe von 5,1 % steht die Nicht-Erhebungsvorschrift nach § 6 Abs. 2 GrEStG nicht zur Verfügung, weil K den 5,1%igen Anteil erst zum Zeitpunkt der Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG erwirbt. Für die Frage, ob die Steuer iHv. 94,9 % unerhoben bleibt, kommt es darauf an, ob die Mindest-VorbehaltensFrist iSv. § 6 Abs. 4 GrEStG erfüllt ist. Ist bereits die neue 15jährige Mindest-Vorbehaltens-Frist iSv. § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG nF anwendbar, scheidet die Nicht-Erhebung iHv. 94,9 % aus. Ist § 6 Abs. 4 GrEStG noch in der Altfassung, dh. die Anwendung der alten Fünf-Jahres-Frist anwendbar, bleibt die Steuer, weil K am 15.7.2021 schon seit mehr als fünf Jahren iHv. 94,9 % gesamthänderisch am Vermögen der KG beteiligt war, die Steuer gem. § 6 Abs. 2 GrEStG unerhoben. 187

Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

Wird die fünfjährige Mindest-Vorbehaltens-Frist ab dem Zeitpunkt des Erwerbs des 94,9%igen Anteils am 30.6.2016 berechnet, war die Frist noch vor dem 1.7.2016 abgelaufen. Mithin kommt es nicht zur Verlängerung dieser Frist auf 15 Jahre, die anlässlich der Anteilsvereinigung am 15.7.2021 angefallene Grunderwerbsteuer bleibt iHv. 94,9 % unerhoben. Würde die Frist vom 15.7.2021 an zurück gerechnet, lief sie am 30.6./1.7.2021 bereits. Die am 15.7.2021 angefallene Steuer würde nur dann iHv. 94,9 % gem. § 6 Abs. 2 GrEStG nicht erhoben, wenn K den 94,9%igen Anteil an der KG bereits am 2006 gehalten hätte. Weil dies im Beispiel nicht der Fall ist, würde die durch die Anteilsvereinigung am 15.7.2021 anfallende Steuer in voller Höhe erhoben. Richtigerweise ist die Frage, ob die bisherige Fünf-Jahres-Mindest-Vorbehaltens-Frist iSv. § 6 Abs. 4 GrEStG aF am 30.6./1.7.2021 bereits abgelaufen war, vom Zeitpunkt des Erwerbs des Anteils, in dessen Höhe die Nicht-Erhebung geltend gemacht wird, an in die Zukunft gerichtet zu prüfen. Im Beispiel lief die alte Fünf-Jahres-Mindest-Vorbehaltens-Frist am 30.6.2021 ab. § 23 Abs. 24 GrEStG nF ist anwendbar, so dass die Neufassung von § 6 Abs. 4 GrEStG nicht zur Anwendung gelangt. Die durch die Verwirklichung der Anteilsvereinigung am 15.7.2021 ausgelöste Steuer bleibt iHv. 94,9 % unerhoben. c) Anwendung der Alt- oder Neu-Fassung von § 6 Abs. 4 GrEStG bei Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG durch vor dem 1.7.2021 begonnene und nach dem 30.6.2021 endende gestreckte Anteilserwerbe Bei Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG durch Übergang von mindestens 90 %, ggf. 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft auf neue Gesellschafter durch sukzessive Anteilsübergänge, wobei eine oder mehrere der Anteilsübergänge bereits vor dem 1.7.2021 erfolgten, weitere zum Erreichen der 90%igen bzw. 95%igen Schwelle erforderlichen Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter jedoch erst nach dem 30.6.2021 erfolgen, stellt sich die Frage, ob hinsichtlich der Vorbehaltensfrist iSv. § 6 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG auf fünf oder auf zehn Jahre abzustellen ist. Beispiel: An der grundbesitzenden KG war ursprünglich ein Alt-Gesellschafter 1 zu 91 % und ein Alt-Gesellschafter 2 („X“) zu 9 % beteiligt. Am 1.7.2016 übertrug der AltGesellschafter 1 einen 1%igen Anteil auf den Neu-Gesellschafter 1. Am 30.6.2026

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes überträgt der Alt-Gesellschafter 1 seine restlichen 90 % am Gesellschaftsvermögen der KG auf die Neu-Gesellschafter 2. 01.07.2016

30.06.2026

Alt-Gesellschafter 1

Neu-Gesellschafter 1

Neu-Gesellschafter 2

X

91 % 1%

90 % 9%

KG

Greift die Begünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG i.H.d. 9 %?

Am 30.6.2026 wird § 1 Abs. 2a GrEStG nF verwirklicht. Neu-Gesellschafter 1 ist gem. § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG mit Ablauf des 30.6.2021 noch nicht sog. Alt-Gesellschafter der KG für die Zwecke der Alt-Fassung von § 1 Abs. 2a GrEStG geworden. Mithin ist § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG nicht anwendbar, wonach bei Anwendung der Neu-Fassung von § 1 Abs. 2a GrEStG Übergänge von Anteilen am Gesellschaftsvermögen auf Gesellschafter unberücksichtigt zu bleiben haben, die spätestens mit Ablauf des 30.6.2021 keine neuen Gesellschafter iSd. Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG mehr waren.65 In den Fällen des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG wird gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 iVm. Abs. 1 Satz 1 GrEStG die Steuer insoweit nicht erhoben, als der Anteil des in der fiktiv neuen Personengesellschaft verbleibenden Gesellschafters dem Anteil entspricht, mit dem er am Vermögen der Gesamthand vor dem Gesellschafterwechsel beteiligt war. Das Ausmaß der Vergünstigung ist nach Verwaltungsansicht66 auf die sog. Deckungsgleiche der ursprünglichen unmittelbaren oder über Gesamthandsgemeinschaften mittelbaren Beteiligung am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft sowie der unmittelbaren oder über Gesamthandsgemeinschaften mittelbaren Beteiligung am Vermögen der fiktiv neuen Personengesellschaft beschränkt. Erfolgt die Änderung des Gesellschafterbestands in mehreren Teilakten, kommt es nach Verwaltungsansicht für das Ausmaß der Vergünstigung auf den Gesellschafterbestand vor dem ersten und nach dem letzten Teilakt an. Von welchem Zeitpunkt aus die Frist von bisher fünf Jahren bei fingierten Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG, die sich in mehreren Teilschritten voll65 Der Neu-Gesellschafter 1 wäre nach der Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG jedoch erst am 1.7.2021 zum sog. Alt-Gesellschafter geworden. 66 Vgl. gleich lautende Länder-Erlasse zu §§ 5, 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 4.1.

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

ziehen, zurück zu rechnen ist, haben der BFH und die FinVerw. bisher offen gelassen.67 UE muss, weil es für das Ausmaß der Vergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG auf die sog. Deckungsgleiche in den Gesellschafterbeständen unmittelbar vor dem ersten und unmittelbar nach dem letzten Anteilsübergang ankommt, eine Rückrechnung der Frist vom Zeitpunkt des ersten Anteilübergangs an erfolgen. Denn etwaige Änderungen im Gesellschafterbestand, die zwischen diesen beiden Zeitpunkten eintreten, sind für die Quantifizierung der Vergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ohne Bedeutung. Für den Fall, dass im Beispielsfall für die Rückberechnung der Frist entsprechend der hier vertretenen Meinung an den Zeitpunkt des dinglichen Wirksamwerdens des Übergangs des 1%igen Anteils auf Neu-Gesellschafter angeknüpft wird, wäre nach dem Gesetzeswortlaut statt der seit dem 1.7.2021 geltenden Zehn-Jahres-Frist noch die bis 30.6.2021 geltenden Fünf-Jahres-Frist maßgebend. Für die Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG wäre dann zu prüfen, ob X im Zeitraum vom 1.7.2011 bis 1.7.2016 ununterbrochen zu mindestens 9 % gesamthänderisch am Vermögen der grundbesitzenden KG beteiligt war. Ist diese Voraussetzung erfüllt, wäre die Befreiung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG – wenn auch die nachgelagerte Zehn-Jahres-Frist iSv. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG von X gewahrt wird, X also in den auf den 30.6.2026 folgenden zehn Jahren ununterbrochen zu mindestens 9 % an der grundbesitzenden KG gesamthänderisch beteiligt bleibt – iHv. 9 % zu gewähren. Grundsätzlich ordnet § 23 Abs. 18 GrEStG nF die Verlängerung auf zehn Jahre an, wenn der Erwerbsvorgang erst nach dem 1.7.2021 verwirklicht wird. Für die Anwendung der neuen Zehn-Jahres-Vorbehaltensfrist mit der Folge, dass die Befreiung iHv. 9 % nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG voraussetzt, dass X im Zeitraum schon vom 1.7.2006 bis zum 1.7.2016 ununterbrochen iHv. mindestens 9 % gesamthänderisch am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden KG beteiligt war, spricht auf der Grundlage von § 23 Abs. 18 GrEStG bezogen auf das Beispiel mithin, dass der Erwerbsvorgang, hier § 1 Abs. 2a GrEStG nF, erst nach dem 30.6.2021 verwirklicht wird. Jedoch ist gem. § 23 Abs. 24 GrEStG die neue Fassung von § 6 Abs. 4 GrEStG nicht anzuwenden, wenn die in § 6 Abs. 4 GrEStG alte Fassung geregelte Frist, dh. die alte fünfjährige Min67 Vgl. BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649 Tz. 17 = GmbHR 2005, 1509.

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

dest-Vorbehaltens-Frist, vor dem 1.7.2021 bereits abgelaufen war. Die Vorbehaltens-Frist war im Beispiel bereits am 1.7.2016 abgelaufen. Nach Auffassung von Stefan Behrens kommt mithin die fünfjährige MindestVorbehaltens-Frist iSv. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG aF zur Anwendung.68 Die Steuer bleibt iHv. 9 % gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG unerhoben, wenn X seinen mindestens 9%igen Kommanditanteil an der grundbesitzenden KG –

im Zeitraum vom 1.7.2011 bis 1.7.2016 gehalten hatte und



ab dem Zeitpunkt der Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG am 30.6.2026 für mindestens zehn Jahre weiterhin hält.

Dass für die Frage der Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG im selben Fall, dh. in Bezug auf denselben Erwerbsvorgang, für die Mindest-Vorbehaltens-Frist iSv. § 6 Abs. 4 GrEStG die alte fünfjährige, für die Mindest-Nachbehaltens-Frist iSv. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG jedoch die neue zehn Mindest-Nachbehaltens-Frist relevant wäre, überrascht zwar, wird aber durch den Gesetzeswortlaut nicht ausgeschlossen.

X. Ausblick In Fällen, in denen –

das unbedingt wirksame Verpflichtungsgeschäft vor dem 1.7.2021 abgeschlossen worden war,



dinglich die Rechtsinhaberschaft an der mindestens 95%igen Beteiligung jedoch erst nach dem 30.6.2021 auf den Erwerber übergegangen ist bzw. übergeht,

muss die FinVerw. uE mit teleologischer Reduktion oder mit Billigkeitsmaßnahmen aus Gründen sachlicher Unbilligkeit helfen. Denn dass hier ein Bedürfnis für eine zweimalige Besteuerung besteht, ist uE nicht begründbar. Vielmehr handelte es sich um eine Doppelbesteuerung, zu der es nach der Systematik des GrEStG nicht kommen darf. In Betracht kommt die Nicht-Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG aF infolge teleologischer Reduktion, weil es im Fall des Vollzugs zur Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG kommt. Welche Lösung gefunden werden wird, ist noch nicht absehbar. In Bezug auf nach dem 30.6.2021 erfolgende Anteilskäufe, bei denen das sog. Signing und das sog. Closing zeitlich auseinander liegen, vertritt die 68 Vgl. Behrens/Seemaier, UVR 2021, 348.

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

FinVerw. die (nach Ansicht von Stefan Behrens nicht rechtmäßige) Auffassung, dass bei Erreichen bzw. Überschreiten der 90%igen Beteiligungsschwelle –

im Zeitraum des sog. Signing § 1 Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG verwirklicht wird und



im Zeitraum des sog. Closing zu dem § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG

verwirklicht wird. Die Einordnung des sog. Closing als rückwirkendes Ereignis iSv. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist in Frage gestellt werden. Es ist zu erwarten, dass die FinVerw. eine Aufhebung bzw. Änderung der Steuerfestsetzung auf das sog. Signing nach derzeitiger Gesetzeslage auf der Grundlage von § 164 AO durchführen wird. Flankierend ist zu hoffen, dass eine gesetzliche Korrekturvorschrift zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei zeitlichem Auseinanderfallen von sog. Signing und sog. Closing geschaffen wird. Derzeit ist daher zu empfehlen, gegen Erstbescheide in Bezug auf das sog. Signing Einspruch einzulegen und zu beantragen, dass der Erstbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wird, um eine Bestandskraft zu vermeiden. Dadurch würde zumindest eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO erreicht. § 1 Abs. 2a GrEStG einerseits und § 1 Abs. 2b GrEStG andererseits sind zwei voneinander unabhängige Ergänzungstatbestände. In Beteiligungsketten gibt es kein Rangverhältnis zwischen diesen Vorschriften. Nach Ansicht von Stefan Behrens können Grundstücke untergeordneter Gesellschaften – entgegen der Verwaltungsansicht – nicht zugleich zum Vermögen einer an der untergeordneten Gesellschaft zu mindestens 90 % beteiligten Gesellschaft gerechnet werden. Eine Zurechnung eines Tochtergesellschafts-Grundstücks auch zum Vermögen der Muttergesellschaft auf der Grundlage von § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG ist – so die Ansicht von Stefan Behrens – von vornherein ausgeschlossen. Aller Voraussicht nach wird diese Frage vom BFH entschieden werden müssen. Das GrEStÄndG vom 12.5.2021 kann nach Ansicht von Stefan Behrens – entgegen der Verwaltungansicht – zu keiner Verlängerung einer am 30.6./1.7.2021 laufenden sog. Nachbehaltens-Frist von fünf auf zehn Jahren führen. Auch diese Frage wird gerichtlich entschieden werden müssen. Die FinVerw. wird im Jahr 2022 aller Voraussicht nach gleich lautende Länder-Erlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG veröffentlichen und eine Vielzahl

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Krohn/Behrens, Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

von Länder-Erlassen an die in 2021 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen anpassen. Es ist zeitnah mit erneuten Änderungen des GrEStG rechnen. So sieht der Koalitionsvertrag vom 24.11.2021 vor, den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer zB durch einen Freibetrag zu ermöglichen, um den Erwerb selbst genutzten Wohneigentums zu erleichtern. Zur Gegenfinanzierung will die neue Bundesregierung „das Schließen von steuerlichen Schlupflöchern beim Immobilienerwerb von Konzernen (share deals) nutzen“.

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3. Leitthema: Unternehmensteuerrecht 3

KöMoG und Organschaft, insbesondere Einlagelösung für organschaftliche Mehr- und Minderabführungen Thomas Stimpel Regierungsdirektor, Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen Prof. Dr. Andreas Schumacher Steuerberater, Bonn I. Einlagelösung für organschaftliche Mehr- und Minderabführungen 1. Alte Rechtslage vor KöMoG 2. Die Einlagelösung des KöMoG a) Überblick über die gesetzliche Regelung b) Fallbeispiele aa) Auswirkung im Grundfall bb) Auswirkung der Übergangsregelung cc) Behandlung des Mehrabführungsmodells nach neuem Recht

c) Zweifelsfragen aa) Verrechnungsreihenfolge bei Minder- und Mehrabführungen in einem Wirtschaftsjahr bb) Beteiligung an der Organgesellschaft von weniger als 100 % cc) Mittelbare Organschaft dd) Mehrstufige Organschaft d) Vermeidung eines Umstellungsgewinns II. Optionsmodell und Organschaft

I. Einlagelösung für organschaftliche Mehr- und Minderabführungen 1. Alte Rechtslage vor KöMoG Der von der Organgesellschaft (nachfolgend auch: OG) abgeführte Gewinn bzw. der vom Organträger (nachfolgend auch: OT) auszugleichende Verlust weicht regelmäßig von dem Steuerbilanzgewinn oder -verlust der OG ab. Neben Unterschieden zwischen der handels- und steuerbilanziellen Gewinnermittlung kann dies auch durch die – nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG zulässige – Bildung bzw. Auflösung von Gewinnrücklagen verursacht sein.

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Stimpel/Schumacher, KöMoG und Organschaft

Solche Abweichungen führen zu Minder- bzw. Mehrabführungen (§ 14 Abs. 4 Satz 6 KStG aF bzw. § 14 Abs. 4 Satz 3 KStG nF).1 Abzustellen ist dabei allein auf die rechnerische Differenz zwischen Gewinnabführung bzw. Verlustausgleich und dem Steuerbilanzergebnis.2 Nach dem Zeitpunkt der Ursache der Abweichung (dh. dem dafür maßgebenden Geschäftsvorfall) ist zwischen Verursachung in vororganschaftlicher Zeit (geregelt durch § 14 Abs. 3 KStG) und Verursachung in organschaftlicher Zeit zu unterscheiden. Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 KStG aF war für Minder- und Mehrabführungen, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben, in der Steuerbilanz ein besonderer aktiver oder passiver Ausgleichsposten zu bilden, der im Zeitpunkt der Veräußerung der Organbeteiligung aufzulösen war. Durch diese Regelung wurde die frühere Verwaltungsauffassung3 entgegen der Rspr. des BFH, nach der passive Ausgleichsposten erfolgsneutral aufzulösen waren,4 „klarstellend gesetzlich festgeschrieben“.5 Die Bildung dieser besonderen Ausgleichsposten gem. § 14 Abs. 4 KStG diente der Erfassung des zutreffenden Veräußerungsgewinns im Fall der Veräußerung der Organbeteiligung oder anderer gleichgestellter Sachverhalte unter Anwendung des § 8b KStG bzw. der §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG beim OT. Denn eine organschaftlich verursachte Mehrabführung führt zu einem Vermögenstransfer von der OG zum OT, ohne dass dieser beim OT steuerlich erfasst wird. Wenn die Organbeteiligung veräußert wird, bevor die korrespondierende Minderabführung erfolgt ist, mindert sich ceteris paribus der Veräußerungsgewinn, weil der Wert der Organbeteiligung durch den Vermögenstransfer gemindert ist. Die Begründung für die Bildung eines aktiven Ausgleichspostens lag darin, dass – typisierend betrachtet – ein die handelsrechtliche Abführung übersteigendes Einkommen der OG den Erlös bei einer späteren Veräußerung der Beteiligung 1 Zu Sonderfällen vgl. BFH v. 29.8.2012 – I R 65/11, BStBl. II 2013, 555 = FR 2013, 285 = GmbHR 2012, 1308 (dazu BMF v. 15.7.2013 – IV C 2 - S 2770/07/ 10004:004 – DOK 2013/0457677, BStBl. I 2013, 921); v. 15.3.2017 – I R 67/15, FR 2018, 179 m. Anm. Weber-Grellet = GmbHR 2017, 991 = ZIP 2017, 2298 = BFH/NV 2017, 1276. 2 Vgl. BFH v. 27.11.2013 – I R 36/13, BStBl. II 2014, 651 Rz. 27 = FR 2014, 979 = GmbHR 2014, 823 m. Anm. Suchanek. 3 Vgl. Abschn. 59 Abs. 2 KStR 1995. 4 Vgl. BFH v. 7.2.2007 – I R 5/05, BStBl. II 2007, 796 = GmbHR 2007, 662 = FR 2007, 1018. 5 Vgl. BT-Drucks. 16/7036, 20 f.

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Stimpel/Schumacher, KöMoG und Organschaft

erhöht, weil dieser Betrag bei der OG verblieben ist.6 Daher waren die Ausgleichsposten gem. § 14 Abs. 4 Satz 2 ff. KStG aF bei Veräußerung einkommensrelevant aufzulösen. Die laufende Bildung und Auflösung war hingegen einkommensneutral.7 Bei der OG wurde das steuerliche Einlagekonto gem. § 27 Abs. 6 KStG aF um organschaftliche Minder- und Mehrabführungen erhöht bzw. vermindert (auch wenn dadurch das steuerliche Einlagekonto negativ wurde; § 27 Abs. 1 Satz 4 KStG aF). Die Auflösung der Ausgleichsposten war dabei nicht isoliert zu besteuern, sondern die Ausgleichsposten waren mit dem Buchwert der Beteiligung zusammenzufassen und wurden dadurch – als eine Art von Korrekturposten zum Buchwert der Beteiligung an der OG – zum Bestandteil der Ermittlung des Gewinns oder Verlusts aus der Veräußerung der Beteiligung.8 Auf den saldierten Gewinn war das Teileinkünfteverfahren (§§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG) oder § 8b Abs. 2, 3 KStG anzuwenden. Aufgrund dieser Saldierung aktiver und passiver Ausgleichsposten mit dem Beteiligungsbuchwert hatte die erforderliche Prüfung des Vorliegens einer Mehr- oder Minderabführung anhand einer geschäftsvorfallbezogenen Betrachtung9 im Ergebnis praktisch an Bedeutung verloren. Im Regelfall (zB Bildung einer Drohverlustrückstellung in der Handelsbilanz, die in der Steuerbilanz gem. § 5 Abs. 4a EStG nicht gebildet werden darf), folgt die Mehrabführung zeitlich der Minderabführung. Die wesentliche fiskalische Bedeutung des § 14 Abs. 4 KStG aF lag jedoch im umgekehrten Fall: Beispiel: Die OT KG ist mit 100 % an der OG beteiligt. Die OG bringt Wirtschaftsgüter mit erheblichen stillen Reserven (im Extremfall ihren gesamten Geschäftsbetrieb) in die T KG ein. In der Handelsbilanz erfolgt die Einbringung gewinnrealisierend (Tausch), in der Steuerbilanz zu Buchwerten (§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, § 24 UmwStG oder steuerliches Nullum, wenn die T KG wegen eines Treuhandmodells keine Mitunternehmerschaft darstellt).

6 Vgl. BFH v. 24.7.1996 – I R 41/93, BStBl. II 1996, 614 = FR 1996, 794 = GmbHR 1997, 232, Rz. 11 in juris; v. 29.10.2008 – I R 31/08, BFH/NV 2009, 790, Rz. 8 in juris. 7 Vgl. BFH v. 29.10.2008 – I R 31/08, BFH/NV 2009, 790, Rz. 9 ff. in juris: unabhängig davon, ob Ausgleichsposten in der Bilanz zu bilden sind. 8 Vgl. R 14.8 Abs. 3 Satz 4 KStR 2015. 9 Vgl. zu § 14 Abs. 3 KStG BFH v. 27.11.2013 – I R 36/13, BStBl. II 2014, 651 Rz. 29 = FR 2014, 979 = GmbHR 2014, 823 m. Anm. Suchanek.

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Stimpel/Schumacher, KöMoG und Organschaft Der handelsrechtliche Übertragungsgewinn erhöht die Gewinnabführung der OG GmbH an die OT KG. Darin lag eine Mehrabführung iSd. § 14 Abs. 4 KStG aF, die zur Bildung eines passiven Ausgleichspostens bei der OT KG führte.

Zwar erfolgte bei Anwendung der Ausgleichspostenmethode auf dieses „Mehrabführungsmodell“ bei Veräußerung der Beteiligung an der OG eine Besteuerung dieses Vermögenstransfers bei A und B, so dass grundsätzlich keine Besteuerungslücke bestand. Es erfolgte jedoch eine theoretisch zeitlich unbegrenzte Steuerstundung, so dass bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum JStG 2008 erwogen wurde, in § 14 Abs. 4 KStG statt der Ausgleichspostenmethode eine Einlagelösung zu regeln.10 Hinzu kam, dass die Ausgleichsposten bei mittelbarer Organschaft vom OT – und nicht von der Zwischengesellschaft als dem unmittelbaren Gesellschafter der OG – zu bilden war. Nach streitiger Verwaltungsauffassung war er (nur) aufzulösen, wenn die Beteiligung an der Zwischengesellschaft veräußert wird, nicht aber bei Veräußerung der Beteiligung an der Organgesellschaft.11 Dadurch war das Mehrabführungsmodell sogar mit Veräußerung der Organbeteiligung ohne Besteuerung möglich.

2. Die Einlagelösung des KöMoG a) Überblick über die gesetzliche Regelung Durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2050) wurde – anknüpfend an die Diskussionen in der Vergangenheit (s.o.) – die Ausgleichspostenmethode abgeschafft und die sog. Einlagelösung gesetzlich geregelt. § 14 Abs. 4 KStG wurde wie folgt neu gefasst (Hervorhebung durch Verf.): 1Minderabführungen

der Organgesellschaft, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben, sind als Einlage durch den Organträger in die Organgesellschaft zu behandeln. 2Mehrabführungen der Organgesellschaft, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben, gelten als Einlagenrückgewähr der Organgesellschaft an den Organträger. 3Minder- oder Mehrabführungen im Sinne der Sätze 1 und 2 liegen insbesondere vor, wenn der an den Organträger abgeführte Gewinn von dem Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abweicht und diese Abweichung in organschaftlicher Zeit verursacht ist. 4Minder- und Mehrabführungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten in dem Zeitpunkt als erfolgt, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet.

10 Vgl. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die KSt., § 14 KStG Rz. 917 ff. 11 Vgl. R 14.8 Abs. 3 Satz 7 KStR 2015.

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Die Neuregelung ist gem. § 34 Abs. 6e Satz 2, 3 KStG erstmals auf Mehrund Minderabführungen anzuwenden, die in nach dem 31.12.2021 endenden Wj. erfolgen. Ab Beginn dieser Wj. sind somit keine Ausgleichsposten mehr zu bilden. In § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG nF wurde klargestellt, dass bei organschaftlichen Mehrabführungen unabhängig von der Verwendungsreihenfolge ein Direktzugriff auf das Einlagekonto erfolgt. In § 27 Abs. 6 Satz 2 KStG nF wurde eine vorrangige Verwendung des Einlagekontos durch organschaftliche Mehrabführungen vor anderen Leistungen geregelt. Gem. § 34 Abs. 6e Satz 5 ff. KStG nF sind bestehende Ausgleichsposten in dem Wj. aufzulösen, das nach dem 31.12.2021 endet. Aktive Ausgleichsposten erhöhen, passive Ausgleichsposten vermindern den Buchwert der Beteiligung an der OG in der Steuerbilanz des OT. Soweit ein passiver Ausgleichsposten die Summe aus dem aktiven Ausgleichsposten und dem Beteiligungsbuchwert übersteigt, liegt ein Ertrag aus der Beteiligung an der OG vor, auf den §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 2, 3 KStG anzuwenden ist. Die Versteuerung dieses Ertrags kann durch Bildung einer Rücklage auf zehn Wj. verteilt werden. Die Rücklage ist bei Veräußerung und anderen Ersatztatbeständen in vollem Umfang gewinnerhöhend aufzulösen. b) Fallbeispiele aa) Auswirkung im Grundfall Beispiel: OT ist an OG unmittelbar mit 100 % beteiligt. Der Buchwert der Beteiligung an OG beträgt 2 Mio. t. OG hat im Jahr 01 einen Betrag iHv. 1 Mio. t (zulässig) in die Gewinnrücklage eingestellt. Variante 1: Gewinnrücklage wird in 02 aufgelöst und an OT GmbH abgeführt. Variante 2: OT GmbH veräußert am 1.1.2002 die Beteiligung an der OG für 5 Mio. t

Lösung nach alter Rechtslage: In 01 erfolgt die Bildung eines aktiven Ausgleichsposten bei OT GmbH und ein Zugang beim steuerlichen Einlagekonto der OG iHv. jeweils 1 Mio. t. In Variante 1 führt die Mehrabführung in 02 iHv. 1 Mio. t zu einem Abgang vom steuerlichen Einlagekonto der OG und einer einkommensneutralen Auflösung des aktiven Ausgleichspostens bei OT.

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Stimpel/Schumacher, KöMoG und Organschaft

Variante 2 hat keine Auswirkungen bei OG. Bei OT ist der aktive Ausgleichsposten aufzulösen und wird bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns iSd. § 8b Abs. 2 KStG berücksichtigt: Veräußerungspreis Buchwert Auflösung Ausgleichsposten Steuerfreier Veräußerungsgewinn Einkommenswirksam (5 %)

5.000.000 t – 2.000.000 t – 1.000.000 t 2.000.000 t 100.000 t

Lösung nach neuer Rechtslage: In 01 bei OT Erhöhung des Buchwerts der Beteiligung an OG (Minderabführung gilt als Einlage) und bei OG Zugang beim steuerlichen Einlagekonto; jeweils iHv. 1 Mio. t. In Variante 1 führt die Mehrabführung in 02 iHv. 1 Mio. t zu einem Abgang vom steuerlichen Einlagekonto der OG (wie nach alter Rechtslage) und bei OT zu einer einkommensneutralen Minderung des Buchwerts der Beteiligung an der OG (Mehrabführung gilt als Einlagenrückgewähr). Variante 2 hat keine Auswirkungen bei OG (wie bisher). Bei OT ist unter Berücksichtigung des wegen der Minderabführung erhöhten Buchwerts der Beteiligung an der OG der Veräußerungsgewinn iSd. § 8b Abs. 2 KStG zu ermitteln: Veräußerungspreis Buchwert Steuerfreier Veräußerungsgewinn Einkommenswirksam (5 %)

5.000.000 t – 3.000.000 t 2.000.000 t 100.000 t

Im Ergebnis hat die neue Rechtslage somit im Grundfall keine materielle Auswirkung. Die fiktive Einlage führt beim Organträger zu einer erfolgsneutralen Erhöhung des Beteiligungsbuchwerts (fiktive Verwendung der Mehrabführung für eine Einlage). Die fiktive Einlagenrückgewähr wird wie eine tatsächliche Einlagenrückgewähr12 beim Organträger erfolgsneutral mit dem Beteiligungsbuchwert verrechnet. Wenn in der Steuerbilanz eine erfolgswirksame Änderung des Buchwerts der Beteiligung an der OG erfolgen sollte, wäre die Einkommensneutralität dieser Betriebsvermögensänderung- im Ergebnis wie im alten Recht – durch eine außerbilanzielle Korrektur herzustellen.13

12 Vgl. BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, BStBl. II 2011, 898 = GmbHR 2010, 323 = FR 2010, 578 Rz. 13. 13 Vgl. Ebber in BeckOK, § 14 KStG Rz. 686b; Liedgens, DB 2021, 2859 (2860).

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bb) Auswirkung der Übergangsregelung Beispiel 1: OT ist an OG unmittelbar mit 100 % beteiligt. Der Buchwert der Beteiligung an OG beträgt 2 Mio. t. OG hat im Jahr 2021 einen Betrag iHv. 1 Mio. t (zulässig) in die Gewinnrücklage eingestellt. Die Gewinnrücklage besteht in 2022 unverändert fort.

Die Anwendung des neuen Rechts ab dem Wj. 2022 hat keine Auswirkung bei OG. Bei OT ist der aktive Ausgleichsposten aufzulösen und auf die Beteiligung an der OG umzubuchen. Dies hat keine Gewinn- und Einkommensauswirkung, da ein reiner Aktivtausch vorliegt. Beispiel 2 (Sonderfall eines passiven Ausgleichspostens): OG hat in der Vergangenheit hohe stille Reserven iHv. 10 Mio. t nur handelsrechtlich aufgedeckt. Die daraus resultierende Mehrabführung führte bei OG zu einem Abgang vom steuerlichen Einlagekonto und bei OT zur Bildung eines passiven Ausgleichspostens. Der Buchwert der OG Beteiligung beträgt 2 Mio. t. Der passive Ausgleichsposten wäre nach alter Rechtslage im Wj. 2022 fortgeführt worden.

Der passive Ausgleichsposten ist bei OT im Wj. 2022 zwingend aufzulösen. Dies führt zu einer Minderung des Buchwerts der Beteiligung an der OG. Soweit der passive Ausgleichsposten (10 Mio. t) den Buchwert (2 Mio. t) übersteigt, entsteht ein Gewinn (8 Mio. t), der gem. § 8b Abs. 2, 3 KStG iHv. 5 % (800.000 t) einkommenswirksam ist. Bei natürlichen Personen als OT oder Mitunternehmer einer OT-Personengesellschaft ergäbe sich eine Steuerpflicht von 60 % (4,8 Mio. t; §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG). Durch diese Einkommenserhöhung ergibt sich durch das neue Recht eine Verschärfung, da die Auflösung des passiven Ausgleichspostens unabhängig von einer Veräußerung zeitlich vorgezogen wird. Bis zur Höhe des Ertrags aus der Auflösung des überschießenden passiven Ausgleichspostens kann OT eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage bilden, dh. bis zu 8 Mio. t in 2022. In die Rücklage kann auch ein beliebig geringerer Betrag eingestellt werden. Die Auflösung erfolgt zwingend ab 2022 zu einem Zehntel pro Jahr, eine freiwillige höhere Auflösung ist nicht möglich. Die 5 % bzw. 60 %-Versteuerung kann somit auf zehn Jahre verteilt werden. Eine vollständige Auflösung der Rücklage erfolgt gem. § 34 Abs. 6e Satz 14 f. KStG bei Veräußerung der Beteiligung an der OG sowie „ins-

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Stimpel/Schumacher, KöMoG und Organschaft

besondere“ bei Vorliegen folgender Ersatztatbestände (entsprechend § 14 Abs. 4 Satz 4 KStG aF): –

Umwandlung der OG auf eine Personengesellschaft oder natürliche Person,



Verdeckte Einlage der Beteiligung an der OG,



Auflösung der OG.

Fraglich sind die Rechtsfolgen bei sonstigen Umwandlungen von OT oder OG hinsichtlich der Rücklage. Bei Verschmelzung des OT erfolgt ein Übergang der Rücklage gem. § 12 Abs. 3 iVm. § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG. Von einer Verschmelzung der OG ist die Rücklage grundsätzlich nicht betroffen. Es stellt sich aber die Frage, ob darin jeweils eine Veräußerung der Beteiligung an der OG zu sehen ist und die Verwaltungsauffassung zur Behandlung von Ausgleichsposten14 analog angewendet werden könnte.15 Dann würde die Rücklage bei einer Verschmelzung der OT nur bei Fortführung der Organschaft und Buchwertansatz fortgeführt werden und bei einer Verschmelzung der OG wäre die Rücklage auch bei Buchwertansatz nach § 13 Abs. 2 UmwStG stets aufzulösen. cc) Behandlung des Mehrabführungsmodells nach neuem Recht Beispiel: Die OG GmbH bringt im Wj. 2022 Wirtschaftsgüter mit erheblichen stillen Reserven in die T KG ein. In der Handelsbilanz erfolgt die Einbringung gewinnrealisierend (Tausch), in der Steuerbilanz zu Buchwerten (s.o.). Der handelsrechtliche Übertragungsgewinn erhöht die Gewinnabführung der OG GmbH an die OT KG zum 31.12.2022. Darin liegt eine Mehrabführung iSd. § 14 Abs. 4 KStG.

Aufgrund der Einführung der Einlagelösung entfällt bei dem sog. Mehrabführungsmodell der Besteuerungsaufschub. Denn eine Einlagenrückgewähr ist zwar nach allgemeinen Grundsätzen mit dem Buchwert der Beteiligung zu verrechnen. Soweit die Einlagenrückgewähr den Buchwert der Beteiligung an der OG übersteigt, entsteht jedoch ein Gewinn und kein negativer Beteiligungsbuchwert. Darin liegt der wesentliche Unterschied der Einlagelösung zur Ausgleichspostenmethode. Ob dies bei

14 Vgl. insbes. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/ 0903665, BStBl. I 2011, 1314 (nachfolgend: UmwSt.-Erlass), Rz. Org.05, Org.06, Org.21 und Org.22. 15 Vgl. Liedgens/Himmer, DB 2021, 1221 (1226); Tigges/Scheerer, DK 2021, 319 (327).

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Mehrabführungen anders zu sehen ist, soweit ein negatives Einlagekonto entsteht, ist sehr fraglich.16 Mangels Vorliegens einer „Veräußerung“ ist nicht rechtssicher, ob auf einen solchen Gewinn aus einer Einlagenrückgewähr wie auf die Auflösung eines passiven Ausgleichspostens bei natürlichen Personen § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG und bei Körperschaften § 8b Abs. 2 KStG anzuwenden ist.17 Die Übergangsregelung in § 34 Abs. 6e Satz 10 KStG zeigt allerdings, dass der Gesetzgeber von der Anwendung dieser Regelungen ausgeht.18 c) Zweifelsfragen aa) Verrechnungsreihenfolge bei Minder- und Mehrabführungen in einem Wirtschaftsjahr Beispiel: Der Buchwert der Beteiligung an der OG beträgt 100. Im kalenderjahrgleichen Wj. 2022 erfolgt bei Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Betrachtungsweise eine Minderabführung von 40 und eine Mehrabführung von 120. Beide gelten gem. § 14 Abs. 4 Satz 4 KStG nF mit Ablauf des 31.12.2022 als erfolgt.

Falls – wie bei § 14 Abs. 3 KStG – eine getrennte Betrachtung erfolgt, stellt sich die Frage, in welcher Reihenfolge die Minder- und die Mehrabführung zu verrechnen sind. Wenn zuerst die Mehrabführung verrechnet würde, würde ein Gewinn von 20 entstehen.

16 Zur Kritik an einem Auseinanderfallen von Beteiligungsbuchwert und Einlagekonto vgl. Liedgens/Himmer, DB 2021, 1221 (1223 f.); zur grundsätzlichen Möglichkeit negativer Anschaffungskosten vgl. zuletzt BFH v. 7.3.2018 – I R 12/16, FR 2018, 1153 m. Anm. Mitschke = GmbHR 2018, 928 = BFH/NV 2018, 1062. 17 Bejahend zu § 8b Abs. 2 KStG BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750 A - 7/03, BStBl. I 2003, 292 = FR 2003, 528 Rz. 6; offen in BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, BStBl. II 2011, 898 = GmbHR 2010, 323 = FR 2010, 578 Rz. 13; verneinend Gosch in Gosch, KStG4, § 8b Rz. 6. 18 Dass der Gesetzgeber die Anwendung von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG bzw. § 8b Abs. 2 KStG für die Auflösung des überschießenden passiven Ausgleichspostens bzw. die sukzessive Auflösung der Rücklage (§ 34 Abs. 6e Satz 16 KStG) ausdrücklich regelt und auf eine Norm für die unabweisbar folgerichtige Anwendung auf die „normale“ überschießende Mehrabführung (= Einlagenrückgewähr) verzichtet, ist nur vor dem Hintergrund plausibel, dass er diese Rechtsfolgen bereits durch die geltende Rechtslage für hinreichend geregelt ansah.

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Eine solche für die Stpfl. nachteilige vorrangige Verrechnung der Mehrabführung hätte jedoch einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage bedurft. Im Ergebnis zutreffend erscheint daher eine Saldierung der Minder- und Mehrabführungen und gemeinsame Verrechnung mit dem Beteiligungsbuchwert.19 Im Ergebnis entspricht dies auch der Übergangsregelung des § 34 Abs. 6e Satz 9 KStG. Somit erfolgt zum 31.12.2022 saldiert eine Mehrabführung von 80, durch die sich der Beteiligungsbuchwert auf 20 vermindert. bb) Beteiligung an der Organgesellschaft von weniger als 100 % Beispiel: OT ist an OG mit 80 % beteiligt. Im Wj. 2022 erfolgt eine Minderabführung von 100.

Nach bisherigem Recht erfolgte die Bildung des Ausgleichspostens nur quotal (§ 14 Abs. 4 Satz 1 KStG aF). Nach neuem Recht dürfte eine disquotale Einlage bzw. Einlagenrückgewähr vorliegen, die zu 100 % dem OT zuzurechnen ist. Dies ist im Ergebnis wegen der berechtigten Kritik an der bisherigen quotalen Lösung20 zu begrüßen. Dieser Unterschied wird allerdings beim Übergang zum neuen Recht nicht berücksichtigt, weil gem. § 34 Abs. 6e Satz 7 KStG nur der bestehende, quotal gebildete, Ausgleichsposten auf den Beteiligungsbuchwert umzubuchen ist. Da beim nachfolgenden Umkehreffekt die Beteiligung an der OG nach § 14 Abs. 4 Satz 2 KStG nF aber zu 100 % angepasst wird, ist bei Beteiligungen unter 100 % der Buchwert der Beteiligung an der OG GmbH gemessen am neuen Recht bei aktiven Ausgleichsposten zu niedrig und bei passiven Ausgleichsposten zu hoch. cc) Mittelbare Organschaft Beispiel: OT ist an der T GmbH (nachfolgend auch: T) unmittelbar mit 100 % beteiligt. T ist an OG unmittelbar mit 100 % beteiligt. Es besteht eine (mittelbare) Organschaft zwischen OT und OG. OT erhält die Gewinnabführung unmittelbar von der OG, dh. auch eine Minder- oder Mehrabführung erfolgt unmittelbar in diesem Verhältnis. 19 Vgl. Liedgens, DB 2021, 2859 (2861 f.). 20 Vgl. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die KSt., § 14 KStG Rz. 1020 mwN.

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Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 KStG nF ist eine Minderabführung eine Einlage „durch den Organträger in die Organgesellschaft“ und eine Minderabführung eine Einlagenrückgewähr „der Organgesellschaft an den Organträger“. Nach allgemeinen Grundsätzen – eine ähnliche Problematik besteht bei § 14 Abs. 3 KStG – sind solche Vorgänge über die Beteiligungskette abzubilden, dh. die Einlage erfolgt von dem OT in die T und von der T in die OG (mit Erhöhung des Buchwerts an der T und an der OG). Bei einer Mehrabführung sollte eine Einlagenrückgewähr der OG an die T vorliegen. Allerdings ist fraglich, ob auch eine Einlagenrückgewähr der T an die OT vorliegt. Denn nach allgemeinen Grundsätzen wäre dies anhand der Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG zu prüfen. § 27 Abs. 6 KStG gilt nach seinem Wortlaut nur für die Organgesellschaft selbst. Dies hätte zur Folge, dass der Erhöhung des Beteiligungsbuchwerts bei dem OT aufgrund einer Minderabführung nicht automatisch eine Verringerung des Beteiligungsbuchwerts durch die spätere korrespondierende Mehrabführung folgen würde. Vielmehr würde der OT insoweit eine Gewinnausschüttung von der T erhalten, als bei dieser ausschüttbarer Gewinn für die fiktive Weitergabe der Einlagenrückgewähr von der OG GmbH als verwendet gelten würde. Es ist fraglich, ob § 14 Abs. 4 Satz 2 KStG – „an den Organträger“ – auch für diesen Fall regelt, dass der OT eine Einlagenrückgewähr erhält, obwohl bei der T GmbH keine Minderung des Einlagekontos erfolgt. Dieser Wertungswiderspruch könnte nur dahingehend aufgelöst werden, dass auch die Fiktion einer Einlagerückgewähr konsequent durch die Kette durchgezogen wird, dh. keine Prüfung der Verwendungsreihenfolge auf der Ebene einer Zwischengesellschaft (hier der T) erfolgt.21 Dann könnte in entsprechender Anwendung des § 27 Abs. 6 KStG auch das Einlagekonto der T negativ werden.22 dd) Mehrstufige Organschaft Beispiel: OT ist an OG1 unmittelbar mit 100 % beteiligt. OG1 ist an OG2 unmittelbar mit 100 % beteiligt. Es besteht jeweils eine Organschaft zwischen OT und OG1 und OG1 und OG2. Es erfolgt eine Minderabführung der OG2. 21 So die wohl hM; vgl. Ebber in BeckOK, § 14 KStG Rz. 686l ff. mwN. 22 So Ebber in BeckOK, § 14 KStG Rz. 686q.

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Bei einer mehrstufigen Organschaft führt eine Minder- oder Mehrabführung auf der untersten Stufe zu einer entsprechenden Minder- oder Mehrabführung auf den darüber liegenden Stufen. So führt eine Minderabführung der OG2 GmbH iHv. 20 bei der OG1 GmbH zu einer Einlage iHv. 20 in die OG2 GmbH, die den Steuerbilanzgewinn der OG1 GmbH um 20 erhöht (Buchung: Beteiligung an Ertrag). Somit liegt auch bei der OG1 GmbH eine Abweichung des Steuerbilanzgewinns vom abgeführten Handelsbilanzgewinn und eine Minderabführung der OG1 GmbH an die OT GmbH vor. Wie die Bildung der Ausgleichsposten nach bisherigem Recht erfolgt somit auch die Einlage oder Einlagenrückgewähr auf jeder Stufe. Eine Mehrabführung kann somit auch auf jeder Stufe den Beteiligungsbuchwert übersteigen, so dass eine mehrfache Besteuerung erfolgen kann (Kaskadeneffekt). d) Vermeidung eines Umstellungsgewinns Beispiel: Die OT KG ist an OG unmittelbar mit 100 % beteiligt. Gesellschafter der OT KG sind die natürlichen Personen A und B. Die OG ist mit 100 % am Gewinn und Vermögen der T KG beteiligt. In der Vergangenheit wurde durch Einbringung in die T KG das Mehrabführungsmodell verwirklicht. Zum 31.12.2021 beträgt der Buchwert der Beteiligung an der OG 20 und es besteht bei der OT KG ein passiver Ausgleichsposten iHv. 80. Die Systemumstellung würde somit zu einem Gewinn von 60 führen, der zu 60 % steuerpflichtig wäre.

Zunächst stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Gewinn aus der Auflösung des passiven Ausgleichspostens „in dem Wirtschaftsjahr“ 2022 entsteht: Am 1.1.2022 oder am 31.12.2022? UE spricht mehr für das Ende des Wj., da nach der Regelungsstatik von § 34 Abs. 6e Sätze 8 und 9 KStG die Verrechnung der vorhandenen Ausgleichsposten mit dem Beteiligungsbuchwert der letzte Geschäftsvorfall des Wj. 2022 bzw. 2021/2022 ist. Hieraus folgt, dass durch in diesem Wj. getätigte Einlagen (oder als Einlagen zu qualifizierende Minderabführungen) ein verrechnungsfähiger Mehrbuchwert geschaffen und hierdurch die Realisierung eines Umstellungsgewinns vermieden werden kann. Der Umstellungsgewinn konnte also vermieden werden, wenn im Wj. 2021 (bzw. uE auch noch in 2022) eine Minderabführung iHv. mindestens 60 erfolgte. Da der Geschäftsvorfall wiederum ertragsteuerneutral sein musste, gab es nur einen begrenzten Spielraum für solche Maßnahmen. Beim Mehrabführungsmodell kam insbes. die Aufwärtsverschmel208

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zung oder Anwachsung der T KG in Betracht, da diese bei Fortführung der handelsrechtlichen Buchwerte zu einem Übernahmeverlust führt, wenn die T KG ursprünglich die Buchwerte angesetzt hatte. Auch eine Einlage von mindestens 60 in die OG (vorsorglich vor dem 31.12.2021, uE ist aber vor dem 31.12.2022 ausreichend) verhinderte wegen des dann höheren Beteiligungsbuchwerts die Entstehung eines Umstellungsgewinns. Wenn diese Maßnahmen nicht durchführbar waren, war die Möglichkeit von Umwandlungsmaßnahmen hinsichtlich der Beteiligung an der OG zu prüfen. Denn auch durch eine Verschmelzung einer anderen Kapitalgesellschaft auf die OG oder eine Einbringung der Anteile an einer anderen Kapitalgesellschaft in die OG GmbH konnte der Buchwert der Beteiligung an der OG GmbH ertragsteuerneutral erhöht werden (§ 13 Abs. 2 bzw. § 21 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Da beide Maßnahmen nicht mit steuerlicher Rückwirkung möglich sind,23 konnte die oben angesprochene Zeitpunktfrage nur vermieden werden, wenn diese Maßnahmen vor dem 1.1.2022 wirksam wurden. Wenn auch die andere Kapitalgesellschaft OG war, war zudem zu beachten, dass auch bei dieser Ausgleichsposten bestehen konnten. Bei einer Verschmelzung sind Ausgleichsposten hinsichtlich der übertragenden Gesellschaft nach Verwaltungsauffassung aufzulösen.24 Bei einem Anteilstausch nach § 21 UmwStG zum Buchwert sind Ausgleichsposten hingegen nicht aufzulösen, wenn die Organschaft als mittelbare Organschaft fortgeführt wird.25 Wenn eine Erhöhung des Buchwerts durch keine der vorgenannten Maßnahmen möglich war, stellte sich die Frage, ob zumindest die Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG auf den Umstellungsgewinn erreicht werden kann (Statusverbesserung durch Versteuerung nur von 5 % statt von 60 % des Gewinns). Dies erforderte entweder die Einbringung der Mitunternehmeranteile an der OT KG oder der Anteile an der OG GmbH in eine organschaftlich nicht angebundene Kapitalgesellschaft (oder auch einen Formwechsel der OT KG oder eine Option der OT KG nach § 1a KStG der OT KG zum 1.1.2022). Diese Maßnahmen waren grundsätzlich nach § 20 bzw. § 21 UmwStG zu Buchwerten möglich, ohne dass der Ausgleichsposten aufzulösen wäre. Der Ausgleichsposten war vielmehr bei Fortführung der Organschaft vom übernehmenden Rechtsträ-

23 Vgl. zum Anteilstausch bei Verschmelzung UmwSt.-Erlass, Rz. 13.06. 24 Vgl. UmwSt.-Erlass, Rz. Org. 21. 25 Vgl. UmwSt.-Erlass, Rz. Org. 16 iVm. Org. 05.

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ger fortzuführen.26 Allerdings ist zu beachten, dass der passive Ausgleichsposten den Buchwert der Mitunternehmeranteile minderte. Soweit dies nicht durch den Buchwert des sonstigen Vermögens der OT KG kompensiert wurde, kam es bei der Einbringung der Mitunternehmeranteile gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG zwingend zur Gewinnrealisierung. Im Ergebnis entscheidend war allerdings die Auswirkung des passiven Ausgleichspostens bei der übertragenden OT KG (bzw. den Gesellschaftern A und B). Fraglich ist dabei, ob einer solcher Ausgleichsposten auch auf der Ebene des Einbringenden fortzuführen ist. Würde man eine Verdoppelung des Ausgleichspostens annehmen,27 käme es bei der OT KG unverändert zu einem zu 60 % steuerpflichtigen Umstellungsgewinn. Nach unserem Verständnis der Verwaltungsauffassung kommt es allerdings beim umwandlungsbedingten Übergang des Ausgleichspostens zu keiner Verdoppelung, dh. bei der einbringenden OT KG verbleibt kein Ausgleichsposten. Wenn die Organschaft bereits vor dem 31.12.2021 beendet wurde, war zu beachten, dass dann eine Fortführung des Ausgleichspostens bei einer Umwandlung nach Verwaltungsauffassung nicht möglich war. Die Org.Rz. des UmwSt.-Erlasses lassen einen Übergang des Ausgleichspostens auf den Übernehmer nämlich – ohne dies ausdrücklich zu begründen28 – nur dann zu, wenn ein bestehendes Organschaftsverhältnis vom Übernehmer fortgesetzt wird. Beispiel: Sachverhalt wie oben. A und B übertragen die Mitunternehmeranteile an der OT KG unentgeltlich auf eine Familienstiftung.

Eine solche Übertragung erfolgt gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG zu Buchwerten.29 Wenn dadurch auch der passive Ausgleichsposten auf die Stiftung übergeht, wäre auf den nachfolgend erzielten Umstellungsgewinn § 8b Abs. 2 KStG anzuwenden. Eine Auflösung des Ausgleichspostens bei der AB KG gem. § 14 Abs. 4 Satz 5 KStG aF wegen des Vorliegens eines ver26 Vgl. zur Ausgliederung UmwSt.-Erlass, Rz. Org. 08 iVm. Org. 05. 27 So Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die KSt., Anh. 1 UmwStG Rz. 77. 28 Vgl. hierzu Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 721. 29 Vgl. BMF v. 20.11.2019 – IV C 6 - S 2241/15/10003 – DOK 2019/0964762, BStBl. I 2019, 1291 Rz. 3.

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äußerungsgleichen Vorgangs ist trotz der Tatsache, dass die dortige Aufzählung der Ersatzrealisationstatbestände nicht abschließend ist, bei einer unentgeltlichen Übertragung fraglich. Auch ein Gestaltungsmissbrauch iSd. § 42 AO dürfte jedenfalls bei einer dauerhaften Übertragung auf die Stiftung nicht vorliegen.

II. Optionsmodell und Organschaft Eine Personenhandelsgesellschaft, die den Antrag nach § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG stellt, wird für Zwecke der Ertragsbesteuerung wie eine Kapitalgesellschaft behandelt. Sämtliche Regelungen, die für Kapitalgesellschaften gelten, kommen demnach für die optierende Gesellschaft zur Anwendung, so zB § 8b KStG für Erträge und Aufwendungen aus Anteilen an Kapitalgesellschaften. Die optierende Gesellschaft kann daher auch unter den gleichen Voraussetzungen wie eine Kapitalgesellschaft Organträger sein (dh. insbes. auch ohne die für Personengesellschaften nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG erforderliche originäre gewerbliche Tätigkeit).30 Wie bei einem Formwechsel einer OT-Personengesellschaft wird eine bestehende Organschaft ohne Unterbrechung und ohne Beginn einer neuen Mindestvertragsdauer iSd. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG fortgesetzt. Da die optierende Gesellschaft gem. § 1a KStG wie eine Kapitalgesellschaft zu behandeln ist, ist sie als „andere Kapitalgesellschaft“ iSd. des § 17 KStG anzusehen.31 Die Eignung der optierten Gesellschaft als Organgesellschaft wird dennoch von der FinVerw. verneint.32 Sie begründet dies damit, dass bei einer Personengesellschaft gesellschaftsrechtlich keine Eintragungspflicht für den Gewinnabführungsvertrag bestehe und es auch nicht zu einer unternehmensvertraglichen Überlagerung des Gesellschaftsstatuts komme.33

30 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 55. 31 Vgl. Bochmann/Bron, NZG 2021, 613 (615); Liekenbrock, DB 2021, 2111 (2112); aA Levedag, DStR 2021, Beihefter zu Heft 41, 17. 32 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 56; ebenso Schießl in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 1a KStG Rz. 57. 33 Vgl. OLG München v. 8.2.2011 – 31 Wx 2/11, ZIP 2011, 526 = GmbHR 2011, 376.

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Unabhängig davon, wie diese Frage gesellschaftsrechtlich zu beantworten ist, kommt es darauf für die Begründung einer Organschaft jedoch nicht an. Entscheidend ist allein, ob ein Gewinnabführungsvertrag mit einer Personenhandelsgesellschaft als abhängiger Gesellschaft wirksam abgeschlossen werden kann.34 Denn § 17 KStG setzt nur voraus, dass sich die andere Kapitalgesellschaft „wirksam verpflichtet“, ihren ganzen Gewinn abzuführen. Wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 17 KStG (insbes. dynamischer Verweis auf § 302 AktG) erfüllt sind, führt somit auch ein wirksamer Gewinnabführungsvertrag mit der optierenden Personenhandelsgesellschaft, der nicht im Handelsregister eingetragen ist, zur Begründung einer Organschaft.

34 Zur Zulässigkeit vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht9, Vor § 291 AktG Rz. 12.

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Steuerliche Vorgaben für die Finanzierung im Konzern Dr. Stefan Greil Berlin Prof. Dr. Xaver Ditz Steuerberater, Bonn I. Einleitung II. Notwendigkeit der Besicherung von Darlehen im Konzern 1. Vorgaben aus der Rechtsprechung 2. Ansicht der Finanzverwaltung a) Konzernrückhalt b) Berücksichtigung von Sicherheiten

III. Wirtschaftliche Notwendigkeit der Fremdfinanzierung IV. Bestimmung angemessener Zinssätze – Preisvergleichsmethode als Grundsatz V. Besonderheiten bei Finanzierungsgesellschaften VI. Besonderheiten bei Cash Pools VII. Fazit

I. Einleitung Konzerninterne Finanzierungsbeziehungen1 sind sowohl für die Stpfl. als auch für die Steuerverwaltungen weltweit von hoher praktischer Bedeutung. Zum einen sind sie ein Vehikel, um die Liquidität im Konzern sicherzustellen, zum anderen können sie zur steuerlichen Strukturierung eingesetzt werden, was mit Steuerausfallrisiken für die Staaten einhergehen kann. Demnach werden sie auch in Betriebsprüfungen regelmäßig aufgegriffen und bewertet. Vor diesem Hintergrund wird vorliegend analysiert, unter welchen Umständen eine Finanzierungsbeziehung als Fremdfinanzierung zu werten ist, die auch dem Grunde nach als solche anerkannt wird und welche Maßstäbe bei der konzerninternen Darlehensvergabe hinsichtlich der 1 Damit sind nicht nur Finanzierungsbeziehungen zwischen Konzerngesellschaften iSd. § 18 AktG gemeint, sondern es geht darüber hinaus und umfasst Finanzierungsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen, insbes. iSd. § 1 Abs. 2 AStG.

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Besicherung und der Verzinsung zu beachten sind. Ferner werden Besonderheiten bei Finanzierungsgesellschaften und beim Cash-Pooling beleuchtet. Anlass dazu geben mitunter neue Vorgaben aus der Rspr. sowie neue Schreiben der FinVerw.

II. Notwendigkeit der Besicherung von Darlehen im Konzern 1. Vorgaben aus der Rechtsprechung Bereits 1994 hatte der BFH entschieden, dass die Besicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs bei Darlehensforderungen zwischen Konzerngesellschaften in den Einflussmöglichkeiten des beherrschenden Gesellschafters liege.2 Dies hatte der BFH auch später im Rahmen seiner sog. Sperrwirkungsrechtsprechung3 nochmals bestätigt, als er entschieden hatte, dass es bei Darlehen zwischen Konzerngesellschaften aufgrund des Konzernrückhalts möglich sei, auf die Vereinbarung tatsächlicher Sicherheiten zu verzichten.4 Diese Rspr. hat der BFH inzwischen jedoch geändert. So hat er in seiner Leitentscheidung v. 27.2.2019 (Az. I R 73/16) entschieden, dass der Rückhalt im Konzern nicht mehr als faktische Besicherung eines Gesellschafterdarlehens fungieren kann.5 Der Rückhalt im Konzern beschreibe lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung und bringe „die Üblichkeit zum Ausdruck, innerhalb eines Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern.“6 Die Zugehörigkeit zu einem Konzern vermag also keine fremdübliche Sicherheit vermitteln. Nach dieser neuen Rspr. können Gesellschafterdarlehen also grundsätzlich nur noch dann fremdüblich sein, wenn sie rechtlich (etwa durch Garantie-, Patronats- oder Bürgschaftserklärung) abgesichert sind oder nachgewiesen wird, dass auch fremde Dritte im je2 Vgl. BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, BFHE 176, 571 = GmbHR 1995, 908 = FR 1995, 476. 3 Vgl. dazu Ditz/Licht/Linnemann, ISR 2022, 101. 4 Vgl. BFH v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258 = FR 2016, 481 = GmbHR 2015, 1107 m. Anm. Roser. 5 Siehe hier und im Folgenden BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BStBl. II 2019, 394 = FR 2019, 526 = GmbHR 2019, 725 m. Anm. Breuninger = ZIP 2019, 1066. 6 BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BStBl. II 2019, 394 Rz. 13 = FR 2019, 526 = GmbHR 2019, 725 m. Anm. Breuninger = ZIP 2019, 1066 Siehe dazu grundlegend Greil, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2018/2019, 947 (963 ff.); Greil/Wargowske, IStR 2016, 272.

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weiligen Einzelfall auf eine Besicherung verzichtet hätten. Anderenfalls stehe die fehlende Besicherung nicht im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz, da ein fremder Dritter die Darlehensgewährung von der Einräumung werthaltiger Sicherheiten abhängig gemacht hätte. Die fehlende Besicherung stelle zudem eine Bedingung iSv. § 1 Abs. 1 AStG dar. Es entsteht damit der Eindruck, dass der BFH die Nichtbesicherung einer Forderung per se als fremdunüblich ansieht.7 Gegen das BFH-Urteil v. 27.2.2019 mit dem Az. I R 73/16 wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt.8 In seinem Beschluss v. 4.3.2021 kritisierte das BVerfG den BFH dann insbes. für die nicht nachvollziehbare Herleitung, dass das Darlehen zwischen fremden Dritten nur bei Einräumung eines vollwerthaltigen Sicherungsrechts gewährt worden wäre.9 In der Folge konkretisierte der BFH seine vorherigen Ausführungen dann insoweit, dass keine Vollbesicherung erforderlich sei und dass die Besicherung auch nicht banküblich, sondern lediglich marktüblich sein müsse.10 So heißt es auch schon in der Entscheidung mit dem Az. I R 51/17 etwa, dass zum Begriff der Bedingung „im gewöhnlichen Geschäftsverkehr üblicherweise auch Vereinbarungen über ggf. zu stellende Sicherheiten zu rechnen“ sind.11 Dies zeigt, dass eine fehlende Besicherung nach Ansicht des BFH nicht in jedem Fall dem Fremdvergleichsgrundsatz widerspricht, sondern dass es für die Frage, ob der Fremdvergleichsgrundsatz gewahrt ist, entschei7 Vgl. Gosch, DStR 2019, 2443; Tcherveniachki/Haverkamp, Ubg. 2019, 558; Ditz in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 94.10. 8 Bemerkenswert ist an dieser Stelle außerdem, dass ein anderes Urteil zu dieser Thematik (BFH v. 19.6.2019 – I R 32/17, GmbHR 2020, 292) aufgehoben wurde und damit unwirksam ist (BFH v. 3.3.2021 – I R 32/17). Grund war, dass die Unterschriften der bei der Entscheidungsfindung mitwirkenden Richter nicht den Text des Urteils abdeckten, das den Beteiligten zugestellt worden ist. Dies geht auf eine vom damaligen Senatsvorsitzenden veranlassten Änderung des Urteilsentwurfs zurück, der den übrigen am Urteil mitwirkenden Richtern nach ihrer Unterschrift nicht mehr zur Kenntnis gebracht worden ist. Die Unterschriften dieser Richter deckten somit nicht den Text des Urteils ab. Die mündliche Verhandlung wurde daraufhin wieder eröffnet und der BFH hat dann neu entschieden (BFH v. 9.6.2021 – I R 32/17, ZIP 2022, 1380 = GmbHR 2022, 216 = DB 2021, 2673). 9 Vgl. BVerfG v. 4.3.2021 – 2 BvR 1161/19, FR 2021, 637 = DStR 2019, 777. 10 Vgl. BFH v. 9.6.2021 – I R 32/17, GmbHR 2022, 216 = ZIP 2022, 1380 = DB 2021, 2673 Rz. 33. 11 Vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 51/17, BStBl. II 2020, 440 Rz. 13 = GmbHR 2019, 1200.

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dend auf die konkreten Umstände im jeweiligen Einzelfall ankommt. Generell gilt allerdings, dass eine fehlende Besicherung nicht zu einem fremdunüblichen Anstieg des Zinssatzes führen darf. Mithin besteht hier kein Automatismus in der Form der fehlenden Sicherheit und einem Anstieg des Zinses. Die neue Sicht des BFH, mit der dieser vertritt, dass der Konzernrückhalt nicht mehr als faktische Besicherung eines Gesellschafterdarlehens fungieren kann, geht letztlich an der wirtschaftlichen und rechtlichen Realität eines Konzerns vorbei,12 spiegelt allerdings den Fremdvergleich, der die Konzernrealität zumindest in Teilen ausblendet, um das Handeln voneinander unabhängiger Dritter zu reflektieren. Beherrscht bspw. die Muttergesellschaft ihre Tochtergesellschaft, dann hat sie damit einen unmittelbaren Einfluss auf ihre Geschäfts- und Finanzierungspolitik. Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zu einer Finanzierungsbeziehung zwischen unverbundenen Unternehmen.13 Die Beherrschung sollte jedoch keinen Einfluss auf den Fremdvergleich haben: Bei der Durchführung des Fremdvergleichs wird zwar vom Nahestehen abstrahiert, aber gleichwohl weiterhin unterstellt, dass das Darlehen nehmende Unternehmen zu einem Konzern gehört. Wird also das Nahestehen hinfort gedacht und unterstellt, ein fremder Dritter gebe einer zu einem Konzern zugehörigen Gesellschaft ein Darlehen, so mangelt es diesem Darlehensgeber aber an der Möglichkeit der Einflussnahme (auf die Geschäfts- und Finanzierungspolitik). Daher kann eine solche Möglichkeit der Einflussnahme in der Konsequenz keine unmittelbare Auswirkung auf den fremdüblichen Zinssatz haben. Im Fremdvergleich wird demnach mitunter nicht berücksichtigt, dass aufgrund der Beteiligungsstrukturen im Konzern schlicht andere Bedingungen vorherrschen, als dies bei einer Finanzierung zwischen fremden Dritten der Fall ist. Insbesondere ist fraglich, weshalb etwa ein Alleingesellschafter zusätzliche Sicherheiten verlangen sollte, wenn sich das Vermögen der Gesellschaft bereits vollständig in seinem Eigentum befindet.14 In den OECD-Verrechnungspreisleitlinien wird jedoch eine Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes herangezogen, die den Konzerngedanken im Fremdvergleich in Teilen berücksichtigt, um die Realität besser

12 So auch Gosch, DStR 2019, 2443. 13 Vgl. Ditz/Linnemann/Licht, ISR 2022, 101. 14 Vgl. auch Köhler, DStR 2020, 838.

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abbilden zu können. So kann ein verbundenes Unternehmen allein aufgrund seiner Konzernzugehörigkeit ein höheres Kreditrating aufweisen (Tz. 7.13) und die Stellung von Sicherheiten kann im Fall, dass eine Muttergesellschaft über Kontroll- und Eigentumsrechte verfügt, weniger relevant sein (Tz. 10.56). Auch der deutsche Gesetzgeber und die deutsche Steuerverwaltung legen eine vergleichbare Auslegung an den Tag. So führt bspw. § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG aus, dass in Konzernkonstellationen grundsätzlich keine Informationsasymmetrien wie zwischen fremden Dritten vorherrschen. Die Verwaltung führt in ihren VWG VP v. 14.7.202115 zB in Tz. 3.4 aus, dass nicht die Gewinne zu ermitteln sind, die der Stpfl. erzielt hätte, wenn er gänzlich unabhängig gewesen wäre, sondern diejenigen, die er als ein einer Unternehmensgruppe zugehöriges Unternehmen bei Vereinbarung von Bedingungen wie zwischen voneinander unabhängigen Dritten erzielt hätte. Der BFH scheint dies in Teilen zu berücksichtigen. In seinem Urteil v. 18.5.2021 mit dem Az. I R 4/17 stellt er zwar auf die Bonität der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft ab. Er führt aber auch im Einklang mit den OECD-Verrechnungspreisleitlinien aus, dass ein Konzernrückhalt positiv – bei der Bestimmung des Ausfallrisikos und damit beim Rating – zu berücksichtigen sein kann.

2. Ansicht der Finanzverwaltung a) Konzernrückhalt Im Schreiben v. 29.3.2011 hatte die FinVerw. noch vertreten, dass der Rückhalt im Konzern als faktische, fremdübliche Sicherheit zum Tragen komme, wenn keine tatsächlichen Sicherheiten gestellt werden und dem Fehlen einer tatsächlichen Sicherheit auch nicht durch einen angemessenen Risikozuschlag auf den Zinssatz Rechnung getragen wurde.16 Das genannte BMF-Schreiben wurde mit den VWG VP v. 14.7.2021 indes explizit aufgehoben bzw. von diesem abgelöst.17 Nach den neuen VWG VP v. 14.7.2014 (Rz. 3.94) stellt der Konzernrückhalt keine rechtlich durchsetzbare Sicherheit dar; er kann auch nicht ersatzweise hierfür 15 BMF v. 14.7.2021 – IV B 5 - S 1341/19/10017:001 – DOK 2021/0770780, BStBl. I 2021, 1098. 16 Vgl. BMF v. 29.3.2011 – IV B 5 - S 1341/09/10004 – DOK 2011/0203248, BStBl. I 2011, 277. 17 Vgl. BMF v. 14.7.2021 – IV B 5 - S 1341/19/10017:001 – DOK 2021/0770780, BStBl. I 2021, 1098.

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herangezogen werden. Die FinVerw. schließt sich damit der neuen Rspr. des BFH an, wonach der Konzernrückhalt „lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung und […] die Üblichkeit zum Ausdruck [bringt], innerhalb eines Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter fremden Dritten abzusichern […]“.18 Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass sich die Verwaltung schon mit der Veröffentlichung des BFH Urteils v. 27.2.2019 (Az. I R 73/16) dieser Ansicht des BFH angeschlossen hat. Der Konzernrückhalt habe jedoch bei der Bestimmung der subjektiven Ausfallwahrscheinlichkeit des Darlehensnehmers eine Bedeutung, so dass er sich faktisch auf dessen Bonität auswirkt. Auch wenn der Konzernrückhalt damit keine rechtlich durchsetzbare Sicherheit ist, ist er bei der Ermittlung angemessener Zinssätze doch zu berücksichtigen. Je bedeutender ein Darlehensnehmer für die Unternehmensgruppe ist, desto eher würde er von ihr gestützt werden. Auch diese Passage der VWG VP (Rz. 3.94) lässt somit im Einklang mit den OECD-Verrechnungspreisleitlinien erkennen, dass der Konzernrückhalt nach Sicht der FinVerw. bei der Bestimmung angemessener Zinssätze zu berücksichtigen ist. Daraus kann auch geschlossen werden, dass ein Konzernrating zur Ermittlung angemessener Zinssätze anhand der Preisvergleichsmethode – zB abgeleitet aus dem Vergleich von Industrieanleihen – sachgerecht ist. Nach Auffassung der FinVerw. ist indes gleichwohl der „jeweilige Einzelfall sachgerecht zu prüfen“ und sind damit das Ausmaß und die Auswirkungen des Konzernrückhalts im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen. Dies kann jedoch zur Rechtsunsicherheit und zu Streitigkeiten zwischen Stpfl. und Verwaltung beitragen. Denn es ist zwar grundsätzlich darin zuzustimmen, dass (auch) Verrechnungspreisfragen unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen sind, was auch dem Stpfl. die Möglichkeit eröffnet, alle Besonderheiten „seines“ Falls in die Waagschale werfen zu können, um diesen einer „einzelfallgerechten“ Lösung zuzuführen. Gleichzeitig besteht aber eine gewisse Rechtsunsicherheit, wenn sich die FinVerw. nicht an eine konkrete Herangehensweise bindet.19 Jedoch wurde von der Beraterschaft20

18 Vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BStBl. II 2019, 394 Rz. 13 = FR 2019, 526 = GmbHR 2019, 725 m. Anm. Breuninger = ZIP 2019, 1066; s. dazu iE Ditz in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 94.11. 19 Vgl. zum Spannungsverhältnis von Einzelfallgerechtigkeit und Willkürfreiheit Kuhner, BFuP 2001, 523. 20 S. bspw. Stellungnahme der BStBK v. 10.12.2020 zum AbzStEntlModG.

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und der deutschen Wirtschaft21 die Einführung eines § 1a AStG-E, der insoweit eine eindeutige und konkrete Vorgehensweise vorsah, abgelehnt. So sei eine „einseitige Positionierung Deutschlands“, die „auf dem Rücken der Unternehmen“ erfolge, abzulehnen. In Anbetracht dessen hat sich die Verwaltung für einen Weg im internationalen Einklang entschieden, der vom Einzelfall abhängig ist. Während die FinVerw. daher auch im Einklang mit den OECD-Verrechnungspreisleitlinien (Tz. 10.81 f.) ein Konzernrating für möglich erachtet (Rz. 3.94 VWG VP), lehnt der BFH ein solches in seiner Entscheidung v. 18.5.2021 grundsätzlich ab. Der Fremdvergleich verlange das „Wegdenken“ der Nahestehensbeziehung.22 Folglich sei auf ein Einzelrating (Stand-alone-Rating) abzustellen, wobei die Effekte der Konzernzugehörigkeit durchaus Berücksichtigung finden könnten. Konkrete Vorgaben dazu, wie das Rating vorzunehmen ist, machen indes weder die FinVerw. noch der BFH. Eine genaue Beschreibung, wie das Ausmaß und die Auswirkungen des Konzernrückhalts im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen sind, ist kaum sachgerecht leistbar; erst recht nicht, wenn im internationalen Kontext keine detaillierteren Leitlinien dafür existieren. Entsprechend ist auf best practice und wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse in diesem Bereich abzustellen, was im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz ist. Damit sollten auch vereinfachte, in der Praxis verbreitete und anerkannte Methoden zur Berücksichtigung der Bonität des Darlehensnehmers anzuerkennen sein. Auch gegen die Verwendung der Arbeitsergebnisse einer Rating-Agentur wie etwa Standard & Poor’s, weil es sich um eine von der Marktpraxis angewendete und anerkannte Grundlage für die Bonitätsbeurteilung von Unternehmen handelt, dürfte grundsätzlich wenig sprechen. Das gilt selbst dann, wenn die von der Rating-Agentur verwendeten mathematischen Algorithmen und betriebswirtschaftlichen Kennzahlen nicht öffentlich bekannt sind.23 Allerdings gilt es insbes. zu beachten, dass die für das Rating verwandten Daten nicht durch Geschäfte mit nahestehenden Personen 21 S. bspw. Stellungnahme der acht Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATADUmsetzungsgesetz – ATADUmsG) v. 13.12.2019. 22 Vgl. BFH v. 18.5.2021 – I R 62/17, GmbHR 2022, 279 m. Anm. Dorn = ZIP 2021, 2445 = DB 2021, 2604 Rz. 12. 23 Vgl. BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, BFHE 273, 440 Rz. 63 = GmbHR 2022, 107 m. Anm. Andresen = ZIP 2021, 2385; s. ferner Tz. 10.72 ff. OECD-Verrechnungspreisleitlinien.

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verzerrt sind und bedürfen daher ggf. vorher einer Bereinigung (vgl. auch Tz. 10.75 OECD-Verrechnungspreisleitlinien). b) Berücksichtigung von Sicherheiten In Rz. 3.95 VWG VP trifft die FinVerw. Aussagen zur Rolle der Besicherung einer Darlehensforderung zwischen nahestehenden Personen. Dabei geht die FinVerw. davon aus, dass eine Besicherung grundsätzlich fremdüblich ist.24 Eine fehlende Besicherung kann indes in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls fremdüblich sein. Konkret erwähnt werden in diesem Kontext die folgenden Konstellationen: –

Verhalten der Unternehmensgruppe gegenüber fremden Dritten;



wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit, dh. Besicherung mit dem Ziel der Vereinbarung eines niedrigeren Zinssatzes;



realistisch zur Verfügung stehende Handlungsalternativen (Sicherheit wird anderweitig benötigt und steht folglich konzernintern nicht zur Verfügung);



Vorhandensein ausreichender Vermögenswerte, was für die Erwartung einer Befriedigung der Ansprüche sprechen soll;



Darlehenssumme (bei vergleichsweise geringen Summen soll nach Auffassung des BMF eine Besicherung offenbar verzichtbar sein);



Geschäftsstrategie des Darlehensgebers (grundsätzliche Risikofreude des Darlehensgebers in seiner gewöhnlichen Geschäftstätigkeit).

Mit anderen Worten erachtet die FinVerw. eine Besicherung somit als „Normalfall“. Fehlt es an einer Besicherung, kann dies im Einzelfall aber dennoch fremdüblich sein. Die FinVer. nennt dabei verschiedene Aspekte, die im Rahmen einer Gesamtschau von besonderer Bedeutung sein können und die insbes. gem. § 90 Abs. 3 AO aufzuzeichnen sind. In den OECD-Verrechnungspreisleitlinien finden sich entsprechende Gedanken (Tz. 10.29, 10.56, 10.58) und auch der BFH führt diese Aspekte in seinem Urteil v. 9.6.2021 (I R 32/17) aus.25 Die FinVerw. hat in diesem Zusammenhang aber auch wieder den Gedanken der Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschäfts- und Finanzierungspolitik (s.o. sowie Tz. 10.56 OECD-Verrechnungspreisleitlinien) eingebracht. So stellt sie auch auf die erwartete Befriedigung von An24 Vgl. Rz. 3.95 VWG VP. 25 Rz. 34.

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sprüchen ab. Damit hat die Einflussnahme des Gesellschafters eine mittelbare Konsequenz auf die Bestimmung eines fremdüblichen Zinssatzes. Damit wird auch sichergestellt, dass bspw. ein Alleingesellschafter keine zusätzlichen Sicherheiten verlangen muss, wenn sich das Vermögen der Gesellschaft bereits vollständig in seinem Eigentum befindet (s.o.).

III. Wirtschaftliche Notwendigkeit der Fremdfinanzierung Bei einer Finanzierung ist zunächst zu prüfen, ob es sich steuerlich um Eigen- oder Fremdkapital handelt. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob ein betrieblich veranlasstes und damit steuerlich anzuerkennendes Darlehen oder durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Einlagen vorliegen.26 Fremdkapital bzw. eine steuerlich anerkannte Darlehensforderung setzen dem Grunde nach voraus, dass die Beteiligten (iS einer ernsthaften Abrede) von einer Kapitalüberlassung auf Zeit ausgegangen sind und bei objektiver Würdigung der Gesamtumstände davon ausgehen konnten, dass der Darlehensvertrag durchgeführt wird, was bedeutet, dass das Darlehen unter den vereinbarten Bedingungen zurückgezahlt wird.27 Maßgebend sind dabei stets die Gesamtumstände. Weichen einzelne Kriterien (wie etwa eine fehlende Besicherung) von den üblichen Merkmalen eines Darlehens ab, führt dies nicht unmittelbar zur Annahme von Eigenkapital. Damit ein Darlehensverhältnis und daraus resultierende Zinszahlungen als fremdüblich anerkannt werden können, muss nach Ansicht der FinVerw. allerdings noch hinzukommen, dass die Finanzierung „auch wirtschaftlich benötigt“ worden ist.28 In diesem Zusammenhang führt die FinVerw. aus, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter am Markt kein Fremdkapital aufnehmen würde, wenn damit nicht wenigstens eine begründete Aussicht auf eine Rendite besteht, die die Finanzierungskosten deckt. Weiter heißt es schließlich, dass die Verwendung des Fremdkapitals „im Einklang mit dem Unternehmenszweck stehen“ soll. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wird bemüht sein, das Kapital für den Unternehmenszweck einzusetzen und nicht als

26 Vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BStBl. II 2019, 394 Rz. 10 = FR 2019, 526 = GmbHR 2019, 725 m. Anm. Breuninger = ZIP 2019, 1066. 27 Vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BStBl. II 2019, 394 = FR 2019, 526 = GmbHR 2019, 725 m. Anm. Breuninger = ZIP 2019, 1066. 28 Vgl. hier und im Folgenden Rz. 3.91 VWG VP.

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Anlage auf dem Tagesgeldkonto oder in einem konzerninternen Cash Pool zu verwenden. Die neue Position der FinVerw. ist aus Beratersicht zu weitgehend, wenngleich auch in den Tzn. 10.4 ff., insbes. Tz. 10.12 und 10.13 sowie Tz. 10.19 OECD-Verrechnungspreisleitlinien eine Prüfung der Schuldenaufnahmefähigkeit vorgesehen ist und die Perspektiven aller am Geschäftsvorfall beteiligten Unternehmen berücksichtigt werden sollen.29 Die Erläuterungen in Rz. 3.91 VWG VP gehen jedoch aus Beratersicht über die Position der OECD hinaus und erinnern an die Zinsabzugsbeschränkung gem. § 1a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AStG-E, die im Referentenentwurf des ATADUmsG v. 10.12.2019 noch vorgesehenen war, im ATADUmsG v. 25.6.202130 aber letztlich nicht umgesetzt wurde. Nach dieser Vorschrift sollten (Zins-)Aufwendungen korrigiert, dh. nicht zum Abzug zugelassen werden, wenn der Stpfl. nicht darlegen kann, dass (1) er den Kapitaldienst (Zins und Tilgung) für die gesamte Darlehenslaufzeit von Anfang an hätte erbringen können, sowie (2) die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet wird.31 Bei fehlender wirtschaftlicher Notwendigkeit der Finanzierung sind die entsprechenden Zinszahlungen nach Ansicht der FinVerw. zu korrigieren, da die vereinbarten Bedingungen bereits „dem Grund nach“ nicht fremdüblich sind. Es geht damit aus Beratersicht nicht um die Korrektur von Verrechnungspreisen „der Höhe nach“, die dem § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG nach bisherigem Verständnis eigentlich immanent ist. Damit ist fraglich, ob dies mit Art. 9 Abs. 1 OECD-MA vereinbar ist, was der BFH in seiner neuen Rspr. jedoch bejaht hat, als er ausführte, dass Art. 9 OECD-MA nicht auf reine Preiskorrekturen beschränkt sei.32 In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass die OECD am 29.3.2021 einen Diskussionsentwurf zur Änderung des OECD-Muster-

29 In einem Beispiel beschreibt die OECD ein mittelempfangendes Konzernunternehmen, dessen Finanzprognosen eine Bedienung der Schuld unmöglich erscheinen lassen, so dass es zu einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital kommen soll. 30 Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. 31 Vgl. zu Einzelheiten Ditz/Bärsch/Engelen/Quilitzsch, DStR 2020, 73 (75 f.). 32 Vgl. nur BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BStBl. II 2019, 394 Rz. 19 ff. = FR 2019, 526 = GmbHR 2019, 725 m. Anm. Breuninger = ZIP 2019, 1066. Zu einem Überblick über die Rspr. vgl. auch Ditz in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 94.5.

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kommentars zu Art. 9 Abs. 1 veröffentlichte.33 In den geänderten bzw. neu eingefügten Passagen geht es vornehmlich darum, wie sich Art. 9 zu innerstaatlichen Regeln zur Einkünfteermittlung verhält.34 So enthielt die bisherige Nr. 3 des OECD-MK zu Art. 9 OECD-MA die Aussage, dass bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes in Bezug auf Darlehensverhältnisse auch die Frage zu entscheiden ist, ob eine als Darlehen gestaltete Transaktion tatsächlich als Darlehen oder als etwas anderes, insbes. als Einlage von Eigenkapital, zu behandeln ist. Die geplanten Änderungen heben diese Ansicht deutlicher hervor. Zudem werden die bisherigen Ausführungen zum Verhältnis von Art. 9 zu nationalen Unterkapitalisierungsregeln gestrichen und durch einen neuen Text ersetzt. Inhaltlich kommt dabei zum Ausdruck, dass der Maßstab für die Abgrenzung der Einkünfte zwischen verbundenen Unternehmen der Fremdvergleichsgrundsatz ist und die Staaten bei der Gestaltung von Einkünfteermittlungsregelungen frei sind, solange nicht gegen die Vorschriften des Gleichbehandlungsartikels des jeweiligen Abkommens verstoßen wird. Daher sind insbes. die im Abschlussbericht zu BEPS-Aktionspunkt 4 empfohlenen Regeln nicht durch Art. 9 Abs. 1 OECD-MA berührt. Aufgrund vorrangiger Arbeiten zum sog. Zwei-Säulen-Projekt35 wurden die vorgenannten Änderungen noch nicht finalisiert.

IV. Bestimmung angemessener Zinssätze – Preisvergleichsmethode als Grundsatz Nach den VWG 1983 war für die Bestimmung angemessener Zinssätze von Zinssätzen auszugehen, zu denen „Banken unter vergleichbaren Verhältnissen Fremden Kredite gewähren (Sollzins).“36 Gleichwohl sollten bei der Prüfung angemessener Zinsen alle Umstände des Einzelfalls (wie etwa die Kredithöhe und Laufzeit, Art und Zweck des Kredits, Sicherheiten und Kreditwürdigkeit des Schuldners, sowie auch sonstige Umstände der Kreditgewährung, wie zB die Verhältnisse auf den Kapitalmärkten) berücksichtigt werden. Derartige Umstände könnten es notwendig machen, andere Zinsen als die marktüblichen Sollzinsen heran33 https://www.oecd.org/tax/treaties/public-consultation-document-proposedchanges-to-commentaries-in-oecd-mtc-on-article-9.pdf. 34 Vgl. Flüchter, IStR 2021, 734. 35 Vgl. ua. Fehling/Koch, IStR 2021, 561. 36 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 4.2.1.

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zuziehen, sofern sich auch fremde Dritte an ihnen orientieren würden.37 Speziell für Waren- bzw. Lieferkredite war zudem vorgesehen, dass diese auch zinslos bzw. niedrig verzinst gewährt werden können, wenn dies aus betrieblichen Gründen erfolgt.38 Während in den VWG 1983 noch derartige Ausführungen zu finden waren, enthalten die aktuellen VWG VP keine konkreten Erläuterungen zur Bestimmung fremdüblicher Zinssätze. In diesem Kontext erfolgt vielmehr ein umfassender Verweis auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien, die als Anlage zu den VWG VP abgedruckt sind, so dass die dortigen Ausführungen zur Zinsbestimmung, die umfassender und präziser sind als die Ausführungen in den VWG 1983, zu beachten sind. Die OECD erkennt grundsätzlich verschiedene Methoden an: Zunächst sind dies die Preisvergleichsmethode und die „Kostenaufschlagsmethode“ (Geldbeschaffungskosten, Cost of funds). Die Preisvergleichsmethode stellt auf die tatsächlich zwischen fremden Dritten vereinbarten Preise ab. Im Rahmen der „Kostenaufschlagsmethode“ sind bei den Geldbeschaffungskosten auch etwaige Nebenkosten, eine Risikoprämie und eine Gewinnmarge zu berücksichtigen. Darüber hinaus kann für die Zinsbestimmung eine ökonomische Modellierung vorgenommen werden. Schließlich können auch Credit Default Swaps herangezogen und Bankauskünfte eingeholt werden. Dabei implizieren jedoch vor allem die beiden zuletzt genannten Ansätze große Unsicherheiten.39 Da die Verwaltung in den VWG VP keine konkreteren Ausführungen vorgenommen hat, orientiert sich die Verwaltung an den entsprechenden Ausführungen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Dabei sind selbstverständlich auch die Aussagen in den VWG VP zum Bereich „Verrechnungspreismethoden und Bewertungstechniken“ (Rz. 3.9 ff.) zu beachten. Aus der älteren Rspr. ergab sich in diesem Zusammenhang, dass in Refinanzierungsfällen der Sollzins des Darlehensgebers zzgl. eines angemessenen Aufschlags als angemessener Zinssatz für das konzerninterne Darlehen anzusehen ist.40 Erfolgt keine Refinanzierung, dh. hat die darlehensgewährende Gesellschaft selbst keinen Kredit aufgenommen, ist 37 38 39 40

Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 4.2.2. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 4.3.2. Vgl. insgesamt OECD-Verrechnungspreisleitlinien, Tz. 10.88 ff. Vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; FG Schl.-Holst. v. 28.5.2020 – 1 K 67/17, EFG 2021, 223 Rz. 50.

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der angemessene Zinssatz innerhalb der Bandbreite von Soll- und Habenzinsen zu bestimmen.41 Dabei ist der Ansatz des Mittelwerts der Bandbreite grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn nicht aus anderen Gründen (zB interner Preisvergleich) der Soll- oder der Habenzinssatz zur Anwendung kommt.42 Allerdings gilt es, auch an dieser Stelle die jüngste höchstrichterliche Rspr. zu berücksichtigen. So hat der BFH in seinem Urteil v. 18.5.2021 (I R 4/17) eine klare Präferenz für die Preisvergleichsmethode erkennen lassen, die er als „Grundmethode“ erachtet,43 wobei er auch festhält, dass es „im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich Sache des FG [ist], die im Einzelfall geeignetste Methode zu bestimmen.“44 Die Preisvergleichsmethode kann somit auch dann angewendet werden, wenn die betrachteten Leistungsbeziehungen nicht vollständig identisch sind.45 Dabei soll die Preisvergleichsmethode laut BFH möglichst aus konkret festgestellten Vergleichswerten abgeleitet werden. Der Vergleichswert kann mittels eines internen Preisvergleichs (zB mit bestehenden Bankkrediten der Konzerngesellschaften) oder eines externen Preisvergleichs (zB anhand von Statistiken der Bundesbank oder anderer Datenbanken) bestimmt werden.46 Der BFH verweist in diesem Zusammenhang richtigerweise auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien, wonach bei Anwendbarkeit mehrerer Verrechnungspreismethoden die Preisvergleichsmethode Vorrang genießt. Zugleich unternimmt der BFH fälschlicherweise keine vollständige Vergleichbarkeitsanalyse, zu der auch eine umfassende Funktions- und Risikoanalyse gehört (vgl. Rz. 3.19 Buchst. b VWG VP).

41 Vgl. FG Schl.-Holst. v. 28.5.2020 – 1 K 67/17, EFG 2021, 223 Rz. 50. 42 Kritisch zur Mittelwertbetrachtung s. Baumhoff in Mössner ua., Besteuerung international tätiger Unternehmen4, Rz. 4.380; Bogenschütz, Ubg. 2014, 161; Gosch in Gosch, KStG4, § 8 Rz. 693. 43 Vgl. BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, BFHE 273, 440 = GmbHR 2022, 107 m. Anm. Andresen = ZIP 2021, 2385 unter IV. 3. b aa mit Verweis auf Baumhoff in Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 5.5; Kußmaul/Ruiner, IStR 2010, 605. 44 BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, BFHE 273, 440 Rz. 31 = GmbHR 2022, 107 m. Anm. Andresen = ZIP 2021, 2385. Siehe in diesem Zusammenhang auch Rz. 46 und Rn. 71 der Verwaltungsgrundsätze 2020 (BMF v. 3.12.2020 – IV B 5 - S 1341/19/10018:001 – DOK 2020/1174240, BStBl. I 2020, 1325. 45 Vgl. auch BFH v. 18.5.2021-I R 62/17, GmbHR 2022, 279 m. Anm. Dorn = ZIP 2021, 2445 = DB 2021, 2604 unter II.3.b mit Verweis auf Bärsch/Engelen, IStR 2018, 122; Ebeling/Grundmann/Nolden, IStR 2018, 581. 46 Vgl. BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, BFHE 273, 440 Rz. 35 = GmbHR 2022, 107 m. Anm. Andresen = ZIP 2021, 2385.

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Bemerkenswert an dem Urteil ist darüber hinaus, dass der BFH insoweit auf die aktuellen OECD-Verrechnungspreisleitlinien vom Juli 2017 (inzwischen aktuell vom Januar 2022) verweist, obwohl nach der stRspr. des BFH (eigentlich) die Fassung des OECD-MK maßgebend ist, der im Zeitpunkt des Abschlusses des betreffenden DBA gültig war (statische Auslegung).47 Damit ist insoweit unklar, ob hieraus zu folgern ist, dass der BFH von der statischen Auslegung von DBA abrückt oder der BFH den Fremdvergleichsgrundsatz, der vor allem auf der Anwendung von ökonomischen Prinzipien basiert, zeit- und kontextabhängig auslegt, ohne dabei eine Differenzierung zwischen dynamischer und statischer Auslegung zu treffen48. Die weitere Rspr. bleibt insoweit abzuwarten. Der BFH weist die von der Vorinstanz des FG Münster49 noch vertretene Ansicht zurück, dass ein externer Preisvergleich mangels vergleichbarer Leistungsbeziehungen und Bedingungen mit Banken nicht möglich sei. Auch wenn eine konzerninterne Finanzierungsgesellschaft nicht vollumfänglich mit einer Bank vergleichbar ist, bedeutet das nicht, dass damit ein Preisvergleich nicht möglich wäre. Denn der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter der darlehensaufnehmenden Konzerngesellschaft hat zu entscheiden, ob er zu seiner Finanzierung auf ein Darlehen des Gesellschafters bzw. eines verbundenen Unternehmens zurückgreift oder ob er das Darlehen am Markt von einer Bank aufnimmt. Dies zeigt die für den Fremdvergleich maßgeblichen Vergleichsumstände des Marktes, die bei der Bestimmung fremdüblicher Zinssätze zu beachten sind. Nach Ansicht des BFH ist der Fremdvergleich und die damit verbundene Anwendung der Preisvergleichsmethode auch dann maßgeblich, wenn der so bestimmte Zins höher oder niedriger als der Betrag ist, der sich bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode ergeben würde.50 Und schließlich führt der BFH weiter aus, dass sich fremde Dritte auch dann am Marktpreis orientieren würden, wenn dieser zu einer ungewöhnlich hohen Gewinnmarge führen würde. Denn der ordentliche undgewissenhafte Geschäftsleiter des Unternehmens, das die Leis-

47 Vgl. etwa zuletzt BFH v. 11.7.2018 – I R 44/16, FR 2020, 234 = DStR 2018, 2681, Rz. 16 mwN; s. dazu auch Ditz in Schönfeld/Ditz, DBA2, Art. 9 Rz. 39. 48 Vgl. VWG VP Rz. 2.3. 49 Vgl. FG Münster v. 7.12.2016 – 13 K 4037/13 K, F, EFG 2017, 334. 50 Vgl. BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, BFHE 273, 440 Rz. 36 = GmbHR 2022, 107 m. Anm. Andresen = ZIP 2021, 2385.

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tung empfängt, würde den Marktpreis akzeptieren, da er auf dem Markt keinen günstigeren Anbieter finden würde.51 Damit zeigt sich, dass aus Sicht des BFH die Preisvergleichsmethode iS eines Marktpreises losgelöst davon anzuwenden ist, welche Gewinnmarge durch die darlehensgewährende Konzerngesellschaft erwirtschaftet wird. Folgte man daher der Auffassung des BFH, käme es weder auf das tatsächliche Funktions- und Risikoprofil der darlehensgebenden Gesellschaft noch auf die Art und Weise der tatsächlichen Durchführung an, sondern nur noch auf den abgeschlossenen Darlehensvertrag. Der Preisvergleich würde dann nur noch als ein Vergleich von vereinbarten Darlehensbedingungen bestehen, bei dem Funktionen und Risiken entgegen anderen Transaktionsarten sowie entgegen internationalen Vereinbarungen (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA nachgebildeten Artikeln in DBA) und Grundsätzen (s. bspw. Tz. 10.23 OECD-Verrechnungspreisleitlinien; Rz. 3.19 VWG VP) grundsätzlich unerheblich wären bzw. nicht umfassend berücksichtigt werden.

V. Besonderheiten bei Finanzierungsgesellschaften Mit Blick auf die Frage der Anerkennung von Finanzierungsgesellschaften zeigt sich die FinVerw. – mit Verweis auf die Ausführungen der OECD – eher restriktiv. Verfügt eine Finanzierungsgesellschaft nicht über die Fähigkeit und die Befugnis, das Risiko von Investitionen in einen finanziellen Vermögenswert zu kontrollieren oder es zu tragen, soll ihr nur der Ersatz der eigenen Kosten (ohne Refinanzierungskosten, zzgl. Gewinnaufschlag) bzw. lediglich ein Entgelt bis zur Höhe einer risikolosen Rendite zustehen.52 Die FinVerw. sieht bei Finanzierungsgesellschaften zur Bestimmung eines angemessenen Zinssatzes somit grundsätzlich die Anwendung der „Kostenaufschlagsmethode“ vor. Grundlage sind dabei die nachgewiesenen und direkt zurechenbaren Betriebskosten; Refinanzierungskosten sind grundsätzlich nicht in die Kostenbasis mit einzubeziehen. Dieser Gedanke ist nicht neu. Denn er war bereits in § 1a Abs. 2 AStG idF des Referentenentwurfs des ATADUmsG v. 10.12.2019 enthalten;53 auch § 17 Abs. 2 BsGaV enthält eine ähnliche Regelung.

51 Vgl. BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, BFHE 273, 440 Rz. 37 = GmbHR 2022, 107 m. Anm. Andresen = ZIP 2021, 2385. 52 Vgl. Rz. 3.92 VWG VP. 53 Vgl. dazu kritisch Ditz/Bärsch/Engelen/Quilitzsch, DStR 2020, 73 (76).

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Greil/Ditz, Steuerliche Vorgaben für die Finanzierung im Konzern Beispiel gem. Rz. 3.92 VWG-VP: Die M-AG (ansässig im Inland) stattet die FinCo. (ansässig im Ausland) zu 100 % mit Eigenkapital aus. Die FinCo. leitet dieses Geld, ohne die Kontrolle oder Übernahme von Risiken, an die T-GmbH (ansässig im Inland) weiter. Das Entgelt für diese Tätigkeit beschränkt sich grundsätzlich auf die direkt zurechenbaren Betriebskosten, wie etwa den Personaleinsatz. Die Refinanzierungskosten sind begrenzt auf die risikofreie Rendite. Mithin ist es fremdunüblich, wenn die FinCo. der T-GmbH einen Zinssatz in Rechnung stellt, der über den risikofreien Zins hinausgeht.

Ausweislich der Entscheidung v. 18.5.2021 (I R 4/17) ist für den BFH der Ausgangspunkt für die Risikoanalyse im Rahmen des Fremdvergleichs das aus dem konkret abgeschlossenen Vertrag sich ergebende Leistungsgefüge und das Verhältnis der Vertragsparteien.54 Trägt danach der Darlehensgeber das Kreditausfallrisiko, besteht kein Grund dafür, den Darlehenszins zu reduzieren. Allenfalls wäre eine „Gebühr“ denkbar, die der Darlehensgeber für den finanziellen Rückhalt an die Konzernobergesellschaft (im Beispiel: M-AG) weiterleiten muss. Letztendlich stärkt der BFH damit die Bedeutung der vertraglichen Abrede zwischen den Parteien und die Anwendung der Preisvergleichsmethode als „Regelmethode“ und scheint sogleich die Bestrebungen aus dem BEPS-Projekt zu ignorieren.55 Dies gilt laut BFH auch dann, wenn der in Anwendung der Preisvergleichsmethode bestimmte konzerninterne Zins „zu einer ungewöhnlich hohen Gewinnmarge“ führt.56 Damit ist der Sicht der FinVerw. in Rz. 3.92 VWG VP die Grundlage entzogen, obwohl diese Sichtweise dem Art. 9 Abs. 1 OECD-MA zugrunde liegt. Sinn und Zweck von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA ist es, dass Gewinne in dem Staat besteuert werden sollen, wo sie wirtschaftlich entstehen bzw. dort, wo die Rendite für die getätigte Investition erzielt wird. Entsprechend herrscht ein internationaler Konsens darüber, dass (Finanzierungs-)Gesellschaften, die ein kaum ausgeprägtes Funktions- und Risikoprofil aufweisen, eine nur sehr geringe Vergütung für die Übernahme ihrer Tätigkeiten erhalten sollen (s. auch Tz. 10.23 ff. OECD-Verrechnungspreisleitlinien). Der BFH scheint 54 BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, BFHE 273, 440 = GmbHR 2022, 107 m. Anm. Andresen = ZIP 2021, 2385 unter IV. 4. a. 55 Vgl. Martini/Greil/Böing/Rasch, Ubg. 2021, 715. 56 BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, BFHE 273, 440 Rz. 56 = GmbHR 2022, 107 m. Anm. Andresen = ZIP 2021, 2385. Damit weist der BFH die Entscheidung der Vorinstanz, die auch in der Literatur auf Kritik gestoßen ist (vgl. Ditz/Engelen, Ubg. 2017, 440 ff.) zurück; vgl. FG Münster v. 7.12.2016 – 13 K 4037/13 K, F, EFG 2017, 334.

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dies jedoch auch zu akzeptieren, da er in seinem Urteil auch ausführt, „dass im Rahmen eines konzernweiten Fremdvergleichs die Finanzierungsgesellschaft einen Teil der vereinnahmten Zinserträge als ‚Gebühr‘ für den finanziellen Rückhalt an die Konzernspitze weiterleiten müsste, so dass bei ihr im Ergebnis nur noch ein Anspruch auf risikofreie Rendite verbleibt.“57 Er beschreitet lediglich einen anderen Weg, um wohl zum selben Ziel zu gelangen.

VI. Besonderheiten bei Cash Pools Bei der Beurteilung von Cash Pool-Vereinbarungen vertritt die Verwaltung die insoweit eindeutige Position, dass die Rolle des Cash Pool-Leiters idR als funktions- und risikoarme Dienstleistung anzusehen ist, die auf Basis der Kostenaufschlagsmethode mit einem Gewinnaufschlag auf die direkt zurechenbaren Kosten iHv. 5–10 % zu vergüten ist. Gleichwohl kann (je nach konkretem Funktions- und Risikoprofil) auch eine abweichende Einordnung dieser Tätigkeit und damit der Vergütung des Cash Pool-Leiters anzuerkennen sein.58 Positiv zu werten ist, dass die Verwaltung durch die klare Benennung einer Methode und Verrechnungspreisbestimmung Rechtssicherheit für den Stpfl. schafft, die einer Safe Harbour-Regelung nahekommt. Es ist zu hoffen, dass Cash Pool-Strukturen, die mit Rz. 3.98 des BMF-Schreibens im Einklang stehen, im Rahmen von Betriebsprüfungen künftig nicht beanstandet werden. Gleichwohl sollten auch davon abweichende Modelle durchsetzbar sein, bei denen bspw. einem funktions- und risikostarken Cash Pool-Leiter wesentliche Teile des Synergie- und Koordinationsgewinns eines Cash Pools zustehen. Zu begrüßen ist außerdem, dass sich die Verwaltung bzgl. der Aufteilung der Vergütung des Cash Pool-Leiters auf die Cash Pool-Teilnehmer festlegt. Die Vergütung ist im Verhältnis zur Gesamtanzahl, dh. „nach Köpfen“, aufzuteilen.59 Dieses Vorgehen schafft Rechtssicherheit und ermöglicht das Aufsetzen „betriebsprüfungssicherer“ Cash Pool-Strukturen, auch wenn es im Einzelfall nach Maßgabe des Fremdvergleichsgrundsatzes nicht sachgerecht sein mag.

57 BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, BFHE 273, 440 Rz. 52 = GmbHR 2022, 107 m. Anm. Andresen = ZIP 2021, 2385. 58 Vgl. Rz. 3.98 VWG VP. 59 Vgl. Rz. 3.99 VWG VP.

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Schließlich führt die FinVerw. aus, dass die prinzipiell kurzfristigen Anlagen und Ausleihungen im Rahmen eines Cash Pools womöglich als langfristige Darlehensbeziehungen umzuqualifizieren sein können, was im Grundsatz sachgerecht ist.60 Dies sollte vor allem Fälle betreffen, in denen Cash Pool-Teilnehmer über längere Zeiträume Beträge im Cash Pool „stehen lassen“ bzw. sich hieraus dauerhaft finanzieren.

VII. Fazit In der jüngeren Vergangenheit hat sich der BFH in mehreren Entscheidungen zum Umgang mit konzerninternen Finanzierungen geäußert. Zu erwähnen sind dabei insbes. die Entscheidungen, mit denen der BFH seine frühere Sperrwirkungsrechtsprechung aufgegeben hat, da in diesem Zusammenhang auch entschieden wurde, dass der Konzernrückhalt keine rechtlich durchsetzbare Sicherheit darstellt.61 Ebenfalls bedeutsam waren die Urteile, mit denen der BFH bei der Bestimmung angemessener Zinsen die Preisvergleichsmethode als die „Grundmethode“ und grundsätzlich vorrangig betrachtet.62 Darüber hinaus wurden die VWG 1983,63 die inzwischen überholt und in vielen Teilen anpassungsbedürftig waren, durch die VWG VP v. 14.7.2021 ersetzt. Die VWG VP enthalten vollständig neugefasste Grundsätze zum Umgang mit konzerninternen Verrechnungspreisen. Besonders positiv zu erachten ist dabei der umfassende Verweis auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien, die den VWG VP sogar in vollem Umfang als Anlage beigefügt sind. Die Verwaltung hat dabei schon die Aktualisierung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien aus dem Jahr 2022 vorweggenommen, so dass keine Aktualisierung der Anlage notwendig erscheint. Im Ergebnis nährt dies die Hoffnung, Doppelbesteuerungen künftig leichter vermeiden bzw. beseitigen zu können. Einen besonderen Aspekt dabei stellen die Ausführungen der FinVerw. zu konzerninternen Finanzierungsbeziehungen dar. In diesem hoch praxisrelevanten Bereich hatte die Rechtsunsicherheit in der jüngeren Vergangenheit (s.o.) aufgrund teils kritikwürdiger Finanzrechtsprechung 60 Vgl. Rz. 3.100 VWG VP. 61 Vgl. etwa BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BStBl. II 2019, 394 = FR 2019, 526 = GmbHR 2019, 725 m. Anm. Breuninger = ZIP 2019, 1066. 62 Vgl. BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, BFHE 273, 440 = GmbHR 2022, 107 m. Anm. Andresen = ZIP 2021, 2385. 63 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218.

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deutlich zugenommen. Umso erfreulicher ist es, dass die Verwaltung insoweit recht klar Position bezieht. Gleichwohl ist auch die aktuelle Auffassung der FinVerw. durch die Rspr. in Teilen bereits wieder überholt. Denn der BFH hat mit zwei seit langem erwarteten „Zinsurteilen“ v. 18.5.2021 (I R 4/17, I R 62/17) seine Position zur Bestimmung konzerninterner Zinssätze und der Angemessenheit von Gesellschafterdarlehen in vielen Details klargestellt. Diese relativieren die Aussagen der VWG VP in mancherlei Hinsicht. Entsprechend bleibt die Behandlung von Finanzierungsbeziehungen auch in Zukunft eine Herausforderung. In Anbetracht von steuergestalterischen Potenzialen, der Notwendigkeit der Liquiditätsversorgung im Konzern und der Compliancekosten der Unternehmen sowie des Vollzugsaufwands der Verwaltung scheint es nicht abwegig, über Vereinfachungspotenziale nachzudenken. Zumindest wurde im Koalitionsvertrag insoweit eine Basis mit der Zinshöhenschranke64 gelegt.

64 Koalitionsvertrag 2021–2025, S. 132.

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Gesetzliche Neuregelungen im Umwandlungssteuerrecht und andere Neuigkeiten zu Umstrukturierungen Dr. Norbert Schneider Rechtsanwalt/Steuerberater, Düsseldorf Alexandra Pung Leitende Regierungsdirektorin, Koblenz1 I. Einleitung II. Räumlicher Anwendungsbereich des UmwStG 1. Überblick über die bisherige Rechtslage a) UmwStG: bisher (weitgehend) Europäisierung b) Sonderregelung für Drittlandsverschmelzungen im KStG c) Wesentliche Probleme bei Drittlandsspaltungen 2. (Teil-)Globalisierung durch das KöMoG a) Verschmelzung und Spaltung von Kapitalgesellschaften (§§ 3–19 UmwStG) b) Keine Globalisierung für Einbringungstatbestände c) Sachliche Voraussetzung bei Auslandsumwandlungen: Vergleichbarkeit mit UmwG III. Ausweitung der gesellschaftsrechtlichen Möglichkeit grenzüberschreitender EU-Umwandlungen

IV. Grenzüberschreitende Umwandlungen und Verlustbeschränkungen 1. Bisherige Beschränkungsregelungen 2. § 2 Abs. 5 UmwStG als neue Verlustbeschränkungsvorschrift 3. BFH I R 2/18: Verschmelzung eines „Gewinnmantels“ auf Verlustgesellschaft 4. FG Berlin-Brandenburg: Zentrale Aussagen zur Auslegung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG V. Umwandlungen in der Hinzurechnungsbesteuerung VI. Sperrfristanteile iSd. § 22 UmwStG und Sperrfristverstöße durch Umwandlungen 1. Sperrfristverstoß durch Umwandlungen 2. BFH I R 48/15: Aufwärtsverschmelzung der Kapitalgesellschaft, an der Sperrfristanteile bestehen

1 Dem Beitrag liegt der entsprechende Vortrag der Autoren auf dem 73. Fachkongress der Steuerberater im November 2021 zugrunde. Vortrag und schriftlicher Beitrag von Alexandra Pung wurden in nichtdienstlicher Funktion erstellt und geben lediglich die persönliche Ansicht der Autorin wieder.

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Schneider/Pung, Gesetzliche Neuregelungen im Umwandlungssteuerrecht 3. FG Münster: Aufwärtsverschmelzung einer KG, die Sperrfristanteile hielt, auf ihre (partielle) Muttergesellschaft 4. FG Hessen: DownstreamMerger einer Mutter- auf (partielle) Tochtergesellschaft

5. BFH I R 25/18 sowie I R 24/18: Formwechsel einer Kapitalgesellschaft, die Sperrfristanteile hält VII. Fazit und Ausblick

I. Einleitung Die Entwicklung des Umwandlungssteuerrechts ist ein Klassiker-Thema auf den Fachkongressen.2 In diesem Jahr stand insbes. die sog. Globalisierung des UmwStG auf der Agenda, dh. die Erweiterung des „räumlichen Anwendungsbereichs“ des Umwandlungssteuerrechts auf Umwandlungen außerhalb der EU/des EWR durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG).3 Durch Aufhebung des bisherigen § 1 Abs. 2 UmwStG sind in Zukunft die §§ 3–19 UmwStG auch auf Umwandlungen solcher Rechtsträger anzuwenden, die außerhalb des EU- oder EWR-Gebiets ansässig sind. Bei den Einbringungstatbeständen hat der Gesetzgeber allerdings keine Erweiterung vorgenommen. Die Neuregelung findet Anwendung auf Umwandlungen, bei denen der steuerliche Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2021 liegt (§ 27 Abs. 18 UmwStG); für diese neue Rechtslage wird – soweit hierin relevant – vom UmwStG nF gesprochen, für Umwandlungen mit Stichtag bis zum 31.12.2021 einschließlich vom UmwStG aF. Hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten von Auslandsumwandlungen wird es durch die absehbare Umsetzung des sog. Company Law Package zur Internationalisierung des deutschen Gesellschaftsrechts kommen.4 Diesem Themenkomplex und damit im Zusammenhang stehenden Fragen widmet sich der Schwerpunkt des Beitrags (in den Teilen II. und III.). Er wird ergänzt um neuere Entwicklungen in der Rspr. zu Verlustnut2 Vgl. zuletzt die Beiträge vom 71. Fachkongress von Neumann/Schumacher, StbJb. 2019/2020, 227 ff. (Umwandlungen von Kapitalgesellschaften); Schneider, StbJb. 2019/2020, 253 ff. (Einbringungstatbestände). 3 BT-Drucks. 19/28656; BGBl. I 2021, 2050. 4 Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, ABl. v. 12.12.2019, L 321, 1.

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zung und -untergang in Zusammenhang mit Umwandlungen (Teil IV.), Auswirkungen der Reform der Hinzurechnungsbesteuerung auf Umwandlungen (Teil V.) sowie ein Update zu Sperrfristanteilen iSd. § 22 UmwStG. (Teil VI.). Schließlich werden die zuvor dargestellten Entwicklungen und Neuerungen in einem Ausblick kurz bewertet (Teil VII.)

II. Räumlicher Anwendungsbereich des UmwStG 1. Überblick über die bisherige Rechtslage a) UmwStG: bisher (weitgehend) Europäisierung Die Internationalisierung des UmwStG durch Ausdehnung seines Anwendungsbereichs auf nicht-deutsche Umwandlungen wurde mit der sog. Europäisierung im Jahr 2006 begonnen. Das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) erweiterte den persönlichen Anwendungsbereich in § 1 Abs. 2 und Abs. 4 UmwStG aF auf „europäische“ Beteiligte am Umwandlungsvorgang.5 Für an Umwandlungen beteiligte Gesellschaften forderten § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG aF (für Umwandlungen iSd. §§ 3–19 UmwStG) bzw. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG aF (für Umwandlungen iSd. §§ 20 ff. UmwStG) kumulativ einen dreifachen EU- oder EWR-Bezug: Der Sitz und der Ort der Geschäftsleitung der Gesellschaften mussten im EU-/EWR-Gebiet belegen sein und die Gründung musste nach dem Gründungsrecht eines entsprechenden EU- oder EWR-Staats erfolgt sein. Für natürliche Personen, die durch Umwandlungen relevant betroffen waren,6 war es gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb UmwStG aF notwendig, dass diese ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im EU-/EWR-Gebiet hatten und kein DBA die Ansässigkeit in einem Drittstaat fingierte; auf die Staatsangehörigkeit kam es dagegen nicht an. Differenzierter waren (und sind es geblieben, vgl. unten [II.2.b]) die Regelungen bei den Einbringungen. Besonders weitgehend – iS einer echten Globalisierung statt nur einer Europäisierung – sind die Möglichkeiten 5 SEStEG v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 6 Für Anteilseigner an umwandelnden Gesellschaften sah § 1 UmwStG aF keine weiteren Eingrenzungen vor, soweit diese nicht als übertragende Rechtsträger anzusehen waren; vgl. Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG9, § 1 UmwStG Rz. 56. Für diese Gesellschafter ergeben sich durch Umwandlungen idR auch gar keine relevanten Rechtsfolgen.

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bei Einbringungen in Personengesellschaften iSd. § 24 UmwStG; hier stellt das Gesetz gar keine Anforderungen an die „Ansässigkeit“ des Einbringenden oder der aufnehmenden Gesellschaft (vgl. § 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG).7 Beim Anteilstausch iSd. § 21 UmwStG müssen zwar grundsätzlich der Einbringende und die aufnehmende Gesellschaft „europäisch“ im oben beschriebenen Sinne sein; die eingebrachte Gesellschaft („erworbene Gesellschaft“ iSd. § 21 Abs. 1 UmwStG) kann dagegen jede Gesellschaft sein.8 Bei der Einbringung iSd. § 20 UmwStG (und dem Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft iSd. § 25 UmwStG) muss neben der übernehmenden Gesellschaft grundsätzlich auch der/die Einbringende(n) im EU-/EWR-Raum ansässig sein (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG aF); jedoch reicht es für den Einbringenden für die Eröffnung des UmwStG alternativ auch aus, wenn die erhaltenen Anteile jedenfalls einem deutschen Besteuerungsrecht unterlagen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG aF) – was bei ausländischen Einbringenden, die in einem DBA-Staat ansässig sind, jedenfalls im Regelfall gerade nicht gegeben ist, sondern eine Sonderkonstellation erfordert.9 Unabhängig von der Eröffnung des „räumlichen“ Anwendungsbereichs war (und ist weiterhin) bei Umwandlungen, die nach ausländischem Recht vorgenommen werden, zusätzliche Voraussetzung, dass die ausländische Umstrukturierung mit einer Umwandlung iSd. deutschen UmwG „vergleichbar“ sein muss (§ 1 Abs. 1 UmwStG aF). Dies erfordert vereinfacht, dass die ausländische Umwandlung in ihrer konkreten Form dem Wesen nach einer Umwandlung nach dem UmwG vergleichbar ist. Die Vergleichbarkeit wird unten (unter Teil II.2.c.) detaillierter behandelt. b) Sonderregelung für Drittlandsverschmelzungen im KStG Neben diesen allgemeinen Regeln im UmwStG sah das KStG allerdings noch eine Sonderregel vor, die man als räumliche Erweiterung für bestimmte Drittlandsverschmelzungen klassifizieren kann. § 12 Abs. 2 KStG aF ermöglichte eine steuerneutrale Verschmelzung von zwei Kör7 Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, § 1 Rz. 196 f. 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.03, 21.04. 9 Nach Art. 13 OECD-MA steht das Besteuerungsrecht für Anteile an Kapitalgesellschaften dem Wohnsitzstaat zu, sofern die Anteile nicht einer Betriebsstätte im anderen Staat zuzurechnen sind oder es sich (vereinfacht) um eine Grundstücksgesellschaft handelt, deren Wert zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar auf im anderen Staat belegenem unbeweglichem Vermögen beruht.

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perschaften, allerdings grundsätzlich nur dann, wenn sie im selben Drittland ansässig sind,10 also nicht bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen. § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG aF erlaubte der übertragenden Gesellschaft, bei vorhandenem steuerverstrickten Inlandsvermögen von der Möglichkeit der Buchwertfortführung Gebrauch zu machen (ein Zwischenwertansatz war dagegen nicht vorgesehen). Korrespondierend lies § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG aF zu, dass die Anteilseigner der verschmolzenen Gesellschaften ihre Anteile unter Anwendung des § 13 UmwStG steuerneutral übertragen konnten. Voraussetzung war zudem wie im UmwStG die Vergleichbarkeit des ausländischen Vorgangs mit einer deutschen Umwandlung. Ansonsten waren die Voraussetzungen der Buchwertfortführung mit denen der §§ 11, 13 UmwStG im Wesentlichen identisch. Regelungen für Spaltungen in einem Drittland sahen § 12 Abs. 2 KStG aF sowie das UmwStG dagegen ausdrücklich nicht vor, was zu einem erheblichen Problem für inländische Anteilseigner werden konnte;11 dazu im Detail sogleich unter [II.2.c]. c) Wesentliche Probleme bei Drittlandsspaltungen Wegen der Beschränkung des bisherigen UmwStG auf „europäische“ Umwandlungen und der nur auf Verschmelzungen begrenzten Sonderregelung im § 12 Abs. 2 KStG aF konnte es bisher zu erheblichen deutschsteuerrechtlichen Problemen kommen, wenn sich eine Inlandsberührung ergab.12 Das konnte zB der Fall sein, wenn ausländische umwandelnde Rechtsträger steuerverstricktes deutsches Betriebsvermögen hatten oder wenn ein inländischer Anteilseigner an einer Gesellschaft im Drittland beteiligt war und diese als übertragende Gesellschaft eine Auf- oder Abspaltung vornahm oder eine Verschmelzung, die nicht von § 12 Abs. 2 KStG erfasst wurde.13 Gerade im letzteren Fall besteht die (umstrittene) Gefahr einer „deutschen Steuerbombe“ für den deutschen Anteilseigner. Gerade Abspaltungen sind im Ausland ein nicht seltener Fall, zB bei Konzernumstrukturierungen. Bei einer vom UmwStG grundsätzlich14 erfassten „europäischen“ Abspaltung ist für einen inländischen Anteilseigner 10 11 12 13 14

Förster, DStR 2020, 865 (876). Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 (847). Vgl. zB den Überblick bei Förster, DB 2020, 865 ff. Ebenso Holle/Keilhoff, IStR 2017, 245 (246). Voraussetzung ist wie dargelegt bei der ausländischen Umwandlung stets die Vergleichbarkeit mit einer solchen nach deutschem UmwG, s.o. II.1.a.

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stets § 13 UmwStG anwendbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 15 Abs. 1 UmwStG). Das allein reicht noch nicht für die Möglichkeit der steuerneutralen Buchwertfortführung. Diese erfordert insbes. noch, dass bei der spaltenden Gesellschaft das doppelte Teilbetriebserfordernis des § 15 Abs. 1 Satz 1 UmwStG erfüllt ist. Selbst wenn es daran fehlen sollte, wird durch die Anwendung des § 13 UmwStG für den Anteilseigner ein (bei der Abspaltung partieller) Anteilstausch fingiert15, dh. ein Veräußerungsvorgang (gefolgt von einer Anschaffung der neuen Anteile), der grundsätzlich beim Anteilseigner (bei unterstellter Rechtsform einer Körperschaft) dem § 8b Abs. 2 KStG unterfällt und damit maximal zu 5 % steuerpflichtig ist. Bei der bisher nicht erfassten Drittlandsspaltung musste dagegen auf die allgemeinen körperschaftsteuerlichen Grundsätze zurückgegriffen werden, um den Vorgang steuerlich zu beurteilen. Hier ist das Meinungsspektrum breit.16 Obwohl die FinVerw. im UmwSt.-Erlass 2011 die These aufstellt, dass alle Umwandlungen und Einbringungen zu Veräußerungsund Anschaffungsvorgängen führen (zB in Rz. 00.02), greift sie bei nicht vom UmwStG erfassten Spaltungen auf die Grundsätze der Sachausschüttung zurück (Ausschüttung des abgespaltenen Vermögens an den Anteilseigner, gefolgt von einer verdeckten Einlage in die aufnehmende Gesellschaft) und wendet § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG an.17 Diese fingierte Ausschüttung fiele dem Grunde nach unter § 8b Abs. 1 KStG und wäre daher auch „nur“ zu 5 % steuerpflichtig. Wenn die Auslandsspaltung aber im Land der spaltenden Gesellschaft selbst steuerneutral möglich ist, stellt sich die Frage, ob dies eine volle Steuerpflicht nach § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG (materielles Korrespondenzprinzip) auslösen kann oder nicht, und – wenn man den Satz 2 bejaht – ob dann die volle Steuerpflicht wegen Satz 4 ausgeschlossen wird (vereinfacht: wenn die vGA das Einkommen einer nahestehenden Person erhöht hat), weil bei Buchwertfortführung durch die übernehmende Gesellschaft jedenfalls in der Totalperiode kein unversteuertes Einkommen vorhanden ist. Während die Literatur das Problem einer möglichen voll steuerpflichtigen Sachausschüttung beim deutschen Anteilseigner jedenfalls durch Anwen15 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.05, 15.12 Satz 2. 16 Vgl. Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rz. 130 f. mwN. 17 Hruschka, IStR 2012, 844 (846); Benecke/Beinert, FR 2010, 1009 (1128); vgl. auch die Darstellung zu den Literaturauffassungen jüngst bei Pung in Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rz. 130 f.

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dung des Satzes 4 auszuschließen versucht,18 will die FinVerw. offenbar bloß zukünftige Einkommensauswirkungen nicht ausreichen lassen, weil der Wortlaut eine zeitkongruente Gegenauswirkung bei der nahestehenden Person fordere. Auf dieser Basis würde dem deutschen Anteilseigner bei einer steuerneutralen Drittlandsspaltung eine echte deutsche Steuerbombe drohen! Rspr. zu dieser Frage ist, soweit ersichtlich, noch nicht vorhanden.

2. (Teil-)Globalisierung durch das KöMoG Mit der Änderung des UmwStG durch das KöMoG19 wurde die Globalisierung des deutschen Umwandlungssteuerrechts vorangetrieben. Treibende Kraft war die Bundesregierung, die den Gesetzentwurf eingebracht hatte. Der Bundesrat stand dem Vorhaben dagegen eher kritisch gegenüber, da unklar sei, welche Auswirkung sich für die öffentlichen Haushalte sowie die Administrierbarkeit ergebe; er forderte daher eine Zurückstellung des Verfahrens, bis diese Auswirkungen geklärt seien.20 Die Bundesregierung hielt die Bedenken für nicht gerechtfertigt,21 und das Gesetz wurde entsprechend dann auch verabschiedet. Das neue Recht gilt für Umwandlungen mit steuerlichem Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2021 (§ 27 Abs. 18 UmwStG nF). Allerdings wurde die personell-räumliche Erweiterung nicht vollständig umgesetzt, sondern beschränkt sich auf Umwandlungen iSd. §§ 3–19 UmwStG; insbes. erfolgte keine Erweiterung im Gesetz für die Einbringungstatbestände. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs des UmwStG betrifft – soweit zur Klarstellung – den personell-räumlichen Anknüpfungspunkt, nämlich wo die umwandelnden Rechtsträger ansässig sein müssen. Unver18 Schäfer, IStR 2015, 656 (658); Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8b Rz. 165 und 167; Gosch in Gosch, KStG4, § 8b Rz. 148g und 149e; Holle/Keilhoff, IStR 2017, 245 (249); Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rz. 131. 19 Vgl. BT-Drucks. 19/28656; BGBl. I 2021, Seite 2050. 20 Vgl. BT-Drucks. 19/29642, 10. 21 Vgl. BT-Drucks. 19/29642, 17; ua. beruft sie sich darauf, dass auch bereits bisher Umwandlungen im deutschen Steuerrecht im Drittland nicht per se nachteilig betrachtet würden, sondern bei fiktiver Anwendung des UmwStG gerade nicht zu passiven Einkünften bei der Hinzurechnungsbesteuerung führten. Es sei nicht gerechtfertigt, die Anwendung des UmwStG bei Drittstaatsgesellschaften weiterhin davon abhängig zu machen, ob ein Inländer direkt oder über eine ausländische Zwischengesellschaft an einer umgewandelten Gesellschaft beteiligt ist.

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ändert geblieben ist bei all dem die zusätzliche Anforderung, dass eine personell-räumlich erfasste Auslandsumwandlung nur dann final nach dem UmwStG zu behandeln ist, wenn sie mit einer Inlandsumwandlung nach dem UmwG „vergleichbar ist. Dazu unten [II.2.c]. a) Verschmelzung und Spaltung von Kapitalgesellschaften (§§ 3–19 UmwStG) Die wesentliche Umsetzung der erweiterten räumlichen Anwendung des UmwStG erfolgt technisch durch eine Streichung, nämlich durch die Aufhebung des § 1 Abs. 2 UmwStG aF. Da diese Regelung für die Umwandlungen iSd. §§ 3–19 UmwStG anwendbar war, gelten bei diesen fortan keine EU/EWR-Ansässigkeitsanforderungen mehr für die beteiligten Rechtsträger. Dadurch werden personell erstmalig alle Rechtsträger bei Umwandlungen im Drittland erfasst, und zwar ohne Differenzierung zwischen Verschmelzungen und Auf- bzw. Abspaltungen sowie zwischen Umwandlungen innerhalb desselben Drittlands oder außerhalb desselben. Damit erledigt sich grundsätzlich das oben beschriebene mögliche Problem bei Drittlandsspaltungen. Wegen der allgemeinen Ausdehnung im UmwStG wird die engere Sonderregelung in § 12 Abs. 2 KStG aF gegenstandlos und folgerichtig ersatzlos aufgehoben. Drittlandsverschmelzungen sind damit zB auch in grenzüberschreitender Form möglich. Zudem ist im Gegensatz zu § 12 Abs. 2 KStG aF damit nicht nur eine Buchwertfortführung möglich, sondern auch der Ansatz eines Zwischenwerts. § 12 Abs. 3 KStG aF entfällt ebenfalls ersatzlos. Die bisher angeordnete Liquidationsbesteuerung im Fall des Wegzugs einer Körperschaft in ein Drittland ist angesichts der Änderungen im UmwStG nicht mehr gerechtfertigt, da die Gesetzesnovelle auf die Gleichbehandlung von Drittstaaten auf der einen und EU- und EWR-Staaten auf der anderen Seite abzielt. In solchen Fällen kommt es daher in Zukunft nicht mehr zu einer Totalrealisation der stillen Reserven, sondern nur, soweit ein deutsches Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird. In all diesen Fällen ist nicht Voraussetzung für eine Anwendung und insbes. eine Nichtbesteuerung, dass der Informationsaustausch zwischen dem entsprechenden Drittstaat und der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet wird. Der Bundesrat – der ohnehin der erweiterten räumli-

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chen Erweiterung kritisch gegenüber stand22 – hatte dies in seiner Stellungnahme zwar gefordert; es wurde vom Bundestag aber explizit nicht aufgegriffen und zur Voraussetzung für den personellen Anwendungsbereich des UmwStG gemacht. Die Ablehnung wurde – uE konsequent – damit begründet, dass ein entsprechendes Erfordernis auch nicht bei anderen Regelungen in diesem Kontext bestehe, die bereits heute eine Begünstigung bei Drittlandsumwandlungen bzw. -beteiligten ermöglichten (nämlich bei § 24 UmwStG sowie § 12 Abs. 2 KStG aF) oder solche uU als aktiv nicht der Hinzurechnungsbesteuerung unterwerfen (§ 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG aF/Nr. 9 AStG nF). b) Keine Globalisierung für Einbringungstatbestände Im Gegensatz zur Globalisierung des UmwStG für die §§ 3–19 UmwStG sieht das KöMoG bewusst von einer Erweiterung auf die Einbringungstatbestände ab. Die Gesetzesbegründung führt dazu kurz und etwas kryptisch aus, dass von der Einbeziehung der Regelungen zur Einbringung und zum Anteilstausch (§§ 20 ff. UmwStG) in die Globalisierung abgesehen werde, da eine aufkommensneutrale einheitliche Regelung (Sicherung des Besteuerungsrechts auf der zweiten Ebene über § 22 UmwStG hinaus) mit Einschränkungen für Einbringende aus EU/EWR-Staaten gegenüber der geltenden Rechtslage verbunden wäre.23 Man wird das wohl wie folgt verstehen müssen: Im heutigen Recht ist eine Einbringung iSd. § 20 UmwStG innerhalb der EU/EWR – anders als noch im UmwStG 1995 gesetzlich vorgesehen (§ 20 Abs. 3, 4 Satz 1 UmwStG 1995) – auch dann möglich, wenn Deutschland (neben dem zwingend notwendigen Erhalt eines zuvor gegebenen deutschen Besteuerungsrechts bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft für das eingebrachte Betriebsvermögen) kein Besteuerungsrecht für die neu ausgegebenen Anteile des Einbringende hat. Lediglich bei Drittlandsbeteiligten fordert § 1 Abs. 4 Nr. 2 UmwStG für die Anwendbarkeit des UmwStG, dass ein deutsches Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen besteht, was allerdings im Regelfall eines in einem DBA-Land ansässigen Drittlandsbeteiligten nicht der Fall sein wird.24 Bei EU/EWR-Einbringenden bedeutet das allerdings nicht, dass Deutschland damit bei einer Veräuße22 Vgl. BT-Drucks. 19/29642, 10: die weltweite Öffnung solle vorerst zurückgestellt werden, bis geklärt sei, welche Auswirkung sich für die öffentlichen Haushalte und die Administrierbarkeit ergebe. 23 BT-Drucks. 19/28656, 29. 24 Vgl. oben Fn. 9.

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rung durch den EU/EWR-Einbringenden komplett „außen vor“ wäre und steuerlich zwingend leer ausginge. Denn durch das mit dem SEStEG eingeführte System der Sperrfristverhaftung der gewährten Anteile führt deren Veräußerung (oder ein anderer schädlicher Vorgang iSd. § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG) zu einem steuerpflichtigen Einbringungsgewinn I; für diesen hätte Deutschland im Ergebnis das Besteuerungsrecht, da dieser Gewinn sich nicht auf die erhaltenen Anteile bezieht, sondern rückwirkend auf die Einbringung des seinerzeitig in Deutschland steuerverstrickten (und dann eingebrachten) Betriebsvermögens. Der Einbringungsgewinn I schmilzt bekanntlich aber über 7 Jahre ab, nach Ablauf dieser Sperrfrist ist er gar nicht mehr relevant. Diese (auch keinesfalls kurze) Zeitspanne hat der Gesetzgeber bewusst gewählt, um die Norm als typisierte Missbrauchsvermeidungsnorm25 auszugestalten. Diese lange „Ausgleit-Phase“ reicht also nach der Vorstellung des Gesetzgebers für die Besteuerung der erhaltenen Anteile aus, um einen Statuswechsel – der im Ergebnis bei den erhaltenen Anteilen für deutsche Einbringende in der Rechtsform der Körperschaft zu einer erheblichen (95%igen) Steuerbefreiung führt und bei EU/EWR-Einbringenden zum Entschwinden jeglichen deutschen Besteuerungsrechts – steuerlich zu akzeptieren. Wenn das also „gesetzgeberisch akzeptiertes Gemeingut“ ist, fragt man sich, wieso das bei der jetzt vorgenommenen Erweiterung des UmwStG hin in Richtung Globalisierung dem Gesetzgeber bei Einbringungen nicht auch reicht, sondern er den Verlust des Besteuerungsrechts „auf der zweiten Ebene“ – dh. bzgl. der erhaltenen Anteile – trotz der nachlaufenden Verhaftung im Rahmen des § 22 Abs. 1 UmwStG als zu weitgehend ansieht. Befürchtet er so viele Betriebsstätten-Fälle von Drittländern in Deutschland, die in Kapitalgesellschafts-Strukturen umgewandelt werden könnten, um dann die neuen Anteile nach Abwarten der Sperrfrist nach 7 Jahren veräußern zu können? Wenn die deutsche Betriebsstätte heute bereits über eine ausländische Holding-Kapitalgesellschaft gehalten wurde, könnte eine indirekte Veräußerung der Betriebsstätte durch Veräußerung der Anteile bereits heute realisiert werden, ohne dass dies in Deutschland Steuern auslöst und dies wohl auch bisher nicht als sonderlich problematisch angesehen wurde. Möglicherweise hat der Gesetzgeber (darauf deutet das Ende der kurzen Gesetzesbegründung hin) eine Verschärfung auch für EU/EWR-Einbringende zumindest bedacht (um alle Steuerausländer gleich zu behandeln). 25 So die Charakterisierung der hM, vgl. Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, § 22 Rz. 27 mwN.

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Diese hat er aber verworfen, vermutlich auch, weil sie – wegen der nachteiligen Behandlung der EU/EWR-Einbringenden gegenüber deutschen Einbringenden – als EU-rechtlich problematisch angesehen würde. Die Frage ist allerdings, ob die jetzige Weiterführung der Benachteiligung der Drittlandsbeteiligten EU-rechtlich haltbar ist. Das wird in der Literatur zT verneint,26 und zwar unter Hinweis auf die sog. DMC-Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 201427 und die dazu ergangenen Folgeentscheidungen des FG Hamburg sowie des BFH.28 In der Rechtssache DMC ging es um das alte UmwStG 1995. Eine Einbringung von Mitunternehmeranteilen durch österreichische Kommanditisten in der Rechtsform einer GmbH in eine deutsche GmbH war nach seinerzeitigem Recht nicht steuerneutral möglich, weil Deutschland nach dem DBA Österreich kein Besteuerungsrecht an den neuen erhaltenen Anteilen erwarb. Für Steuerinländer wäre die Einbringung dagegen steuerneutral möglich gewesen. Der EuGH hielt die Ungleichbehandlung im Hinblick auf die EUGrundfreiheiten nur dann für gerechtfertigt, wenn Deutschland das Besteuerungsrecht tatsächlich verliert. Ob dies der Fall ist, stellte der EuGH aber nicht selbst fest, sondern sagte nur, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der unrealisierten stillen Reserven im Zusammenhang mit „den in das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft eingebrachten Anteilen bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft“ erhalten bleibt.29 Während in ersten Anmerkungen von Vertretern insbes. der FinVerw. daraus geschlossen wurde, der EuGH habe auf das Besteuerungsrecht an den gewährten Anteilen abgestellt und – weil dieses nach dem DBA Österreich verlorenging – die deutsche Regelung für EU-konform gehalten,30 verstand das vorlegende FG Hamburg den EuGH in Einklang mit der überwiegenden Zahl der Literaturstimmen31 anders, nämlich dass es dem EuGH ausreicht, wenn ein 26 Vgl. ausführlich Hageböke/Stangl, Ubg. 2021, 242 ff.; zustimmend Böhmer/ Schrewe/Schlücke, FR 2021, 765 (772 f.). 27 EuGH v. 23.1.2014 – C 164/12 (DMC), GmbHR 2014, 210 m. Anm. Patzner/ Nagler = FR 2014, 466. 28 FG Hamburg v. 15.4.2015 – 2 K 66/14, EFG 2015, 1404; BFH v. 30.9.2015 – I B 66/15, GmbHR 2015, 1286 = BFH/NV 2015, 1708. 29 EuGH v. 23.1.2014 – C 164/12 (DMC), FR 2014, 466 Rz. 57. 30 ZB Mitschke, IStR 2014, 106; Sydow, DB 2014, 265; Zwirner, ISR 2014, 96; zudem Musil, FR 2014, 470 (471). 31 Vgl. die Nachweise bei BFH v. 30.9.2015 – I B 66/15, GmbHR 2015, 1286 = BFH/NV 2015, 1708 Rz. 12.

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deutsches Besteuerungsrecht bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft verbleibt, dh. für das eingebrachte Vermögen. Da das Besteuerungsrecht auf der Ebene der aufnehmenden Gesellschaft nach dem Gesetz grundsätzlich für eine Buchwertfortführung gegeben sein muss, hielt das FG Hamburg die deutsche Regelung für EU-rechtswidrig. Ein zusätzliches Besteuerungsrecht an den gewährten Anteilen sei nicht gerechtfertigt. Der BFH hat dem im Ergebnis zugestimmt, in dem er die Nichtzulassungsbeschwerde der FinVerw. mit entsprechender Begründung ablehnte. Nun würde dies für die heutige Rechtslage – bei der die Steuerverhaftung für die erhaltenen Anteile bei EU/EWR-Einbringenden ja auch gar nicht mehr gefordert wird, sondern nur noch bei Drittlandsbeteiligten – nichts aussagen, wenn sich der EuGH in der DMC-Entscheidung auf die Niederlassungsfreiheit gestützt hätte. Denn diese ist bekanntlich nur für EU-Bürger anwendbar, nicht aber bei Drittländern. Das hat der EuGH entgegen der Vorlage des FG Hamburg aber nicht. Vielmehr hat er sich in seiner Entscheidung auf die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) gestützt, weil die Regelung des § 20 UmwStG 1995 (wie auch die heutige) nicht voraussetzt, dass der Einbringende bei der Einbringung von Mitunternehmeranteilen eine bestimmte Mindestbeteiligungshöhe innehaben müsste, und daher der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit eröffnet ist. Hieraus wird zT geschlossen, dass die Entscheidung auch für die heutige Rechtslage unmittelbar relevant sei und eine Diskriminierung von Drittlandsbeteiligten schon heute nicht mehr zulässig sei, weil auch die Standstill-Klausel des Art. 64 AEUV dem nicht entgegenstehe, da sich die relevante Rechtslage bzw. der Regelungszusammenhang durch den Wechsel vom Anrechnungs- zum Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren geändert habe.32 Der FinVerw. sind diese Druckpunkte offensichtlich bewusst.33 Gleichwohl scheint man es auf eine weitere gerichtliche Überprüfung „ankommen“ lassen zu wollen. Ob es zu einer solchen kommt, dürfte nur eine Frage der Zeit sein.

32 So jüngst insbesondere Hageböke/Stangl, Ubg. 2021, 242 ff. Nach der DMCEntscheidung bereits Jürgen Lüdicke, IStR 2014, 537 ff.; aA wohl Benecke, DStJG 43 (2020), 623 (649 ff.), allerdings auch bereits mit weiteren Überlegungen zur Schließung der „Entstrickungslücke“, falls die heutige Rechtslage doch vom EuGH als EU-rechtswidrig beurteilt würde. 33 Vgl. Benecke (als Vertreter des BMF), DStJG 43 (2020), 623 (649 ff.) und letztlich auch die kurzen Hinweise der Gesetzesbegründung.

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c) Sachliche Voraussetzung bei Auslandsumwandlungen: Vergleichbarkeit mit UmwG Durch die oben beschriebenen Änderungen ist der räumlich-personelle Anwendungsbereich des UmwStG zwar grundsätzlich erweitert worden. Zusätzliche Voraussetzung ist bei Umwandlung mit Beteiligung auch nur eines „ausländischen“ Rechtsträgers, dass die Umwandlung mit einer solchen nach dem UmwG „vergleichbar“ ist.34 Denn auf ausländische Rechtsträger findet das UmwG kollisionsrechtlich keine Anwendung.35 Diese Voraussetzung ist nicht neu, sondern besteht bereits seit der „Europäisierung“ des UmwStG durch das SEStEG, dh. sie war auch bisher bereits bei Umwandlung unter Beteiligung eines nicht-deutschen EU/EWR Rechtsträgers zu prüfen. Das UmwStG selbst konkretisiert nicht weiter, welche Anforderungen an den unbestimmten Rechtsbegriff 36 der Vergleichbarkeit zu stellen sind. Rspr. zum UmwStG selbst ist bisher – soweit ersichtlich – nicht vorhanden. Die FinVerw. hat im UmwSt.-Erlass 2011 ihre Auffassung breiter dargelegt und die Merkmale aufgeführt, die nach ihrem Dafürhalten für die Vergleichbarkeit in- und ausländischer Umwandlungsvorgänge sprechen sollen.37 Kern-Voraussetzung ist danach (Rz. 01.24 ff. UmwSt.-Erlass 2011), dass die ausländische Umwandlung „ihrem Wesen nach einer Umwandlung im Sinne des UmwG entspricht.“ Dabei vergleicht die FinVerw. sowohl die beteiligten Rechtsträger (die durch den üblichen Rechtstypenvergleich mit deutschen Rechtsformen zunächst entsprechend eingeordnet werden müssen) als auch (und insbes.) die sog. Strukturmerkmale, nämlich die Rechtsnatur und Rechtsfolgen 34 § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG verweist auf „ausländische“ Vorgänge und zudem auf die EU-Verordnungen 2157/2001 und 1435/2003; erstere betrifft die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), letztere diejenige über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), so dass auch klar ist, dass Maßnahmen unter Beteiligung solcher Rechtsträger dem Vergleichbarkeitstest unterliegen sollen. 35 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.20 f.; Benecke, GmbHR 2012, 113 (116); Mückl in BeckOK, UmwStG § 1 Rn. 165; Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, § 1 Rz. 81. Zu Details und teilweiser Kritik Hahn in Lademann, UmwStG, § 1 Rz. 87 sowie Drinhausen/Lausterer in Prinz, Umwandlungen im internationalen Steuerrecht, Rz. 4.10 f. 36 Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, § 1 Rz. 82. 37 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.20 ff.

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der Umwandlung nach ausländischem Recht, wobei diese wieder für die einzelnen Umwandlungsformen (Verschmelzung, Auf- oder Abspaltung, Formwechsel38) ab Rz. 01.29 konkretisiert werden. Grundvoraussetzung ist bei allen ausländischen Umwandlungen, dass diese nach dem anwendbaren lokalen Recht rechtlich zulässig und wirksam sein müssen (Rz. 01.23 UmwSt.-Erlass 2011)39. Da das Gesetz auf vergleichbare ausländische „Vorgänge“ abstellt (und nicht – wie noch in Entwürfen des SEStEG – auf solche „Vorschriften“) stellt die FinVerw. bei der Vergleichbarkeits-Prüfung nicht auf das abstrakte ausländische Recht ab, sondern auf den ausländischen Umwandlungsvorgang in seiner konkreten rechtlichen Ausgestaltung (Rz. 01.25 UmwSt.-Erlass 2011)40. Das kann hilfreich sein bei Gestaltungsmöglichkeiten des ausländischen Rechts, weil dann die Möglichkeit besteht, den ausländischen Vorgang möglichst so zu gestalten, wie er bei Anwendung des UmwG hätte ablaufen können, um so eine stärkere Vergleichbarkeit zu erreichen. Der UmwSt.-Erlass 2011 benennt selbst an dieser Stelle das Beispiel, dass nach dem ausländischem Recht höhere bare Zuzahlungen möglich seien als nach deutschem UmwG, was aber der Vergleichbarkeit nicht schadet, wenn in der konkreten Umwandlung nur die nach deutschem UmwG zulässige Zuzahlungsgrenze von 10 % des Gesamtnennbetrags der neu gewährten Anteile (§ 54 Abs. 4 UmwG) eingehalten wird. Was sich insofern nach einem Vorteil für den Stpfl. anhört, ist aber nur die Abmilderung der ansonsten eher strengen Position der FinVerw., dass der ausländische Vorgang grundsätzlich eng(er) an den deutschen 38 Für die Ausgliederung und die Einbringungsvorgänge allgemein erfolgt keine eigene detailliertere Aufzählung, sondern Rz. 01.45 verweist auf die Prüfung der anderen Umwandlungen. In der Sache dürfte hier ohnehin eine größere Flexibilität angezeigt sein, da die Einbringungsvorgänge der §§ 20 ff. UmwStG nach deutschem Recht nicht nur auf Umwandlungen iSd. UmwG begrenzt sind, sondern auch Vorgänge nach allgemeinem Gesellschaftsrecht erfassen, wenn dabei Vermögen gegen Gewährung neuer Anteile übertragen wird. 39 Zustimmend zB Möhlenbrock in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 1 UmwStG Rz. 95; Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, § 1 Rz. 58; Kubik/Große Honebrink in Böttcher/Habighorst/ Schulte, Umwandlungsrecht2, § 1 UmwStG Rz. 42. 40 Ebenso die hM in der Literatur, zB Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, § 1 Rz. 54; Mückl in BeckOK, UmwStG § 1 Rz. 170; Geils in Haase/Hruschka, UmwStG2, § 1 Rz. 53 f.; aA wohl Maetz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 1 UmwStG Rz. 25, 49 (Mai 2020).

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Rechtsmaßstäben gemessen werden soll. Rz. 01.25 UmwSt.-Erlass 2011 sagt zB, dass der abgewickelte Vorgang ungeachtet des Sitzerfordernisses in § 1 Abs. 1 UmwStG auch nach den Regelungen des UmwG wirksam abgewickelt werden könnte. Illustriert wird dies mit dem bereits og. Beispiel zu baren Zuzahlungen, die nicht die in Deutschland mögliche 10 %-Zuzahlung überschreiten dürfen. Diese enge Anlehnung an das deutsche Recht findet sich auch an einer Reihe weiterer Stellen. So sollen zB Kapitalerhöhungsverbote und -wahlrechte wie im UmwG zu berücksichtigen sein41 und (dazu noch weiter unten) soll zwingend sein, dass der Vermögensübergang als Ganzes aufgrund Gesetzes (und nicht einzelvertraglich) erfolgt und damit wie in Deutschland eine relevante (partielle) Gesamtrechtsnachfolge gilt.42 Beim Inhalt des Umwandlungsvertrags oder -plans wird zB gefordert, dass dieser bestimmten EWGRichtlinien zur Verschmelzung bzw. zur Spaltung von Aktiengesellschaften entsprechen müsse; weil sekundärrechtliche Regelungen in der EU zur Abspaltung (jedenfalls bisher, vgl. zu Neuerungen unten III.) fehlten, müssten bei dieser der Inhalt und die Rechtswirkungen den Bestimmungen des UmwG entsprechen (Rz. 01.36). Unklar bleibt im UmwSt.-Erlass jedoch, ob dies in einem strengen Sinne alles im Detail als Pflicht verstanden werden soll,43 oder ob dies nur Kriterien vorgibt, die im Rahmen einer wertenden Gesamtabwägung zu be41 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.32 und 01.35. 42 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.31 und, 01.34. ZT ergibt sich dies durch Verweis auf die dort zitierten Richtlinien 78/855/EWG und 82/891/EWG; diese wurden zwischenzeitlich übernommen in die neugefasste Richtlinie (EU) 2017/1132 v. 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, dort Titel II. Gegen die zwingende Forderung der Gesamtrechtsnachfolge, jedenfalls wenn das ausländische Recht diese nicht kennt und das Ergebnis der Umstrukturierung dem einer deutschen Umwandlung entspricht, zB Hörtnagl in Schmidt/ Hörtnagl, UmwG/UmwStG9, § 1 Rz. 35; Hahn in Lademann, UmwStG, § 1 Rz. 89 ff.; Werneburg in Haritz/Menner/Bilitewski, UmwStG5, § 1 Rz. 18; Mückl in BeckOK, UmwStG § 1 Rz. 180 und 185; Maetz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 1 UmwStG Rz. 41 (Mai 2020); Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, § 1 Rz. 67; aus der FinVerw. auch Klingebiel/ Patt/Rasche/Krause, Umwandlungssteuerrecht4, Tz. 3.1.2.9.1 und 3.1.2.9.3; aA dagegen ausführlich Möhlenbrock in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 1 UmwStG Rz. 103 ff. 43 So versteht zB Geils in Haase/Hruschka, UmwStG2, § 1 Rz. 79 den UmwSt.Erlass 2011.

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rücksichtigen sind, bei der es – wie wohl die hM in der Literatur44 – auf einen Vergleich im Wesentlichen ankommt. Dafür spricht grundlegend, dass das UmwStG die Vergleichbarkeit der ausländischen Umwandlung mit einer nach dem UmwG fordert, aber nicht eine identische Ausgestaltung. Auch der Einleitungssatz in Rz. 01.24 UmwSt.-Erlass 2011 spricht dafür, dass es auch der FinVerw. um einen Vergleich „seinem Wesen nach“ geht. Schließlich wird in Rz. 01.40 UmwSt.-Erlass 2011 bei den sonstigen Vergleichskriterien die Zuzahlungsgrenze auch noch einmal aufgegriffen und deren Relevanz zweifach relativiert: vereinbarte Zuzahlungen, die den 10 %-Rahmen des § 54 Abs. 4 UmwG übersteigen, sollen offenbar nur negativ wirken, wenn sie den Rahmen „deutlich“ überschreiten, und dies wird auch nicht als Ende des Vergleichbarkeitstests angesehen, sondern nur als „ein Indiz“. Das spricht dafür, dass die Prüfung auch nach Auffassung der FinVerw. im UmwSt.-Erlass 2011 letztlich ein Vergleich im Wesentlichen mit einer wertenden Gesamtabwägung sein sollte. Klar ist das aber im UmwSt.-Erlass 2011 keineswegs. Dem Vernehmen nach hat die FinVerw. seit dem Inkrafttreten des SEStEG eine ganze Reihe von Umwandlungen in anderen EU-Staaten als vergleichbar anerkannt. Berichtet wird zB von –

Abspaltungen in Polen (Sp.z.o.o. – Sp.z.o.o.), Niederlande (N.V. – B.V.) und Frankreich (SAS – SAS)



Formwechseln in Luxemburg (S.C.S. – S.à r.l.) und Rumänien (SRL – SCS)



Innerstaatlichen Verschmelzungen in Russland (ooo – ooo, entspr. GmbH) und der Schweiz (Genossenschaft – GmbH (Schweiz)), sowie



grenzüberschreitenden Verschmelzungen Portugal/Deutschland (SA – GmbH), Österreich/Deutschland (AG – AG, Ges.m.b.H. – GmbH), Frankreich/Deutschland (SA – GmbH), Italien/Deutschland (S.r.l. – GmbH), Niederlande/Deutschland (B.V. – GmbH).

Wie bereits erwähnt, ist bisher – soweit ersichtlich – keine Rspr. zum Vergleichbarkeits-Test iSd. UmwStG ergangen. Jüngst hat jedoch der BFH einige interessante Entscheidungen zu ausländischen Umwandlun44 ZB Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, § 1 Rz. 57; Mückl in BeckOK, UmwStG § 1 Rz. 170; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, UmwG/ UmwStG9, § 1 Rz. 35; Prinz, DB 2012, 820 (821 f.); grundsätzlich auch Möhlenbrock in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 1 UmwStG Rz. 96 aE.

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gen im Rahmen des § 20 Abs. 4a EStG getroffen, die durchaus Rückschlüsse auch auf das UmwStG erlauben. § 20 Abs. 4a EStG bezweckt, (vereinfacht) bestimmte Vorgänge als steuerneutral einzuordnen, die sonst (zB als Tauschvorgänge) zu Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) und damit zur Pflicht zur Einbehaltung von Abgeltungssteuer führen könnten. Grundtatbestand ist der – relativ weit formulierte – Tausch von Anteilen aufgrund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen, die von den beteiligten Unternehmen ausgehen (§ 20 Abs. 4a Satz 1 EStG). Das Gesetz ordnet für diesen Fall abweichend von § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG und § 13 UmwStG eine sachliche Rechtsnachfolge an – die gewährten Anteile treten an die Stelle der eingetauschten – und damit im Ergebnis eine Buchwertfortführung. Für Abspaltungen gilt dies nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG abweichend von (ua.) § 15 UmwStG entsprechend; dieser Satz verwendet nur den Begriff Abspaltung, ohne auf das UmwG zu verweisen noch auf ausländische Vorgänge. In den entschiedenen Fällen ging es um Umstrukturierungen von börsennotierten US-Gesellschaften (hierin US TopCo), die zunächst Vermögen an eine ihrer Tochtergesellschaften übertrugen und die Anteile an der Tochter dann an ihre (zT auch deutschen) Anteilseigner gewährten, die diese Anteile fortan neben ihren fortbestehenden Anteilen an der US TopCo hielten. Die Frage war, ob der Erhalt der Anteile an der Tochtergesellschaft zu Einkünften der deutschen Anteilseigner führte oder nach § 20 Abs. 4a EStG steuerneutral bleiben konnte. Im ersten entschiedenen Verfahren VIII R 9/1945 ging es um den Split der Hewlett Packard Company (HPC, dann umbenannt in HPI) nach Recht des US-Staats Delaware. HPI gliederte bestimmtes Geschäft aus in eine US-Tochtergesellschaft (HPE). Die Aktionäre erhielten sodann für eine alte Aktie der HPC eine Aktie der umbenannten HPI. Zusätzlich teilte ihnen die HPI ihre bereits an der HPE gehaltenen Anteile zu, so dass die Aktionäre fortan im selben Verhältnis an den beiden Gesellschaften – der HPI und der HPE – beteiligt waren. Die FinVerw. war der Meinung, dass § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG für die Übertragung der Anteile an der HPE nicht greife, und zwar (i) einerseits weil „Abspaltung“ ein Terminus des deutschen UmwG sei, so dass er für ausländische Vorgänge nicht anwendbar sei, und (ii) jedenfalls ausländische Vorgänge mit den „Strukturmerkmalen“ einer deutschen Abspaltung vergleichbar sein müssten, was konkret nicht der Fall sei, weil das Gesellschaftsrecht 45 BFH v. 1.7.2021 – VIII R 9/19, BStBl. II 2022, 359 = ZIP 2021, 2482 = FR 2021, 1136.

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des US-Bundesstaats Delaware das Rechtsinstitut der Spaltung nicht kenne und der sog. „Spin-Off“ (auch wenn er nach US-Steuerrecht steuerneutral möglich sei) nur auf einzelvertraglicher Vereinbarung beruhe; er sei vielmehr ein zweiaktiger Vorgang iS einer Einlage von Vermögenswerten in eine Tochtergesellschaft und einer anschließenden Sachausschüttung der von der Muttergesellschaft gehaltenen Anteile an der Tochtergesellschaft. Der BFH entschied dagegen (wie die Vorinstanz), dass der Tatbestand des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG erfüllt sei. Das Gesetz spreche zwar nur von Abspaltung (und erfasse daher Abspaltungen iSd. § 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG) und sage nichts zur Anwendung auf (vergleichbare) ausländische Vorgänge. Die Norm müsse aber auch für diese gelten, weil sonst ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) vorläge. Die Kapitalverkehrsfreiheit fordere aber nur, dass keine Benachteiligung eintrete, nicht aber eine Besserstellung, weswegen die Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG auf einen ausländischen Vorgang voraussetze, dass dieser einer deutschen Abspaltung vergleichbar sei, dh. dem Wesen nach einer Abspaltung iSd. UmwG entspreche. Ausreichend sei daher eine typusorientierte Auslegung, bei der die wesentlichen Strukturmerkmale verglichen werden. Das erfordere (i) eine Übertragung von Vermögen (ii) aufgrund Rechtsgeschäfts (iii) gegen Gewährung von Anteilen an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers, (iv) ohne dass dieser aufgelöst wird. Nicht schädlich ist es nach Auffassung des BFH insbes., dass die Vermögensübertragung einzelvertraglich erfolgte und nicht auf Basis einer gesetzlichen Regelung „uno actu“ und mit (wie in Deutschland) partieller Gesamtrechtsnachfolge, wenn die wesentlichen Vorgänge (Übertragung des Vermögens auf die Tochtergesellschaft und Gewährung der Anteile an dieser an die Anteilseigner der TopCo) in einem einheitlichen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang miteinander stehen. Liegt dieser Zusammenhang vor, so ist es nach Ansicht des BFH egal, dass das Ganze bei einer formal-isolierten Betrachtung Teilschritte sind, die man als Einbringung durch die TopCo und eine davon zu trennende Sachausschüttung der von der TopCo erhaltenen (oder bereits gehaltenen) Anteile werten könnte; bei Vorliegen des og. Zusammenhangs werden diese Teilschritte zu einem Vorgang – nämlich einer Abspaltung – verknüpft. Das explizite Absehen vom Erfordernis einer einheitlichen Vermögensübertragung in einem Akt aufgrund Gesetzes mit einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge spricht der BFH jedenfalls für Drittstaatsfälle aus; er hält eine solche Forderung für nicht gerechtfertigt, weil dies die Anwendung des UmwStG auf Länder begrenze, die ei250

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ne solche Technik überhaupt kennen, was mit der Kapitalverkehrsfreiheit (Art 63 AEUV) unvereinbar sei; für EU-Fälle lässt er die Frage (weil in diesem US-Fall nicht entscheidungserheblich) offen, insbes. ob sich engere Anforderungen wegen der Existenz gesellschaftsrechtlicher Regelungen in EU Richtlinien ergebe.46 Diese Auffassung hat der VIII. Senat des BFH in zwei zeitnah folgenden Entscheidungen zu weiteren US-Spin-offs mit in diesem Punkt im Wesentlichen identischer Begründung bestätigt, nämlich demjenigen bei Ebay (Spin-off von Paypal)47 sowie Kraft Foods/Mondelez (Spin-off von KFG)48. Diese Spin-offs und die Verknüpfung der Vorgänge (Übertragung von Vermögen durch die TopCo auf eine Tochtergesellschaft, Gewährung der Anteile an der Tochtergesellschaft an die Anteilseigner) waren soweit ersichtlich im Wesentlichen gleichgelagert.49

46 BFH v. 1.7.2021 – VIII R 9/19, BStBl. II 2022, 359 = ZIP 2021, 2482 = FR 2021, 1136 Rz. 27 mwN. 47 BFH v. 1.7.2021 – VIII R 15/20, BStBl. II 2022, 363 = FR 2021, 1139. 48 BFH v. 19.10.2021 – VIII R 7/20, BStBl. II 2022, 366 = ZIP 2022, 166. In dieser Entscheidung war die Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG zeitlich noch gar nicht anwendbar, der BFH hielt deshalb – unter Berücksichtigung der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) den Satz 1 für anwendbar auf ausländische Vorgänge, die einer deutschen Abspaltung iSd. UmwG ihrem Wesen nach vergleichbar sind. 49 Der vom BFH geforderte einheitliche zeitliche und sachliche Zusammenhang von Teilschritten zu deren Gesamtbetrachtung wird in den beiden letzten Entscheidungen auch damit begründet, dass die aus den Teilschritten resultierende Zielstruktur von Anfang an so beabsichtigt und durch öffentliche Pressemitteilungen bekannt gemacht gewesen sei (vgl. BFH v. 1.7.2021 – VIII R 15/20, BStBl. II 2022, 363 = FR 2021, 1139 Rz. 25; v. 19.10.2021 – VIII R 7/20, BStBl. II 2022, 366 Rz. 27 = ZIP 2022, 166). Kurz vor diesen Entscheidungen hatte der BFH in einer Entscheidung zu einer Anteilsgewährung durch die Vodafone plc an ihre Anteilseigner (BFH v. 4.5.2011 – BFH v. 4.5.2021 – VIII R 14/20, BFH/NV 2021, 1675 = FR 2021, 1144) die Vergleichbarkeit der dortigen Vorgänge mit einer Abspaltung nach dem UmwG nachvollziehbarerweise abgelehnt, insbes. weil die dortige Vermögensübertragung nicht durch die börsennotierte Obergesellschaft erfolgte, an der ua. deutsche Anteilseigner beteiligt waren, sondern eine mittelbare Tochtergesellschaft, und aus dieser Übertragung erhaltene Anteile an der Übernehmerin auch erst durch einen 5 Monate später gefassten Beschluss an die Anteilseigner ausgekehrt wurden. An einem Zusammenhang der Teilschritte fehlte es also ersichtlich, weswegen hier für die Vergleichbarkeit auch nicht weiter auf diese Entscheidung eingegangen wird.

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Der BFH verweist jeweils (bei der Definition der Anforderungen an die Vergleichbarkeit dem Wesen nach und der wesentlichen Strukturmerkmale) explizit auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG, die Gesetzesbegründung zum UmwStG sowie Kommentierungen zum UmwStG.50 Dies könnte man in dem Sinne verstehen, dass der BFH den Vergleichbarkeits-Test, den er für § 20 Abs. 4a EStG anwendet (ohne dass dieser dort im Gesetz angesprochen wird), inhaltlich aus demjenigen iSd. UmwStG entwickelt, diese also offenbar identisch sein sollen. Weiter könnte hierfür sprechen, dass beide gesetzlichen Regelungen keine gesicherte Beteiligung voraussetzen, sondern die Umwandlungen auch zwischen unverbundenen oder nur gering verbundenen Unternehmen möglich sind, so dass die Kapitalverkehrsfreiheit des Art 63 AEUV zu beachten sein dürfte. Andererseits ist zu bedenken, dass es sich bei § 20 Abs. 4a EStG um eine Regelung handelt, die gem. § 43a Abs. 2 Satz 2 EStG (vorrangig) im Kapitalertragsteuerabzugsverfahren Anwendung findet. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Auffassung vertreten, dass der Abspaltungsbegriff im Rahmen des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG großzügiger auszulegen ist als im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG. Denn im Kapitalertragsteuerabzugsverfahren kann in Anbetracht der zeitkritischen Entscheidung häufig nur eine grobe Überprüfung der Voraussetzungen erfolgen. Die FinVerw. hat sich zwischenzeitlich geäußert und wird die oa. Urteilsgrundsätze nicht auf Abspaltungen iSd. § 15 UmwStG anwenden. Insoweit gilt die Rz. 01.36 des UmwSt.-Erlasses 2011 weiter51.

III. Ausweitung der gesellschaftsrechtlichen Möglichkeit grenzüberschreitender EU-Umwandlungen Voraussetzung für die Anwendung der umwandlungssteuerlichen Regelungen auf nicht rein deutsche Vorgänge ist natürlich zunächst einmal, dass solche Umwandlungen nach dem anwendbaren Gesellschaftsrecht überhaupt möglich sind. Hier kommt es jedenfalls auf EU-Ebene absehbar in Kürze zu einer Erweiterung der Möglichkeiten für grenzüberschreitende Umwandlungen.

50 Vgl. in den Urteilen VIII R 9/19 und VIII R 15/20 jeweils Rz. 21 f., im Urteil VIII R 7/20 Rz. 22 f. 51 BMF v. 19.5.2022 – IV C 2 - S 1978-b/20/10005:004 – DOK 2022/0206627, BStBl. I 2022, 844.

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Bisher verfügte idR jeder EU- oder EWR-Staat über eigene nationale Umwandlungsregeln. Für grenzüberschreitende Umwandlungen innerhalb der EU gab es bisher keine einheitliche Regelung, sondern nur eine für die Verschmelzung von EU-/EWR-Kapitalgesellschaften aufgrund der Verschmelzungsrichtlinie aus dem Jahr 2005,52 die in Deutschland durch die §§ 122a ff UmwG umgesetzt wurde. Weiterführende Regelungen für die Verwirklichung anderer grenzüberschreitender Umwandlungsvorgänge hatte weder die EU noch der deutsche Gesetzgeber erlassen. Ein grenzüberschreitender Formwechsel war seit einigen Jahren dennoch dem Grunde nach möglich, weil er durch die Rspr. des EuGH zur Niederlassungsfreiheit unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen worden ist.53 Auch einheitliche (insofern spaltungsähnliche) Übertragungen von Vermögen über die Grenze sind dem Grunde nach gestaltbar durch Anwachsung von deutschen Personengesellschaften über die Grenze. Gleichwohl waren diese Vorgänge mangels gesetzlicher Regelung nur Behelfskonstruktionen. Zudem ist das Umwandlungssteuerrecht in diesen Fällen nicht anwendbar (kein sachlich erfasster Vorgang), so dass es auf die allgemeinen Regelungen der Körperschaftsbesteuerung – § 12 Abs. 1 KStG etwa – ankommt, die wenig vorteilhaft sein können. Hier ist jedoch eine zeitnahe Erweiterung absehbar. Auf EU-Ebene wurde das sog. Company Law Package verabschiedet,54 das von den Mitgliedstaaten bis Januar 2023 umzusetzen ist. Dies wird erstmals auch gesetzliche Regelungen mit sich bringen für grenzüberschreitende Spaltungen und Formwechsel. Allerdings ist die Richtlinie leider nicht umfassend ausgestaltet, sondern lässt (wenn man sie mit den nationalen Umwandlungsmöglichkeiten des UmwG vergleicht) einige Bereiche ungeregelt. So ist sie persönlich allein auf EU-Kapitalgesellschaften beschränkt. Sachlich sind zB grenzüberschreitende Spaltungen nur zur Neugründung möglich. Hier wäre eine überschießende Richtlinienumsetzung durch den Gesetzgeber wünschenswert, die die erwähnten Lücken schließt (was freilich nur dann helfen würde, wenn und soweit auch 52 Richtlinie (EU) 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.10.2005. 53 Insbes. EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10, ZIP 2012, 1394 m. Anm. Mörsdorf/ Jopen (VALE), NJW 2012, 2715; v. 25.10.2017 – C-106/16, ZIP 2017, 2145 (Polbud), GmbHR 2017, 1261 m. Anm. Bochmann/Cziupka. 54 Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, ABl. v. 12.12.2019 L 321, 1.

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andere Mitgliedstaaten erweiternde Umsetzungen vornehmen). Der jüngst veröffentlichte Regierungsentwurf der Bundesregierung55 kommt dem zumindest teilweise nach (erfasst sind nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern zT auch Personenhandelsgesellschaften, und zudem räumlich – neben EU-Gesellschaften – solche aus dem EWR; Spaltung zur Aufnahme ist auch vorgesehen, aber nur bei (gemessen an der Zahl der Arbeitnehmer) kleinen Gesellschaften). Möglicherweise wird sich bei Umwandlungen, die national, aber nicht grenzüberschreitend möglich werden, erneut die praktische Frage, ob eine nicht erfasste Umwandlung unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV nicht doch zulässig ist.

IV. Grenzüberschreitende Umwandlungen und Verlustbeschränkungen 1. Bisherige Beschränkungsregelungen Im Umwandlungssteuerrecht sieht der deutsche Gesetzgeber seit langem Beschränkungen vor, welche die Verlustnutzung sowohl auf Seiten des übertragenden als auch des übernehmenden Rechtsträgers limitieren. Auf Seiten des übertragenden Rechtsträgers sind dies heute insbes.: –

§ 4 Abs. 2 Satz 2 und § 12 Abs. 3 UmwStG, die dafür sorgen, dass laufende Verluste und Verlustvorträge nicht auf den Übernehmer übergehen (obwohl dieser grundsätzlich in die steuerliche Rechtsstellung des Übertragenden eintritt), sondern (wenn sie nicht letztmals vom übertragenden Rechtsträger genutzt werden) untergehen. Bei der Aufspaltung gilt das im Ergebnis entsprechend; bei der Abspaltung gehen die entsprechenden Verlustpositionen beim fortbestehenden übertragenden Rechtsträger quotal unter (§ 15 Abs. 3 UmwStG).



Verluste des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum sind wegen § 2 Abs. 4 Satz 1 und 2 UmwStG nur dann beim übernehmenden Rechtsträger verrechenbar, wenn eine Verlustverrechnung auch ohne steuerliche Rückwirkung hätte genutzt werden können. Das soll insbes. ausschließen, dass Verluste und Verlustvorträge, die nach § 8c KStG wegen eines Gesellschafterwechsels untergehen wür-

55 BR-Drucks. 371/22.

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den, durch eine rückwirkende Verschmelzung nicht „wiederbelebt“ werden.56 –

Neu eingefügt ins UmwStG wurde mit dem AbzStEntModG der § 2 Abs. 5 UmwStG, auf den unten (unter 2.) noch etwas näher eingegangen wird.

Auf der Seite des übernehmenden Rechtsträgers bestehen insbes. folgende Beschränkungen: –

Zum einen kann § 8c KStG, die generelle Regelung zum Untergang von Verlustvorträgen und ähnlichen Positionen, bei Umwandlungen einschlägig werden, wenn die Umwandlung zu einem entsprechenden schädlichen Erwerb von Anteilen an einer Verlustgesellschaft führt.



§ 2 Abs. 4 Satz 3 ff. UmwStG beschränkt zum anderen den übernehmenden Rechtsträger weiter, indem die Nutzung laufender Verluste mit positiven Einkünften eines „fremden“ übertragenden Rechtsträgers, die dieser im Rückwirkungszeitraum erzielt hat, für unzulässig erklärt wird. Auf diese Regelung wird unten (unter 4.) näher eingegangen.

2. § 2 Abs. 5 UmwStG als neue Verlustbeschränkungsvorschrift Das bisherige Verlustverrechnungsregime wurde jüngst mit Einführung des § 2 Abs. 5 UmwStG durch das AbzStEntModG57 vom 2.6.2021 um eine weitere, komplexe Einschränkung ergänzt, die im Folgenden nur kurz in einem ersten Überblick dargestellt wird. Das neue Verrechnungsverbot in § 2 Abs. 5 UmwStG regelt die Verrechnung von Verlusten, die dadurch entstehen, dass der übernehmende Rechtsträger an ihn durch Umwandlung übertragene Finanzinstrumente oder Anteile an Körperschaften abschreibt oder mit Verlust veräußert. Im Ergebnis soll verhindert werden, dass beim übertragenden Rechtsträger noch nicht realisierte stille Lasten intersubjektiv durch Umwandlung übertragen und dann erst genutzt werden. Im Kern handelt es sich um eine spezielle Missbrauchsverhinderungsregelung, wie sich ua. aus der Ausnahmeregelung in Satz 6 ergibt (dazu sogleich). Die eingeführte 56 Vgl. dazu zB van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, § 2 Rz. 169 f. mit instruktivem Bsp. zur Technik. Wegen der Stille-Reserven-Klausel in § 8c Abs. 1 Satz 5 ff. KStG dürfte die Regelung in der Praxis nicht mehr relevant sein. 57 BGBl. I 2021, 1259.

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Vorschrift greift nicht nur hinsichtlich der Verlustnutzung im Rückwirkungszeitraum ein, sondern beschränkt nach § 2 Abs. 5 Satz 2 UmwStG auch Verlustrealisationen außerhalb des Rückwirkungszeitraums; sie ist daher unabhängig vom Rückwirkungszeitraum.58 Über Verweisungen in § 9 Satz 3 UmwStG und § 20 Abs. 6 Satz 4 UmwStG werden auch Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft und bei Einbringungen in Kapitalgesellschaften mit Rückwirkung zukünftig durch § 2 Abs. 5 UmwStG beschränkt. Der nach seinem Wortlaut unscharfe sachliche Anwendungsbereich wird wohl eher als Sonderregelung für Umwandlungen innerhalb der Finanzwirtschaft zur Anwendung kommen, denen § 8b Abs. 7 KStG bisher eine weitreichende Verlustnutzung bei Kapitalgesellschafts-Beteiligungen eingeräumt hat.59 Für die neue Verlustbeschränkung enthält § 2 Abs. 5 Satz 6 UmwStG die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises; danach kommt es nicht zu einer Beschränkung, sofern der Stpfl. nachweist, dass die Verrechnung negativer Einkünfte weder Haupt- noch Nebenzweck der Umwandlung gewesen ist. Wie dieser Gegenbeweis beschaffen sein muss, führen weder Gesetz noch Gesetzesbegründung aus.60 Hier wird es grundsätzlich auf den Einzelfall ankommen.61 Sehr speziell und rechtlich neuartig ist auch die Regelung zum zeitlichen Anwendungsbereich der neuen Verlustschranke. Nach der Anwendungsvorschrift § 27 Abs. 16 Satz 2 UmwStG nF ist § 2 Abs. 5 UmwStG auf alle noch offenen Fälle anzuwenden, in denen die äußeren Umstände darauf schließen lassen, dass die Verrechnung stiller Lasten wesentlicher Zweck der Umwandlung oder Einbringung war und der Stpfl. dies nicht widerlegen kann. Diese Anordnung ist vor dem Hintergrund des Verbots echter Rückwirkung zulasten des Stpfl. verfassungsrechtlich be-

58 Pupeter im UmwStG – eKommentar, § 2 Rz. 361, meint daher, dass die Regelung eher in den allgemeinen Regelungen des § 4 Abs. 2, 12 UmwStG platziert hätte werden sollen. 59 Diese Einschätzung äußern Binnewies/Mückl/Olbing, GmbHR 2021, 1293 (1297) und Liedgens, Ubg. 2021, 283 (291). Indirekt Pupeter im UmwStG – eKommentar, § 2 Rz. 366, wegen voraussichtlicher Anwendung der Öffnungsklausel des § 2 Abs. 5 Satz 6 UmwStG. 60 Liedgens, Ubg. 2021, 283 (288) tritt für eine Beweisführung außersteuerlicher Gründe ein, die an den Gegenbeweis des § 42 Abs. 2 Satz 2 AO erinnert. 61 Dötsch/Werner in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 2 UmwStG Rz. 148. Zu möglichen Konstellationen vgl. ua. Pupeter im UmwStG – eKommentar, § 2 Rz. 395.

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denklich.62 UE sollte die Regelung allein entsprechend § 27 Abs. 16 Satz 1 UmwStG für Umwandlungen herangezogen werden, die nach dem Tag der Veröffentlichung des Referentenentwurfs, dem 20.11.2020, liegen. Für alle noch offenen Umwandlungsfälle sollte sich die FinVerw. allein durch Anwendung des § 42 AO behelfen, um missbräuchlichen Gestaltungen entgegenzuwirken.

3. BFH I R 2/18: Verschmelzung eines „Gewinnmantels“ auf Verlustgesellschaft Mit besonderer Spannung war die Entscheidung des BFH im Verfahren I R 2/18 erwartet worden, weil es dort um eine evtl. Beschränkung der Verlustverrechnung wegen einer von der FinVerw. behaupteten missbräuchlichen Gestaltung ging, und damit auch Grundfragen der Verlustnutzung berührt werden als auch (insbes.) die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsregelung des § 42 Abs. 2 AO in Sachbereichen, wo der Gesetzgeber bereits spezielle Missbrauchs- oder ähnliche Regelungen geschaffen hat. Der Sachverhalt war vereinfacht wie folgt: Eine GmbH (A-GmbH) mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten hatte zugleich steuerlich Verluste bzw. Verlustvorträge. Sie erwarb von einem Drittem eine Gesellschaft (D-GmbH), die ihrerseits vor kurzem hohe steuerliche Gewinne erzielt hatte, die zwischenzeitlich aber an ihren Gesellschafter weitgehend ausgeschüttet worden waren; die D-GmbH war zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung an die A-GmbH also weitgehend „leer“. Anschließend wurde die D-GmbH rückwirkend auf die A-GmbH verschmolzen; aufgrund der Rückwirkung wurden die hohen Gewinne der D-GmbH nach § 2 Abs. 1 UmwStG auf die A-GmbH übertragen. Den Vorteil aus der Verminderung der Steuerlast, der sich durch die Verrechnung der von der D-GmbH erzielten Gewinne mit den Verlustvorträgen der A-GmbH ergab, teilten sich die Beteiligten. Das Ganze spielte in den Jahren 2008/2009, in denen die Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 3 ff. UmwStG (zu dieser unten 4.) noch nicht anwendbar war. Andere spezielle Regelungen zu Verlustverrechnungseinschränkungen (wie § 12 Abs. 3 iVm. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG oder § 8c KStG) griffen tatbestandlich nicht ein. Die FinVerw. wollte die Verrechnung mit den Verlustvorträgen der A-GmbH nicht anerkennen und stützte sich dabei auf die allgemeine Missbrauchsregel des § 42 Abs. 2 AO. 62 Ebenso Binnewies/Mückl/Olbing, GmbHR 2021, 1293 (1297).

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Der BFH63 lehnte dagegen (wie bereits das FG Hessen in der Vorinstanz64) im Ergebnis das Vorliegen eines Missbrauchs iSd. § 42 AO ab und ließ die Verlustverrechnung zu. Seine wesentlichen Gründe – insbes. zum Verhältnis von speziellen Missbrauchsverhinderungs- oder ähnlichen Regelungen und der allgemeinen Missbrauchsregelung des § 42 AO – lassen sich wie folgt zusammenfassen: Im konkreten Fall griff, wie dargelegt, keine der seinerzeit existierenden speziellen Verlustverrechnungseinschränkungsregelungen ein (insbes. nicht § 12 Abs. 3 UmwStG oder § 8c KStG). Allein durch die Existenz dieser Regelung werde die allgemeine Missbrauchsregelung des § 42 AO – entgegen früheren Entscheidungen – aber nicht (mehr) per se verdrängt. Dies ergab sich für den BFH klar aufgrund der neueren Regelung in § 42 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO. Einzelsteuergesetzliche Regeln verdrängten § 42 AO nur dann, wenn ihr Tatbestand erfüllt ist; sind sie dagegen tatbestandlich nicht einschlägig, werde § 42 AO auch nicht verdrängt. Eine gesetzestechnisch begründete „automatische“ Abschirmwirkung der einzelsteuergesetzlichen Umgehungsverhinderungsvorschriften gebe es nicht. Dies ergebe sich auch nicht aus dem allgemein anerkannten Auslegungsgrundsatz, dass die speziellere Regelung die generelle verdränge; diese könne nur relevant werden, wenn auch beide konkurrierenden Normen tatsächlich grundsätzlich erfüllt seien. Vor Anpassung des § 42 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO mit Wirkung ab 2008 (Art. 97 § 7 EGAO) hatte der BFH dagegen noch eine solche verdrängende Wirkung spezieller Missbrauchsregelungen angenommen als regelungsabschließende materielle Typisierungen uU missbrauchsanfälliger Sachverhaltsgestaltungen.65 Allerdings betrifft diese „technische Begründung“ nur die Frage der generellen Anwendbarkeit des § 42 AO. Denn bei der im Rahmen Tatbestandsprüfung des § 42 AO relevanten Frage, ob eine Gestaltung den Wertzungen des Gesetzgebers zuwiderläuft, spielen die nicht einschlägigen speziellen Regelungen doch wieder eine zentrale Rolle.66 Denn die 63 BFH v. 17.11.2020 – I R 2/18, BStBl. II 2021, 580 = GmbHR 2021, 946 = ZIP 2021, 1864 = FR 2021, 695. 64 FG Hessen v. 29.11.2017 – 4 K 127/15, DStRE 2019, 91. 65 Vgl. BFH v. 18.12.2013 – I R 25/12, GmbHR 2014, 605 = BFH/NV 2014, 904 Rz. 21 und die hM in der Literatur (vgl. ua. nur Drüen in Tipke/Kruse, AO/ FGO, Vor § 42 AO Rz. 13a und § 42 AO Rz. 20, jeweils mwN). 66 Mosler/Münzner, FR 2021, 963 sprechen (als Vertreter der FinVerw.) deswegen auch von einem Pyrrhussieg bei der Frage der Abschirmwirkung auf der ersten Stufe.

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Wertung spezieller Regelungen sei wichtig für die Frage, ob und welche Gestaltungen den Wertungen des Gesetzgebers widersprächen; dies wird wiederum durch die speziellen Regelungen determiniert. Denn wenn der Gesetzgeber einen Sachbereich als missbrauchsanfällig erkennt, und ihn dann speziell adressiert, dann hat er sich entsprechend festgelegt, und das kann nicht ignoriert werden. Anderenfalls kommt es nach dem BFH zu Wertungswidersprüchen. Die Berücksichtigung spezieller Regelungen zu einem Sachbereich erfolgt daher im Rahmen der teleologischen Auslegung des § 42 AO, und zwar unabhängig davon, ob sie als konkrete oder typisierte Missbrauchsregelungen zu qualifizieren sind.67 Bei der weiteren Prüfung des § 42 AO betonte der BFH dann im Einklang mit seiner früheren Rspr., dass die Nutzung von eigenen erwirtschafteten Verlusten grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich sei, und dass es keiner weiteren außersteuerlichen Gründe bedarf; dass die Gewinne, die mit den eigen-erwirtschafteten Verlusten verrechnet wurden, nicht selbst erwirtschaftet wurden, sondern (mittels des Erwerbs der D-GmbH) von einem konzernfremden Dritten stammen und erworben wurden („Kauf Gewinnmantel“), war für ihn nicht entscheidend. Dem Urteil wird sicher eine große Bedeutung zukommen.68 Nicht unbedingt für die konkrete Gestaltung der Verschmelzung einer Gewinnauf eine Verlustgesellschaft, denn für diese hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 2013 durch den speziellen § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG eine sehr konkrete Norm geschaffen, die ggf. greift oder eben nicht, aber jedenfalls einen Rückgriff auf § 42 Abs. 2 AO ausschließt. Aber für die Anwendung des § 42 Abs. 2 AO in Bereichen, in denen der Gesetzgeber spezielle Regelungen geschaffen hat (unabhängig davon, ob sie als Missbrauchsvermeidungsregelungen oder nicht zu qualifizieren sind). Obwohl § 42 AO aufgrund der Neuregelung des § 42 Abs. 1 Satz 2, 3 AO ab 2008 nicht mehr per se verdrängt wird, dürfte sich im praktischen Ergebnis wenig ändern.69 Von einigen enttäuschten Vertretern der FinVerw. hört man bereits den erneuten Ruf nach dem Gesetzgeber.70

67 BFH v. 17.11.2020 – I R 2/18, BStBl. II 2021, 580 Rz. 26 = FR 2021, 695 m. Anm. Bärsch = GmbHR 2021, 946 = ZIP 2021, 1864. 68 Siehe auch die Besprechungen, ua Bärsch, FR 2021, 699; Blumenberg/Bernard, DB 2021, 1491; kritisch gegenüber der Entscheidung insbes. Mosler/Münzner, FR 2021, 963. 69 Pfirrmann, BFH/PR 2021, 335. 70 Mosler/Münzner, FR 2021, 963 (973).

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4. FG Berlin-Brandenburg: Zentrale Aussagen zur Auslegung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG In der Sache (Verschmelzung einer Gewinn- auf eine Verlustgesellschaft) passend erging zudem zuletzt die erste Entscheidung eines FG (nämlich des FG Berlin-Brandenburg) zur Frage der Auslegung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG.71 Die mit dem AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.201372 eingeführte Vorschrift versucht die Nutzung von Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers zu beschränken, wirft aber eine Reihe von Auslegungsfragen auf. Zu vielen nahm das FG in seiner Entscheidung Stellung. Insgesamt vertritt es (mit Ausnahme der betroffenen Steuerarten) eine sehr weite Auslegung, weswegen die Entscheidung des BFH in der Revision (Az. I R 48/20) mit Spannung erwartet werden darf. Der Fall war eher einfach und wies keinerlei missbräuchliche Elemente auf. Die Klägerin, die A-GmbH, entstand durch die rückwirkende Ausgliederung eines Betriebs zur Neugründung durch den späteren Alleingesellschafter der A-GmbH, den Einzelkaufmann B. Das vorherige Einzelunternehmen erzielte im Veranlagungszeitraum der Umwandlung positive Einkünfte. Da sich der bisherige Einzelunternehmer B als Alleingesellschafter der neu entstandenen A-GmbH ein Geschäftsführergehalt zahlte, das als Betriebsausgabe den Gewinn der neu entstandenen GmbH minderte, war – jedenfalls nach der Schätzung des FA – ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausgliederung ein Verlust entstanden. Diesen geschätzten Verlust wollte das FA nicht mit den positiven Einkünften verrechnen, die bis zum Wirksamwerden der Ausgliederung noch im Einzelunternehmen entstanden waren, aber aufgrund der gewählten Rückwirkung der Ausgliederung ertragsteuerlich bereits der GmbH zuzurechnen waren (§ 20 Abs. 6 UmwStG). Das FG gab dem FA im Grundsatz Recht, dass der Gewinn des übertragenen Rechtsträgers auch in diesem Fall nicht mit negativen Einkünften des übernehmenden Rechtsträgers verrechnet werden dürfte nach § 20 Abs. 6 Satz 4 iVm. § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG. Seine wesentlichen Aussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen: –

Nach Ansicht des FG ist § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG nicht nur auf Missbrauchsfälle anzuwenden, sondern gelte nach seinem Wortlaut für jede Art von Umwandlungsvorgang. Nach der Gesetzeshistorie

71 FG Berlin-Brandenb. v. 22.10.2020 – 10 K 10192/19, EFG 2021, 507 Rz. 64, 69. 72 BGBl. I 2013, 1809 = BStBl. I 2013, 802.

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sei die Motivation des Gesetzgebers zwar die Vermeidung von missbräuchlichen Gestaltungen gewesen, die der Monetarisierung von Verlusten dienten. Aber eine Einschränkung sei im Wortlaut nicht enthalten, und eine teleologische Reduktion sei nicht möglich, auch wenn es dadurch im Vergleich zum Telos der Norm zu „Kollateralschäden“ käme.73 Eine teleologische Reduktion hält das FG nicht für möglich, weil Missbrauchsfälle praktisch von nicht missbräuchlichen Fällen kaum abgrenzbar wären und zu weiteren Umgehungskonstruktionen führen würden.74 Auch wenn der Wortlaut der Regelung eine Begrenzung auf Missbrauchsfälle nicht vorsieht, ist jedoch die Argumentation des FG zu einer ganz generellen Ablehnung einer teleologischen Reduktion nicht sehr überzeugend. Zu einen ist das Missbrauchsvermeidungsziel der Regelung aus der Historie (wie das FG selbst herausarbeitet) eigentlich klar. Zum anderen verlangt der Gesetzgeber in anderen Regelungen selbst, missbräuchliche und zulässige Gestaltungen zu unterscheiden. Das betrifft nicht nur die allgemeine Missbrauchsregelung des § 42 Abs. 2 AO, sondern auch spezielle Regelungen wie zB (und da besonders ausgeprägt) der neue oben bereits beschriebene § 2 Abs. 5 UmwStG (dort insbes. im Satz 6 sowie auch in der Anwendungsregelung im § 27 Abs. 16 Satz. 2 UmwStG). Auch die Annahme, dass eine teleologische Reduktion generell andere Umgehungen ermögliche, ist viel zu pauschal. Man hat den Eindruck, dass das FG sich jedenfalls dem Versuch einer Reduktion grundsätzlich verweigert, obwohl der Fall durchaus Anlass geboten hätte. In diese Schiene passt, dass das FG auch verfassungsrechtliche Bedenken an der Vorschrift im Hinblick auf den Eingriff in das Leistungsfähigkeitsprinzip aus Art. 3 Abs. 1 GG verwirft, indem es den Eingriff wegen der gesetzgeberischen Motivation zur Missbrauchsbekämpfung für gerechtfertigt hält, und zwar auch, wenn es nicht vermeidbare Nebenwirkungen bei nicht steuergestalterisch angelegten Fällen gebe.75 –

§ 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG sei insbes. auf auch auf Umwandlungen zur Neugründung und nicht nur zur Aufnahme anzuwenden. Durch die Verweisung in § 20 Abs. 6 Satz 4 UmwStG werde eine Anwen-

73 FG Berlin-Brandenburg v. 22.10.2020 – 10 K 10192/19, EFG 2021, 507 Rz. 56, unter Hinweis auf van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, § 2 UmwStG Rz. 198. 74 FG Berlin-Brandenburg v. 22.10.2020 – 10 K 10192/19, EFG 2021, 507 Rz. 60. 75 FG Berlin-Brandenburg v. 22.10.2020 – 10 K 10192/19, EFG 2021, 507 Rz. 66.

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dung auf jede Art der Einbringung angeordnet.76 Eine Differenzierung für „interne“ Umwandlungsprozesse sei im Gesetz nicht angelegt. Auch diese Argumentation mag am Wortlaut orientiert technisch richtig sein. Gleichwohl springt das FG hier wiederum (zu) kurz. Insbesondere prüft es (soweit ersichtlich) nicht die „Konzernausnahme“ des § 2 Abs. 4 Satz 6 UmwStG und ihre Wirkungsweise im Rahmen einer systematischen Auslegung; die Verlustverrechnungssperre greift nämlich nicht ein, wenn die beteiligten Rechtsträger der Umwandlung vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag verbundene Unternehmen iSd. § 271 Abs. 2 HGB waren. Diese Voraussetzung lag im Streitfall nicht vor, sie konnte dies aber auch gar nicht, weil ja eine Umwandlung zur Neugründung erfolgte, der übernehmende Rechtsträger also noch gar nicht existierte. Das FG wählt also die Auslegung, diese Umwandlungsform generell in den Anwendungsbereich der Verlustbegrenzungsregelung einzubeziehen, ihr aber grundsätzlich die Möglichkeit der Ausnahme zu verweigern, und das, obwohl bei der Umwandlung zur Neugründung der übernehmende Rechtsträger gar keine Verluste (um deren Verrechnungsbegrenzung es geht) aus eigener Tätigkeit haben kann, sondern diese sich immer nur aus dem übernommenen Betrieb ergeben können. Vom Ergebnis her ist das höchst unbefriedigend, denn der möglicherweise vom Telos her am wenigsten für eine Begrenzung der Verlustverrechnung geeignete Fall wird getroffen. –

Auch bei der zeitlichen Anwendung verweigert das FG eine einschränkende Auslegung. Beim übernehmenden Rechtsträger seien nicht nur die negativen Einkünfte verrechnungsbeschränkt, die bis zur Umwandlung angefallen sind, sondern sämtliche Einkünfte des Wj.77 Hätte man dies (jedenfalls aus teleologischen Erwägungen) anders gesehen, wäre die Umwandlung zur Neugründung faktisch doch nicht betroffen gewesen.



Hinsichtlich der von der Norm erfassten Steuerarten begrenzte das FG dann die Wirkung allerdings auf die Körperschaftsteuer, und wendet sie nicht an auf die Gewerbesteuer. Bei der Art der Begründung bleibt sich das FG treu, denn es leitet dieses insofern einschränkende Ergebnis wieder aus einer sehr wortlautorientierten Auslegung ab (weil die Norm von „positiven Einkünften“, „negativen Einkünften“

76 FG Berlin-Brandenburg v. 22.10.2020 – 10 K 10192/19, EFG 2021, 507 Rz. 64. 77 FG Berlin-Brandenburg v. 22.10.2020 – 10 K 10192/19, EFG 2021, 507 Rz. 63.

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und „verbleibenden Verlustvorträgen“ spricht, nicht aber wie etwa § 10a GewStG von „Gewerbeertrag“, „Gewerbeverlust“ und „vortragsfähigem Fehlbetrag“).78 Insgesamt nimmt das FG also eine sehr wortlautorientierte Auslegung vor und befasst sich eigentlich gar nicht mit teleologischen Erwägungen, und das bei einem Fall, der eigentlich aus vielen Gründen nicht von dieser Regelung, die vom Gesetzgeber zwecks Missbrauchsvermeidung geschaffen wurde, erfasst werden sollte. Auf die Revisionsentscheidung darf man sehr gespannt sein.

V. Umwandlungen in der Hinzurechnungsbesteuerung Ausländische Umwandlungen können natürlich Folgen haben für inländische Beteiligte, aber auch bei nur indirekter Beteiligung über eine ausländische Gesellschaft über den „Umweg“ der Hinzurechnungsbesteuerung. Diese ist bekanntlich im Sommer 2021 nach langer Hängepartie durch das ATAD-UmsG in vielerlei Hinsicht angepasst worden.79 Im Rahmen der Anpassung des Aktivitätskatalogs des § 8 AStG wurde auch die Regelung für Umwandlungen angepasst. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG aF waren Einkünfte aus Umwandlungen aktiv, sofern die Umwandlung im Inland zu Buchwerten hätte erfolgen können. Eine Rückausnahme bestand insoweit, als die Umwandlungen auch Anteile aus Kapitalgesellschaften erfasste, deren Veräußerung passiv gewesen wäre, was nach § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG aF wiederum der Fall war, soweit der Veräußerungsgewinn auf Wirtschaftsgüter entfiel, die Kapitalanlageeinkünften dienten. Die Neuregelung modifiziert dies jetzt etwas. Grundsätzlich sind Umwandlungsgewinne aktiv nach § 8 Abs. 1 Nr. 9 nF. Davon ausgenommen sind Umwandlungsgewinne aus der Übertragung von Wirtschaftsgütern, soweit diese nicht der Erzielung aktiver Einkünfte iSd. § 8 Abs. 1 Nr. 1–8 AStG nF dienen; man könnte insofern also vereinfacht von „passiven Wirtschaftsgütern“ sprechen. Allerdings lässt das Gesetz eine Rückausnahme zu, wenn ein „doppelter Steuerneutralitäts-Test“ gelingt: die Hinzurechnungsbesteuerung greift für die passiven Wirtschaftsgüter nicht, wenn der Stpfl. nachweist, dass (i) die Umwandlung – hätte sie im Inland stattgefunden – zu Buchwerten hätte erfolgen können, und (ii) die 78 FG Berlin-Brandenburg v. 22.10.2020 – 10 K 10192/19, EFG 2021, 507 Rz. 70, 80. 79 Vgl. insgesamt zur Reform Schneider/Hruschka, StbJb. 2020/2021, 243 ff.

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Umwandlung im Ausland auch tatsächlich zu Buchwerten erfolgt ist („doppelter Steuerneutralitäts-Test“). Die Neuregelung ist für den Stpfl. eher begünstigend. Werden keine passiven Wirtschaftsgüter übertragen, ist gar kein „Steuerneutralitäts-Test“ für die Umwandlung notwendig. Und wenn solche passiven Wirtschaftsgüter im Rahmen der Umwandlung übertragen werden, dann ist mit dem doppelten „Steuerneutralitäts-Nachweis“ eine Ausnahme von der Hinzurechnungsbesteuerung möglich. Für Umwandlungen kann ferner die Änderung für Dividenden in der Hinzurechnungsbesteuerung relevant werden. Bisher waren Dividenden stets aktiv (§ 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG aF). Nach der Reform ist das anders; im Wesentlichen werden die Ausnahmen von der 95 %-Steuerfreiheit des § 8b Abs. 1 KStG in die Hinzurechnungsbesteuerung übertragen. Damit sind ua. auch solche Bezüge passiv, die das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben, sofern die Ausschüttung nicht das Einkommen der ausländischen Gesellschaft oder einer ihr nahestehenden Person erhöht hat und keiner Niedrigbesteuerung nach § 8 Abs. 5 AStG nF unterliegt (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a Doppelbuchst. bb AStG nF). An dieser Stelle kann also das bereits oben (vgl. II.1.c) beschriebene Problem bei Drittlandsspaltungen relevant werden, allerdings nur dann, wenn nach der nunmehr erfolgten grundsätzlichen Globalisierung des UmwStG die Drittlandsspaltung nicht mit einer Spaltung nach dem UmwStG vergleichbar ist; liegt dagegen die Vergleichbarkeit vor, und ist daher das UmwStG grundsätzlich anwendbar, dann kann auch keine als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizierende Sachausschüttung vorliegen, sondern „nur“ eine (fiktive) Veräußerung (vgl. dazu oben II.2.c).

VI. Sperrfristanteile iSd. § 22 UmwStG und Sperrfristverstöße durch Umwandlungen Ein weiterer Dauerbrenner in der umwandlungssteuerlichen Diskussion ist der Umgang mit sperrfristverhafteten Anteilen iSd. § 22 UmwStG. Sie entstehen vereinfacht, sofern (i) bei einem Einbringungsvorgang iSd. § 20 UmwStG die die Sacheinlage unterhalb des gemeinen Werts angesetzt wird, oder (ii) bei einer Einbringung von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Rahmen des § 21 oder auch § 20 UmwStG der Einbringende nicht von einer 95 %-Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG profitieren würde. Zu einer Nachversteuerung nach § 22 Abs. 1 (Einbringungsgewinn I) oder Abs. 2 (Einbringungsgewinn II) UmwStG kommt es, wenn 264

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die jeweiligen Sperrfristanteile innerhalb von sieben Jahren nach der Einbringung veräußert werden oder andere schädliche Vorgänge iSd. § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG (Ersatztatbestände) erfolgen.

1. Sperrfristverstoß durch Umwandlungen Ob bzw. wann die Übertragung oder sonstige Bewegung von Sperrfristanteilen durch Umwandlungen zu einem Sperrfristverstoß führt (als Veräußerung oder ggf. anderweitig), ist seit Anbeginn der Neuregelungen durch das SEStEG in der Diskussion.80 Das Gesetz selbst trifft keine generelle Aussage dazu, sondern benennt lediglich in § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2, 4 und 5 UmwStG spezifische Fälle – und zwar nur Einbringungsvorgänge iSd. §§ 20 und 21 UmwStG – die unschädliche Rückausnahmen von ansonsten schädlichen Ersatztatbeständen sind, sofern sie zum Buchwert und ohne sonstige Gegenleistung stattfinden. ZT wird daraus abgeleitet, dass nur eine Einbringung oberhalb des Buchwerts eine schädliche Veräußerung sei, nicht aber zB eine Verschmelzung der einbringenden Gesellschaft.81 Jedenfalls wird vielfach eine normspezifische Auslegung des Veräußerungsbegriffs des § 22 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 UmwStG für sachgerecht gehalten, so dass zumindest Umwandlungen zu Buchwerten und Umwandlungen ohne missbräuchliches Vorgehen nicht als schädliche Veräußerungen zu werten seien.82 Die FinVerw. geht dagegen grundsätzlich davon aus, dass jeder Umwandlungsvorgang auf der Ebene des übertragenden Rechtsträgers einen Veräußerungsvorgang darstellt,83 und daher jede „Bewegung“ von Sperrfristanteilen durch eine Umwandlung zu einem Sperrfristverstoß führt, sofern er nicht unter eine der gesetzlichen Rückausnahmen in § 22 80 Vgl. zB Hageböke, Ubg. 2011, 689 ff.; Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, § 22 Rz. 109 ff.; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 22 UmwStG Rz. 33 f.; Schneider/Roderburg in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwSt.-Erlass 2011 H 22.18; Schmitt in Schmitt/ Hörtnagl, UmwG/UmwStG9, § 22 Rz. 35a ff. 81 So Widmann in Widmann/Mayer, § 22 UmwStG Rz. 146; Schmitt in Schmitt/ Hörtnagl, UmwG/UmwStG9, § 22 UmwStG Rz. 38 und 42; ausführlich Hageböke, Ubg. 2011, 689 (698); differenzierend Bilitewski in Haritz/Menner/ Bilitewski, UmwStG5, § 22 Rz. 43 ff.; dagegen zB Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 22 UmwStG Rz. 33. 82 So zB Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, § 22 Rz. 140, 141; Nitzschke in Brandis/Heuermann, EStG/KStG/GewStG, § 22 UmwStG Rz. 38b. 83 So bspw. Rz. 00.02, 22.07, 22.22 UmwSt.-Erlass 2011.

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Abs. 1 Satz 6 Nr. 2, 4 und 5 UmwStG fällt oder von der in Rz. 22.23 UmwSt.-Erlass 2011 verwaltungsseitig eingeräumten Billigkeitsregelung für bestimmte Konstellationen erfasst wird. Diese Billigkeitsregelung wirft eine Vielzahl von Fragen auf, ua. wegen ihrer grundsätzlichen Gestaltung als Billigkeitsregelung,84 der sachlich erfassten Fälle sowie der zT schwammigen und nicht abschließenden Voraussetzungen;85 hierauf soll an dieser Stelle aber nicht weiter eingegangen werden, sondern auf einige Urteile, die sich mit der Frage eines Sperrfristverstoßes bei verschiedenen Umwandlungen befassten.

2. BFH I R 48/15: Aufwärtsverschmelzung der Kapitalgesellschaft, an der Sperrfristanteile bestehen Der (soweit ersichtlich) erste Fall befasste sich mit einer Aufwärtsverschmelzung einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile Sperrfristanteile waren, auf ihre Muttergesellschaft. Die Sperrfristanteile waren entstanden, weil eine natürliche Person (X) Anteile an einer GmbH (hier A-GmbH) in eine andere GmbH (B-GmbH) im Wege eines Anteilstauschs iSd. § 21 UmwStG unter dem gemeinen Wert eingebracht hatte; die Anteile an der eingebrachten A-GmbH waren daher Sperrfristanteile und unterlagen dem Regime des § 22 Abs. 2 UmwStG. Später wurde die eingebrachte A-GmbH auf ihre neue Muttergesellschaft B-GmbH durch eine Aufwärtsverschmelzung zu Buchwerten verschmolzen; die Sperrfristanteile gingen dadurch ersatzlos unter. Aus Sicht des X hatte sich insgesamt durch die beiden Vorgänge keinerlei steuerliche (Status-) Verbesserung ergeben – vor wie nach ihnen hielt er Anteile an einer Kapitalgesellschaft (bzw. zuvor zwei), und bei der Veräußerung dieser Anteile wäre das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung gekommen; die GesamtAnschaffungskosten veränderten sich nicht; X hätte die Endstruktur auch steuerneutral herstellen können durch direkte Verschmelzung der A-GmbH auf die B-GmbH, ohne dass zunächst überhaupt Sperrfristanteile entstanden wären. Andererseits ist aber zu bedenken, dass für die steuerliche Würdigung eben kein Alternativsachverhalt zugrunde gelegt werden darf, da ein Alternativsachverhalt immer zu einem anderen steuerlichen Ergebnis führen kann. Weiter ist zu bedenken, dass die 84 Dazu insbes. Drüen, DStR 2012 Beihefter 2, 22 ff. 85 Dazu eingehend Schneider/Roderburg in Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungssteuer-Erlass 2011, H 22.47 ff.: Stangl in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, UmwStG3, § 22 Rn. 149 ff.; Bilitewski in Haritz/Menner/Bilitewski, UmwStG5, § 22 Rz. 57 ff.

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zweistufige Struktur, die unstreitig zu einer Statusverbesserung geführt hat, für eine gewisse Zeit bestanden hat und damit steuerlich nicht negiert werden kann. Das FG Hamburg86 nahm keinen Sperrfristverstoß durch die Aufwärtsverschmelzung an, und begründete dies im Wesentlichen mit zwei Argumenten, die sich im Kern auch bereits in der Literatur verbreitet finden. Zum einen liege keine echte vollständige Veräußerung vor. Zwar seien Umwandlungen (unabhängig vom Wertansatz, also auch bei Buchwertfortführung), bei denen Anteile gewährt werden, grundsätzlich Tauschvorgänge. Bei einer Aufwärtsverschmelzung auf die Muttergesellschaft sei das aber nicht der Fall, weil die Sperrfristanteile an der übertragenen Tochtergesellschaft nicht auf einen Dritten übertragen würden, sondern untergingen, ohne dass die Muttergesellschaft (wegen des Kapitalerhöhungsverbots des § 54 Abs. 1 Satz 1 UmwG) eine Gegenleistung erhielte; der verschmelzungsbedingte Erwerb des Vermögens der untergehenden Tochtergesellschaft sei keine Gegenleistung eines anderen in diesem Sinne. Zum anderen sei auch systematisch keine Annahme eines Sperrfristverstoßes geboten, sondern der Veräußerungsbegriff im Rahmen des § 22 UmwStG als typisierender Missbrauchsvorschrift einschränkend zu verstehen, weil es durch die Aufwärtsverschmelzung als Folgeumwandlung weder zu einer missbräuchlichen Statusverbesserung noch zur Verhinderung der nachgelagerten Besteuerung stiller Reserven komme. Der BFH akzeptierte die Entscheidung allerdings nicht und sah in der Aufwärtsverschmelzung eine schädliche Veräußerung.87 Seine eigene Begründung ist eher kurz und technisch, ohne sich vertiefter mit den telelogischen Überlegungen des FG Hamburg und der Literatur auseinanderzusetzen. Im Grundsatz erfordere der Veräußerungsbegriff des § 22 Abs. 1, 2 UmwStG zwar eine Übertragung der Sperrfristanteile gegen eine Gegenleistung. Bei einer (Seitwärts-)Verschmelzung der Gesellschaft, an der Anteile bestehen, sei das zB auch der Fall, wenn der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft Anteile der übernehmenden Gesellschaft erhalte; dass seine ursprünglichen Anteile untergingen, sei unerheblich. Bei einer Aufwärtsverschmelzung erhält die Muttergesellschaft allerdings auch nicht mal solche neuen Anteile für den Untergang der bisherigen. Der BFH stellt jedoch darauf ab, dass die Muttergesell86 FG Hamburg v. 21.5.2015 – 2 K 12/13, DStR 2015, 2377 Rz. 35 ff. 87 BFH v. 24.1.2018 – I R 48/15, BStBl. II 2019, 45 Rz. 17 = FR 2018, 752 m. Anm. Glahe = GmbHR 2018, 990 = ZIP 2018, 1593.

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schaft das Vermögen der Tochtergesellschaft erwirbt. Das reicht dem BFH, um insgesamt einen „tauschähnlichen Vorgang“ anzunehmen, der einer Veräußerung gleichstehe.88 Auf die systematisch-teleologischen Überlegungen des FG Hamburg, das den Veräußerungsbegriff im Hinblick auf den typisierenden Missbrauchscharakter des § 22 UmwStG einschränkend auslegt, geht der BFH nicht wirklich ein, sondern belässt es im Kern bei seiner „technischen“ Bejahung des Veräußerungsbegriffs. Wenig überraschend ist dieses Urteil in der Literatur kritisch aufgenommen worden.89 Angesichts seiner knappen Begründung legte diese erste Entscheidung aber nahe, dass der BFH umwandlungsbedingte Bewegungen von Sperrfristanteilen ggf. insgesamt als schädlich qualifizieren werde.90

3. FG Münster: Aufwärtsverschmelzung einer KG, die Sperrfristanteile hielt, auf ihre (partielle) Muttergesellschaft Das FG Münster91 hatte im Jahr 2020 ebenfalls den Fall einer (allerdings nur partiellen) Aufwärtsverschmelzung zu entscheiden, der einige Besonderheiten aufwies. Hier wurde die Gesellschaft (eine KG) verschmolzen, die die Sperrfristanteile hielt – dh. diese Sperrfristanteile gingen (anders als in der oben dargestellten Entscheidung des BFH) nicht unter, sondern gingen auf die übernehmende Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin über (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Konkret hatte eine KG (Z-KG) durch eine Teilbetriebs-Ausgliederung in 2007 Sperrfristanteile an der ZS-GmbH erworben. An der Z-KG waren (neben der 0 %-Komplementär-GmbH) drei Gesellschafter beteiligt, nämlich eine GmbH (Z-GmbH) mit einem Anteil von 50 % sowie zwei natürliche Personen (B.Z. und C.Z.) mit je 25 %, die ihrerseits wiederum (zu je 50 %) alle Anteile an der Z-GmbH hielten. Ein Jahr nach der Ausgliederung wurde die Z-KG auf ihre bisherige 50 %-Gesellschafterin Z-GmbH verschmolzen, und zwar ohne Kapitalerhöhung bei der aufnehmenden Z-GmbH; hinsichtlich ihrer eigenen Beteiligung an der Z-KG bestand ein Kapitalerhöhungsverbot (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 UmwG), B.Z. und 88 BFH v. 24.1.2018 – I R 48/15, BStBl. II 2019, 45 Rz. 17–23 = FR 2018, 752 m. Anm. Glahe = GmbHR 2018, 990 = ZIP 2018, 1593. 89 Vgl. zB Bilitewski in Haritz/Menner/Bilitewski, UmwStG5, § 22 Rz. 50; Stangl/Binder, DStR 2018, 1793 (1799), mit ausführlicher Besprechung der Entscheidung. 90 So Stangl/Binder, DStR 2018, 1793 (1799). 91 FG Münster v. 19.5.2020 – 13 K 571/16 G,F, FR 2020, 868.

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C.Z. (die ja ohnehin an der übernehmenden Z-GmbH beteiligt waren) hatten offensichtlich auf die Anteilsgewährung verzichtet (§ 54 Abs. 1 Satz 3 UmwG). Graphisch stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar: Z-Verwaltungs GmbH

C. Z. (Kl. zu 1.)

B. Z. (Kl. zu 2.) 50 %

50 %

Z-GmbH 25 %

25 %

50 %

0%

Verschmelzungen 7.7.2008

Z-KG Ausgliederung Teilbetrieb 27.12.2007

100 % Z-S GmbH

Hier waren eine Reihe Fragen relevant, und zwar nicht nur, ob die Aufwärtsverschmelzung eine schädliche Veräußerung darstellt, sondern auch inwieweit Ersatztatbestände eingreifen. Da nur partiell (in Höhe der 50 %-Beteiligung der Z-GmbH) eine Aufwärtsverschmelzung vorliegt, iÜ aber eher eine Seitwärtsverschmelzung,92 ist zu differenzieren. Die Stpfl. gingen davon aus, dass die Verschmelzung der KG auf die Z-GmbH insgesamt keine Sperrfristverletzung darstellt.93 Bezogen auf den bisherigen 50 %-Anteil der übernehmenden Z-GmbH an der Z-KG liege eine Veräußerung nicht vor, weil aus Sicht der Z-GmbH ohnehin nur eine mittelbare Beteiligung über die transparente Z-KG in eine unmittelbare Beteiligung an der ZS-GmbH umgewandelt wurde. Ferner liege in der Nichtanteilsgewährung auch kein schädlicher Vorgang iSd. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 UmwStG (unentgeltliche Übertragung an eine Kapitalgesellschaft); der Übertragungsbegriff der Vorschrift müsse teleologisch in dem Sinne ausgelegt werden, dass die Sperrfristanteile an eine 92 Zu Recht Weiss/Brühl, FR 2020, 876. 93 FG Münster v. 19.5.2020 – 13 K 571/16 G,F, FR 2020, 868 Rz. 27 ff.

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bisher nicht beteiligte Kapitalgesellschaft unentgeltlich übertragen werden (was nicht vorlag, weil die Z-GmbH schließlich bereits an der ZSGmbH beteiligt war). Die Verschmelzung der KG auf die GmbH sei auch nicht von § 20 UmwStG erfasst (und daher ggf. nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG schädlich), sondern nach § 6 Abs. 3 EStG neutral; auf die Gewährung neuer Gesellschaftsrechte an BZ und CZ habe verzichtet werden können, da diese bereits an der aufnehmenden Z-GmbH beteiligt waren. Das FG Münster nahm jedoch insgesamt einen schädlichen Sperrfristverstoß an.94 Hinsichtlich der (50%igen) Aufwärtsverschmelzung lehnt sich das FG dabei hauptsächlich an die formal-juristische Auffassung des BFH im Fall I R 48/15 an. Allerdings geht es im Hinblick auf den Veräußerungsbegriff nicht auf die Abweichung ein, dass die Sperrfristanteile nicht (wie im BFH-Fall) untergingen, sondern erhalten blieben und auf die aufnehmende Z-GmbH übergingen.95 Auch dem Transparenzprinzip (und der Tatsache, dass die Z-GmbH die Sperrfristanteile daher bereits ohnehin mittelbar über die Z-KG hielt) wird keine Bedeutung beigemessen; es reiche für die schädliche Veräußerung der formale Rechtsträgerwechsel.96 Für die Gesellschafter A und B folge die Unschädlichkeit des Vorgangs auch nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG, da durch die Verschmelzung keine begünstigte Einbringung iSd. § 20 UmwStG bewirkt wurde mangels Gewährung neuer Anteile.97 Eine Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG führe außerdem zu keinem anderen Ergebnis, weil diese Vorschrift allein über den Wertansatz der Wirtschaftsgüter bestimme und nicht über das Vorliegen einer schädlichen Veräußerung iSd. § 22 Abs. 1 UmwStG.98 Das Urteil des FG Münster führt also die restriktive Linie des BFH fort (und ist mittlerweile trotz zugelassener Revision rechtskräftig). Im Ergebnis kann man die Entscheidung für die beiden beteiligten natürlichen Person uE ohne weiteres nachvollziehen, da sich insofern durch die Verschmelzung auf die Z-GmbH ohne Anteilsgewährung an die beiden für diese eine echte Verbesserung des steuerlichen Status ergibt (sie halten nur noch Anteile an Kapitalgesellschaften). Für die Aufwärtsverschmelzung auf die Z-GmbH kann dies bezweifelt werden. 94 95 96 97 98

FG Münster v. 19.5.2020 – 13 K 571/16 G,F, FR 2020, 868 Rz. 64, 92. Zu Recht kritisch daher Weiss/Brühl, FR 2020, 876. FG Münster v. 19.5.2020 – 13 K 571/16 G,F, FR 2020, 868 Rz. 101. FG Münster v. 19.5.2020 – 13 K 571/16 G,F, FR 2020, 868 Rz. 105–107. FG Münster v. 19.5.2020 – 13 K 571/16 G,F, FR 2020, 868 Rz. 109.

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4. FG Hessen: Downstream-Merger einer Mutter- auf (partielle) Tochtergesellschaft Den umgekehrten Fall einer Abwärtsverschmelzung auf die (allerdings auch wieder nur partielle) Tochtergesellschaft hatte das FG Hessen zu entscheiden.99 Das FG lehnte – soviel vorab – die Qualifikation der Abwärtsverschmelzung als Veräußerung ab, kam aber trotzdem zu einem anderen Sperrfristverstoß. Der im Hinblick auf die Frage der Sperrfristverletzung relevante Sachverhalt war im Wesentlichen wie folgt: Eine natürliche Person (A) war Alleingesellschafter der M-GmbH (die spätere Muttergesellschaft) sowie als alleiniger Kommanditist zu 100 % an einer GmbH & Co. KG (E-KG) beteiligt. Die E-KG war ihrerseits an einer T-GmbH beteiligt (die zugleich mit 0 % beteiligte Komplementärin der E-KG war), aber nicht allein; die übrigen Anteile an T-GmbH gehörten der B, der Ehefrau des A. Die E-KG wurde seitwärts auf die M-GmbH verschmolzen und neue M-Anteile an A gewährt; dieser Vorgang wird steuerlich als Einbringung iSd. § 20 Abs. 2 UmwStG behandelt.100 Dadurch entstanden grundsätzlich auf zwei Ebenen Sperrfristanteile, nämlich einerseits die neuen Anteile des A an der M-GmbH (Sperrfristanteile iSd. § 22 Abs. 1 UmwStG) und andererseits die miteingebrachten Anteile an der T-GmbH (Sperrfristanteile iSd. § 22 Abs. 2 UmwStG, vgl. § 22 Abs. 1 Satz 5 UmwStG).101 Innerhalb der 7-Jahresfrist wurde die M-GmbH abwärts auf die T-GmbH verschmolzen; bei der T-GmbH erfolgte keine Kapitalerhöhung, und A (als Alleingesellschafter der übertragenden M-GmbH) verzichtete auch explizit auf die Gewährung von Anteilen. Folglich kam es zu einer Vermögensübertragung mit ausdrücklichem Ausschluss einer Gegenleistung. Kurz vor der Verschmelzung hatte die B – die neben der M-GmbH an der T-GmbH beteiligt gewesen war – ihren Anteil an der T-GmbH geteilt und zu 40 % an ihren Ehemann A übertragen sowie zu je 20 % auf zwei Q und Re genannte natürliche Personen. Der Hintergrund dieser Anteilsübertragung wird im (ansonsten sehr ausführlichen) Sachverhalt nicht geschildert; ob zB die Anteilsgewährung an A dem Ausgleich seines Verzichts auf Anteile im Rahmen der nachfolgenden Abwärtsverschmelzung der M-GmbH dient oder teils privat motiviert ist, oder ob Q

99 Hess. FG v. 5.3.2020 – 8 K 339/15, EFG 2021, 794. 100 Rz. 01.43, erster Spiegelstrich, UmwSt-Erlass 2011. 101 Hess. FG v. 5.3.2020 – 8 K 339/15, EFG 2021, 794 Rz. 14.

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und R nahestehende Personen sind (Kinder von A und B?) sind, erfährt man nicht. Die FinVerw. sah in der Abwärtsverschmelzung einen Sperrfristverstoß für beide Sperrfristanteile. In der Klage wurde jedoch nur über die Qualifikation als schädlicher Vorgang im Hinblick auf die Anteile an der T-GmbH (Sperrfristanteile iSd. § 22 Abs. 2 UmwStG) gestritten. Der Kläger A sah in der Abwärtsverschmelzung keinen Sperrfristverstoß, insbes. weil die Verschmelzung nicht explizit als schädlicher Vorgang in § 22 Abs. 1 UmwStG aufgeführt sei und deshalb bei Buchwertfortführung steuerlich unschädlich sein müsse.102 Das Hessische FG entschied, dass die Abwärtsverschmelzung im konkreten Fall keine Veräußerung sei. Es ließ zwar ausdrücklich offen, ob Umwandlungsvorgänge, die nicht in § 22 UmwStG genannt sind, überhaupt systematisch unter den Begriff einer Veräußerung zu subsumieren sind.103 Im vorliegenden Fall fehle es aber an der notwendigen Entgeltlichkeit, weil keine Anteile an den A als Gesellschafter der M-GmbH gewährt worden waren. Einen Konflikt mit der Entscheidung I R 48/15 sah das FG nicht, weil dort darauf abgestellt würde, dass es eine Gegenleistung gibt.104 Gleichwohl kam das FG zu einem Sperrfristverstoß, und zwar nach § 22 Abs. 2 Satz 6 iVm. Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 UmwStG,105 der unentgeltliche Übertragungen von Anteilen auf Kapitalgesellschaften sanktioniert. Dieser Fall liege bei einer echten verdeckten Einlage vor, aber auch bei einer nicht verhältniswahrenden Verschmelzung, dh. wenn und soweit der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft nicht an der übernehmenden Gesellschaft beteiligt ist/wird. Das entspreche auch dem Telos des UmwStG, weil es bei der Übertragung von stillen Reserven auf andere Rechtssubjekte eines Besteuerungsaufschubs nicht mehr bedürfe.106 Das FG sagt das nicht explizit, aber es ist in seiner der Begründung 102 Hess. FG v. 5.3.2020 – 8 K 339/15, EFG 2021, 794 Rz. 27, 29. 103 Hess. FG v. 5.3.2020 – 8 K 339/15, EFG 2021, 794 Rz. 57. 104 Das Hess. FG stellt zwar darauf ab, dass im Fall I R 48/15 von der Gewährung neuer Anteile für die untergehenden Anteile gesprochen würde. Tatsächlich wurden dort bei der Aufwärtsverschmelzung keine neuen Anteile gewährt; stattdessen sah der BFH den Erwerb des Vermögens der übertragenden Tochtergesellschaft als (Quasi)Gegenleistung an; vgl. BFH v. 24.1.2018 – I R 48/15, BStBl. II 2019, 45 Rz. 23 = FR 2018, 752 m. Anm. Glahe = GmbHR 2018, 990 = ZIP 2018, 1593. 105 Hess. FG v. 5.3.2020 – 8 K 339/15, EFG 2021, 794 Rz. 65. 106 Hess. FG v. 5.3.2020 – 8 K 339/15, EFG 2021, 794 Rz. 76.

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konsequent, wenn zu 40 % (= der Höhe des Anteils des A an der übernehmenden Gesellschaft) kein Sperrfristverstoß vorliegt. Gegen die Entscheidung wurde Revision eingelegt.107 Insofern wird sehr interessant, wie der BFH entscheidet, insbes. wie er sich zur Einschränkung des Veräußerungsbegriffs in der Konstellation ohne Anteilsgewährung positioniert. In der folgenden Entscheidung hat er jedenfalls die Öffnung eines gewissen „Türchens“ angedeutet.

5. BFH I R 25/18 sowie I R 24/18: Formwechsel einer Kapitalgesellschaft, die Sperrfristanteile hält In einer weiteren Entscheidung hat der BFH einerseits seine Linie fortgesetzt und auch einen kreuzenden Formwechsel (einer Kapital- in eine Personengesellschaft) als schädliche Veräußerung behandelt, die die Sperrfrist grundsätzlich verletzt. Allerdings deutet er an, dass in bestimmten Konstellationen eine teleologische Reduktion denkbar sei. Der Sachverhalt war im Kern wie folgt: Zwei natürliche Personen hielten jeweils Anteile an Kapitalgesellschaften: der C war Alleingesellschafter der C-GmbH, der D hielt Anteile an einer spanischen Kapitalgesellschaft (B SLU). Beide kamen überein, die Anteile in einer anderen Kapitalgesellschaft zusammenzuführen. Sie brachten die Anteile in die B-GmbH ein im Wege eines qualifizierten Anteilstauschs (§ 21 UmwStG). Die B-GmbH setzte die eingebrachten Anteile mit einem Zwischenwert gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG an. Da die Einbringenden mit den eingebrachten Anteilen nicht dem Regime des § 8b Abs. 2 KStG unterfielen, wurden die eingebrachten Anteile zu Sperrfristanteilen iSd. § 22 Abs. 2 UmwStG in der Hand der B-GmbH. Letztere wurde in der Sperrfrist in eine gem. § 190 UmwG in die B-OHG formgewechselt. Im Verfahren des C (I R 25/18) entschied der BFH zunächst, dass auch der Formwechsel einer GmbH (die im Fall die Sperrfristanteile hielt) in eine OHG grundsätzlich eine Veräußerung nach § 22 Abs. 2 UmwStG darstelle und daher die Sperrfrist grundsätzlich verletzt.108 Er knüpft hier insbes. an seine Entscheidung I R 48/15 (s.o. VI.1.) an, nach der nicht nur ein Tausch eine Veräußerung sein kann, sondern auch tauschähnliche Vorgänge, bei denen die konkrete Transaktion nicht sämtliche Merkma-

107 Rev. anhängig unter I R 18/20. 108 BFH v. 18.11.2020 – I R 25/18, BStBl. II 2021, 732 = ZIP 2021, 1603.

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le eines „vollwertigen“ Austauschs von Leistung und Gegenleistung bei beiden Transaktionsbeteiligten aufweisen müsse. Als ausreichende Gegenleistung, die für die Ähnlichkeit ausreicht, sieht der BFH an, dass Sperrfristanteile an der D-GmbH beim Formwechsel ertragsteuerlich von der B GmbH auf die B OHG und damit (offenbar wegen der ertragsteuerlichen Transparenz) mittelbar auf deren Gesellschafter übergingen, während diese Gesellschafter als „Gegenleistung“ ihre bisherige Beteiligung an der B GmbH verlören. Entgegen einer sehr breiten Auffassung in der Literatur109 bejaht der BFH daher auch in diesem bloßen FormwechselFall einen Sperrfristverstoß. Er lehnt im Ergebnis auch eine teleologische Reduktion ab. Allerdings befasst er sich doch recht lange damit und konstatiert auch, dass eine Statusverbesserung nicht erreicht worden sei, weil die eingebrachten Anteile letztlich nach dem Formwechsel wieder dem Teileinkünfteverfahren unterlagen. Eine teleologische Reduktion lehnt er hier aber trotzdem ab, da es zu einer interpersonellen Verlagerung von stillen Reserven gekommen war – vor der Einbringung standen stille Reserven in der C-GmbH nur dem C zu, nach dem Formwechsel ihm und B hälftig. Ob der BFH ohne eine solche Verlagerung die teleologische Reduktion angenommen hätte, lässt er zwar offen; nur ohne die Prämisse einer solchen Verlagerung (die bei Einpersonengesellschaften denkbar sei) könnte der Senat einer teleologischen Reduktion des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 nähertreten. Gleichwohl sind die Ausführungen doch sehr bemerkenswert, denn in der Entscheidung I R 48/15 hatte sich der I. Senat gar nicht mit den teleologischen Erwägungen der Vorinstanz befasst. Die Tatsache, dass er es hier länger tut, und auch seine Prämisse für das Nähertreten ausführt, kann man durchaus als Wink verstehen, dass er in der entsprechenden Konstellation eine Reduktion erwägt. Hätte dann aber nicht auch die Entscheidung I R 48/15 anders ausfallen müssen? Beachtenswert ist auch die zu dem Mitgesellschafter D ergangene Parallelentscheidung.110 Materiell-rechtlich sind die Entscheidungen zwar dahingehend inhaltsgleich, dass der Formwechsel laut BFH einen Veräußerungsvorgang darstellt. Jedoch wirft das Gericht in Bezug auf die Festsetzung eines Einbringungsgewinns II Fragen europarechtlicher Na-

109 Nachweise bei BFH v. 18.11.2020 – I R 25/18, BStBl. II 2021, 732 = ZIP 2021, 1603 in Rz. 21. 110 BFH v. 18.11.2020 – I R 24/18, GmbHR 2021, 1232 = BFH/NV 2021, 951.

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tur auf.111 Die europäische Fusionsrichtlinie (FRL)112 soll durch eine Vereinheitlichung der Besteuerung innereuropäischer Umwandlungsvorgänge die Funktionsfähigkeit und die Mobilität europäischer Gesellschaften innerhalb des Binnenmarkts gewährleisten.113 Die Besteuerung eines Einbringungsgewinns II bezogen auf Anteile an einer spanischen SLU, wie in dem nun entschiedenen Fall, könnte nämlich materiell gegen die Vorgaben der FRL verstoßen.114 Die Tatsacheninstanz hat deshalb zunächst zu ermitteln, ob die FRL sachlich wie personell auf die SLU anwendbar ist.115 Sollte dies bejaht werden, so könnte sich für den Gesellschafter D aus Art. 8 FRL ein Anspruch auf einen Besteuerungsaufschub ergeben, den § 22 UmwStG ausdrücklich nicht vorsieht.

VII. Fazit und Ausblick Insgesamt zeigt der Überblick, dass es wiederum vielfältige „Bewegungen“ im Umwandlungssteuerrecht der jüngeren Zeit gegeben hat, sowohl in gesetzlichen Regelungen als auch in der Rspr. Man kann nahezu sicher sein, dass das „Klassiker-Thema“ Umwandlungssteuerrecht seinen Platz auf der Agenda der Fachkongresse nicht verlieren wird.

111 BFH v. 18.11.2020 – I R 24/18, GmbHR 2021, 1232 = BFH/NV 2021, 951 Rz. 31 ff. 112 Richtlinie 2005/19/EG des Rates v. 17.2.2005 zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen – FRL –, ABl. EU 2005, Nr. L 58, 19. 113 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2, Rz. 16.11. 114 Im Überblick dazu Desens in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, § 22 UmwStG Rz. 23, mwN. 115 BFH v. 18.11.2020 – I R 24/18, GmbHR 2021, 1232 = BFH/NV 2021, 951 Rz. 31–32.

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4. Leitthema: Bilanzsteuerrecht

Rechtsprechungs-Highlights zum Bilanzsteuerrecht Dr. Christian Graw Richter am BFH, München I. Einleitung II. Passivierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt (§ 5 Abs. 2a EStG) 1. Leitsatz und Sachverhalt 2. Fragestellung 3. Entscheidung 4. Bemerkungen III. Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten in Fällen geringer Bedeutung (§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG) 1. Leitsatz und Sachverhalt 2. Fragestellung 3. Entscheidung 4. Bemerkungen IV. Veräußerungs-/Aufgabegewinn in den Fällen einer Abzugsbeschränkung 1. Ermittlung des Aufgabegewinns für ein häusliches Arbeitszimmer a) Leitsätze und Sachverhalt b) Fragestellung c) Entscheidung d) Bemerkungen 2. Ermittlung des Veräußerungsgewinns für einen teilweise privat genutzten PKW a) Leitsätze und Sachverhalt b) Fragestellung

c) Entscheidung d) Bemerkungen V. Teilwertabschreibung auf Investmentanteile (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG) 1. Leitsatz und Sachverhalt 2. Fragestellung 3. Entscheidung 4. Bemerkungen VI. AfA-Fragen (§ 7 EStG) 1. Kaufpreisaufteilung nach der Arbeitshilfe des BMF a) Leitsätze und Sachverhalt b) Fragestellungen c) Entscheidung d) Bemerkungen 2. Doppelabschreibung a) Leitsatz und Sachverhalt b) Fragestellung c) Entscheidung d) Bemerkungen VII. Investitionsabzugsbetrag (§ 7g EStG) – Nachweis der fast ausschließlich betrieblichen Nutzung eines PKW 1. Leitsatz und Sachverhalt 2. Fragestellung 3. Entscheidung 4. Bemerkungen VIII. Fazit

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Graw, Rechtsprechungs-Highlights zum Bilanzsteuerrecht

I. Einleitung Prinz1 hat in seinem Tagungsbeitrag zum letztjährigen Fachkongress zu Recht darauf hingewiesen, dass das Bilanzsteuerrecht zum Kernbestand des deutschen Unternehmenssteuerrechts gehört. Damit hat er seine Forderung nach „Alltagstauglichkeit“ des Rechts der steuerlichen Gewinnermittlung verbunden. Dieser Appell ist auch an die Rspr. gerichtet. Das zurückliegende Jahr hat einige höchstrichterliche Entscheidungen zum Bilanzsteuerrecht hervorgebracht: Von der Passivierung von Verbindlichkeiten im Fall einer Rangrücktrittserklärung über die Rechnungsabgrenzung bei geringfügigen Beträgen bis hin zum Nachweis der (nahezu) ausschließlich betrieblichen Nutzung eines PKW für Zwecke des § 7g EStG ist alles vertreten. Ob der BFH dabei der Forderung nach „Alltagstauglichkeit“ gerecht geworden ist, wird naturgemäß unterschiedlich beurteilt. Der nachfolgende Beitrag bemüht sich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – um eine Einordnung der Entscheidungen.

II. Passivierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt (§ 5 Abs. 2a EStG) 1. Leitsatz und Sachverhalt BFH v. 19.8.2020:2 „Eine Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und Einnahmen, sondern auch aus ‚sonstigem freien Vermögen‘ vorsieht, löst selbst dann weder handels- noch steuerbilanziell ein Passivierungsverbot aus, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, und eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens voraussichtlich nicht eintreten wird.“

Sachverhalt: Die konzernangehörige Klägerin, eine GmbH, hatte ihre operative Geschäftstätigkeit mindestens seit dem Jahr 2006 mit Ausnahme der Anmietung und Weitervermietung ihres Betriebsgeländes eingestellt und diese erst im Jahr 2017 wieder aufgenommen. Alleingesellschafterin ist die B GmbH. Die Klägerin, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, hatte im Jahr 2008 (Streitjahr) ein abweichendes Wj. vom 1.10. bis zum 30.9. Das Aktivvermögen der Klä1 Prinz, StbJb. 2020/2021, 379. 2 BFH v. 19.8.2020 – XI R 32/18, BFHE 270, 344 = BStBl. II 2021, 279 = FR 2021, 168 m. Anm. Weber-Grellet = GmbHR 2021, 211 = ZIP 2020, 2566.

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gerin zu den Bilanzstichtagen 30.9.2008, 30.9.2009, 31.12.2009 und 31.12.2010 bestand aus einer (Dritt-)Forderung, die durch eine Grundschuld besichert war, sowie aus dem Kassen- und Bankbestand. Am 21.9.2007 verzichtete B gegenüber der Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt eine bilanzielle Überschuldung aufwies, auf Forderungen und gab zugleich folgende Rangrücktrittserklärung ab: „Zur Abwendung der Überschuldung bei Ihrer Gesellschaft werden wir mit unseren Forderungen aus gewährten Tagesgeldern und laufenden Kontokorrent bis zu einer Höhe von maximal X t hinter die Forderungen aller anderen gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger, die eine solche Rangrücktrittserklärung nicht abgegeben haben, in der Weise zurücktreten, dass die Forderungen nur aus sonst entstehenden Jahresüberschüssen, einem Liquidationsüberschuss oder aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft übersteigenden freien Vermögen zu bedienen sind. Diese Erklärung erlischt automatisch mit dem Zeitpunkt, zu dem der Tatbestand der Überschuldung aufgehoben ist, oder eine andere Gesellschaft die Forderungen übernimmt und darauf ihrerseits einen entsprechenden Rangrücktritt erklärt.“

Am 26.9.2008 verzichtete B gegenüber der Klägerin erneut auf einen Teil der Forderungen. Die Klägerin buchte die Forderungen, auf die B verzichtet hatte, jeweils gewinnerhöhend aus. Nach einer Außenprüfung gingen die Prüfer davon aus, dass aufgrund der fehlenden operativen Geschäftstätigkeit sowie der – mit Ausnahme der besicherten Forderung – Vermögenslosigkeit der Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mit einer Rückzahlung der Verbindlichkeiten gegenüber B zu rechnen sei. Die Klägerin sei durch die bestehende Verpflichtung wirtschaftlich nicht belastet. Die Prüfer schlugen vor, die Verbindlichkeiten gegenüber B zum 30.9.2008 bis auf einen Betrag in Höhe des freien Vermögens, den sie schätzten, gewinnerhöhend aufzulösen. Eine verdeckte Einlage sei mit X t zu bewerten. Das FA schloss sich den Prüfungsfeststellungen an und erließ Änderungsbescheide zur Körperschaftsteuer 2008, gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2008, gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2008 sowie zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2008. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage statt.

2. Fragestellung Wie wirkt sich die Einbindung des sonstigen freien Vermögens in die Rangrücktrittserklärung aus, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlen281

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den operativen Geschäftstätigkeit nicht in der Lage sein wird, freies Vermögen zu schaffen, und wenn eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens nicht eintritt?

3. Entscheidung Die Revision des FA ist ohne Erfolg geblieben. Dieses Ergebnis hat der BFH wie folgt begründet: Das FG hat ohne Rechtsfehler erkannt, dass die ertragswirksame Auflösung der Verbindlichkeiten ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Denn eine Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und Einnahmen, sondern auch aus „sonstigem freien Vermögen“ vorsieht, löst selbst dann weder handels- noch steuerbilanziell ein Passivierungsverbot aus, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, und eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens voraussichtlich nicht eintreten wird. Das wirtschaftliche Unvermögen des Schuldners ist unerheblich. Zur Handelsbilanz: Die Rangrücktrittsvereinbarung vom 21.9.2007 steht aus handelsbilanzieller Sicht einer weiteren Passivierung der gegenüber B zum Bilanzstichtag 30.9.2008 bestehenden Verbindlichkeiten nicht entgegen. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG iVm. § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Ist eine Verbindlichkeit nach handelsbilanziellen Grundsätzen zu bilanzieren, gilt dieses Passivierungsgebot mithin auch für die Steuerbilanz. Nur wenn eine steuerrechtliche Spezialregelung – wie etwa § 5 Abs. 2a EStG – weitere oder abweichende Kriterien für die Passivierung für Steuerzwecke aufstellt, kann es zu einer abweichenden Behandlung in der Steuerbilanz kommen. Zur wirtschaftlichen Belastung: Nach § 247 Abs. 1 HGB sind in der Handelsbilanz Schulden zu passivieren, wenn der Unternehmer zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen werden kann und die am zu beurteilenden Bilanzstichtag eine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung darstellt. Dies gilt nach dem aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG folgenden sog. Maßgeblichkeitsgrundsatz auch für Zwecke der Steuerbilanz. 282

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Keine wirtschaftliche Belastung stellt eine Verbindlichkeit dar, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllt werden muss. Für diese Annahme genügt es indes nicht, dass der Schuldner überschuldet ist. Allein die Vermögenslosigkeit des Schuldners führt nicht dazu, dass eine rechtlich bestehende Verpflichtung aus dem handels- oder steuerrechtlichen Abschluss auszubuchen ist.3 Dies entspricht auch der Rechtsauffassung der Verwaltung.4 Im Streitfall: Danach sind die Voraussetzungen für die handelsbilanzielle Passivierung der streitgegenständlichen Verbindlichkeiten nicht entfallen. Eine erfolgswirksame Auflösung dieser Verbindlichkeit kommt nicht in Betracht. Die den Streitfall betreffenden Forderungen der B gegenüber der Klägerin hatten am Bilanzstichtag weiterhin Bestand. Zivilrechtliche Qualifikation des Rangrücktritts: Nach der Rspr. des BGH bildet die nachträgliche Übereinkunft eines Rangrücktritts einen verfügenden Schuldänderungsvertrag iSd. § 311 BGB, wenn der Zweck einer Rangrücktrittsvereinbarung darin liegt, dass – wie hier – die betreffende Forderung zur Vermeidung einer Insolvenz nicht in der Überschuldungsbilanz erscheint. Aufgrund des Schuldänderungsvertrags wird die Forderung mit dinglicher Kraft inhaltlich dahin umgewandelt, dass sie – bezogen auf den Überschuldungsstatus – nicht mehr zu passivieren ist. Die Forderung bildet im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern haftendes Kapital und darf deshalb nicht an den Forderungsinhaber ausbezahlt werden. Damit wird der Forderung vereinbarungsgemäß eine nachrangige Stellung zugewiesen, die eine Befriedigung nur aus freiem, nicht zur Schuldendeckung benötigtem Vermögen der Gesellschaft gestattet. Durch die Vereinbarung wird zwar die Rangfolge, nicht aber der Bestand der Forderung geändert, so dass auch etwaige Sicherungsrechte nicht berührt werden.5 Die betreffende Verbindlichkeit bleibt mithin rechtlich bestehen und wird nur in ihrem Rang verändert; der Rangrücktritt stellt damit keinen Forderungsverzicht dar, der Gläubiger bleibt Inhaber der Forderung. Dies ist auch hier der Fall.

3 Vgl. nur BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, BFHE 255, 90 = BStBl. II 2017, 104 Rz. 17 = FR 2017, 400 = GmbHR 2017, 100. 4 Vgl. BMF v. 8.9.2006 – IV B 2 - S 2133 - 10/06, BStBl. I 2006, 497; OFD Frankfurt v. 30.6.2017 – S 2743 A - 12 - St 525, GmbHR 2017, 1176; v. 3.8.2018 – S 2743 A - 12 - St 525, DStR 2019, 560. 5 Vgl. BGH v 5.3.2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rz. 32, mwN = GmbHR 2015, 472 m. Anm. Farian = ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim.

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Zum rechtlichen Bestand der Forderung: Wird die mit einem Rangrücktritt versehene Forderung von dem Schuldner trotz Insolvenzreife beglichen, steht ihm nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB ein Rückforderungsanspruch gegen den Gläubiger zu6 und ein Insolvenzverwalter kann die Zahlung anfechten.7 Dies betrifft den rechtlichen Bestand der Forderung indes nicht und lässt daher nicht den Schluss zu, dass die vom Rangrücktritt erfassten Forderungen keinen rechtlichen Bestand mehr hätten und es sich insoweit um eine nicht zu passivierende „Nichtschuld“ handeln würde. Im Streitfall: Die Klägerin war am Bilanzstichtag zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung der B gegenüber verpflichtet, die nach Maßgabe der getroffenen Schuldänderungsvereinbarung vom Gläubiger erzwungen werden konnte. Eine Tilgungsmöglichkeit für die Verbindlichkeiten bestand, soweit die Forderungen ua. „aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft übersteigenden freien Vermögen“ zu bedienen waren. Wirtschaftliche Belastung: Die wirtschaftliche Belastung der Klägerin war am Bilanzstichtag ebenso wenig entfallen. Das rechtliche Bestehen einer Verbindlichkeit bewirkt im Regelfall eine wirtschaftliche Belastung und rechtfertigt somit eine Passivierung der Verbindlichkeit. Es lässt darauf schließen, dass der Gläubiger sein Forderungsrecht geltend machen wird und das Vermögen somit durch bevorstehende Zahlungen belastet ist. Besteht die Forderung rechtlich fort und ist der Gläubiger weiterhin zur Geltendmachung der Forderung entschlossen, hat sich die Vermögenslage des Schuldners nicht verbessert. Die mit einem Rangrücktritt versehenen Verbindlichkeiten sind weiterhin – nachrangige – Verbindlichkeiten, die den Vermögensrechten der Gesellschafter vorgehen, und damit fortbestehende Verbindlichkeiten. Anders als bei einem vollständigen oder teilweisen Forderungsverzicht führt der Rangrücktritt nicht dazu, dass die betreffende Verbindlichkeit erlischt oder sich im Bestand mindert. Zur Vermögenslosigkeit: Die Verbindlichkeit wäre nur dann auszubuchen, falls eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gegen eine Inanspruchnahme spräche. Diese Voraussetzung ist bei Vermögenslosigkeit indes nicht gegeben, so dass auch im Überschuldungsfall weiterhin 6 Vgl. BGH v 5.3.2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rz. 33 = GmbHR 2015, 472 m. Anm. Farian = ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim. 7 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rz. 46 ff. = GmbHR 2015, 472 m. Anm. Farian = ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim.

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Fremdkapital vorliegt. Mit Rücksicht auf das Gebot des vollständigen Vermögensausweises führt allein die Vermögenslosigkeit des Schuldners nicht dazu, eine rechtlich bestehende Verpflichtung aus dem handelsoder steuerrechtlichen Abschluss auszubuchen. Gleiches gilt für den Fall, dass – wie hier – eine Rangrücktrittsvereinbarung die Verpflichtung bestehen lässt, die Gesellschafterforderungen aus dem nach Begleichung der vorrangigen Ansprüche verbleibenden sog. freien Vermögen zu tilgen. Tragend ist mithin auch im Rahmen dieser Beurteilung nicht das wirtschaftliche Unvermögen, für die Schulden aufkommen zu können, sondern der rechtliche Gehalt der vereinbarten Durchsetzungssperre. Anderenfalls würde ein unzutreffendes Bild von der Vermögenslage des Schuldners vermittelt. Der Nichtausweis der Verbindlichkeit würde gegen den Vorsichtsgrundsatz sowie das Gebot des vollständigen Ausweises bestehender Risiken verstoßen. Zur Steuerbilanz: Die streitgegenständliche Rangrücktrittsvereinbarung löst auch kein steuerbilanzielles Passivierungsverbot (§ 5 Abs. 2a EStG) aus. Zu § 5 Abs. 2a EStG: In Abgrenzung zu den allgemeinen Grundsätzen der Bilanzierung gewisser und ungewisser Verbindlichkeiten sieht die Regelung des § 5 Abs. 2a EStG vor, dass für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen sind, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Anwendbarkeit bei Rangrücktritt: Das Passivierungsverbot setzt dabei voraus, dass sich der Anspruch des Gläubigers verabredungsgemäß nur auf künftiges Vermögen des Schuldners – damit nicht: auf am Bilanzstichtag vorhandenes Vermögen – bezieht.8 Unter Einnahmen oder Gewinnen sind mithin künftige Vermögenswerte zu verstehen.9 Auch auf Rangrücktrittsvereinbarungen, die zum Inhalt haben, dass die Verbindlichkeiten nur aus künftigen Gewinnen oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt werden müssen, ist § 5 Abs. 2a EStG anwendbar.10 Dagegen ist die Norm auf Rangrücktrittsvereinbarungen nicht anwendbar, wenn die Verbindlichkeit auch aus sonstigem Vermögen, dem sog. 8 Vgl. nur BFH v. 10.7.2019 – XI R 53/17, BFHE 265, 249 = BStBl. II 2019, 803 = FR 2020, 90 m. Anm. Kanzler. 9 Vgl. nur BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, BFHE 255, 90 = BStBl. II 2017, 104 Rz. 18 = FR 2017, 400 = GmbHR 2017, 100. 10 Vgl. nur BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, BFHE 255, 90 = BStBl. II 2017, 104 Rz. 19 = FR 2017, 400 = GmbHR 2017, 100.

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freien Vermögen, zu tilgen ist.11 Die Verwaltung teilt diese Auffassung.12 Eine derartige Rangrücktrittsvereinbarung lässt auch nicht darauf schließen, dass die Verbindlichkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden muss. Im Streitfall: Das FG hat danach zu Recht dahin erkannt, dass § 5 Abs. 2a EStG nicht zu einem Passivierungsverbot der gegenüber B bestehenden Verbindlichkeiten führt. Etwas anderes ergibt sich im Streitfall nicht daraus, dass freies Vermögen mit Ausnahme einer Forderung am maßgeblichen Bilanzstichtag weder vorhanden gewesen ist noch – wie das FA meint – die konkrete Möglichkeit bestanden habe, freies Vermögen zu schaffen. § 5 Abs. 2a EStG stellt nicht darauf ab, ob freies Vermögen zum maßgeblichen Bilanzstichtag bereits vorhanden ist oder künftig geschaffen werden kann. Ein steuerrechtliches Passivierungsverbot ist erst dann zu bejahen, wenn der Rangrücktritt nach Maßgabe der Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2a EStG in dem Sinne spezifiziert wird, dass die hiervon betroffenen Verpflichtungen nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, und deshalb – so die Rechtsfolge der Vorschrift – deren Passivierung daran gebunden ist, dass die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Zwar ist den Anforderungen des § 5 Abs. 2a EStG nicht nur genügt, wenn der Rangrücktritt eine Tilgung nur aus zukünftigen Jahresüberschüssen oder Steuerbilanzgewinnen vorsieht. Auch eine im Zeitpunkt der Überschuldung getroffene Abrede, nach der Forderungen aus zukünftigen handelsrechtlichen Bilanzgewinnen zu begleichen sind, löst das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG aus.13 Den Umstand, dass in den Bilanzgewinn auch Kapitalrücklagen eingehen können, hat der I. Senat des BFH nicht nur wirtschaftlich, sondern – und vor allem – auch bei rechtlicher Beurteilung der Abrede als unmaßgeblich erachtet, weil solche Rücklagen vorrangig mit den Verlustvorträgen zu verrechnen

11 Vgl. – auch zur Tilgung aus freiem Vermögen bereits vor Einfügung des § 5 Abs. 2a EStG – BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, BFHE 255, 90 = BStBl. II 2017, 104 Rz. 21 = FR 2017, 400 = GmbHR 2017, 100. 12 BMF v 8.9.2006 – IV B 2 - S 2133 – 10/06, BStBl. I 2006, 497; OFD Frankfurt v. 30.6.2017 – S 2743 A - 12 - St 525, GmbHR 2017, 1176; v. 3.8.2018 – S 2743 A - 12 - St 525, DStR 2019, 560. 13 Vgl. BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, BFHE 249, 493 = BStBl. II 2015, 769, 1.Leitsatz = FR 2015, 995 = GmbHR 2015, 881 m. Anm. Briese = ZIP 2015, 1386 m. Anm. Kahlert.

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sind.14 Diese Wertung beinhaltet mithin eine rechtliche Gleichstellung mit Vereinbarungen, die nur auf den handelsrechtlichen Jahresüberschuss abstellen. Darüber hinaus ist dem aber nicht zu entnehmen, dass allein der dahingehende Zukunftsbezug einer Rangrücktrittsabrede, freies Vermögen, das in Bezug auf den Streitfall zur Tilgung der Forderungen heranzuziehen und künftig erst noch zu erwirtschaften ist, das steuerrechtliche Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG auslösen würde.15 Bezugnahme auf das „freie Vermögen“: Aus § 5 Abs. 2a EStG ergibt sich nicht, dass die Bezugnahme in einer Rangrücktrittsabrede auf das die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigende Vermögen die Pflicht des Schuldners, Verbindlichkeiten zu passivieren, der Höhe nach auf den Umfang des im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe tatsächlich vorhandenen freien Vermögens beschränken würde. Es reicht aus, dass auf das „freie“ Vermögen Bezug genommen wird, unabhängig davon, ob und in welcher Höhe dieses am zu beurteilenden Bilanzstichtag tatsächlich vorhanden ist. Der dahingehende Zukunftsbezug, dass das in Bezug genommene Vermögen erst noch erwirtschaftet werden muss, wäre zwar faktisch, nicht jedoch rechtlich gegeben. Dieser faktische Zukunftsbezug ist jedoch irrelevant, da die reale Erfüllungsfähigkeit für die Passivierung einer Verbindlichkeit irrelevant ist; nur die rechtliche Verknüpfung ist im Rahmen des § 5 Abs. 2a EStG maßgeblich. Rechtssicherheit: Dies dient auch der Rechtssicherheit; denn zur Beantwortung der Frage, ob und inwieweit zum jeweiligen Bilanzstichtag „sonstiges Vermögen“ tatsächlich vorhanden ist, wäre jeweils eine Schattenliquidationsrechnung durchzuführen. Im Übrigen zeigt der Streitfall, dass allein die Einstellung der operativen Tätigkeit nicht die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für den Wegfall der wirtschaftlichen Belastung bietet, da die Klägerin ihre operative Tätigkeit nach mehr als zehn Jahren wieder aufgenommen hat. Telos: Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit dem Gesetzeszweck des § 5 Abs. 2a EStG. Nur in Fällen, in denen der Gläubiger ausschließlich Anspruch auf künftige Einnahmen oder Gewinne des Schuldners hat, ist sein Rückforderungsanspruch auf diese künftigen Vermögenswerte beschränkt; das (übrige) Vermögen des Schuldners am Bilanzstichtag ist hiervon unberührt. Nur in diesen Fällen scheidet die „Dokumen14 Vgl. BFH v. 10.8.2016 – I R 25/15, BFHE 256, 409 = BStBl. II 2017, 670 Rz. 16, mwN = FR 2017, 1088 m. Anm. Weber-Grellet = FR 2017, 390 m. Anm. Scheifele = GmbHR 2017, 197 = GmbHR 2017, 657 = ZIP 2017, 818. 15 Krumm in Brandis/Heuermann, § 5 EStG Rz. 957d.

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tation“, ausgewiesenes Vermögen sei durch diese Verpflichtung belastet, nach § 5 Abs. 2a EStG aus.16 Den Gesetzesmaterialien ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber in den Regelungsbereich des § 5 Abs. 2a EStG auch Verbindlichkeiten einbeziehen wollte, die nach der getroffenen Rangrücktrittsabrede zwar auch aus sonstigem Vermögen getilgt werden müssen, jedoch infolge des wirtschaftlichen Unvermögens des Schuldners gegenwärtig nicht bedient werden können.

4. Bemerkungen Die Entscheidung verdient Zustimmung.17 Sie schafft Rechtssicherheit, insbes. vor dem Hintergrund, dass sie eine „Schattenliquidationsrechnung“ zur Feststellung des freien Vermögens entbehrlich macht. Zudem darf die FinVerw. in den Fällen dauerhafter Vermögenslosigkeit des Schuldners nicht mehr auf die fehlende wirtschaftliche Belastung abstellen.18 Auch die Einstellung der operativen Tätigkeit – die im Streitfall später wieder aufgenommen wurde – genügt nicht für die Annahme eines Passivierungsverbots. Zugleich kann durch die Rangrücktrittserklärung – sofern die Anforderungen der BGH-Rspr. beachtet werden – weiterhin eine insolvenzrechtliche Überschuldung19 – steuerneutral – vermieden werden.20 Rspr. und Verwaltungspraxis führen damit zu einem faktischen Passivierungswahlrecht: Der (Gesellschafter-)Gläubiger hat es – durch Änderung der Besserungsabrede (ex nunc) – selbst in der Hand, über den Bestand der Verbindlichkeit in der Steuerbilanz zu entscheiden. Die Besserungsabrede kann in Abhängigkeit von der Interessenlage des Stpfl. ausgestaltet

16 So BTDrucks 14/2070, 18. 17 Ebenso Rauch, BFH v. 19.8.2020 – XI R 32/18, FR 2021, 168 m. Anm. WeberGrellet = GmbHR 2021, 211 = ZIP 2020, 2566 = HFR 2021, 439; Reddig, jurisPR-SteuerR 10/2021, Anm. 3; Uhländer, DB 2021, 16; Seppelt, BB 2021, 114. 18 Hintergrund war wohl das Urteil des BFH v. 5.2.2014 – I R 34/12, BFH/NV 2014, 1014, wonach die Rechtsauffassung, dass in der Liquidationsschlussbilanz eine verbliebene Verbindlichkeit gegenüber einem Gesellschafter mangels wirtschaftlicher Belastung nicht zu passivieren ist, sich nicht als evident rechtsfehlerhaft darstellt; vgl. Seppelt, BB 2021, 114. 19 Vgl. BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, GmbHR 2015, 472 m. Anm. Farian = ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim = NJW 2015, 1672; dazu Oser, DStR 2017, 1889; Schmidt, DB 2021, 146. 20 Seppelt, BB 2021, 114.

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werden.21 Dies wird die Beratungspraxis begrüßen. Hingegen bleibt es in der Handelsbilanz nach wohl hM bei einer Passivierungspflicht.22 Dies alles ist jedoch nicht unumstritten. Gewichtige Literaturstimmen vertreten die Ansicht, dass die Verbindlichkeit durch die Rangrücktrittserklärung in eine „künftige Verbindlichkeit“ umgewandelt wird und dadurch die gegenwärtige wirtschaftliche Belastung entfällt; nach dieser Maßgabe ist die Verbindlichkeit auszubuchen. Eine Passivierung soll erst dann in Betracht kommen, wenn und soweit zukünftiges Vermögen entsteht.23 Dem ist der BFH jedoch nicht gefolgt.

III. Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten in Fällen geringer Bedeutung (§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG) 1. Leitsatz und Sachverhalt BFH v. 16.3.2021:24 „Aktive Rechnungsabgrenzungsposten sind auch bei geringfügigen Beträgen zu bilden. Weder dem Grundsatz der Wesentlichkeit noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lässt sich eine Einschränkung der Pflicht zur Bildung auf wesentliche Fälle entnehmen.“

Sachverhalt: Der Kläger erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Zu den folgenden zeitraumbezogenen und vorausgezahlten Aufwendungen bildete er keine aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (aRAP): Haftpflichtversicherung, Rechtsschutzversicherung, Werbung, Kfz.-Steuer (zwischen 40 und 395 t; insgesamt rund 1.500 t p.a.). Das FA hielt den Ansatz aRAP für erforderlich und erließ für die Streitjahre 2015 und 2016 geänderte und für das Streitjahr 2017 erstmalig Einkommensteuerbescheide. Das FA erhöhte die Gewinne aus Gewerbebetrieb des Klägers um 1.341 t 21 BFH v. 19.8.2020 – XI R 32/18, FR 2021, 168 m. Anm. Weber-Grellet = GmbHR 2021, 211 = ZIP 2020, 2566 = EWiR 2021, 163 (164). 22 Vgl. nur Hiller in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht2, Anh. zu § 243 Rz. 4. 23 FG Düsseldorf v. 24.11.2020 – 6 K 3291/19 F, FR 2021, 173; BFH v. 19.8.2020 – XI R 32/18, GmbHR 2021, 211 = ZIP 2020, 2566 = GmbHR 2021, 211 = ZIP 2020, 2566 = EWiR 2021, 163 (164) unter Hinweis darauf, dass § 5 Abs. 2a EStG ein allgemeiner Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung sei, der auch für das Handelsrecht zu beachten sei. 24 BFH v. 16.3.2021 – X R 34/19, BFHE 272, 423 = BStBl. II 2021, 844 = FR 2021, 995.

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(2015), 1.550 t (2016) und 1.315 t (2017), ohne jedoch die aRAP im jeweiligen Folgejahr gewinnmindernd aufzulösen. Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt.

2. Fragestellung Es stellte sich die Frage, ob auf die Bildung von RAP wegen Geringfügigkeit verzichtet werden kann.

3. Entscheidung Der BFH hat der Revision des FA mit nachfolgenden Erwägungen stattgegeben: Bildung von RAP: Die Voraussetzungen für die Bildung von aRAP ergeben sich aus § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG. Erforderlich sind Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, die Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Die Bildung von RAP dient dazu, Einnahmen und Ausgaben periodengerecht in dem Jahr auszuweisen, dem sie wirtschaftlich zuzuordnen sind. Abziehbarkeit als laufende Betriebsausgaben: Dem Aktivierungsgebot des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG unterfallen zunächst nur solche Aufwendungen, die – wie im Streitfall – zunächst als laufende Betriebsausgaben abziehbar sind (zB vor dem Bilanzstichtag gezahlte, aber als Gegenleistung für die Zeit nach dem Bilanzstichtag bestimmte Miet-, Pacht-, Darlehenszinsen, Versicherungsprämien und ähnliche wiederkehrende Leistungen;25 für in einem Wj. gezahlte Kraftfahrzeugsteuer, soweit die Steuer auf die voraussichtliche Zulassungszeit des Fahrzeugs im nachfolgenden Wj. entfällt;26 bei Werbemaßnahmen die Ausgaben, die getätigt worden sind, um für einen nach dem Stichtag liegenden Zeitraum die Möglichkeit zu schaffen, Werbung zu betreiben.27 Dienen die Aufwendungen hingegen dem Erwerb eines Wirtschaftsguts, das erst in späterer Zeit genutzt werden soll, sind die Aufwendungen als vorweggenommene Anschaffungskosten für das zu erwerbende Wirtschaftsgut zu

25 BFH v. 29.10.1969 – I 93/64, BFHE 97, 350 = BStBl. II 1970, 178. 26 BFH v. 19.5.2010 – I R 65/09, BFHE 230, 25 = BStBl. II 2010, 967 = FR 2010, 1041 m. Anm. Buciek. 27 Vgl. Hess. FG v. 6.11.2008 – 9 K 2244/04, DStRE 2010, 329.

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aktivieren; die Absetzung für Abnutzung beginnt erst mit der späteren Nutzung.28 Historie: Bereits nach § 152 Abs. 9 Nr. 1 AktG aF durften Ausgaben als aRAP nur insoweit ausgewiesen werden, als sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen. Bei dieser Vorschrift handelte es sich um einen GoB, der über § 5 EStG auch schon vor seiner einkommensteuergesetzlichen Kodifizierung zunächst in § 5 Abs. 3 Nr. 1 EStG aF, heute in § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG für das Einkommensteuerrecht zu beachten war.29 Ein RAP muss seit jeher steuerrechtlich gebildet werden, wenn ein Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag vorliegt.30 Dazu hat der Große Senat des BFH ausgeführt: „… Da es dem Sinn und Zweck der steuerrechtlichen Gewinnermittlung entspricht, den vollen Gewinn zu erfassen, kann es nicht im Belieben des Kaufmanns stehen, sich durch Nichtaktivierung von Wirtschaftsgütern, die handelsrechtlich aktiviert werden dürfen, oder durch den Ansatz eines Passivpostens, der handelsrechtlich nicht geboten ist, ärmer zu machen, als er ist. Bilanzierungswahlrechte im Steuerrecht stünden auch schwerlich im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung (Art. 3 GG).“

Der aRAP setzt grundsätzlich voraus, dass einer Vorleistung des Kaufmanns eine noch nicht erbrachte zeitbezogene Gegenleistung des Vertragspartners gegenübersteht. Kein Wahlrecht: § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG statuiert mit der Definition aRAP für die Steuerbilanz ein (abschließendes) Aktivierungsgebot für Ausgaben, die der Definition entsprechen; der Stpfl. hat schon nach dem Gesetzeswortlaut insoweit kein Wahlrecht. Zu möglichen Einschränkungen: Weder dem Grundsatz der Wesentlichkeit noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lässt sich eine Einschränkung der Pflicht zum Ansatz von RAP auf wesentliche Fälle entnehmen. Somit fehlt es an einer rechtlichen Grundlage für ein Wahlrecht zur Bildung von aRAP in Fällen von geringer Bedeutung. Insoweit gilt dasselbe wie bei der Bildung einer Rückstellung für die Betreuung bereits abge-

28 Vgl. nur BFH v. 13.10.1983 – IV R 160/78, BFHE 139, 273 = BStBl. II 1984, 101 = FR 1984, 145, unter A.1. 29 Vgl. BFH v. 4.3.1976 – IV R 78/72, BFHE 121, 318 = BStBl. II 1977, 380. 30 Beschluss des Großen Senats des BFH v. 3.2.1969 – GrS 2/68, BFHE 95, 31 = BStBl. II 1969, 291.

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schlossener Lebensversicherungsverträge31 oder bei der Aktivierung einer geringfügigen Forderung32. Grundsatz der Wesentlichkeit: Dem Grundsatz der Wesentlichkeit kann ein Wahlrecht zur Bildung von aRAP in Fällen von geringer Bedeutung nicht entnommen werden. Die Existenz des Grundsatzes der Wesentlichkeit steht zwar außer Frage. Wie im BFH-Beschluss vom 18.3.201033 ausgeführt, lässt das HGB auch an mehreren Stellen erkennen, dass es in bestimmten Fällen aus unterschiedlichen Gründen auf den Ausweis unwesentlicher Positionen verzichtet, bzw. zeigt das Einkommensteuerrecht, zB bei der Sofortabsetzung von geringwertigen Wirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 2 EStG, dass ein periodengerechter Ausweis entbehrlich sein kann. Für ein Wahlrecht im Rahmen des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG hätte es aber – wie in den im BFH-Beschluss vom 18.3.201034 aufgezeigten Fällen – einer gesetzlichen Regelung bedurft, wonach es dem Stpfl. erlaubt ist, in Fällen von geringer Bedeutung auf eine genaue Abgrenzung zu verzichten, selbst wenn die Anwendung des Grundsatzes der Wesentlichkeit dort umso eher begründbar sein mag, wo es – wie bei RAP, die der periodengerechten Zuordnung der ansonsten sofort aufwandwirksamen Ausgaben dienen – nur um den zeitgerechten Ausweis geht. Aus der Gesetzesbegründung35 ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber bei § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ausnahmsweise von einer solchen Möglichkeit ausgegangen wäre. Zur Übertragbarkeit der Erwägungen zu § 6 Abs. 2 EStG: Die gesetzgeberischen Überlegungen bei der Behandlung geringwertiger Wirtschaftsgüter in § 6 Abs. 2 EStG können nicht auf die Bildung von RAP übertragen werden. Hiergegen spricht, dass diese nicht als Wirtschaftsgüter zu qualifizieren sind und dass mit der Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter (neben der Vereinfachung) gesetzlich auch der Zweck der „Verbesserung der Selbstfinanzierung der Unternehmen“ verfolgt wird. Gerade dieser Förderzweck des § 6 Abs. 2 EStG macht deutlich, 31 Vgl. BFH v. 19.7.2011 – X R 26/10, BFHE 234, 239 = BStBl. II 2012, 856 Rz. 30 = FR 2012, 33 m. Anm. Prinz, wonach es an einer rechtlichen Grundlage für die Annahme fehle, die Bildung einer Rückstellung sei nur bei wesentlichen Verpflichtungen zulässig. 32 Vgl. BFH v. 28.9.1967 – IV R 284/66, BFHE 90, 72 = BStBl. III 1967, 761, unter II.2., wonach es im Gesetz keine Stütze finde, dass diese nicht aktiviert werden müssten. 33 BFH v. 18.3.2010 – X R 20/09, BFH/NV 2010, 1796 Rz. 32 und 35. 34 BFH v. 18.3.2010 – X R 20/09, BFH/NV 2010, 1796. 35 BTDrucks V/3187, 4.

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dass es dem Gesetzgeber vorbehalten sein muss, diesem Zweck auch für § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG Geltung zu verschaffen. Eine analoge Anwendung im Übrigen, die auch im Kostenbeschluss vom 18.3.201036 nicht vertreten worden ist, ist mangels Regelungslücke ausgeschlossen. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schränkt die Pflicht zur Bildung von RAP ebenfalls nicht auf wesentliche Fälle ein. Zwar gilt dieser Grundsatz auch im Steuerrecht. Danach müssen Mittel und Zweck in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Durch den Ansatz eines RAP kann – auch in Fällen mit geringfügigen Beträgen – eine solche unverhältnismäßige Folge indes nicht herbeigeführt werden. Der Ansatz bewirkt ausschließlich, dass sich der Gewinn in genau der Größenordnung des gebildeten Postens erhöht; weitergehende Folgen sind nicht ersichtlich. Darüber hinaus kann der Senat nicht erkennen, dass bei der Rechnungsabgrenzung in Fällen von geringer Bedeutung ein Aufwand erforderlich wäre, der in keinem Verhältnis zur Verbesserung des Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens stünde bzw. der zu der Annahme führte, die periodengerechte Ermittlung des Aufwands würde im Interesse einer Vereinfachung der Buchführung übertrieben werden. Denn für die (zeitraumbezogene) Berechnung der Höhe der RAP nach den Verhältnissen der noch ausstehenden Gegenleistung zur gesamten Leistung sind – vgl. nur die streitgegenständlichen Posten – keine Schwierigkeiten ersichtlich, die zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen würden. Stehen die Werte der RAP eindeutig fest, sind sie auch in die Bilanz aufzunehmen, selbst wenn sie einen verhältnismäßig geringen Betrag aufweisen. Zudem kann es bei einer Vielzahl in der Gewinnermittlung nicht berücksichtigter, geringfügiger aRAP doch -insgesamt – zu einer bedeutenden Verzerrung des Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage kommen. Keine Vorlage an den Großen Senat: Eine Vorlage an den Großen Senat des BFH ist nicht erforderlich, weil der erkennende Senat nicht in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines – anderen – Senats oder des Großen Senats des BFH abweicht (§ 11 Abs. 2 FGO). Soweit der VI. Senat in seinem Urteil vom 3.9.201537 unter Bezugnahme auf den BFH-Beschluss vom 18.3.201038 ausgeführt hat, es sei entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Gewinnermittlung nicht ausgeschlossen, bei nur ge36 BFH v. 18.3.2010 – X R 20/09, BFH/NV 2010, 1796. 37 BFH v. 3.9.2015 – VI R 27/14, BFHE 251, 5 = BStBl. II 2016, 174 = FR 2016, 177 m. Anm. Bergkemper. 38 BFH v. 18.3.2010 – X R 20/09, BFH/NV 2010, 1796.

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ringfügigen Beträgen auf den Ansatz eines RAP zu verzichten, wie zB bei Steuern und Versicherungen für einen nur aus wenigen Fahrzeugen bestehenden Fuhrpark, ist auch diesbezüglich eine Vorlage an den Großen Senat des BFH entbehrlich, denn die Ausführungen waren im dortigen Streitfall nicht entscheidungserheblich. Soweit in der älteren Judikatur eine Aktivierungspflicht verneint worden ist, sind diese Urteile vor Geltung des § 11 FGO ergangen. Bildung und (gegenläufige) Auflösung von RAP: Demzufolge mussten – wie vom FA für die Einkommensteuerbescheide in den Streitjahren zu Recht angenommen – für die streitgegenständlichen Aufwendungen aRAP iHv. 1.341 t (2015), 1.550 t (2016) und 1.315 t (2017) gebildet werden. Gegenläufig hätten aber in den Jahren 2016 und 2017 jeweils die im Vorjahr gewinnerhöhend berücksichtigten RAP aufgelöst werden müssen. Für das Jahr 2016 ergibt sich danach eine Gewinnminderung iHv. 1.341 t; insoweit ist der Einkommensteuerbescheid für 2016 abzuändern. Im Streitjahr 2017 überschreitet die gewinnmindernde Auflösung (1.550 t) die Höhe der gebildeten RAP (1.314 t), so dass die Revision insoweit im Ergebnis unbegründet ist; im Übrigen gilt das Verböserungsverbot.

4. Bemerkungen „Wie wesentlich ist der Wesentlichkeitsgrundsatz für die Steuerbilanz?“ – diese Frage hat Wendt39 schon vor einiger Zeit aufgeworfen und mit dem Befund, der Wesentlichkeitsgrundsatz habe für die Steuerbilanz keine wesentliche Bedeutung, beantwortet. In diese Richtung geht nun auch die Entscheidung des X. Senats zur Rechnungsabgrenzung. Sie bewirkt eine Abkehr von der dem Kostenbeschluss vom 18.3.201040 zugrunde liegenden Auffassung. Dort hatte der X. Senat noch unter Hinweis auf den Grundsatz der Wesentlichkeit ausgeführt: „Der periodengerechte Ansatz von Aufwand darf im Interesse einer Vereinfachung der Buchführung nicht übertrieben werden.“ Dem hatte sich der VI. Senat des BFH41 zwischenzeitlich – wenngleich nicht tragend – angeschlossen. Auf die

39 Wendt in FS Herzig, 2010, 517 (529). 40 BFH v. 18.3.2010 – X R 20/09, BFH/NV 2010, 1796. 41 BFH v. 3.9.2015 – VI R 27/14, BFHE 251, 5 = BStBl. II 2016, 174 = FR 2016, 177 m. Anm. Bergkemper.

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Anrufung des Großen Senats konnte der X. Senat gleichwohl verzichten, da keine förmliche Divergenz iSv. § 11 Abs. 2 FGO vorliegt.42 In der Sache ist dem X. Senat sicherlich darin zuzustimmen, dass § 5 Abs. 5 EStG keinen ausdrücklichen Wesentlichkeitsvorbehalt enthält.43 Gleichwohl wäre eine stärkere argumentative Betonung des Grundsatzes der Wesentlichkeit – wie der Kostenbeschluss vom 18.3.201044 zeigt – durchaus möglich gewesen. Das handelsrechtliche Schrifttum gibt zu der Streitfrage kein einheitliches Bild ab.45 Allerdings hat Prinz46 jüngst noch einmal herausgearbeitet, dass der „Materiality“-Grundsatz zu den ungeschriebenen GoB gehört, auf europäische Wurzeln in der EU-Rechnungslegungsrichtlinie zurückblickt und ein praktisches Grunderfordernis jeder kaufmännischen Rechnungslegung verkörpert. Gerade vor dem Hintergrund des zuletzt genannten Aspekts dürfte die Entscheidung des X. Senats beim Praktiker Unbehagen auslösen. Die Bilanzierungspraxis wird mit der „Erbsenzählerei“47 leben müssen. Ob die FinVerw. der Forderung nach einer Übergangsregelung48 nachkommen wird, erscheint fraglich. Eine gesetzgeberische Reaktion in Gestalt der Implementierung einer Geringfügigkeitsgrenze in § 5 Abs. 5 EStG49 – etwa in Anlehnung an die Regelung über geringwertige Wirtschaftsgüter in § 6 Abs. 2 EStG – dürfte ebenfalls nicht wahrscheinlich sein.

42 Dies gilt auch im Hinblick auf die Urteile des BFH v. 16.9.1958 – I 351/16 U, BFHE 67, 492 = BStBl. III 1958, 462 und v. 2.6.1960 – IV 114/58, HFR 1961, 73, in denen zwar eine Aktivierungspflicht verneint worden ist, die aber vor Inkrafttreten der FGO ergangen und nicht gem. § 64 RAO veröffentlicht worden sind, so dass § 11 FGO nicht zur Anwendung gelangt (§ 184 Abs. 2 Nr. 5 FGO idF v. 6.10.1965, BGBl. I 1965, 1477). 43 Korn, NWB 2021, 2722. 44 BFH v. 18.3.2010 – X R 20/09, BFH/NV 2010, 1796. 45 ADS, § 250 HGB Rz. 44: Verzicht bei geringer Bedeutung; aA Tiedchen in HHR, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 2181: Wesentlichkeitsgrundsatz bezieht sich auf Bewertungs-, nicht auf Ansatzvorschriften; Tiedchen in Schulze-Osterloh/ Hennrichs/Wüstemann, Handbuch des Jahresabschlusses, Abt. II/9 Rz. 127. 46 Prinz unter Hinweis auf den „krümelmonsternden Steuerbilanzierer“. 47 Korn, NWB 2021, 2722; Kubik, BB 2021, 2353. 48 Dazu Korn, NWB 2021, 2722. 49 Vgl. Reddig, DB 2021, 2390.

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IV. Veräußerungs-/Aufgabegewinn in den Fällen einer Abzugsbeschränkung 1. Ermittlung des Aufgabegewinns für ein häusliches Arbeitszimmer a) Leitsätze und Sachverhalt BFH v. 16.6.2020:50 „1. Für die Berechnung des Gewinns aus der Aufgabe einer freiberuflichen Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 2 EStG ist der sich nach Abzug der AfA gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ergebende Buchwert des häuslichen Arbeitszimmers auch dann maßgeblich, wenn die Abziehbarkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer während der Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG der Höhe nach beschränkt war. Eine Gewinnkorrektur im Hinblick auf den nicht abzugsfähigen Teil der AfA kommt nicht in Betracht. 2. Die Besteuerung des Aufgabegewinns unter Berücksichtigung des um die nicht abziehbare AfA geminderten Buchwerts des häuslichen Arbeitszimmers verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, denn die bei der Berechnung des laufenden Gewinns verfassungsrechtlich zulässige Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG wird im Rahmen der Besteuerung der Betriebsaufgabe nicht vertieft, sondern lediglich nicht wieder rückgängig gemacht.“

Sachverhalt: Die Kläger sind Ehegatten und werden im Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Zum 31.12.2001 gab der Kläger seine selbständige nebenberufliche Tätigkeit als beratender Ingenieur auf. Zum notwendigen Betriebsvermögen des Klägers gehörte bis zu diesem Zeitpunkt ein häusliches Arbeitszimmer. Da das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Klägers gebildet hatte, hatte das FA gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbs. 1 EStG jährlich lediglich 2.400 DM der Aufwendungen für das Arbeitszimmer einschließlich der AfA zum Betriebsausgabenabzug zugelassen. Die kumulierte AfA für das seit dem Jahr 1997 genutzte Arbeitszimmer belief sich zum 31.12.2001 auf 65.722,74 DM. Während der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung einen Aufgabeverlust ermittelte, in dem auch ein Verlust aus der Entnahme des Arbeitszimmers enthalten war, berücksichtigte das FA im Einkommen50 BFH v. 16.6.2020 – VIII R 15/17, BFHE 269, 495 = BStBl. II 2020, 841, zu = FR 2020, 1146 Kfz.-Aufwendungen iSd. § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG.

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steuerbescheid für das Streitjahr bei den Einkünften des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit – neben einem laufenden Verlust iHv. 2.006 DM – einen Veräußerungsgewinn iHv. 23.723 DM. Bei dessen Ermittlung legte das FA (ua.) einen gemeinen Wert des Arbeitszimmers iHv. 472.360 DM, einen Buchwert des Grund und Bodens iHv. 102.900 DM sowie einen Buchwert des Gebäudes – nach Abzug der gesamten AfA – iHv. 315.336 DM zugrunde. In dem hiergegen gerichteten Einspruchsverfahren wandten sich die Kläger ua. gegen die buchwertmindernde Berücksichtigung der AfA des Arbeitszimmers bei der Ermittlung des Aufgabegewinns. In einem Einkommensteueränderungsbescheid gewährte das FA den – vom Kläger hilfsweise geltend gemachten – Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG, so dass der vom FA weiterhin erfasste Aufgabegewinn iHv. 23.723 DM in voller Höhe steuerfrei blieb. Nachdem das FA dem Einspruch in anderen, hier nicht streitigen Punkten durch einen weiteren Einkommensteueränderungsbescheid abgeholfen hatte, wies es den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. b) Fragestellung Es stellte sich die Frage, ob bei der Ermittlung des Gewinns aus der Aufgabe einer freiberuflichen Tätigkeit zu berücksichtigen ist, dass der Abzug von AfA in Bezug auf das vom Kläger genutzte häusliche Arbeitszimmer während der betrieblichen Nutzung der Höhe nach beschränkt war. c) Entscheidung Der BFH hat die Revision mit folgender Begründung zurückgewiesen: Das FG hat zutreffend erkannt, dass für die Berechnung des Aufgabegewinns der sich nach Abzug der AfA ergebende Buchwert des häuslichen Arbeitszimmers maßgeblich ist. Die beschränkte Abziehbarkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer während der Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit beeinflusst weder dessen Buchwert im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe, noch kann die zuvor nicht abziehbare AfA bei der Ermittlung des Aufgabegewinns auf andere Weise gewinnmindernd berücksichtigt werden.

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Ermittlung des Aufgabegewinns: Bei der Ermittlung des Aufgabegewinns des Klägers gem. § 18 Abs. 3 Satz 2 iVm. § 16 Abs. 3 EStG ist der sich gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ergebende Buchwert des häuslichen Arbeitszimmers zu berücksichtigen, wie er sich nach Abzug der AfA ergibt. Wert des Betriebsvermögens: Der Wert des Betriebsvermögens ist für den Zeitpunkt der Aufgabe nach § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 5 EStG zu ermitteln (§ 18 Abs. 3 Satz 2 iVm. § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG). Maßgebend sind die Werte der auf den Aufgabezeitpunkt aufgestellten Schlussbilanz.51 Stpfl., die – wie der Kläger- ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, müssen zur Ermittlung des Werts des Betriebsvermögens im Aufgabezeitpunkt zum Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 EStG übergehen. Danach ist dem vorliegend unstreitigen Wert des Aufgabe-Endvermögens, zu dem auch der ebenfalls unstreitige gemeine Wert des Arbeitszimmers (§ 16 Abs. 3 Satz 7 EStG) gehört, der sich aus der Schlussbilanz (§ 18 Abs. 3 Satz 2 iVm. § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG) ergebende Buchwert des Betriebsvermögens des Klägers gegenüberzustellen. Das zum notwendigen Betriebsvermögen gehörende häusliche Arbeitszimmer war als selbständiges Wirtschaftsgut des Anlagevermögens gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG mit den Anschaffungskosten, vermindert um die AfA, in die Schlussbilanz aufzunehmen. Dabei hat das FG das Arbeitszimmer des Klägers zutreffend mit dem sich unter Berücksichtigung der AfA nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ergebenden Buchwert (Gebäudeanteil) iHv. 315.336 DM berücksichtigt. Zur Bedeutung der Abzugsbeschränkung: Der sich nach Abzug der AfA ergebende Buchwert des häuslichen Arbeitszimmers ist ungeachtet der Abzugsbeschränkung gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG für die Berechnung des Aufgabegewinns maßgebend (§ 18 Abs. 3 Satz 2 iVm. § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG). Dem steht nicht entgegen, dass der Betriebsausgabenabzug des Klägers für das häusliche Arbeitszimmer, das nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Klägers gebildet hatte, gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG auf 2.400 DM jährlich beschränkt war und zu den nur beschränkt abziehbaren Aufwendungen iSd. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbs. 1 EStG auch die AfA gehörte. Die teilweise beschränkte Abziehbarkeit der Aufwendungen für das Arbeitszimmer einschließlich der AfA schließt weder die Zugehörigkeit des Arbeitszimmers zum Betriebsvermögen des 51 BFH v. 26.3.1991 – VIII R 315/84, BFHE 166, 7 = BStBl. II 1992, 472 = FR 1992, 211, unter B.III.4.; v. 5.5.2015 – X R 48/13, BFH/NV 2015, 1358 Rz. 36, 38.

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Klägers aus, noch beeinflusst sie den nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG für das Arbeitszimmer zu ermittelnden Buchwert. Wie der BFH bereits mehrfach entschieden hat, ist der Berechnung des Gewinns aus der Veräußerung oder Entnahme eines vom Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG betroffenen Wirtschaftsguts der Buchwert zugrunde zu legen, der sich unter Berücksichtigung der nicht abziehbaren AfA ergibt.52 § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG begrenzt zwar die abziehbaren Betriebsausgaben, setzt aber nicht die übrigen Regeln der Bewertung und Abschreibung für die betroffenen Wirtschaftsgüter außer Kraft. Die nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben werden bei einem nur teilweisen Abzugsverbot wie im Streitfall im Rahmen der Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG zunächst in voller Höhe als Betriebsausgaben erfasst – wodurch sich der Buchwert des Arbeitszimmers um den vollen AfA-Betrag vermindert – und bei der Ermittlung des Jahresergebnisses dem Gewinn wieder hinzugerechnet. Keine gewinnmindernde Berücksichtigung der nicht abziehbaren AfA: Die infolge der Abzugsbeschränkung (teilweise) nicht abziehbare AfA kann auch nicht auf andere Weise gewinnmindernd bei der Ermittlung des Aufgabegewinns berücksichtigt werden. Entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung53 und gelegentlich in der Rspr. des BFH – in nicht entscheidungserheblichen Erwägungen – geäußerter Zweifel54 sind die „Gewinnrealisierungstatbestände“, vorliegend namentlich § 18 Abs. 3 Satz 2 iVm. § 16 Abs. 2 EStG, nicht – zum Zweck der gewinnmindernden Berücksichtigung der während der laufenden betrieblichen Tätigkeit zum Teil nicht abziehbaren AfA – teleologisch zu reduzieren. Eine teleologische Reduktion einer Norm kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung der Regelung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Bleibt die Berechnung des Aufgabegewinns gem. § 18 Abs. 3 Satz 2 iVm. § 16 Abs. 3 EStG von der Abzugsbeschränkung des § 4 52 Vgl. nur BFH v. 25.3.2015 – X R 14/12, FR 2015, 943 m. Anm. Weber-Grellet = BFH/NV 2015, 973 Rz. 16. 53 Paul in HHR, EStG/KStG, § 4 EStG Rz. 1537; Frotscher in Frotscher/Geurts, EStG, § 4 Rz. 705, zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG [anders Watrin in Frotscher/ Geurts, EStG, § 4 Rz. 829, zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG]; Stadie, FR 2016, 289 (292 ff.); vgl. auch Broudré, DStR 1995, 1733 (1739); Wenzig, StBp. 1979, 272 (277 f.), zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG. 54 Vgl. BFH v. 28.8.2003 – IV R 38/01, BFH/NV 2004, 327, unter II.4.; v. 6.7.2005 – XI R 87/03, BFHE 210, 493 = BStBl. II 2006, 18 = FR 2006, 227 m. Anm. Bergkemper, unter II.2.c; vgl. auch BFH v. 14.5.2019 – VIII R 16/15, BFHE 264, 451 = BStBl. II 2019, 510 Rz. 28 = FR 2021, 81 aE.

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Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG unberührt, werden sämtliche Stpfl. bei der Ermittlung des Aufgabegewinns unabhängig davon gleichbehandelt, in welchem Umfang die Aufwendungen für das Arbeitszimmer als Betriebsausgaben abgezogen werden konnten. Dieses Ergebnis ist nicht sinnwidrig, sondern entspricht der ausdrücklichen Anordnung des § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG. Die Abzugsbeschränkung gilt nicht nur für die Ermittlung des laufenden Gewinns, sondern ist – dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechend – auch bei der Ermittlung eines Veräußerungs-, Aufgabebzw. Entnahmegewinns zu beachten und muss sich damit im Totalgewinn widerspiegeln. Keine „doppelte Bestrafung“: Durch die Berücksichtigung nur des Buchwerts des von der Abzugsbeschränkung betroffenen Wirtschaftsguts bei der Ermittlung des Aufgabegewinns wird der Stpfl. auch nicht „doppelt bestraft“.55 Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG wird lediglich einmal, bei der Ermittlung des laufenden Gewinns, angewandt. Im Rahmen der Ermittlung des Aufgabegewinns greift es nicht erneut, sondern es wird lediglich nicht rückgängig gemacht. Hierdurch kommt es auch nicht zur Besteuerung eines „Scheingewinns“. Denn dem Stpfl. wird im Rahmen der Aufgabe kein Veräußerungserlös oder Entnahmewert zugerechnet, den er tatsächlich nicht erlangt hat, sondern es wird lediglich der Betriebsausgabenabzug im Rahmen der Ermittlung des laufenden Gewinns durch eine typisierende Höchstgrenze mit Wirkung für den Totalgewinn beschränkt. Keine analoge Anwendung von § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG: Die vom Kläger begehrte gewinnmindernde Berücksichtigung der (teilweise) nicht abziehbaren AfA bei der Ermittlung des Aufgabegewinns kann auch nicht aus § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG hergeleitet werden. Die Regelung kann -mangels planwidriger Regelungslücke – weder analog auf den Streitfall Anwendung finden, noch enthält sie ein Grundprinzip, nach dem im Fall der Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens (oder im Rahmen eines anderen Gewinnrealisierungstatbestands: hier § 16 Abs. 3 EStG) stets nur die um die tatsächlich abziehbare AfA geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu berücksichtigen sind. Kein Korrekturposten: Schließlich ist es aus den dargelegten Gründen auch ausgeschlossen, die nicht abziehbare AfA in anderer Weise – etwa

55 So zB Apitz, StBp. 1996, 323 (326); Broudré, DStR 1995, 1733 (1739); Frotscher in Frotscher/Geurts, EStG, § 4 Rz. 705, zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG.

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durch Abzug eines Korrekturpostens vom Aufgabegewinn – zu berücksichtigen.56 Zum Verfassungsrecht: Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Besteuerung des Aufgabegewinns unter Berücksichtigung des um die nicht abziehbare AfA geminderten Buchwerts bestehen nicht. Kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG: Ein Verstoß gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit liegt nicht vor. Aus dem objektiven Nettoprinzip kann nicht geschlossen werden, dass die gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht abziehbaren AfA-Beträge im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe, der Veräußerung oder der Entnahme des Wirtschaftsguts gewinnmindernd berücksichtigt werden müssten. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG enthält eine Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip, die nicht gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstößt. Die danach verfassungsrechtlich zulässige Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für das häusliche Arbeitszimmer bei der Berechnung des laufenden Gewinns wird – wie dargelegt – im Rahmen der Gewinnrealisierungstatbestände nicht weiter vertieft, sondern lediglich nicht wieder rückgängig gemacht. Dies ist folgerichtig und unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich schließlich nicht aus einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung im Vergleich zu Stpfl., die ein häusliches Arbeitszimmer zur Erzielung von Überschusseinkünften genutzt haben. Im Rahmen der Besteuerung eines privaten Veräußerungsgeschäfts sind nach Auffassung der FinVerw. AfA-Beträge für das häusliche Arbeitszimmer nicht gem. § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG zu berücksichtigen, wenn der Abzug der Aufwendungen für das Arbeitszimmer gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG ausgeschlossen war. War der Abzug der Aufwendungen für das Arbeitszimmer gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbs. 1 EStG auf den Höchstbetrag von 2.400 DM beschränkt, soll dies aus Vereinfachungsgründen ebenfalls gelten.57 Es kann dahinstehen, ob dieser Ansicht der FinVerw. zu folgen ist, denn ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz läge auch bei einer unterschiedlichen Behandlung eines zur Erzielung von Gewinneinkünften einerseits und von Überschusseinkünften andererseits eingesetzten Arbeitszimmers nicht vor. Das Einkommensteuerrecht wird vom sog. 56 Vgl. zB Stadie, FR 2016, 289 (295): außerbilanziell wie eine Einlage. 57 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3 - S 2256 - 263/00, BStBl. I 2000, 1383 Rz. 39.

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Dualismus der Einkunftsarten bestimmt. Die dadurch bedingte unterschiedliche einkommensteuerrechtliche Erfassung von Wertsteigerungen im Betriebs- und Privatvermögen ist nach der Rspr. des BVerfG mit dem Gleichheitssatz vereinbar.58 Mangels eines der Überführung eines Wirtschaftsguts ins Privatvermögen vergleichbaren Gewinnrealisierungstatbestands bei den Überschusseinkünften kommt im vorliegenden Fall der Betriebsaufgabe daher von vornherein keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht. Kein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG: Eine gegen Art. 14 Abs. 1 GG verstoßende erdrosselnde oder die Substanz des Eigentums beeinträchtigende Wirkung der Besteuerung haben die Kläger nicht dargelegt, zumal der Aufgabegewinn beim Kläger aufgrund des Freibetrags aus § 16 Abs. 4 EStG im Ergebnis steuerfrei bleibt. d) Bemerkungen Auf die Anmerkungen zur nachfolgenden (Parallel-)Entscheidung wird Bezug genommen.

2. Ermittlung des Veräußerungsgewinns für einen teilweise privat genutzten PKW a) Leitsätze und Sachverhalt BFH v. 16.6.2020:59 „Wird ein zum Betriebsvermögen gehörendes, jedoch teilweise privat genutztes Kfz veräußert, erhöht der gesamte Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Veräußerungserlös den Gewinn i.S. der §§ 4 und 5 EStG. Der Umstand, dass die tatsächlich für das Fahrzeug in Anspruch genommene AfA infolge der Besteuerung der Nutzungsentnahme bei wirtschaftlicher Betrachtung teilweise neutralisiert wird, rechtfertigt weder eine lediglich anteilige Berücksichtigung des Veräußerungserlöses bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns noch eine gewinnmindernde Korrektur des Veräußerungsgewinns in Höhe der auf die private Nutzung entfallenden AfA.“

Sachverhalt: Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war im Streitjahr 2013 als Schrift-

58 Vgl. nur BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1 = BStBl. II 2011, 76 Rz. 68 f., 83 = FR 2011, 40. 59 BFH v. 16.6.2020 – VIII R 9/18, BFHE 269, 506 = BStBl. II 2020, 845 = FR 2020, 1142 m. Anm. Kanzler.

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steller und Gutachter freiberuflich tätig. Er ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Im Mai 2008 hatte der Kläger einen PKW zum Nettopreis iHv. 74.115 t angeschafft, den er bis einschließlich 2013 zu 25 % für seine freiberufliche Tätigkeit und zu 75 % für private Zwecke nutzte. In den Steuererklärungen der Jahre 2008–2013 wies der Kläger den PKW in den Anlageverzeichnissen jeweils mit den fortgeführten Anschaffungskosten aus. Das FA berücksichtigte antragsgemäß AfA für den PKW unter Zugrundelegung einer fünfjährigen Nutzungsdauer, so dass der PKW bis zum Abgang aus dem Betriebsvermögen im Streitjahr vollständig abgeschrieben wurde. Des Weiteren berücksichtigte das FA in den Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 2008–2013 erklärungsgemäß jeweils Betriebseinnahmen aus einer Nutzungsentnahme für die private Nutzung des PKW iHv. 75 % der entstandenen Aufwendungen einschließlich der AfA. Im Streitjahr schaffte der Kläger einen neuen PKW an. Dabei gab er den bis dahin genutzten PKW für 28.000 t in Zahlung. In der Einkommensteuererklärung des Streitjahres setzte der Kläger nur ein Viertel des erzielten Anrechnungspreises, dh. 7.000 t, als Betriebseinnahme an. Das FA folgte dem nicht und setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr im Bescheid vom 27.11.2014 unter Berücksichtigung des gesamten Anrechnungsbetrags fest. Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. b) Fragestellung Im Streitfall musste der BFH die Frage beantworten, ob es bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung eines betrieblichen PKW eine Rolle spielt, dass die AfA durch die Nutzungsentnahme wirtschaftlich teilweise kompensiert worden ist. c) Entscheidung Der BFH hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und dabei wie folgt argumentiert: Das FG ist zutreffend von einem steuerbaren Veräußerungsgeschäft über den in Zahlung gegebenen PKW und einem daraus erzielten Erlös iHv. 28.000 t ausgegangen. Der Veräußerungserlös ist trotz der jährlichen Nutzungsentnahme iHv. 75 % weder anteilig zu kürzen, noch findet eine ge303

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winnmindernde Korrektur in Höhe der auf die private Nutzung entfallenden AfA statt. Behandlung der Inzahlunggabe: Zutreffend hat das FG die Inzahlunggabe des PKW als steuerbares Veräußerungsgeschäft angesehen, aus dem der Kläger einen Veräußerungserlös iHv. 28.000 t erzielt hat. Zu den steuerbaren Betriebseinnahmen iSv. § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG gehören auch die Einnahmen aus Veräußerungen von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Gewillkürtes Anlagevermögen: Der in Zahlung gegebene PKW stellte gewillkürtes Anlagevermögen des Klägers dar. Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG hat der Kläger den PKW in sämtlichen VZ in den Anlageverzeichnissen ausgewiesen, obwohl in der amtlichen Anlage EÜR alternativ auch die Eintragung einer Nutzungseinlage vorgesehen bzw. eine sonstige Ergänzung des amtlichen Vordrucks möglich war. Ergänzende Erläuterungen hat der Kläger nicht abgegeben. Das FG hat daraus in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise gefolgert, dass der Kläger den PKW in unmissverständlicher Weise dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet hatte. Diese Zuordnung war auch zulässig. Inzahlunggabe als Veräußerung: Die Inzahlunggabe des PKW stellt eine steuerbare Veräußerung dar. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG hat der Kläger den zum Betriebsvermögen gehörenden PKW an Erfüllungs statt zur Tilgung der Kaufpreisschuld aus dem Neuwagenkauf hingegeben (vgl. §§ 364 f. BGB). Steuerrechtlich handelt es sich dabei um eine vollentgeltliche Veräußerung. Die Hingabe eines Wirtschaftsguts an Erfüllungs statt ist wie ein Tausch zu behandeln. Gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG bemessen sich beim Tausch die Anschaffungskosten nach dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts. Bei Stpfl., die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, ist – nicht zuletzt wegen des Grundsatzes der Totalgewinngleichheit – in entsprechender Anwendung von § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG (vgl. auch § 6 Abs. 7 Nr. 1 EStG) eine Betriebseinnahme in Höhe des gemeinen Werts des hingegebenen Wirtschaftsguts anzusetzen. Der Restbuchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts ist als Betriebsausgabe abzuziehen. Danach ergibt sich ein Veräußerungsgewinn iHv. 28.000 t. Der vereinbarte Anrechnungsbetrag iHv. 28.000 t entspricht dem gemeinen Wert des vom Kläger in Zahlung gegebenen PKW, denn es fehlt an Anhaltspunkten dafür, dass die vereinbarten Kauf- bzw. Anrechnungspreise von 304

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den tatsächlichen Wertverhältnissen abweichen. Gegenteiliges wird auch von den Beteiligten nicht behauptet. Von der Betriebseinnahme iHv. 28.000 t ist der im Veräußerungszeitpunkt noch vorhandene Restbuchwert des PKW iHv. 0 t als Betriebsausgabe abzuziehen. Keine Kürzung des Veräußerungserlöses: Der vom Kläger realisierte Veräußerungserlös iHv. 28.000 t ist – trotz vorangegangener Besteuerung der Nutzungsentnahme – in voller Höhe als Betriebseinnahme zu berücksichtigen. Er ist weder anteilig zu kürzen, noch findet eine gewinnmindernde Korrektur in Höhe der auf die private Nutzung entfallenden AfA statt. Es trifft zwar zu, dass die tatsächlich in Anspruch genommene AfA auf den PKW durch die Besteuerung der Nutzungsentnahme in anteiliger, auf die private Nutzung entfallender Höhe (hier 75 %) bei wirtschaftlicher Betrachtung neutralisiert wurde. Diese Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Nutzungsentnahme und deren Besteuerung als Betriebseinnahme haben jedoch keine Auswirkungen auf die Bemessung des Gewinns aus der Veräußerung des PKW. Neutralisierung der AfA: Die vom Kläger in Anspruch genommene AfA auf den PKW wurde in jedem VZ der Zugehörigkeit des PKW zum Betriebsvermögen durch die Besteuerung der Nutzungsentnahme iHv. 75 % „neutralisiert“. Die private Nutzung eines Wirtschaftsguts führt zu einer Nutzungsentnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG. Nach der Rspr. des BFH ist auf die private Nutzung eines Wirtschaftsguts § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG nicht anzuwenden. Es wird nicht der Wert der privaten Nutzung, sondern der durch sie verursachte Aufwand als entnommen angesehen.60 Die Nutzungsentnahme ist deshalb mit den tatsächlichen Selbstkosten zu bewerten. Dazu gehören die buchmäßigen Gesamtaufwendungen für das Wirtschaftsgut einschließlich der AfA in tatsächlich in Anspruch genommener Höhe und führen zu fiktiven Betriebseinnahmen. Diese Grundsätze gelten auch für die private Nutzung eines Kfz., entweder in den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG oder wenn – wie vorliegend wegen der nur 25%igen betrieblichen Nutzung – § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht anzuwenden ist. Keine Auswirkungen auf die Höhe des Veräußerungsgewinns: Die Besteuerung der Nutzungsentnahme in Höhe der Selbstkosten einschließlich der anteiligen AfA hat keine Auswirkungen auf die Bemessung des 60 Vgl. nur BFH v. 14.1.1998 – X R 57/93, BFHE 185, 230 = FR 1998, 560 m. Anm. Weber-Grellet = GmbHR 1998, 692, unter B.II.5.b; v. 19.12.2002 – IV R 46/00, BFH v. 19.12.2002 – IV R 6/99, BFHE 201, 454 = FR 2003, 735, unter 2.a.

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Gewinns aus der Veräußerung des PKW. Nach stRspr. des BFH61 erhöht bei einer Veräußerung eines zum Betriebsvermögen gehörenden, jedoch teilweise privat genutzten Kfz. der gesamte Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Veräußerungserlös den Gewinn iSd. §§ 4 und 5 EStG. Weder ist der Veräußerungserlös oder der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Veräußerungserlös in Höhe der anteiligen Privatnutzung zu kürzen, noch findet eine (außerbilanzielle) Kürzung in Höhe der auf die private Nutzung entfallenden AfA-Beträge (analog einer Einlage) statt. Dies beruht auf der Sichtweise, dass die Besteuerung der Privatnutzung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens in Form der Nutzungsentnahme einerseits und dessen spätere Veräußerung andererseits unterschiedliche Vorgänge betreffen, die getrennt zu betrachten sind. Die Besteuerung der Nutzungsentnahme unter Berücksichtigung der AfA steht somit in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Bemessung des Veräußerungsgewinns. Denn die Besteuerung der Veräußerung unter Aufdeckung stiller Reserven ist ausschließlich Folge der vollumfänglichen Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen. Die stillen Reserven unterliegen in voller Höhe der Besteuerung (erst), wenn die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen durch Veräußerung aufgehoben wird. Demgegenüber ist Gegenstand der Nutzungsentnahme die zeitweise private Nutzung eines Wirtschaftsguts während seiner Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen. Die AfA wird in diesem Rahmen lediglich als Berechnungsposten für die Bemessung der an die Privatsphäre erfolgenden Wertabgabe berücksichtigt. Die Nutzungsentnahme berührt folglich weder den Buchwertansatz, noch führt sie zur Aufdeckung oder Überführung stiller Reserven in das Privatvermögen. Sie stellt keinen Substanzverzehr dar. Zudem entfällt der Erlös aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts trotz vorangegangener Nutzungsentnahme nicht anteilig auf einen im Privatvermögen befindlichen Teil des Wirtschaftsguts und auch nicht auf im Privatvermögen gebildete stille Reserven, die dem Betriebsvermögen im Zeitpunkt der Veräußerung zugeführt werden. Der Erlös aus der Veräußerung ist damit auch nicht um einen Einlagebetrag zu mindern. Kein Rückgriff auf § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG: Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG. Eine unmittelbare Anwendung der Norm auf Gewinneinkünfte kommt nicht in Betracht, da die Norm 61 Vgl. zB BFH v. 24.9.1959 – IV 38/58 U, BFHE 69, 550 = BStBl. III 1959, 466; v. 26.1.1994 – X R 1/92, BFHE 173, 356 = BStBl. II 1994, 353 = FR 1994, 322, unter 3. und 4.

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keinen allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Grundsatz festschreibt, sondern eine spezialgesetzliche Vorschrift zur Ermittlung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften ist. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf den Streitfall scheidet aus, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Eine solche Anwendung des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG führte auch nicht zu dem von den Klägern begehrten Ergebnis. Denn bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns wären ebenfalls nur die um die volle AfA geminderten Anschaffungskosten des PKW als Betriebsausgaben (vorliegend 0 t) zu berücksichtigen, da die AfA bei einem dem Betriebsvermögen zugeordneten Wirtschaftsgut auch dann in voller Höhe tatsächlich abgezogen worden ist, wenn das Wirtschaftsgut teilweise privat genutzt wird. Die Entnahmebesteuerung lässt den Betriebsausgabenabzug in Höhe der AfA unberührt. Sie stellt lediglich eine außerbilanzielle Korrektur des Betriebsergebnisses dar (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder führt bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu fiktiven Betriebseinnahmen. Vergleich mit der Aufwandseinlage: Dieses Ergebnis ist schließlich konsequent, weil die Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Privatvermögens selbst dann nicht der Besteuerung unterliegt, wenn es teilweise für betriebliche Zwecke genutzt und AfA im Wege einer Aufwandseinlage vom Gewinn abgezogen wurde. Zum Verfassungsrecht: Entgegen der Auffassung des Klägers liegt in der Besteuerung des vollständigen Veräußerungserlöses auch kein Verstoß gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und das objektive Nettoprinzip. d) Bemerkungen Die durch das Urteil des X. Senats vom 25.3.201562 vorgezeichneten Grundsatzentscheidungen des VIII. Senats verdienen Zustimmung. Gemischt genutzte Wirtschaftsgüter sind in vollem Umfang steuerverstrickt, wenn sie zum notwendigen oder gewillkürten Betriebsvermögen gehören (sog. Einheitlichkeitsgrundsatz). Dies gilt sowohl für die Einkünfteermittlung während der Nutzungsdauer als auch im Realisationszeitpunkt. Damit haben sich Tendenzen zur teleologischen Reduktion

62 BFH v. 25.3.2015 – X R 14/12, FR 2015, 943 m. Anm. Weber-Grellet = BFH/NV 2015, 973, betreffend § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG.

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der Gewinnermittlungsvorschriften bei zuvor nicht abziehbarer AfA63 nicht durchgesetzt.64 Vor diesem Hintergrund wird die Beratungspraxis Gestaltungsalternativen in Erwägung ziehen müssen: Beim häuslichen Arbeitszimmer besteht – wenn § 8 EStDV (wie wohl häufig) keine Rettung verspricht – die Möglichkeit, eine steuerliche Verstrickung durch den Verzicht auf den Abzug der laufenden Kosten zu vermeiden.65 Im Hinblick auf privat genutzte PKW mit einem betrieblichen Nutzungsanteil zwischen 10 und 50 % sollte in Erwägung gezogen werden, die Widmung zu vermeiden und stattdessen eine Nutzungseinlage zu erklären.66

V. Teilwertabschreibung auf Investmentanteile (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG) 1. Leitsatz und Sachverhalt BFH v. 21.4.2021:67 „Eine Teilwertabschreibung auf bilanzierte Anteilscheine an einem Immobilienfonds ist nicht im Umfang des Bestandes eines sog. passiven steuerlichen Ausgleichspostens („negativ thesaurierte Erträge“, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g InvStG 2004), der die Anschaffungskosten der Anteilscheine nicht mindert (Senatsurteil vom 1.7.2020 – XI R 10/18, BFHE 269, 516, BStBl II 2021, 292), ‚gesperrt‘.“

Sachverhalt: Der Kläger ist eine Unterstützungskasse in der Rechtsform eines VVaG. Er erwarb im Jahr 2010 von der A GmbH Anteilscheine des B Fonds. Die Fondsmittel wurden überwiegend in Büro-, Handels- und Logistikliegenschaften in der Europäischen Union investiert. Der Investmentfonds unterliegt den Regelungen des InvStG 2004 in der in den Jahren 2011 und 2012 (Streitjahre) anwendbaren Fassung; es handelt sich um ein Spezial-Sondervermögen iSv. § 15 InvStG 2004. Die Anteile sind nicht zum Handel an der Börse zugelassen, können aber gleichwohl an 63 Vgl. BFH v. 28.8.2003 – IV R 38/01, BFH/NV 2004, 327; v. 6.7.2005 – XI R 87/03, BFHE 210, 493 = BStBl. II 2006, 18 = FR 2006, 227 m. Anm. Bergkemper. 64 Vgl. auch Levedag, jm 2021, 165 (168). 65 Kanzler, NWB 2021, 254 (258). 66 Dazu Kanzler, NWB 2021, 254 (260) unter Hinweis auf den Erhalt des Vorsteuerabzugs (Zuordnungswahlrecht bei unternehmerischer Nutzung von mindestens 10 %); Werth, BFH/PR 2021, 50 (51). 67 BFH v. 21.4.2021 – XI R 42/20, FR 2021, 1025 m. Anm. Weber-Grellet/Haug = DStR 2021, 1921.

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verschiedenen Börsenplätzen gehandelt werden. Der Fonds ermittelt und veröffentlicht täglich den Rücknahmepreis der Anteile (als Anteilspreis, der bei Rückgabe der Fondsanteile ohne jeden weiteren Abschlag erstattet wird). Dabei wird der Anteilswert in der Weise ermittelt, dass der Wert der zum Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände abzüglich etwaiger aufgenommener Kredite und sonstiger Verbindlichkeiten des Sondervermögens (Inventarwert) durch die Zahl der umlaufenden Anteile geteilt wird. Die im Sondervermögen des Fonds gehaltenen Vermögensgegenstände werden fortlaufend bewertet. Im Fonds gehaltene Immobilien werden bei Erwerb und danach nicht länger als zwölf Monate mit dem Kaufpreis notiert, anschließend werden sie mit dem vom Sachverständigenausschuss festgestellten Wert angesetzt. Dieser Wert wird für jede Immobilie spätestens alle zwölf Monate ermittelt. Treten bei einer Immobilie Änderungen wesentlicher Bewertungsfaktoren ein, wird die Neubewertung ggf. zeitlich vorgezogen. Der Kläger reichte mit seinen Steuererklärungen für die Streitjahre jeweils Erträgnisaufstellungen beim FA ein. In diesen sind ua. die Dividenden und die ausschüttungsgleichen Erträge aus den Fondsanteilen ausgewiesen, ebenfalls die Position „davon ab AfA Beträge Immobilien ‚negativ thesaurierte Erträge‘ Bildung eines passiven steuerlichen Ausgleichspostens“. Der Betrag für 2010 ergab sich aus dem insgesamt ausgewiesenen Betrag von ./. X t, dem wegen des Verkaufs eines (in den og. Anschaffungskosten nicht mehr berücksichtigten) Fondsanteils der Betrag von X t hinzugerechnet wurde. Bei den vorgenannten Beträgen handelt es sich um diejenigen Beträge, die der Fonds dem Kläger nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g InvStG 2004 jeweils als „Betrag der Absetzungen für Abnutzung und Substanzverringerung“ (AfA/AfS) mitgeteilt hatte. Der Kläger stellte die Beträge in den jeweiligen Jahren – wie im BMF-Schreiben vom 18.8.200968 vorgesehen – in einen passiven steuerlichen Ausgleichsposten (pStAP) ein. Im Jahr 2010 und in den Streitjahren nahm der Kläger jeweils im Hinblick auf einen gesunkenen Kurswert der Anteile ausgehend von den og. Anschaffungskosten Teilwertabschreibungen vor. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass die Fondsanteile zu den Bilanzstichtagen der Jahre 2010–2012 jeweils den Teilwert bzw. Verkehrswert hatten, mit dem der Kläger sie unter Berücksichtigung der vorgenannten Teilwertabschrei-

68 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Tz. 16b.

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bungen jeweils bewertet hat (Anschaffungskosten abzüglich der Teilwertabschreibungen). Im Zuge einer Außenprüfung wurde die Ansicht vertreten, ein pStAP, der aufgrund der vom Fonds nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g InvStG 2004 mitgeteilten AfA-Beträge beim Anteilseigner gebildet wurde, sei in die Bewertung der Fondsbeteiligung einzubeziehen. Durch die gewinnmindernde Berücksichtigung der „AfA-Beträge“ in der Steuerbilanz des Anteilseigners ändere sich der „steuerliche Buchwert“ der Fondsbeteiligung, da insoweit bereits ein Wertverzehr in Bezug auf die Anteile steuerlich berücksichtigt sei. Bei der Berechnung des steuerlichen Teilwerts sei daher der Handelsbilanzansatz, der generell auf den fortgeführten Anschaffungskosten bzw. dem Rücknahmepreis beruhe, um die gewinnmindernd berücksichtigte AfA bzw. den pStAP in der Steuerbilanz zu korrigieren und ggf. eine entsprechende Teilwertaufholung vorzunehmen. Auf dieser Grundlage – und mit Blick auf weitere, im anhängigen Revisionsverfahren nicht mehr streitige Feststellungen – erließ das FA entsprechende Änderungsbescheide wegen Körperschaftsteuer 2011, gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2011 und den 31.12.2012, Gewerbesteuermessbetrags 2011 und gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2011 und den 31.12.2012. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Das FG gab der Klage zum Streitpunkt „Teilwertabschreibungen Fondsbeteiligung“ statt.

2. Fragestellung Streitig war, ob eine Teilwertabschreibung auf Anteilscheine (Fondsbeteiligung) im Umfang eines sog. passiven steuerlichen Ausgleichspostens, der im Zusammenhang mit diesen Investmentanteilen gebildet wurde, ausgeschlossen ist.

3. Entscheidung Der BFH hat entschieden, dass der pStAP (in der Höhe seines Bestands) die Teilwertabschreibung nicht hindert, und sich dabei von folgenden Erwägungen leiten lassen: Keine Minderung der Anschaffungskosten: Dass die von § 2 Abs. 1 InvStG 2004 nicht erfasste Ausschüttung eines sog. Liquiditätsüberhangs („negativ thesaurierte Erträge“) im Rahmen der betrieblichen Bewertung 310

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der Immobilienfonds-Anteile des Ausschüttungsempfängers nicht zu einer Minderung der Anschaffungskosten führt, vielmehr ein passiver Ausgleichsposten zu bilden ist, der im Zeitpunkt der Rückgabe/Veräußerung der Anteile gewinnerhöhend aufzulösen ist, hat der BFH durch Urteil vom 1.7.202069 (mit umfassenden Nachweisen) entschieden.70 Gegenauffassung: Die Revision ist allerdings der Ansicht, dass der auch nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 18.8.200971 (dort Tz. 16b) zu bildende pStAP den „steuerlichen Buchwert“ der Fondsbeteiligung ändert („Wertverzehr“) und damit zum jeweiligen Bilanzstichtag iSd. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ein „an die Stelle tretender Wert“ (im Verhältnis zur Eingangsbewertung der Anteilscheine mit den Anschaffungskosten) vorhanden sei. In die gleiche Richtung zielt die in der Literatur geäußerte Kritik an der Senatsentscheidung vom 1.7.202072, im Umfang der „negativ thesaurierten Erträge“ lägen beim Anleger „AfA-ähnliche“ (steuerfreie) Absetzungsbeträge vor, die auf der Grundlage einer (investmentrechtlichen) Gleichbehandlung mit einem Direktanleger zu einer (jeweils stichtagsbezogenen) Buchwertänderung führen müssten.73 Bestätigung der Rechtsprechung: Trotz dieser Kritik wird an der og. Auffassung festgehalten. Der BFH hat in der angesprochenen Entscheidung vom 1.7.202074 zwar herausgestellt, dass die Ausschüttung des „Liquiditätsüberhangs“ durch den Fonds (finanziert aus den dortigen laufenden Einnahmen) – ähnlich einer sog. Substanzausschüttung (s. zu dieser § 3a InvStG 2004 idF seit dem Gesetz vom 18.12.201375) – (mindernd) den „inneren Wert“ der Anteile berührt, der bei einer Rückgabe der Anteile in der Höhe des Rückgabewerts besteuerungsrelevant ist. Insoweit ist damit aber nur die insbes. für den betrieblichen Anleger relevante Be69 BFH v. 1.7.2020 – XI R 10/18, BFHE 269, 516 = BStBl. II 2021, 292 = FR 2021, 227 m. Anm. Weber-Grellet. 70 Zustimmend zB Brill, BFH v. 1.7.2020 – XI R 10/18, FR 2021, 227 m. Anm. Weber-Grellet = EStB 2021, 96; Köhler, BB 2021, 240; Köhler, DStRK 2021, 36; Nacke, BFH v. 4.8.2020 – VIII R 13/17, HFR 2021, 174; Reddig in Kirchhof/ Seer, EStG20, § 5 Rz. 238 „Liquiditätsüberhang“; s. auch Treiber, BFH/PR 2021, 141. 71 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931. 72 BFH v. 1.7.2020 – XI R 10/18, BFHE 269, 516 = BStBl. II 2021, 292 = FR 2021, 227 m. Anm. Weber-Grellet. 73 Weber-Grellet, FR 2021, 231 (232). 74 BFH v. 1.7.2020 – XI R 10/18, BFHE 269, 516 = BStBl. II 2021, 292 Rz. 22 = FR 2021, 227 m. Anm. Weber-Grellet. 75 BGBl I 2013, 4318.

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steuerung der Vermögenssubstanz im Augenblick der konkreten (Wert-) Realisierung angesprochen. Auf dieser Grundlage sind entsprechende Ausschüttungen während der Behaltenszeit der Anteile durch den Ansatz eines passiven Ausgleichspostens zu neutralisieren, um im Realisationszeitpunkt (zB der Rückgabe der Anteile) im Zusammenhang mit der Ermittlung des Rückgabegewinns/-verlusts ertragswirksam („Nachversteuerung“) aufgelöst zu werden. PStAP hindert Teilwertabschreibung nicht: In der Konsequenz der systematischen Grundlagen, die der Senat im Urteil vom 1.7.202076 dargelegt hat, liegt es, dass der pStAP (in der Höhe seines Bestands) die Teilwertabschreibung nicht hindert.77 Entgegen der Ansicht der Revision liegt in der Ausschüttung der „negativ thesaurierten Erträge“ kein tragfähiger Grund, von einem – aus der Sicht der Eingangsbewertung der Anteilscheine im Betriebsvermögen des Klägers mit den Anschaffungskosten – abweichenden „an die Stelle tretenden Wert“ auszugehen. Denn eine nachträgliche Minderung der Anschaffungskosten etwa durch eine Kapitalrückzahlung bzw. eine Substanzausschüttung liegt insoweit – wie der BFH in seinem Urteil vom 1.7.202078 ausführlich begründet hat – nicht vor. Der pStAP hat, wie das FG treffend ausgeführt hat, eine „eigenständige und von den Anschaffungskosten losgelöste Bedeutung“. Auf dieser Grundlage stellt der pStAP, der in seinem Bestand nach der Rechtsansicht des FA nicht berührt sein soll („keine Auflösung“), in der Höhe seines Werts auch kein Hindernis für eine Teilwertabschreibung dar; eine (Sach-)Wertminderung als Grundlage der Teilwertabschreibung ist unabhängig von der bis zu einem Realisationsakt aufgeschobenen Besteuerung bereits zugeflossener Einnahmen („Schlussbesteuerung“). Keine Gleichbehandlung mit Direktanleger: Es kommt auch nicht in Betracht, unter dem Gesichtspunkt einer Gleichbehandlung mit einem Direktanleger einen „AfA-ähnlichen“ Betrag bei der Bewertung der Anteilscheine abzusetzen, auch wenn es sich um diejenigen AfA-/AfS-Beträge handelt, die auf der Ebene des Fonds auf die dort gehaltenen Wirtschaftsgüter und vor allem den Gebäudebestand anfallen, jedoch nicht von diesem, sondern vom Anleger als Werbungskosten bzw. Betriebs76 BFH v. 1.7.2020 – XI R 10/18, BFHE 269, 516 = BStBl. II 2021, 292 = FR 2021, 227 m. Anm. Weber-Grellet. 77 GlA Köhler, BB 2021, 240; s. auch Köhler, DStR 2020, 1697 (1703 und 1705). 78 BFH v. 1.7.2020 – XI R 10/18, BFHE 269, 516 = BStBl. II 2021, 292 = FR 2021, 227 m. Anm. Weber-Grellet.

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ausgaben geltend gemacht werden können (s. § 3 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004 für den Ansatz der AfA-/AfS-Beträge als Werbungskosten). Ein solches „Gleichbehandlungsbild“ wird dem Umstand nicht gerecht, dass es sich um zwei verschiedene Besteuerungsebenen und um unterschiedliche Wirtschaftsgüter handelt. Dem FG ist jedenfalls darin beizupflichten, dass die von der Revision favorisierte wertbezogene Relevanz des pStAP noch während der Besitzzeit der Anteilscheine („vorzeitige Erfolgswirksamkeit“) nicht mit der gesetzgeberischen Konzeption des § 3 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004 vereinbar ist, wonach diese Beträge die vom Anleger zu versteuernden laufenden Erträge mindern und eine steuerrechtliche Relevanz erst am Ende der Besitzzeit eintritt.

4. Bemerkungen Der Streitfall betrifft investmentsteuerrechtliche Besonderheiten. Die Entscheidung stellt eine konsequente Fortentwicklung des BFH-Urteils vom 1.7.202079 zur bilanziellen Behandlung sog. negativ thesaurierter Erträge dar.80 Danach führt die von § 2 Abs. 1 InvStG 2004 nicht erfasste Ausschüttung eines sog. Liquiditätsüberhangs im Rahmen der betrieblichen Bewertung der Immobilienfonds-Anteile des Ausschüttungsempfängers nicht zu einer Minderung der Anschaffungskosten; vielmehr ist ein pStAP zu bilden, der im Zeitpunkt der Rückgabe/Veräußerung der Anteile gewinnerhöhend aufzulösen ist. Nunmehr steht fest, dass ein solcher pStAP eine Teilwertabschreibung auf die bilanzierten Anteilscheine nicht sperrt. Das Besprechungsurteil trägt dem – der Fondsbesteuerung bis zum 31.12.2017 zugrunde liegenden – sog. gebrochenen Transparenzprinzip Rechnung: Danach sind die Erträge des Investmentfonds grundsätzlich unmittelbar beim Anleger zu erfassen; hingegen erfolgt im Hinblick auf Änderungen in der Vermögenssphäre betrieblicher Anleger eine intransparente Besteuerung, dh. die allgemeinen Regeln des Bilanzsteuerrechts gelangen zur Anwendung.81 Der Vollständigkeit halber sei auf das neue Investmentsteuerrecht (ab 1.1.2018) verwiesen: Die dargestellte Rspr. des BFH dürfte weiterhin für 79 BFH v. 1.7.2020 – XI R 10/18, BFHE 269, 516 = BStBl. II 2021, 292 = FR 2021, 227 m. Anm. Weber-Grellet; dazu Kanzler, NWB 2020, 3681. 80 Kanzler, NWB 2021, 2496; Bünning, BB 2021, 2034; Haug, FR 2021, 1030; kritisch dagegen Weber-Grellet, FR 2021, 1028 unter Hinweis auf die gebotene Gleichstellung mit dem Direktanleger. 81 Bünning, BB 2021, 2034.

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(transparent besteuerte) Spezial-Investmentfonds („Kapitel 3-Fonds“) von Bedeutung sein, nicht hingegen für Investmentfonds (Kapitel 2-Fonds).82

VI. AfA-Fragen (§ 7 EStG) 1. Kaufpreisaufteilung nach der Arbeitshilfe des BMF a) Leitsätze und Sachverhalt BFH v. 21.7.2020:83 „1. Das FG darf eine vertragliche Kaufpreisaufteilung auf Grund und Gebäude, die die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, nicht durch die unter Verwendung der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Aufteilung ersetzen. 2. Die Arbeitshilfe gewährleistet die von der Rechtsprechung geforderte Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude im Hinblick auf die Verengung der zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren auf das (vereinfachte) Sachwertverfahren und die Nichtberücksichtigung eines sog. Orts- oder Regionalisierungsfaktors bei der Ermittlung des Gebäudewerts nicht. 3. Im Fall einer streitigen Grundstücksbewertung ist das FG in der Regel gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 FGO das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einzuholen, wenn es nicht ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt.“

Sachverhalt: Die Klägerin, eine Grundstücksgemeinschaft, erwarb mit notariellem Vertrag vom 26.4.2017 eine 38,83 qm große Eigentumswohnung in der A-Straße in Z, verbunden mit einem Miteigentumsanteil von 38,577/1.000 an dem Grundstück mit einer Größe von 1.185 qm und dem Sondernutzungsrecht an einem Kellerraum sowie an einem Doppelgaragenplatz. Es handelt sich um eine vermietete Einzimmerwohnung im zweiten Obergeschoss eines im Jahr 1973 fertiggestellten Mehrfamilienhauses. Nach dem Kaufvertrag betrug der Kaufpreis 110.000 t, wovon per 30.4.2017 2.642,05 t auf den Anteil an der Instandhaltungsrücklage entfielen. Zudem enthielt der Kaufvertrag folgende Regelung: „Im Kaufpreis enthalten ist das Entgelt für den anteiligen Wert des Grundstücks, den die Beteiligten nach bestem Wissen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit t 20.000,00 beziffern.“ Die Anschaffungskosten beliefen sich einschließlich Nebenkosten auf 118.002 t.

82 Bünning, BB 2021, 2034; Köhler, BB 2021, 240; Haug, FR 2021, 1030 (1032). 83 BFH v. 21.7.2020 – IX R 26/19, BFHE 270, 133 = FR 2021, 115.

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In ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr 2017 berücksichtigte die Klägerin eine AfA-Bemessungsgrundlage iHv. 96.547,47 t. Dabei legte sie die Kaufpreisaufteilung des notariellen Kaufvertrags zugrunde und berechnete einen Gebäudeanteil von 81,81 % (20.000/110.000). Hingegen ermittelte das FA auf der Grundlage der vom BMF im Internet bereitgestellten „Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)“ einen Gebäudeanteil von 27,03 %. Dem lagen ein Bodenwert von 77.713 t (1.185 qm [Fläche] × 1.700 t/qm [Bodenrichtwert] × 38.577/1.000.000 [Miteigentumsanteil]) sowie ein Gebäudewert von 28.782 t (39 qm [Wohnfläche] × 738 t/qm [typisierte Herstellungskosten – THK -]) zugrunde. Dementsprechend wurden die Anschaffungskosten von 118.002 t aufgeteilt und im Bescheid für 2017 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen iHv. 31.896 t der AfA unterworfen. Dem Einspruch der Klägerin folgte das FA nur insoweit, als es nunmehr einen Gebäudewertanteil von 30,9 % und damit eine AfA-Bemessungsgrundlage von 36.463 t ansetzte, weil es bei der Berechnung des Gebäudeanteils den Tiefgaragenstellplatz außer Acht gelassen hatte. Die dagegen gerichtete Klage wies das FG als unbegründet zurück. b) Fragestellungen Ist das auf der Homepage des BMF bereitgestellte Tool (Arbeitshilfe) eine sachgerechte Methode zur Aufteilung des Kaufpreises auf den Grund und Boden und das Gebäude? c) Entscheidung Der BFH hat der Revision der Klägerin mit folgender Begründung stattgegeben: Die vom FG zu ermittelnden Anschaffungskosten für das Gebäude bilden die Grundlage für die Bestimmung der AfA. Die Vorinstanz ist der kaufvertraglichen Aufteilung des Kaufpreises für die von der Klägerin erworbene Eigentumswohnung auf Grund und Boden sowie Gebäude zwar zutreffend nicht gefolgt. Zu Unrecht hat das FG allerdings die auf der Grundlage der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Kaufpreisaufteilung der AfA-Bemessung zugrunde gelegt. Die Sache ist nicht spruchreif. Zur AfA-Bemessungsgrundlage: Die Höhe der Gebäude-AfA richtet sich nach den Anschaffungskosten für das Gebäude (§ 7 Abs. 4 EStG). Deren Höhe bildet die Grundlage für die Bemessung der AfA. Ihre Ermittlung 315

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obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Dies gilt auch für die Aufteilung der Anschaffungskosten von Gebäude einerseits und dazugehörendem Grund und Boden andererseits. Aufteilung im Kaufvertrag: Wurde eine Kaufpreisaufteilung im Kaufvertrag vorgenommen, sind diese vereinbarten und bezahlten Anschaffungskosten grundsätzlich auch der Besteuerung zugrunde zu legen. Wenngleich dem Käufer im Hinblick auf seine AfA-Berechtigung typischerweise an einem höheren Anschaffungswert des Gebäudes gelegen ist und die entsprechende Aufteilungsvereinbarung -zugunsten des Verkäufers – ggf. Einfluss auf eine für ihn positive sonstige Vertragsgestaltung haben kann, rechtfertigt dies grundsätzlich noch keine abweichende Verteilung. Vereinbarungen der Vertragsparteien über Einzelpreise für Einzelwirtschaftsgüter binden allerdings nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, der Kaufpreis sei nur zum Schein bestimmt worden oder die Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs iSv. § 42 AO seien gegeben. Grenze: Auch mit einer nach allgemeinen Grundsätzen der Besteuerung zugrunde zu legenden Vereinbarung können die Parteien jedoch angesichts der gebotenen Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nicht die Höhe der Steuer des Käufers – konkret seiner AfA – gestalten. Deshalb hat das FG im Rahmen der Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage im Einzelfall zu prüfen, ob nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung bestehen. Es darf sich nicht darauf beschränken, die vertragliche Aufteilung steuerrechtlich nachzuvollziehen, sondern hat das Ergebnis durch weitere Umstände, insbes. die objektiv am Markt erzielbaren Preise oder Verkehrswerte zu verifizieren.84 Diskrepanz zu den Bodenrichtwerten als Indiz: Eine wesentliche Diskrepanz zu den Bodenrichtwerten rechtfertigt es nicht ohne Weiteres, diese an die Stelle der vereinbarten Werte zu setzen oder die auf Grund und Gebäude entfallenden Anschaffungskosten zu schätzen. Es handelt sich lediglich um ein Indiz dafür, dass die vertragliche Aufteilung möglicherweise die Werte nicht angemessen wiedergibt. Ein solches Indiz kann durch andere Indizien entkräftet werden. Das FG hat die Gesamtumstände des Kaufobjekts aufzuklären und dahingehend zu würdigen, ob besondere Aspekte die Abweichung nachvollziehbar erscheinen lassen. Eine Korrektur der von den Parteien getroffenen Aufteilung des Anschaffungspreises auf Grund und Gebäude ist lediglich geboten, wenn 84 Vgl. BFH v. 4.12.2008 – IX B 149/08, BFH/NV 2009, 365.

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sie die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint. Das FG hat im Rahmen seiner Gesamtwürdigung einen gewissen Bewertungsspielraum. Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze der finanzgerichtlichen Sachverhaltsfeststellung und Sachverhaltswürdigung. Dabei kommt eine Bindung an etwaige Schätzungen des FA nicht in Betracht. Aufteilung nach den realen Verkehrswerten: Kann nach diesen Grundsätzen eine vereinbarte Kaufpreisaufteilung nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden, hat sie das FG entsprechend seiner Gesamtwürdigung der Verhältnisse durch eine Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude zu ersetzen. Dabei hat das FG die Frage, nach welchem Wertermittlungsverfahren die Kaufpreisaufteilung vorzunehmen ist, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Rückgriff auf die ImmoWertV: Bei der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises sind zunächst Boden- und Gebäudewert gesondert zu ermitteln und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile in Anschaffungskosten für den Grund- und Bodenanteil und den Gebäudeanteil aufzuteilen. Für die Schätzung des Werts des Grund- und Boden- sowie des Gebäudeanteils kann die ImmoWertV herangezogen werden, denn sie enthält anerkannte Grundsätze für die Schätzung von Verkehrswerten von Grundstücken. Danach ist der Verkehrswert mit Hilfe des Vergleichswertverfahrens (einschließlich des Verfahrens zur Bodenwertermittlung), des Ertragswertverfahrens, des Sachwertverfahrens oder mehrerer dieser Verfahren zu ermitteln (§ 8 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV). Die Verfahren sind nach der Art des Wertermittlungsobjekts unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls, insbes. der zur Verfügung stehenden Daten, zu wählen; die Wahl ist zu begründen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV). Welches dieser Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist, ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Dabei stehen die Wertermittlungsverfahren einander gleichwertig gegenüber. Die Ermittlung der Verkehrswerte ist Teil der Sachverhaltsfeststellung des FG, die für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend ist. Der BFH hat aber zu prüfen, ob das FG bei seiner Wertermittlung die zutreffende Methode angewandt hat. Im Streitfall: Die Vorinstanz hat die zuvor dargestellten Rechtssätze zur Bindungswirkung einer vertraglichen Kaufpreisaufteilung nur im Ansatz beachtet und auf den Streitfall angewandt. Es ist insoweit revisions317

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rechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG nennenswerte Zweifel an der kaufvertraglichen Kaufpreisaufteilung – unter Würdigung der konkreten Wertverhältnisse des Kaufobjekts – bejaht hat. Da die vertragliche Kaufpreisaufteilung die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar ist, durfte das FA eine eigene Aufteilung vornehmen. Zweifel an der vertraglichen Aufteilung bestätigt: Zutreffend sind das FA und die Vorinstanz davon ausgegangen, dass nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung des Kaufpreises für die Eigentumswohnung bestehen. Diese ergeben sich bereits aus der erheblichen Abweichung zwischen dem im Kaufvertrag ausgewiesenen Kaufpreis für den Grund und Boden (20.000 t) und dem Bodenrichtwert (77.713 t). Der vereinbarte Kaufpreisanteil unterschreitet den Bodenrichtwert um rund 75 % und damit – ungeachtet der von der Vorinstanz aufgeworfenen Frage, welcher Grad der Abweichung noch als unerheblich angesehen werden kann85 – mehr als nur geringfügig. Zwar handelt es sich bei einer Diskrepanz zum Bodenrichtwert nur um ein widerlegbares Indiz. Die Würdigung der Vorinstanz, die Klägerin habe dieses Indiz nicht durch andere Indizien entkräftet, ist jedoch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Besondere Aspekte, die die vertragliche Kaufpreisaufteilung nachvollziehbar erscheinen lassen, hat das FG nicht feststellen können. Da die vertragliche Kaufpreisaufteilung die realen Wertverhältnisse somit in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, waren das FA und das FG zu einer eigenen Aufteilung berechtigt. Kein Rückgriff auf Arbeitshilfe: Allerdings durfte das FG die vertragliche Kaufpreisaufteilung jedenfalls im Streitfall nicht durch die mit Hilfe der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Aufteilung ersetzen. Die Arbeitshilfe gewährleistet die von der Rspr. geforderte Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude hier nicht. Dies folgt daraus, dass sie die zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren auf das (vereinfachte) Sachwertverfahren verengt und der Kaufpreisaufteilung unzulässige Parameter zugrunde legt. Die Schätzung des FG (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO iVm. § 162 AO) kann daher keinen Bestand haben. Keine Bindungswirkung: Die Arbeitshilfe hat für die Beteiligten und das FG keine Bindungswirkung. Es handelt sich weder um eine Rechtsnorm 85 Vgl. dazu Kohlhaas, Stbg. 2016, 460 (462), der ein Unterschreiten bis zu 10 % als geringfügig ansieht; ebenso Thür. FG v. 20.2.2008 – III 740/05, EFG 2008, 1140, nachfolgend BFH v. 26.8.2008 – IX B 63/08, juris.

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noch um eine die Finanzbehörden bindende Verwaltungsanweisung, sondern – prozessrechtlich – lediglich um Parteivortrag des FA. Sofern die Arbeitshilfe in der Praxis der FinVerw. de facto als bindend für den Stpfl. behandelt wird, besteht hierfür keine Rechtsgrundlage. Verengung der Bewertungsverfahren: Die Arbeitshilfe genügt nicht den Anforderungen der höchstrichterlichen Rspr. an die Methodenwahl und durfte daher nicht zugrunde gelegt werden. Sie setzt auf die SW-RL sowie die NHK 2010 (Anlage 1 zur SW-RL) auf und greift damit stets und allein auf das Sachwertverfahren zurück; es handelt sich mithin um ein vereinfachtes Sachwertverfahren. Wenngleich der BFH bei vermieteten Eigentumswohnungen im Privatvermögen – jedenfalls in der Vergangenheit – regelmäßig eine Kaufpreisaufteilung unter Anwendung des Sachwertverfahrens für angezeigt gehalten hat,86 widerspricht die Arbeitshilfe schon im Ausgangspunkt der zuvor dargelegten Gleichwertigkeit der zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren, da nicht im Einzelfall beurteilt werden kann, welches Wertermittlungsverfahren nach den tatsächlichen Gegebenheiten angezeigt erscheint. Der BFH hat stets betont, dass nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden ist, welches Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist, so dass sich die Wahl der Ermittlungsmethode einer Verallgemeinerung entzieht und jedenfalls nicht auf ein Wertermittlungsverfahren beschränkt werden kann.87 Eine Verplausibilisierung der Ergebnisse der Arbeitshilfe mittels weiterer Wertermittlungsverfahren, etwa nach Maßgabe des in der Praxis der Immobilienbewertung weitverbreiteten Ertragswertverfahrens, ist ebenfalls nicht vorgesehen. Darüber hinaus fehlt im Einzelfall auch die Begründung für die Methodenwahl. Fehlende Berücksichtigung eines Orts- oder Regionalisierungsfaktors: Des Weiteren weist die Arbeitshilfe einen systemischen Fehler auf, indem bei der Ermittlung des Gebäudewerts (NHK) kein sog. Orts- oder Regionalisierungsfaktor berücksichtigt wird. Die Kostenkennwerte der NHK 2010 sind Bundesmittelwerte. Bei Anwendung der Arbeitshilfe ergeben sich bei gleich großen Gebäuden desselben Typs und derselben Baujahreskategorie modellbedingt bundesweit stets dieselben, lediglich 86 Vgl. zuletzt BFH v. 29.10.2019 – IX R 38/17, BFHE 267, 18 = BStBl. II 2021, 202 Rz. 43 = FR 2022, 361 = GmbHR 2020, 1029; v. 29.10.2019 – IX R 39/17, BFH/NV2020, 681 Rz. 41. 87 Vgl. nur BFH v. 27.6.1995 – IX R 130/90, BFHE 178, 151 = BStBl. II 1996, 215 = FR 1996, 215, unter 1.b, Rz. 15; v. 2.2.1990 – III R 173/86, BFHE 159, 505 = BStBl. II 1990, 497 = FR 1990, 337, unter I.2.c, Rz. 29.

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alterswertgeminderten Gebäudekosten. In Hochpreisgebieten können die tatsächlichen Baukosten aber zum Teil erheblich über den Kostenkennwerten liegen. Die fehlende Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten bei der Ermittlung des Gebäudewerts führt gerade in Großstädten mit hohen Bodenrichtwerten – wie im Streitfall – zu einem überproportionalen Anteil des Grund und Bodens und damit zu mitunter sehr niedrigen Gebäudebewertungen. Dies betrifft hochwertige Objekte und (sanierte) Altbauten in besonderem Maße. Hierin liegt ein systemischer Fehler der Arbeitshilfe, der zu einer tendenziell zu hohen Bewertung des Grund und Bodens führt. Damit geht einher, dass der nach Maßgabe der Arbeitshilfe ermittelte Gebäudewert nur bedingt einen Marktbezug aufweist: Obschon sich der Bodenwert nach den vom örtlich zuständigen Gutachterausschuss festgesetzten Bodenrichtwerten bestimmt und damit die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt iSv. § 8 Abs. 2 Nr. 1 ImmoWertV berücksichtigt (Marktanpassung), gelangt auf der anderen Seite ein nicht marktgerechter Gebäudewert auf der Basis von THK zum Ansatz. Bodenwerte und Herstellungskosten lassen sich aber nicht unmittelbar ins Verhältnis setzen. Die NHK 2010 sind reine Modellwerte; der Marktbezug wird erst durch den Sachwertfaktor hergestellt, den die Arbeitshilfe aber gerade außer Acht lässt. Zwar weist die FinVerw. in der Anleitung zur Arbeitshilfe darauf hin, dass auf eine Marktanpassung der (vorläufigen) Sachwerte verzichtet wurde, „da sich diese im gleichen Verhältnis auf den Grund und Boden einerseits sowie das Gebäude andererseits auswirkt. Die Summe der ermittelten Einzelwerte (vorläufigen Sachwerte) weist ohne Marktanpassung nicht den Verkehrswert aus“. Allerdings wird bei der Ermittlung des Bodenwerts der erforderliche Marktbezug – wie zuvor dargestellt – durchaus gewährleistet. Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein Mangel in der Bewertungssystematik der Arbeitshilfe, der angesichts der äußerst dynamischen Entwicklung des Immobilienmarkts in den vergangenen Jahren noch verschärft wird. Diesem Defizit kommt umso größere Bedeutung zu, als die der Gebäudewertermittlung unterlegte Datenstruktur auf der Grundlage der NHK 2010 das „Herzstück“ der Arbeitshilfe darstellt. Damit wird den Vorgaben des § 194 BauGB, der die Einbeziehung der Marktbegebenheiten in die Verkehrswertermittlung für das gesamte bebaute Grundstück verlangt, nicht genügt. Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens: Die Vorinstanz hat die „Verzerrungen“, die sich aus einem überproportionalen Anstieg der 320

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Baupreise in Ballungsgebieten (wie im Streitfall) – ohne entsprechendem Niederschlag in der Arbeitshilfe – ergeben, ebenfalls erkannt. Mangels genauer Zahlen zur Baupreisentwicklung im betreffenden Bundesland hat sie ein korrigierendes Eingreifen in die Arbeitshilfe indes für nicht möglich gehalten. Mit dieser Erwägung lässt sich das Schätzungsergebnis der FinVerw. jedoch nicht aufrechterhalten. Vielmehr muss der Gebäudeanteil regelmäßig durch das Gutachten eines unabhängigen vereidigten Sachverständigen ermittelt werden. Das BMF verweist in diesem Zusammenhang zu Unrecht darauf, dass der Index für Bauleistungspreise des Statistikamts X denjenigen des Statistischen Bundesamts seit 2015 nur geringfügig übersteige. Zwar mag aus der angesprochenen Statistik hervorgehen, dass sich die Entwicklung der Baupreise im betreffenden Bundesland nicht wesentlich von der Entwicklung der Baupreise im gesamten Bundesgebiet unterscheidet. Dadurch werden die oben beschriebenen Defizite in der Bewertungssystematik aber nicht ausgeräumt. Zurückverweisung des Rechtsstreits: Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat im zweiten Rechtsgang die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zum Wert des Grund- und Boden- sowie des Gebäudeanteils nachzuholen. Es ist im vorliegenden Fall einer streitigen Grundstücksbewertung idR gehalten, das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einzuholen; hiervon kann es nur dann absehen, wenn es ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt. Ein Gutachten des Bausachverständigen der FinVerw. ist im finanzgerichtlichen Verfahren hingegen als Privatgutachten zu behandeln. Ein solches kann vom FG seiner Entscheidung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn keiner der Beteiligten substantiierte Einwendungen gegen die Richtigkeit erhebt. d) Bemerkungen Die Entscheidung des BFH war mit Spannung erwartet worden. Mit dem Urteil hat der BFH die verbreitete Kritik an der Arbeitshilfe des BMF aufgegriffen. Ihr kommt erhebliche Breitenwirkung zu, handelt es sich bei der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises auf Grund und Boden sowie Gebäude für Zwecke der AfA-Bemessung doch um ein „steuerliches Alltagsproblem“.

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Vor dem Hintergrund der BFH-Judikatur sind die FG im Fall einer streitigen Kaufpreisaufteilung gezwungen, das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einzuholen, sofern sie nicht ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügen. Die Übernahme des Ergebnisses der Arbeitshilfe des BMF scheidet jedenfalls aus. Das BMF hat schnell reagiert und am 10.5.2021 eine aktualisierte Version der Arbeitshilfe online gestellt. Dabei hat es die Kritikpunkte der Verengung der zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren auf das Sachwertverfahren und der fehlenden Möglichkeit der Berücksichtigung eines Regionalfaktors aufgegriffen: Die aktualisierte Arbeitshilfe fragt Daten zu sämtlichen Bewertungsverfahren ab. Zudem kann nunmehr im Rahmen des Sachwertverfahrens ein vom örtlichen Gutachterausschuss festgelegter Regionalfaktor berücksichtigt werden. Inwieweit dies ausreicht, bleibt abzuwarten. Klar dürfte sein, dass die FÄ das Ergebnis der Arbeitshilfe nicht (mehr) als – jedenfalls faktisch – bindend behandeln und begründeten Einwendungen des Stpfl. nachgehen sollten. Diese können mit einem Sachverständigengutachten oder jedenfalls einer gutachterlichen Stellungnahme unterfüttert werden, wenngleich dies naturgemäß mit weiteren Kosten verbunden ist. Die FÄ ihrerseits haben die Möglichkeit, den amtlichen Bausachverständigen einzuschalten. Zudem sollten die Beteiligten in streitig bleibenden Fällen stets über den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung nachdenken.

2. Doppelabschreibung a) Leitsatz und Sachverhalt BFH v. 28.4.2020:88 „Bestandskräftig zu Unrecht als sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand geltend gemachte Anschaffungskosten führen zu einer Minderung des AfA-Volumens und stehen insoweit einer Weiterführung der AfA entgegen.“

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine GbR, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Unter dem 29.12.2008 erwarb sie für eines ihrer Vermietungsobjekte Klimageräte zum Kaufpreis von 42.455,35 t netto. Die Klägerin zahlte den Kaufpreis am 13.1.2009. Sie nahm sodann die Klimageräte in ein Anlagenverzeichnis auf und verteilte die Netto88 BFH v. 28.4.2020 – IX R 14/19, BFHE 269, 28 = BStBl. II 2020, 545 = FR 2022, 468.

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Anschaffungskosten im Wege der AfA über einen Zeitraum von zehn Jahren. In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für den VZ 2008 machte die Klägerin einen Absetzungsbetrag pro rata temporis iHv. 354 t als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend; für die Folgejahre ergab sich ein Absetzungsbetrag iHv. jeweils 4.246 t. Diesen Betrag machte die Klägerin auch in ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für den VZ 2009 als Werbungskosten geltend; daneben berücksichtigte sie die Netto-Anschaffungskosten in voller Höhe als sofort abziehbare Werbungskosten (Erhaltungsaufwand). Das FA erließ einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2009, in dem sowohl ein Werbungskostenabzug in Höhe der vollen Netto-Anschaffungskosten als auch die entsprechende AfA für die Klimageräte gewährt wurden. Anlässlich einer Betriebsprüfung wurde die doppelte Berücksichtigung der Anschaffungskosten für die Klimageräte zwar aufgegriffen, eine Änderung unterblieb jedoch. Der Bescheid für 2009 kann aufgrund von Festsetzungsverjährung nicht mehr geändert werden. In ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr 2012 berücksichtigte die Klägerin wiederum einen AfA-Betrag iHv. 4.246 t, den das FA zunächst antragsgemäß gewährte. In einem gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Feststellungsbescheid erhöhte das FA die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung im Streitjahr um 42.455 t. Zugleich wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Der von der Klägerin hiergegen eingelegte Einspruch hatte insoweit Erfolg, als das FA die Erhöhung der Einkünfte um 42.455 t rückgängig machte; gleichzeitig wurde die bisher in den Einkünften enthaltene AfA für die Klimageräte gestrichen. Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. b) Fragestellung Können Anschaffungskosten – zutreffend – im Wege der AfA abgeschrieben werden, obschon der Aufwand in einem früheren VZ – unzutreffend – bereits sofort abgezogen worden ist?

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c) Entscheidung Der BFH hat diese Frage verneint und die Revision der Klägerin mit folgender Argumentation als unbegründet zurückgewiesen: Zur Bemessung der AfA: Bemessungsgrundlage der AfA bilden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des maßgeblichen Wirtschaftsguts (§ 7 Abs. 1 Satz 1 EStG). Anschaffungskosten sind gem. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Diese handelsrechtliche Definition ist auch für den steuerlichen Begriff der Anschaffungskosten maßgebend. Die Bemessungsgrundlage wird über den AfA-Zeitraum verteilt. AfA-Volumen: In welchem Maße AfA von der Bemessungsgrundlage vorgenommen werden kann, richtet sich nach dem AfA-Volumen. Das AfA-Volumen ist nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG durch die Bemessungsgrundlage der Höhe nach begrenzt; auch eine zu Unrecht überhöht vorgenommene AfA führt nicht dazu, dass sich das AfA-Volumen erhöht. Dieser Grundsatz ergibt sich schon aus der Regelung in § 7 Abs. 4 EStG, wonach in Abweichung von § 7 Abs. 1 EStG bei Gebäuden grundsätzlich der Abzug bestimmter prozentualer Beträge der Anschaffungs- oder Herstellungskosten nur bis zu deren voller Absetzung vorzunehmen ist. In Ausprägung dieses Grundsatzes regelt auch § 7a Abs. 9 EStG, dass bei Vornahme einer Sonder-AfA für ein Wirtschaftsgut die Restwert-AfA bei Gebäuden nach Ablauf des Begünstigungszeitraums nach dem gem. § 7 Abs. 4 EStG unter Berücksichtigung der Restnutzungsdauer maßgebenden Prozentsatz zu bemessen ist. Bei anderen Wirtschaftsgütern bestimmt sich die AfA nach dem Restwert und der Restnutzungsdauer. Der gesetzliche Begriff des Restwerts verdeutlicht, dass AfA-Volumen verbraucht und eine weitere AfA nicht zulässig ist, soweit die Bemessungsgrundlage bereits abgesetzt worden ist. Damit wird gewährleistet, dass die Bemessungsgrundlage nur einmalig Berücksichtigung findet. Die Berechtigung zur AfA endet mithin, wenn die Bemessungsgrundlage vollständig abgesetzt und dadurch das AfA-Volumen vollständig verbraucht wurde. Im Streitfall: Daran gemessen konnte die Klägerin im Streitjahr keine AfA für die Klimageräte beanspruchen. Bei dem durch die Klägerin gezahlten Kaufpreis für die Klimageräte iHv. 42.455,35 t netto handelt es sich um Anschaffungskosten. Diese bilden die Bemessungsgrundlage 324

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der AfA und die Obergrenze des AfA-Volumens. Durch die Geltendmachung der AfA im VZ 2008 (iHv. 354 t) sowie im VZ 2009 (iHv. 4.246 t) und die gleichzeitige Berücksichtigung der vollständigen Netto-Anschaffungskosten als sofort abziehbare Werbungskosten (Erhaltungsaufwand) im VZ 2009 hat die Klägerin ihr AfA-Volumen für die Klimageräte vollständig verbraucht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Anschaffungskosten entsprechend § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG jährlich abgesetzt oder irrtümlich als sofort abziehbare Werbungskosten (Erhaltungsaufwand) behandelt werden. Denn die Berücksichtigung von Werbungskosten bei der Einkünfteermittlung nach § 9 EStG ist Ausdruck des objektiven Nettoprinzips. Vor diesem Hintergrund bezweckt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 iVm. § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG, den als Werbungskosten zu berücksichtigenden Anschaffungs- oder Herstellungsaufwand des Stpfl. typisierend periodengerecht zu verteilen. Dies stellt eine Abweichung von dem in § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG enthaltenen Grundsatz dar, dass sich der mit einer Einkunftsart zusammenhängende Aufwand grundsätzlich schon im Zeitpunkt der Leistung überschussmindernd auswirkt. Leistungsfähigkeitsprinzip: Einer Verteilung ist allerdings nur der Aufwand zugänglich, der tatsächlich angefallen und vom Stpfl. getragen worden ist sowie seine individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemindert hat. Ist ein Wirtschaftsgut in der Vergangenheit bereits komplett abgesetzt und mithin der mit seiner Anschaffung oder Herstellung einhergehende Aufwand vollumfänglich steuermindernd berücksichtigt worden, kommt eine weitere AfA nicht mehr in Betracht. Denn Aufwand, der die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nur einmal gemindert hat, kann auch nur einmal steuerliche Berücksichtigung finden. Die lediglich auf Kostenverteilung und damit in zeitlicher Sicht wirkende Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG kann in diesem Zusammenhang nicht dazu führen, dass durch den Stpfl. mehr Aufwand geltend gemacht wird, als er tatsächlich wirtschaftlich getragen hat. Durch die vollständige steuerliche Berücksichtigung der Anschaffungskosten im VZ 2009 als sofort abziehbare Werbungskosten (Erhaltungsaufwand) ist die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die Anschaffung der Klimageräte einkommensteuerrechtlich voll berücksichtigt worden. Ein weiteres AfA-Volumen ist danach nicht verblieben. Eine zusätzliche, die Anschaffungskosten übersteigende AfA für die Klimageräte ist nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht möglich.

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d) Bemerkungen Fehler bei der Vornahme der AfA können korrigiert werden. Dies gilt insbes. für eine fehlerhafte Schätzung der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts, die Nachholung unterbliebener AfA, die Korrektur überhöhter AfA und Fälle einer fehlerhaften Bemessungsgrundlage.89 Der Streitfall ähnelt dem Fall einer überhöhten AfA.90 Den diskutierten Fallgruppen ist allerdings gemein, dass die AfA in unzutreffender Höhe vorgenommen worden ist und nunmehr in zutreffender Höhe zum Ansatz gebracht werden soll. Hingegen bestand im Streitfall die Besonderheit, dass die Stpfl. die AfA im Streitjahr ebenso wie in den Vorjahren – jedenfalls isoliert betrachtet – in zutreffender Höhe vorgenommen hatte. Kann der weiteren Abschreibung des Wirtschaftsguts – wie bei der überhöhten AfA – entgegengehalten werden, dass die betreffenden Aufwendungen bereits (im Wege des Sofortabzugs) berücksichtigt worden sind? Der BFH hat diese Frage bejaht und eine Möglichkeit zur „systemübergreifenden“ Korrektur angenommen. Dabei hat er maßgeblich auf den Grundsatz abgestellt, dass das AfA-Volumen nur einmal abgeschrieben werden kann. Dem Umstand, dass der Verbrauch des AfA-Volumens im Wege des Sofortabzugs und nicht pro rata temporis im Wege der AfA erfolgt ist, hat er hingegen keine maßgebende Bedeutung beigemessen. Auf diese Weise wird der fehlerhafte Sofortabzug mit dem AfA-System verknüpft und eine Berichtigung des unzutreffenden Sofortabzugs von Anschaffungsaufwand im Wege der AfA-Korrektur („auf null“) zugelassen. Damit hat der BFH Neuland betreten. Nach diesem Verständnis steht der aus dem Nettoprinzip abgeleitete Grundsatz der „Gesamtrichtigkeit des Werbungskostenabzugs“ über dem Verfahrensrecht. Die Lösung des BFH wirft damit die Frage auf, wie zu entscheiden ist, wenn der fehlerhafte Sofortabzug noch korrigiert werden kann. Dann müsste der BFH wohl zu dem Ergebnis kommen, dass der Fehler dort korrigiert werden muss, wo er entstanden ist.91

89 Vgl. im Einzelnen Graw in BeckOK EStG, § 7 Rz. 227 ff.; Kulosa in Schmidt, EStG40, § 7 Rz. 8 ff. 90 Siehe BFH v. 21.11.2013 – IX R 12/13, BStBl. II 2014, 563 = FR 2014, 699 m. Anm. Bode. 91 Vgl. Ratschow, BFH/PR 2020, 324 (325).

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VII. Investitionsabzugsbetrag (§ 7g EStG) – Nachweis der fast ausschließlich betrieblichen Nutzung eines PKW 1. Leitsatz und Sachverhalt BFH v. 15.7.2020:92 „Ein Steuerpflichtiger kann die Anteile der betrieblichen und der außerbetrieblichen Nutzung eines PKW, für den er den Investitionsabzugsbetrag und die Sonderabschreibung nach § 7g EStG in Anspruch genommen hat, nicht nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch, sondern auch durch andere Beweismittel nachweisen.“

Sachverhalt: Die Kläger wurden als Ehegatten im Streitjahr 2014 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Versicherungsvertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er hatte im Jahr 2011 einen Investitionsabzugsbetrag für die Anschaffung eines PKW iHv. 15.200 t (40 % der voraussichtlichen Anschaffungskosten von 38.000 t) gebildet und am 2.9.2014 einen PKW C für 27.881 t (netto) angeschafft, dessen Bruttolistenpreis bei 33.390 t lag. In der Einkommensteuererklärung für 2014 (Streitjahr) gaben die Kläger nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb iHv. 34.902 t an. Dabei hatte der Kläger die Entnahmen durch die private Kfz.-Nutzung mit Hilfe der sog. Fahrtenbuchmethode bewertet und den für die Anschaffung eines PKW gebildeten Investitionsabzugsbetrag iHv. 11.152,40 t auf den PKW C übertragen. Das FA setzte die Einkommensteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß fest. Nach einer Außenprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die vom Kläger vorgelegten Fahrtenbücher nicht ordnungsgemäß geführt und daher nicht anzuerkennen seien. Sie setzte für die private Nutzung des PKW C einen Betrag von 1.332 t (1 % × 4 Monate × 33.300 t) an und versagte die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbetrag sowie die Sonderabschreibung. Sie berücksichtigte lediglich eine AfA iHv. 1.548,94 t (1/6 von 27.881 t × 4/12). Das FA schloss sich der Auffassung der Prüferin an und erließ einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2014. Der Einspruch der Kläger blieb insoweit ohne Erfolg. Mit der Klage verfolgten die Kläger das Ziel, bei der Gewinnermittlung für den PKW C eine gewinnerhöhende Hinzurechnung von 11.152,40 t, eine gewinnmindernde Herabsetzung der Anschaffungskosten iHv. 92 BFH v. 15.7.2020 – III R 62/19, BFHE 271, 71 = FR 2021, 547 m. Anm. Wendt.

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11.152,40 t, eine Sonderabschreibung iHv. 3.345 t und eine AfA von 930,60 t (statt 1.548,94 t) zu berücksichtigen sowie die Entnahme für die private Nutzung dieses PKW anhand der Fahrtenbuchmethode mit 1.445,62 t (8,45 % der Aufwendungen für den PKW) statt mit 1.332 t zu bewerten. Das FG wies die Klage als unbegründet ab.

2. Fragestellung Es stellte sich die Frage, wie bei der Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags nach § 7g Abs. 2 EStG idF des AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013 und der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG der Nachweis für die ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung eines PKW zu führen ist.

3. Entscheidung Der BFH hat der Revision der Kläger stattgegeben und den Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen – mit folgender Begründung: Zwar hat das FG zu Recht das Fahrtenbuch verworfen und die den PKW C betreffende Nutzungswertentnahme gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nach der 1 %-Regelung bewertet. Entgegen der Auffassung des FG ist aber der Umfang einer nahezu ausschließlichen betrieblichen Nutzung von Kfz. im Anwendungsbereich des § 7g EStG nicht nur mittels ordnungsgemäßer Fahrtenbücher nachzuweisen. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, da das FG – von seinem rechtlichen Standpunkt aus zu Recht – keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die private Nutzung des PKW C im Streitjahr bzw. im Folgejahr einen Anteil von 10 % oder mehr erreicht hat und ob der Betrieb des Klägers Ende 2013 die in § 7g Abs. 6 Nr. 1 iVm. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG normierten Größenmerkmale nicht überschritten hat. Anforderungen an das Fahrtenbuch: Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs iSv. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Aus dem Wortlaut und aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt, dass die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Dazu gehört auch, dass das Fahrtenbuch zeitnah und in ge328

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schlossener Form geführt worden ist, um so nachträgliche Einfügungen oder Änderungen auszuschließen oder als solche erkennbar zu machen. Hierfür hat das Fahrtenbuch neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner bzw. – wenn ein solcher nicht vorhanden ist – den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung aufzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch reichen allenfalls dann aus, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind. Außerdem muss es die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergeben.93 Die Aufzeichnungen müssen Angaben zu den geschäftlichen Reisen enthalten, anhand derer sich die berufliche Veranlassung der Fahrten plausibel nachvollziehen und ggf. auch nachprüfen lässt. Die genannten Angaben müssen sich in hinreichend übersichtlicher und geordneter Form regelmäßig schon dem Fahrtenbuch selbst entnehmen lassen und dadurch eine stichprobenartige Überprüfung ermöglichen. Das schließt es nicht aus, im Fahrtenbuch ggf. auch Abkürzungen für bestimmte, häufiger aufgesuchte Fahrtziele und Kunden oder für einzelne regelmäßig wiederkehrende Reisezwecke zu verwenden, solange die gebrauchten Kürzel entweder aus sich heraus verständlich oder zB auf einem dem Fahrtenbuch beigefügten Erläuterungsblatt näher aufgeschlüsselt sind und der geschlossene Charakter der Fahrtenbuchaufzeichnungen dadurch nicht beeinträchtigt wird.94 Im Streitfall: Das FG ist von der vorstehend wiedergegebenen Rspr. des BFH ausgegangen und aufgrund einer umfassenden Würdigung des den PKW C betreffenden Fahrtenbuchs zu dem Ergebnis gelangt, dass die vorgelegten Aufzeichnungen zahlreiche unzureichende Eintragungen in Gestalt von weder aus sich selbst heraus verständlichen noch im Fahrtenbuch erläuterten Abkürzungen sowie ungenau angegebenen Fahrtzwecken enthalten, so dass sie insgesamt nicht mehr als ordnungsgemäßes Fahrtenbuch anzusehen sind. Diese vom FG aufgrund der Gesamtwürdigung der Aufzeichnungen vorgenommene Schlussfolgerung ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denk93 BFH v. 1.3.2012 – VI R 33/10, BFHE 236, 497 = BStBl. II 2012, 505 Rz. 12 = FR 2012, 1085. 94 BFH v. 16.3.2006 – VI R 87/04, BFHE 212, 546 = BStBl. II 2006, 625 = FR 2006, 595 m. Anm. Bergkemper.

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fehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst. Sie ist daher für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Bedeutung für § 7g EStG: Gemäß § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung können die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Wj. der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts um bis zu 40 %, höchstens um den nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG hinzugerechneten Betrag, gewinnmindernd herabgesetzt werden, so dass sich dadurch die Bemessungsgrundlagen ua. für die AfA und für Sonderabschreibungen entsprechend verringern. Außerdem können nach § 7g Abs. 5 EStG bei abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Jahr der Anschaffung und Herstellung und in den vier folgenden Jahren neben den AfA nach § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG Sonderabschreibungen von bis zu insgesamt 20 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden, sofern das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden Wj. in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Stpfl. ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird und die betriebsbezogenen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 7g Abs. 6 EStG). Nutzung von mindestens 90 %: Wird das Wirtschaftsgut in den Fällen des § 7g Abs. 2 EStG nicht entsprechend genutzt, sind gem. § 7g Abs. 4 EStG der Abzug des Investitionsabzugsbetrags, die Herabsetzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Verringerung der Bemessungsgrundlage und die Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 EStG rückgängig zu machen. Gleiches gilt gem. § 7g Abs. 6 Nr. 2 iVm. Abs. 4 EStG für die in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen, wenn das Wirtschaftsgut nicht im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden Wj. ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird. Sowohl bei der Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags gem. § 7g Abs. 1–4 EStG als auch bei der Sonderabschreibung gem. § 7g Abs. 5 EStG ist eine betriebliche Nutzung von mindestens 90 % erforderlich. Zum Nachweis der Nutzung: Der Nachweis einer nahezu ausschließlichen betrieblichen Nutzung eines PKW iSd. § 7g EStG kann nicht nur durch ordnungsgemäße Fahrtenbücher geführt werden. Keine ausdrückliche Regelung: Die Frage, wie die Anteile der betrieblichen und der außerbetrieblichen Nutzung des Wirtschaftsguts nachzuweisen sind, ist in § 7g EStG nicht ausdrücklich geregelt. Geklärt ist, dass der Nachweis einer ausschließlichen betrieblichen Nutzung eines 330

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PKW jedenfalls nicht anhand der 1 %-Regelung geführt werden kann, da ein Durchschnittswert iHv. monatlich 1 % des abgerundeten Bruttolistenpreises in etwa einem Anteil der Privatnutzung von 20–25 % entspricht.95 Der XI. Senat führte in dieser Entscheidung weiter aus, dass der Umfang der Nutzung aus tatsächlichen Gründen im Regelfall durch das Führen und die Vorlage eines Fahrtenbuchs nachgewiesen werden könne, ließ aber dahin stehen, auf welche andere Weise die tatsächliche Nutzung eines PKW belegt werden kann. Die Entscheidung vom 26.11.200996 betraf dagegen lediglich die Frage, wie die künftig beabsichtigte fast ausschließliche betriebliche Nutzung eines noch anzuschaffenden Kfz. schlüssig und plausibel darzulegen ist. Der VIII. Senat hielt den Vortrag für ausreichend, der Nachweis über die Nutzung werde anhand geeigneter Aufzeichnungen im Jahr der Anschaffung und im Folgejahr erbracht, obwohl für ein bereits genutztes Fahrzeug die 1 %-Regelung Anwendung fand. Er legte dieses Vorbringen dahingehend aus, dass die Antragstellerin die Nutzung des noch anzuschaffenden Fahrzeugs durch ein Fahrtenbuch dokumentieren werde. Ob der Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung auch auf andere Weise als durch das Fahrtenbuch geführt werden kann, war nicht Gegenstand der Entscheidung. Meinungsstreit: In der Literatur werden zu dieser Frage unterschiedliche Auffassungen vertreten.97 Die FinVerw. vertritt zur Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags die Auffassung, dass der Umfang der betrieblichen Nutzung im maßgebenden Nutzungszeitraum vom Stpfl. anhand geeigneter Unterlagen darzulegen sei, im Fall des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG durch das ordnungsgemäße Fahrtenbuch. Bei Anwendung der sog. 1 %-Regelung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) sei grundsätzlich von einer schädlichen Privatnutzung auszugehen.98

95 BFH v. 3.1.2006 – XI B 106/05, BFH/NV 2006, 1264, unter 2. 96 BFH v. 26.11.2009 – VIII B 190/09, BFHE 226, 541 = BStBl. II 2013, 946 = FR 2010, 398. 97 Vgl. nur Meyer in HHR, EStG/KStG, § 7g EStG Rz. 24 einerseits und Brandis in Brandis/Heuermann, § 7g EStG Rz. 45 andererseits. 98 BMF v. 8.5.2009 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002 – DOK 2009/0294464, BStBl. I 2009, 633, zu Zweifelsfragen zum Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1–4 und 7 EStG idF des UntStRG 2008 v. 14.8.2007; ebenso nachfolgend BMF v. 20.11.2013 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002 – DOK 2013/1044077, BStBl. I 2013, 1493; v. 20.3.2017 – IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02 – DOK 2017/0202664, BStBl. I 2017, 423.

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Nachweis nicht auf Fahrtenbuch beschränkt: Nach Auffassung des erkennenden Senats ist der Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung eines PKW nicht auf ordnungsgemäße Fahrtenbücher beschränkt. Er kann – entsprechend den für die Aufklärung des Sachverhalts geltenden allgemeinen Grundsätze – auch durch andere Beweismittel geführt werden. Amtsermittlung: Grundsätzlich ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie hat dabei alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (§ 88 Abs. 1 AO). Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden (§ 88 Abs. 2 Satz 1 AO). Zugleich sind die Beteiligten zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie haben die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen und die ihnen bekannten Beweismittel anzugeben. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (§ 90 Abs. 1 AO). Entsprechendes gilt im finanzgerichtlichen Verfahren. Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen ohne Bindung an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten. Es hat die Beteiligten bei der Sachverhaltsaufklärung heranzuziehen. Diese haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären (§ 76 Abs. 1 FGO). Das FG entscheidet sodann nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 FGO). Nach der Rspr. des BFH ist die dem Stpfl. im Rahmen der Sachverhaltsermittlung durch Finanzbehörde oder FG zumutbare Mitwirkungspflicht ua. dann gesteigert, wenn die steuerrechtliche Würdigung des Sachverhalts die Abgrenzung privater und betrieblicher Aufwendungen erfordert. Dabei hat der Stpfl. durch die Anführung von Tatsachen den Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Betrieb darzutun und auf Verlangen entsprechende Nachweise (Unterlagen) vorzulegen.99 Keine Einschränkungen: Einschränkungen dieser Verpflichtungen können sich aus den Einzelsteuergesetzen ergeben. Eine solche Beschrän99 BFH v. 4.7.1990 – GrS 2-3/88, BFH v. 4.7.1990 – GrS 2/88, GrS 3/88, BFHE 161, 290 = BStBl. II 1990, 817 = FR 1990, 708 unter C.II.5.h aa; v. 18.8.2010 – X B 178/09, BFH/NV 2010, 2010 Rz. 7.

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kung der Beweismittel auf Belege einerseits und ordnungsgemäße Fahrtenbücher andererseits regelt § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG. Nach dieser Vorschrift kann die private Nutzung abweichend von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG mit den auf Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kfz. insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG regelt indessen nur die Bewertung der Entnahmen. Dabei stellt die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG enthaltene sog. 1 %-Regelung als typisierender Ansatz der privaten Nutzungsentnahme bei Kfz. lediglich einen Berechnungsmodus dar. Dieser gilt über die Verweisung des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG auch bei der Bewertung der Vorteile aus der privaten Nutzung betrieblicher Kfz. In beiden Fällen finden sich parallel ausgestaltete Ausnahmevorschriften, die bei der Verwendung der sog. Fahrtenbuchmethode den Ansatz der tatsächlich auf die privaten Fahrten entfallenden Aufwendungen anstelle der 1 %-Regelung erlauben. § 7g EStG regelt dagegen die steuerliche Begünstigung der Investitionstätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen durch die Vorverlagerung von Abschreibungspotenzial.100 Gefördert werden – unter näher bestimmten Voraussetzungen – abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, nicht lediglich Kfz. Im Ergebnis unterscheiden sich damit die Regelungsgegenstände des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG und des § 7g EStG grundlegend voneinander, obwohl die Vorschriften im gleichen Abschnitt (II. Einkommen) und Unterabschnitt (3. Gewinn) des EStG enthalten sind. Sie sind – anders als § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG und § 8 Abs. 2 EStG – nicht durch eine Verweisungsnorm miteinander verknüpft. Telos: Der Sinn und Zweck der Regelungen verlangt nicht, den in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG vorgegebenen Weg zum Nachweis der privaten Nutzung von Kfz. auf die in § 7g EStG geregelten Sachverhalte zu übertragen. Die Sätze 2 und 3 des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG stellen Ausnahmen von den allgemeinen Bewertungsregeln dar. Es handelt sich jedoch nicht um Regelungen, die umfassend sämtliche Fälle der Bewertung der privaten Nutzung betrieblicher Fahrzeuge erfassen, denn sie betreffen lediglich die zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Kfz. Bei Kfz. im gewillkürten Betriebsvermögen ist der auf die private Nutzung entfallende

100 Entwurf eines UntStRG 2008, BTDrucks 16/4841, 32 und 52.

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Aufwand (tatsächliche Selbstkosten) anzusetzen,101 wobei der Stpfl. – nach dem Willen des Gesetzgebers – den Nutzungsanteil im Rahmen allgemeiner Darlegungs- und Beweislastregelungen nachzuweisen hat, ohne dass die Führung eines Fahrtenbuchs zwingend erforderlich ist. Dementsprechend kann etwa auch bei der Abgrenzung von Privatvermögen und gewillkürtem Betriebsvermögen anhand der Geringfügigkeitsgrenze die mindestens 10%ige betriebliche Nutzung nicht allein durch das Fahrtenbuch, sondern auch durch andere – zeitnah geführte – Aufzeichnungen belegt werden.102 Gleiches gilt für weitere Formen der Fahrzeugnutzung wie etwa die Nutzung eines zum notwendigen Betriebsvermögen gehörenden Fahrzeugs zu anderen betriebsfremden Zwecken im Fall der Erzielung anderweitiger außerbetrieblicher Einkünfte. Auch diese wird nicht durch die 1 %-Regelung erfasst; sie ist mit den tatsächlichen Selbstkosten zu bewerten.103 Schließlich bemisst sich der Wert verdeckter Gewinnausschüttungen in Form von PKW-Nutzungen auf der Ebene der Kapitalgesellschaft nicht nach der 1 %-Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, sondern nach Fremdvergleichsmaßstäben idR mit dem gemeinen Wert der Nutzungsüberlassung.104 Auch wenn Praktikabilitätserwägungen für die Auffassung der FinVerw. sprechen mögen, so stellt die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG geregelte Fahrtenbuchmethode, die an die 1 %-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG anknüpft, nach dem Vorstehenden keine zu verallgemeinernde Vorschrift zum Nachweis der Anteile der privaten und der betrieblichen Nutzung von Kfz. dar. Ohne ausdrückliche gesetzliche Verweisung kommt eine Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG im Rahmen des § 7g EStG daher nicht in Betracht. Zurückverweisung an das FG: Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung ist daher aufzuheben. Das FG wird im zweiten Rechtsgang im Rahmen der freien Beweiswürdigung 101 BFH v. 9.11.2017 – III R 20/16, BFHE 260, 113 = BStBl. II 2018, 278 Rz. 13 = FR 2019, 487 und 14. 102 BFH v. 21.8.2012 – VIII R 12/11, juris Rz. 21; noch offen gelassen in BFH v. 1.3.2001 – IV R 27/00, BFHE 195, 200 = BStBl. II 2001, 403 = FR 2001, 587 m. Anm. Kanzler, unter 3. 103 BFH v. 26.4.2006 – X R 35/05, BFHE 214, 61 = BStBl. II 2007, 445 = FR 2007, 299. 104 BFH v. 23.2.2005 – I R 70/04, BFHE 209, 252 = BStBl. II 2005, 882 = FR 2005, 890 m. Anm. Pezzer = GmbHR 2005, 775 m. Anm. Hoffmann, unter II.3.b; v. 23.1.2008 – I R 8/06, BFHE 220, 276 = BStBl. II 2012, 260 = FR 2008, 963 m. Anm. Pezzer = GmbHR 2008, 601 = ZIP 2008, 1116, unter II.3.

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gem. § 96 Abs. 1 FGO zu prüfen haben, ob ihm die Beweise eine hinreichend sichere Überzeugung dafür vermitteln, dass der Kläger den PKW C zu mindestens 90 % betrieblich genutzt hat. Dem Kläger ist nicht verwehrt, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1 AO ergänzend zu den Aufzeichnungen in den Fahrtenbüchern weitere Belege vorzulegen, um für die Zwecke des § 7g EStG die betriebliche Veranlassung der aufgezeichneten Fahrten und damit die fast ausschließliche betriebliche Nutzung des PKW zu dokumentieren.

4. Bemerkungen Das Erfordernis (fast) ausschließlicher betrieblicher Nutzung (mindestens 90 %105) schließt gemischtgenutzte PKW regelmäßig von der Förderung nach § 7g EStG aus; dies gilt für den Investitionsabzugsbetrag und die Sonderabschreibung gleichermaßen.106 Allerdings enthält das Gesetz keine Vorgabe, wie diese Nutzungsintensität nachzuweisen ist. Daher hat der BFH der Fokussierung der FinVerw. auf das Fahrtenbuch zu Recht eine Absage erteilt. Auch ein nicht ordnungsgemäßes Fahrtenbuch kann daher unter Zuhilfenahme weiterer Hilfsmittel ggf. zum Nachweis (fast) ausschließlicher betrieblicher Nutzung ausreichen.107 Entsprechendes soll für ein „leicht defizitäres“ Fahrtenbuch gelten.108 Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber die Hinweise des BFH aufgreifen und auf die Judikatur reagieren wird. Durch einen Verweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG könnte er das Erfordernis eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs auch für Zwecke des § 7g EStG festschreiben.109

VIII. Fazit Prinz110 hat in seinem letztjährigen Beitrag auf dem Fachkongress konstatiert, dass die Rspr. um die Sichtbarmachung von Orientierungspunkten im Bilanzsteuerecht und um gerechte Falllösungen bemüht ist. Dies kann man nur unterstreichen. Auch im vergangenen Jahr hat der BFH versucht, „einige Pflöcke einzuschlagen“. Das Echo ist – das liegt wohl in der Natur der Sache – mitunter geteilt. Es bleibt abzuwarten, wie sich 105 106 107 108 109 110

Vgl. dagegen Referentenentwurf zum JStG 2020: mehr als 50 %. BFH v. 14.8.2019 – I R 44/17, ZIP 2020, 1708 = FR 2021, 551. BFH v. 14.8.2019 – I R 44/17, ZIP 2020, 1708 = FR 2021, 551. Reddig, jurisPR-SteuerR 23/2021 Anm. 1. Vgl. Reddig, jurisPR-SteuerR 23/2021 Anm. 1. Prinz, StbJb. 2020/2021, 379.

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Graw, Rechtsprechungs-Highlights zum Bilanzsteuerrecht

die (höchstrichterliche) Judikatur zum Bilanzsteuerrecht im folgenden Jahr weiterentwickeln wird. Eines steht fest: Spannende bilanzsteuerrechtliche Fragestellungen harren einer Klärung durch den BFH.

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Wechselkurse und Währungsabsicherung in Steuerbilanz und Ertragsteuerrecht Dr. Anett Albrecht Regierungsdirektorin, Berlin Prof. Dr. Heribert M. Anzinger Ulm1 I. Einführung II. Begriffliche, wirtschaftliche und bilanzielle Grundlagen 1. Währung und Wechselkurse a) Währung b) Wechselkurse 2. Wechselkursschwankungen, Währungsrisiken und Währungsabsicherung 3. Handelsrechtliche Grundsätze der bilanziellen Darstellung von Fremdwährungsgeschäften a) Umrechnungsgebot (§ 244 HGB) b) Zugangs- und Folgebewertung (§ 256a HGB) aa) Regelungsprogramm des § 256a HGB bb) Zugangsbewertung cc) Folgebewertung c) Besonderheiten der Fremdwährungsumrechnung bei Kreditinstituten (§ 340h HGB) d) Maßgeblichkeit für die Steuerbilanz

III. Bewertung 1. Fremdwährungsforderungen a) Zugangsbewertung in der Handelsbilanz b) Folgebewertung in der Handelsbilanz c) Zugangs- und Folgebewertung in der Handels- und Steuerbilanz 2. Fremdwährungsverbindlichkeiten a) Allgemein b) Rechtsprechungsentwicklung des BFH c) Keine korrespondierende Beurteilung von Aktienund Wechselkursen d) Herangehensweise der Finanzverwaltung IV. Währungsabsicherungen 1. Bildung von Bewertungseinheiten im Handelsrecht a) Gesetzliche Verankerung in § 254 HGB aa) Arten von Bewertungseinheiten

1 Anett Albrecht ist Regierungsdirektorin im Bilanzsteuerreferat des BMF in Berlin. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung der Autorin wieder und ist nicht in ihrer Eigenschaft als Regierungsdirektorin verfasst. Heribert Anzinger ist Universitätsprofessor für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität Ulm.

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Albrecht/Anzinger, Wechselkurse und Währungsabsicherung bb) Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 254 HGB cc) Bilanzielle Folgen aus der Anwendung des § 254 HGB b) Bilanzierungsmethoden bei Bewertungseinheiten c) Pflicht zur Bildung von Bewertungseinheiten? 2. Bildung von Bewertungseinheiten in der Steuerbilanz a) Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz b) Der Begriff der finanzwirtschaftlichen Risiken

c) FG Köln v. 24.1.2019 – 12 K 2605/15 3. Beendigung von Bewertungseinheiten 4. Einzelfälle a) FG Rhld.-Pf. v. 31.7.2019 – 1 K 2470/16 b) FG Berlin-Brandenb v. 8.1.2019 – 6 K 6242/17 c) BFH v. 10.4.2019 – I R 20/16 d) Exkurs: § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG und Währungskursverluste V. Kryptowährungen

I. Einführung Gemessen an der Relation der Im- und Exporte zum Bruttoinlandsprodukt ist Deutschland die offenste Volkswirtschaft aller G7-Staaten.2 Und es sind nicht nur die großen, multinationalen Unternehmen, die grenzüberschreitenden Handel vertiefen. Moderne Kommunikationsmittel, „das Internet“, und der Abbau tatsächlicher und rechtlicher Hürden für den grenzüberschreitenden Warenhandel und für grenzüberschreitende Dienstleistungen senken Eintrittsschwellen in ausländische Märkte auch für mittelgroße und kleine Unternehmen. Mit der globalen Marktintegration einer immer stärker transnational agierenden Wirtschaft im Widerspruch stehen die weiter und wieder stärker national zergliederten Währungsräume. Selbst in der europäischen Union ist der Durchbruch zu einer einheitlichen Währung nicht gelungen. Die Eurozone besteht nach dem jüngsten, mehr als fünf Jahre zurückliegenden Beitritt Litauens weiter nur aus 19 der 27 EU-Mitgliedstaaten. Wichtige Handelspartner, Großbritannien, die Schweiz, USA, Japan und China sind nicht Teil eines gemeinsamen Währungsraums. Die Wechselkursstatistik der Deutschen Bundesbank umfasst Anfang des Jahres

2 BMWI, Fakten zum Deutschen Außenhandel, 2021, S. 1.

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2022 über 190 Währungen.3 Hinzu tritt das Phänomen der noch einzuordnenden alternativen Währungen,4 allen voran Kryptowährungen, wie der Bitcoin. Selbst zu den wichtigsten und traditionellen Außenhandelspartnern schwanken die Währungswerte unvorhersehbar und mitunter erheblich. Ein jüngstes, prominentes Beispiel bildet die Türkische Lira.5 Davor war etwa der Schweizer Franken aus deutscher Sicht mit erheblichen Kursschwankungen verbunden.6 Grenzüberschreitend aktive Unternehmen stellt dies vor die Herausforderung der Währungsabsicherung. Im Bilanzsteuerrecht stellt sich die Frage nach dem Umgang mit Wechselkursschwankungen, insbes. bei der Abbildung und der Periodenzuordnung von Währungsverlusten und Währungsgewinnen im Rahmen der Bewertung, aber auch bei der Berücksichtigung von wirtschaftlichen Einheiten zur Währungsabsicherung. Im Folgenden sollen zunächst die begrifflichen und bilanziellen Grundlagen in Erinnerung gerufen (II.) und sodann den Bewertungsfragen, fokussiert auf Fremdwährungsforderungen und Fremdwährungsverbindlichkeiten, vertieft nachgegangen werden (III.). Darauf aufbauend widmet sich der Beitrag den Grund- und Einzelfragen der Bilanzierung von Währungsabsicherungsgeschäften (IV.) und schließt mit einem Ausblick auf die mit der Bilanzierung von Kryptowährungen zukünftig verbundenen Fragen (V.).

3 Deutsche Bundesbank, Wechselkursstatistik (Stand 17.1.2022), abrufbar unter https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/themen/bundesbank-statistik-stellt-de visenkurse-fuer-192-laender-zur-verfuegung-832702. 4 Dazu Kube/Reimer (Hrsg.), Alternative Währungen: Herausforderungen des Finanz- und Steuerrechts mit Beiträgen von mit Beiträgen von Heribert Anzinger, Gianluigi Bizioli, Sebastian Omlor, Reimar Pinkernell, Jürgen Schaaf, Frank Schäffler und Bettina Spilker, 2020. 5 Börsen Zeitung, Nr. 6 v. 11.1.2022, S. 13: „Türkische Lira im perfekten Sturm“. 6 F.A.Z., Nr. 185 v. 11.8.2011, S. 17 „Höhenflug des Schweizer Franken“ und F.A.Z., Nr. 93, v. 21.4.2018, S. 29 „Wen stört die Abwertung des Frankens?“; Hölscher, DStR 2015, 1401; Zwirner/Petersen, DB 2015, 631.

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II. Begriffliche, wirtschaftliche und bilanzielle Grundlagen 1. Währung und Wechselkurse a) Währung Neue technische und wirtschaftliche Phänomene geben Gelegenheit zur Reflexion traditioneller Begriffskonzepte. Nicht zuletzt die rechtspolitische Diskussion um die rechtliche Einordnung, die Regulierung und die Bilanzierung von Kryptowährungen gibt Anlass zur Auseinandersetzung mit dem Begriff der Währung. Nach einem überzeugenden Verständnis ist der Währungsbegriff zweifach belegt.7 Er kennzeichnet einerseits, konkret, den sachlichen Anwendungsbereich des staatlichen Währungsrechts in einer Geld- oder Währungsverfassung. Währung iS dieser Begriffsfunktion ist danach, was als Währung staatlich konstituiert und reguliert ist.8 Darunter fällt der Euro, dessen Emission und Verwendung, übernommen von den Souveränitätsrechten der EU-Mitgliedstaaten, nach Art. 128 Abs. 1 und Art. 133 AEUV ausschließlich die Europäische Zentralbank sowie Rat und EU-Parlament gestalten. Andererseits kennzeichnet der Währungsbegriff in seiner zweiten Funktion, abstrakt-generell, eine ideelle Einheit, etwa „den Euro“ oder „den US-Dollar“ und beschreibt damit als Bezugsobjekt eine Recheneinheit, die durch eine Währungsverfassung konstituiert und reguliert wird. Damit unterscheidet sich der normative Währungsbegriff, ebenso wie der konkret auf den staatlichen Annahmezwang verengte Geldbegriff,9 vom funktionalen Geldbegriff. Geld ist, was faktisch im Wirtschaftsverkehr als Universaltauschmittel eingesetzt wird, was eine Wertmaßfunktion wahrnimmt und was als Wertspeicher fungiert.10 Nicht jeder Staat muss eine eigene Währung konstituieren und regulieren. Die Geldfunktion können in einem Staatsgebiet auch fremde Währungen übernehmen. In einzelnen Staaten beschränkt sich die Wäh7 Omlor, ZHR 183 (2019), 294 (307); Schmidt in Kirchhof/Isensee (Hrsg.), Hdb. d. Staatsrechts3, § 117 Rz. 3. 8 Herrmann, Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte, 2010, 73 f. 9 Omlor, JZ 2017, 754 (759). 10 Omlor in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2021, Vorbemerkungen zu §§ 244–248 Rz. A66 f.

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rungsverfassung auf eine solche Fremdwährungsübernahme. Den Euro als Fremdwährung haben etwa die souveränen Staaten Vatikanstadt, San Marino, Andorra und Monaco innerstaatlich anerkannt.11 Das führt mit den jüngsten Entwicklungen in dem mittelamerikanischen Staat El Salvador12 zu der Frage, ob auch Kryptowährungen, den Währungs- und den Geldbegriff erfüllen können.13 Ein gesetzlich vorgeschriebener Annahmezwang lässt kaum Zweifel an der Funktion von Bitcoin als Universaltauschmittel zu und kann auch seine Wertmaßfunktion begründen. Man mag darüber streiten, ob Bitcoin angesichts ihrer hohen Volatilität ein zweckmäßiger Wertspeicher sind, wird aber kaum darüber hinweggehen können, dass sie faktisch als solche, mitunter unvernünftig, verwendet werden. Daher erscheint zumindest vertretbar, Bitcoin sowohl mit dem konkreten als auch mit dem funktionalen Geldbegriff gegenwärtig in El Salvador, wegen des dort gesetzlich geregelten, freilich dort auf das technisch Mögliche eingeschränkten, Annahmezwangs, als Geld zu qualifizieren. Eine andere Frage ist es, ob aus dem staatlichen Annahmezwang, wie bei einer Fremdwährungsübernahme, bereits eine staatliche Legitimation folgt, die Bitcoin in El Salvador als Währung und in allen anderen Staaten als Fremdwährung qualifiziert. Setzt man für den Währungsbegriff einen staatlich legitimierten und regulierten Emittenten voraus, muss man das verneinen. Erkennt man in der staatlichen Souveränität aber auch die Freiheit, auf einen solchen Emittenten zu verzichten, kommt man nicht umhin, auch Bitcoin als Währung zu qualifizieren, solange sie ein Staat als solche staatlich anerkennt. b) Wechselkurse Der Begriff des Wechselkurses bezeichnet das Austauschverhältnis zwischen zwei Währungen. Dieses Austauschverhältnis lässt sich in zwei Richtungen darstellen. In der Preisnotierung gibt der Wechselkurs an, wie viele Einheiten einer inländischen Währung für eine Einheit der ausländischen Währung eingetauscht werden müssen. Die Mengennotierung gibt an, wie viele Einheiten der ausländischen Währung dem Wert einer Einheit der inländischen Währung entsprechen. In der Euro11 Exemplarisch: Währungsvereinbarung zwischen der Europäischen Union und dem Staat Vatikanstadt v. 17.12.2009, Revision der Währungsvereinbarung v. 29.12.2000, ABl. EU C 28/13 v. 4.2.2010. 12 Instruktiv: F.A.Z. Nr. 21 v. 26.1.2022, S. 3 „Surfen auf der Bitcoin-Welle“. 13 Anzinger in Kube/Reimer (Hrsg.), Alternative Währungen, 2020, 13 (20).

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zone hat sich die Mengennotierung durchgesetzt.14 Gegenständlich können sich Wechselkurse auf Devisen und auf Sorten beziehen. Während mit Devisen ausländische Forderungen und Verbindlichkeiten, also Buchgeld, gekennzeichnet wird, bezieht sich der Begriff der Sorte auf amtlich gehandeltes Bargeld. Ein weiteres Differenzierungsmerkmal bildet der Marktbezug mit dem auf den Beschaffungs- oder den Absatzmarkt bezogenen Begriffspaar Geldkurs und Briefkurs. Der Geldkurs (englisch Bid) beschreibt in der Mengennotierung die Anzahl an Fremdwährungseinheiten, die man für eine Einheit der inländischen Währung erhält. Beim Briefkurs (englisch Offer) ist es umgekehrt, er bezeichnet die Anzahl an Fremdwährungseinheiten, die man anbieten muss, um eine Einheit der inländischen Währung zu erhalten. Die Differenz ist die Geld-BriefSpanne und der Mittelkurs das arithmetische Mittel.15 Zeitpunktbezogen kennzeichnet der Kassakurs den Wechselkurs bei Geschäftsabschluss und gegenseitiger Erfüllung innerhalb von zwei Börsentagen, während dem Terminkurs ein weiter in der Zukunft liegender Erfüllungszeitpunkt zugrunde liegt. Zu- und Abschläge im Terminkurs gegenüber dem Kassakurs speisen sich aus Zinssatzdifferenzen, Marktentwicklungen, der Notenbankpolitik und subjektiven Erwartungen und sind mit den Begriffen „Deport“ oder „Discount“ bzw. „Report“ oder „Premium“ gekennzeichnet.16 Nicht auf das Geschäft, sondern den Bewertungszeitpunkt weisen der Stichtagskurs (zB Bilanzstichtag) der historische Kurs (zB Transaktionszeitpunkt) und Durchschnittskurse, die auf den Monat, das Quartal oder das Jahr bezogen sein können und regelmäßig in den Wechselkurszeitreihen der Europäischen Zentralbank, der Deutschen Bundesbank und des Deutschen Bankenverbands veröffentlicht werden. Wechselkurse müssen nicht immer einheitlich ausgewiesen werden. Sie können, durch staatliche Einflussnahme, transaktionsartbezogen aufgespalten werden und auf diese Weise in speziellen amtlichen Wechselkursen für Importgeschäfte, Exportgeschäfte oder Finanzgeschäfte münden.17 Wechselkurse können sich in einem freien Markt, als Gleich14 Deutsche Bundesbank, Geld und Geldpolitik, 2019, 198 f. 15 Deutsche Bundesbank, Vorbemerkungen zur Devisenkursstatistik v. 12.5.2020, abrufbar unter https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/themen/ bundesbank-statistik-stellt-devisenkurse-fuer-192-laender-zur-verfuegung832702. 16 Deubert/Meyer in HdJ I/17, Rz. 21 f. (Feb. 2019). 17 Deubert/Meyer in HdJ I/17, Rz. 25 (Feb. 2019).

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gewichtspreis von Angebot und Nachfrage bilden, sie müssen es aber nicht, sondern können durch ein Währungsamt, ein Currency Board oder eine Zentralbank staatlich vorgegeben oder gebunden werden. Anknüpfungspunkte für eine solche Bindung können Gold (Goldstandard), ein Währungskorb oder eine Fremdwährung sein.18 Eine solche Fremdwährungsbindung vollzog die Schweizerische Nationalbank im September 2011 durch ihre Ankündigung, einen Mindestkurs des CHF zum Euro von 1,20 Euro zu gewährleisten, und gab sie im Januar 2015 wieder auf.19 Bilden sich Kurse am freien Markt parallel an mehreren Börsenplätzen, können die Kurse lokal unterschiedlich sein. Dann ist der maßgebliche Börsenplatz zu bestimmen.

2. Wechselkursschwankungen, Währungsrisiken und Währungsabsicherung Wechselkursschwankungen können ihre Ursachen in einer Änderung der Devisennachfrage und des Devisenangebots durch den Waren- und Dienstleistungshandel haben. Der Exportumfang korreliert mit der Devisennachfrage, der Importumfang mit dem Devisenangebot. Daraus erklärt sich der Abwertungsdruck auf eine Währung aus einem Leistungsbilanzdefizit. Wechselkursschwankungen können sich aber auch aus Marktzinssatzdifferenzen ergeben, die Auswirkungen auf den Kapitalimport und -export haben. Und schließlich beeinflussen die Zentralbankpolitik und andere politische und wirtschaftliche Ereignisse die Wechselkurse. Exemplarisch für die Wirkung der Zentralbankpolitik und wirtschaftlicher Faktoren sind die beobachteten Effekte im Wechselkurs des Euro zur Türkischen Lira. Im Oktober 2021 senkte die Zentralbank den Leitzins von 18 % auf 16 % trotz steigender Inflation.20 Der Kurs der türkischen Lira sank, von 11 Türkische Lira für 1 Euro im Oktober 2021, bis auf 18: 1 Mitte Dezember 2021 und stabilisierte sich dann wieder bei 15: 1 bis Ende Dezember 2021. Noch im Herbst 2017 lag der Kurs bei 4: 1.

18 Über die Entwicklung der internationalen Wechselkurssysteme und die Aufgabe der Goldbindung E. Reimer in Kirchhof/Isensee (Hrsg.), Hdb. d. Staatsrechts3, § 250 Rz. 13 ff. 19 F.A.Z. Nr. 209 v. 8.9.2011, S. 19; F.A.Z. Nr. 14 v. 17.1.2015, S. 29 „Franken bringt Devisenhändler in Bedrängnis“. 20 Börsen Zeitung, Nr. 6 v. 11.1.2022, S. 13: „Türkische Lira im perfekten Sturm“.

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Für den unternehmerischen Erfolg ergeben sich aus solchen Wechselkursschwankungen Währungsrisiken in drei Dimensionen.21 In geschäftlichen Transaktionen selbst führen Wechselkursänderungen zu Wertänderungen von Leistung und Gegenleistung. Der Ertrag aus dem Verkauf von Waren, für die der Kaufpreis in einer Fremdwährung vereinbart ist, steigt und fällt mit dem Wechselkurs. Von diesem Transaktionsrisiko zu unterscheiden ist das Umrechnungs-(Translations-)risiko in der Darstellung der Finanz-, Vermögens- und Ertragslage in Bilanz und GuV, das sich aus geänderten Umrechnungswerten ergibt.22 Schließlich verbindet sich mit Wechselkursschwankungen auch ein Wettbewerbsrisiko für die Unternehmen. Die Preisauswirkungen von Wechselkursänderungen beeinflussen zum einen die Wettbewerbsposition inländischer Anbieter, zum anderen aber auch indirekt das Angebot und die Nachfrage. Um sich gegen diese Währungsrisiken abzusichern, stehen Unternehmen unterschiedliche Instrumente zur Verfügung. Die einfachste Form der Absicherung besteht darin, bereits bei Vereinbarung der Leistung und der Gegenleistung eine geeignete Währung zu wählen. Das muss nicht immer die Heimatwährung sein, sondern kann auch eine Währung sein, in der die wesentlichen Vorleistungen bezogen werden. Eine nachfolgende Ebene der Währungsabsicherung bilden Devisenkassageschäfte, also der zeitgleich mit eingegangenen Zahlungsverpflichtungen in einer Fremdwährung korrespondierende Erwerb dieser Fremdwährungen, der in fortentwickelter Form auch für mehrere Geschäfte gemeinsam (Pooling) stattfinden und bei gegenläufigen Geschäften durch Verrechnung (Netting) liquiditätsschonender ausgestaltet werden kann. Weiter in Betracht kommen Devisentermingeschäfte und Devisenoptionen, die entweder durch Kursfixierung eine vollständige Neutralisation von Wechselkursänderungen oder eine beschränkte Risikoabsicherung bei fortbestehender moderater Beteiligung an der Kursentwicklung bewirken können. Mit Eventualtermingeschäften und Termingeschäften mit Schwellenwerten lassen sich schließlich der Absicherungsumfang und die Chancen und Risiken aus Wechselkursänderungen beliebig ausgestalten.23 21 Instruktiv Borstell/Hülster, Typen von Wechselkursrisiken, in Vögele/ Borstell/Bernhardt, Verrechnungspreise2, Kap. M Rz. 152 ff. 22 VCI, Ermittlung der Auswirkungen von Wechselkursänderungen auf Unternehmen, 1984. 23 Über die verschiedenen am Markt angebotenen „Instrumente zur Währungsabsicherung“ informieren marktnah die großen Geschäftsbanken auf ihren öffentlichen Internetseiten.

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3. Handelsrechtliche Grundsätze der bilanziellen Darstellung von Fremdwährungsgeschäften a) Umrechnungsgebot (§ 244 HGB) Im handelsrechtlichen Jahresabschluss bildet gem. § 244 HGB die Währung des Euro die einzig zulässige Rechengröße. Mit dem Gebot, den Jahresabschluss in Euro aufzustellen, ist das Nominalwertprinzip zwar nicht gesetzlich geregelt,24 aber verbunden. Es blendet inflationsbedingte Wertänderungen aus. Das bedeutet, dass Nominalwertgewinne ausschüttungsfähig und, übertragen auf die Steuerbilanz, im Realisationszeitpunkt auch steuerpflichtig sind, ohne notwendig mit Realwertgewinnen verbunden zu sein. Deutlich werden Nominalwertänderungen ohne Realwertänderung insbes. in Wechselkursänderungen. An rechtspolitischen Vorschlägen zur Abkehr vom Nominalwertprinzip mangelt es nicht, etwa einer Folgebewertung zu Wiederbeschaffungswerten.25 Im Gesetz haben sie keinen Niederschlag gefunden. Bereits aus § 244 HGB folgt ein Umrechnungsgebot beim Zugang von Aktiv- oder Passivposten in einer Fremdwährung und bei der Folgebewertung zu jedem Stichtag. Bei Wechselkursänderungen zum Folgebewertungszeitpunkt können sich Umrechnungsdifferenzen ergeben, die erfolgswirksam sind. Dann sind sie nach § 277 Abs. 5 Satz 2 HGB gesondert auszuweisen und nur darauf bezogen, kann sich die Frage stellen, ob auch unterjährige Effekte aus der Währungsumrechnung auszuweisen sind.26 Einen Umrechnungsanlass bilden Wechselkursänderungen bei allen Bilanzposten mit unmittelbarem Fremdwährungsbezug. Dazu zählen Fremdwährungssorten im Kassenbestand, Fremdwährungsbankguthaben und -wertpapiere, Fremdwährungsforderungen und -verbindlichkeiten und auch geleistete und erhaltene Anzahlungen auf Fremdwährungsgeschäfte sowie Rechnungsabgrenzungsposten. Anzupassen sind bei Wechselkursänderungen auch Bilanzposten mit mittelbarem Fremdwährungsbezug. Das sind Vermögensgegenstände und Schulden, deren Bewertung durch Fremdwährungswertveränderungen beeinflusst werden, zB. Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen in einer Fremdwährung. Auch gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten fallen darunter, wenn sich ihr Wert aus 24 ADS6, § 244 HGB Rz. 7; Schüppen in HKMS2, § 244 HGB Rz. 19. 25 Pöschke in Staub, Großkommentar HGB6, § 244 Rz. 10. 26 Dazu Farwick, StuB 2021, 58 (59).

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den zukünftigen Erträgen in einer Fremdwährung ableitet. Das gleiche gilt für den Geschäfts- und Firmenwert. b) Zugangs- und Folgebewertung (§ 256a HGB) aa) Regelungsprogramm des § 256a HGB Das nach § 244 HGB dem Grunde nach bereits bestehende Umrechnungsgebot wird durch die mit dem BilMoG eingefügte Vorschrift des § 256a Satz 1 HGB für die Folgebewertung von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten nochmals konkretisiert. Ihr Regelungsinhalt entspricht der bereits zuvor anerkannten Bilanzierungspraxis27 und damit den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Unmittelbar regelt sie nur die Folgebewertung am Bilanzstichtag. Im Anwendungsbereich der Vorschrift ist zu diesem Zeitpunkt zum Devisenkassamittelkurs umzurechnen. Satz 1 regelt iVm. § 244 HGB nur die Umrechnung und damit einen ersten Schritt der Folgebewertung. In einem zweiten Schritt der Bewertung ist dem Imparitätsprinzip Rechnung zu tragen und es ist nach § 253 Abs. 3 und 4 HGB mit der Bewertungsobergrenze der Anschaffungs- und Herstellungskosten nach § 253 Abs. 1 HGB der Stichtagswert zu ermitteln. Nur auf dieser zweiten Stufe entfaltet § 256a Satz 2 HGB sodann eine eigenständige Regelungswirkung, durch eine Ausnahme vom Anschaffungskostenhöchstwertprinzip und der damit verbundenen Durchbrechung des Realisationsprinzips. bb) Zugangsbewertung Für die Zugangsbewertung und für andere Wirtschaftsgüter als Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten bleibt es im Grundsatz beim Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip. § 256a HGB gilt für diese Fälle nicht. Zur Bemessung der in einer Fremdwährung aufzubringenden Anschaffungs- und Herstellungskosten von Vermögensgegenständen ist zur gebotenen Umrechnung der Geldkurs im Anschaffungszeitpunkt zugrunde zu legen,28 wenn die Fremdwährung beschafft werden muss, sonst sind es die historischen Devisenanschaffungskurse.29 Bei Forderungen ist es umgekehrt. Der Briefkurs ist maßgeblich, weil davon auszugehen ist, dass Fremdwährungsforderungen sogleich in inländische Währung ge27 Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 62. 28 Deubert/Meyer in HdJ I/17, Rz. 39 (Feb. 2019). 29 Deubert/Meyer in HdJ I/17, Rz. 36 (Feb. 2019).

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tauscht, dh. die ausländische Währung verkauft wird. Praktikabilitätserwägungen, die im Wesentlichkeitsgrundsatz ihren Platz finden, erlauben aber die Anwendung des § 256a Satz 1 HGB auch für die Zugangsbewertung. Wenn bis zum Bilanzstichtag noch keine Zahlungsflüsse stattgefunden haben, darf unabhängig vom Zugangszeitpunkt der Devisenkassastichtagskurs für die Umrechnung herangezogen werden. Wenn Zahlungsflüsse stattgefunden haben, darf neben dem Brief- oder Geldkurs auch der tatsächlich in Anspruch genommene Kurs zur Umrechnung herangezogen werden.30 cc) Folgebewertung Besonderheiten ergeben sich aus § 256a HGB danach nur für die Folgebewertung. Die Vorschrift setzt klarstellend als Umrechnungsanlass voraus, dass die erfassten Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten (außerhalb der Bilanz) am Bilanzstichtag noch auf fremde Währung lauten, ihnen also „schwebende Fremdwährungsgeschäfte“ zugrunde liegen. Auf der Hand liegt dies für Fremdwährungsforderungen und Fremdwährungsverbindlichkeiten. Die Vorschrift gilt ihrem Zweck in den Grenzen des Wortlauts folgend aber auch für alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, in denen ein Währungsrisiko fortwirkt.31 Das sind etwa Vermögensgegenstände, deren Wiederbeschaffung ausschließlich in einer fremden Währung möglich ist, die ausschließlich an einer ausländischen Börse in einer Fremdwährung notiert werden oder deren Verwertung ausschließlich im Ausland in einer Fremdwährung darstellbar ist. Mit dem vorgeschriebenen Devisenkassamittelkurs regelt § 256a Satz 1 HGB eine dreifache Konkretisierung. Die Maßgeblichkeit des Devisenkurses liegt auf der Hand und könnte allenfalls in Zweifel gezogen werden bei Vermögensgegenständen, die nur durch Bargeschäft in fremden Sorten erlangt werden können. Aber auch dann ist nach § 256a Satz 1 HGB im ersten Umrechnungsschritt der Devisenkurs maßgeblich. Maßgeblich ist weiter der Kassakurs und hier der Mittelkurs, also das arithmetische Mittel aus Geld- und Briefkurs. Als amtliche Quellen sind zuerst die täglich veröffentlichten EZB-Referenzkurse und ergänzend die Wechselkursstatistik der Deutschen Bundesbank in der Spalte Kursart M zu verwenden. Wo diese Spalte nicht gebildet ist, muss der Mittel30 Zutreffend Deubert/Meyer in HdJ I/17, Rz. 42 (Feb. 2019). 31 Zutreffend Drüen in Staub, Großkommentar HGB6, § 256a Rz. 10.

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kurs aus den Kursarten A und V ermittelt werden. Für Bitcoin bietet der Interbankenkurs, der im Währungsrechner des Bankenverbands veröffentlicht wird,32 eine geeignete Quelle. Die bloße Währungsumrechnung zum Devisenkassamittelkurs – im ersten Schritt – kann zu einer Abschreibung, aber auch zu einer Zuschreibung und in diesem zweiten Fall zum ertragswirksamen Ausweis unrealisierter Kursgewinne führen. Wird die Grenze der ursprünglichen in Euro umgerechneten Anschaffungs- oder Herstellungskosten durch die erneute Umrechnung zu einem anderen Kurs überschritten, würde die Umrechnung am Stichtag eine Durchbrechung des Realisationsprinzips bewirken, die, als handelsrechtlicher GoB, auch auf die Steuerbilanz durchschlagen müsste. Der im ersten Schritt durch Umrechnung zum Devisenkassamittelkurs ermittelte Valutawert ist – im zweiten Schritt – mit dem Stichtagswert zu vergleichen. Dieser Stichtagswert hat zwar ebenfalls den Valutawert als Ausgangsgröße, ist aber zum einen durch Zu- und Abschreibungen nach den allgemeinen Regeln des § 253 Abs. 3 und 4 HGB anzupassen, etwa wegen eines zu erwartenden Forderungsausfalls. Zum anderen ist in ihm der Bewertungsobergrenze des § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB und damit dem Imparitäts- und dem Realisationsprinzip Rechnung zu tragen. Ein aus der Umrechnung resultierender höherer (Valuta-)Wert als die fortgeschriebenen Anschaffungs- und Herstellungskosten muss deshalb im zweiten Bewertungsschritt wieder zurückgenommen werden.33 Nur für Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mit einer am Stichtag bestehenden Restlaufzeit von einem Jahr oder weniger regelt § 256a Satz 2 HGB eine Durchbrechung des Realisations- und des Anschaffungskostenhöchstwertprinzips. Liegen diese Voraussetzungen vor, muss die im ersten Schritt aus der Umrechnung folgende Höherbewertung nicht rückgängig gemacht werden. Das bedeutet umgekehrt, dass dann immer zum Stichtagskurs umgerechnet werden muss, auch bei wesentlichen Beträgen.34 Die Restlaufzeit ergibt sich grundsätzlich aus der Vertragslaufzeit, die aber konkludent durch die tatsächliche Ver32 Öffentlich zugänglich unter https://bankenverband.de/service/waehrungsrech ner/. 33 Instruktiv Drüen in Staub, Großkommentar HGB6, § 256a Rz. 17–20. 34 Zutreffend Drüen in Staub, Großkommentar HGB6, § 256a Rz. 24; Hiller in HKMS2, § 256a HGB Rz. 39; kritisch dazu, mit dem Vorschlag einer teleologischen Reduktion, Kessler/Veldkamp in Haufe HGB Kommentar10, § 256a Rz. 23.

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tragsdurchführung angepasst werden kann.35 Folgt man dem Wortlaut, müssten bei Darlehen die Restlaufzeiten für die Darlehensvaluta, die Zinsen und die Tilgungsraten gesondert bestimmt werden. Diese aufwendige Auftrennung würde aber dem Vereinfachungszweck der Vorschrift zuwiderlaufen. Mit der gebotenen engen Auslegung einer das Realisationsprinzip durchbrechenden Regelung ist daher die längste Laufzeit und daher regelmäßig die des Darlehens maßgeblich.36 Für die übrigen Bilanzposten findet § 256a HGB keine Anwendung. Für sie folgt die Bewertung nach allgemeinen Grundsätzen. Zählt man Sorten als Form von Geld nicht zu den Vermögensgegenständen, ist für sie der Sortenmittelkurs maßgeblich. Für Rückstellungen bleibt es grundsätzlich beim Devisenkassakurs, abhängig vom Erfüllungsgegenstand kann aber der Brief- oder Geldkurs vorrangig sein.37 Das gilt auch für Rechnungsabgrenzungsposten und Anzahlungen, soweit sich Wechselkursänderungen in der Folgebewertung noch auswirken können.38 c) Besonderheiten der Fremdwährungsumrechnung bei Kreditinstituten (§ 340h HGB) Unter den Anwendungsvoraussetzungen des § 340 Abs. 1 HGB ersetzt § 340h HGB bei Kreditinstituten, für die Bewertung der Aktiv- und Passivposten im Anlagebuch, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 256a Satz 2 HGB. Für das Handelsbuch gilt § 340e Abs. 3 HGB. Für eine Durchbrechung des Realisationsprinzips bei der Währungsumrechnung kommt es nach § 340h HGB im Unterschied zu § 256a Satz 2 HGB nicht mehr auf die Restlaufzeit an.39 Voraussetzung ist vielmehr, ob die Vermögensgegenstände, Schulden und Termingeschäfte durch Vermögensgegenstände und Termingeschäfte in derselben Währung besonders gedeckt sind (Betrags- und Währungsidentität), ohne dass eine Bewertungseinheit iSd. § 254 HGB vorliegt. Teilweise wird im Schrifttum verlangt, dass eine Laufzeitkongruenz der Deckung besteht.40 Als Rechtsfolge des § 340h 35 Im Erg. daher zutreffend auf die tatsächlichen Verhältnisse abstellend Hiller in HKMS2, § 256a HGB Rz. 40. 36 Im Erg. ähnlich Drüen in Staub, Großkommentar HGB6, § 256a Rz. 25. 37 Deubert/Meyer in HdJ I/17, Rz. 47, 113 ff. (Feb. 2019); zur Frage der Bildung einer Bewertungseinheit, wenn eine Rückstellung in einer Fremdwährung durch Finanzinstrumente in derselben Fremdwährung abgesichert sind, Lüdenbach, StuB 2021, 545. 38 Dazu Deubert/Meyer in HdJ I/17, Rz. 48 (Feb. 2019). 39 Gaber in beck-online.Großkommentar, § 340h HGB Rz. 6 (Sept. 2020). 40 Dazu neutral Böcking/Wolsiffer/Bär in MünchKomm. HGB4, § 340h Rz. 17.

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HGB kann, wie bei § 256a Satz 2 HGB, eine aus der Währungsumrechnung zum Devisenkassamittelkurs folgende Höherbewertung auch oberhalb der Anschaffungs- oder Herstellungskosten bestehen bleiben. d) Maßgeblichkeit für die Steuerbilanz In den Vorschriften über die Währungsumrechnung in § 244 und § 256a Satz 1 HGB drücken sich handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung aus, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 HGB auch für die Steuerbilanz maßgeblich sind. Das Einkommensteuergesetz enthält keine von diesen Regelungen abweichenden und daher gem. § 5 Abs. 6 EStG vorrangigen Bewertungsregeln. Etwas anderes gilt für die in § 256a Satz 2 HGB geregelte Durchbrechung des Realisationsprinzips. Hier lässt sich bereits daran zweifeln, ob es sich um einen handelsrechtlichen GoB handelt. Jedenfalls gelten vorrangig die Bewertungsregeln von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG, die eine Bewertung oberhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verbieten.41

III. Bewertung

41 Im Erg. ebenso Drüen in Staub, Großkommentar HGB6, § 256a Rz. 26; Hiller, StuB 2016, 487 (490); Hübner/Leyh, DStR 2010, 1951 (1952); Richter in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz. 25 (Sept. 2020).

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1. Fremdwährungsforderungen a) Zugangsbewertung in der Handelsbilanz Für die Währungsumrechnung bei der Zugangsbewertung von Forderungen ist nach dem Entstehungsgrund der Forderungen zu differenzieren. Bei Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ist der Briefkurs im Lieferungs- oder Leistungszeitpunkt zugrunde zu legen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Fremdwährung in Euro umgetauscht würde.42 Bei Forderungen aus der Gewährung von Fremdwährungsdarlehen ist dagegen anzunehmen, dass die Darlehensvaluta durch den Darlehensgeber zunächst in der Fremdwährung erworben werden muss. Daher ist für die Umrechnung der Geldkurs am Tag der Darlehensauszahlung maßgeblich. Im Ergebnis nichts anderes gilt, wenn bereits zuvor ein zur Darlehensvergabe eingerichtetes Fremdwährungskonto bestand, wenn davon auszugehen ist, dass es mit Abfluss der Darlehensvaluta wieder befüllt werden soll.43 b) Folgebewertung in der Handelsbilanz Für die Folgebewertung gelten die oben zu § 256a HGB dargestellten Grundsätze, weil es sich bei Forderungen um Vermögensgegenstände handelt. Fremdwährungsforderungen sind danach in einem ersten Schritt zum Bilanzstichtag mit dem Devisenkassamittelkurs umzurechnen. Bei Forderungen mit einer Restlaufzeit bis zur Fälligkeit von bis zu einem Jahr kann eine daraus resultierende Höherbewertung über den ursprünglichen Anschaffungskosten nach § 256a Satz 2 HGB bestehen bleiben. Im anderen Fall verbieten das Anschaffungskostenprinzip und das Realisationsprinzip eine Höherbewertung und der Valutawert aus der Umrechnung ist im zweiten Bewertungsschritt wieder auf die Anschaffungskosten zurückzuführen. Abschreibungen wegen Wertminderungen sind bei Forderungen im Umlaufvermögen bei einem niedrigeren Stichtagswert nach § 253 Abs. 4 HGB geboten. Bei Forderungen im Anlagevermögen setzt dies nach § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB eine dauernde Wertminderung voraus.

42 Deubert/Meyer in HdJ I/17, Rz. 93 (Feb. 2019). 43 Deubert/Meyer in HdJ I/17, Rz. 94 f. (Feb. 2019).

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c) Zugangs- und Folgebewertung in der Handels- und Steuerbilanz Wie oben dargestellt, spiegelt § 256a Satz 1 HGB einen handelsrechtlichen GoB, der über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Steuerbilanz maßgeblich ist. Aus dem Bewertungsvorbehalt in § 5 Abs. 6 EStG folgt im Übrigen und bezogen auf § 256a Satz 2 HGB ein Vorrang der steuerlichen Bewertungsvorschriften. Daraus ergeben sich drei mögliche Abweichungen zu Ansatz und Bewertung von Fremdwährungsforderungen in der Handelsbilanz. Abweichend von § 256a Satz 2 HGB ist auch bei kurzfristigen Forderungen keine Höherbewertung über die Anschaffungskosten hinaus möglich. Eine Teilwertabschreibung setzt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auch bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens eine dauernde Wertminderung voraus. Ein bloß niedrigerer Stichtagskurs genügt nicht. Und schließlich gewährt § 6 Abs. 1 Satz 1 EStG, jedenfalls nach der Verwaltungspraxis,44 abweichend von den handelsrechtlichen GoB ein Abschreibungswahlrecht.45

2. Fremdwährungsverbindlichkeiten a) Allgemein In der Steuerbilanz folgen Fremdwährungsverbindlichkeiten zunächst den allgemeinen Regelungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die sinngemäße Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt bei Fremdwährungsverbindlichkeiten grundsätzlich zu einer Zugangsbewertung mit ihrem Rückzahlungsbetrag, der sich aus dem Wechselkurs im Zeitpunkt des Entstehens der Verbindlichkeit ergibt (Einstandskurs).46 In der Folgebewertung kann in sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG der Teilwert einer Fremdwährungsverbindlichkeit angesetzt werden, wenn dieser aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertveränderung höher ist als der ursprüngliche Rückzahlungsbetrag.47 44 BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/1001 – DOK 2010/0188935, BStBl. I 2010, 239 Rz. 15. 45 Darstellung des Meinungsstands bei Anzinger in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 262 (Dez. 2021). 46 BFH v. 10.6.2021 – IV R 18/18, BStBl. II 2022, 211 = FR 2022, 83 = GmbHR 2022, 371; v. 23.4.2009 – IV R 62/06, BStBl. II 2009, 778 = FR 2009, 1056 m. Anm. Schlotter. 47 BFH v. 23.4.2009 – IV R 62/06, BStBl. II 2009, 778 Rz. 19 = FR 2009, 1056 m. Anm. Schlotter.

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Dabei durchbricht die steuerliche Regelung des § 6 Abs. 1 EStG die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. So hat der BFH anhand der Gesetzesmaterialien der Vorschrift herausgearbeitet, dass § 6 Abs. 1 EStG trotz Übernahme des Begriffs der „dauernden Wertminderung“ aus § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip zugunsten des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zurückgedrängt habe. Es handele sich um eine steuerliche Regelung, die losgelöst vom Handelsrecht auszulegen sei.48 Die FinVerw. hat hierzu im BMF-Schreiben „Teilwertabschreibungen gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 1 und 2 EStG“ vom 2.9.201649 Stellung genommen. Während die Bestimmung einer Teilwerterhöhung mit Hilfe des Wechselkurses noch recht einfach zu ermitteln ist, stellt die prognostische Frage der voraussichtlichen Dauerhaftigkeit der Werterhöhung die Praxis vor nicht zu unterschätzende Herausforderungen. Sie hängt bei Fremdwährungsverbindlichkeiten maßgeblich von der Üblichkeit der Wechselkursschwankungen im Rahmen einer zu treffenden Prognoseentscheidung ab. Der Kurswert der Fremdwährungsverbindlichkeit muss sich am jeweiligen Bilanzstichtag „voraussichtlich nachhaltig“ erhöht haben.50 Aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns müssen mehr Gründe für als gegen eine Nachhaltigkeit der Kurserhöhung sprechen. Welcher Prognosezeitraum bei § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG zugrunde zu legen ist, richte sich nach den prognostischen Möglichkeiten zum Bilanzstichtag, die je nach Eigenart des betreffenden Wirtschaftsguts und des auslösenden Moments für die Wertminderung unterschiedlich sein können.51 Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten, bei denen der konkrete Rückzahlungsbetrag idR feststeht, ist der Prognosezeitpunkt klar. Er 48 BFH v. 26.9.2007 – I R 58/06, BStBl. II 2009, 294 = FR 2008, 473 m. Anm. Bäuml = GmbHR 2008, 269 = ZIP 2008, 458, juris, Rz. 14; v. 14.3.2006 – I R 22/05, BStBl. II 2006, 680 = FR 2006, 831 m. Anm. Kanzler, juris, Rz. 17 mwN. 49 BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 - S 2171-b/10002:002 – DOK 2016/0666535, BStBl. I 2016, 995 Rz. 30 ff. Hierzu auch Prinz, StbJb. 2018/2019, 463 (464 f.). 50 BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 - S 2171-b/10002:002 – DOK 2016/0666535, BStBl. I 2016, 995 Rz. 30 ff. iVm. Rz. 5 ff.; BFH v. 10.6.2021 – IV R 18/18, BStBl. II 2022, 211 = FR 2022, 83 = GmbHR 2022, 371; v. 23.4.2009 – IV R 62/06, BStBl. II 2009, 778 = FR 2009, 1056 m. Anm. Schlotter, juris, Rz. 24; FG Schl.-Holst. v. 9.3.2016 – 2 K 84/15, juris, Rz. 24 ff. 51 BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 - S 2171-b/10002:002 – DOK 2016/0666535, BStBl. I 2016, 995 Rz. 5 ff.; BFH v. 24.10.2012 – I R 43/11, BStBl. II 2013, 162 = FR 2013, 168 m. Anm. Bareis = GmbHR 2013, 154 m. Anm. Hoffmann, juris, Rz. 15;

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entspricht der Restlaufzeit der Verbindlichkeit. Beträgt diese noch fünf Jahre, müssen am Bilanzstichtag für eine Teilwertzuschreibung beispielsweise mehr Gründe dafür sprechen, dass die aktuelle Kurserhöhung auch in fünf Jahren noch anhalten wird, als dagegen. Ob ein erhöhter Wechselkurs in den nächsten Jahren nicht wieder absinken wird, ist am Bilanzstichtag jedoch kaum vorauszusagen. Es fehlt allen Beteiligten schlichtweg an einer zuverlässigen „Glaskugel“. Daher tasten sich FinVerw., Rspr. und Lehre nur stückchenweise an dieses Problem heran. b) Rechtsprechungsentwicklung des BFH Der BFH hat zunächst für Fremdwährungsverbindlichkeiten, die eine Restlaufzeit von mindestens zehn Jahren haben, eine voraussichtlich dauerhafte Teilwerterhöhung aufgrund eines Wechselkursanstiegs der Fremdwährung ausgeschlossen. Dies folge aus dem Erfahrungssatz, dass sich Währungsschwankungen über einen so langen Zeitraum idR ausgleichen. Entscheidendes Kriterium ist für den BFH die Laufzeit einer Fremdwährungsverbindlichkeit. Hierin sieht er auch den entscheidenden Unterschied zu nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Bei Letzteren könne die Möglichkeit einer Wertsteigerung regelmäßig ausgeschlossen werden, weil diese keine begrenzte Nutzungsdauer haben. Im Gegensatz hierzu haben Verbindlichkeiten idR eine bestimmte Laufzeit, die für die Prognose zu berücksichtigen sei.52 Abzugrenzen sind nach der BFH-Rspr. daher kurzfristige Wechselkursschwankungen (keine Teilwertzuschreibung möglich) von nachhaltigen Wechselkursänderungen (Teilwertzuschreibung möglich). Die Möglichkeit zur vorzeitigen Kündigung des Darlehensvertrags hat für die Einordnung als lang- oder kurzfristige Verbindlichkeit außer Betracht zu bleiben, wenn zum Bilanzstichtag aufgrund der tatsächlichen Umstände der Schluss gerechtfertigt ist, dass das Darlehen nicht vorzeitig zurückgezahlt werden wird.53 v. 23.4.2009 – IV R 62/06, BStBl. II 2009, 778 = FR 2009, 1056 m. Anm. Schlotter juris, Rz. 21 und 24. 52 BFH v. 10.6.2021 – IV R 18/18, BStBl. II 2022, 211 = FR 2022, 83 = GmbHR 2022, 371; v. 23.4.2009 – IV R 62/06, BStBl. II 2009, 778 = FR 2009, 1056 m. Anm. Schlotter. Übernommen in BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 - S 2171-b/ 10002:002 – DOK 2016/0666535, BStBl. I 2016, 995 Rz. 31 f. 53 FG Schl.-Holst. v. 9.3.2016 – 2 K 84/15, juris, Rz. 30; Hess. FG v. 6.7.2011 – 4 K 287/10, juris, Rz. 52 unter Verweis auf und entsprechender Anwendung

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Der einmal getroffenen Unterscheidung zwischen nachhaltigen und kurzfristigen Wechselkursänderungen bleibt der BFH auch in seinen beiden kürzlich ergangenen Entscheidungen treu.54 Offen bleibt jedoch weiterhin die in der Praxis entscheidende Frage, wie der Stpfl. bei der Aufstellung seiner Bilanz eine rechtssichere Unterscheidung zwischen nachhaltigen und kurzfristigen Wechselkursschwankungen treffen kann. Eine praktikable Idee, die der rechtlichen Überprüfung durch den BFH jedoch nicht standhalten konnte, hatte das Finanzgericht Baden-Württemberg erarbeitet. Es ging zunächst vollkommen zu Recht davon aus, dass für die Prognoseentscheidung der Dauerhaftigkeit nicht nur die (Rest-)Laufzeit der Fremdwährungsverbindlichkeit, sondern auch die Intensität und der historische Verlauf der Wechselkursschwankungen zu berücksichtigen seien. Aus dieser Überlegung zog es den Schluss, dass eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung dann gegeben sei, wenn die Kursschwankung am Bilanzstichtag eine Grenze von 20 % für den einzelnen Bilanzstichtag bzw. von jeweils 10 % für zwei aufeinanderfolgende Stichtage überschreite.55 Dieser Idee trat der BFH mit rechtlichen Ausführungen zur steuerlichen Teilwertab- bzw. -zuschreibung entgegen: „Denn der prognostische Ansatz einer ‚voraussichtlich dauernden‘ Wertminderung (bzw. -erhöhung) verlangt jedenfalls ansatzweise eine Würdigung des Grundes für die eingetretene Wertveränderung und eine Begründung für ihre angenommene Fortdauer in der Zukunft. Anderenfalls könnten – entgegen dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers – bereits zufällige Wertschwankungen, die am Bilanzstichtag auftreten, zum Teilwertansatz berechtigen“.56 Die Zielrichtung des BFH ist klar: Kein starres Abstellen auf pauschale Kurswertänderungen ohne Betrachtung der Gegebenheiten des zu beurteilenden Einzelfalls. Damit dürfte auch eine in der Literatur vorgeschlagene sinngemäße Übernahme der Bagatellgrenze bei Teilwertabschreibungen auf der Aktivseite für Teilwertzuschreibungen auf der Passivseite (Dauerhaftigkeitsvermutung bei Währungskurs-

des Rechtsgedankens in BFH v. 5.1.2011 – I B 118/10, BFH/NV 2011, 986 zur Abzinsung von kurzfristig kündbaren Gesellschafterdarlehen. 54 BFH v. 10.6.2021 – IV R 18/18, BStBl. II 2022, 211 = FR 2022, 83 = GmbHR 2022, 371; v. 2.7.2021 – XI R 29/18, BStBl. II 2022, 205 = FR 2022, 86 m. Anm. Weber-Grellet. 55 FG Bad.-Württ. v. 16.5.2018 – 2 K 3880/16, EFG 2018, 1982. 56 BFH v. 10.6.2021 – IV R 18/18, BStBl. II 2022, 211 = FR 2022, 83 = GmbHR 2022, 371, juris, Rz. 29.

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steigerungen von mehr als 5 %)57 einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalten. Allerdings hat der BFH in seinen kürzlich ergangenen Entscheidungen klargestellt, dass bei langfristigen Fremdwährungsverbindlichkeiten zwar grundsätzlich weiterhin davon ausgegangen werden kann, dass sich eine eingetretene Währungsschwankung bis zum Ende der Laufzeit der Verbindlichkeit wieder aufgelöst haben werde, dies jedoch eine Teilwertzuschreibung dennoch in diesem Bereich nicht vollständig ausschließe. Von einer dauerhaften Veränderung der Wechselkurse kann auch bei langfristigen Fremdwährungsverbindlichkeiten dann ausgegangen werden, wenn sich die wirtschaftlichen und/oder finanzpolitischen Verhältnisse zwischen dem Euro und einem anderen Währungsraum aus Sicht des Bilanzstichtags in fundamentaler Weise so außerordentlich und nachhaltig geändert haben, dass nicht angenommen werden kann, der Wechselkurs zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit werde sich ohne Weiteres wieder einstellen.58 Diese für Fremdwährungsdarlehen mit einer langen Restlaufzeit von mindestens zehn Jahren aufgestellten Grundsätze müssen auch erst recht bei Verbindlichkeiten mit einer kürzeren Restlaufzeit gelten. Bei ihnen ist wegen des kürzeren Zeitraums bis zum Zeitpunkt der anzunehmenden Tilgung der Schuld weniger Zeit und Gelegenheit zur Aufholung des eingetretenen Kursverlusts des Euro gegenüber der betreffenden Fremdwährung. Je kürzer die Restlaufzeit des Fremdwährungsdarlehens ist, desto eher kann angenommen werden, dass sich der eingetretene Kursverlust nicht bis zur Tilgung zum Einstandswert zurückentwickeln wird. Eine Teilwertzuschreibung ist daher hier regelmäßig leichter zu begründen.59 Wie die leichteren Begründungserfordernisse bei kurzfristigen Verbindlichkeiten sich für den Stpfl. darstellen, führt der BFH jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit nicht weiter aus. Hier muss auf eine einschlägige BFH-Rspr. mit für die Praxis geeigneten Abgrenzungskriterien zwischen kurzfristigen Wechselkursschwankungen und nachhaltigen Wechselkurserhöhungen mit daran anschließenden Prognosemerkmalen zur Nachweisführung gewartet werden.

57 Prinz, StbJb. 2018/2019, 463 (468). 58 BFH v. 10.6.2021 – IV R 18/18, BStBl. II 2022, 211 = FR 2022, 83 = GmbHR 2022, 371, juris, Rz. 28 ff. 59 BFH v. 10.6.2021 – IV R 18/18, BStBl. II 2022, 211 = FR 2022, 83 = GmbHR 2022, 371, juris, Rz. 31.

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Wie konkret solche Abgrenzungskriterien des BFH dann ausfallen werden, bleibt zudem spannend. Denn er hat in seinen aktuellen Urteilen anschaulich seine prozessualen Grenzen der rechtlichen Überprüfbarkeit finanzgerichtlicher Entscheidungen dargestellt. Da es sich bei der Teilwertermittlung und der damit zusammenhängenden Prognoseentscheidung über Umfang und Dauer der Wertminderung bzw. -erhöhung um eine Schätzung nach § 162 AO handele, die zu den Tatsachenfeststellungen des Finanzgerichts iSv. § 118 Abs. 2 FGO gehöre, können finanzgerichtliche Urteile in diesem Bereich revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden, ob sie dem Grunde nach zulässig waren, in verfahrensfehlerfreier Weise zustande gekommen sind und nicht gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstoßen.60 Dies führt zu dem etwas kurios anmutenden Ergebnis, dass in den zu entscheidenden Einzelfällen ein- und derselbe Sachverhalt durch zwei verschiedene Finanzgerichte unterschiedlich gewürdigt wurde, und der BFH beide Würdigungen im Rahmen seiner eingeschränkten Prüfkompetenzen als rechtmäßig anerkannt hat. Konkret kann die Frage, ob die am 6.9.2011 erfolgte und veröffentlichte Festlegung eines Mindestkurses von 1,20 CHF pro Euro durch die Schweizerische Nationalbank eine fundamentale Veränderung der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Daten iSd. dargestellten Begründung einer Dauerhaftigkeit der Kursänderung bereits zum Bilanzstichtag 31.12.darstelle, auf rechtmäßige Weise sowohl bejaht61 als auch verneint62 werden. Die Grenze anerkannter Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeiner Erfahrungssätze sieht der BFH jedoch dann erreicht, wenn die Notenbank eines Fremdwährungsstaats die Absicht äußert, Stützungskäufe zu tätigen, um den Wechselkurs der Fremdwährung zu verteidigen. Im konkreten Sachverhalt erfolgte dies im Jahr 2011. In einem sol60 BFH v. 10.6.2021 – IV R 18/18, BStBl. II 2022, 211 = FR 2022, 83 = GmbHR 2022, 371, juris, Rz. 32. 61 BFH v. 10.6.2021 – IV R 18/18, BStBl. II 2022, 211 = FR 2022, 83 = GmbHR 2022, 371 bestätigt das vorgehende FG Bad.-Württ. v. 16.5.2018 – 2 K 3880/16, EFG 2018, 1982, dass 2010 eine Teilwertzuschreibung wegen voraussichtlich dauernder Werterhöhung der Verbindlichkeiten zulässig war. 62 BFH v. 2.7.2021 – XI R 29/18, BStBl. II 2022, 205 = FR 2022, 86 m. Anm. Weber-Grellet bestätigt das vorgehende Urteil des FG Düss. v. 23.7.2018 – 6 K 884/15 K, G, F, EFG 2018, 1531, dass 2010 eine Teilwertzuschreibung wegen Fehlens einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung der Verbindlichkeiten noch nicht zulässig war.

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chen Fall muss der Stpfl. nicht mehr mit einer für ihn günstigeren Kursentwicklung rechnen. Er kann davon ausgehen, dass die Aufwertung der Fremdwährung gegenüber dem Euro nicht nur vorübergehend, sondern nachhaltig ist. Bessere Erkenntnisse als die Notenbank des Fremdwährungsstaats darf man dem Stpfl. nicht auferlegen. Dies würde die Anforderungen an seine Darlegungslast zum voraussichtlichen Andauern der Werterhöhung unzulässigerweise überspannen und eine Teilwertzuschreibung praktisch unmöglich machen.63 Diese Bewertung der Verhältnisse des Jahres 2011 hatte selbst die FinVerw. überzeugend gefunden und in einem weiteren Verfahren vor dem FG Baden-Württemberg allein das Jahr 2011 betreffend keine Revision eingelegt.64 Die Stpfl. wissen nun zwar, auf welche Tatsachen Ihre Begründung einer Dauerhaftigkeit gestützt werden kann (fundamentale Veränderung der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Daten); sie sind aber weiterhin der Gefahr einer im Bundesgebiet uneinheitlichen Anwendung durch die Finanzgerichte ausgesetzt, ohne dass der BFH lenkend eingreifen kann. Allein für den Fall von Stützungskäufen durch die Notenbank eines Fremdwährungsstaats herrscht nunmehr Rechtssicherheit. Die erhoffte Neujustierung der bisherigen Rspr. zur Nachhaltigkeit von Devisenkursveränderungen65 erscheint daher nur sehr eingeschränkt eingetroffen zu sein. Offen bleibt weiterhin, ob der BFH eine Laufzeit von 10 Jahren als Abgrenzung zwischen kurzfristen und langfristigen Verbindlichkeiten ansieht oder auch Laufzeiten von 8 oder 9 Jahren noch langfristig sein können. So wird die Laufzeitfrage beispielsweise auch im Rahmen der Überlassung von Genussrechtskapital und deren handelsbilanziellem Ausweis im Eigenkapital kontrovers diskutiert. Für die Frage, ab wann 63 BFH, Urt. v. 2.7.2021 – XI R 29/18, BStBl. II 2022, 205 = FR 2022, 86 m. Anm. Weber-Grellet. Anders noch die Vorinstanz FG Düss. v. 23.7.2018, 6 K 884/15 K, G, F, EFG 2018, 1531. Ebenso FG Schl.-Holst. v. 9.3.2016 – 2 K 84/15, EFG 2016, 799. 64 FG Bad.-Württ. v. 11.7.2017 – 5 K 1091/15, EFG 2018, 100, rkr. sah in der am 6.9.2011 erfolgten und veröffentlichten Festlegung eines Mindestkurses von 1,20 CHF pro Euro durch die Schweizerische Nationalbank eine fundamentale Veränderung der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Daten, weswegen eine Teilwerterhöhung bei langfristigen, in CHF aufgenommenen Fremdwährungsdarlehen mit unbefristeter Laufzeit zu den Bilanzstichtagen 31.12.2011 und 31.12.2012 als voraussichtlich dauernd anzusehen sein kann. Das Finanzgerichtsurteil wurde bestandskräftig. 65 Prinz, StbJb. 2018/2019, 463 (465).

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die Überlassung des Kapitals langfristig bzw. nachhaltig ist, werden in der Literatur teilweise sogar Laufzeiten von zwei oder fünf Jahren für ausreichend erachtet, andere sprechen sich für Mindestlaufzeiten von 15 bis 25 Jahren aus.66 Auch wenn es hierbei anders als im vorliegenden Fall darum geht, wann überlassenes Fremdkapital dem Eigenkapital wirtschaftlich gleich steht, zeigt sich doch anhand der großen Spanne von diskutierten Laufzeiten, wie schwierig ihre konkrete Fixierung ist. Dies dürfte vorliegend bei der Frage, wann sich Wechselkursschwankungen wohl üblicherweise wieder ausgleichen, nicht einfacher sein. Soweit eine zeitliche Abgrenzung dennoch durch die Rspr. gefunden werden sollte, stellt sich daran anschließend dann die bisher ebenso ungeklärte Frage, welche Kriterien bei nicht langfristigen Fremdwährungsverbindlichkeiten für eine Dauerhaftigkeit der Kurserhöhung am Bilanzstichtag sprechen. c) Keine korrespondierende Beurteilung von Aktien- und Wechselkursen Kritik an der bisherigen BFH-Rspr. findet sich in der Literatur hinsichtlich der unterschiedlichen Behandlung von Aktien- und Wechselkursen für die Frage ihrer Dauerhaftigkeit im Rahmen von Teilwertab- oder -zuschreibungen. Bei börsennotierten Aktien, die im Anlagevermögen gehalten werden, ist nach der BFH-Rspr. von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung dann auszugehen, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter die Anschaffungskosten gesunken ist und zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung keine konkreten Anhaltspunkte für eine alsbaldige Wertaufholung vorliegen.67 Dies müsse folgerichtig auch auf Fremdwährungsverbindlichkeiten übertragen werden und grundsätzlich jeder Wechselkurs zum Bilanzstichtag als „dauerhaft“ anzusehen sein, da er unmittelbar der langfristigen Erwartungshaltung der Marktteilnehmer zum Bewertungszeitpunkt entspreche.68 Diese Ansicht würdigt jedoch die entscheidenden Unterschiede zwischen Fremdwährungsverbindlichkeiten und börsennotierten Aktien nicht in ausreichendem Maße. Der entscheidende Unterschied zwischen der den Aktienkurs betreffenden Eigenkapitalbeteiligung an einem Unternehmen und der den Wechselkurs betreffenden Fremdkapitalbewer66 Siehe mwN Kropff in MünchKomm. Bilanzrecht, § 272 HGB Rz. 264. 67 BFH v. 26.9.2007 – I R 58/06, BStBl. II 2009, 294 = FR 2008, 473 m. Anm. Bäuml = GmbHR 2008, 269 = ZIP 2008, 458. 68 Hahne, DStR 2009, 1573 (1575).

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tung (Verbindlichkeiten) liegt darin begründet, dass bei Fremdkapital die Rückzahlung des Kapitals grundsätzlich von dem konkreten Unternehmenserfolg unabhängig zu einem festgelegten Fälligkeitszeitpunkt erfolgt. Aufgrund dieses grundsätzlich immer vorliegenden Restlaufzeitraums der Fremdwährungsverbindlichkeit und des Vorhandenseins eines festen Endzeitpunkts zieht der BFH in seiner Beurteilung der Dauerhaftigkeit der Werterhöhung hier denklogisch die (Rest-)Laufzeit als Prognosezeitraum heran. Eine (Rest-)Laufzeit existiert demgegenüber bei börsennotierten Aktien nicht (Kapitalgewährung auf Dauer), vielmehr ist im Bereich des Eigenkapitals der Kapitalgeber unmittelbar am Unternehmenserfolg oder -misserfolg beteiligt und kann diesen jederzeit durch Verkauf der Aktien realisieren. Damit kann hier kein (langer) Prognosezeitraum unterstellt werden. Vielmehr ist am Bilanzstichtag der Teilwert einer Aktie und seine mögliche Dauerhaftigkeit eng mit dem den Unternehmenserfolg ausdrückenden Aktienkurs verbunden. Aktien haben einen inneren Wert, der sich wesentlich aus der Erfolgsprognose des Unternehmens ableitet, die wiederum im Börsenkurs prognostiziert wird. Aus diesem Zusammenhang heraus sieht der BFH in einem gesunkenen Börsenkurs ein gewichtiges Indiz für eine dauernde Minderung des inneren Werts einer Aktie. Eine solche enge Verknüpfung zwischen Kurs und Dauerhaftigkeit der Teilwertänderung kann jedoch nicht auf Fremdwährungsverbindlichkeiten mit einer Laufzeit von 10 Jahren oder länger übertragen werden. In diesen Fällen komme eine kurzfristige Auflösung des Vertragsverhältnisses grundsätzlich nicht in Betracht. Für langfristig rückzahlbare Fremdwährungsdarlehen sage ein tagesaktueller Wechselkurs nichts darüber aus, wie der Kurs im sehr viel späteren Zeitpunkt der Rückzahlung sein werde.69 Zumindest bei langfristigen Fremdwährungsverbindlichkeiten kann daher aus dem aktuellen Wechselkurs kein Rückschluss auf den inneren Wert der Fremdwährungsverbindlichkeit gezogen werden. Ob eine Orientierung am Wechselkurs zum Bilanzstichtag in Fällen kurzfristiger oder ggf. mittelfristiger Laufzeiten zu erfolgen hat, brauchte der BFH bisher nicht zu entscheiden. In finanzgerichtlichen Urteilen ist hier eine korrespondierende Beurteilung von Aktien- und Wechselkursen als Indizien für eine Dauerhaftigkeit der Wertänderung angedacht worden, weil in Fällen kurzfristiger Laufzeiten ein plötzlicher 69 BFH v. 23.4.2009 – IV R 62/06, BStBl. II 2009, 778 = FR 2009, 1056 m. Anm. Schlotter; FG Schl.-Holst. v. 9.3.2016 – 2 K 84/15, EFG 2016, 799, juris, Rz. 62.

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Kursverfall nicht überwiegend wahrscheinlich erscheine.70 Inwieweit diese Überlegungen vom BFH aufgegriffen und an welche Restlaufzeit sie gegebenenfalls geknüpft werden, bleibt abzuwarten. d) Herangehensweise der Finanzverwaltung Anders als die Rspr., die bisher ihre rechtlichen Überlegungen allein an die Laufzeit einer Fremdwährungsverbindlichkeit angeknüpft hat, schaut die FinVerw. auf die Art der Fremdwährungsverbindlichkeit. Während die Rspr. für die Frage der Dauerhaftigkeit einer Wechselkursänderung also zwischen kurzfristigen und langfristigen Fremdwährungsverbindlichkeiten differenziert, unterscheidet die FinVerw. zwischen „Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs“ und „sonstige Verbindlichkeiten“. Dabei sind „Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs“ unter Bezugnahme auf die vom BFH71 in einem Urteil im Bereich des Gewerbesteuerrechts festgelegten Voraussetzungen solche, die nicht dazu bestimmt sind, das Betriebskapital auf Dauer zu verstärken. Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs kann eine Dauerhaftigkeit einer Wechselkursänderung bereits dann bejahrt werden, wenn bzw. soweit die Wechselkurserhöhung bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz oder dem vorangegangenen Tilgungs- oder Entnahmezeitpunkt angehalten hat.72 Die FinVerw. versucht damit die Unterscheidung von Anlagevermögen (auf Dauer im Betriebsvermögen) und Umlaufvermögen (auf Zeit im Betriebsvermögen) auf der Aktivseite für Verbindlichkeiten auf der Passivseite sinngemäß nachzuvollziehen und daran analoge Anforderungen für den Nachweis der Dauerhaftigkeit einer Werterhöhung zu knüpfen. Dies hat zunächst formal gegenüber der BFH-Rspr., die auf die (Rest-) Laufzeit der Fremdwährungsverbindlichkeit abstellt, den Vorteil, dass 70 FG Schl.-Holst. v. 9.3.2016 – 2 K 84/15, EFG 2016. 799, juris, Rz. 62. 71 BFH v. 31.10.1990 – I R 77/86, BStBl. II 1991, 471, juris, Rz. 14 (zur Abgrenzung zu Dauerschulden im GewStR) mwN: Der Begriff „Verbindlichkeit des laufenden Geschäftsverkehrs“ ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: „Ihr Entstehen hängt wirtschaftlich eng mit einzelnen bestimmbaren, nach Art des Betriebs immer wiederkehrenden und nicht die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens betreffenden laufenden Geschäftsvorfällen zusammen. Dieser Zusammenhang bleibt bis zur Tilgung der Schuld erhalten. Die Verbindlichkeit wird innerhalb der nach Art des laufenden Geschäftsvorfalls allgemein üblichen Frist getilgt.“ 72 BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 - S 2171-b/10002:002 – DOK 2016/0666535, BStBl. I 2016, 995 Rz. 34–36, Definition in Rz. 35.

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sich die Begründungsanforderungen an die Dauerhaftigkeit während der gesamten Laufzeit einer Verbindlichkeit nicht ändern. Folgt man der Herangehensweise der Rspr., „springt“ die Restlaufzeit einer Fremdwährungsverbindlichkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt von langfristig auf kurzfristig um. Zu diesem Zeitpunkt erleichtern sich schlagartig die Voraussetzungen für den Nachweis der Dauerhaftigkeit der Kurserhöhung. Wo diese Grenze liegen soll und warum es im Jahr zuvor noch deutlich schwieriger sein soll, die Dauerhaftigkeit nachzuweisen, bleibt einer entsprechenden BFH-Entscheidung vorbehalten zu klären. Aus der bisherigen Rspr. ist nicht ersichtlich, ob der BFH hier einen festen Zeitpunkt (zB Restlaufzeit von 10 Jahren und mehr) annehmen möchte oder einen fließenderen Übergang von langfristigen auf kurzfristige Verbindlichkeiten wählen wird mit sich dann fließend erleichternden Nachweiserfordernissen. Letzteres könnte ggf. gefühlte Ungerechtigkeiten zwischen Fremdwährungsverbindlichkeiten kurz vor dem „Sprung“ und solchen kurz nach dem „Sprung“ abmildern. Der formale Vorteil bei der Herangehensweise der FinVerw. hält einer eingehenderen Prüfung jedoch nicht stand. Die dargestellten Fragen, die sich die Rspr. insbes. im Bereich nicht langfristiger Fremdwährungsverbindlichkeiten zukünftig wird stellen müssen, betreffen ebenso den Bereich der „sonstigen Verbindlichkeiten“ der FinVerw. Auch in diesem Bereich dürfte beispielsweise bei einer Restlaufzeit unter einem Jahr eine nicht unerhebliche Wechselkurserhöhung durchaus für eine Dauerhaftigkeit sprechen. Wo hier die Grenzen gezogen werden können und ob neben der Laufzeit der Fremdwährungsverbindlichkeit auch die Höhe der Wechselkursänderung und der historische Kursverlauf betrachtet werden müssen, ist derzeit ebenso ungeklärt. Im Endeffekt kreisen FinVerw., Rspr. und Literatur um dieselben problematischen Einzelfragen und werden sich den Herausforderungen der prognostischen Möglichkeiten im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen der steuerlichen Teilwertab- bzw. -zuschreibung weiterhin stellen müssen.

IV. Währungsabsicherungen Den zuvor geschilderten Währungsschwankungen sind Unternehmen nicht hilflos ausgeliefert. In der Praxis haben sich eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Absicherung möglicher Währungsschwankungen etabliert (s. hierzu oben II.2.). Beispiele hierfür sind das Devisentermingeschäft, 362

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bei dem sich zwei Vertragsparteien gegenseitig verpflichten, an einem bestimmten Tag (Erfüllungstag) zwei Währungsbeträge zu einem im Vorhinein festgelegten Kursverhältnis auszutauschen, oder die Devisenoption, bei der eine Vertragspartei gegen Entgelt das Recht erwirbt, an einem bestimmten Tag (Erfüllungstag) zwei Währungsbeträge zu einem im Vorhinein festgelegten Kursverhältnis (Basispreis) auszutauschen (Call Option: Kaufrecht; Put Option: Verkaufsrecht). Beispiel (Devisenoption): Unternehmen A erwarb am 31.10.2020 eine Forderung gegen Unternehmen B iHv. 10.000 US-$ (= 9.000 EUR) fällig am 1.4.2022. Zur Absicherung von Kursrisiken hat A zeitgleich ein Devisenoptionsgeschäft (Put-Option 10.000 US-$ zum Kurs v. 0,90 am 1.4.2022) geschlossen. Zum Bilanzstichtag 31.12.2020 ist der Wechselkurs auf 0,80 gesunken (10.000 US-$ = 8.000 EUR).

Folgt man streng dem Einzelbewertungsgrundsatz des § 253 Abs. 4 HGB, sind auch in den Fällen der Währungsabsicherung das Grundgeschäft (Forderung gegen Unternehmen B) und das Sicherungsgeschäft (Devisenoptionsgeschäft) einzeln zu bewerten. Das Zusammenwirken des handelsrechtlichen Imparitätsprinzips und Realisationsprinzips, nach denen unrealisierte Gewinne bei der Bilanzierung nicht berücksichtigt werden, während unrealisierte Verluste abzubilden sind, bildet in diesen Fällen den wirtschaftlichen Gehalt der Sicherungsbeziehungen nicht hinreichend ab. Aufgrund der zeitlichen Verschiebung, die daraus resultiert, dass Verluste bereits dann zu berücksichtigen sind, wenn sie lediglich drohen (Imparitätsprinzip), während Gewinne erst mit ihrer Realisation Berücksichtigung finden (Realisationsprinzip), werden in Fällen der Währungsabsicherung trotz einer wirtschaftlich insgesamt neutralen Gesamtbeziehung (vollständig wirksame Sicherungsbeziehung) in der Bilanz Verluste ausgewiesen, die niemals eintreten werden. Dies kann bei großen Absicherungsvolumina und hoher Volatilität durchaus zu einer Beeinträchtigung der Aussagefähigkeit der Bilanzierung führen.73 Dies sei anhand des zuvor genannten Beispiels verdeutlicht: Bei strikter Einzelbewertung des Grundgeschäfts (Forderung gegen Unternehmen B) und des Sicherungsgeschäfts (Put-Option) ist die Forderung in der Handelsbilanz gem. § 253 Abs. 4 HGB auf ihren niedrigeren Teilwert iHv. 8.000 EUR abzuschreiben. Der Gewinn aus der Put-Option ist jedoch noch nicht realisiert und findet damit als schwebendes Geschäft keinen Eingang in die Handelsbilanz. 73 Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 1997, 637; Gröne, StB 2018, 250.

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Albrecht/Anzinger, Wechselkurse und Währungsabsicherung Obwohl der Verlust aus dem Grundgeschäft durch die Put-Option ausgeglichen und daher nie eintreten wird, ist er dennoch zunächst bilanziell auszuweisen.

Bereits im Tagungsband 2016/2017 wurde das Thema der Bewertungseinheiten behandelt und danach gefragt, ob ein abgesichertes Risiko bei der Bilanzierung überhaupt berücksichtigt werden könne, „weil ein gesichertes Risiko, soweit die Sicherung effektiv ist, eigentlich gar kein Risiko mehr ist“.74

1. Bildung von Bewertungseinheiten im Handelsrecht Mit dem Ziel, den wirtschaftlichen Gehalt einer solchen Absicherungsbeziehung auch bilanziell korrekt darzustellen, wurde bereits lange vor ihrer gesetzlichen Fixierung die Bildung von Bewertungseinheiten als Grundsatz ordnungsmäßiger Bilanzierung in der Literatur vertreten. Jedoch waren Anwendung und Umfang eines solchen Grundsatzes damals unklar und uneinheitlich. Möglich oder eventuell sogar verpflichtend sollte eine kompensatorische Bewertung wohl dann sein, wenn die strikte Berücksichtigung des Einzelbewertungsgrundsatzes iVm. dem Imparitätsprinzip dazu führen würde, dass ein den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens widersprechendes Bild entsteht (Gesichtspunkt des „True and fair view“).75 a) Gesetzliche Verankerung in § 254 HGB Diese Überlegungen hat der Gesetzgeber aufgegriffen und für Abschlüsse nach dem 31.12.2009 beginnender Geschäftsjahre mit dem BilMoG76 den § 254 HGB eingeführt. Hiernach sind nunmehr ausdrücklich in den Fällen, in denen Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme aus dem Eintritt vergleichbarer Risiken mit Finanzinstrumenten zusammengefasst werden (Bewertungseinheit), § 294 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 3 und 4, § 253 Abs. 1 Satz 1 und § 256a HGB in dem Umfang und für den Zeit74 Hennrichs/Hörhammer, StbJb. 2016/2017, 327 (328). 75 BFH v. 2.12.2015 – I R 83/13, BStBl. II 2016, 831 = FR 2016, 812 m. Anm. Weber-Grellet, juris, Rz. 27 mwN. Siehe hierzu auch Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 1997, 637 ff.; Hennrichs/Hörhammer, StbJb. 2016/2017, 327 (328 f. mwN). 76 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechtes (BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102.

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raum nicht anzuwenden, in dem sich die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme ausgleichen. Die Vorschrift sollte gesetzlich klarstellen, in welchem Umfang die Bildung von Bewertungseinheiten zulässig ist und welche Anforderungen an ihre Bildung zu stellen sind. Dabei hat sich der Gesetzgeber auf die grundsätzliche Überlegung gestützt, dass die aus einem Grundgeschäft resultierenden Risiken durch den Einsatz von Sicherungsinstrumenten – wirtschaftlich betrachtet – neutralisiert werden können. Mit dem Ziel der bilanziellen Abbildung dieses wirtschaftlichen Gehalts schränkt er in § 254 HGB das Imparitätsprinzip, das Realisationsprinzip und den Einzelbewertungsgrundsatz ein. Damit bleiben nicht realisierte Verluste insoweit bilanziell unberücksichtigt, als ihnen in gleicher Höhe nicht realisierte Gewinne gegenüberstehen, also soweit der Eintritt der abgesicherten Risiken ausgeschlossen ist. Diese Frage, inwieweit sich innerhalb der Sicherungsbeziehung die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme tatsächlich ausgleichen, ist dabei zu jedem Bilanzstichtag erneut zu prüfen.77 Mit § 254 HGB wird die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens stärker als bisher an den tatsächlichen (wirtschaftlichen) Verhältnissen eines Unternehmens orientiert.78 aa) Arten von Bewertungseinheiten Für die Beurteilung der Sicherungsbeziehungen werden drei Arten von Bewertungseinheiten unterschieden. Bei einem Micro-Hedge wird das Grundgeschäft unmittelbar durch ein Sicherungsgeschäft (betrags- und zeitidentisch) abgesichert (1:1-Sicherungsbeziehung). Bei einem Portfolio-Hedge wird das Risiko mehrerer gleichartiger Grundgeschäfte durch ein oder mehrere Sicherungsinstrumente (bei Risikohomogenität) abgesichert. Der Portfolio-Hedge knüpft damit nicht an Risiken eines einzelnen Grundgeschäfts an. Im Rahmen eines Macro-Hedges werden ganze Gruppen von Grundgeschäften hinsichtlich ihrer risikokompensierenden Wirkung zusammenfassend betrachtet. § 254 HGB umfasst dabei alle Arten von Bewertungseinheiten.79 Zudem können auch antizipative

77 BT-Drucks. 16/10067, 57 f.; IDW RS HFA 35, Rz. 4. 78 BT-Drucks. 16/10067, 59; s. auch die Beispiele bei Gröne, StB 2018, 250 ff. 79 BT-Drucks. 16/10067, 58; IDW RS HFA 35, Rz. 16 ff.; Gröne, StB 2018, 250 (251).

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Hedges gebildet werden, die der Absicherung der Risiken zukünftiger Grundgeschäfte dienen.80 Eine Abgrenzung zwischen Portfolio- und Macro-Hedges ist mangels gesetzlicher Definition nicht immer zweifelsfrei möglich,81 erscheint für den vorliegenden Beitrag aber auch nicht erforderlich. Im Folgenden soll sich auf die Betrachtung von Micro-Hedges beschränkt werden, da Portfolio- und Macro-Hedges in der Praxis wohl eher speziell bei Kredit- und anderen Finanzdienstleistungsinstituten zu finden sein dürften.82 Im Rahmen eines Micro-Hedges kann beispielsweise eine Fremdwährungsforderung durch ein gegenläufiges und fristenidentisches Termingeschäft abgesichert werden.

Mit der Bildung einer Bewertungseinheit wird nicht mehr das Grundgeschäft bewertet, sondern das abgesicherte Grundgeschäft als Gesamtheit. bb) Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 254 HGB Voraussetzung für die Bildung einer Bewertungseinheit ist zunächst das Vorliegen eines Grundgeschäfts, das mit einem Risiko behaftet ist, und eines Sicherungsgeschäfts, das dieses Risiko absichert. Der Umfang von möglichen Grund- und Sicherungsgeschäften unterscheidet sich. Während Grundgeschäfte im Rahmen einer Bewertungseinheit Vermögensgegenstände (Debitoren, Ausleihungen, Aktien, Vor80 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1724. Ausführlich zu den Voraussetzungen für antizipative Bewertungseinheiten (erwartete Transaktionen müssen eindeutig identifizierbar sein; Zahlungsströme müssen rechtszeitig zur Verfügung stehen; zu jedem Bilanzstichtag zu prüfen ist, ob das erwartete und abgesicherte Grundgeschäft wie geplant eintreten wird) s. IDW RS HFA 35, Rz. 60–64. 81 IDW RS HFA 35, Rz. 20; Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1722. 82 Zu Portfolio- und Macro-Hedging siehe bspw. Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 1997, 637 ff.

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räte), Schulden oder schwebende Geschäfte (zB Liefer- und Kaufverpflichtungen) sein können,83 ist der Kreis der möglichen Sicherungsinstrumente auf Finanzinstrumente (originäre Finanzinstrumente [Aktien, Kredite und Anleihen] und derivative Finanzinstrumente [Optionen, Forwards und Futures]) beschränkt.84 Die für diesen Beitrag interessierenden Fremdwährungsverbindlichkeiten können unproblematisch Grundgeschäfte einer Bewertungseinheit sein. § 254 HGB legt vier handelsrechtliche Voraussetzungen für die Bildung einer Bewertungseinheit aus Grund- und Sicherungsgeschäft fest: –

Vergleichbare Risiken von Grund- und Sicherungsgeschäft und eine objektive Eignung zur Absicherung;



zumindest partielle Fristen- und Betragskongruenz;



fortwirkende Dokumentation des gewünschten Sicherungszusammenhangs und



Durchhalteabsicht85.

83 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1722; Gröne, StB 2018, 250 (251): Keine Grundgeschäfte können Rechnungsabgrenzungsposten, Eigenkapitalinstrumente sowie Eventualverbindlichkeiten sein. 84 BT-Drucks. 16/10067, 58; Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1722; aA wohl Zwirner/Busch, DB 2012, 2641 (2642), die unter den Begriff des Finanzinstruments alle Vereinbarungen fassen, die einen Anspruch auf Zahlungsmittel oder Zahlungsmitteläquivalente gewähren (mithin auch Forderungen und Verbindlichkeiten auf Geldleistungen sowie liquide Mittel). Gröne, StB 2018, 250 (251) schränkt den Kreis richtigerweise dahingehend ein, dass es sich um in die Zukunft gerichtete Geschäfte handeln muss, deren Wertentwicklung von derjenigen eines bestimmten Bezugsobjekts determiniert wird. 85 Ausführlicher hierzu s. beispielsweise Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1722. Zur Durchhalteabsicht ausführlich auch IDW RS HFA 35, Rz. 47. Siehe auch Hennrichs/Hörhammer, StbJb 2016/2017, 327 (330 f.), wobei bei dem auf Seite 331 f. gebildeten Beispiel die Absicherungseigenschaft des Sicherungsgeschäfts durchaus hinterfragt werden kann. Ähnlich großzügig mit dem Merkmal des gewollten Sicherungszusammenhangs zwischen Grund- und Sicherungsgeschäft sind Zwirner/Busch, DB 2012, 2641 (2643 ff.) in ihren Beispielen. Eine bloß zufällige Gegenüberstellung von Fremdwährungsforderungen und Fremdwährungsverbindlichkeiten am Bilanzstichtag soll für die Bildung einer Bewertungseinheit aber gerade nicht ausreichen. Bereits im Zeitpunkt der Begründung der Bewertungseinheit muss deren Eignung zur Absicherung der Risiken objektiv gegeben sein. Eine missbräuchliche (nachträgliche) Bildung soll verhindert werden (BT-Drucks. 16/10067, 58). Das Sicherungsgeschäft muss ein bestimmtes Risiko des Grundgeschäfts absi-

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Alle Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Sobald eine Voraussetzung nicht erfüllt ist, müssen Grund- und Sicherungsgeschäft nach den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen einzeln bewertet werden.86 Voraussetzung für die Bildung einer Bewertungseinheit gem. § 254 Satz 1 HGB ist die Absicherung „vergleichbarer Risiken“. Grund- und Sicherungsgeschäft müssen daher demselben Risiko bzw. denselben Risiken unterliegen. Hierbei sind nur eindeutig ermittelbare einzelne Risiken, wie beispielsweise das Währungsrisiko absicherungsfähig. Im Rahmen der Absicherung des allgemeinen Unternehmerrisikos können demgegenüber keine Bewertungseinheiten gebildet werden. Damit soll verhindert werden, dass sich zufällig ausgleichende Wertänderungen oder Zahlungsströme, die aus unterschiedlichen Risiken resultierten, in einer Bewertungseinheit zusammengefasst werden. Das Sicherungsinstrument muss zur Absicherung gegen das spezifizierte Risiko des Grundgeschäfts geeignet und wirksam sein.87 Dabei muss jedoch nicht das gesamte Volumen oder die gesamte Laufzeit eines Grundgeschäfts durch ein Sicherungsgeschäft abgesichert werden. Die Bildung von Bewertungseinheiten ist auch möglich, wenn nur ein Teil des Grundgeschäfts gegen ein spezifiziertes Risiko abgesichert wurde.88 Zudem ist der Wille des Bilanzierenden zur handelsbilanziellen Berücksichtigung der Absicherung zu dokumentieren und die Wirksamkeit der gebildeten Bewertungseinheiten zu überwachen. Bereits im Zeitpunkt der Begründung einer Bewertungseinheit muss deren Eignung zur Absicherung der Risiken objektiv gegeben sein. Dabei werden an die MicroHedges geringere Dokumentationspflichten gestellt als an Portfolio-

chern (IDW RS HFA 35, Rz. 3 und 11; Drewes, DStR 2011, 1967: „Absicherungsstrategie“; Gröne, StB 2018, 250 [252], der die Durchhalteabsicht und -wahrscheinlichkeit als Voraussetzung ansieht, um eine Nutzung der Bewertungseinheiten als kurzfristiges Instrument der Bilanzpolitik zu verhindern). Hierzu sogleich auch unter dem Aspekt vergleichbarer Risiken. 86 BT-Drucks. 16/10067, 58; IDW RS HFA 35, Rz. 3 ff.; Drewes, DStR 2011, 1967. 87 IDW RS HFA 35, Rz. 25 f.; Gröne, StB 2018, 250 (251 f.). Letzte Problematik spielt im vorliegenden Themenkomplex „Währungsabsicherung“ keine Rolle, da das Währungsrisiko, so wie auch das Zins-, Ausfall- und Preisänderungsrisiko, unproblematisch als eindeutig ermittelbares einzelnes Risiko angesehen wird. 88 IDW RS HFA 35, Rz. 33.

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und Macro-Hedges.89 Zudem erfordern die nach § 285 Nr. 23 bzw. § 314 Abs. 1 Nr. 15 HGB zu erfüllenden (Konzern-)Anhangangabepflichten eine solche Dokumentation. Die Gesetzesbegründung verweist im Zusammenhang mit den Anhangangaben zur Bildung von Bewertungseinheiten auf den engen Zusammenhang zu den im Lagebericht notwendigen Ausführungen zum Risikomanagement der Gesellschaft iSd. § 289 Abs. 2 Nr. 2a HGB.90 Die Überwachung der Absicherung hat an jedem nachfolgenden Bilanzstichtag erneut zu erfolgen. Dabei muss der Bilanzierende für jedes abgesicherte Risiko an jedem Bilanzstichtag beurteilen und dokumentieren, ob sich die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme im Rahmen der Sicherungsbeziehung auch weiterhin in Zukunft voraussichtlich ausgleichen werden und den Betrag berechnen, in Höhe dessen die Sicherungsbeziehung in der Berichtsperiode ggf. unwirksam war.91 Ziel der strengen Voraussetzungen für die Bildung einer Bewertungseinheit ist es, zu verhindern, dass sich der Kaufmann mit diesem Instrument reicher rechnet als er tatsächlich ist. „Die Bildung von Bewertungseinheiten dient allein der Risikoabsicherung, nicht der Steuerung des Jahresergebnisses.“92 Nur soweit alle Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, dürfen daher Grundgeschäft und Sicherungsinstrument für Zwecke der handelsrechtlichen Rechnungslegung in einer Weise verknüpft werden, als ob ein einheitliches neues Bewertungsobjekt bestünde.93 Die gesetzlichen Vorgaben des § 254 HGB und der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers zeugen vom Ausnahmecharakter des Instruments der Bewertungseinheit. Ein Abweichen von den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen soll ausschließlich in festen, engen Grenzen möglich sein. Dieser Gedanke wird bei den Überlegungen zur steuerlichen Reichweite einer in der Handelsbilanz gebildeten Bewertungseinheit noch einmal aufzugreifen sein.

89 BT-Drucks. 16/10067, 58; IDW RS HFA 35, Rz. 3 ff. Ausführlich zu den Dokumentationspflichten auch IDW RS HFA 35, Rz. 14 und Rz. 41 ff. Siehe hierzu auch Gröne, StB 2018, 250 (252); Zwirner/Busch, DB 2012, 2641 (2643). 90 BT-Drucks. 16/10067, 73; IDW RS HFA 35, Rz. 41. 91 IDW RS HFA 35, Rz. 50. Ausführlich zu den Methoden zur Beurteilung der Wirksamkeit in Rz. 52–59. 92 BT-Drucks. 16/10067, 59. 93 IDW RS HFA 35, Rz. 4.

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cc) Bilanzielle Folgen aus der Anwendung des § 254 HGB Ab dem Zeitpunkt der bilanziellen Begründung einer Bewertungseinheit finden § 249 Abs. 1 HGB (Verlustrückstellungen), § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB (Grundsatz der Einzelbewertung), § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB (Vorsichts- und Realisationsprinzip), § 253 Abs. 1 Satz 4 HGB (Anschaffungshöchstwertgrenze) und § 256a HGB (erfolgswirksame Währungsumrechnung) keine Anwendung auf ihre einzelnen Bestandteile. Vielmehr wird die Bewertungseinheit bilanziell als Ganzes betrachtet. Soweit sich die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme von Grund- und Sicherungsgeschäft hinsichtlich des abgesicherten Risikos ausgleichen, die Sicherungsbeziehung also wirksam ist, werden sie saldiert.94 Sollte die Sicherungsbeziehung teilweise unwirksam sein, wird dieser Teil nach den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen einzeln bewertet. Soweit nach Saldierung folglich ein Verlustüberhang verbleibt, ist dieser tatsächlich drohende Verlust in der Handelsbilanz – unabhängig davon, ob er aus dem Grund- oder aus dem Sicherungsgeschäft resultiert – auszuweisen (Rückstellung für drohende Verluste aus Bewertungseinheiten). Soweit nach Saldierung ein positives Ergebnis verbleibt, bleibt dieses zunächst bilanziell unberücksichtigt (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB).95 Im Rahmen einer wirksamen Sicherungsbeziehung können sich aber nur die seit Bildung einer Bewertungseinheit eingetretenen Wert- bzw. Zahlungsstromänderungen gegenseitig ausgleichen. Sollten Grund- und/ oder Sicherungsgeschäft bereits vor der Bildung der Bewertungseinheit im Vermögen des Bilanzierenden gewesen sein, müssen diese zum Zeitpunkt der Bildung der Bewertungseinheit letztmalig nach den allgemeinen Grundsätzen bilanziert und bewertet werden. Erst im Weiteren erfolgt dann eine kompensatorische Bewertung.96 b) Bilanzierungsmethoden bei Bewertungseinheiten Das Ziel, die kompensatorische Bewertung bilanziell darzustellen, kann auf zwei Arten erreicht werden: Entweder mit der sog. Einfrierungsmethode oder mit der sog. Durchbuchungsmethode. 94 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1724; IDW RS HFA 35, Rz. 49; Drewes, DStR 2011, 1967 (1968); Gröne, StB 2018, 250 (252). 95 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG, Rz. 1724; IDW RS HFA 35, Rz. 6 und 70; Rimmelspacher/Fey, WPg. 2013, 994 (995). 96 IDW RS HFA 35, Rz. 71.

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Beide Methoden unterscheiden sich hinsichtlich des Ausweises der Wertänderungen aufgrund des wirksam abgesicherten Risikos in der Bilanz. Bei der Einfrierungsmethode bleiben die bisherigen Wertansätze bestehen. Sie werden „eingefroren“. Der wirksame Teil der Sicherungsbeziehung wird außerbilanziell in einer Nebenrechnung erfasst und dokumentiert. Bei der Durchbuchungsmethode werden die Wertansätze entsprechend den Wertänderungen vermindert oder erhöht. Im Gegenzug wird ein positiver Saldo als sonstiger Vermögensgegenstand (§ 266 Abs. 2 B.II.4. HGB) aktiviert oder ein negativer Saldo durch eine Rückstellung für Bewertungseinheiten unter den sonstigen Rückstellungen (§ 266 Abs. 3 B.3. HGB) ausgewiesen. Die sich ausgleichenden positiven und negativen Wertänderungen können ohne Berührung der Gewinnund Verlustrechnung oder aber auch „durch die Gewinn- und Verlustrechnung“ erfasst werden. Aufgrund der aus der Durchbuchungsmethode resultierenden nachträglichen Veränderungen der Anschaffungskosten und damit einhergehenden Auswirkungen auch bei Beendigung der Bewertungseinheit wird sowohl vom IDW als auch von der FinVerw. der Einfrierungsmethode der Vorzug gegeben.97 Der Wortlaut von § 254 HGB schließt aber weder die eine noch die andere Methode aus. Nach der Gesetzesbegründung besteht ein Wahlrecht zwischen der sog. Einfrierungsmethode und der sog. Durchbuchungs97 Schreiben zur steuerlichen Gewinnermittlung bei der Bildung von Bewertungseinheiten (§ 5 Abs. 1a Satz 2 EStG), BMF v. 25.8.2010 – IV C 6 - S 2133/ 07/10001 – DOK 2009/0743135, DB 2010, 2024; IDW RS HFA 35, Rz. 76 und 80 ff. Zur Darstellung beider Methoden siehe auch Hick in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1736; Hennrichs/Hörhammer, StbJb. 2016/2017, 327 (332 f.); Gröne, StB 2018, 250 (252 f.); Rimmelspacher/Fey, WPg. 2013, 994 (995); Zwirner/Busch, DB 2012, 2641 (2643).

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methode.98 Die jeweils angewandte Methode unterliegt jedoch dem Grundsatz der Stetigkeit.99 Beispiel (Bilanzierungsmethoden): Ein Unternehmen erwirbt am 30.6.2020 eine Fremdwährungsforderung iHv. 1 Mio. US-$ (= 1 Mio. EUR) und sichert den Währungskurs durch ein Devisentermingeschäft ab. Zum Bilanzstichtag 31.12.2020 entspricht die Forderung iHv. 1 Mio. US-$ nur noch 0,8 Mio. EUR. Einfrierungsmethode: – Forderung wird zum 31.12.2020 mit 1 Mio. EUR bilanziert – Devisentermingeschäft bleibt unberücksichtigt

Durchbuchungsmethode: – Forderung wird zum 31.12.2020 mit 0,8 Mio. EUR bilanziert – Aktivierung des Devisentermingeschäfts als sonstiger Vermögensgegenstand mit 0,2 Mio. EUR

c) Pflicht zur Bildung von Bewertungseinheiten? Erklärtes Ziel der Bildung und Bilanzierung von Bewertungseinheiten iSv. § 254 HGB ist es, den wirtschaftlichen Gehalt eines Grund- und Absicherungsgeschäfts bilanziell darzustellen. Um dieses Ziel effektiv zu erreichen, müssten Bewertungseinheiten bei Vorliegen ihrer gesetzlichen Voraussetzungen verpflichtend gebildet werden. Denn die strikte Anwendung des Einzelbewertungsgrundsatzes in Sicherungsbeziehungen führt zu bilanziellen Ergebnissen, die die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nicht korrekt wiedergeben. Dennoch sieht der Gesetzeswortlaut des § 254 HGB eine solche Pflicht zur Bildung einer Bewertungseinheit nicht ausdrücklich vor. Er bleibt an dieser Stelle unklar. Auch aus den Gesetzesmaterialien zu § 254 HGB lassen sich keine zuverlässigen Schlüsse ziehen. BGH-Rspr. zu dieser Fragestellung gibt es ebenfalls nicht. Der BFH scheint die Bildung von handelsrechtlichen Bewertungseinheiten als Wahlrecht und nicht als gesetzliche Verpflichtung anzusehen. Er stellt im Bereich des Steuerrechts darauf ab, dass § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG seine Rechtsfolgen an eine in der Handelsbilanz tatsächlich gebildete Bewertungseinheit knüpft und geht auf die gesetzlichen Voraussetzungen des § 254 HGB nicht ein.100

98 BT-Drucks. 16/10067, 59. 99 IDW RS HFA 35, Rz. 79 und 81. 100 BFH v. 2.12.2015 – I R 83/13, BStBl. II 2016, 831 = FR 2016, 812 m. Anm. Weber-Grellet, juris, Rz. 24.

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In der Literatur wird teilweise ausdrücklich von einem echten Wahlrecht gesprochen.101 Andere sehen aufgrund der strengen Dokumentationsvoraussetzungen der Norm jedenfalls ein faktisches Wahlrecht zur Bildung einer Bewertungseinheit als gegeben an.102 Der Gesetzgeber stellt in § 254 HGB auf innere Tatsachen des Kaufmanns ab und verlangt, dass im Zeitpunkt der Begründung einer Bewertungseinheit beim Kaufmann auch die Absicht zur Risikoabsicherung bestehe und diese Absicht bis zur Erreichung des Zwecks beibehalten werde.103 Soweit der Kaufmann seinen Sicherungswillen nicht dokumentiert und die Sicherungseignung nicht laufend überprüft, darf er keine Bewertungseinheit bilden und muss es faktisch damit auch nicht. Ein Unternehmen kann in eigener Verantwortung darüber entscheiden, ob es ein bestimmtes Risiko durch ein Sicherungsinstrument absichern möchte oder eben auch nicht. § 254 HGB setzt dabei eine bewusste Entscheidung des Bilanzierenden voraus, die auch bei gleichartigen Sachverhalten jeweils unterschiedlich ausfallen kann. Gegen den Willen des Kaufmanns aus objektiven Kriterien auf seinen Sicherungswillen zu schließen, dürfte selbst bei den überschaubaren Micro-Hedges praktisch unmöglich sein. Bei einer großen Anzahl von möglichen Sicherungsbeziehungen erscheint es ausgeschlossen. Damit eröffnet § 254 HGB rechtlich und faktisch Gestaltungsspielräume für Unternehmen. Ob dies der Zielsetzung des Gesetzgebers entspricht, kann zumindest bezweifelt werden.104 Teilweise wird aus der fehlenden gesetzgeberische Reaktion auf das in der Literatur vertretene Wahlrecht von einer schweigenden Bestätigung geschlossen.105 Dem alten Rechtsgrundsatz „Wer schweigt, wo er (wider)sprechen sollte und konnte, dem wird Zustimmung unterstellt“ („qui tacet consentire videtur, ubi loqui debuit atque potuit“106) zu fol101 Zwirner/Busch, DB 2012, 2641 (2643); Gröne, StB 2018, 250 (252 mwN); Rimmelspacher/Fey, WPg. 2013, 994 (995). 102 So bereits Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 1997, 637 ff., der weit vor der gesetzlichen Regelung nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen bei Vorliegen der nunmehr gesetzlich verankerten Voraussetzungen eine Pflicht zur Bildung von MicroHedges annahm, jedoch ein praktisch gelebtes (faktisches) Bilanzierungswahlrecht sah. Siehe auch IDW RS HFA 35, Rz. 12; Hick in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1730. 103 BT-Drucks. 16/10067, 59. 104 Siehe hierzu auch Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1730; IDW RS HFA 35, Rz. 11 f. 105 Gröne, StB 2018, 250 (252). 106 Papst Bonifatius VIII. (1235–1303), Liber sextus decretalium 5,12,43.

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gen, erscheint jedoch vorliegend sehr weitgreifend. Es wird vielmehr dafür plädiert, am ehernen Grundsatz des deutschen Rechts festzuhalten, dass schlichtes Schweigen keinen Erklärungswert besitzt, auch nicht bei einem Gesetzgeber. Eine Grenze für die freie Gestaltung der Bilanz mit Hilfe von Bewertungseinheiten ergibt sich neben den strengen Voraussetzungen des § 254 HGB auch aus dem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit des § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB. Einmal gebildete Bewertungseinheiten dürfen nicht ohne sachlichen Grund wieder aufgelöst werden.107 Hinsichtlich zweier bereits bestehender, bisher bilanziell nicht in einer Bewertungseinheit zusammengefasster Geschäfte wird demgegenüber jedoch unproblematisch von der Möglichkeit einer späteren Zusammenfassung ausgegangen.108 Aber auch hier dürfte zu überlegen sein, ob der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit einer nachträglichen Zusammenfassung dieser Geschäfte in einer Bewertungseinheit nicht Grenzen aufzeigt. Wenn der Kaufmann sich einmal dazu entschieden hat, den (von ihm nachzuweisenden) Sicherungszusammenhang zwischen Grund- und Sicherungsgeschäft bilanziell nicht in einer Bewertungseinheit zusammenzufassen, dürfte er an diesen Entschluss über § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB grundsätzlich auch in späteren Jahresabschlüssen gebunden sein. Soweit sich die spätere Bildung der Bewertungseinheit steuerlich jedoch zu Lasten des Stpfl. auswirkt, wird sich die FinVerw. in der Praxis sicherlich einer solchen Bildung in der Steuerbilanz (bei korrespondierender Bildung auch in der Handelsbilanz) nicht widersetzen.

2. Bildung von Bewertungseinheiten in der Steuerbilanz Im Bereich des Steuerrechts wurde bereits vor Einführung des § 254 HGB mit § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG eine gesetzliche Vorschrift erlassen, die auf die in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten ausdrücklich Bezug nimmt und diese als auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich erklärt.109 Die Neuregelung ist am 6.5.2006 in dem Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen in Kraft getreten; damals noch ohne gesetzliches Pendant im Handelsrecht.

107 Rimmelspacher/Fey, WPg. 2013, 994 (995 f.); Gröne, StB 2018, 250 (252). 108 IDW RS HFA 35, Rz. 71. 109 BT-Drucks. 16/10067, 57.

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Albrecht/Anzinger, Wechselkurse und Währungsabsicherung § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG: „Die Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten sind auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich.“ § 5 Abs. 4a EStG: „Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften dürfen nicht gebildet werden. Das gilt nicht für Ergebnisse nach Absatz 1a Satz 2.“

Mit § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG wird der Maßgeblichkeitsgrundsatz der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG durch eine spezielle Maßgeblichkeit für Zwecke der Berücksichtigung des Ergebnisses nach Handelsrecht gebildeter Bewertungseinheiten ergänzt. So erklärt sich auch die Verortung einer Bewertungsvorschrift in § 5 EStG. Es handelt sich um eine besondere Ausprägung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes.110 Während der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung von einer lediglich klarstellenden Regelung der Norm ausging, hat diesem Verständnis der BFH eine Absage erteilt und eine Rückwirkung verneint.111 § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG definiert den Begriff der Bewertungseinheit nicht selbst, sondern übernimmt die (inzwischen in § 254 HGB auch gesetzlich formulierte) handelsrechtliche Definition. Die Norm stellt – jedenfalls für zutreffend gebildete Bewertungseinheiten – eine Übernahme der konkreten handelsrechtlichen Bewertungsergebnisse in die Steuerbilanz sicher. Es erfolgt keine eigenständige steuerliche Bewertung der in eine Bewertungseinheit einbezogenen Wirtschaftsgüter, soweit die Sicherungsbeziehung wirkt.112 Ergibt die Überprüfung der handelsbilanziellen Ansätze, dass keine Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verletzt wurden, hat eine inhaltliche Überprüfung der Ansätze in der Steuerbilanz zu unterbleiben. Damit zielt das Gesetz auf einen Gleich110 Schreiben zur steuerlichen Gewinnermittlung bei der Bildung von Bewertungseinheiten (§ 5 Abs. 1a Satz 2 EStG), BMF v. 25.8.2010 – IV C 6 - S 2133/ 07/10001 – DOK 2009/0743135, DB 2010, 2024 mit zusätzlichen Ausführungen zu Bewertungseinheiten im Bereich der Pensionsverpflichtungen des § 6a EStG und Verweis auf BFH v. 25.2.2004 – I R 54/02, BStBl. II 2004, 654 = FR 2004, 891 m. Anm. Kanzler = GmbHR 2004, 968; Hick in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1720 und 1730; Drewes, DStR 2011, 1967. 111 BFH v. 2.12.2015 – I R 83/13, BStBl. II 2016, 831 = FR 2016, 812 m. Anm. Weber-Grellet, juris, Rz. 23. 112 Schreiben zur steuerlichen Gewinnermittlung bei der Bildung von Bewertungseinheiten (§ 5 Abs. 1a Satz 2 EStG), BMF v. 25.8.2010 – IV C 6 - S 2133/ 07/10001 – DOK 2009/0743135, DB 2010, 2024; Drewes, DStR 2011, 1967 (1968).

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klang des Verlustausweises in Steuer- und Handelsbilanz ab. Verluste, die in der Handelsbilanz aufgrund einer wirksamen Sicherungsbeziehung durch Bildung von Bewertungseinheiten nicht ausgewiesen werden, sollen auch steuerlich nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden dürfen. Soweit die Sicherungsbeziehung jedoch nicht greift (unvollständige Risikoabsicherung), finden auch im Steuerrecht wieder die allgemeinen (steuerlichen) Bewertungsgrundsätze Anwendung. Dies kann der Fall sein, wenn sich Grund- und Sicherungsgeschäft nicht betragsgleich gegenüberstehen oder wenn das Sicherungsgeschäft nicht alle Risiken des Grundgeschäfts absichert. Das verbleibende Risiko ist in diesem Fall dann nicht (mehr) Gegenstand der Bewertungseinheit und kann daher bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ggf. zu einer steuerlichen Teilwertabschreibung berechtigen. In Abhängigkeit von der jeweils gewählten Bilanzierungsmethode kann es zur korrekten Abbildung des wirtschaftlichen Gehalts der Bewertungseinheit auch in der Steuerbilanz erforderlich sein, die handelsbilanziell gebildeten Drohverlustrückstellungen zu übernehmen. Dies sichert § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG iVm. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB mit einer gesetzlichen Ausnahme zum steuerlichen Verbot des Drohverlustausweises.113 § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG stellt laut Gesetzesbegründung eine Vereinfachungsregelung im Bereich der Portfolio- und Macro-Hedges dar, bei denen nicht klar unterschieden werden kann, was von einem negativen Gesamtsaldo einer großen Anzahl von in Bewertungseinheiten zusammengefasster Geschäfte anteilig auf Teilwertabschreibungen, -zuschreibungen oder auf handelsrechtliche Drohverlustrückstellungen zurückzuführen ist. Es handelt sich folglich um eine nur technisch als Rückstellung für drohende Verluste bezeichnete Handelsbilanzposition im Rahmen der Bilanzierung von Portfolio- und Macro-Hedges.114 Da eine kompensatorische Bewertung innerhalb von Bewertungseinheiten 113 Bei Durchbuchungsmethode: „Rückstellungen für Bewertungseinheiten“. Nicht umfasst von § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG sind jedoch die außerhalb des Regelungsbereichs des § 254 HGB handelsrechtlich auszuweisenden „Rückstellungen für drohende Verluste aus Bewertungseinheiten“ bei teilweise unwirksamer Sicherungsbeziehung. 114 BT-Drucks. 16/634, 10. Die Gesetzesmaterialien lassen darauf schließen, dass der Gesetzgeber für diese Ausnahme allein Portfolio- und Macro-Hedges im Blick hatte, da von einer „Zusammenfassung von u. U. einer Vielzahl von Grund- und Sicherungsgeschäften zum Zwecke der kompensatorischen Bewertung“ gesprochen wird (BT-Drucks. 17/749, 2).

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aus fiskalischer Sicht als per Saldo grundsätzlich vorteilhaft angesehen wird, wird diese Ausnahme vom Passivierungsverbot in der Literatur als gerechtfertigt angesehen.115 Dies mag in den vom Gesetzgeber betrachteten Fällen der Portfolio- und Macro-Hedges und zur bilanziellen Umsetzung der Durchbuchungsmethode innerhalb funktionierender Sicherungsbeziehungen zu befürworten sein. Eine Einbeziehung des Teils der inaktiven Sicherungsbeziehung einer Bewertungseinheit bei den leicht überschaubaren Micro-Hedges in den Anwendungsbereich der Norm erscheint demgegenüber jedoch als zu weitgehend und nicht vom Willen des Gesetzgebers gedeckt. § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG bezieht sich auf die Ergebnisse der gebildeten Bewertungseinheiten iSd. § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG, mithin auf den Bereich, in dem die Sicherungsbeziehung aktiv ist. Eine Bewertungseinheit, die von § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG vorausgesetzt wird, besteht aber nur solange und in dem Umfang, in dem sich die aus ihr ergebenden gegenläufigen Wertänderungen ausgleichen. Solange dies der Fall ist, kann es – abgesehen von dem im Ergebnis neutralen Ausweis bei der sog. Durchbuchungsmethode – bei einem Micro-Hedge aber zu keinem Ausweis einer den steuerlichen Gewinn mindernden Drohverlustrückstellung kommen. Ein etwaiger Ausweis ist daher immer auf den ineffektiven Teil der Sicherungsbeziehung zurückzuführen, der die Bewertungseinheit bereits handelsrechtlich und damit auch steuerrechtlich jedoch verlassen hat. Führt eine Saldierung von Gewinnen und Verlusten einer Bewertungseinheit im Ergebnis daher zu einem negativen Saldo, finden auf diesen Teil weder § 254 HGB noch § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG sowie § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG Anwendung. Der verbleibende Drohverlust ist nicht Bestandteil der Bewertungseinheit, sondern nach den allgemeinen handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften in der Handelsbilanz und nach den allgemeinen steuerlichen Bewertungsvorschriften (einschließlich der Berücksichtigung des Verbots des § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG) in der Steuerbilanz zu beurteilen.116 a) Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG stellt ausweislich seines Wortlauts auf die Ergebnisse der handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften ab. Im

115 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1736a. 116 AA Rade/Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 2065.

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Gegensatz zu § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, der auf handelsrechtliche Rechtsgrundsätze verweist und damit eine Prüfung der korrekten Anwendung dieser Grundsätze im jeweiligen Einzelfall ausdrücklich ins Steuerrecht übernimmt, blickt § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG seinem Wortlaut nach auf die „Ergebnisse“ und nicht auf die „Vorschriften“ als solche. Dies könnte der Entstehungsgeschichte der Norm geschuldet sein, bei deren Inkrafttreten es noch keine gesetzlich normierten handelsrechtlichen „Vorschriften“ gab, so dass ein Verweis auf diese nicht möglich war. Die Gesetzesmaterialien beantworten diese Frage jedoch nicht, so dass die Prüfreichweite des Steuerrechts im Bereich der Bewertungseinheiten kritisch hinterfragt werden kann. Dabei erscheint die rechtliche Beurteilung zweier Fallgruppen in der Steuerbilanz interessant: –

Eine Bewertungseinheit ist in der Handelsbilanz nicht gebildet worden, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.



Eine Bewertungseinheit ist in der Handelsbilanz gebildet worden, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Hinsichtlich der ersten Fallgruppe stellt der BFH auf die tatsächliche Bildung der Bewertungseinheit in der Handelsbilanz ab117 und scheint damit von einem handelsrechtlichen Wahlrecht des Stpfl. auszugehen, was über § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG auch in die Steuerbilanz hineinwirkt. Die Bildung einer Bewertungseinheit in der Handelsbilanz ist damit zwingende Voraussetzung für die Anwendung des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG in der Steuerbilanz.118 Dem folgend ist in der ersten Fallgruppe auch in der Steuerbilanz keine Bewertungseinheit zu bilden. Soweit der Stpfl. drohende Verluste, die durch die Sicherungsbeziehung kompensiert werden, in der Handelsbilanz dennoch ausweist, weil er auf die Bildung einer Bewertungseinheit in der Handelsbilanz verzichtet hat, wird er diese Verluste wohl auch steuerlich (zunächst) geltend machen können, soweit die steuerlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Aufgrund des zumindest faktisch bestehenden handelsbilanziellen Wahlrechts zur Bildung einer Bewertungseinheit und der gegenläufigen unternehmerischen Interessen im Handels- und im Steuerrecht kann der Stpfl. folglich abwägen, welche Folgen er erreichen möchte. Die Bildung von Bewertungseinheiten führt handelsrechtlich zu einem (gewünschten) 117 BFH v. 2.12.2015 – I R 83/13, BStBl. II 2016, 831 = FR 2016, 812 m. Anm. Weber-Grellet, juris, Rz. 24. 118 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1735. Zum Begriff der „handelsrechtlichen Rechnungslegung“ s. ausführlich in Rz. 1730.

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höheren Jahresergebnis und steuerrechtlich zu einem (eher unerwünschten) höheren Gewinn. Verzichtet der Stpfl. auf die Bildung von Bewertungseinheiten, erzielt er das umgekehrte Ergebnis. Damit sind gewisse unternehmerische Spielräume verbunden. Durch die geforderte Einheitlichkeit zwischen Handels- und Steuerbilanz wird aber zumindest ein „Rosinenpicken“ verhindert.

Soweit das Ergebnis der ersten Fallgruppe bei Akzeptanz eines zumindest faktisch bestehenden handelsrechtlichen Wahlrechts und dessen wohl systematisch zwingender Übernahme im Steuerrecht noch folgerichtig erscheint, stellt die zweite Fallgruppe eine größere dogmatische Herausforderung dar. Hier wurde eine Bewertungseinheit in der Handelsbilanz gebildet, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Im Rahmen der Bewertungseinheit unterbleibt damit der Ausweis tatsächlich drohender Verluste. Der Kaufmann hat sich reicher gerechnet, als er ist. Fällt dies nun erst im Besteuerungsverfahren auf, muss er dann seinen handelsbilanziell unrichtig ausgewiesenen Reichtum versteuern, wenn bei korrektem handelsbilanziellem Ausweis auch steuerrechtlich der Gewinn beispielsweise im Wege einer Teilwertabschreibung hätte gemindert werden können? Hier kommt es letztendlich zum Schwur, wie weit die in der Literatur hervorgehobene besondere formelle Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG119 reicht und ob zwingend in diesen Fällen zunächst eine Berichtigung der Handelsbilanz zu fordern ist oder sich das Steuerrecht nicht vor einem Blick über den konkreten Ausweis in der Handelsbilanz hinaus hin zu den ihm zugrundeliegenden handelsrechtlichen Vorschriften verschließen kann. 119 Hennrichs/Hörhammer, StbJb. 2016/2017, 327 (330 mwN).

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Zweck der gesetzlichen Normierungen ist unzweifelhaft ein grundsätzlicher Gleichlauf von handelsbilanzieller und steuerbilanzieller Beurteilung der in einer Bewertungseinheit zusammengefassten Wirtschaftsgüter und Verbindlichkeiten. Dennoch ist § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG eine besondere Ausprägung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG. Dieser bezieht sich auf die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und gibt damit den Rahmen der Geltung des Handelsrechts für das Steuerrecht vor. Dieser Rahmen der Rechtmäßigkeit der handelsrechtlichen Wirkungen in das Steuerrecht muss auch auf die Regelung des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG ausstrahlen. Er wirkt nicht nur gegen, sondern auch für den Stpfl. Dies hat zur Folge, dass nur rechtmäßig in der Handelsbilanz gebildete Bewertungseinheiten über § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG in die Steuerbilanz zu übernehmen sind.120 Mithin können drohende Verluste, die in der Handelsbilanz rechtswidrig durch die Bildung einer Bewertungseinheit nicht ausgewiesen worden sind, steuerlich dennoch geltend gemacht werden, soweit die steuerlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Ob man diese Geltendmachung von einer Berichtigung der Handelsbilanz abhängig machen kann, dürfte zumindest zweifelhaft sein. Denn der Einzelbewertungsgrundsatz des § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB wirkt über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG bindend in die Steuerbilanz hinein, sobald § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG iVm. § 254 HGB ihn nicht ausnahmsweise einschränken. Soweit jedoch bei der Bildung einer Bewertungseinheit in der Handelsbilanz nicht offensichtlich handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im Einzelfall verletzt worden sind, erfolgt bei der Übernahme der Bilanzierung der Bewertungseinheit in die Steuerbilanz keine weitere rechtliche Prüfung. b) Der Begriff der finanzwirtschaftlichen Risiken Eine weitere Diskussion über den Gleichklang zwischen Handels- und Steuerbilanz bei der Bildung von Bewertungseinheiten entstrickt sich um den Begriff der finanzwirtschaftlichen Risiken iSd. § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG. Eine gesetzliche Definition dieses Begriffs existiert im Steuerrecht nicht. Nach der Gesetzesbegründung sollen hierzu alle Sicherungsge-

120 AA wohl Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1735, der von einer gesetzlich angeordneten Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz ausgeht mit einer zwingenden Übernahme der konkreten handelsrechtlichen Bewertungseinheiten in die steuerliche Gewinnermittlung.

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schäfte zur Absicherung von Kursrisiken zählen,121 mithin unproblematisch auch das in diesem Beitrag interessierende Währungsrisiko. Die Begrenzung der steuerlichen Anerkennung von Bewertungseinheiten auf Sicherungsgeschäfte zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken soll eine Saldierung allgemeiner Verlustrisiken, die sich nicht einzelnen Geschäften oder betrieblichen Leistungen spezifisch zuordnen lassen, sondern aus dem allgemeinen Unternehmerrisiko resultierten, mit unrealisierten Gewinnen vermeiden.122 Demgegenüber spricht der Wortlaut des § 254 Satz 1 HGB von „zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme“ gebildeten Bewertungseinheiten. Der Begriff wird iS des Risikomanagements des § 91 Abs. 2 AktG ausgelegt und umfasst ebenfalls jedenfalls die vorliegend interessierenden Währungsrisiken (zudem auch Kursrisiken, Zinsänderungsrisiken, Bonitätsrisiken, Zahlungsverkehrsrisiken). Eine Bildung von Bewertungseinheiten zur Absicherung des allgemeinen Unternehmerrisikos (zB Inflation, technischer Fortschritt) wollte der Gesetzgeber auch mit dem Wortlaut des § 254 Satz 1 HGB ausschließen und hat dies in der Gesetzesbegründung ausdrücklich dargestellt.123 Die Wortlautdifferenzen zwischen § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG und § 254 Satz 1 HGB geben der Literatur Anlass zu Spekulationen über verschiedene Regelungsumfänge der beiden Normen. Auch hierbei darf aber die Entstehungsgeschichte beider Normen nicht außer Acht gelassen werden. Da § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG vor der Einführung des § 254 HGB erlassen worden ist, konnte sich der damalige Gesetzgeber nicht am konkreten Wortlaut der handelsrechtlichen Norm orientieren. Eine bewusste Abweichung im Wortlaut des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG, der eine Durchbrechung der speziellen Maßgeblichkeit in bestimmten Fällen regeln sollte, kann daher schon rechtshistorisch allein aus dem Wortlaut nicht abgeleitet werden.124 Auch dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG würde es widersprechen, wenn der Gesetzgeber durch seinen Wortlaut 121 BT-Drucks. 16/634, 10. Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1732: „Unter finanzwirtschaftlichen Risiken sind solche Risiken zu verstehen, die sich vor allem aus börsenmäßig ermittelten Preisänderungen für Währungen, Waren, Zinssätze, Optionen, Aktien, Obligationen uÄ ergeben und die durch Finanzinstrumente abgesichert werden können.“ 122 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1732. 123 BT-Drucks. 16/12407, 86; IDW RS HFA 35, Rz. 26; Hick in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1722. 124 AA wohl Hörhammer in Hennrichs/Hörhammer, StbJb. 2016/2017, 327 (339).

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eine gestaltungsanfällige Rückausnahme eingebaut hätte. Durch die Norm sollten Verluste, die aufgrund der Sicherung wirtschaftlich nicht eintreten können und deswegen handelsbilanziell nicht ausgewiesen werden, auch steuerlich nicht berücksichtigt werden dürfen. Mit Ausnahme des diskussionswürdigen Sonderfalls, dass eine Bewertungseinheit handelsrechtswidrig gebildet worden ist, sollte ein Gleichklang zwischen Handels- und Steuerbilanz erreicht werden. Dieser Zweck wird aber nur vollumfänglich erfüllt, wenn § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG den gesamten Anwendungsbereich handelsrechtlich zulässiger Bewertungseinheiten zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken umfasst.125 Soweit Sicherungsgeschäfte jedoch nicht der Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken dienen, ist § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG aufgrund seines klaren Gesetzeswortlauts nicht anwendbar. Hier gelten dann wieder die allgemeinen steuerlichen Bewertungsvorschriften des § 6 Abs. 1 EStG.126 c) FG Köln v. 24.1.2019 – 12 K 2605/15 Mit den handelsrechtlichen Voraussetzungen der Bildung einer Bewertungseinheit nach § 254 HGB hat sich das Finanzgericht Köln in seinem Urteil127 vom 24.1.2019 näher beschäftigt. Liest man die Urteilsbegründung, wird schnell klar, dass sich zumindest dieses Gericht nicht einem Dogma der formalen Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG unterwerfen möchte und nicht allein auf den Ansatz einer Bewertungseinheit in der Handelsbilanz schaut. Die ausführliche inhaltliche Beschäftigung 125 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1731 f. Problematisch ist hier die Abgrenzung zwischen finanzwirtschaftlichen und leistungswirtschaftlichen Risiken, zB im Fall der Absicherung von Preisänderungsrisiken von Waren und Rohstoffen durch Warentermingeschäfte, für die nach § 254 Satz 2 HGB die Bildung einer Bewertungseinheit erfolgen kann, dies jedoch teilweise für die Steuerbilanz verneint wird. Gegen die Übernahme in die Steuerbilanz Hörhammer in Hennrichs/Hörhammer, StbJb 2016/2017, 327 (339 f.); für eine solche Übernahme (Gegenansicht Hennrichs S. 340 f.) jeweils mwN. Siehe hierzu auch Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1732. Die vorliegend thematisierten Währungskursrisiken fallen unstreitig unter den Begriff des finanzwirtschaftlichen Risikos, so dass auf diese Abgrenzungsproblematik an dieser Stelle nicht weiter eingegangen wird. Es fragt sich jedoch, warum tatsächlich nicht drohende Verluste, die handelsbilanziell deshalb durch Bildung einer Bewertungseinheit nicht ausgewiesen worden sind, steuerlich nach Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG sollen geltend gemacht werden dürfen. 126 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1733. 127 FG Köln v. 24.1.2019 – 12 K 2605/15, EFG 2021, 637.

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des Gerichts mit den Voraussetzungen des § 254 HGB legt den Schluss nahe, dass es nicht von einem rein formalen Verständnis der Bindung der Steuerbilanz an den handelsbilanziellen Ausweis einer Bewertungseinheit ausgeht. Anderenfalls hätte im Entscheidungsfall allein geprüft werden dürfen, ob in der Handelsbilanz eine Bewertungseinheit gebildet worden ist oder nicht. Das Finanzgericht stellt jedoch inhaltlich klar, dass bei Abschluss eines Kreditvertrags in Euro, bei dem parallel in weiteren Verträgen eine Kombination aus Zinsswap und Währungsswap vereinbart wird, kein finanzwirtschaftliches Risiko aus dem Eurokredit abgesichert, sondern ein zuvor nicht bestehendes Währungsrisiko als Instrument zur (vermeintlichen) Ertragsoptimierung begründet wurde. In diesem Fall sieht es die Voraussetzungen zur Bildung einer Bewertungseinheit iSd. § 254 HGB als nicht gegeben an und würdigt trotz Bestehens einer Bewertungseinheit in der Handelsbilanz die Rechtsgeschäfte steuerlich separat.128 Auf die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH die Revision zugelassen. Das Verfahren ist unter dem Az. IV R 23/20 beim BFH anhängig. Insbesondere zur steuerlichen Prüfungsreichweite im Rahmen des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG und ggf. zum Regelungsumfang des § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG bleibt das BFH-Urteil mit Spannung zu erwarten. Sachverhalt: Am 27.12.2007 schloss die Klägerin mit T Darlehensverträge in Euro mit variablem Zins auf EURIBOR zzgl. Aufschlag von 1 % ab; zudem verpflichtete sie sich, ein Zinssicherungsgeschäft abzuschließen. Hinsichtlich dieser Verpflichtung schloss sie mit Anfangsdatum 31.12.2007 Zins-Währungs-Swaps mit T ab: T zahlte einen variablen Zins auf EURIBOR zzgl. Aufschlag von 1 % auf Basis eines Bezugsbetrags in EUR beginnend mit dem 31.3.2008 und die Klägerin zahlte gegenläufig an T Festzinsbeträge von 4,32 % auf Basis eines Bezugsbetrages in CHF. Wegen Kursverfalls des Euro drohte in den Streitjahren 2008–2010 ein Verlust und es stellte sich die Frage, ob hierfür auch in der Steuerbilanz Drohverlustrückstellungen angesetzt werden können (§ 5 Abs. 4a Satz 2 iVm. § 5 Abs. 1a EStG). Die Klägerin nahm zwischen dem Darlehensvertrag und den Zins-WährungsSwaps eine Bewertungseinheit an, weil die Laufzeiten und Beträge des Darlehensvertrags und der Swapgeschäfte identische seien, Zahlungs- und Zinsanpassungstermine aufeinander abgestimmt sind und durch das Swapgeschäft die Klägerin so gestellt sei, als habe sie anstelle eines variabel verzinsten Euro-Kredits einen auf CHF laufenden Kredit mit festem Zinssatz von 4,32 %.

128 FG Köln v. 24.1.2019 – 12 K 2605/15, EFG 2021, 637, juris, Rz. 40 und 44.

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Das Finanzgericht stellt zunächst klar, dass Swapgeschäfte einen rein spekulativen Charakter haben können oder aber auch der Absicherung von Risiken dienen können. Sie sind nicht als Darlehen zu qualifizieren, weil es an einem Willen der Parteien fehlt, die Liquidität des Vertragspartners zu erhöhen. Daher wird in der Bilanz keine Darlehensschuld (Fremdwährungsdarlehen) passiviert. Swapgeschäfte sind als schwebende Geschäfte solange nicht in der Bilanz auszuweisen, solange kein Erfüllungsrückstand besteht. Droht aus einem schwebenden Geschäft ein Verlust, ist dafür zwar handelsrechtlich gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB eine Rückstellung zu bilden. Steuerrechtlich besteht gem. § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG jedoch ein Rückstellungsverbot für drohende Verluste.129 Eine Ausnahme zum steuerlichen Verbot der Drohverlustrückstellungen legt § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG iVm. § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG für die Ergebnisse einer handelsrechtlich zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheit fest. Für die Frage, ob im vorliegenden Sachverhalt § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG für die Steuerbilanz Anwendung findet, überprüft das Finanzgericht die Voraussetzungen des § 254 HGB und lässt die Bildung einer Bewertungseinheit am Fehlen der Absicherung vergleichbarer Risiken von Grundund Sicherungsgeschäft scheitern: Die Stpfl. habe vorliegend im Ergebnis ein Zinsänderungsrisiko gegen ein Währungsrisiko eingetauscht. Die Voraussetzungen des § 254 HGB liegen nicht vor, so dass steuerrechtlich weder § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG noch im Folgenden § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG Anwendung findet. Auch seien die Verträge nicht derart eng rechtlich verklammert, dass diese als ein einheitliches Wirtschaftsgut bilanziell anzusehen wären.130 129 FG Köln v. 24.1.2019 – 12 K 2605/15, EFG 2021, 637, juris, Rz. 34 ff.; Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1080. Zu den unterschiedlichen Arten von Swapgeschäften und ihrer Funktionsweise s. zB auch Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1079. 130 FG Köln v. 24.1.2019 – 12 K 2605/15, EFG 2021, 637, juris, Rz. 40 ff.

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Das Urteil stellt ein anschauliches Beispiel für das Fehlen des Tatbestandsmerkmals der vergleichbaren Risiken iSd. § 254 HGB dar. Es fragt sich jedoch, ob es im vorliegenden Fall auf dieses Merkmal überhaupt ankam. Die von der Klägerin auch steuerlich beabsichtigte Bilanzierung einer Drohverlustrückstellung kann nicht das handelsrechtliche Ergebnis der Bilanzierung einer Bewertungseinheit betreffen, bei der sich drohende Verluste und noch nicht realisierte Gewinne in gleicher Höhe gegenüberstehen. Ergebnisse aus der Bilanzierung eines Portfolio- oder Macro-Hedging mit ihren lediglich technischen handelsrechtlichen Drohverlustrückstellungen betrifft der vorliegende Fall ebenfalls nicht. Selbst wenn eine Bewertungseinheit hätte vorliegend handelsrechtlich gebildet werden dürfen, beträfe die Drohverlustrückstellung damit ihren ineffektiven Teil. Dieser ist jedoch nicht mehr Bestandteil der Bewertungseinheit – § 254 HGB findet auf diesen Teil keine Anwendung – und daher ist er (jedenfalls beim Micro-Hedge) nach allgemeinen steuerlichen Bewertungsvorschriften unter Anwendung des steuerlichen Verbots eines Ausweises drohender Verluste in § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG zu bewerten. Auf die Frage der Absicherung vergleichbarer Risiken dürfte es im vorliegenden Fall daher gar nicht mehr ankommen.

3. Beendigung von Bewertungseinheiten Wird eine Bewertungseinheit beendet, so ist es in der handelsrechtlichen Praxis allgemein anerkannt, dass die während ihrer Laufzeit gewählte, unter IV.1.b dargestellte Bilanzierungsmethode (Einfrierungsmethode oder Durchbuchungsmethode) auch für ihre Auflösung beizubehalten ist. Werden Grund- und Sicherungsgeschäft gleichzeitig beendet und besteht eine funktionierende Sicherungsbeziehung, bleibt der Beendigungsvorgang erfolgsneutral. Erfolgsauswirkungen ergeben sich nur hinsichtlich des nicht effektiven Teils der Sicherungsbeziehung:131

131 Siehe hierzu auch Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1739. Ob diese handelsrechtliche Methode (grundsätzlich ohne GuV-Berührung auch bei Beendigung der Bewertungseinheit) dem Ausnahmecharakter der Einschränkung des Einzelbewertungsgrundsatzes in § 254 HGB entspricht, kann zumindest hinterfragt werden. Hierzu im Folgenden.

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– –

Einfrierungsmethode: Nur Gewinn- oder Verlustüber- – hang findet Eingang in die GuV Bei perfekter Risikoabsicherung: erfolgsneutrale Auflösung der – Bewertungseinheit

Durchbuchungsmethode: Grund- und Sicherungsgeschäft sind grundsätzlich GuV-wirksam auszuweisen IDW: erfolgsneutrale Auflösung möglich132

Umstritten ist in der Praxis vor allem die Reichweite des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der Bewertungseinheit. Dabei geht es vorrangig um die Frage von außerbilanziellen steuerrechtlichen Korrekturen.133 Befürworter einer weiten Wirkung gebildeter Bewertungseinheiten sprechen sich für eine Erstreckung der in § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG angeordneten Bindung an die handelsbilanziellen Ergebnisse der Bewertungseinheit auch auf die Übernahme der Ergebnisauswirkungen für die steuerliche Gewinnermittlung aus. Bei § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG handele es sich um eine Gewinnermittlungsvorschrift. Soweit aufgrund der kompensatorischen Bewertung innerhalb der Bewertungseinheit kein Gewinn festzustellen ist, sei dies auch im Zeitpunkt ihrer Beendigung zu beachten. Auch zu diesem Zeitpunkt seien Grund- und Sicherungsgeschäft (noch) Komponenten einer Bewertungseinheit, deren Auflösung erfolgsneutral über § 254 HGB iVm. § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG zu behandeln sei. Anderenfalls würden die mit einer kompensatorischen Bewertung verfolgten Zielsetzungen im Zeitpunkt der Auflösung der Bewertungseinheit storniert und die Effizienz der wirtschaftlichen Absicherung beeinträchtigt. Es würde am Ende dann doch das auseinandergerissen werden, was von Gesetzes wegen als Einheit gedacht war. Daher dürften die allgemeinen Grundsätze erst nach Beendigung der Bewertungseinheit wieder gelten.134 Mit Blick auf § 254 HGB hat sich der Gesetzgeber aber auch hier nicht ausdrücklich dazu geäußert, ob im Zeitpunkt der Beendigung einer Be132 IDW RS HFA 35, Rz. 86 ff.: Bei Beendigung ist es sachgerecht, Zahlungsströme ohne Berührung der GuV zu erfassen, soweit sie sich ausgleichen. Abgekürzte Buchung „Verbindlichkeit an Forderung“. 133 So beispielsweise Schnitger, IStR 2019, 965 ff. zur Frage der außerbilanziellen Wirkung von Bewertungseinheiten im Zusammenhang mit der Anwendung des § 8b KStG mit Darstellung verschiedener Problemgestaltungen. 134 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1738; IDW RS HFA 35, Rz. 86 f. mit Verweis auf BT-Drucks. 16/634, 10. So auch Ansicht Hennrichs in Hennrichs/Hörhammer, StbJb. 2016/2017, 327 (336 f.).

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wertungseinheit die gegenläufigen Wert- bzw. Zahlungsstromänderungen einzeln oder kompensatorisch erfasst werden sollen. Eine kompensatorische Beendigung in der Handelsbilanz wird auch bei § 254 HGB aus dem Gedanken hergeleitet, dass eine Einzelerfassung der Zahlungsströme nach den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen einer rückwirkenden Aufhebung der bis zum Beendigungszeitpunkt zulässigerweise gebildeten Bewertungseinheit gleichkommen würde.135 Diese Argumentation würdigt jedoch nicht, dass § 254 HGB allein auf eine Einschränkung des Einzelbewertungsgrundsatzes zur Vermeidung der zeitlich unterschiedlichen Erfassung von Gewinnen (erst in ihrem Realisationszeitpunkt) und Verlusten (bereits bei ihrem Drohen) abzielt. Im Zeitpunkt der Beendigung der Bewertungseinheit besteht diese zeitliche Divergenz aber nicht mehr, sowohl Gewinne als auch Verluste haben sich tatsächlich realisiert. Es besteht für den Zeitpunkt der Beendigung einer Bewertungseinheit folglich aus der gesetzlichen Zielsetzung heraus kein Grund zur Einschränkung der allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze mehr. Sie können ihre volle Wirkung wieder entfalten und die Zahlungsströme sind bilanziell einzeln zu erfassen. Soweit die Sicherungsbeziehung wirksam ist, heben sich die gegenläufigen Zahlungsströme der Höhe nach auf und haben trotz Einzelbetrachtung keine Auswirkung auf das Gesamtergebnis. Der Sinn und Zweck der gebildeten Bewertungseinheit (Verschiebung der Erfassung von Gewinnen und Verlusten im Rahmen von Sicherungsbeziehungen auf ihren Realisationszeitpunkt) wird dadurch nachträglich nicht aufgehoben. Vielmehr dürfte es dem Sinn und Zweck der lediglich zeitlichen Verschiebung entsprechen, wenn die Auswirkungen im Zeitpunkt der Beendigung der Bewertungseinheit nachgeholt werden, die während ihres Bestehens „eingefroren“ worden sind. So hat der Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft weit vor der gesetzlichen Regelung bereits im Jahr 1997 richtig herausgearbeitet, dass realisierte Ergebnisse sofort erfolgswirksam zu erfassen seien, wenn der Sicherungszusammenhang endet.136

135 Rimmelspacher/Fey, WPg. 2013, 994 (997). 136 Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 1997, 637 ff. mit weitergehenden Überlegungen zu einer möglichen Abgrenzung realisierter Ergebnisse über die ursprüngliche Laufzeit des Geschäfts, wenn während der Laufzeit eines Grundgeschäfts das zugehörige Sicherungsgeschäft wegfällt und durch ein Anschlussgeschäft ersetzt wird.

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Diese Auffassung kann bereits formal mit dem Begriff „Bewertungseinheit“ untermauert werden. Der Gesetzgeber wollte allein für die Bewertung der Wirtschaftsgüter eine Einheit anerkennen. § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG ist daher eine reine Bewertungsvorschrift, die systematisch allein aufgrund ihres inneren Zusammenhangs zum Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG durch den Gesetzgeber in § 5 EStG verortet wurde. Die bei der Auflösung einer Bewertungseinheit realisierten Ergebnisse sind jedoch nicht mehr Teil der Bewertungseinheit. Vielmehr ist zu diesem Zeitpunkt der Vorgang nicht mehr unter Bewertungs-, sondern unter Realisationsgesichtspunkten zu beurteilen. § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG und § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG schließen ihre Anwendung bei Beendigung einer Bewertungseinheit folglich bereits nach ihrem Wortlaut aus.137 Aber auch nach seinem Sinn und Zweck soll § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG lediglich vermeiden, dass Verluste, die aufgrund der Sicherung wirtschaftlich nicht eintreten können, auch steuerlich während des Bestehens einer Bewertungseinheit nicht (vorzeitig) berücksichtigt werden. Ziel der Norm ist es nicht, im Realisationszeitpunkt steuerliche Erleichterungen in Fällen von zuvor gebildeten Bewertungseinheiten zu gewähren. So hat auch der BFH festgestellt, dass im Zeitpunkt der Beendigung des Sicherungsverbunds aufgrund der Realisierung des Grund- und Sicherungsgeschäfts zugleich der Grund für den Verzicht auf die imparitätische Bewertung entfällt.138 Daher sind realisierte Ergebnisse aus dem Grundund dem Sicherungsgeschäft getrennt zu betrachten. Die Diskussion um die Reichweite des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG ist jedoch nicht auf den Zeitpunkt der Beendigung einer Bewertungseinheit beschränkt.139 Vielmehr können sich diese Fragen bereits während des Bestehens der Bewertungseinheit stellen. Denn auch während ihres Bestehens entsteht keine eigenständige Vermögens- oder Schuldposition. Die Vermögenswerte und Schulden bleiben erhalten. Sie werden ledig137 Schreiben zur steuerlichen Gewinnermittlung bei der Bildung von Bewertungseinheiten (§ 5 Abs. 1a Satz 2 EStG), BMF v. 25.8.2010 – IV C 6 - S 2133/ 07/10001 – DOK 2009/0743135, DB 2010, 2024; Ansicht Hörhammer in Hennrichs/Hörhammer, StbJb. 2016/2017, 327 (334 f. mwN). 138 BFH v. 10.4.2019 – I R 20/16, BStBl. II 2020, 674 = FR 2020, 1061 = GmbHR 2020, 56. 139 Hierzu sogleich FG Rhld.-Pf. v. 31.7.2019 – 1 K 2470/16, EFG 2021, 145, rkr.; aA wohl Hennrichs/Hörhammer, StbJb. 2016/2017, 327 (333), die während des Bestehens einer Bewertungseinheit keinerlei steuerliche Folgen aus etwaigen währungskursbedingten Wertänderungen ziehen möchten.

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lich für Zwecke der Bewertung gedanklich zusammengefasst.140 Diese rein gedankliche Zusammenfassung führt nicht zu einer Zusammenfassung der betroffenen Ansatzobjekte zu einem einheitlichen Ansatzobjekt.141 Außerhalb der Bewertung sind die Vermögens- und Schuldpositionen daher getrennt zu betrachten. Es ist gerade kein einheitliches Wirtschaftsgut entstanden. Dies gilt es bei der Diskussion um die Reichweite des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG zu beachten. Konsequenterweise ist daher bereits während des Bestehens einer Bewertungseinheit der Regelungsbereich des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG klar zu trennen von den Vorschriften über die Gewinnermittlung, die Einkommensermittlung und die Verlustverrechnung, insbes. die §§ 3 Nr. 40, 3c und 15 Abs. 4 EStG und § 8b KStG. Diese Vorschriften stellen nicht auf die Bewertung von Wirtschaftsgütern, sondern auf tatsächliche Betriebsvermögensmehrungen und -minderungen ab.142 Das Vorliegen ihrer Tatbestandsvoraussetzungen ist daher unabhängig von etwaigen bilanziell gebildeten Bewertungseinheiten nach der spezifischen Zielrichtung der einzelnen Norm zu beurteilen.

4. Einzelfälle Die dargestellten Fragestellungen im Zusammenhang mit Bewertungseinheiten sind bisher nur sehr vereinzelt von der Rspr. aufgegriffen worden, so dass eine umfassende Judikatur mit höchstrichterlichen Leitlinien hierzu bisher fehlt. Im Folgenden sollen die derzeit aktuellsten Urteile in diesem Bereich kurz dargestellt werden. a) FG Rhld.-Pf. v. 31.7.2019 – 1 K 2470/16 Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat sich in seinem Urteil vom 31.7.2019 mit der Reichweite einer bestehenden Bewertungseinheit befasst.143 Im Rahmen der Auslegung des Begriffs der „Vergütungen für die Überlassung von Fremdkapital“ iSd. § 8a Abs. 6 KStG aF stellte sich die Frage, ob das Ergebnis einer bestehenden Bewertungseinheit bei der Einkommensermittlung in Einzelteile „zerlegt“ und getrennt betrachtet 140 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1723. 141 Haisch, FR 2009, 65 (70 f.). 142 Schreiben zur steuerlichen Gewinnermittlung bei der Bildung von Bewertungseinheiten (§ 5 Abs. 1a Satz 2 EStG), BMF v. 25.8.2010 – IV C 6 - S 2133/ 07/10001 – DOK 2009/0743135, DB 2010, 2024. So auch Haase/Geils, DStR 2016, 273 (276) im Rahmen des § 4h EStG. 143 FG Rhld.-Pf. v. 31.7.2019 – 1 K 2470/16, EFG 2021, 145, rkr.

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werden kann oder die bilanziell bestehende Bewertungseinheit in den § 8a Abs. 6 KStG aF „hineinwirkt“. Sachverhalt: Der Urteilsfall befasst sich mit der rechtlichen Beurteilung von Zinszahlungen einer inländischen Kapitalgesellschaft K im Rahmen eines Darlehensvertrags zur Finanzierung eines konzerninternen Beteiligungserwerbs in den USA. K erwarb von Y konzernintern Beteiligungen in den USA zu einem jeweils in US-$ zu zahlenden Kaufpreis. Zur Finanzierung wurde K von Y ein konzerninternes Darlehen in US-$ mit einer festgeschriebenen Laufzeit gewährt. Zur Absicherung des Währungsrisikos schloss K mit Y Devisentermingeschäfte in Höhe der jeweiligen Darlehensauszahlungen und zu den entsprechenden Rückzahlungsterminen ab, nach denen die Klägerin die zur Darlehensrückzahlung benötigten US-$ zu einem festgelegten Kurs erwerben konnte. Darlehen und Devisentermingeschäfte fasste K zu einer Bewertungseinheit (Micro-Hedge) zusammen. In den Streitjahren 2006 und 2007 entstanden K aus dem Darlehensvertrag Zinsaufwendungen. Zeitgleich erzielte sie aus den Devisentermingeschäften Währungsgewinne. Die an Y als nahestehende Person im Rahmen eines konzerninternen Beteiligungserwerbs geleisteten Fremdkapitalvergütungen behandelte K nach § 8a Abs. 6 KStG aF als verdeckte Gewinnausschüttungen. Dabei saldierte sie die Fremdkapitalvergütungen mit den Währungsgewinnen.

Die dem Grunde nach anzusetzende verdeckte Gewinnausschüttung aufgrund der geleisteten Fremdkapitalvergütungen war unstreitig. Der Streit zwischen Klägerin und FinVerw. wurde über die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung geführt. Während die FinVerw. von den (Brutto-)Zinszahlungen ausging, wollte die Klägerin diese mit den Erlösen aus den Sicherungsgeschäften saldieren. Das Finanzgericht folgt in seiner Entscheidung der Auffassung der FinVerw., dass vom Regelungsbereich der Bewertungseinheiten die Vor390

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schriften über die Gewinnermittlung, die Einkommensermittlung und die Verlustverrechnung (zB §§ 3 Nr. 40, 3c, 15 Abs. 4 EStG und § 8b KStG) strikt zu trennen seien. Es macht sich die Argumentation der FinVerw. hierzu in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich zu eigen und stellt klar, dass sich die Höhe der nach § 8a KStG anzusetzenden verdeckten Gewinnausschüttung nicht nach Bewertungs-, sondern nach Realisationsgesichtspunkten beurteile, also nach den durch die Zinszahlungen oder -buchungen ausgelösten Betriebsvermögensminderungen. Hierzu müsse eine bilanzielle Bewertungseinheit für Zwecke der Einkommensermittlung in ihre Einzelgeschäfte zerlegt werden.144 Die verdeckte Gewinnausschüttung ist vorliegend folglich nach Auffassung des Finanzgerichts auf Basis des Zinsaufwands für das US-$-Darlehen zu ermitteln. Der Ertrag aus den mit dem Darlehen zu einer bilanziellen Bewertungseinheit zusammengefassten Devisentermingeschäften mindert diese verdeckte Gewinnausschüttung nicht. Das Urteil des Finanzgerichts ist rechtskräftig, ein Revisionsverfahren beim BFH wird nicht geführt. b) FG Berlin-Brandenb v. 8.1.2019 – 6 K 6242/17 Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat sich in seinem Urteil vom 8.1.2019 ebenfalls mit der Reichweite einer bilanziellen Bewertungseinheit auf außerbilanzielle Steuernormen zu befassen gehabt.145 In diesem Fall ging es um die Anwendung des § 4h EStG im Rahmen eines ZinsSwaps.146 Das hierzu anhängige BFH-Verfahren wurde zunächst ausgesetzt bis zur Entscheidung des BVerfG in der Rechtssache 2 BvL 1/16, so dass mit keiner schnellen höchstrichterlichen Klärung gerechnet werden kann. Sachverhalt: Die Klägerin K schloss zur Finanzierung mehrerer Windanlagen mit einem Bankenkonsortium einen variabel verzinsten Investitionskredit ab. Der variable Zinssatz richtete sich nach dem EURIBOR zuzüglich einer Marge der Banken. Zeit144 FG Rhld.-Pf. v. 31.7.2019 – 1 K 2470/16, EFG 2021, 145, juris, Rz. 26, rkr.; aA bspw. Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1736, der von einer Erstreckung der in § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG angeordneten Bindung an die handelsbilanziellen „Ergebnisse“ der Bewertungseinheit durch Übernahme der Ergebnisauswirkungen auch auf die steuerliche Gewinnermittlung ausgeht. 145 FG Berlin-Brandenb. v. 8.1.2019 – 6 K 6242/17, EFG 2019, 642. 146 Zu Zins-Swaps ausführlich bspw. Haase/Geils, DStR 2016, 273 (275 f.).

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Albrecht/Anzinger, Wechselkurse und Währungsabsicherung gleich schloss K mit den finanzierenden Banken einen Rahmenvertrag ab, in dem sie sich zu einer Absicherung des Darlehens gegen Zinsschwankungen im Umfang von mindestens 50 % des Darlehensbetrags verpflichtete. In der Folgezeit schloss K mit den Banken des Konsortiums Swap-Verträge mit vereinbartem Festzinssatz zur Absicherung von etwaigen Zinsänderungsrisiken ab. Da in den Streitjahren der flexible Zinssatz unter dem Festzinssatz der Swap-Verträge blieb, entstanden K Aufwendungen aus den Zinsswap-Verträgen. K bildete in den handelsbilanziellen Jahresabschlüssen aus dem Darlehensvertrag und den Zinsswap-Verträgen eine Bewertungseinheit iSd. § 254 HGB und verzichtete auf einen Ausweis der negativen Marktwerte der Swap-Geschäfte. Zudem berücksichtigte die Klägerin die Aufwendungen für die Swap-Verträge in ihren Steuererklärungen nicht als Zinsaufwendungen iSd. § 4h EStG und des § 8 Nr. 1 GewStG.

Interessant erscheint in diesem Verfahren zunächst, dass die Frage der Wirkungsweite des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG von der Klägerin und der FinVerw. vorliegend genau umgekehrt zu der Argumentation im zuvor genannten Verfahren des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz geführt wird. Die Argumentationsrollen wurden getauscht. So argumentiert die Klägerin mit einer fehlenden Wirkung der Norm über den bilanziellen Bereich hinaus und schließt sich damit der grundsätzlich zu Bewertungseinheiten vertretenen Auffassung der FinVerw. an: „Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für die steuerliche Gewinnermittlung ende bei der Steuerbilanz und habe keinen Einfluss auf außerbilanzielle Hinzurechnungen nach § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG.“147 Dem ist zuzustimmen. Nicht nach bilanziellen Bewertungsvorschriften ist zu klären, was Zinsen iSd. § 4h EStG sind, sondern nach dem Verständnis der Norm selbst. Dies kann zu gleichen Ergebnissen wie im bi147 Auffassung der Klägerin s. FG Berlin-Brandenb. v. 8.1.2019 – 6 K 6242/17, EFG 2019, 642, juris, Rz. 23.

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lanziellen Bereich führen, ggf. deuten sogar die gleichen tatbestandlichen Voraussetzungen sowohl auf eine Bewertungseinheit als auch auf eine Einbeziehung in den Begriff der Zinsen iSd. § 4h EStG hin. Zwingend ist diese Verknüpfung aber nicht. Gemäß § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG sind Zinsaufwendungen Vergütungen für Fremdkapital, die den maßgeblichen Gewinn gemindert haben. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Begriffe „Vergütung“ und „Fremdkapital“ gelegt. Es komme entscheidend auf den Vergütungscharakter an, der spezifisch auf die Nutzung des Fremdkapitals abzielt und somit einem wirtschaftlichen Zins gleichsteht.148 Das Finanzgericht stützt sich für seine Argumentation im Rahmen des § 4h EStG auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise der §§ 39 und 41 AO. Danach knüpft die Besteuerung grundsätzlich an das wirtschaftliche Ergebnis einer Vereinbarung an. Unter diesem Gesichtspunkt können Swap-Verträge unter die Regelung des § 4h EStG fallen, wenn sie eine wirtschaftliche Einheit mit dem Darlehensvertrag bilden. Hierfür müsse es einen Veranlassungszusammenhang zwischen dem Grund- und dem Sicherungsgeschäft geben, der Abschluss des Sicherungsgeschäfts müsse von vornherein geplant werden und Darlehens- und Swap-Vereinbarung müssen hinsichtlich ihrer Valutahöhe und der Laufzeit deckungsgleich sein.149 Bei dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Rahmen des § 4h EStG komme es nicht darauf an, ob Darlehen und Swap-Geschäft handelsbilanziell eine Bewertungseinheit bilden. Aus der Bildung einer handelsbilanziellen Bewertungseinheit könne nicht – wie die FinVerw. im vorliegenden Fall versucht hat zu argumentieren – pauschal auf eine wirtschaftliche Einheit iSd. § 4h EStG geschlossen werden, weil beides anderen Bewertungsmaßstäben unterliege und zudem auch die Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 EStG) sich nur auf die Steuerbilanz, aber nicht auf außerbilanzielle steuerliche Fragen beziehe.150 Das Finanzgericht kommt nach Würdigung des Einzelfalls zu dem Ergebnis, dass die vorliegend streitigen Zinsswap-Aufwendungen keine Zinsen iSd. Zinsdefinition des § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG sind, da der Zinsswap und das überlassene Fremdkapital eindeutig voneinander getrennt

148 Haase/Geils, DStR 2016, 273 (275). 149 FG Berlin-Brandenb. v. 8.1.2019 – 6 K 6242/17, EFG 2019, 642, juris, Rz. 42 ff. 150 FG Berlin-Brandenb. v. 8.1.2019 – 6 K 6242/17, EFG 2019, 642, juris, Rz. 51; Haase/Geils, DStR 2016, 273 (276).

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sind, auch wenn sie bilanziell zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst wurden.151 c) BFH v. 10.4.2019 – I R 20/16 Der BFH hat sich mit der Thematik der Reichweite handelsbilanzieller Bewertungseinheiten bisher nur für Streitjahre vor Einführung des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG in seinem Urteil vom 10.4.2019 befasst (Streitjahre: 2004, 2005).152 Hier ging es um die Reichweite der bilanziellen Bewertungseinheit im Rahmen der Auslegung des § 8b KStG. Sachverhalt: Die X-AG erwarb in 2002 auf US-$-Basis Anteile an einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft mit dem Ziel, die Anteile wieder zu veräußern. Ebenfalls in 2002 schloss X mit einer Bank mehrere Devisentermingeschäfte zur Kurssicherung ab. In ihrer Handels- und Steuerbilanz behandelte X das Grundgeschäft (Aktienbestand) und das jeweilige Sicherungsgeschäft als Bewertungseinheit. In den Wj. 2004 und 2005 veräußerte X die Aktien in mehreren Tranchen. Den vereinnahmten Kaufpreis tauschte sie zu den in den Devisentermingeschäften vorab festgelegten Umtauschkursen in Euro. Hierbei realisierte X jeweils Kursgewinne, die sich in zusätzlichen Erträgen niederschlugen. Umstritten war die Frage der Einbeziehung dieser zusätzlichen Erträge aus den Devisentermingeschäften in die Ermittlung des steuerfreien Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 KStG.

151 FG Berlin-Brandenb. v. 8.1.2019 – 6 K 6242/17, EFG 2019, 642, juris, Rz. 46 ff. 152 BFH v. 10.4.2019 – I R 20/16, BStBl. II 2020, 674 = FR 2020, 1061 = GmbHR 2020, 56.

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Die FinVerw. und die Vorinstanz haben eine Einbeziehung der Erträge aus den Devisentermingeschäften in die Ermittlung des steuerfreien Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 KStG abgelehnt. Dem ist der BFH nicht gefolgt. Dabei stützt er sich jedoch nicht auf die Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten, sondern auf die dem § 8b KStG innewohnende Systematik. Er lässt keine Rückschlüsse aus den in den Handels- und Steuerbilanzen gebildeten Bewertungseinheiten für die Auslegung des § 8b KStG zu. Jedoch stellt er ausdrücklich klar, dass § 5 Abs. 1a EStG und erst recht § 254 HGB mangels Rückwirkung auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar seien.153 Für Sachverhalte vor Inkrafttreten des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG wirke sich eine bilanzielle Übernahme der handelsrechtlich gebildeten Bewertungseinheiten jedenfalls nicht auf die Regelungen des § 8b Abs. 2 KStG aus. § 8b Abs. 2 KStG sei jeweils isoliert auf die in die Bewertungseinheit einbezogenen Wirtschaftsgüter anzuwenden. Im für die Streitjahre allein geltenden § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG iVm. den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung könne jedenfalls keine gesetzliche Grundlage gesehen werden, die die Bewertungseinheit über die zeitweilige Suspendierung des bilanzrechtlichen Imparitätsgrundsatzes hinaus auch auf die Ermittlung des steuerlichen Veräußerungsgewinns im Rahmen des § 8b Abs. 2 KStG – also mithin auf die Ebene der außerbilanziellen Korrektur des Steuerbilanzgewinns – erstrecken könnte.154 Auch wenn der BFH die Frage der Reichweite der Bewertungseinheit nach Einführung des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG und des § 254 HGB ausdrücklich nicht beurteilt, kann seine Argumentation auch für Sachverhalte nach Inkrafttreten der Normen herangezogen werden. Sowohl mit § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG als auch mit § 254 HGB wollte der Gesetzgeber die zuvor bestehende Rechtslage lediglich klarstellen.155 Sinn und Zweck der Regelungen war – wie auch schon vor ihrem Inkrafttreten –, handelsbilanziell und steuerbilanziell gleichlaufend die strikte Befolgung des Einzelbewertungsgrundsatzes des § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB iVm. dem Imparitätsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB in den Fällen einzuschränken, in denen ihre Befolgung zu einem den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens widersprechenden Bild führt. Sowohl 153 BFH v. 10.4.2019 – I R 20/16, BStBl. II 2020, 674 = FR 2020, 1061 = GmbHR 2020, 56, juris, Rz. 16 f. Siehe hierzu auch Schnitger, IStR 2019, 965 (968). 154 BFH v. 10.4.2019 – I R 20/16, BStBl. II 2020, 674 = FR 2020, 1061 = GmbHR 2020, 56, juris, Rz. 18 ff. 155 BT-Drucks. 16/10067, 57 f.; Drewes, DStR 2011, 1967.

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vor Inkrafttreten der Normen als auch nach ihrem Inkrafttreten zielen Bewertungseinheiten darauf ab, für Zwecke des Betriebsvermögensvergleichs während des fortdauernden Risikoausschlusses zwischen noch nicht realisiertem Grundgeschäft und ebenfalls noch schwebendem Sicherungsgeschäft die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze in dem erforderlichen Maße zu suspendieren. Ist der Sicherungsverbund aufgrund der Realisierung des Grund- und/oder des Sicherungsgeschäfts beendet, entfällt der Grund für den Verzicht auf die imparitätische Bewertung.156 Für eine vom Gesetzgeber gewollte andere oder weitreichendere Wirkung durch Inkrafttreten des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG finden sich keinerlei Anhaltspunkte, weder in der Gesetzeshistorie noch im Wortlaut der Norm.157 Die gebildeten Bewertungseinheiten haben im vorliegenden Fall daher auf die Auslegungsfragen des § 8b KStG keinen Einfluss. Vielmehr beurteilt der BFH den Sachverhalt innerhalb der Systematik der Norm selbst. Dabei geht er von einer symmetrischen Behandlung von Wechselkursverlusten und -gewinnen im Rahmen des § 8b KStG aus. Für Verluste aus kompensatorischen Sicherungsgeschäften hat der BFH bereits zuvor entschieden, dass diese Aufwand darstellen, um den Veräußerungsgewinn zu erzielen. Es komme nicht darauf an, dass Zertifikategeschäfte und Aktiengeschäfte voneinander unabhängige, selbständige Geschäfte seien, sondern ob ein Veranlassungszusammenhang zu der Veräußerung bestehe. Abzustellen sei auf das „auslösende Moment“ für die Entstehung der Aufwendungen und ihre größere Nähe zur Veräußerung oder zum laufenden Gewinn. Wenn Zertifikategeschäfte von vornherein nur zur „Gegenfinanzierung“ der Veräußerungsgewinne eingegangen worden sind, sind sie ihrem wirtschaftlichen Sinn nach unmittelbar auf die Veräußerung der Beteiligungen bezogen und machen isoliert gesehen „keinen Sinn“. Dies ist bei der Auslegung des § 8b KStG zu beachten.158 156 Argumente des BFH für den Zeitraum vor Inkrafttreten des § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG in BFH v. 10.0.2019 – BFH v. 10.4.2019 – I R 20/16, BStBl. II 2020, 674 = FR 2020, 1061 = GmbHR 2020, 56, juris, Rz. 21. 157 AA Rödder in Globalisiertes Steuerrecht – Anspruch und Verantwortung, 719 f. Schnitger, IStR 2019, 965 (968) sieht in den Ausführungen des BFH eine Ablehnung außerbilanzieller Wirkungen von Bewertungseinheiten suggeriert. 158 BFH v. 9.4.2014 – I R 52/12, BStBl. II 2014, 861 = FR 2014, 803 m. Anm. Ebel = GmbHR 2014, 770 m. Anm. Roser, juris, Rz. 13 ff. Zu dieser Thematik s. auch Rödder in Globalisiertes Steuerrecht – Anspruch und Verantwortung, 711 ff.; Schnitger, IStR 2019, 965 (968).

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Da Verluste aus Währungskurssicherungsgeschäften als Bestandteil der Veräußerungskosten den Veräußerungsgewinn mindern können (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG), müssen im Rahmen des § 8b Abs. 2 KStG auch Gewinne aus diesen Geschäften gewinnerhöhend berücksichtigt werden können. Daher sind Erträge aus den Devisentermingeschäften bei der Berechnung des nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG steuerfreien Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen, wenn und soweit die Devisentermingeschäfte tatsächlich zur Abwendung des Währungskursrisikos in Bezug auf die zu erwartenden Verkaufserlöse abgeschlossen und deshalb hierdurch veranlasst gewesen sind („Micro-Hedges“).159 Für den Einbezug der Erträge und Aufwendungen aus Währungskurssicherungsgeschäften in den Anwendungsbereich des § 8b Abs. 2 und 3 KStG fordert der BFH eine größere Nähe zum Veräußerungsvorgang als zum laufenden Gewinn. Der Umfang dieses Veranlassungszusammenhangs zwischen Grund- und Sicherungsgeschäft erscheint durch das Urteil jedoch nicht umfassend geklärt.160 Zu seiner Konkretisierung aus Sicht der FinVerw. unter Zugrundelegung der vom BFH aufgestellten Grundsätze ist das BMF-Schreiben zur Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG auf Erträge aus Währungssicherungsgeschäften vom 5.10.2020 ergangen.161 Hiernach liegt der Veranlassungszusammenhang zwischen Grund- und Sicherungsgeschäft nur dann vor, wenn der Stpfl. bei Abschluss des jeweiligen Sicherungsgeschäfts ausschließlich den späteren konkret erwarteten Erlös aus der Veräußerung von Anteilen iSd. § 8b Abs. 2 KStG vor Währungsschwankungen absichern wollte. Hierbei handelt es sich um eine innere Tatsache, die aus den folgenden, nach außen erkennbaren objektiven Umständen geschlossen werden können muss: 159 Hierzu ausführlich BFH v. 10.4.2019 – I R 20/16, BStBl. II 2020, 674 = FR 2020, 1061 = GmbHR 2020, 56, juris, Rz. 24 ff.; Rödder in Globalisiertes Steuerrecht – Anspruch und Verantwortung, 715 f. Zu wechselkursbedingten Wertänderungen von Anteilen im Rahmen des § 8b KStG s. auch BFH v. 21.9.2016 – I R 63/15, BStBl. II 2017, 357 = FR 2017, 1090, juris, Rz. 28: „Dass die realisierten Wertveränderungen wechselkursbedingt sind, rechtfertigt es nicht, sie vom Anwendungsbereich dieser Regelungen auszunehmen. Für eine isolierte steuerliche Behandlung wechselkursbedingter Wertveränderungen ist (…) kein Raum.“ 160 So auch Rödder in Globalisiertes Steuerrecht – Anspruch und Verantwortung, 716 ff., der wie auch Schnitger, IStR 2019, 965 zumindest für die Auslegung des erforderlichen Veranlassungszusammenhangs in der Bilanz gebildete Bewertungseinheiten als gewichtigen Anhaltspunkt sieht. 161 BMF v. 5.10.2020 – IV C 2 - S 2750-a/19/10005:002 – DOK 2020/0973310, BStBl. I 2020, 1033.

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Eindeutige und nachträglich nicht veränderbare Dokumentation des Zuordnungswillens.



Betragsmäßig nachvollziehbare und plausible Verbindung von Grundund Sicherungsgeschäft. Lediglich unspezifische Veräußerungsabsicht genügt hierfür nicht.



Sicherungsüberhänge sind nur bei nachträglichem Eintritt und unverzüglicher Anpassung des Sicherungsgeschäfts unschädlich (Bagatellgrenze: 10 %).

Der Zweck des Sicherungsgeschäfts muss aus Sicht des Veräußerers ausschließlich auf Minimierung des Währungskursrisikos in Bezug auf die konkret erwarteten Veräußerungserlöse aus der Anteilsveräußerung ausgerichtet sein. Sofern ein Sicherungsgeschäft dagegen der allgemeinen Absicherung gegen Währungskursschwankungen oder der Finanzierung eines in einer Fremdwährung abgeschlossenen Anteilserwerbs dient, ist der für die Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG erforderliche Veranlassungszusammenhang nicht gegeben.162 Wenn bei Abschluss des Währungssicherungsgeschäfts der erforderliche Veranlassungszusammenhang nicht vorlag, kann dies nicht rückwirkend geheilt werden.163 d) Exkurs: § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG und Währungskursverluste An die Frage der außerbilanziellen Wirkung von Bewertungseinheiten knüpfte bisher im Bereich konzerninterner Darlehen unmittelbar die Frage nach dem Regelungsumfang des § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG an.164 Vor Inkrafttreten des KöMoG165 stellte sich hier die Problematik, dass Währungskursverluste in Bezug auf Gesellschafterdarlehen das Einkommen nicht mindern durften (Abzugsverbot), während entsprechende Währungskursgewinne steuerpflichtig waren, weil Grund- und Siche162 BMF v. 5.10.2020 – IV C 2 - S 2750-a/19/10005:002 – DOK 2020/0973310, BStBl. I 2020, 1033 Rz. 6. 163 BMF v. 5.10.2020 – IV C 2 - S 2750-a/19/10005:002 – DOK 2020/0973310, BStBl. I 2020, 1033 Rz. 13. Die von der Literatur vertretene Verknüpfung zwischen der Auslegung im Rahmen des § 8b KStG und den bilanziellen Bewertungseinheiten vollzieht die FinVerw. nicht explizit nach. Hier bleibt es der Entscheidung im jeweiligen Einzelfall vorbehalten, ob die von der FinVerw. aufgestellten Kriterien durch die Dokumentation zu den bilanziell gebildeten Bewertungseinheiten ausreichend nachgewiesen worden sind. 164 Vgl. bspw. Schnitger, IStR 2019, 965 (966). 165 Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG), BGBl. I 2021, 2050 ff.

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rungsgeschäft iSd. § 8b KStG isoliert beurteilt wurden (keine Saldierung). Dieses Ergebnis war im Hinblick auf den Zweck der § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG, die mögliche (und ggf. auch missbräuchliche) Umgehung des Abzugsverbots des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG mittels Gesellschafterdarlehen zu verhindern, überschießend.166 Im Ergebnis hat der Gesetzgeber nunmehr hierauf reagiert und durch den neuen § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG Währungskursverluste zukünftig vom Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 Satz 4 und 5 KStG ausgenommen: „Währungskursverluste gelten nicht als Gewinnminderungen im Sinne der Sätze 4 und 5.“ Die Regelung gilt erstmals für Gewinnminderungen, die nach dem 31.12.2021 eintreten.

V. Kryptowährungen Zum Ende des Oktober 2021 verzeichnete die Marktanalyseplattform CoinMarketCap etwas über 13.000 Kryptowährungen, die an über 400 privaten Börsenplattformen gehandelt wurden. Ende Januar 2022 waren es bereits über 17.000 an über 450 Börsenplätzen.167 Die wohl bekannteste Kryptowährung, Bitcoin, ist im Herbst 2021 in dem mittelamerikanischen Staat El Salvador als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt worden.168 Auch wenn sich daraus für Bitcoin mit den eingangs (oben unter II.1.a) angestellten Überlegungen eine Qualifikation als Fremdwährung ergeben könnte, ließe das noch keinen Schluss auf die Qualität der übrigen Kryptowährungen zu. Sie sind in ihrer jeweiligen Ausgestaltung und Funktion höchst unterschiedlich und eher mehrheitlich passen sie nicht unter den Sammelbegriff der Währung. Für eine erste handels- und steuerrechtliche Einordnung, insbes. zur Klärung der abstrakten Aktivierungsfähigkeit, ist kein vertiefter Einstieg in die technische Ausgestaltung notwendig. Es sind drei Fragen zu stellen. Die erste dient der Einordnung als Vermögensgegenstand bzw. Wirtschaftsgut. Hier ist daran zu erinnern, dass die Rspr. den Begriff des Wirtschaftsguts weit gezogen hat. Verschiedene Einzelkriterien lassen sich auf die Frage nach der Verkehrsanschauung über die selbständige

166 Hierzu Prüfbitte des Bundesrats, BR-Drucks. 356/1/19; S. hierzu auch Rödder in Globalisiertes Steuerrecht – Anspruch und Verantwortung, 723 mwN. 167 Öffentlich zugänglich unter https://coinmarketcap.com. 168 Börsen Zeitung Nr. 172 v. 8.9.2021, S. 4 „El Salvador führt Bitcoin als offizielle Währung ein“.

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Bewertungsfähigkeit zurückführen.169 Sie ist jedenfalls für alle Kryptowährungen gegeben, die an Marktplätzen gehandelt und bewertet werden.170 Gegenläufige Argumente im Schrifttum suchen den Wirtschaftsgutsbegriff, überwiegend bezogen auf seine Auslegung in § 23 Abs. 1 EStG, mit zusätzlichen Kriterien einschränkend aufzuladen.171 Dabei sind selbst die engeren handelsrechtlichen Voraussetzungen des Vermögensgegenstands, die der Verwertbarkeit in der Einzelzwangsvollstreckung oder im Insolvenzverfahren,172 regelmäßig erfüllt.173 Die zweite, kompliziertere Frage adressiert die Funktion einer Kryptowährung in ihrer konkreten Ausgestaltung. Eine Kryptowährung kann, wie Bitcoin, einen Wert für sich und damit, unabhängig von der technischen Ausgestaltung, ein Wirtschaftsgut bilden.174 Eine Kryptowährung kann, weiter verstanden als Kryptowert, aber auch bloß die Vermögenszuordnung eines dahinterstehenden Werts abbilden, etwa eines Nutzungsrechts.175 Blickt man in diesen Fällen durch den Kryptowert hindurch, kann sich die Einordnung als abnutzbares oder nicht abnutzbares, materielles, immaterielles oder finanzielles Wirtschaftsgut ändern. Und schließlich, das ist die dritte und zugleich die schwierigste Frage, ist die wirtschaftliche Zurechnung zu klären. Sie folgt im Ausgangspunkt auch bei Kryptowährungen der tatsächlichen Verfügungsmacht und der rechtlichen Befugnis. Die tatsächliche Verfügungsmacht lässt sich, auf den ersten Blick einfach, mit dem Besitz des privaten Schlüssels verbinden, der allein die Verfügung über Bitcoin ermöglicht.176 Da sich in der Praxis aber bereits verschiedene Verfahren für die Verwahrung dieser privaten Schlüssel herausgebildet haben und Kryptowerte durch die verbundenen 169 Im Einzelnen Anzinger in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 1781; Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 560. 170 Allgemeiner Himmer/Kaulartz, Ubg. 2019, 477 (480); Krüger in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Hdb. Bilanzsteuerrecht4, Kap. IX Rz. 1235/1; Link in Omlor/Link (Hrsg.), Kryptowährungen und Token, 2021, Kap. 11 Rz. 4. 171 Andres, DStR 2021, 1630 (1637); Schroen, BB 2021, 2133 (2135 ff.). 172 Zur Verwertung von Kryptowerten im Insolvenzverfahren d’Avoine/Hamacher, ZIP 2022, 6 (9 ff.). 173 Dazu Schülke, DStR 2010, 992 ff. 174 Überzeugend FG Bad.-Württ. v. 11.6.2021 – 5 K 1996/19, FG BW v. 11.6.2021 – 5 K 1966/19, EFG 2022, 163, rkr.; FG Köln v. 25.11.2021 – 14 K 1178/20, EFG 2022, 677, nrkr., Rev. Az. BFH IX R 3/22. 175 Zur ertragsteuerlichen Einordnung von Kryptokunst Moskat/Schaar, BB 2022, 28 (29). 176 Siegel in Omlor/Link (Hrsg.), Kryptowährungen und Token, 2021, Kap. 3 Rz. 39 ff.

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privaten Schlüssel auch in Sammelbeständen verwahrt werden können,177 muss auch bei Kryptowährungen stets nach möglichen Treuhandverhältnissen und nach dem tatsächlich Berechtigten gesucht werden. Besondere Probleme bereitet im Steuerrecht die noch weitgehend ungeklärte zivilrechtliche Zuordnung. Spätestens, wenn mehrere Personen Kenntnis des privaten Schlüssels haben und damit tatsächlich über die zugeordneten Bitcoin verfügen können,178 stellt sich die Frage, wer rechtlich befugt ist, dies zu tun. Über diese zivilrechtliche Vorfrage hilft die steuerrechtlich-wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht hinweg, jedenfalls solange nicht, als man nicht jeden, der Kenntnis vom privaten Schlüssel hat, zum „Wirtschaftlichen Eigentümer“ erheben und damit auch eine Mehrfachzurechnung ermöglichen möchte. Die Zugangsbewertung folgt den allgemeinen Regeln. Derivativ erworbene Kryptowährungen sind mit den Anschaffungskosten nach § 253 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG anzusetzen. Transaktionsgebühren bilden Anschaffungsnebenkosten. Dazu zählen nicht die Gebühren für die Verwahrung von Kryptowerten (ua. Walletgebühren), soweit sie nicht einzeln zuordenbar sind. Die oben dargestellten Regeln der Währungsumrechnung gelten nur für den Tausch gesetzlicher Zahlungsmittel. Denkbar wäre das nach seiner Anerkennung in El Salvador derzeit nur für den Bitcoin und nur im Tausch gegen ein anderes gesetzliches Zahlungsmittel. Alle anderen Fälle, also auch der Tausch Bitcoin gegen Ether oder Ether gegen Euro ist als Tausch iSd. § 6 Abs. 6 EStG zu qualifizieren und kein Fall des § 256a HGB.179 Für die Folgebewertung könnte zumindest bei Bitcoin ein Interbankenkurs herangezogen werden, der auf den Internetseiten des Bankenverbands im Währungsrechner jeweils tagesaktuell ausgewiesen wird.180 Für die anderen Kryptowährungen kann der laufend festgestellte Kurs einen Maßstab für den Teilwert und auch für den nach § 6 Abs. 6 EStG anzusetzenden gemeinen Wert bilden. Dann stellt sich aber die Frage, welche Anforderungen an eine Handelsplattform zu stellen sind, damit die dort festgestellten Werte eine Bewertungsgrundlage bilden können. He177 Siegel in Omlor/Link (Hrsg.), Kryptowährungen und Token, 2021, Kap. 3 Rz. 168. 178 Zu diesem Problem im Internationalen Privatrecht Lehmann in Omlor/Link (Hrsg.), Kryptowährungen und Token, 2021, Kap. 5 Rz. 163. 179 Insoweit zutreffend Krüger in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Hdb. Bilanzsteuerrecht4, Kap. IX Rz. 1238/4. 180 Öffentlich einsehbar unter https://bankenverband.de/service/waehrungsrech ner/.

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rausfordernd ist auch die Zahl der Börsenplätze. Zwar ist das Phänomen der an mehreren Börsen gehandelten Waren und Finanzinstrumente nicht neu. Bei Kryptowährungen sind aber die Volatilität und auch die Kursdifferenzen zwischen Börsenplätzen möglicherweise erheblich größer. Denkbar wäre, die Plattform mit dem höchsten Regulierungsstandard oder die umsatzstärkste Plattform als Referenz zu wählen oder einen Durchschnittswert aus dem Wechselkurs verschiedener Plattformen zu verwenden. In diesem Fall müsste sich die Auswahl auf umsatzstarke und regulierte Plattformen beschränken. Um historische Kurse festzuhalten, wären im Markt geeignete Dokumentationsformen herauszubilden. Dies könnte sogar ein Anwendungsfall für die Blockchaintechnologie selbst sein. Schwierig gestaltet sich auch die Feststellung einer dauernden Wertminderung. Wo Kryptowährungen kein intrinsicher (innerer) Wert beigemessen werden kann, weil sie keinen Ertragswert haben, wird man eine dauernde Wertminderung nur dann feststellen können, wenn sich ein äußerer Umstand zu Lasten einer Währung auswirkt, etwa ein vollständiges Handelsverbot in einem relevanten Markt. Die Fülle der Einzelfragen, gerade für die Bewertung, erschließt sich erst nach und nach. Die veröffentlichte Verwaltungspraxis181 schafft Strukturen und trägt positiv zum Diskurs bei, steht aber unter dem Vorbehalt ihrer Bestätigung durch die Rspr. Die Praxis ist gut beraten, auch bei neuen technischen Phänomen auf rechtssichere allgemeine Grundsätze zu vertrauen. Der Gesetzgeber kann fördernd und lenkend gestalten, muss es aber nicht.

181 BMF v. 10.5.2022 – IV C 1 - S 2256/19/10003:001 – DOK 2022/0493899, BStBl. II 2022, 668.

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Aktuelle Fälle des Bilanzsteuerrechts Prof. Dr. Ulrich Prinz Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Köln I. Zum Start: Herausforderungen im Bilanzsteuerrecht als „Spiegel aktueller Wirtschaftsrealitäten“ II. Bilanzierung digitaler Wirtschaftsgüter: BMF-Schreiben v. 26.2.2021/22.2.2022 (Fall 1) 1. Steuerpolitische Förderung von Digitalisierungsmaßnahmen 2. Ausgangssachverhalt: Typische Digitalisierungsprojekte 3. BMF-Schreiben vom 26.2.2021/22.2.2022: Inhalt, kritische Anmerkungen und Einschätzungen 4. Anwendung im Ausgangssachverhalt 5. Handelsbilanzielle Behandlung 6. Ergebnis: Rechtsunsicherheit als Folge des Verwaltungserlasses III. Rückstellungen für Altersfreizeit – ein neu entdecktes „Altphänomen“ (Fall 2) 1. Rückstellungen als „Hauptaufgriffspunkte“ in Betriebsprüfungen 2. Sachverhalt: Tarifvertraglich gewährte Altersfreizeit 3. Bilanzierung/Bewertung von Altersfreizeitrückstellungen 4. Abgrenzung zur Urlaubsrückstellung IV. Bilanzierung von Forschungszulagen – Kapitalgesellschaft, Mitunternehmerschaft (Fall 3)

1. Inhaltliche/verfahrensrechtliche Hauptmerkmale der Forschungszulage 2. Sachverhalt: Forschungszulage für Kapitalgesellschaften und Mitunternehmerschaften 3. Bilanzierung der Forschungszulage bei Kapitalgesellschaften 4. Bilanzierung der Forschungszulage bei Mitunternehmerschaften V. Umgang mit „fehlerhafter Steuerbilanzierung“ – vorgreifliche nicht steuerliche Rechtsfragen, Korrekturmechanik bei Organschaft (Fall 4) 1. Rechtsgrundlagen zu Bilanzkorrekturen 2. Sachverhalt 1: Fehlerkorrektur bei vorgreiflichen, nicht steuerlichen Rechtsfragen 3. Sachverhalt 2: Fehlerkorrektur bei Organschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG) a) Sachverhalt b) Durchführungsfiktion eines Gewinnabführungsvertrags bei fehlerhaftem Jahresabschluss c) Konfliktsituation zwischen Unternehmen, Betriebsprüfung und Abschlussprüfer 4. Ergebnis zum Umgang mit steuerbilanziellen Fehlern VI. Appell: „Alltagstaugliche Rechtssicherheit“ als Grunderfordernis im Bilanzsteuerrecht

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I. Zum Start: Herausforderungen im Bilanzsteuerrecht als „Spiegel aktueller Wirtschaftsrealitäten“ Die Meinungen zum Bilanzsteuerrecht sind in der Steuer-Community geteilt. Die einen empfinden Bilanzsteuerrecht als „Alltagsbrot der Steuerberatung“, das enge Berührungspunkte zur laufenden Buchführung aufweist und diese letztlich mehr oder weniger technisch zum Bilanzstichtag zu einem „steuerbilanziellen Abschluss“ verdichtet. Die anderen sehen in Anbetracht immer komplexerer Vorgänge vernetzten Wirtschaftens und vielfältig differenzierter Bilanzierungs- und Bewertungsfragen gerade bei Großunternehmen und Mittelständlern im Bilanzsteuerrecht eine „hohe Kunst“, die subtiler bilanzrechtlicher Einordnungen unter Gläubigerschutzgesichtspunkten, dem Vorsichtsprinzip und den Grundsätzen einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bedarf. Wie immer man es auch im Detail sehen mag: Bilanzsteuerrecht bedeutet komplexe wirtschaftliche Wertungen der privat- oder öffentlich-rechtlich vorgegebenen Strukturen. Bilanzsteuerrecht ist deshalb alles andere als ein „einfaches Rechtsgebiet“. Gute Systemorientierung ist notwendig. Wichtige Bilanzierungstrends mit neuen/alten Fragen: Die seit Ende 2019 weltweit zu beobachtende Corona-Pandemie1 mit ihren vielfältigen Herausforderungen und etwa auch die Hochwasserkatastrophe in Teilen der Bundesrepublik Deutschland im Sommer 2021 haben erhebliche bilanzsteuerliche Implikationen bei den betroffenen bilanzierenden Unternehmen. Alle aktiven und passiven Bilanzposten sind berührt. Insoweit ist Bilanzsteuerrecht stets „Spiegel aktueller Wirtschaftsrealitäten“. Über diese Aktualitätsthemen hinausgehend sind im Bilanzsteuerrecht seit längerem verschiedene Trends erkennbar, mit denen sich der Steuerbilanzierungspraktiker befassen muss:2 –

Bilanzierungsfragen der Digitalisierung mit immateriellen Wirtschaftsgütern: Bilanzrechtsbezogene Digitalisierungsthemen unterschiedlichster Couleur haben in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen.3 Einige Beispiele: Zu nennen ist zum ersten das Erfordernis der Übermittlung von E-Bilanzen gem. § 5b EStG mit ih-

1 Vgl. als Überblick Zwirner/Vodermeier/Krauß in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Teil A Kap. 22. 2 Anknüpfend an Prinz, StbJb. 2019/2020, 391–393 mit Aktualisierungen. 3 Vgl. eingehender Risse, Marx, Krüger, Sixt, Briesemeister und Schäperclaus in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Teil A Kap. IX.

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ren immer weiter verfeinerten Taxonomie-Erfordernissen. Aktuell gilt für Wj. ab 2022 die Taxonomie-Version 6.5 vom 14.4.2021.4 Kapitalkontenentwicklungen, Ergebnisverteilungen und die Zuordnung zum Eigen- oder Fremdkapital gehen gerade bei Mitunternehmerschaften in der E-Bilanz-Deklaration weit über die „normalen“ handelsbilanziellen Grundsätze hinaus und „zwingen“ die Rechtsanwender mitunter zur Hinnahme ungewünschter Steuerwirkungen. Nach der Ermächtigungsgrundlage für den Detailinhalt einer E-Bilanz soll durch die Taxonomie nur der „Mindestumfang“ der elektronisch zu übermittelnden Bilanz und GuV bestimmt werden (§ 51 Abs. 4 Nr. 1c EStG). Die Praxis hat sich davon komplett gelöst. Taxonomiebezogener Verordnungsgeber und materielles Steuerbilanzrecht gehen zunehmend auseinander. Die Technik muss dem Recht folgen, nicht umgekehrt. Darüber hinaus schafft die derzeit intensiv diskutierte Steuerbilanzierung von Cloud-Computing-Modellen, digitalen Plattformen und den diversen Token, ICOs und Kryptowährungen ganz neue Herausforderungen.5 Erstaunlich ist, dass die systematische Struktur unseres Bilanzsteuerrechts mit ihrem Rückgriff auf die „atmenden“ handelsrechtlichen GoB – seien sie im Detail auch noch so „verschüttet“ – stets wohlbegründete Lösungsansätze auch bei neuen Wirtschaftsphänomenen bietet. Klar ist auch: § 5 Abs. 2 EStG mit der Unterscheidung nicht aktivierungsfähiger selbsterstellter gegenüber aktivierungspflichtigen erworbenen immateriellen Gütern des Anlagevermögens stößt bei vernetzten Entwicklungsstrukturen an seine Grenzen. –

Dauerhafte Niedrigzinsen und bilanzsteuerliche Folgen: Die seit Jahren andauernde Niedrigzinsphase, die mit Beginn des Jahres 2022 wegen hoher inflatorischen Entwicklungen zu Ende geht, wirft bei Gewinnermittlern zunehmend Fragen einer Scheingewinnbesteuerung auf. Denn die steuergesetzlich marktfern typisierten Zinsen

4 Taxonomie-Version 6.5 v. 14.4.2021, BStBl. I 2021, 911. Für Wj., die nach dem 31.12.2022 beginnen, gilt lt. BMF v. 21.6.2022 – IV C 6 - S 2133-b/21/ 10002:003 – DOK 2022/0636189, BStBl. I 2022, 954 die Taxonomie 6.6 (vom 2.5.2022), die bspw. die Optionsmöglichkeit für Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften zur Körperschaftsteuer gem. § 1a KStG umsetzt. 5 Wegen Einzelfragen zur ertragsteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token vgl. BMF v. 10.5.2022 – IV C 1 - S 2256/19/ 10003:001 – DOK 2022/0493899, BStBl. I 2022, 668. Zu bilanzsteuerlichen Aspekten s. Sanning, DB 2022, 1409.

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von 6 %/5,5 % erscheinen in Anbetracht der dauerhaften Niedrigzinsphase „evident realitätsfern“ mit der Folge einer systematischen Unterdotierung von Posten auf der Passivseite der Steuerbilanz. Fraglich erscheint, ob der Beschluss des BVerfG vom 8.7.2021 zur Verfassungswidrigkeit der Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gem. § 233a AO mit jährlich fixen 6 % auch auf „Bilanzierungszinsen“ ausstrahlt.6 Je länger die Niedrigzinsphase dauert, desto offenkundiger werden die dadurch ausgelösten Verwerfungen im Bilanzsteuerrecht. Ob die Neujustierung von Bilanzierungszinsen allerdings verfassungsrechtlich im Hinblick auf ihre realitätsferne Typisierung und die massive Entstehung einer Scheingewinnbesteuerung zwingend ist, dürfte diskussionsbedürftig sein. Denn gerade die Pensionsrückstellungen haben neben ihrem Verbindlichkeitscharakter gegenüber den pensionsberechtigten Arbeitnehmern auch Innenfinanzierungsrelevanz, die die Eigenkapitalrentabilität des Unternehmens als Vergleichsmaßstab für den Zins denkbar erscheinen lässt. Der Bilanzierungspraktiker muss das Zinsthema auch im Hinblick auf den Ausgang des FG Köln Verfahrens vom 12.10.2017 beim BVerfG (Az.: 2 BvL 22/17) „im Auge behalten“. Im Übrigen hängen auch etliche systemproblematische Rechtsnormen im Bilanzsteuerrecht an der sachgerechten und realitätsnahen Definition von Bilanzierungszinsen. So hätte es etwa der Abwehrregelungen der §§ 4f, 5Abs. 7 EStG bei der entgeltlichen Übertragung von unterdotiert passivierten Verpflichtungen (mit der Entstehung stiller Lasten) bei sachgerechten Bilanzierungszinsen gar nicht bedurft. –

Zunehmende Bedeutung der Unterscheidung Gewinnermittlung erster und zweiter Stufe: Vielleicht etwas unbemerkt in der Praxis hat sich in den letzten Jahren die Unterscheidung der steuerbilanziellen Gewinnermittlung erster Stufe von den außerbilanziellen Korrekturen zweiter Stufe durchgesetzt.7 Diese Zweistufigkeit der steuerlichen Gewinnermittlung wurde von der Rspr. aus § 4 Abs. 1 EStG entwickelt und erstmals für den Anwendungsbereich der verdeckten

6 Vgl. BVerfG v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, DStR 2021, 1934. Zur Einordnung Kessler/Feurer/Schneider/Wardenberg, DStR 2021, 2929–2931. Im Hinblick auf die Vollverzinsung des § 233a AO vgl. auch „Zweites Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ v. 12.7.2022, BGBl. I 2022, 1142. 7 Vgl. etwa Kanzler in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Teil A Kap. II Rz. 164/165.

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Gewinnausschüttung gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG „fruchtbar“ gemacht. So ist etwa das überhöhte Gehalt des Gesellschaftergeschäftsführers Aufwand in der Steuerbilanz. Erst anschließend erfolgt eine außerbilanzielle fremdübliche Korrektur. Die Unterscheidung hat für fehlerbedingte Korrekturen nach den Grundsätzen des Bilanzenzusammenhangs in Abgrenzung zum allgemeinen Verfahrensrecht erhebliche praktische Relevanz. Aktuell ist nun zunehmend die Verlagerung von Abzugsverboten in den außerbilanziellen Bereich zu beobachten, ohne dass dafür ein klares System erkennbar wird. So wirkt etwa die Verteilungsnorm des § 4f EStG für entgeltlich übertragene stille Lasten außerbilanziell. Auch die neuen Abzugsverbote des § 8 Steueroasen-Abwehrgesetz vom 25.6.2021 bei Geschäftsvorgängen mit nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten nach Maßgabe einer Blacklist erfordern Korrekturen im Betriebsvermögensvergleich außerhalb der Steuerbilanz. Steuerliche Gewinnermittlung und Handelsbilanzrecht entfernen sich zwingend voneinander. Dies relativiert die fiskalische Schutzfunktion des Maßgeblichkeitsgrundsatzes weiter, was gerade bei kleineren bilanzierungspflichtigen Unternehmen meist vermieden werden soll. Im Weiteren wird ein „Potpourri ausgewählter Fälle“ mit Aktualität und steuerbilanziellem Grundsatzcharakter dargestellt.

II. Bilanzierung digitaler Wirtschaftsgüter: BMF-Schreiben v. 26.2.2021/22.2.2022 (Fall 1) 1. Steuerpolitische Förderung von Digitalisierungsmaßnahmen Die Förderung von Digitalisierung in Wirtschaft und Verwaltung mit ihrem raschen technologischen Wandel ist seit langem ein politisches Anliegen auch in Deutschland. Dies schließt steuerpolitische Fördermaßnahmen ein. In einem Beschlusspapier der Bund-Länder(-Video)Konferenz vom 19.1.2021 (sog. Ministerpräsidentenkonferenz zusammen mit der Bundeskanzlerin) wurde zur weiteren Stimulierung der Wirtschaft – nicht zuletzt im Hinblick auf die Coronapandemie bedingten Einbußen – eine Sofortabschreibung bestimmter digitaler Wirtschaftsgüter vereinbart. Dabei hat man sich auf politischer Ebene – entgegen verschiedener kritischer Stimmen – auf eine „untergesetzliche Regelung“ verständigt, die schnell verfügbar gemacht werden sollte, um ein zeitintensives Gesetzgebungsverfahren zu vermeiden. Das BMF-Schreiben vom 26.2.2021 setzt diesen steuerpolitischen Beschluss der MPK 407

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vom 19.1.2021 um.8 Insbesondere in Bezug auf den umstrittenen Rechtscharakter der Sofortabschreibung wurde das BMF-Schreiben mit Datum 22.2.2022 ohne Änderung seines Regelungsgehalts neu gefasst und durch ein Antwortschreiben des BMF v. 26.4.2022 auf eine Eingabe der Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft ergänzend erläutert.9 Derartiges Verwaltungshandeln ist eher selten anzutreffen.

2. Ausgangssachverhalt: Typische Digitalisierungsprojekte Die mittelständische UP GmbH – Zulieferunternehmen in der Automobilbranche – will ihre Digitalisierungsstrategie vorantreiben und Homeoffice-Aktivitäten der Mitarbeiter im administrativen Bereich stärken. Zu diesem Zweck sind zwei Digitalisierungsprojekte in Arbeit: –

Digitalisierungsprojekt 1: Für einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag soll ein ganzes Arsenal an Hard- und Softwareequipment – wie etwa diverse Notebooks, mobile Work- und Dockingstationen sowie dazugehörige Peripheriegeräte einschließlich diverser Programme für Betriebs- und Anwendersoftware – angeschafft werden. Die GwGRegeln des § 6 Abs. 2 EStG kommen wegen Überschreitens der Wertgrenzen und der Begrenzung auf abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter nicht zur Anwendung.



Digitalisierungsprojekt 2: Im Jahr 2020 wurde mit der Implementierung eines komplexen und auf die Betriebsbedürfnisse zugeschnittenen Warenwirtschaftssystems begonnen. Das Grundprogramm wurde von einem Softwarehersteller erworben und im Rahmen einer umfassenden Customizing-Maßnahme an die unternehmensindividuellen Bedürfnisse angepasst. Dabei wurden auch Eigenleistungen im Unternehmen erbracht. Zum 31.12.2020 – dem Bilanzstichtag der

8 Vgl. zum Hintergrund des BMF-Schreibens v. 26.2.2021 (BMF v. 26.2.2021 – IV C 3 - S 2190/21/10002:013 – DOK 2021/0231247, BStBl. I 2021, 298) weiterführend Thiele/Janssen, NWB 2022, 29 (39 f.) mit Hinweis auf die Pressemitteilung der Bundesregierung v. 19.1.2021; Strahl, KÖSDI 2021, 22192 Rz. 11; Bartelt/ Gebert, DStR 4/2021, VI. 9 Vgl. BMF v. 22.2.2022 – IV C 3 - S 2190/21/10002:025 – DOK 2022/0186479, BStBl. I 2022, 187, das BMF v. 26.2.2021 – IV C 3 - S 2190/21/10002:013 – DOK 2021/0231247, BStBNl. I 2021, 298 ersetzt. Ergänzend BMF v. 26.4.2022 – IV C 3 - S 2190/21/10002:028 – DOK 2022/0370233, DStR 2022, 942. Zu Erläuterungen Feuerstack, DStR 2022, 974; Horst, DB 2022, 632; Bolik/Reifarth-Belli, StuB 2022, 281; Häsner/Preil/Weinhold, DStR 2022, 1345; Diffring/Saft, DB 2022, 1607. Wegen der Pläne der Ampelkoalition zu einer „Superabschreibung“ vgl. Wiebe/Halverscheid, WPg. 2022, 767.

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UP GmbH – war das System noch nicht betriebsbereit. Die für den Erwerb angefallenen Aufwendungen iHv. rd. 8 Mio. Euro wurden als geleistete Anzahlungen bei den immateriellen Vermögensgegenständen aktiviert. Die Geschäftsführung der UP GmbH fragt bei ihrem steuerlichen Berater an, wie diese Vorgänge zum 31.12.2021 zu behandeln sind.

3. BMF-Schreiben vom 26.2.2021/22.2.2022: Inhalt, kritische Anmerkungen und Einschätzungen Das BMF-Schreiben vom 26.2.2021/22.2.2022 zur „Nutzungsdauer von Computerhardware und -software zur Dateneingabe und -verarbeitung“ enthält ein praxiswichtiges „Angebot“ der FinVerw. zur Sofortabschreibung digitaler Wirtschaftsgüter. Es gilt rückwirkend für Anschaffungen/ Herstellungen ab 1.1.2021, umfasst auch zum 31.12.2020 bestehende Restwertbestände entsprechender Wirtschaftsgüter und setzt das Beschlusspapier der Bund-Länder-Konferenz vom 19.1.2021 zur Förderung von Digitalisierungsmaßnahmen um. Lt. BMF-Schreiben v. 22.2.2022 stellt die Sofortabschreibung keine besondere Form der Abschreibung, keine neue Abschreibungsmethode und keine Sofortabschreibung dar; auch soll sie nicht als „Wahlrecht“ gem. § 5 Abs. 1 EStG qualifizieren. Konkret wurde für die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer bestimmter Computerhardware sowie von Betriebs- und Anwendersoftware für Wj., die nach dem 31.12.2020 enden, in Rz. 1 folgende Regelung getroffen: „Für die nach § 7 Absatz 1 EStG anzusetzende Nutzungsdauer kann für die in Rz. 2 ff. aufgeführten materiellen Wirtschaftsgüter ‚Computerhardware‘ sowie die in Rz. 5 näher bezeichneten immateriellen Wirtschaftsgüter ‚Betriebs- und Anwendersoftware‘ eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden“.

Die Verwaltung begründet die Möglichkeit zur Sofortabschreibung mit zwei Überlegungen: Zum einen unterliegen derartige digitalen Wirtschaftsgüter aufgrund des raschen technischen Fortschritts einem immer schnelleren Wandel. Zum zweiten wurde die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für Zwecke des § 7 EStG seit rd. 20 Jahren nicht mehr geprüft und soll deshalb an die geänderten tatsächlichen Verhältnisse angepasst werden. Konkrete Erfahrungswerte hinsichtlich der geänderten tatsächlichen Verhältnisse werden von der FinVerw. allerdings nicht genannt.

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In den Rz. 3–5 werden die begünstigten Wirtschaftsgüter im Einzelnen konkretisiert. Die verwaltungsseitige Enumeration ist nicht in allen Punkten abschließend. Es wird jedoch gefordert: Die entsprechenden Geräte müssen einer Kennzeichnungspflicht des Herstellers unter der sog. Öko-Design-Verordnung unterliegen (Rz. 4 des BMF-Schreibens). Damit sollen offensichtlich Mindestkriterien an die Umweltverträglichkeit von Computerhard- und -software erfüllt werden. Ungeachtet dessen werden sich in der Praxis sicherlich Abgrenzungsfragen auch mit Blick auf die Einordnung konkreter Hard- und Software in den Katalog der Öko-Design-Verordnung ergeben. Das BMF-Schreiben hat hohe Praxisrelevanz. Es will Digitalisierung in den Unternehmen aus wirtschaftspolitischen Lenkungszwecken fördern. EU-beihilferechtliche Probleme sollten im Grundsatz nicht bestehen, da die Regelung keine personellen Begrenzungen enthält und deshalb nicht selektiv wirkt. Zudem wird durch die verwaltungsseitige Sonderregelung das Abschreibungssystem nicht geändert. Unumstritten ist diese EU-rechtliche Beihilfeeinschätzung allerdings nicht.10 Die Anschaffung hochwertiger Hardware – wie etwa Server – bleibt von der Sofortabschreibungsmöglichkeit ausgeschlossen. Zu einigen kritischen Anmerkungen und Einschätzungen:11 –

Steuerliches Wahlrecht, verwaltungsseitiges „Angebot“ oder zwingende einjährige Nutzungsdauerbestimmung? Die hM ging auf Basis des ursprünglichen BMF-Schreibens v. 26.2.2021 zunächst von einem Wahlrecht aus, so dass eine direkte vollständige Aufwandsverbuchung unabhängig vom Anschaffungszeitpunkt im ersten oder zweiten Halbjahr wegen fingierter betriebsgewöhnlicher Nutzungsdauer unter einem Jahr erfolgen kann. Zwischenzeitlich geht das BMF von einem „Angebot“ einer einjährigen Nutzungsdauer – ohne ausdrücklichen Wahlrechtscharaker gem. § 5 Abs. 1 EStG aus – aus und ver-

10 Vgl. zu Details Endert, DStR 2021, 591 (594); Bolik/Reifarth-Belli/Mayer, StuB 2021, 266 (267). 11 Zur Diskussion des BMF-Schreibens vgl. Endert, DStR 2021, 591; Bolik/Reifarth-Belli/Mayer, StuB 2021, 266; Hechtner, beck.digitex 2021, 78; Tettenborn/Morgenstern/Orth, StuB 2021, 225; Althoff, BB 2021, 1066; Horst, DB 11/2021, Gastkommentar M4; Kubik, BB 2021, 753; Zwirner, DB 2021, 1218; Kowallik, DB 2021, 536 und 1836, 1840; Thiele/Janssen, NWB 2022, 29; Becker/Reeb, Ubg. 2021, 609; Adrian in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 3230. Ergänzend mit Blick auf gewerbesteuerliche Hinzurechnungstatbestände Diffring/Saft, DB 2021, 3058. Ergänzend auch Hinweise in Fn. 9.

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steht dies als begründete Annahme von Wirklichkeitstrends.12 Alternativ darf der Stpfl. aber auch weiterhin von einer jeweils längeren tatsächlichen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer – meist drei bis fünf Jahre – ausgehen. Insoweit kann ein „Gleichklang“ mit der handelsbilanziellen Handhabung erreicht werden. –

BMF-Schreiben „ohne Rechtsgrundlage“? In weiten Teilen des Schrifttums wird – meist unter Bezugnahme auf die Erfahrungen mit dem durch den BFH mangels Rechtsgrundlage aufgehobenen sog. Sanierungserlass13 – eine fehlende gesetzliche Grundlage für die Zulässigkeit einer Sofortabschreibung bemängelt. Dies führt zu Rechtsunsicherheit beim Vertrauen auf den Inhalt des Verwaltungserlasses. Weitergehend wird vereinzelt davon ausgegangen, das BMF-Schreiben vom 26.2.2021/22.2.2022 sei wegen fehlender gesetzlicher Grundlage rechtswidrig.14 Im Ergebnis ist dies mE zu weitgehend, denn zumindest sollte zugunsten der Unternehmen ein Vertrauen auf rechtmäßiges Verwaltungshandeln begründet sein; zudem besteht eine Selbstbindung der Verwaltung im Billigkeitswege. „Gerichtsfest“ ist das BMF-Schreiben aber sicher nicht. Die GwG-Regelung des § 6 Abs. 2 EStG sowie die Poolabschreibungsmöglichkeit des § 6 Abs. 2a EStG bleiben von der Verwaltungsregelung unberührt.



Auswirkungen auf Zinsschranke und Leasingzurechnungen: Die Möglichkeit zur Sofortabschreibung bestimmter digitaler Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Wahlrechtsausübung hat im Einzelfall mittelbare Folgewirkungen, die vor Inanspruchnahme mit zu bedenken sind. So hat etwa die Wahlrechtsausübung im Hinblick auf die EBITDA-Bestimmung des § 4h Abs. 1 EStG möglicherweise Auswirkungen auf die Zinsschranke, soweit die Freigrenze von 3 Mio. Euro überschritten ist. Auch sind die Zurechnungskonsequenzen der „verkürzten“ betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer digitaler Wirtschaftsgüter im Hinblick auf wirtschaftliches Eigentum nach Maßgabe der Leasing-Erlasse mit zu berücksichtigen.15

12 So BMF v. 26.4.2022 – IV C 3 - S 2190/21/10002:028 – DOK 2022/0370233, DStR 2022, 942. 13 Vgl. insoweit wegweisend BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393 = FR 2017, 296 = GmbHR 2017, 310 m. Anm. Hinder/Broekmann = ZIP 2017, 338. 14 So insbes. Anzinger in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 7 EStG Rz. 190. 15 Vgl. dazu etwa Bolik/Reifarth-Belli/Mayer, StuB 2021, 266.

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4. Anwendung im Ausgangssachverhalt Wendet man das BMF-Schreiben vom 26.2.2021 auf den beschriebenen typischen Ausgangssachverhalt an, so ergibt sich: Zum Digitalisierungsprojekt 1: Rz. 6 des BMF-Schreibens lässt eine erstmalige Anwendung in Gewinnermittlungen für Wj. zu, die nach dem 31.12.2020 enden. Soweit das Arsenal der beabsichtigten Anschaffungsvorgänge an Computerhard- und -software den konkreten Bestimmungen des BMF-Schreibens genügt, ist eine wahlweise Sofortabschreibung durch die UP GmbH möglich. Höchstbetragsbegrenzungen für einzelne Wirtschaftsgüter bestehen im BMF-Schreiben nicht. Wegen der Sofortabschreibungsmöglichkeit kommt es auf Anschaffung/Herstellung im ersten oder zweiten Halbjahr nicht an. Im Einzelfall ist allerdings zu prüfen, ob etwa wegen einer coronabedingten Verlustsituation möglicherweise eine „normale“ Verteilung entsprechend der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer gem. § 7 Abs. 1 EStG sinnvoller sein könnte. Zum Digitalisierungsprojekt 2: Rz. 5 lässt den Sofortabzug auch für individuelle Nutzerprogramme wie ERP-Software (= Enterprise Resource Planning Software) sowie Software für Warenwirtschaftssysteme zu. Trotz erheblichen Aufwandsvolumens kommt insoweit eine Sofortabschreibung wahlweise in Betracht. Die ansonsten erforderlichen komplexen Zuordnungs- und Qualifikationsüberlegungen im Hinblick auf die Behandlung der jeweiligen Aufwendungen für individuelle Einsatzbereiche nach Maßgabe eines einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs (etwa wegen Umfang/Abgrenzung von materiellen/ immateriellen Wirtschaftsgütern, Aktivierungspflichten/bloße Erhaltungsmaßnahmen) werden dadurch entbehrlich.16 Insoweit entfaltet das BMF-Schreiben eine Vereinfachungswirkung. Entsprechend der zeitlichen Anwendungsbestimmung im BMF-Schreiben ist eine Sofortabschreibung ab 2021 auch für solche Wirtschaftsgüter möglich, die in früheren Wj. angeschafft/hergestellt wurden und bei denen eine andere als die einjährige Nutzungsdauer zugrunde gelegt wurde. Vorliegend ist eine erstmalige Betriebsbereitschaft des Warenwirtschaftsprogramms in 2021 gegeben, so dass die zum 31.12.2020 aktivierten Aufwendungen sowie 16 Vgl. Kowallik, DB 2021, 1836; Becker/Reeb, Ubg. 2021, 608 sowie FG München v. 4.2.2021 – 10 K 1620/20, DStRE 2021, 1345 rkr. Ergänzend aus handelsbilanzieller Sicht auch IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Bilanzierung entgeltlich erworbener Software beim Anwender (IDW RS HFA 11 nF, Stand: 18.12.2017).

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die weiterhin in 2021 anfallenden Customizing-Aufwendungen „in einer Summe“ aufwandswirksam geltend gemacht werden können. Das BMF-Schreiben vom 18.11.2005 für die bilanzsteuerrechtliche Beurteilung von Aufwendungen für ERP-Software mit einer Abschreibungsdauer von 5 Jahren wird letztmals für Wj., die vor dem 1.1.2021 enden, für anwendbar erklärt. Dies erscheint in Anbetracht des Wahlrechtscharakters der Sofortabschreibungsmöglichkeit nicht ganz nachvollziehbar.

5. Handelsbilanzielle Behandlung Für handelsbilanzielle Zwecke ist nach hM unabhängig von der Möglichkeit zur bilanzsteuerlichen „Sofortabschreibung“ weiterhin von der tatsächlichen realitätsnahen Nutzungsdauerbestimmung auszugehen. Nach Meinung des Fachausschusses Unternehmensberichterstattung (FAB) beim IDW vom 16.3.2021 und erneut vom 18.5.2022 ist deshalb die Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von nur einem Jahr für digitale Investitionen für handelsbilanzielle Zwecke regelmäßig nicht zulässig.17 Dies erscheint im Grundsatz sachgerecht und führt zu möglicherweise signifikanten und längerfristigen Abweichungen zwischen handels- und steuerbilanzieller Behandlung digitaler Wirtschaftsgüter, die den Ansatz passiver latenter Steuern (§ 274 HGB) erforderlich machen kann. Unterschiedliche Abschreibungszeiträume in Handels- und Steuerbilanz verstoßen nach Meinung der FinVerw. nicht gegen den Maßgeblichkeitsgrundsatz gem. § 5 Abs. 1 EStG.

6. Ergebnis: Rechtsunsicherheit als Folge des Verwaltungserlasses Aus Sicht der Praxis ist das BMF-Schreiben vom 26.2.2021 zu begrüßen. Rechtspolitisch ist es allerdings wegen zweifelhafter Rechtsgrundlage problematisch. Die „Streitbereitschaft“ der Unternehmen im Hinblick auf eine Durchsetzung der Sofortabschreibung sollte deshalb im Hinblick auf dessen Gesetzeskonformität „verhalten“ sein. Möglicherweise wird der Gesetzgeber noch eine ergänzende steuergesetzliche Klarstellung vornehmen.

17 Vgl. IDW Life 4/2021, 347.; IDW Life 7/2022, 595.

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III. Rückstellungen für Altersfreizeit – ein neu entdecktes „Altphänomen“ (Fall 2) 1. Rückstellungen als „Hauptaufgriffspunkte“ in Betriebsprüfungen Jenseits von Tagesaktualitäten ist nach wie vor einer der „Hauptaufgriffspunkte“ in der Praxis der Betriebsprüfungen der Rückstellungsbereich mit seinen breit gefächerten und verschiedenartigen Phänomenen.18 Im Kern geht es bei den Rückstellungsfragen um eine verursachungsentsprechende bilanzielle Periodenabgrenzung von Aufwendungen im Rahmen der Abschnittsbesteuerung dem Grunde und der Höhe nach. Rückstellungen sind dabei entsprechend ihrem Grundverständnis keine irgendwie gearteten „Steuerwohltaten“ für die Unternehmen, sondern sollen deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sachgerecht im Rahmen bestehender Ermessensspielräume bei Berücksichtigung „ungewisser Verbindlichkeiten“ abbilden. „Evergreens“ und neue Rückstellungsphänomene halten sich in der Wirtschaftsrealität die Waage. Konkrete Rückstellungsfragen zur „sozialen Vorsorge und Absicherung“ der Arbeitnehmer sind in der Praxis häufiger und „beliebter Streitpunkt“ mit der BP. Viele Themen sind mittlerweile im Grundsatz geklärt, bei anderen Fragen wundert man sich über „weiße Diskussionsflecken“. So gilt: Zu den vielfältigen Detailfragen der Rückstellungen für Altersteilzeit gibt es Judikatur und Finanzverwaltungserlasse. Der I. Senat des BFH hatte in diesem Zusammenhang zuletzt in seinem Nachteilsausgleichsjudikat bei Altersteilzeit vom 27.9.2017 einen sehr restriktiven Kurs verfolgt, der von der FinVerw. – nicht zuletzt wegen praktischer Erfordernisse des Gläubigerschutzes – mit einer Art Nichtanwendungserlass belegt wurde.19 Anders ist dies bei ähnlich gelagerten Sozialkomponenten für Arbeitnehmer. So werden in jüngerer Zeit in einer Reihe von Betriebsprüfungen sog. Rückstellungen für Altersfreizeit streitig aufgegriffen. Judikatur dazu gibt es nur aus älterer Zeit. Aktuelle Literatur zu

18 Als Überblick vgl. Bongaerts/Zimmermann in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Teil B Kap. VI, 1551 ff. Eine Bestandsaufnahme zu steuerbilanziellen Rückstellungen enthält Prinz, DB 2020, 10 sowie DB 2015, 147. 19 Vgl. BFH v. 27.9.2017 – I R 53/15, BStBl. II 2018, 702 = FR 2018, 517 m. Anm. Weber-Grellet sowie BMF v. 22.10.2018 – IV C 6 - S 2175/07/10002 – DOK 2018/0835766, BStBl. I 2018, 1112. Zur Einordnung vgl. Prinz, StbJb. 2018/2019, 437 (439–447).

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diesem eigentlich in der Wirtschaftsrealität recht weit verbreiteten Phänomen ist eher spärlich.20

2. Sachverhalt: Tarifvertraglich gewährte Altersfreizeit Die „MH Stahlgruppe GmbH“ hat ihren Mitarbeitern im Schichtbetrieb tarifvertraglich eine zusätzliche Altersfreizeit zugesagt. Danach erhalten Arbeitnehmer nach einer mindestens zehnjährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit mit Vollendung des 60. Lebensjahres zusätzlich eine bezahlte Freizeit von 1,5 Arbeitstagen je vollem Jahr der Betriebszugehörigkeit. Zeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres werden nicht berücksichtigt. Die zusätzlichen Freizeittage sind am Ende des laufenden Arbeitsverhältnisses unmittelbar vor Rentenbeginn in „natura“ – also ohne finanzielle Abgeltungsmöglichkeit – von den betroffenen Arbeitnehmern „zu nehmen“. Die MH Stahlgruppe GmbH bildet dafür seit Jahren handels- und steuerbilanziell gleichlaufende Ansammlungsrückstellungen für Altersfreizeit analog dem Teilwertverfahren gem. § 6a EStG. Es wird jährlich ein versicherungsmathematisches Gutachten eingeholt. Zudem werden erfahrungsgestützte Fluktuationsabschläge für während der Erdienungszeit ausscheidende/verstorbene Arbeitnehmer in Abzug gebracht. Seit 2018 besteht eine ergänzende Vereinbarung des Unternehmens mit dem Betriebsrat, wonach begünstigte Arbeitnehmer zum besseren Erhalt ihrer langfristigen Arbeitsfähigkeit ein Wahlrecht dahingehend haben, tarifvertraglich bereits erdiente Altersfreizeittage nach bestimmten Modalitäten in zusätzlichen laufenden Jahresurlaub umzuwidmen. Das Unternehmen hat daraufhin seine Bilanzierung insoweit geändert, als die zum Bilanzstichtag tatsächlich „umgewandelten“ Zusatzurlaubstage aus der Altersfreizeitrückstellung herausgenommen wurden. Soweit zum Bilanzstichtag der Zusatzurlaub noch nicht genommen wurde, erfolgt die Einstellung einer „Urlaubsrückstellung“. Die Betriebsprüfung will im Rahmen ihrer „Findings“ die Altersfreizeitrückstellung zum 31.12.2018 in weiten Teilen wegen der Umwand20 Vgl. Schubert in Beck’scher Bilanzkommentar12, § 249 HGB Rz. 100 „Altersfreizeit und Mehrurlaub“; Hinweise in IDW Life 11/2021, 1122; aus älterer Zeit Förschle/Kropp, DB 1985, 2569 (2574). Aus der Judikatur: Nds. FG v. 15.10.1987 – VI 59/85, DB 1988, 1976. Zur Sicht der FinVerw. vgl. BMF v. 11.11.1999 – IV C 2 - S 2176 - 102/99, BStBl. I 1999, 959. Aktuell Prinz, StuB 2022, 11.

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lungsmöglichkeit des Freizeitanspruchs nicht mehr anerkennen und nimmt eine Kürzung für sämtliche umwandelbaren Zusatzurlaubsansprüche vor. Insoweit fehle es an der wirtschaftlichen Verursachung des Altersfreizeitanspruchs. Man solle doch bitte mit der Berücksichtigung des Aufwands in laufender Rechnung ohne Rückstellungsbildung „zufrieden“ sein. Im Anschluss an die Betriebsprüfung kommt es zu einem Rechtsbehelfsverfahren.

3. Bilanzierung/Bewertung von Altersfreizeitrückstellungen Für die tarifvertraglich (ggf. auch einzelvertraglich) gewährte Altersfreizeit ist in der Steuerbilanz eine sogenannte Verbindlichkeitsrückstellung gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG nach den handelsrechtlichen GoB zu bilden. Bildung der Rückstellung und deren Bewertung richten sich nach den allgemeinen steuerbilanziellen Grundsätzen. Für die Bewertung ist § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG zu beachten, wonach insbes. eine zeitanteilige Ansammlung entsprechend der wirtschaftlichen Verpflichtungsentstehung im laufenden Betrieb erfolgen muss. Der Anspruch auf Altersfreizeit wird von den betroffenen Arbeitnehmern während ihrer Betriebszugehörigkeit sukzessive erdient. Insoweit ist die im Ausgangspunkt vermutete Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung im laufenden Arbeitsverhältnis (= schwebendes Geschäft) in einen Erfüllungsrückstand des Arbeitgebers „umgeschlagen“. Die Altersfreizeitgewährung erfolgt vor Eintritt der gesetzlichen Altersrente. Ein Bestandteil der Pensionsverpflichtung selbst ist sie deshalb nicht. § 6a EStG ist wegen seines nur auf Pensionsrückstellungen begrenzten Anwendungsbereichs nicht unmittelbar einschlägig. Die Argumentation der BP, der Anspruch auf Altersfreizeit sei nur insoweit rückstellungsfähig, als er vor Rentenbeginn nicht in zusätzlichen Jahresurlaub umwandelbar ist, erscheint bilanzrechtssystematisch unzutreffend. Die vorzeitige antragsabhängige Umwandlungsmöglichkeit eines tarifvertraglich gewährten und bereits erdienten Altersfreizeitanspruchs in zusätzlichen Jahresurlaub ist an die „Umwandlungsentscheidung“ des jeweiligen Arbeitnehmers als „auflösende Bedingung“ geknüpft und hindert die Entstehung einer Verbindlichkeitsrückstellung nicht. Die Altersfreizeitrückstellung bleibt dem Grunde nach von der nur bedingt entstehenden Umwandlungsmöglichkeit unberührt. Allerdings sind die tatsächlichen optierten Jahresurlaubstage aus der Altersfreizeitrückstellung „zu kürzen“. Im Übrigen kommt der Altersfreizeitrückstellung auch nicht der Charakter einer sogenannten Drohverlustrückstel416

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lung zu, die gem. § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG steuerbilanziell nicht gebildet werden darf. Eine solche Drohverlustrückstellung verlangt eine Unausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung aus einem schwebenden Geschäft, die zu einem zukünftigen Aufwandsüberhang im Rahmen einer imparitätischen Bewertung führt. Bei der Altersfreizeitrückstellung geht es aber nicht um einen zukünftig drohenden Verlust, sondern vielmehr um einen periodenbezogenen Erfüllungsrückstand des Unternehmens als Arbeitgeber gegenüber den altersfreizeitberechtigen Mitarbeitern. Höchstrichterliche Rspr. zur Altersfreizeitrückstellung liegt in aktueller Form ersichtlich nicht vor. Allerdings wird eine Rückstellungsbildung in einer älteren rechtskräftigen Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 15.7.198721 abgelehnt, da es sich weder um drohende Verluste aus einem schwebenden Geschäft noch um ungewissen Verbindlichkeiten handele. Es handelt sich um ein „Einzelurteil“, das einen Sachverhalt aus dem Streitjahr 1980 betrifft und auf ein aktienrechtliches Verständnis von GoB rekurriert, das spätestens durch das BiRiLiG 1985 überholt ist. Ein Präjudiz für eine aktuelle Ablehnung von Rückstellungen für Altersfreizeit ist dieses „Alt-Judikat“ nicht. Der Manteltarifvertrag im Streitfall des FG Niedersachsen verlangte – abweichend zu aktuellen Alterfreizeitgestaltungen – keine sukzessive Erdienung der bezahlten Freizeittage, sondern erlaubte eine pauschale Zusatzfreizeit. Dies ist ein wichtiger Sachverhaltsunterschied. Hinzu kommt: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Streitfall 1980 waren in ihrer Sozialkomponente (hohe Jugendarbeitslosigkeit, Entlastung des Arbeitsmarkts) erkennbar abweichend zur heutigen Lebenswirklichkeit. Zudem hat sich das Verständnis eines Erfüllungsrückstands bei laufenden Arbeitsverhältnissen in der jüngeren BFH-Rspr. im Vergleich zum „Diskussionsstand 1987“ weiterentwickelt.22 Eine außer Betracht bleibende Drohverlustrückstellung (§ 5 Abs. 4a EStG) ist außerdem von einem Erfüllungsrückstand aus einem laufenden Rechtsverhältnis als ungewisse Verbindlichkeit wegen bereits erhaltener Gegenleistung zu unterscheiden.

21 Vgl. Nds. FG v. 15.7.1987 – VI 59/85, DB 1988, 1976. 22 Vgl. Schulz in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Rz. 916–925 (Jan. 2019).

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4. Abgrenzung zur Urlaubsrückstellung Der bei der Ermittlung der Altersfreizeitrückstellung reduzierte Betrag tatsächlich bereits umgewandelter Zusatzurlaubstage, die bis zum jeweiligen Bilanzstichtag beantragt, aber erst im folgenden Wj. vom Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden, muss im Rahmen einer Urlaubsrückstellung Berücksichtigung finden. Es handelt sich um eine verpflichtende Verbindlichkeitsrückstellung wegen eines Erfüllungsrückstands beim Unternehmen. Grund dafür ist: Der Arbeitnehmer hat im laufenden Wj. seine Arbeitsverpflichtung im vollen Umfang erbracht und wegen fehlender Urlaubsinanspruchnahme vorgeleistet, der Arbeitgeber befindet sich im Hinblick auf nach dem Stichtag anfallende Personalaufwendungen in einem Erfüllungsrückstand. Es handelt sich um eine Geldverpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer, nicht um eine Sachschuld zur Freizeitgewährung.23 Eine Drohverlustrückstellung liegt nicht vor. Es besteht kein Leistungsmissverhältnis aus dem Arbeitsvertrag im Ganzen und in der Zukunft, sondern ein konkreter Erfüllungsrückstand aus dem Arbeitsverhältnis zu Lasten des Arbeitgebers. Die Höhe der Urlaubsrückstellung bestimmt sich gemäß Rspr. und Finanzverwaltungsmeinung nach dem Urlaubsentgelt, das der Arbeitgeber hätte aufwenden müssen, wenn er seine Zahlungsverpflichtung bereits am Bilanzstichtag erfüllt hätte.24 Entscheidende Stellgrößen für die Rückstellungshöhe sind: Das Jahresgehalt des betroffenen Arbeitnehmers, die Zahl der zusätzlich umgewandelten Urlaubstage sowie die regulären Arbeitstage (= Soll-Arbeitstage). Etwaige Erstattungsansprüche gegenüber einer Urlaubskasse oder einer sonstigen Institution sind zu kürzen. Zukünftige Lohnerhöhungen finden wegen § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG keine Berücksichtigung. Der systematische Rückgriff auf die Arbeitstage des Arbeitnehmers ist allerdings umstritten. Denn für handelsbilanzielle Zwecke wird nicht auf die regulären, sondern die tatsächlich zu leistenden Ist-Arbeitstage abgestellt.25 Die Bewertung der Urlaubsrückstellung in der Handelsbilanz ist deshalb typischerweise et23 In den 1980/1990er Jahren wurde in der Literatur intensiv über den Charakter von Urlaubsrückstellungen diskutiert. Vgl. etwa Büchele, DB 1997, 2133; Breidenbach, DB 1992, 2203; Weber-Grellet, DB 1992, 2567. 24 Vgl. R 5.7 Abs. 8 EStR, H 6.11 „Urlaubsverpflichtung“ EStH. Zu den älteren Grundsatzentscheidungen vgl. BFH v. 8.7.1992 – XI R 50/89, BStBl. II 1992, 910 = FR 1992, 650; v. 29.1.2008 – I B 100/07, BFH/NV 2008, 943. 25 Vgl. Bongaerts/Zimmermann in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Teil B, Kap. VI. Rz. 5665 „Urlaubsrückstand“.

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was höher als in der Steuerbilanz. Die Unterscheidung zwischen regulären und tatsächlich zu leistenden Arbeitstagen ist steuersystematisch nicht nachvollziehbar. Vielmehr sollte auch für steuerbilanzielle Zwecke wegen einer am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichteten Rückstellungsbildung allein auf die tatsächlichen Ist-Arbeitstage abgestellt werden. Ansonsten würde die Urlaubsrückstellung besteuerungssystematisch unterdotiert ausgewiesen. Insoweit sollte der BFH seine Rspr. bei nächster Gelegenheit fortentwickeln.

IV. Bilanzierung von Forschungszulagen – Kapitalgesellschaft, Mitunternehmerschaft (Fall 3) 1. Inhaltliche/verfahrensrechtliche Hauptmerkmale der Forschungszulage Zur Förderung innovativen technischen Know-hows in Deutschland insbes. mit Blick auf kleine Unternehmen hat der Gesetzgeber – mit Genehmigung der Europäischen Kommission – ab 1.1.2020 eine sog. Forschungszulage (FZulG vom 14.12.2019) eingeführt. Das Forschungszulagengesetz wurde durch das Zweite Coronasteuerhilfegesetz vom 29.6.2020 betragsmäßig erweitert und durch das Jahressteuergesetz 2020 vom 21.12.2020 (Art. 40) sowie durch das Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz (GrStRefUG) vom 16.7.2021 in Details nachgebessert. Schließlich wurde die Optionsmöglichkeit für Personenhandelsgesellschaften, sich wie Körperschaften besteuern zu lassen, in § 1 Abs. FZulG durch das KöMoG v. 25.6.2021 integriert. Die FinVerw. hat unter dem Datum 11.11.2021 ein umfassendes Anwendungsschreiben26 zum Forschungszulagengesetz veröffentlicht, das in der Praxis für eine verbesserte Rechtssicherheit sorgen soll. Gegenstand und Umfang der Forschungszulage: Die Begünstigung durch das Forschungszulagengesetz –

erstreckt sich auf die Kategorien Grundlagenforschung, industrielle Forschung und/oder experimentelle Entwicklung (§ 2 Abs. 1 FZulG),



knüpft als förderfähige Aufwendungen (vereinfacht) an lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn forschender Arbeitnehmer beim Anspruchsberechtigten an und

26 Vgl. BMF v. 11.11.2021 – IV C 3 - S 2020/20/10029:007 – 2021/1158079, BStBl. I 2021, 2277 mit umfangreichen Hinweisen zu beihilferechtlichen Vorgaben. Zu Erläuterungen vgl. Geberth/Höhn, GmbHR 2021, R 374-376.

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beläuft sich auf 25 % der Bemessungsgrundlage, begrenzt auf eine Höchstsumme von 2 Mio. Euro (= 500.000 Euro Zulage) bzw. für förderfähige Aufwendungen nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.7.2026 4 Mio. Euro (= 1 Mio. Euro Zulage).

Bei verbundenen Unternehmen gilt der Förderhöchstbetrag für den Unternehmensverbund insgesamt (§ 3 Abs. 6 FZulG). Dabei werden zwei oder mehr Unternehmen als miteinander verbunden qualifiziert, wenn das eine auf das andere einen beherrschenden Einfluss iSd. § 290 Abs. 2–4 HGB ausübt. Zweistufiges Verfahren für Gewährung/Abwicklung der Forschungszulage: –

Schritt 1: In einem ersten Schritt muss ein Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung bei der „Bescheinigungsstelle Forschungszulage (BSFZ)“ gestellt werden. Es gelten die Regelungen der Forschungszulagen-Bescheinigungsverordnung (FZulBV) vom 30.1.2020 einschl. der Ersten Forschungszulagen-Bescheinigungsänderungsverordnung v. 26.4.2022. Das BSFZ prüft die inhaltlichen Voraussetzungen für das Vorliegen der begünstigten F&E-Maßnahmen und erteilt als Grundlagenbescheid eine Bescheinigung über die Förderfähigkeit des Projekts. Die Bescheinigung kann bereits vor Projektbeginn oder während des Projekts erstellt werden.



Schritt 2: In einem zweiten Verfahrensschritt wird unter Vorlage der Bescheinigung ein Antrag auf Festsetzung der Forschungszulage bei dem für den Antragsteller zuständigen FA gestellt. Der Antrag kann erst nach Ablauf des Wj. gestellt werden, in dem die förderfähigen Aufwendungen für begünstigte F&E-Vorhaben entstanden sind. Über die Zulage wird ein „Forschungszulagenbescheid“ gem. § 10 Abs. 1 FZulG erteilt. Die festgesetzte Zulage wird sodann im Rahmen der nächsten erstmaligen Festsetzung von Einkommen- oder Körperschaftsteuer vollständig auf die festgesetzte Steuer angerechnet. Eine Verrechnung mit Gewerbesteuer erfolgt nicht. Ein nach Verrechnung der Forschungszulage verbleibender Erstattungsanspruch wird an den jeweiligen Stpfl. ausgezahlt. Die vom Gesetzgeber genutzte „Verrechnungstechnik“ mit Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Leistung der Forschungszulage (Verknüpfung mit dem jeweiligen Ertragsteuerfestsetzungsverfahren) ist Vorgaben des Europäischen Beihilferechts

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geschuldet.27 Deshalb konnte keine direkte Auszahlung der Forschungszulage an den Anspruchsberechtigten gesetzlich festgelegt werden. Die Verrechnungstechnik wirft vor allem bei Mitunternehmerschaften Bilanzierungsfragen auf und bewirkt zudem eine zeitliche Nachverlagerung der Liquiditätswirkung der Forschungszulage. Der Gesetzgeber geht offensichtlich im Hinblick auf die Verrechnung der Forschungszulage mit der festgesetzten Einkommen- oder Körperschaftsteuer von deren „Nichtbesteuerung“ aus. Dies ist allerdings im Schrifttum nicht unstreitig. Die FinVerw. derweil belässt die Forschungszulage – im Umkehrschluss aus § 12 Nr. 3 EStG sowie § 10 Nr. 2 KStG – im Ergebnis steuerfrei und erfasst sie nicht als Betriebsvermögensmehrung im Rahmen der Gewinnermittlung.28 Zur handelsbilanziellen Erfassung von Forschungszulagen hat sich der Fachausschuss Unternehmensberichterstattung (FAB) des IDW in einer Verlautbarung vom 1.7.2021 geäußert; der FAB nimmt darin Bezug auf IDW 1/1984 idF 1990.29

2. Sachverhalt: Forschungszulage für Kapitalgesellschaften und Mitunternehmerschaften Steuerberater X hat in seinem Mandantenkreis zwei Unternehmen, die Forschungszulagen nach dem Forschungszulagengesetz in Anspruch nehmen und nach deren bilanzieller Behandlung fragen. Bilanzstichtag bei beiden Mandanten ist der 31.12.2001. a. Die A GmbH – eine „kleine Kapitalgesellschaft“ gem. § 267 Abs. 1 HGB – hat im Dezember 01 einen Antrag auf eine Bescheinigung gem. § 6 FZulG gestellt. Die Bescheinigung wurde im Februar 02 erteilt. Der Antrag auf Forschungszulage wurde im März 02 gestellt. Der Jahresabschluss der A GmbH wurde im April/Mai 02 erstellt und anschließend im Rahmen einer Gesellschafterversammlung festgestellt. Der im September erteilte Forschungszulagenbescheid weist im Ergebnis eine etwas geringfügigere Zulage als beantragt aus. Die be-

27 Vgl. zur Regierungsbegründung BT-Drucks. 19/14875, 33. Zu Erläuterungen s. Kessler/Spychalski, DStR 2019, 2602 f.; Riehl in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 10 FZulG Rz. 2. 28 Vgl. als Überblick Brunckhorst, DStR 2020, 2349, DStR 2022, 15 und 1530; Althoff/Ehsen-Rühl, DStR 2021, 330; Scholz, StuB 2021, 143 sowie 944; Zwirner/Krauß, DB 2021, 2036. Zur Sicht der Finanzverwaltung s. Rz. 284–287 des Anwendungsschreibens vom 11.11.2021. 29 Vgl. IDW Life 8/2021, 943.

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günstigten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen wurden in 01 komplett als Aufwand behandelt. b. Die B-OHG wird von drei in Deutschland ansässigen natürlichen Personen (= Mitunternehmern) gemeinsam geführt. Ein Antrag auf Option zur Körperschaftsteuer gem. § 1a KStG wurde nicht gestellt. Der Antrag auf Bescheinigung des begünstigten F&E-Vorhabens wurde bereits im Mai 01 gestellt, so dass im Dezember 01 die Bescheinigung vorlag. Im Januar 02 wird die Forschungszulage beantragt und im April 02 per Forschungszulagenbescheid bewilligt.

3. Bilanzierung der Forschungszulage bei Kapitalgesellschaften Handels- und steuerbilanziell stellt sich die Frage, ob die Forschungszulage zum Stichtag 31.12.2001 bereits aktiviert werden muss und wie ggf. der GuV-Ausweis zu erfolgen hat. Im Einzelnen: –

Wirtschaftlich betrachtet stellt die Forschungszulage einen nicht rückzahlbaren öffentlich-rechtlichen Aufwandszuschuss dar. Eine Aktivierung als sonstiger Vermögensgegenstand/Wirtschaftsgut kommt nur dann in Betracht, falls es sich um einen rechtssicheren oder quasi rechtssicheren Anspruch zum Bilanzstichtag bei ergänzender Berücksichtigung des Wertaufhellungszeitraums für eine ordnungsmäßige Erstellung des Jahresabschlusses handelt. Gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 FZulG entsteht der Anspruch auf Forschungszulage bereits mit Ablauf des Wj., in dem die förderfähigen Aufwendungen bezogen worden oder beim Anspruchsberechtigten entstanden sind. Vorliegend wurde der Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung zwar noch vor dem Bilanzstichtag gestellt. Die Bescheinigung selbst ging erst nach dem Bilanzstichtag, aber innerhalb des Wertaufhellungszeitraums ein. Die Forschungszulage wurde ebenfalls innerhalb des Wertaufhellungszeitraums beantragt. Die Bescheiderteilung erfolgte allerdings erst nach Jahresabschlusserstellung.



Nach dem für Handels- und Steuerbilanz gleichermaßen als GoB geltenden Realisationsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sollte eine Aktivierung der Forschungszulage zum 31.12.2001 zulässig und erforderlich sein. Die ordnungsgemäß beantragte Bescheinigung beim BSFZ indiziert die vom Unternehmen in Aussicht genommene Forschungszulage. Die Berechtigung des Anspruchs wird durch Erteilung der Bescheinigung und Antragstellung auf Forschungszulage im Wertaufhellungszeitraum bestätigt. Dass die Forschungszulage dann

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tatsächlich erst außerhalb des Wertaufhellungszeitraums durch das FA beschieden wurde, hindert die Aktivierung nicht. –

Etwaige Abweichungen zwischen beantragter und erteilter Forschungszulage sind in einem solchen Fall im laufenden Geschäftsjahr 02 zu bereinigen und berühren den Bilanzausweis zum 31.12.2001 nicht. Sofern allerdings bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Aufstellung des Abschlusses keine Bescheinigung des BSFZ vorliegt, sollte eine Aktivierung der in Aussicht genommenen Forschungszulage unter Realisationsgesichtspunkten ausscheiden.30



Im Fall einer Aktivierung der Forschungszulage ist in der GuV ein sonstiger betrieblicher Ertrag auszuweisen. In Betracht kommt auch eine Kürzung der förderfähigen Personalaufwendungen. Eine Verrechnung der beantragten Forschungszulage im Hinblick auf deren Anrechnung auf geleistete Körperschaftsteuern mit der Position Steueraufwand dürfte dagegen unter Klarheitsgesichtspunkten ausscheiden. Wegen der Steuerfreiheit des Anspruchs auf Forschungszulage ist die steuerbilanziell erfolgte Betriebsvermögensmehrung außerbilanziell zu korrigieren.31 Auch die FinVerw. geht in Rz. 287 des BMFAnwendungsschreibens vom 11.11.2021 von der Notwendigkeit eines Bilanzausweises der Forschungszulage aus, die für Einkommensermittlungszwecke außerbilanziell unter Rückgriff auf § 10 Nr. 2 KStG zu korrigieren ist. Allerdings verlangt die FinVerw. eine Minderung der Körperschaftsteuerrückstellung im Hinblick auf die Anrechnung der Forschungszulage oder einen als Forderung zu aktivierenden Körperschaftsteuererstattungsanspruch. ME sollte diese von der FinVerw. beschriebene steuerbilanzielle Handhabung unter „True and fair View-Gesichtspunkten“ nicht auf die handelsbilanzielle Behandlung ausstrahlen, weil Zulagenanspruch und Verrechnungstechnik im Zuge der festgesetzten Einkommen- oder Körperschaftsteuer unter Bilanzierungsaspekten einen „getrennten Ausweis“ verlangen.



Sofern die Forschungszulage zu aktivierungspflichtigen begünstigten F&E-Maßnahmen führt, dürften nach hM die Grundsätze zur Behandlung von Investitionszuschüssen zur Anwendung kommen. Danach sollte der zu aktivierende Anspruch entweder die begünstigten Anschaffungs- und Herstellungskosten kürzen oder als Sonderposten auf der Passivseite der Bilanz zu erfassen sein. Im Ergebnis werden

30 Vgl. zum Ganzen FAB-Verlautbarung v. 1.7.2021, IDW Life 8/2021, 943. 31 So auch Brunckhorst, DStR 2020, 2349 (2352).

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insoweit die Abschreibungen für das zu aktivierende Forschungsprojekt reduziert. Sofern es sich bei den F&E-Tätigkeiten um selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte handelt, können Handels- und Steuerbilanzen im Hinblick auf das Aktivierungswahlrecht des § 248 Abs. 2 HGB einerseits und das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG andererseits voneinander abweichen.32 Nach Meinung der FinVerw. sind im Rahmen einer ertragsteuerlichen Organschaft Organgesellschaften eigenständig anspruchsberechtigt (so Rz. 15 des BMFSchreibens).

4. Bilanzierung der Forschungszulage bei Mitunternehmerschaften Anspruchsberechtigter für die Forschungszulage ist gem. § 1 Abs. 2 FZulG die B-OHG als Mitunternehmerschaft. Bei Ausübung der Option gem. § 1a KStG für Wj. ab 2022 gelten die Regelungen für Körperschaften. Die begünstigen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben werden durch die Mitunternehmerschaft selbst erbracht und zu Lasten von deren Personalaufwand abgewickelt. Auch mitunternehmerschaftliche Innengesellschaften können anspruchsberechtigt sein (so Rz. 11, 13 BMFSchreiben). Allerdings verfügen Personengemeinschaften, die keine Mitunternehmerschaften sind, nicht über eine Anspruchsberechtigung. Die Forschungszulage selbst wird dann allerdings entsprechend den transparenten Besteuerungsgrundsätzen für Mitunternehmerschaften auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer der jeweiligen Mitunternehmer nach Maßgabe des gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilungsschlüssels angerechnet. Anspruchsberechtigte Mitunternehmerschaft und (per Verrechnung) zulagenempfangender Mitunternehmer fallen personell auseinander. Bilanzielle Handhabung nach herrschender Meinung: Daraus folgt für Zwecke der Handels- und Steuerbilanz:33 –

Die beantragte Forschungszulage sollte entsprechend den GoB-konformen Realisationsgrundsätzen als Vermögensgegenstand/Wirt-

32 Zu weiteren Konsequenzen im Rahmen von Organschaften und Ausschüttungs- und Abführungssperren vgl. Bärsch/Dreßler/Barbu-Schwechel, DStR 2020, 1548; Althoff/Esen/Rühl, DStR 2021, 330 sowie Scholz, StuB 2021, 143 (147 f.). 33 Vgl. Hinweise des FAB beim IDW v. 1.7.2021, IDW Life 8/2021, 943–945, die allerdings im Schrifttum nicht unstreitig sind. Vgl. etwa Scholz, StuB 2021, 944 (947 f.).

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schaftsgut in der Gesamthandsbilanz der Mitunternehmerschaft ausgewiesen werden, da die B-OHG selbst anspruchsberechtigt ist. Zum Aktivierungszeitpunkt gelten die auch für Kapitalgesellschaften anwendbaren Grundsätze. Insoweit sollte die Forschungszulage zum Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft gehören mit entsprechender außerbilanzieller Kürzung. –

Da die technische Abwicklung der Forschungszulagenauszahlung mit den persönlichen Ertragsteuern der Mitunternehmer – also auf der Gesellschafterebene mit deren Einkommen-/Körperschaftsteuer – erfolgt, sind insoweit nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags oder in Umsetzung anderweitiger Gesellschafterbeschlüsse Entnahmen in Höhe der gesellschafterspezifischen Verrechnung oder Forderungen gegen den jeweiligen Gesellschafter (mit korrespondierendem Ausweis einer Verbindlichkeit im SBV) auszuweisen.34 Insoweit besteht nach Meinung des IDW eine Vergleichbarkeit der Abwicklung der mitunternehmerschaftlichen Forschungszulage mit der Behandlung einbehaltener Kapitalertragsteuer in der Handelsbilanz einer Personengesellschaft im Zusammenhang mit Erträgen aus Kapitalgesellschaftsbeteiligungen nach Maßgabe eines Bruttoausweises.

Abweichende Handhabung durch die Finanzverwaltung: Die FinVerw. ordnet allerdings in Rz. 284–286 des Anwendungsschreibens zur Forschungszulage vom 11.11.2021 eine abweichende steuerbilanzielle Handhabung an. Zunächst soll die Forschungszulage im Umkehrschluss aus § 12 Nr. 3 EStG nicht zu einer Betriebsvermögensmehrung bzw. Betriebseinnahme führen. Forderungen auf die Erstattung von Einkommensteuer bei natürlichen Personen als Mitunternehmer im Rahmen der beantragten Forschungszulage sollen deshalb nicht zum Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft gehören, weil sie nicht den betrieblichen Bereich betreffen. ME ist dies problematisch, da die Mitunternehmerschaft gemäß ausdrücklicher Anordnung in § 1 Abs. 2 FZulG selbst Anspruchsberechtigte ist und die entsprechenden förderfähigen Aufwendungen für begünstigte Forschungszwecke trägt. Insoweit sollte die Forschungszulage selbst eine betriebliche Veranlassung als Grundlage aufweisen. Nur unter Vereinfachungsgesichtspunkten erscheint die Finanzverwaltungssicht akzeptabel. Für handelsbilanzielle Zwecke jedenfalls sollte Rz. 285 des BMF-Schreibens vom 11.11.2021 nicht einschlägig sein, da ansonsten gegen das handelsbilanzielle Vollständigkeitsgebot 34 Vgl. dazu auch die Hinweise des FAB in seiner Verlautbarung v. 1.7.2021, IDW Life 8/2021, 943.

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zum Ausweis sämtlicher durch die Personengesellschaft ausgelösten Aktiva und Passiva verstoßen würde. Sofern die Mitunternehmer allerdings nach Anrechnung den Betrag der Forschungszulage in das Unternehmen mittels Erhöhung des Kapitalkontos einlegen und dies entsprechend zivilrechtlich vereinbart ist, soll nach Meinung der FinVerw. eine Forderung der Mitunternehmerschaft gegenüber ihren Mitunternehmern zu aktivieren sein, die dazu korrespondierend im Sonderbetriebsvermögen des betroffenen Mitunternehmers eine entsprechende Verbindlichkeit zur Folge hat. Insgesamt folgt diese Sichtweise der FinVerw. allein der technischen Ausgestaltung der Auszahlung der Forschungszulage durch Verrechnung mit der Einkommensteuer, wird dabei allerdings dem betrieblichen Charakter der Forschungszulage für begünstigte förderfähige Aufwendungen nicht in vollem Umfang gerecht.

V. Umgang mit „fehlerhafter Steuerbilanzierung“ – vorgreifliche nicht steuerliche Rechtsfragen, Korrekturmechanik bei Organschaft (Fall 4) 1. Rechtsgrundlagen zu Bilanzkorrekturen Der Ausgangspunkt scheint klar: Bilanzierungs- und Bewertungsfehler in Handels- und Steuerbilanz müssen bei Entstehung, zumindest in laufender Rechnungsperiode, korrigiert werden. Ein Fehler liegt – vereinfacht formuliert – immer dann vor, wenn Bilanzierung/Bewertung gegen die handelsrechtlichen GoB oder Einzelnormen bewusst oder versehentlich verstößt. Sämtliche Posten der Aktiv- und Passivseite der Bilanz können betroffen sein. Der Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs (= Zweischneidigkeit der Bilanz, § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) bewirkt bei mehrperiodiger Betrachtung eine Art Korrekturmechanismus, weil sich bilanzielle Fehler spätestens „über die Zeit“ mehrerer Rechnungsperioden ausgleichen. Klare Korrekturnotwendigkeiten im Fehlerentstehungsjahr bestehen deshalb etwa bei Rechenfehlern, eindeutig falschen Bilanzpostenzuordnungen oder bewussten Manipulationen des Zahlenwerks durch den Bilanzaufsteller. Aber nicht alles, was sich bei „Betrachtung im Nachhinein“ als „falsch“ herausstellt, ist aus der Ex-ante-Perspektive des Aufstellers zum Bilanzstichtag als Fehler einzuordnen und erkennbar. Prognosen bei der Einschätzung von Risiken und Wertminderungen, Schätzungen der Nutzungsdauer und des Aufwandsumfangs lassen häufig selbst bei sorgfältiger und an objektiven Maßstäben orien426

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tierter Tatsachenzusammenstellung und rechtlicher Analyse Bandbreiten für Bilanzierungs-/Bewertungsansätze zu. Das, was die FinVerw. bei einer Betriebsprüfung etwa im Teilwertabschreibungsbereich als fehlerhaft für einen Besteuerungsabschnitt korrigiert, kann sich Jahre später – geklärt durch BFH-Rspr. im Rahmen eines langjährigen Rechtsbehelfsverfahrens – als letztlich zutreffend erweisen. Der Umgang mit „tatsächlichen/vermeintlichen“ Fehlern bei Bilanzierung und Bewertung in Handels- und Steuerbilanz ist deshalb alles andere als banal. Für Korrekturen an festgestellten Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen ist zwischen Handels- und Steuerbilanz wie folgt zu unterscheiden: –

Handelsbilanzrecht: Insoweit spricht man von „Änderung von Jahresabschlüssen“, wobei fehlerfreie von fehlerhaften Jahresabschlüssen (Bilanz, GuV, Anhang) zu unterscheiden sind.35 Die Bindungswirkung des Jahresabschlusses im Hinblick auf Gläubigerschutz und für Gewinnverwendungsbeschlüsse sowie seine Informationsfunktion für die verschiedenen Bilanzadressaten setzt Bilanzänderungen bei fehlerfreien Jahresabschlüssen enge Grenzen. Entsprechend kommen Änderungen im Grundsatz nur bei gewichtigen rechtlichen, wirtschaftlichen oder steuerrechtlichen Gründen in Betracht. Die rückwirkende Korrektur eines bereits festgestellten, aber fehlerhaften Abschlusses ist weitergehend immer dann geboten, wenn der identifizierte Bilanzierungs- oder Bewertungsfehler betrags- oder ausweismäßig gewichtig ist und ohne die Korrektur kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermittelt würde. Insoweit gilt der im Einzelfall auszutarierende „Grundsatz der Wesentlichkeit“. Die stichtagsbezogene Beurteilung schließt den Wertaufhellungszeitraum ein (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Handelsrechtlich gilt nach hM der normativ-subjektive Fehlerbegriff, wonach die Beurteilung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns zum Bilanzaufstellungszeitpunkt vertretbar sein muss. Nichtige Jahresabschlüsse müssen allerdings stets rückwirkend durch wirksame Jah-

35 Vgl. IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen (IDW RS HFA 6, Stand: 12.4.2007). Zu Erläuterungen vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen16, 713–717. Wegen des handelsrechtlichen Fehlerbegriffs im Enforcementverfahren und den Konsequenzen für die Steuerbilanz vgl. Ebeling/Häsner, FR 2020, 858; Schüppen, DB 2022, 749. Siehe ergänzend auch BGH v. 11.5.2021 – II ZR 56/20, DStR 2021, 2919.

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resabschlüsse ersetzt werden, sofern der Rechtsmangel nicht durch Zeitablauf geheilt ist (§ 256 Abs. 6 AktG). –

Steuerbilanzrecht: Es gilt § 4 Abs. 2 EStG, wonach eine Bilanzberichtigung bei fehlerhaften, nicht den GoB entsprechenden Ansätzen von einer nur begrenzt zulässigen Bilanzänderung bei fehlerfreien Abschlüssen zu unterscheiden ist.36 Konkret sind Bilanzänderungen nur in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit Bilanzberichtigungen und ferner nur insoweit zulässig, als die Auswirkung der Bilanzberichtigung auf den steuerbilanziellen Gewinn reicht. Wann konkret ein „GoB-Verstoß“ bei Bilanzierung/Bewertung vorliegt, sagt das Gesetz nicht. Die verfahrensrechtlichen Korrekturvorschriften in der Abgabenordnung setzen der Fehlerkorrektur zum Entstehungszeitpunkt weitere Grenzen. Gegebenenfalls sind verbleibende Korrekturnotwendigkeiten im Rahmen der ersten noch verfahrensrechtlich offenen Veranlagung zu berücksichtigen. Der steuerbilanzielle Vorbehalt des § 5 Abs. 6 EStG im Verhältnis zum allgemeinen Maßgeblichkeitsgrundsatz (§ 5 Abs. 1 EStG) erstreckt sich auch auf die Vorschriften über die Zulässigkeit der Bilanzänderung. Im Übrigen beurteilt der BFH die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG, die mit Rückwirkung für alle offenen Fälle durch das StBereinG 1999 eingeführt wurde, als formell verfassungsgemäß.37 Lange Jahre wurde in der höchstrichterlichen Rspr. und im Schrifttum darum gerungen, ob zur Beurteilung eines GoB-Verstoßes aus Sicht des Bilanzstichtags der normativ-subjektive oder der objektive Fehlerbegriff maßgebend ist. Während der subjektive Fehlerbegriff auf die stichtagsbezogene Kenntnis des sorgfältig beurteilenden Kaufmanns mit seiner Einschätzungsprärogative abstellt – dies entspricht dem Fehlerbegriffsverständnis in der Handelsbilanz – kann beim objektiven Fehlerbegriff nur die objektiv zum Stichtag vorliegende Sachund Rechtslage Grundlage der Beurteilung sein. Was aus objektiver Rechtslage letztlich wirklich zutrifft, steht allerdings möglicherweise erst Jahre später fest.

36 Zu den differenzierten Einzelheiten der Unterscheidung vgl. Loschelder in Schmidt, EStG40, § 4 Rz. 280–352; Bode in Kirchhof/Seer, EStG20, § 4 Rz. 112–131. Zur Systematik und Rechtsentwicklung auch Prinz in Festschrift Welf Müller, 2001, 687–703. 37 Vgl. BFH v. 27.5.2020 – XI R 8/18, BStBl. II 2020, 772 = FR 2020, 1093 m. Anm. Weber-Grellet = GmbHR 2021, 277.

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Meilenstein in der Diskussion rund um den Fehlerbegriff ist der Beschluss des Großen Senats beim BFH vom 31.1.2013.38 Der Große Senat stellt im Ergebnis – vereinfacht betrachtet – für bilanzielle Rechtsfragen auf den objektiven Fehlerbegriff ab, für Sachverhaltsfragen bleibt es beim subjektiven Fehlerbegriffsverständnis. Das Gericht leitet sein Verständnis insbes. aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der gesetz- und gleichmäßigen Besteuerung ab. Danach kann es für den vom Stpfl. betroffenen Bilanzansatz nur auf die objektiv zutreffende Rechtslage ankommen. In seinem Leitsatz stellt der Große Senat heraus: Im Rahmen der ertragsteuerrechtlichen Gewinnermittlung ist das FA auch dann nicht an die rechtliche Beurteilung in der vom Stpfl. aufgestellten Bilanz gebunden, wenn sie aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vertretbar war, sich letztlich aber als objektiv unzutreffend herausstellt. Damit löst sich der BFH für steuerliche Gewinnermittlungszwecke in weiten Teilen vom handelsbilanziellen Fehlerbegriff, der nach hM sowohl für Rechts- wie auch für Tatsachenfragen gilt. Die praktischen Folgen sind weitreichend und gestatten der Betriebsprüfung im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes und der verfahrensrechtlichen Grenzen umfassende Korrekturmöglichkeiten, die einer gerichtlichen Prüfung zugeführt werden können. Die Grenzziehung zwischen Bilanzberichtigung und Bilanzänderung, die sich wechselweise ausschließen, ist für die Praxis insbes. im Hinblick auf die Ausübung steuerlicher Wahlrechte bedeutsam. Übt der Stpfl. etwa das Wahlrecht zur Bildung und Übertragung einer § 6b-Rücklage im Rahmen von mitunternehmerschaftlich bestehenden Transaktionsmöglichkeiten aus, kommt eine nachträgliche Änderung des Bilanzierungswahlrechts nur nach den Regelungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG in Betracht. Dies bedeutet: Für ausgeübte Wahlrechte besteht nur eine eingeschränkte „Stornierungsmöglichkeit“.39 Dies kann im Einzelfall bei erst nachträglich erkannter suboptimaler Wahlrechtsausübung Dis38 Vgl. BFH v. 31.1.2013 – GrS 1/10, BStBl. II 2013, 317. Zur = FR 2013, 699 m. Anm. Prinz = GmbHR 2013, 547 Einordnung vgl. etwa Brandenberg/Prinz, StbJb. 20213/2014, 267 (291); Kanzler in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 1133–1144; Loschelder in Schmidt, EStG40, § 4 Rz. 280–284; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Rz. 409, 410; Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 9.480–9.487; Pohl, NWB 2017, 2848–2852. 39 Vgl. etwa BFH v. 19.12.2012 – IV R 41/09, BStBl. II 2013, 313 = FR 2013, 510 m. Anm. Kanzler.

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kussionen darüber auslösen, ob tatsächlich eine bewusste Wahlrechtsausübung vorlag oder schlicht ein Bilanzierungsfehler festzustellen ist.40 Im Folgenden sollen zwei Konstellationen im Umgang mit fehlerhaften Bilanzen in den Blick genommen werden.

2. Sachverhalt 1: Fehlerkorrektur bei vorgreiflichen, nicht steuerlichen Rechtsfragen Sachverhalt: Die X GmbH & Co. KG hat aufgrund spezieller Garantieklauseln in ihren Lieferverträgen für verschiedene Kunden Einzelrückstellungen in der Steuerbilanz zum 31.12.2018 gebildet. Klagende Kunden gab es zum Bilanzstichtag noch nicht. Die bei einer Fachkanzlei in Auftrag gegebene und sehr fundiert abgefasste „legal opinion“ hat bei Auswertung sämtlicher einschlägiger Rspr. und Literatur zu dem Ergebnis geführt, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Inanspruchnahme des Unternehmens durch die Kunden zu erwarten ist. Für die Fachwelt überraschend entscheidet der BGH in einem ähnlich gelagerten Musterfall im Jahre 2021, dass die dort verwendete Garantieklausel leerläuft und keinen Garantieanspruch des Kunden begründet. Die laufende Betriebsprüfung bei der X GmbH & Co. KG verlangt nun vom Unternehmen unter Bezugnahme auf den objektiven Fehlerbegriff eine komplette erfolgswirksame Auflösung zum 31.12.2018. Lösungshinweise: Der auf den ersten Blick zunächst recht klar erscheinende „objektive Fehlerbegriff“ für Rechtsfragen – es gibt letztlich nur die eine zutreffende Rechtsbeurteilung – erfordert eine differenzierende Anwendung, soweit es um für die steuerbilanzielle Beurteilung vorgelagerte, nicht steuerliche Rechtsfragen geht. Prognoseeinschätzungen im Hinblick auf die letztendliche Beurteilung zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Tatbestände hat für die Bilanzierungsentscheidung tatsachenähnlichen Charakter, zumal bei Bilanzposten wie den Rückstellungen eine „Unge-

40 Vgl. zu den Grundlagen der Unterscheidung Bilanzberichtigung/Bilanzänderung Kanzler in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 1118–1202; Schubert in Beck’scher Bilanzkommentar12, § 253 HGB Rz. 800–845.

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wissheit“ der Verpflichtung dem Grunde/der Höhe nach tatbestandsimmanent ist.41 Der Große Senat des BFH hat den „objektiven Fehlerbegriff“ in seinem Beschluss vom 31.1.2013 auf eine bilanzsteuerliche Rechtsfrage – den Ansatz eines aktiven RAP – zur Anwendung gebracht. Es erscheint fraglich, ob dieser rechtsorientierte Maßstab auch für die Beurteilung einer den Rückstellungsansatz oder eine anderweitige Bilanzposition begründenden Zivil- oder Verwaltungsrechtslage gilt. Bei fehlender einschlägiger Zivil- oder Verwaltungsrechtsprechung, die bspw. für eine rückstellungsbegründende Verpflichtungsentstehung und Inanspruchnahmewahrscheinlichkeit im bilanzrechtlichen Sinne vorgreiflich ist, muss der Stpfl. zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung eine fundierte Prognose über den Ausgang eines denkbaren Rechtsstreits vornehmen. Aus retrospektiver Sicht erfüllt sich diese Prognose oder eben nicht. Die Prognose war aus der Ex-ante-Betrachtung deshalb aber nicht falsch. Für solche vorgreiflichen, nicht steuerlichen Rechtsfragen sollte laut Krumm42 im Hinblick auf Vorsichtsprinzip und Gläubigerschutz auch im Steuerbilanzrecht weiterhin der subjektive Fehlerbegriff gelten, da ansonsten „Unmögliches“ vom Kaufmann verlangt würde. Dem ist mE zuzustimmen, und zwar für Fragen der Bilanzierung und Bewertung gleichermaßen. Denn eine objektivierten Maßstäben genügende Prognose aus Sicht des bilanzierenden Kaufmanns über den Ausgang eines Zivil- oder Verwaltungsrechtsstreits muss anschließend in einem „Bilanzansatz“ zum Ausdruck gebracht werden, der – als bilanzielle Rechtsbeurteilung – objektiven Maßstäben genügt. Die vorgreifliche nicht-steuerliche Rechtsfrage in zivil- und verwaltungsrechtlicher Hinsicht gehört deshalb zu den weiterhin subjektiv einzuschätzenden Prognoseerfordernissen, die der gewissenhafte Kaufmann objektivierten Maßstäben entsprechend treffen muss. Im Ergebnis sollte deshalb die Rückstellung durch die Betriebsprüfung zum 31.12.2018 anerkannt werden. Einzuräumen ist insoweit allerdings, dass – als Folge daraus – Rechts- und Tatsachenfragen nicht ganz leicht auseinanderzuhalten sind. Die Detailumstände der Beurteilung der vorzufindenden Rechtsstruktu41 Soweit ersichtlich ist Thematik erstmals „adressiert“ bei Krumm, Wiesbaden-Tagungsunterlage, Mai 2021, 686–693 = JbFSt. 2021, 843–860 einschl. Diskussion mit Drüen, Uhländer, Eisgruber und Levedag. 42 Vgl. dazu Krumm, Tagungsunterlage Wiesbaden, Mai 2021, 686–693 = JbFSt 2021, 844–860 einschl. Diskussion mit Drüen, Uhländer, Eisgruber und Levedag. Ergänzend auch Prinz, FR 2022, 101 (103).

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ren können durch fundierte Legal/Tax Opinions begründet und dokumentiert werden. Eine Art „Wahlrechtsausübung“ durch den Stpfl. geht damit aber nicht einher. Vielmehr nimmt der Kaufmann selbst auf Basis vorliegender Fakten eine wertende Sachverhaltseinschätzung vor, die anschließend der Bilanzierung zugrunde zu legen ist.

3. Sachverhalt 2: Fehlerkorrektur bei Organschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG) a) Sachverhalt Im Organkreis der UP-Gruppe findet eine Konzernbetriebsprüfung für die Jahre 2015–2018 statt. Der Konzernabschluss der Gruppe ist mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk eines Abschlussprüfers versehen. Bilanzstichtag ist der 31.12. Die Betriebsprüfung spricht den Steuerabteilungsleiter im Zuge ihrer „Findings“ auf folgenden Sachverhalt an: Bei einer der Organgesellschaften, die mit einem wirksamen Gewinnabführungsvertrag mit dem Mutterunternehmen verbunden sind, ist die Betriebsprüfung der Meinung, dass für bestimmte Aufwendungen ein aktiver RAP gem. § 5 Abs. 5 Nr. 1 EStG zu bilden und über fünf Jahre zu verteilen sei. Die fehlende Bildung des aktiven RAP ist nach Meinung der Betriebsprüfung ein Bilanzierungsfehler, der die ertragsteuerliche Organschaft wegen der Verpflichtung zu einer ordnungsmäßigen und zutreffenden Gewinnabführung gefährden könnte. Der Betriebsprüfer verweist auf die Korrekturmöglichkeit in laufender Rechnung gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG. Der Steuerabteilungsleiter spricht daraufhin seinen Abschlussprüfer an. Dieser ist der „definitiven Meinung“, die Fehlerbeanstandung der Betriebsprüfung in 2018 sei aus handelsbilanzieller Sicht falsch. Es läge kein aktiver RAP vor, der im Jahresabschluss 2020 noch fortgeführt werden müsse. Nach Meinung des Abschlussprüfers fehlt es am RAP-Kriterium des zeitlichen Bestimmtheitserfordernisses. b) Durchführungsfiktion eines Gewinnabführungsvertrags bei fehlerhaftem Jahresabschluss Besondere Fragen von Fehlerkorrekturen können sich im Rahmen ertragsteuerlicher Organschaftsverhältnisse ergeben. So hat der Steuergesetzgeber durch die sog. Kleine Organschaftsreform vom 20.2.2013 rückwirkend für alle offenen Fälle eine gesetzlich fingierte Richtigkeitsgewähr der Gewinnabführung/Verlustübernahme bei Organschaften 432

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trotz fehlerhaften Jahresabschlusses der finanziell eingegliederten Organgesellschaft eingeführt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sätze 4 und 5 KStG). Hintergrund dieses steuergesetzlichen Novums ist: Es sollen gescheiterte Organschaften wegen Durchführungsfehlern beim Gewinnabführungsvertrag (= GAV) so weit wie möglich vermieden werden. Denn laut BGH-Rspr.43 muss im Rahmen einer handelsbilanziell definierten Gewinnabführung oder Verlustübernahme stets der „richtige Gewinn/Verlust“ nach Maßgabe der Handelsbilanz transferiert werden; ansonsten würde der GAV nicht richtig durchgeführt. Die steuergesetzliche Rechtsänderung im Jahre 2013 sollte deshalb Erleichterungen für Organschaften bringen, ohne die Verbindung zum Handelsbilanzrecht und zum unternehmensvertraglichen GAV aufzugeben. Die gesetzliche „Richtigkeitsgewähr“, die in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sätze 4und 5 KStG fingiert wird, verlangt kumulativ:44 –

Der von einem fehlerhaften Bilanzansatz (unter Einschluss von Bewertungsfehlern) betroffene Jahresabschluss muss wirksam festgestellt sein. Es darf also kein „nichtiger Jahresabschluss“ vorliegen.



Die Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses hätte bei dessen Erstellung unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkannt werden müssen. Der Steuergesetzgeber rekurriert für Organschaftszwecke insoweit auf den subjektiven Fehlerbegriff für Rechts- und Tatsachenfragen. Bestimmte qualifizierte Testate eines Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers enthalten eine Richtigkeitsgewähr und machen insoweit den Nachweis eines sorgfältigen kaufmännischen Handelns entbehrlich.



Schließlich muss der von der FinVerw. beanstandete Fehler bei handelsbilanzieller Korrekturnotwendigkeit spätestens im nächsten nach dem Zeitpunkt der Beanstandung aufzustellenden Jahresabschlusses von Organgesellschaft und Organträger mit Abführungs- und Ausgleichsfolgen berichtigt werden. Dadurch soll eine Änderung der Handelsbilanz ausschließlich zur Rettung der steuerlichen Organschaft sinnvollerweise vermieden werden. Eine solche rückwirkende Änderung der Handelsbilanz ist aber in Zweifelsfällen auch weiterhin zulässig.

43 Grundlegend BGH v. 14.2.2005 – II ZR 361/02, GmbHR 2005, 628 = ZIP 2005, 854 = DB 2005, 937. 44 Vgl. eingehender Vogel in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht2, Anhang 1 zu §§ 238–263 HGB Rz. 41–46; Prinz in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 1632; Prinz/Ludwig, FR 2020, 1069 (1079).

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In der Praxis erweisen sich die Rahmenbedingungen für die Anerkennung der Richtigkeitsgewähr durch die FinVerw. allerdings als mitunter „tückisch“, zumal ein „offizielles“ BMF-Schreiben oder Vorgaben in den KStR bislang fehlen. c) Konfliktsituation zwischen Unternehmen, Betriebsprüfung und Abschlussprüfer § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG kann zusammengefasst als Kernbereich des „Bilanzrechts der Organschaft“ bezeichnet werden.45 Die Vorschrift soll in streitschlichtender Form bei von der Betriebsprüfung aufgegriffenen „vermeintlichen“ Bilanzierungsfehlern eine Korrektur in laufender Rechnung – also ohne ein Änderungserfordernis für bereits festgestellte Jahresabschlüsse vergangener Jahre – ermöglichen. Dabei können nur Bilanzierungsfehler geheilt werden, „Rechtsfehler“ etwa bei der Abfassung des GAV dagegen nicht (etwa eine „vergessene Ausgleichsverpflichtung“ gegenüber Minderheitsgesellschaftern).

Im konkreten Sachverhalt erfüllt der Jahresabschluss der in der Betriebsprüfung befindlichen Organgesellschaft wegen seiner Einbeziehung in den Konzernabschluss der UP-Gruppen-Muttergesellschaft die gesetzliche Richtigkeitsvermutung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 5 KStG. Auf das „Erkennen-Müssen“ des Fehlers gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b KStG im Rahmen der handelsrechtlichen Rechnungslegung kommt es deshalb nicht mehr an. Insoweit entfaltet das uneingeschränkte Testat des Abschlussprüfers eine Richtigkeitsgewähr. Eine wirksame Feststellung des Jahresabschlusses liegt ebenfalls vor. Es kommt im Streitfall deshalb entscheidend darauf an, ob eine Korrektur des von der BP für 2018 beanstandeten Fehlers im Hinblick auf die Bildung eines aktiven RAP in laufender Rechnung gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 Buchst. c KStG möglich ist. Das insoweit vom Gesetzgeber geforderte „Zeitfenster“ zwischen Mitteilung der Beanstandung durch die Betriebsprüfung und Korrektur im nächsten erreichbaren Jahresabschluss dürfte vorliegend ebenfalls erfüllbar sein. Daraus folgt: Sofern die steuerbilanzielle Korrektur über einen aktiven RAP auch handelsbilanziell in 2020 mit dem noch unverteilt verbleibenden RAP-Bestandteil nachvollzogen wird, bleibt die Organschaft unbeanstandet. Im Sachverhalt besteht allerdings ein Konflikt mit dem Abschlussprüfer der UP-Gruppe, da dieser die vom Betriebsprüfer geforderte steuerbilanzielle Bildung eines aRAP mit anschließender Verteilung über fünf Jahre nicht für GoB-konform hält. Im Kern stellt sich dabei die Frage, ob der von der 45 Vgl. Prinz, DB 2021, 9 (14).

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Betriebsprüfung beanstandete steuerbilanzielle Fehler tatsächlich auch in der Handelsbilanz mit seinen Folgewirkungen für die Ergebnisabführung zu korrigieren ist. Eine „originäre“ Handelsbilanzkompetenz kommt dem (steuerlichen) Betriebsprüfer dabei sicher nicht zu; er wird aber sicher im Hinblick auf den Tatbestand des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 Buchst. c KStG in den Blick nehmen dürfen, ob der vom Unternehmen gewünschte Verzicht auf eine Handelsbilanzkorrektur nachvollziehbar und glaubwürdig ist. Folglich hat der Betriebsprüfer zumindest einen Entscheidungsspielraum. Für das betroffene Unternehmen kann insoweit eine „Dilemmasituation“ entstehen. Denn sofern die BP „aus der Steuersicht“ eine handelsbilanzielle Korrekturnotwendigkeit annimmt und diese vom Unternehmen gegenüber dem Abschlussprüfer nicht ohne Einschränkung des Testats durchgesetzt werden kann, trägt das Unternehmen nach wohl hM das Steuerrisiko der Nichtanerkennung der Organschaft. Im konkreten Einzelfall könnte eine „Wirtschaftsprüferbescheinigung“ zur Vorlage an die Betriebsprüfung hilfreich sein, wonach die Aktivierung und Verteilung eines RAP gem. § 250 Abs. 1 HGB nicht geboten ist.46 Zudem kommt in handelsbilanziell umsetzbaren Sachverhalten eine Fehlerbereinigung „an der Quelle“ stets in Betracht. Eine solche rückwirkende Änderung eines bereits festgestellten Jahresabschlusses ist allerdings meist sehr aufwendig und hat Nachtragsprüfungen mit erneuten Feststellungen des Jahresabschlusses zur Folge.

4. Ergebnis zum Umgang mit steuerbilanziellen Fehlern Ein Aufgriff steuerbilanzieller Fehler erfolgt meist durch die FinVerw. im Rahmen zeitlich nachgelagerter Betriebsprüfungen. Vermeintliche Fehler können Tatsachen und Rechtsfragen betreffen. Steuerbilanziell gilt der objektive Fehlerbegriff für Rechtsfragen, bei Tatsachenfragen bleibt es beim subjektiven Fehlerbegriff. Bei einer Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses gilt wegen deren Informations-, Gläubigerschutz und Ausschüttungsbemessungsfunktion der subjektive Fehlerbegriff. Der Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG zwingt die Praxis, die aufgedeckten steuerlichen Streitfragen zumindest mit ihren Folgewirkungen in laufender Rechnung in der Handelsbilanz zu beseitigen. 46 Zur Diskussion vgl. Krumm in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 14 KStG Rz. 157; Prinz, FR 2020, 1069–1075.

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VI. Appell: „Alltagstaugliche Rechtssicherheit“ als Grunderfordernis im Bilanzsteuerrecht Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren eine Reihe situativer, anlassbezogener Eingriffe in das Bilanzrecht und sein regulatorisches Umfeld vorgenommen, was zumindest mittelbar auch Auswirkungen im Steuerbilanzrecht haben dürfte. So besteht etwa für steuer- und rechtsberatende Berufe mit Wirkung ab 1.1.2021 eine neue Hinweis- und Warnpflicht bei Erstellung der Handelsbilanz gem. § 102 StaRUG (sog. Frühwarnsystem). Zur Vermeidung etwaiger Haftungsrisiken muss der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine Kapitalgesellschaft beauftragte Steuerberater seine Mandanten auf einen möglichen Insolvenzgrund und die Sorgfaltspflichten eines Geschäftsführers/Vorstands hinweisen, wenn Ansatzpunkte offenkundig sind, wonach die mögliche Insolvenzreife dem Mandanten nicht bewusst ist. Für die Praxis bedeutet dies besonders intensive Sorgfaltspflichten des Beraters, denen er in dokumentierter Form Rechnung tragen muss und die auch für Steuerbilanzierungszwecke Relevanz haben. Des Weiteren hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Bilanzskandal des insolventen Finanzdienstleisters Wirecard, der im DAX börsennotiert war, im Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG)47 eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen ergriffen, die im Wesentlichen am 1.7.2021 in Kraft getreten sind und die verschiedenartigen Bilanzkontrollen und das Enforcement-Verfahren insbes. für kapitalmarktorientierte Unternehmen deutlich effizienter machen sollen. Ein solchermaßen intensiviertes Kontrollnetz bei der handelsrechtlichen Rechnungslegung wird sicher auch die Einhaltung der GoB-Grundsätze verbessern, was mittelbar dann auch die Qualität der Steuerbilanz stützt. Große Systemreformen im Bilanzsteuerrecht – insbes. auch mit Blick auf den Maßgeblichkeitsgrundsatz und die insoweit zu erkennenden Koordinatenverschiebungen – sind in jüngerer Zeit nicht zu vermelden. Dabei ist eine klare bilanzrechtssystematische Orientierung gerade für Zwecke des steuerlichen Betriebsvermögensvergleichs (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG) besonders wichtig, da Bilanzsteuerrecht in der täglichen Praxis alltagstauglich mit ausreichender Rechtssicherheit angewandt werden muss. Der Steuergesetzgeber ist deshalb aufgefordert, solche Strukturreformen zügig zu prüfen und auf den Weg 47 Zur Einordnung der Maßnahmen des FISG vgl. etwa Velte, StuB 2021, 450 sowie StuB 2020, 817; Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft (AKBR) mit einer Stellungnahme zum Referentenentwurf des FISG, BB 2020, 2731.

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zu bringen. Ideen und Vorschläge dazu finden sich in einschlägigen Publikationen „zuhauf“. Exemplarisch sollen drei wichtige Bereiche für steuerbilanzielle Reformüberlegungen herausgegriffen werden: –

Beseitigung von Systemverwerfungen durch den Steuergesetzgeber, insbes. bei Pensionsrückstellungen, längerfristigen Verbindlichkeiten/Rückstellungen sowie unverzinslichen Anleihen wegen „evident realitätsferner“ Bilanzierungszinsen. Fiskalerfordernisse könnte der Steuergesetzgeber durch Übergangsregelungen „abfedern“. Eine sachgerechte Anpassung der Bilanzierungszinsen würde auch Möglichkeiten zu weiteren systembereinigenden Folgemaßnahmen eröffnen, wie etwa die Beseitigung der §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG im Hinblick auf strukturbedingt entstehende stille Lasten. Derartige „Partialreformen“ würden sicherlich zu mehr Systemstruktur im Bilanzsteuerrecht führen, auch wenn es sich insoweit nicht um eine neue Grundkonzeptionierung der Steuerbilanz insgesamt handeln würde.



Internationales/europäisches Gewinnermittlungsrecht sollte als Bestandteil „moderner Unternehmensbesteuerung“ auch durch den deutschen Steuergesetzgeber vorangetrieben und mit Augenmaß gefördert werden. Dabei sind dann auch die Folgen für die Maßgeblichkeit stärker in den Blick zu nehmen. Denn die handelsrechtlichen GoB „deutscher Tradition“ sind kein „internationales Gewinnermittlungsrecht“. Das derzeit in der weltweiten und europäischen Umsetzung in Arbeit befindliche Konzept einer „Globalen Mindeststeuer“ (sog. Pillar 2-Projekt) will allerdings – wie früher schon in den ersten Konzeptionsstufen der europäischen CCCTB/GKKB – auf die IFRS als internationalen Rechnungslegungsstandard zurückgreifen (acceptable financial acounting standards).48 Die geplante EU-Richtlinie zur Globalen Mindeststeuer auf Basis eines europäisierten Gewinnermittlungsrechts soll bereits ab dem Jahr 2023 in Kraft treten. Aus meiner Sicht erscheint dies inhaltlich problematisch, da die IFRS – entwickelt durch einen privaten Standardsetzer und Gegenstand eines europäischen Endorsementverfahrens – konzeptionell auf ent-

48 Vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission v. 22.12.2021 mit Hinweis auf einen EU-Richtlinienentwurf zur raschen Umsetzung der internationalen Vereinbarung über eine „faire“ Mindestbesteuerung multinationaler Unternehmen. Zu ersten Einschätzungen Hundeshagen/Fuss, Handelsblatt Steuerboard v. 5.1.2022; Prinz, DB 2022, 1730 (1734); Kowallik, DB 2022, 1484; Kirsch, DStZ 2022, 624.

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scheidungsnützliche Informationen mit einem Fair Value-Ansatz im Kapitalmarkt abzielen und deshalb als Basis für eine breite Steuerbemessungsgrundlage letztlich in „Reinform“ und ohne weitreichende Anpassungen nicht geeignet erscheinen dürften. –

Interpretation und Fortentwicklung handelsrechtlicher GoB: Die im Wesentlichen im HGB kodifizierten handelsrechtlichen GoB sind für die Erfüllung von Informations-, Gläubigerschutz- und Ausschüttungsbemessungsfunktionen unter gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen entwickelt worden. Sie gelten über den Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für den steuerbilanziellen Betriebsvermögensvergleich, soweit keine eigenständigen steuerbilanziellen Sondernormen gelten. GoB wirken deshalb „ungeteilt“. Denn es existieren keine allgemeinen „nur“ handelsrechtlichen/steuerlichen GoB. Wegen ihres dominanten Steuerbezugs werden die handelsrechtlichen GoB allerdings stark durch die BFH-Rspr. und steuerteleologische Maßstäbe geprägt. Die Einflussnahme des BGH als gesellschaftsrechtlicher Rechtsprechungsinstanz ist dagegen deutlich weniger intensiv. Dies hat zur Folge, dass Bilanzierung/Bewertung in Handels- und Steuerbilanz trotz identischer Rechtsgrundlagen mitunter eigene Wege geht, was in jüngerer Zeit vor allem im Rückstellungsbereich durch verschiedentliche „Nichtanwendungshinweise“ des IDW in Bezug auf einschlägige BFH-Rspr. deutlich geworden ist.49 Das IDW hat in seinem neuen Prüfungsstandard 20150 für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer klargestellt, dass bei der Prüfung des Jahresabschlusses im Hinblick auf die Anwendbarkeit der BFH-Rspr. zu würdigen ist, „ob die Rechtsprechung mit den bestehenden GoB vereinbar ist oder in ihr eine Fortentwicklung der bestehenden GoB zu sehen ist“ (Rz. 9). Eine solche Prüfungsnotwendigkeit für den Abschlussprüfer im Hinblick auf die Anwendung höchstrichterlicher Steuerrechtsprechung zu den GoB für handelsbilanzielle Zwecke dürfte rechtssystematisch fraglich und nur durch die Notwendigkeit zu Gläubigerschutz und bilanzieller Kapitalerhaltung in Abweichung zu den Grundsätzen leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung zu rechtfertigen sein. Ungeachtet dessen sollte IDW PS 201 aber für die berufliche Eigenverantwortlichkeit

49 Vgl. zu Nachweisen Prinz, DB 2020, 10 (13–15). 50 IDW Prüfungsstandard: Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze für die Abschlussprüfung (IDW PS 201 nF, Stand: 23.4.2021). Zu Erläuterungen Henckel, StuB 2021, 663.

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des Wirtschaftsprüfers Beachtung finden (so Rz. 15, 17 IDW PS 201). Insoweit können Spannungen zwischen Handels- und Steuerbilanz auftreten, die auch unter dem Aspekt der Vermeidung von Bilanzierungsfehlern wichtig sind. Insoweit sollten auch praxisferne „Rechtssprünge“ durch den BFH – wie dies etwa in seiner Entscheidung vom 16.3.2021 – X R 34/19 wegen der Einbeziehungspflicht auch geringfügiger aktiver Rechnungsabgrenzungsposten geschehen ist – möglichst vermieden werden.51 Folgt der Ersteller und Prüfer der Handelsbilanz einschlägiger Rspr. des BFH, so dürfte ein fehlerhafter GoB-inkonformer Ansatz im Regelfall jedenfalls ausscheiden.

51 Vgl. BFH v. 16.3.2021 – X R 34/19, BStBl. II 2021, 844. Zur Einordnung Prinz, FR 2021, 961; Häsner, DStR 2021, 2825; Zischka, StuB 2021, 848.

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5. Leitthema: Internationales Steuerrecht

Rechtsprechungs-Highlights zum Internationalen Steuerrecht Dr. Michael Schwenke Richter am BFH, München I. Darlehensvergabe im Konzern II. BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, DB 2021, 2531

III. BFH v. 27.11.2019 – I R 40/19, FR 2020, 1106

I. Darlehensvergabe im Konzern Zentrales Thema in der Rspr. des I. Senats des BFH zum Internationalen Steuerrecht waren (auch) im vergangenen Jahr die Darlehensvergabe im Konzern und die damit verbundenen steuerlichen Implikationen. 1. Der Ausgangssachverhalt ist denkbar einfach. Darlehen werden ohne Besicherung an (ausländische) Konzerngesellschaften begeben. Alle vom BFH entschiedenen Fälle lassen sich auf diese Grundkonstellation zurückführen. Und in allen entschiedenen Fällen stellen sich ganz ähnliche Probleme. Sie lassen sich in folgenden Fragestellungen zusammenfassen: –

Ist die fehlende Besicherung eines Konzerndarlehens fremdüblich?



Wie wirkt sich der sog. Konzernrückhalt auf die Beurteilung der Fremdüblichkeit aus?



Begrenzt Art. 9 OECD-MA mit dem Begriff der „vereinbarten oder auferlegten Bedingungen“ die Einkünftekorrektur nach nationalem Recht (vGA, § 1 AStG) auf die Höhe des Zinssatzes?

Entsprechend der dritten Fragestellung kann man die diesbezügliche Rspr. des I. Senats des BFH vereinfachend auch als sog. Sperrwirkungsrechtsprechung bezeichnen. In einer ersten Serie von Urteilen hat der BFH in den Jahren 2012–2015 entschieden,1 dass die nach nationalen Vorschriften vorzunehmende Einkünftekorrektur durch die einschlägige 1 BFH. v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046 = FR 2013, 415 m. Anm. Pezzer = GmbHR 2013, 157; v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261 = FR 2015, 954 = GmbHR 2015, 389; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258 = FR 2016, 481 = GmbHR 2015, 1107 m. Anm. Roser.

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Schwenke, Rechtsprechungs-Highlights zum Internationalen Steuerrecht

abkommensrechtliche Fremdvergleichsregel („dealing at arm’s length“) begrenzt („gesperrt“) wird. Eine Korrektur war danach nur möglich, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis (Darlehenszins) seiner Höhe, also seiner Angemessenheit nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhält. Diese Rspr. hat der I. Senat in einer zweiten Serie von Urteilen beginnend im Jahr 2019 explizit aufgegeben.2 Danach beschränkt Art. 9 Abs. 1 OECD-MA den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf. Die Änderung der Rspr. beschränkt sich allerdings nicht auf Aussagen zur Sperrwirkung von Art. 9 OECD-MA. Sie beinhaltet ebenfalls grundlegende Ausführungen zu den ersten beiden Fragestellungen. 2. Die Änderung der Sperrwirkungsrechtsprechung ab dem Jahr 2019 kann schon aufgrund der schieren Zahl der seit der Pilotentscheidung I R 73/16 ergangenen, bestätigenden Urteile als gefestigt angesehen werden. An dieser Einschätzung haben sich allerdings zuletzt aufgrund zweier, im Jahr 2021 ergangener Entscheidungen des BVerfG und des I. Senats Zweifel ergeben. Beide Entscheidungen haben dazu geführt, dass die Urteile des BFH I R 73/16 und I R 32/17 aufgehoben worden sind: –

Mit Beschluss vom 4.3.2021 hat das BVerfG einer Verfassungsbeschwerde gegen das BFH-Urteil I R 73/16 stattgegeben, das Urteil des BFH aufgehoben und die Sache an den BFH zurückverwiesen.3 Dort trägt das Verfahren nun das Aktenzeichen I R 15/21.



Mit Beschluss vom 3.3.2021 I R 32/17 hat der I. Senat des BFH aufgrund eines unheilbaren Verfahrensfehlers sein eigenes Urteil vom 19.6.2019 I R 32/17 als unwirksam angesehen und es aufgehoben.4

2 BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BStBl. II 2019, 394 = FR 2019, 526 = GmbHR 2019, 725 m. Anm. Breuninger = ZIP 2019, 1066; v. 27.2.2019 – I R 81/17, BStBl. II 2020, 443 = FR 2020, 1112; v. 27.2.2019 – I R 51/17, BStBl. II 2020, 440 = GmbHR 2019, 1200; v. 19.6.2019 – I R 32/17, GmbHR 2020, 292 = BFH/NV 2020, 255; v. 19.6.2019 – I R 5/17, BFH/NV 2020, 183; v. 19.6.2019 – I R 54/17, IStR 2020, 230; v. 14.8.2019 – I R 34/18, BFH/NV 2020, 757; v. 14.8.2019 – I R 14/18, BFH/NV 2020, 755; v. 18.12.2019 – I R 72/17, BFH/NV 2020, 1049; v. 14.8.2019 – I R 21/18, GmbHR 2020, 793 = BFH/NV 2020, 759; v. 19.2.2020 – I R 19/17, BStBl. II 2021, 223. 3 BVerfG v. 4.3.2021 – 2 BvR 1161/19, FR 2021, 637 = IStR 2021, 363. 4 BFH v. 3.3.2021 – I R 32/17, BFH/NV 2021, 644.

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In der Literatur wurde die – wenn auch vage – Hoffnung geäußert, die Sperrwirkungsrechtsprechung aus dem Jahr 2019 erneut zu ändern und möglicherweise sogar zu einer „Totalremedur“ der Rspr. zu kommen.5 Wenigstens sollte der Senat die Gelegenheit nutzen, „Härte und Schärfe“ der Rspr.6 zu relativieren. Das Arbeitsprogramm hat sich der I. Senat jedenfalls selbst vorgegeben, indem er im Beschluss vom 3.3.2021 darauf hingewiesen hat, dass „die Möglichkeit einer ‚Risikokompensation‘ im Rahmen des streiterheblichen sog. Fremdvergleichs bei gewinnabhängiger Verzinsung eines partiarischen Darlehens … einen gewichtigen Unterschied zu den bisher vom Senat entschiedenen Festverzinsungsfällen ausmachen könnte“7. Vor diesem Hintergrund lohnt es deshalb, einen vertieften Blick auf die bisherige Argumentation des I. Senats zu den Aspekten des sog. Konzernrückhalts und der Sperrwirkung von Art. 9 OECD-MA zu werfen. 3. In der ersten Serie von Sperrwirkungsurteilen hatte der I. Senat des BFH Teilwertabschreibungen auf unbesicherte Darlehensforderungen als zulässig angesehen. Er ging dabei davon aus, dass aufgrund des sog. Rückhalts im Konzern eine fehlende Besicherung des Darlehens als fremdvergleichskonform anzusehen und eine bestehende Beherrschung im Konzern als Sicherheit zu werten sei.8 Diese Auffassung hat der BFH in der zweiten Serie der Sperrwirkungsurteile explizit aufgegeben. In seiner Pilotentscheidung I R 73/16 vertritt der I. Senat die Auffassung, dass der sog. Konzernrückhalt lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung beschreibe und die Üblichkeit zum Ausdruck bringe, innerhalb eines Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern.9 An der bisherigen Auffassung, dass allein in den Einflussnahmemöglichkeiten des beherrschenden Gesellschafters auf den Darlehensnehmer eine fremdübliche (werthaltige) Besicherung des Rückzahlungsanspruchs 5 Vgl. zu alledem Gosch, Arbeitsbuch 72. Steuerrechtliche Jahresarbeitstagung Unternehmen 2021 der Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e.V., 376 ff. 6 Vgl. Gosch, Arbeitsbuch 72. Steuerrechtliche Jahresarbeitstagung Unternehmen 2021 der Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e.V., 376 ff. 7 BFH v. 3.3.2021 – I R 32/17, BFH/NV 2021, 644. 8 BFH v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258 = FR 2016, 481 = GmbHR 2015, 1107 m. Anm. Roser. 9 BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BStBl. II 2019, 394 Rz. 13 = FR 2019, 526 = GmbHR 2019, 725 m. Anm. Breuninger = ZIP 2019, 1066.

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iS einer aktiven Einstandsverpflichtung zu sehen sei,10 hält der BFH nunmehr nicht mehr fest. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, die sich in aller Deutlichkeit aus einer aktuellen Entscheidung des I. Senats ergibt.11 Der Fremdvergleich verlange danach nur das „Wegdenken“ der Nahestehensbeziehung, das Fortbestehen aller übrigen Beziehungen werde unterstellt. Dann wäre aber ein Darlehensgeber gerade kein Gesellschafter, sondern ein fremder Dritter. Dies hätte zur Folge, dass die Einflussnahmemöglichkeiten des beherrschenden Gesellschafters auf den Darlehensnehmer im Rahmen der Fremdvergleichsprüfung nicht berücksichtigt werden könnten. Ausgehend von diesem Grundverständnis des Fremdvergleichs, kann dann aber auch konzernübliches Verhalten nicht (mehr) mit fremdüblichem Verhalten gleichgesetzt werden. Dies ist in der Vergangenheit in der Rspr. des I. Senats12 anders gesehen worden. Ausgehend von diesem Verständnis des Fremdvergleichsgrundsatzes sollten sich in diesem Punkt in der Rspr. des BFH keine Veränderungen ergeben. 4. In der ersten Serie von Sperrwirkungsurteilen hatte der I. Senat des BFH noch die Auffassung vertreten, dass Art. 9 Abs. 1 OECD-MA den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG auf sog. Preisberichtigungen beschränkt und damit eine Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung nicht ermöglicht. An dieser Auffassung hat der I. Senat des BFH nicht festgehalten. Er bleibt jedoch eine Begründung hierfür weitgehend schuldig. Klar ist nur, dass der BFH nach den Auslegungsgrundsätzen des WÜRV für die Auslegung von Art. 9 OECD-MA auf den Wortlaut der Regelung und die „gewöhnliche Bedeutung“ der verwendeten Ausdrücke abzustellen hat. Entscheidend ist damit die Auslegung des Begriffs „vereinbarte oder auferlegte Bedingungen“ in Art. 9 OECD-MA. Dabei wird in Teilen der Literatur davon ausgegangen, dass der Begriff der Bedingung weit auszulegen ist und darunter alles zu verstehen ist, was Gegenstand einer unmittelbar zwischen verbundenen Unternehmen abgeschlossenen Vereinbarung sein kann.13 Weiter wird vertreten, dass eine Trennung zwischen der Höhe des Vereinbarten und dessen Grund nicht im 10 Vgl. hierzu BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, BFHE 176, 571 = FR 1995, 476 = GmbHR 1995, 908. 11 BFH v. 18.5.2021 – I R 62/17, GmbHR 2022, 279 m. Anm. Dorn = ZIP 2021, 2445 = IStR 2021, 902. 12 BFH v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1989, 573 = FR 1998, 482 = GmbHR 1998, 543. 13 ZB Schwenke/Greil in Wassermeyer, DBA, Art. 9 Rz. 96.

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konkreten Wortlaut („Bedingungen“) angelegt ist.14 Es bleibe somit kein Raum für eine entsprechende Trennung.15 Zudem scheint auch die OECD ein weites Begriffsverständnis zu vertreten.16 Angesichts dessen dürfte auch in diesem Punkt eine Veränderung in der Rspr. des BFH nicht zu erwarten sein. 5. Im Übrigen dürften aber im Nachgang zu den aufgehobenen Urteilen Klarstellungen und Fortentwicklungen der bisherigen Rspr. zu erwarten sein. a) Soweit in der Literatur als „Kernargument gegen die logischen Brüche“ der Rspr. aus dem Jahr 2019 angeführt wird, dass § 1 Abs. 1 AStG „tatbestandsinhärent“ eine Gewinnverlagerung über die Grenze verlange, die im Fall einer Teilwertabschreibung gerade nicht vorliege,17 lässt diese Auffassung ein Verständnis der Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 AStG erkennen, das dem BFH bislang fremd zu sein scheint. Während in der Literatur damit wohl davon ausgegangen wird, dass immer eine korrespondierende Besteuerung zwischen In- und Ausland hergestellt werden muss, dürfte interessant sein, ob der BFH ein derartiges Verständnis aus dem Wortlaut und den Gesetzesmaterialien ableiten kann. Jedenfalls scheint die Literatur von der nicht näher begründeten Auffassung auszugehen, dass der abkommensrechtliche Grundsatz des Fremdvergleichs eine sachlich gebotene (nationale) Berichtigung von Einkünften „sperren“ will. Ein Verständnis, das weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien ohne weiteres zu entnehmen ist. b) Soweit in der Literatur vertreten wird, dass § 1 Abs. 1 AStG mit dem Tatbestandsmerkmal „dadurch“ eine Kausalvorgabe enthält, die iS eines weit verstandenen Veranlassungszusammenhangs auszulegen ist, wird der BFH auch hierzu Stellung zu beziehen haben. Wenn vertreten wird, dass als auslösendes Element für die streitige Korrektur auf die Forderungsabschreibung und nicht auf die fehlende Vereinbarung einer Sicher-

14 Schwenke/Greil in Wassermeyer, DBA, Art. 9 Rz. 166. 15 Greil/Wargowske, ISR 2016, 157. 16 OECD in Nr. 9.3 Buchst. b MK: „the article is relevant not only in determing whether the rate of interest provided for an loan contract is an arm’s length rate, but also whether a prima facie loan can be regarded as a loan or should be regarded as some other kind of payment, in particular a contribution to equity capital“. 17 Vgl. Gosch, Arbeitsbuch 72. Steuerrechtliche Jahresarbeitstagung Unternehmen 2021 der Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e.V., 376 ff.

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heit abzustellen sei,18 wird man dabei zu berücksichtigen haben, dass nach der Rspr. des BFH das Veranlassungsprinzip bislang nicht durch eine (naturwissenschaftliche) Kausalität, sondern durch das Prinzip der wertenden Selektion der Aufwandsursachen gekennzeichnet ist. Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass im Rahmen einer wertenden Betrachtung nicht immer nur auf das unmittelbar dem Aufwand vorangehende Ereignis abzustellen ist. Eine Betrachtungsweise, die diametral dem Ansatz in der Literatur widerspricht. c) Schließlich wird der BFH sich damit zu befassen haben, ob eine fehlende Besicherung eines Darlehens grundsätzlich als fremdunüblich iSv. § 1 AStG anzusehen ist. Die bisherigen Entscheidungen aus dem Jahr 201919 konnten in der Tat dahingehend interpretiert werden, dass eine fehlende Darlehensbesicherung für sich gesehen als fremdunüblich anzusehen ist. Der BFH wird zu berücksichtigen haben, dass es sich bei der Darlehensbesicherung nur um eine der Bedingungen eines Darlehens handelt, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Fremdüblichkeit zu berücksichtigen ist. Ob ein unbesichertes Konzerndarlehen im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung aller Bedingungen fremdvergleichskonform ist, hängt letztlich davon ab, ob auch ein fremder Dritter das Darlehen unter gleichen Bedingungen ausgereicht hätte. Entsprechend darf das Fehlen einer einzelnen Bedingung nicht unmittelbar zu einer Einkünftekorrektur führen. Diese Sichtweise entspricht auch derjenigen der FinVerw.20 Soweit der BFH in Rz. 13 seiner Pilotentscheidung I R 73/16 ausgeführt hat, dass ein nicht verbundener Kreditgeber auf banküblicher Sicherheit bestanden hätte, wird der BFH klarzustellen haben, dass es sich bei dem fremden Dritten nicht um eine „klassische Bank“ handeln muss. Eine entsprechende Aussage ist der Entscheidung des I. Senats I R 62/1721 zu entnehmen.

18 vgl. Gosch, Arbeitsbuch 72. Steuerrechtliche Jahresarbeitstagung Unternehmen 2021 der Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e.V., 376 ff. 19 Insbes. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BStBl. II 2019, 394 = FR 2019, 526 = GmbHR 2019, 725 m. Anm. Breuninger = ZIP 2019, 1066, aufgehoben durch BVerfG v. 4.3.2021 – 2 BvR 1161/19, IStR 2021, 363. 20 Vgl. Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise, BMF v. 14.7.2021 – IV B 5 S 1341/19/10017:001 – DOK 2021/0770780, BStBl. I 2021, 1098 Rz. 1.22. 21 BFH v. 18.5.2021 – I R 62/17, GmbHR 2022, 279 m. Anm. Dorn = ZIP 2021, 2445 = IStR 2021, 902.

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Mit Spannung zu erwarten sind in diesem Zusammenhang Ausführungen des I. Senats zur sog. Risikokompensation. Dem bereits mehrfach angesprochenen Urteil I R 62/17 ist jedenfalls zu entnehmen, dass bis zu einem gewissen Grad eine Austauschfunktion zwischen Sicherheiten einerseits und einer Risikokompensation in Form eines beispielsweise höheren Zinssatzes andererseits bestehen kann. Entscheidend sollte damit sein, ob ein fremder Dritter bereit gewesen wäre, beispielsweise gegen Vereinbarung eines Zinszuschlags das durch die Nichtbesicherung erhöhte Ausfallrisiko zu kompensieren. Die Schwierigkeit dürfte darin bestehen, einen Markt für unbesicherte Darlehen zu ermitteln, da hierbei auf die konkrete Ertragssituation der darlehensnehmenden Gesellschaft abzustellen ist. Ist ein Markt ermittelt, kann eine Einkünftekorrektur durch § 1 AStG bei Teilwertabschreibungen nicht mehr vorgenommen werden. Zu klären wäre dann noch, ob die Einkünftekorrektur dann vorrangig in Höhe der Differenz zwischen den tatsächlich erzielten und den fremdüblichen Zinseinnahmen vorzunehmen wäre und was gilt, wenn die Einkünftekorrektur der laufenden Zinserträge beispielsweise wegen eingetretener Bestandskraft nicht mehr möglich ist.

II. BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, DB 2021, 2531 In einem weiteren wichtigen Urteil des vergangenen Jahres befasst sich der I. Senat des BFH primär mit der Ermittlung fremdüblicher Zinsen bei konzerninternen Darlehenstransaktionen.22 Das Urteil war lange erwartet worden, da die Vorinstanz den üblichen Standardansatz zur Ermittlung fremdüblicher Zinsen mittels der (externen) Preisvergleichsmethode verworfen und der Kostenaufschlagsmethode bei Finanztransaktionen generell den Vorzug gegeben hatte. Der BFH schafft nunmehr Klarheit und weist darauf hin, dass es sich bei der Preisvergleichsmethode um die Grundmethode zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise handelt, weil sie unmittelbar zur Feststellung des Vergleichspreises führt. Der steuerrechtlich maßgebliche Fremdvergleich müsse nach Möglichkeit aus konkret festgestellten Vergleichswerten abgeleitet werden. Deshalb sei, wenn sich für eine bestimmte Leistung im Geschäftsverkehr des betreffenden Unternehmens mit Dritten (interner Preisvergleich) oder im allgemeinen Geschäftsver-

22 BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, GmbHR 2022, 107 m. Anm. Andresen = ZIP 2021, 2385 = DB 2021, 2531.

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kehr (externer Preisvergleich) ein bestimmter Preis als üblich feststellen lässt, für Zwecke der Besteuerung auf diesen Preis abzustellen. Der BFH bezieht sich dabei zur Bekräftigung seiner Auffassung auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien zu Finanztransaktionen, die in Tz. 10.97 eine Ermittlung des Verrechnungspreises für Konzerndarlehen nach den „Cost of funds“ (Geldbeschaffungskosten) des darlehensgebenden Unternehmens nur für den Fall vorsehen, dass keine vergleichbaren Fremdgeschäftsvorfälle zur Verfügung stehen. Die grundsätzliche Geeignetheit der Preisvergleichsmethode für die Ermittlung fremdüblicher Darlehenszinsen ergebe sich daraus, dass das Objekt der Leistung (Überlassung von Geld für einen bestimmten Zeitraum) im Kern homogen und objektiv vergleichbar sei und es für die Aufnahme und Vergabe von Krediten zahlreiche Märkte mit verfügbaren Informationen und Analysen gebe.23 Die FinVerw. hat sich dagegen – noch vor Ergehen der Entscheidung des BFH – in den neuen Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise24 im Fall einer gruppenzugehörigen, aber risikoarmen Finanzierungsgesellschaft für die grundsätzliche Anwendung der Kostenaufschlagsmethode ausgesprochen. Im Rahmen der Preisvergleichsmethode ist nach Auffassung des BFH zudem eine Befassung mit den Ratings von Standard & Poor’s möglich. Dies war von der Vorinstanz noch abgelehnt worden, weil die verwendeten Rating-Tools nicht prüfbar seien. Handele es sich um eine von der Marktpraxis anerkannte und angewendete Grundlage für die Bonitätsbeurteilung von Unternehmen, könne das Rating nach Auffassung des BFH auch dann zur Ermittlung eines fremdvergleichskonformen Darlehenszinses herangezogen werden, wenn die von der Rating-Agentur verwendeten mathematischen Algorithmen und betriebswirtschaftlichen Kennzahlen nicht im Einzelnen bekannt seien. Eine Bonitätsbeurteilung anhand der durchschnittlichen Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns lehnt der BFH ab. Allerdings spricht er sich dafür aus, im Rahmen des „Stand alone“-Ratings die passiven Konzernwirkungen nicht vollständig auszublenden. Handele es sich bei der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft zB um ein Unternehmen mit strategischer Bedeutung für den Gesamtkonzern, könne sich die damit verbundene Erhöhung der Kreditwürdigkeit auf die Bonitätsbeurteilung 23 OECD-Verrechnungspreisleitlinien zu Finanztransaktionen, Tz. 10.90. 24 Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise, BMF v. 14.7.2021 – IV B 5 - S 1341/19/10017:001 – DOK 2021/0770780, BStBl. I 2021, 1098 Rz. 3.92.

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der Konzerngesellschaft auswirken. Auch in diesem Punkt verweist der BFH zur Bestätigung wiederum auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien für Finanztransaktionen.25

III. BFH v. 27.11.2019 – I R 40/19, FR 2020, 1106 In einem weiteren wichtigen Urteil hatte der I. Senat des BFH sich mit dem Fall eines Zinsverzichts bei einer grenzüberschreitenden Darlehensvergabe zwischen Schwestergesellschaften zu befassen.26 Der wichtigste Aspekt dieser Entscheidung einer grenzüberschreitenden Dreieckskonstellation betrifft dabei die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zwischen der Anwendung des § 1 AStG und der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) nach § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG. Der BFH ist der Auffassung, dass sich aus der Formulierung „unbeschadet anderer Vorschriften“ in § 1 AStG kein Vorrang des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ergebe. Der Begriff „unbeschadet“ habe zwar nach dem allgemeinen Sprachgebrauch möglicherweise keine einheitliche Wortbedeutung, im juristischen und gesetzestechnischen Kontext werde diese Formulierung allerdings ausschließlich iS eines Nebeneinander verwendet. Im Ergebnis führe dies dazu, dass sich beide Vorschriften in dem Sinne überlagerten, dass sich eine Gewinnkorrektur nach der einen Vorschrift erübrige, wenn sie bereits nach der anderen vollzogen würde. Soweit die Rechtsfolgen der beiden Vorschriften nicht voneinander abweichen würden, könne der Rechtsanwender wählen, welche von ihnen er vorrangig prüfe. Ein Beispiel, wie sich dieses Nebeneinander der Vorschriften – unabhängig von dem dargestellten Urteil – in der Praxis darstellt, enthält Rz. 1.4. der neuen Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise.27 Im Ergebnis kommt es in diesem von der FinVerw. gebildeten Beispielsfall zu einer Einkünftekorrektur iHv. 3 Mio. t nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und daneben zu einer weitergehende Berichtigung auf den Median iHv. 1 Mio. t nach § 1 Abs. 3a Satz 4 AStG. Der Beispielsfall dürfte angesichts des Gesetzeswortlauts („weitergehenden Berichtigungen“) von der FinVerw. zutreffend gelöst worden sein.

25 OECD-Verrechnungspreisleitlinien zu Finanztransaktionen, Tz. 10.78. 26 BFH v. 27.11.2019 – I R 40/19, GmbHR 2021, 40 = FR 2020, 1106. 27 Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise, BMF v. 14.7.2021 – IV B 5 - S 1341/19/10017:001 – DOK 2021/0770780, BStBl. I 2021, 1098 Rz. 1.4.

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Die „Neuregelung“ der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATAD-UmsG und Ausblick auf die globale Mindestbesteuerung Dr. Martin Klein Rechtsanwalt, Steuerberater, Frankfurt I. Hinzurechnungsbesteuerung nach ATAD-UmsG II. Tatbestand 1. Ausländische Gesellschaft (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AStG) 2. Beherrschung (§ 7 Abs. 1, Abs. 2 AStG) a) Steuerpflichtiger b) Gesellschaftsrechtliche Beteiligung c) Mittelbare Beteiligungen d) Steuerpflichtiger zusammen mit nahestehenden Personen aa) Steuerpflichtiger bb) Nahestehende Person e) Vorrang des InvStG (§ 7 Abs. 5 AStG) 3. Niedrigbesteuerung a) Niedrigsteuersatz weniger als 25 % b) Einkünfteermittlung nach § 10 Abs. 3 AStG c) „Malta-Modell“ (§ 8 Abs. 5 Satz 2 AStG) d) Relevante Erhebung (§ 8 Abs. 5 Satz 3 AStG)

4. Passive Einkünfte a) Aktivkatalog b) Einkunftsarten aa) Einzelne Veränderungen bb) Beteiligungserträge (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG) cc) Veräußerungsgewinne (§ 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG) dd) Umwandlungen (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG) 5. Motivtest 6. Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter (§ 13 AStG) III. Rechtsfolge 1. Hinzurechnungsbetrag 2. Vermeidung der Doppelbesteuerung a) Kürzungsbetrag (§ 11 AStG) b) Steueranrechnung (§ 12 AStG) IV. Fazit V. Kurzer Ausblick auf die globale Mindestbesteuerung 1. Hintergrund 2. Globale Mindestbesteuerung

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Klein, „Neuregelung“ der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATAD-UmsG

I. Hinzurechnungsbesteuerung nach ATAD-UmsG Das seit Jahren erwartete1 ATAD-UmsG2 dient der Umsetzung verschiedener Maßnahmen der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD)3 gegen Steuervermeidungspraktiken. Im Hinblick auf die von Art. 7 und 8 ATAD unter der Überschrift „Vorschrift für beherrschte ausländische Unternehmen“ geforderte Hinzurechnungsbesteuerung geht der deutsche Gesetzgeber allerdings davon aus, dass schon die 1972 in Deutschland eingeführte Hinzurechnungsbesteuerung in den §§ 7 ff. AStG „eine robuste Regelungseinheit zur Verhinderung steuerlich indizierter, nicht notwendigerweise missbräuchlicher, Verlagerung von passiven Einkünften ins niedrig besteuernde Ausland“ darstellte. Aus der ATAD, die für alle Mitgliedstaaten einen verpflichtenden Mindeststandard für eine Hinzurechnungsbesteuerung vorsieht, ergebe sich daher für Deutschland nur für vereinzelte Punkte Anpassungsbedarf.4 Die Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung sollten mit dem ATAD-UmsG nur „reformiert und zeitgemäß und rechtssicher ausgestaltet“ werden.5 Eine echte Neuregelung der Hinzurechnungsbesteuerung war also nicht beabsichtigt. Aber auch eine Reform sowie die zeitgemäße und rechtssichere Ausgestaltung der Hinzurechnungsbesteuerung sind ehrgeizige Ziele, an denen die nachfolgend beschriebenen Konzepte letztlich zu messen sind.

1 Siehe Staats/Dannecker, Aktuelle Entwicklungen bei der Hinzurechnungsbesteuerung: Status des Gesetzgebungsverfahrens, StbJb. 2019/2020, 465. 2 Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATAD-UmsG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. 3 Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12.7.2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes, ABl. L 193 vom 19.7.2016, 1 (AntiSteuervermeidungsrichtlinie – ATAD), geändert durch Art. 1 der Richtlinie (EU) 2017/952 des Rates vom 29.5.2017 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2016/1164 bezüglich hybrider Gestaltungen mit Drittländern (ABl. L 144 vom 7.6.2017, 1 – ATAD II). 4 BTDrucks. 19/28652, 24. 5 BTDrucks. 19/28652, 1.

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Klein, „Neuregelung“ der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATAD-UmsG

II. Tatbestand 1. Ausländische Gesellschaft (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AStG) Die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem ATAD-UmsG setzt zunächst wie bisher die Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft voraus. § 7 Abs. 1 Satz 1 AStG definiert die „ausländische Gesellschaft“ als „eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat und die nicht gemäß § 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen ist“. Diese bis auf redaktionelle Änderungen („Inland“ statt „im Geltungsbereich dieses Gesetzes“ und „Absatz“ statt „Abs.“) unveränderte Definition beinhaltet weiterhin den misslungen6 formulierten Verweis auf § 3 Abs. 1 KStG, nach dem die ausländische Gesellschaft nicht gem. § 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen sein darf, wenn sie ausländische Gesellschaft iSd. § 7 Abs. 1 Satz 1 AStG sein soll. § 3 Abs. 1 KStG regelt allerdings keine Steuerbefreiung, sondern einen Ergänzungstatbestand zu § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG.7 Gemeint ist, dass die ausländische Gesellschaft keine nichtrechtsfähige Personenvereinigung, Anstalt, Stiftung oder anderes Zweckvermögen sein darf, deren bzw. dessen Einkommen nach dem KStG oder dem EStG unmittelbar bei einem anderen Stpfl. zu versteuern ist und die bzw. das deshalb nicht selbst körperschaftsteuerpflichtig ist.8

2. Beherrschung (§ 7 Abs. 1, Abs. 2 AStG) Die ausländische Gesellschaft muss der Stpfl. (allein oder ggf. zusammen mit ihm nahestehenden Personen, § 7 Abs. 2 AStG) beherrschen. Mit diesem durch das ATAD-UmsG eingeführten Erfordernis unterscheidet sich die Hinzurechnungsbesteuerung nach ATAD-UmsG erheblich von der bis dahin geltenden Regelung, nach der an der ausländischen Gesellschaft lediglich zu mehr als der Hälfte – nicht notwendig miteinander verbundene oder nahestehende – unbeschränkt Stpfl. betei6 S. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 7 AStG Rz. 14 (Juli 2021). § 3 Abs. 1 KStG regelt keine Steuerbefreiung, sondern einen Ergänzungstatbestand zu § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG (s. Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 KStG Rz. 7 mwN; Klein in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 1 KStG Rz. 55). 7 S. Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 KStG Rz. 7 mwN; Klein in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 1 KStG Rz. 55. 8 S. Vogt in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 7 AStG Rz. 14.

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Klein, „Neuregelung“ der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATAD-UmsG

ligt sein mussten. § 7 Abs. 1 AStG idF des ATAD-UmsG setzt damit Art. 7 der ATAD-Richtlinie um, nach der die Hinzurechnungsbesteuerung eine Maßnahme nur für beherrschte ausländische Unternehmen ist. Eine Beherrschung in diesem Sinne liegt nach § 7 Abs. 2 AStG vor, wenn dem Stpfl allein oder zusammen mit ihm nahestehenden Personen am Ende des Wj. der ausländischen Gesellschaft, in dem diese die Einkünfte, die der Hinzurechnung unterliegen sollen, erzielt hat, mehr als die Hälfte der Stimmrechte oder mehr als die Hälfte der Anteile am Nennkapital unmittelbar oder mittelbar zuzurechnen sind oder unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch auf mehr als die Hälfte des Gewinns oder des Liquidationserlöses dieser Gesellschaft zusteht. a) Steuerpflichtiger Stpfl. und damit mögliches Subjekt der Hinzurechnung ist auch nach § 7 AStG idF des ATAD-UmsG jede natürliche oder juristische Person. Damit weicht die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung ab von der nach Art. 7 der ATAD-Richtlinie vorgesehenen Maßnahme für beherrschte ausländische Unternehmen, die nur Körperschaftsteuerpflichtige adressiert. Da indes die ATAD-Richtlinie nur die Einführung eines EU-weiten Mindestschutzes9 für die nationalen Körperschaftsteuersysteme gegen Steuervermeidungspraktiken regelt, darf das deutsche Recht aus Sicht der ATAD mit dem Einbezug auch natürlicher Personen darüber hinausgehen. Stpfl. können nunmehr auch nur beschränkt Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflichtige sein. § 7 Sätze 1–3 AStG sind nach § 7 Abs. 1 Satz 4 AStG nämlich auch auf diese anzuwenden, soweit ihre Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen ist, in der sie eine gewerbliche Tätigkeit ausüben. b) Gesellschaftsrechtliche Beteiligung Nach dem Wortlaut von § 7 Abs. 2 AStG müssen dem Stpfl. allein oder zusammen mit ihm nahestehenden Personen mehr als die Hälfte der Stimmrechte oder mehr als die Hälfte der Anteile am Nennkapital unmittelbar oder mittelbar zuzurechnen sein oder unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch auf mehr als die Hälfte des Gewinns oder des Liquidationserlöses dieser Gesellschaft zustehen. Erstere, also Stimmrechte 9 Siehe Art. 3 ATAD.

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und Anteile am Nennkapital, werden durch gesellschaftsrechtliche Beteiligungen vermittelt. An dem Gewinn und/oder dem Liquidationserlös können aber auch Inhaber nur schuldrechtlicher Beteiligungen beteiligt sein. Damit ist fraglich, ob die Hinzurechnungsbesteuerung eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Stpfl. voraussetzt. Einiges spricht dafür, dass die Hinzurechnungsbesteuerung trotz des nicht ganz eindeutigen Wortlauts eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung voraussetzt.10 Zwar zählt auch nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a ATAD der Anspruch auf mehr als 50 % der Gewinne (nicht übrigens des Liquidationserlöses) zu den Kriterien, die eine Beherrschung begründen können. Die Begründung des Regierungsentwurfs des ATAD-UmsG lässt allerdings nicht erkennen, dass mit dieser Formulierung auch andere als gesellschaftsrechtliche Beteiligungen einbezogen sein sollen; im Gegenteil, sie bezeichnet das mit dem ATAD-UmsG eingeführte Konzept durchgängig als „gesellschafterbezogenes Beherrschungserfordernis“. Auch systematisch spricht der Umstand, dass Deutschland als Wohnsitzstaat die Erträge aus dem Innehaben anderer Instrumente wie zB einer nur schuldrechtlichen Beteiligung am Gewinn einer Auslandsgesellschaft in aller Regel uneingeschränkt und ungemildert (keine Anwendung von § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b KStG) besteuert, dafür, dass in diesen Fällen eine Hinzurechnungsbesteuerung nicht geboten ist. Dass die Beherrschung in § 7 Abs. 2 AStG auch unter Verweis auf eine Beteiligung an dem Gewinn- oder Liquidationserlös definiert wird, reflektiert damit wohl lediglich, dass in § 7 Abs. 1 Satz 3 AStG als Maßstab der Hinzurechnung die Beteiligung am Gewinn maßgebend ist, wenn eine Gesellschaft kein Nennkapital hat oder für die Gewinnverteilung nicht die Beteiligung am Nennkapital maßgebend ist. c) Mittelbare Beteiligungen Nach § 7 Abs. 1 AStG werden dem Stpfl. auch niedrig besteuerte, passive Einkünfte einer Gesellschaft, an der er nur mittelbar beteiligt ist, zugerechnet. Auch die dazu erforderliche Beherrschung kann über nur mittelbare Beteiligungen erreicht werden (§ 7 Abs. 2 AStG). Die Berücksichtigung mittelbarer Beteiligungen ist die Konsequenz des Wegfalls des Regimes der nachgeschalteten Zwischengesellschaften nach § 14

10 S. auch Ditz/Quilitzsch, Ubg. 2021, 485 (486 f.); aA Haug, DStZ 2021, 612 (614).

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AStG des alten Rechts.11 Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 AStG sind die mittelbaren Beteiligungen für die Steuerpflicht unbeachtlich, soweit bei einer die Beteiligung vermittelnden Person eine Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG oder einer vergleichbaren ausländischen Regelung erfolgt ist und dadurch insgesamt keine niedrige Besteuerung mehr gegeben ist. Derartige Beteiligungen sollen „bereits auf Ebene des § 7 AStG herausfallen“12, die Einkünfte daraus also nicht erst zugerechnet und die Steuer darauf gem. § 12 Abs. 2 AStG angerechnet werden. Nicht näher definiert wird, wann eine ausländische Regelung eine hinreichend vergleichbare Regelung ist. Hier spricht alles dafür, jede Regelung als vergleichbar anzusehen, die den Art. 7 und 8 ATAD genügt, also ihnen entspricht oder – da die ATAD nur ein Mindestschutzniveau absteckt – strenger ist.13 d) Steuerpflichtiger zusammen mit nahestehenden Personen aa) Steuerpflichtiger Stpfl., denen Zwischeneinkünfte nach dem ATAD-UmsG zugerechnet werden können, können natürliche oder juristische Personen sein. Anders als die ATAD, die eine Hinzurechnungsbesteuerung nur für Körperschaftsteuerpflichtige verlangt, erstreckt sich die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG idF des ATAD-UmsG wie zuvor auch auf Einkommensteuerpflichtige. bb) Nahestehende Person Bei der Prüfung einer Beherrschung der ausländischen Gesellschaft durch einen Stpfl. werden dessen Stimmrechte, Anteile am Nennkapital oder Ansprüche auf Gewinn oder Liquidationserlös allein oder zusammen mit denen ihm nahestehender Personen betrachtet. Nahestehend ist eine Person für diese Zwecke (dh. die §§ 7–12 AStG nach § 7 Abs. 3 Satz 1 AStG „unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 AStG“. Die nahestehende Person muss nicht in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sein;14 es kann sich um im In- oder im Ausland ansässige, natürliche oder juristische Personen handeln.15 Auch Personengesellschaften (selbst) 11 12 13 14 15

BTDrucks. 19/28652, 52. BTDrucks. 19/28652, 53. S. Lentz/Sezer, ISR 2021, 85 (91). BTDrucks. 19/28652, 53. S. Ditz/Quilitzsch, Ubg. 2021, 485 (487).

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können nahestehende Personen sein, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 AStG erfüllen (§ 7 Abs. 3 Satz 2 AStG). Schon § 1 Abs. 2 AStG definiert die nahestehende Person sehr weit. Dennoch erweitert § 7 Abs. 4 AStG den Kreis der nahestehenden Personen um weitere Personen. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 AStG „gelten“ Personen als dem Stpfl. nahestehend, „wenn sie mit ihm in Bezug auf die Zwischengesellschaft durch abgestimmtes Verhalten zusammenwirken“. Das ist recht unbestimmt und bedarf der Auslegung. Da das AStG idF des ATAD-UmsG mit dieser Ausweitung des Kreises der nahestehenden Personen über die Vorgaben der ATAD hinausgeht, die auf „verbundene Unternehmen“ abstellt und deren Definition in Art. 2 Abs. 4 ATAD ein solches Kriterium nicht enthält, kann die ATAD selbst indes nichts zur Auslegung von § 7 Abs. 4 Satz 1 AStG beitragen. Die Begründung des Regierungsentwurfs zum ATAD-UmsG bemüht verschiedene andere Vorschriften innerstaatlichen Rechts wie zB § 30 WpÜG oder § 8c KStG, in denen es auf ein Zusammenwirken (acting in concert) oder gleichgerichtete Interessen ankommt. Sie folgert dann daraus – und daraus, dass der EuGH in der Rechtssache v. 6.12.2007 – C-298/05, GmbHR 2008, 111 = ZIP 2008, 171 (Columbus-Container Services)16 auf gleichgerichtete Interessen abstellte, um die Niederlassungsfreiheit für anwendbar zu halten17 –, dass vor diesem Hintergrund „eine ergänzende Regelung zum Beherrschungskriterium notwendig“ sei.18 Inhaltlich ist dies nicht unproblematisch: Mit ihrem Verweis auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache v. 6.12.2007 – C-298/05, GmbHR 2008, 111 = ZIP 2008, 171 (Columbus-Container Services) verweist die Begründung des Regierungsentwurfs zum ATAD-UmsG auch auf Konstellationen, in denen „Anteile direkt oder indirekt von Angehörigen ein und derselben Familie gehalten wurden, diese die gleichen Interessen verfolgten und derselbe Vertreter in der Gesellschafterversammlung die Entscheidungen in Bezug auf die Gesellschaft und deren Tätigkeit traf.“ UE darf das nicht so zu verstehen sein, dass Familienmitglieder nach § 7 Abs. 4 Satz 1 AStG generell als nahestehende Personen iSv. § 1 Abs. 2 AStG „gelten“.19 Eine solche Fiktion wäre sicher 16 EuGH v. 6.12.2007 – V-298/05 (Columbus Container Services), IStR 2008, 63. 17 Kritisch zu dieser – in der Tat nicht überzeugenden – Begründung Ditz/ Quilitzsch, Ubg. 2021, 485 (487). 18 BTDrucks. 19/28652, 53. 19 Siehe aber Ditz/Quilitzsch, Ubg. 2021, 485 (487).

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inhaltlich nicht generell gerechtfertigt und mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich bedenklich. Noch komplexer wird die Regelung durch § 7 Abs. 4 Satz 2 AStG, nach dem bei unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschaftern einer Personengesellschaft, die an einer Zwischengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, ein Zusammenwirken widerlegbar vermutet wird. Regelungstechnisch kombiniert § 7 Abs. 4 AStG damit eine widerlegbare Vermutung mit den Voraussetzungen einer Fiktion. Diesem Geflecht können Personengesellschafter nur schwer entkommen, da sie letztlich eine negative Tatsache, nämlich nachweisen müssten, dass sie nicht zusammenwirken. Das Nichtvorhandensein steuererheblicher Tatsachen nachzuweisen (so genannter Negativnachweis) ist aber nicht möglich, jedenfalls für einen Stpfl. unzumutbar.20 An den Nachweis sollten jedenfalls verminderte Anforderungen zu stellen sein.21 e) Vorrang des InvStG (§ 7 Abs. 5 AStG) Nach § 7 Abs. 5 AStG sind die Abs. 1–4 des § 7 AStG und damit die Hinzurechnungsbesteuerung nicht anzuwenden, wenn auf die Einkünfte, für die die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, die Vorschriften des InvStG anzuwenden sind. Die Besteuerung der Einkünfte der ausländischen Gesellschaft als Investmenterträge nach dem InvStG hat also Vorrang gegenüber der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG.22 Eine Ausnahme gilt nach § 7 Abs. 5 Satz 2 AStG für den Fall, dass die den Einkünften zugrunde liegenden Geschäfte zu mehr als einem Drittel mit dem Stpfl. oder ihm nahestehenden Personen betrieben werden. Die Formulierung scheint sprachlich verunglückt, da sie eher auf die Anzahl der Geschäfte als auf die Höhe der aus diesen Geschäften erzielten Einkünfte abzustellen scheint. Im zweiten Sinne soll sie aber nach der Begründung des Regierungsentwurfs verstanden werden, da es darin heißt, bei der Berechnung sei „auf die Summe der Einkünfte aus Geschäften 20 FG Rh.-Pf. v. 14.12.2011 – 2 K 1427/11, NZWiSt. 2012, 398; Hess. FG v. 25.2.2003 – 11 K 5466/00, 11 K 5468/00, juris; Söhn in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 90 AO Rz. 115. 21 Zum Beweisnotstand beim Nachweis negativer Tatsachen Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 FGO Rz. 74. 22 S. Haug, DStZ 2021, 612 zum Hintergrund dieses vom Gesetzgeber – letztlich, also nach zwischenzeitlich anderen Entwürfen – beibehaltenen Konzepts. S. auch Höring, IWB 2021, 546 und Grabbe, DB 2022, 223.

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mit dem Steuerpflichtigen und ihm nahestehenden Personen abzustellen“.23 Zu den nahestehenden Personen gehören nicht nur möglicherweise beherrschende Anleger, mit denen ein Investmentfonds ohnehin regelmäßig keine Geschäfte betreibt. Ein Investmentfonds wie etwa ein Spezial-Investmentfonds kann aber in für ein Nahestehen ausreichender Höhe Beteiligungen an Gesellschaften halten, aus denen er Einkünfte wie etwa Dividenden oder Zinsen erzielt. Relevante Geschäfte sind solche, aus denen der Investmentfonds Entgelte aus der schuld- oder gesellschaftsrechtlichen Überlassung von Kapital erzielt.24 Machen die Nettoeinnahmen („Einkünfte“) aus diesen Geschäften mehr als ein Drittel der (gesamten25) Einkünfte des Investmentfonds aus, entfällt die investmentsteuerrechtliche Abschirmwirkung und niedrig besteuerte Einkünfte des (ausländischen) Investmentfonds unterliegen bei dem Anleger der Hinzurechnungsbesteuerung, soweit sie nicht wie zB Dividenden aus Tochtergesellschaften aktive Einkünfte (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG) sind. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass zu den Vorschriften des deutschen Steuerrechts, nach denen gem. § 8 Abs. 5 iVm. § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG zu ermitteln ist, ob eine niedrige Besteuerung vorliegt, auch das InvStG26 und damit auch § 6 Abs. 2 InvStG27 gehört. Damit gehören zB Zinsen, die ein ausländischer Investmentfonds für die Darlehensfinanzierung von ihm gehaltener Objektgesellschaften bezieht, in aller Regel nicht zu den Einkünften, mit denen ein (ausländischer) Investmentfonds im Inland der Besteuerung unterliegt.28 Bei der Ermittlung der Niedrigbesteuerung ist das mit der Folge zu berücksichtigen, dass insoweit keine Niedrigbesteuerung vorliegt, wenn die Zinsen im Ausland nicht besteuert werden.29 Die Einkünfte des ausländischen Investmentfonds unterliegen dann nicht der Hinzurechnungsbesteuerung. 23 BTDrucks. 19/28652, 55 unter d). 24 Zu Details s. ausführlich Haug, DStZ 2021, 612 (615). 25 So wohl Stadler/Sotta, BB 2020, 1943 (1946); aA Haug, DStZ 2021, 612 (616), der angesichts des keine solche Einschränkung nahelegenden Wortlauts des Gesetzes unter Berufung auf Art. 7 Abs. 2 Buchst. a ATAD nur auf die Entgelte aus der schuld- oder gesellschaftsrechtlichen Überlassung von Kapital abstellen möchte. 26 Wassermeyer/Schönfeld in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 10 AStG Rz. 323. 27 Grabbe, DB 2022, 223. 28 Klein in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Anhang zu § 20 EStG, § 6 InvStG, Rz. 15. 29 S. ausführlich Grabbe, DB 2022, 223.

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3. Niedrigbesteuerung Beherrscht ein Stpfl. eine ausländische Gesellschaft, so muss diese, damit es zur Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 Abs. 1 AStG kommt, Einkünfte erzielen, für die die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist. Eine ausländische Gesellschaft ist – vorbehaltlich des Substanztests nach § 8 Abs. 2 AStG30 – nach § 8 Abs. 1 AStG Zwischengesellschaft für Einkünfte (einschließlich Veräußerungsgewinne), die (i) einer niedrigen Besteuerung unterliegen und (ii) nicht Einkünfte gemäß dem Katalog des § 8 Abs. 1 AStG sind. Eine niedrige Besteuerung liegt nach § 8 Abs. 5 Satz 1 AStG vor, wenn die nach Maßgabe des § 10 Absatz 3 AStG ermittelten Einkünfte, für die die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, einer Belastung durch Ertragsteuern von weniger als 25 % unterliegen, ohne dass dies auf einem Ausgleich mit Einkünften aus anderen Quellen beruht. a) Niedrigsteuersatz weniger als 25 % Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) ATAD soll die Hinzurechnungsbesteuerung eingreifen, wenn „die von dem Unternehmen oder der Betriebsstätte tatsächlich entrichtete Körperschaftsteuer auf seine bzw. ihre Gewinne niedriger ist als die Differenz zwischen der Körperschaftsteuer, die nach der geltenden Körperschaftsteuerregelung im Mitgliedstaat des Steuerpflichtigen für das Unternehmen oder die Betriebsstätte erhoben worden wäre, und der von dem Unternehmen oder der Betriebsstätte tatsächlich entrichteten Körperschaftsteuer auf seine bzw. ihre Gewinne“. Nach der ATAD ist eine niedrige Besteuerung danach gegeben, wenn die Körperschaftsteuerbelastung der ausländischen Gesellschaft weniger als die Hälfte der Körperschaftsteuerbelastung des Stpfl. in seinem Mitgliedstaat beträgt. Das wären in Deutschland also weniger als 7,5 % (s. § 23 Abs. 1 KStG). Mit 25 % liegt § 8 Abs. 5 AStG also – wie schon bisher – deutlich darüber, was angesichts der weltweit abgesenkten Steuersätze für Unternehmensgewinne sowie der in den anderen Mitgliedstaaten der EU geltenden Niedrigsteuergrenzen31 nicht mehr zeitgemäß ist, also den an das ATAD-UmsG gestellten eigenen Anspruch32 verfehlt und die eigentlich als Missbrauchsabwehr gedachte Hinzurechnungsbesteuerung zum „Regelsteuerrecht“ im international 30 S. dazu unten. 31 S. dazu detailliert Staats/Dannecker, StbJb. 2019/2020, 465 (473). 32 BTDrucks. 19/28652, 1.

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tätigen Konzern „verkommen lässt.“33 Nicht zuletzt aus der Perspektive der Folgerichtigkeit ist ärgerlich, dass es damit mangels Anrechnung im Ausland gezahlter Steuern auf die Gewerbesteuer (s. § 12 AStG) trotz Gewerbesteuerpflicht des Hinzurechnungsbetrags (§ 7 Satz 7 GewStG) bei ausländischen Steuerbelastungen zwischen 15 % und 25 % zu Anrechnungsüberhängen kommt, die die steuerliche Belastung des Hinzurechnungsbetrags auf ein Niveau weit über dem einer vergleichbaren inländischen Kapitalgesellschaft steigen lassen kann.34 Da die ATAD nur ein Mindestschutzniveau vorschreibt, verstößt ein Überschreiten des laut ATAD relevanten Steuersatzes um mehr als das Dreifache nicht gegen die ATAD. Dennoch ist es zumindest irreführend, wenn die Begründung des Regierungsentwurfs zum ATAD-UmsG verkündet, mit einem Mindeststeuersatz von 25 % werde „den Vorgaben der ATAD entsprochen“, da „unter Einbeziehung der deutschen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer“ dem Erfordernis, eine Niedrigbesteuerung bei einer Ertragsteuerbelastung von weniger als der Hälfte der Ertragsteuerbelastung des Stpfl. anzunehmen, genüge getan sei.35 Selbst wenn man in Deutschland die Gewerbesteuer einbeziehen möchte und damit die sachlich gerechtfertigte Schwelle einer Niedrigbesteuerung nicht bei 50 % von 15 %, also bei 7,5 % sieht, so wäre sachgerecht und – bei fehlender Anrechnung auf die Gewerbesteuer – systematisch allein verständlich eine Schwelle von (höchstens) 15 %.36 b) Einkünfteermittlung nach § 10 Abs. 3 AStG Für die Ermittlung einer niedrigen Besteuerung sind die Einkünfte, für die die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, dh. abweichend von der ATAD, die alle Einkünfte einbezieht (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b ATAD), mit Absicht37 nur die niedrig besteuerten passiven Einkünfte nach § 10 Abs. 3 AStG, dh. in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts (§ 10 Abs. 3 Satz 1 AStG) als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nunmehr zwingend durch Betriebsvermögensvergleich und nicht mehr wie nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AStG aF alternativ als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten § 10 Abs. 3 Satz 2 AStG) zu ermitteln (§ 8 Abs. 5 Satz 1 AStG). Steuerliche 33 34 35 36 37

Ditz/Quilitzsch, Ubg. 2021, 485 (491, 495). Rödder, IStR 2009, 873 (874); Ditz/Quilitzsch, Ubg 2021, 485 (491 mwN). BTDrucks. 19/28652, 58. Haase/Nürnberg, Ubg. 2020, 1 (3); Ditz/Quilitzsch, Ubg. 2021, 485 (491). BTDrucks. 19/28652, 58.

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Vergünstigungen, die an die unbeschränkte Steuerpflicht oder an das Bestehen eines inländischen Betriebs oder einer inländischen Betriebsstätte anknüpfen, und die Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes bleiben unberücksichtigt. Anders als nach § 10 Abs. 3 Satz 4 AStG aF38 bleiben nun allerdings die §§ 4h, 4j EStG und die §§ 8a, 8b Abs. 1 und 2 KStG nicht mehr unberücksichtigt. Gelten im Ansässigkeitsstaat der ausländischen Gesellschaft nicht vergleichbare Regelungen, können sich damit bei der Parallelberechnung nach deutschem Steuerrecht eine höhere Bemessungsgrundlage und dann auch bei einem nominell über 25 % liegendem Steuersatz eine niedrige Besteuerung ergeben. Verluste aus Einkünften, für die die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, können in entsprechender Anwendung von § 10d EStG – wie nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 ATAD – nur noch vorgetragen werden (§ 10 Abs. 3 Satz 4 AStG); ein Verlustrücktrag ist nicht zulässig (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG). c) „Malta-Modell“ (§ 8 Abs. 5 Satz 2 AStG) Nach § 8 Abs. 5 Satz 2 AStG sind in die Belastungsberechnung Ansprüche einzubeziehen, die der Staat oder das Gebiet der ausländischen Gesellschaft im Fall einer Gewinnausschüttung der ausländischen Gesellschaft dem Stpfl. oder einer anderen Gesellschaft, an der der Stpfl. unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, gewährt. Das entspricht weitgehend dem mit dem JStG 201039 als Reaktion auf das sog. Malta-Modell, einer über 25 prozentigen Besteuerung von Gesellschaften auf Malta kombiniert mit einer substanziellen Erstattung der Steuer an die Gesellschafter im Ausschüttungsfall, eingeführten § 8 Abs. 5 Satz 2 AStG aF.40 d) Relevante Erhebung (§ 8 Abs. 5 Satz 3 AStG) Nach § 8 Abs. 5 Satz 3 AStG unterliegen Einkünfte auch dann einer Belastung durch Ertragsteuern von weniger als 25 %, wenn Ertragsteuern von mindestens 25 % zwar rechtlich geschuldet, jedoch nicht tatsächlich erhoben werden. Auch diese Regelung entspricht weitgehend ihrer

38 S. dazu Wassermeyer/Schönfeld in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 8 AStG Rz. 714. 39 Jahressteuergesetz 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 40 S. dazu Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 8 AStG Rz. 749.

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als Reaktion auf das Urteil es BFH vom 9.7.2003 – I R 82/0141 eingeführten Vorgängerin, also § 8 Abs. 5 Satz 3 AStG aF.42

4. Passive Einkünfte a) Aktivkatalog Auch mit dem ATAD-UmsG hat sich der Gesetzgeber nicht dazu durchgerungen, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegenden passiven Einkünfte zu definieren („Passivkatalog“). Stattdessen werden auch weiterhin die aktiven Einkünfte, die nicht der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen, in einem tief gestaffelten Katalog von Regel- und Ausnahmefällen definiert. Alles, was nicht darunterfällt, ist passiv. Einen Verstoß gegen die ATAD, die ihrerseits in ihrem Art. 7 Abs. 2 die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegenden passiven Einkünfte definiert, stellt das nicht dar. Das ATAD-UmsG hat aber mit der Weiterführung eines nur in einzelnen Punkte geänderten, konzeptionell auf das Jahr 1972 zurückgehendem Aktivkatalogs Erwartungen enttäuscht, die an eine Modernisierung der Hinzurechnungsbesteuerung im Zusammenhang mit der Umsetzung der ATAD geknüpft wurden.43 b) Einkunftsarten aa) Einzelne Veränderungen i.

§ 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG: Verschärfungen erfuhren aus dem Katalog der aktiven Einkünfte zunächst Einkünfte aus dem Betrieb von Versicherungsunternehmen, Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG). An die Stelle des Erfordernisses, einen für ihre Geschäfte in kaufmännischer Weise eingerichteten Ge-

41 BFH v. 9.7.2003 – v. 9.7.2003 – I R 82/01, BStBl. II 2004, 4 = FR 2003, 1187 = GmbHR 2003, 1290 hatte entschieden, dass die Frage, ob eine „niedrige Besteuerung“ iSd. § 8 Abs. 3 AStG vorliege, grundsätzlich nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Sitzstaats bzw. des Geschäftsleitungsstaats zu beurteilen sei. Eine niedrige Besteuerung sei deshalb regelmäßig nicht gegeben, wenn die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft nach dem Recht des Geschäftsleitungsstaats einem Steuersatz von mehr als 30 % (seinerzeit altes Recht) bzw. 25 % (seinerzeit neues Recht) unterlägen, die ausländische Finanzbehörde sie aber tatsächlich niedriger oder gar nicht besteuert habe. 42 S. dazu Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 8 AStG Rz. 760. 43 S. zB Baur/Ullmann, IWB 2021, 790 (791).

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schäftsbetrieb zu unterhalten, ist das Erfordernis getreten, einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit iSd. § 8 Abs. 2 AStG nachzugehen. Damit ist es nun – anders als zuvor – ua.44 schädlich, wenn die wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit durch Dritte besorgt, dh. ausgelagert wird (§ 8 Abs. 2 Satz 5 AStG).45 Passiv sind die Einkünfte nunmehr zudem auch schon, wenn die den Einkünften zugrunde liegenden Geschäfte zu mehr als einem Drittel (und damit nicht mehr erst, wenn sie zu mehr als der Hälfte) mit dem Stpfl. oder nahestehenden Personen betrieben werden. ii. § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG aF: Grundsätzlich nicht mehr aktiv sind die früher in § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG aF geregelten Einkünfte aus der Aufnahme und darlehensweise Vergabe von Kapital, also Zinsen. Sie können nur noch bei Bestehen eines funktionalen Zusammenhangs mit einer anderen aktiven Tätigkeit selbst auch aktive Einkünfte sein.46 iii. Andere Einkunftsarten – mit Ausnahme der Beteiligungserträge (dazu sogleich) – wurden nur punktuell und eher redaktionell geändert. bb) Beteiligungserträge (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG) Besondere Aufmerksamkeit verdienen „Bezüge i.S. des § 8b Abs. 1 KStG“, also Beteiligungserträge.47 Sie zählen nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a (iii) ATAD zu den passiven Einkünften, nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG indes grundsätzlich zu den aktiven Einkünften, die nicht der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Grund für die systematisch richtige Abweichung von der ATAD ist, dass, unterlägen Dividenden der Hinzurechnungsbesteuerung, das der grundsätzlichen Nichtberücksichtigung von Dividenden nach § 8b KStG widerspräche, welche wiederum

44 Einbezogen sind auch die Anforderungen nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AStG und damit die Frage, ob damit zu Recht mehr als das Unterhalten eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs (nach § 8 Abs. 2 AStG aF) gefordert wird; s. Lehfeldt in Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, § 8 AStG Rz. 182.24 und Baur/Ullmann, IWB 2021, 790 (793), die mE zu Recht darauf hinweisen, dass das bei Kreditinstituten und Versicherungen das Vorliegen einer aufsichtsrechtlichen Zulassungsanforderungen genügenden Ausstattung ausreichen sollte, auch die steuerlichen Substanzanforderungen zu erfüllen. 45 S. Baur/Ullmann, IWB 2021, 790 (793). 46 Ditz/Quilitzsch, Ubg. 2021, 485 (489); Lentz/Sezer, ISR 2021, 85 (87). 47 S. dazu ausführlich Lentz/Sezer, ISR 2021, 85.

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dazu dient, eine mehrfache Besteuerung versteuerten Einkommens durch Freistellung zu vermeiden.48 Ausnahmen von der grundsätzlichen Einstufung von Dividenden als aktiv gelten für den Fall, dass die Dividenden das Einkommen der ausschüttenden Körperschaft gemindert haben (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a AStG), für den Fall von Streubesitzdividenden, die nach § 8b Abs. 4 KStG steuerpflichtig wären (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b AStG) und für den Fall des § 8b Abs. 7 KStG, also Dividenden auf Aktien im Handelsbestand von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. c AStG). Die Ausnahme einer Qualifikation von Bezügen iSd. § 8b Abs. 1 KStG als aktiv, also die Einstufung solcher Bezüge als passiv für den Fall, dass die Bezüge das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a AStG), wird durch zwei Rückausnahmen nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a Satz 2 AStG wiederum aufgehoben, nämlich (i) für den Fall, dass die leistende Körperschaft mit den Bezügen zugrunde liegenden Einkünften selbst Zwischengesellschaft ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a Satz 2 Doppelbuchst. aa AStG) oder (ii) für den Fall, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen der ausländischen Gesellschaft erhöht hat und keiner niedrigen Besteuerung unterliegt (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a Satz 2 Doppelbuchst. bb AStG). Beides ist stimmig, verursacht aber auch erheblichen Aufwand, um die Verhältnisse auch auf der Ebene der Auslandsgesellschaft und darüber hinaus nachzuverfolgen.49 cc) Veräußerungsgewinne (§ 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG) Anteilsveräußerungsgewinne sind grundsätzlich aktiv. Sie sind allerdings nunmehr passiv und unterliegen der Hinzurechnungsbesteuerung, wenn sie bei der ausländischen Gesellschaft nach § 8b Abs. 7 KStG steuerpflichtig wären, wenn diese unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig wäre. Das korrespondiert mit § 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. c AStG. dd) Umwandlungen (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG) Einkünfte aus Umwandlungen sind grundsätzlich aktiv. Sie sind allerdings ausnahmsweise -grundsätzlich – passiv und unterliegen der Hin48 Schönfeld, IStR 2017, 721 (725). 49 S. Baur/Ullmann, IWB 2021, 790 (796).

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zurechnungsbesteuerung, soweit sie auf der Übertragung von Wirtschaftsgütern beruhen, die nicht der Erzielung von aktiven Einkünften iSv. § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 AStG dienen. Als Rückausnahme von der Ausnahme sind die Einkünfte aus der Übertragung dieser Wirtschaftsgüter aber dennoch aktiv, wenn der Stpfl. nachweist, dass die Umwandlung im Inland ungeachtet des § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG zu Buchwerten hätte erfolgen können und – insofern verschärft gegenüber der bisherigen Rechtslage – im Ausland tatsächlich zu Buchwerten erfolgt ist. „Ungeachtet des § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG“ bedeutet bislang, dass die beteiligten Rechtsträger die Ansässigkeitsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG nicht erfüllen müssen, so dass auch Umwandlungsfälle in Drittstaaten erfasst sind.50 Die ohnehin in Gang gesetzte Globalisierung des Umwandlungssteuerechts durch Aufhebung von § 1 Abs. 2 UmwStG mit Wirkung für steuerliche Umwandlungsstichtage nach dem 31.12.2021 (§ 27 Abs. 18 UmwStG)51, ist dabei noch nicht berücksichtigt, ohne dass sich das, da § 1 Abs. 2 UmwStG ohnehin nicht berücksichtigt werden muss („ungeachtet“), negativ auswirkt.

5. Motivtest § 8 Abs. 2–4 AStG regeln – ähnlich wie schon § 8 Abs. 2 AStG aF52, allerdings in verschärfter Form – einen sog. Motivtest, bei dessen Bestehen es trotz niedrig besteuerter passiver Einkünfte einer beherrschten Auslandsgesellschaft nicht zur Hinzurechnungsbesteuerung kommt. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG ist eine ausländische Gesellschaft ungeachtet des § 8 Abs. 1 AStG nicht Zwischengesellschaft für Einkünfte, für die nachgewiesen wird, dass die Gesellschaft in dem Staat, in dem sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung hat, insoweit einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht. Dieser „Escape“ ist beschränkt auf Auslandsgesellschaften, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens haben (§ 8 Abs. 3 AStG). Das Bestehen des Motivtests setzt den Einsatz der für die Ausübung der Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft erforderlichen sachlichen und personellen Ausstattung in dem Staat der Auslandsgesellschaft voraus 50 Wassermeyer/Schönfeld in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 8 AStG Rz. 369. 51 S. dazu ausführlich Prinz, FR 2021. 52 S. dazu Ditz/Ekinci, Ubg. 2021, 361.

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(§ 8 Abs. 2 Satz 2 AStG). Ihre Tätigkeit muss durch hinreichend qualifiziertes Personal selbständig und eigenverantwortlich ausgeübt werden (§ 8 Abs. 2 Satz 3 AStG), wobei § 8 Abs. 2 Sätze 1–3 AStG nicht gelten, also der Motivtest nicht zur Verfügung steht, wenn die Gesellschaft ihre wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit überwiegend durch Dritte besorgen lässt (§ 8 Abs. 2 Satz 5 AStG). Ohnehin sind der wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft nur die ihrer Einkünfte zuzuordnen, die durch diese Tätigkeit erzielt werden und dies nur insoweit, als der Fremdvergleichsgrundsatz beachtet worden ist (§ 8 Abs. 2 Satz 4 AStG). Der Motivtest des § 8 AStG idF des ATAD-UmsG lehnt sich damit an an Art. 7 Abs. 2 Buchst. a ATAD. Darin heißt es, die Einbeziehung in die Steuerbemessungsgrundlage (dh. die Hinzurechnung) finde keine Anwendung, wenn „das beherrschte ausländische Unternehmen, gestützt auf Personal, Ausstattung, Vermögenswerte und Räumlichkeiten eine wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wie durch relevante Fakten und Umstände nachgewiesen.“ Damit tritt die „wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit“ an die Stelle der bisher von § 8 Abs. 2 AStG aF vorausgesetzten „tatsächliche(n) wirtschaftliche(n) Tätigkeit“. Dass eine Auslagerung der Tätigkeit schädlich sein soll, ergibt sich aus der ATAD selbst nicht. Diese Verschärfung ist auch deshalb erstaunlich, weil, nachdem der EuGH erkannt hatte, dass § 50d Abs. 3 EStG sowohl in einer älteren, vor 2012 geltenden Fassung53 als auch in der Fassung des BeitrRLUmsG54 gegen die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit55 verstieß, die Regelung zur Schädlichkeit der Übertragung wesentlicher Geschäftstätigkeiten auf Dritte in § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG idF des BeitrRLUmsG nicht in die jetzt geltende, fast zeitgleich mit der Verabschiedung des ATAD-UmsG (25.6.2021) verabschiedete Neufassung von § 50d Abs. 3 EStG idF des AbzStEntModG vom 2.6.2021 übernommen wurde, so dass danach ein Outsourcing oder ein Rückgriff auf personelle und sachliche Ressourcen verbundener Unternehmen die An-

53 S. EuGH v. 20.12.2017 – C-504/16 und 613/16 (Deister Holding und Juhler Holding), ZIP 2018, 366. 54 Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592. 55 EuGH v. 14.6.2018 – C-440/17, GmbHR 2018, 851 = ZIP 2018, 2065 (GS), IStR 2018, 543.

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nahme eines angemessen eingerichteten Geschäftsbetriebs nicht mehr von vornherein ausschließen dürfte.56 Der neue Motivtest wirft weitere Fragen auf: Seine Beschränkung auf EU- und EWR-Fälle könnte gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen. Zwar gestattet Art. 7 Abs. 2 Buchst. a letzter Satz ATAD es den EU-Mitgliedstaaten, den Motivtest nicht anzuwenden, wenn das beherrschte ausländische Unternehmen in einem Drittland ansässig oder belegen ist, das keine Vertragspartei des EWR-Abkommens ist. Der deutsche Gesetzgeber hält dies für möglich57, dh. wohl für europarechtlich unbedenklich. Seine Begründung lautet, die Berufung auf die Kapitalverkehrsfreiheit sei nach der Rspr. des EuGH ausgeschlossen, wenn die betreffende Regelung allein den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit betreffe, und das sei aufgrund der Beherrschungsvoraussetzungen der ATAD (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a ATAD) „ausschließlich“ der Fall.58 Tatsächlich sind aber auch Fälle denkbar, in denen eine Beherrschung iSv. § 8 Abs. 2 AStG zB aufgrund einer Beteiligung einer nahestehenden Person (Mutter- oder Schwestergesellschaft) oder einer mehr als 50 prozentigen Gewinnbeteiligung angenommen werden kann, ohne dass der Stpfl. selbst die ausländische Gesellschaft – wie es eine Anwendung der Niederlassungsfreiheit voraussetzt59 – auch kraft einer starken gesellschaftsrechtlichen Stellung beherrschen kann.60 Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch, welche Relevanz das noch zur Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG aF ergangene BMF-Schreiben vom 17.3.202161 haben wird. Von Bedeutung ist das ua. deshalb, weil das BMFSchreiben verlangt, über die gesetzlich geregelten Tatbestandsmerkmale hinaus müsse der Stpfl. nachweisen, dass die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft keine rein künstliche Gestaltung darstelle. Dazu gehöre, der Nachweis, dass „keiner der Hauptzwecke der Beteiligung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils“ sei. Die Formulierung entspricht § 50d Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 EStG idF des AbzStEntModG, nur dass sie im Fall des Motivtests nach § 8 Abs. 2 AStG nicht nur, wie man es für 56 Hagena in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50d EStG 20 Rz. J 21.10; s. auch Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 379 ff. 57 BTDrucks. 19/28652, 58. 58 BTDrucks. 19/28652, 58. 59 Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2, Rz. 7.74. 60 S, dazu auch Ditz/Quilitzsch, Ubg. 2021, 485 (491). 61 BMF v. 17.3.2021 – IV B 5 - S 1351/19/10002:001 – DOK 2021/0290319, BStBl. I 2021, 342.

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einen belastenden Eingriff verlangen muss, keinerlei Anklang im Gesetzeswortlaut62 oder der ATAD gefunden hat, sondern auch in der Begründung des Regierungsentwurfs des ATAD-UmsG nicht erwähnt wird. Auch hier wäre das zudem, wie in § 50d Abs. 3 EStG, ein Beweis des Nichtvorhandenseins steuererheblicher Tatsachen (so genannter Negativnachweis), der nicht möglich, jedenfalls für einen Stpfl. unzumutbar ist.63 Hinzu kommt, dass ein so (wie vom BMF) verstandener § 8 Abs. 2 AStG in die Gefahr geriete, Ungleichbehandlungen von In- und Ausländern und damit Verstöße gegen die Niederlassungsfreiheit nicht rechtfertigen zu können. Denn nach der Entscheidung des EuGH vom 20.1.2021, C-484/19, Lexel AB,64 kann eine Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nicht aus der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerumgehung hergeleitet werden, wenn (auch) Geschäfte vom Anwendungsbereich einer Norm erfasst sein können, die keine rein künstlichen oder fiktiven Konstruktionen darstellen. Nach Abschnitt II letzter Satz des BMF-Schreibens vom 17.3.202165 soll aber – wie nach § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG – schädlich sein, wenn ein Stpfl. nicht nachweisen kann, dass kein wesentlicher Grund einer Struktur die Erzielung eines steuerlichen Vorteils war. Umgekehrt heißt das, dass auch Gestaltungen, in denen neben wirtschaftlichen Gründen auch ein steuerlicher Grund maßgeblich war, den jeweiligen Test nicht bestehen. Indem Abschnitt II letzter Satz des BMF-Schreibens vom 17.3.202166 – wie auch § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG – also auch Strukturen erfassen, die nicht rein künstlich sind, ist die Regelung unverhältnismäßig.

6. Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter (§ 13 AStG) Für von einer ausländischen Gesellschaft erzielte niedrig besteuerte Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter regelt § 13 AStG eine Hinzurechnungsbesteuerung beim unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter, die auch eingreift, wenn Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 AStG ansons-

62 So auch Müller, GmbH-StB 2021, 283 (287/288). 63 FG Rh.-Pf. v. 14.12.2011 – 2 K 1427/11, NZWiSt. 2012, 398; Hess. FG v. 25.2.2003 – 11 K 5466/00, 11 K 5468/00, juris; Söhn in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 90 AO Rz. 115. 64 EuGH v. 20.1.2021 – C-484/19 (Lexel), FR 2021, 320. 65 BMF v. 17.3.2021 – IV B 5 - S 1351/19/10002:001 – DOK 2021/0290319, BStBl. I 2021, 342. 66 BMF v. 17.3.2021 – IV B 5 - S 1351/19/10002:001 – DOK 2021/0290319, BStBl. I 2021, 342.

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ten nicht erfüllt sind, der Stpfl. die Gesellschaft also nicht beherrscht (§ 13 Abs. 1 Satz 1 AStG). Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter sind dabei Einkünfte, einschließlich Veräußerungsgewinne, die aus dem Halten, der Verwaltung, der Werterhaltung oder der Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen, Wertpapieren, Beteiligungen (ausgenommen Einkünfte iSd. § 8 Abs. 1 Nr. 7 und 8 AStG) oder ähnlichen Vermögenswerten stammen (§ 13 Abs. 2 AStG). Zu ihnen zählen auch Erträge aus börsennotierten REIT-Aktiengesellschaften (§ 13 Abs. 3 AStG). Von der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 AStG weicht die besondere Hinzurechnungsbesteuerung bei Einkünften mit Kapitalanlagecharakter wie folgt ab: –

Es reicht, wenn der Stpfl. (hier nach dem Wortlaut des Gesetzes allein, also nicht zusammen mit nahestehenden Personen) an der Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt ist; bei börsennotierten Zwischengesellschaften reicht sogar eine Beteiligung von weniger als 1 % (§ 13 Abs. 1 Satz 3 AStG). Als Mindestschwelle ist lediglich vorgesehen, dass die Regelung nicht gilt, wenn die Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter bei der ausländischen Gesellschaft nicht mehr als 10 % ihrer gesamten passiven niedrigbesteuerten Einkünfte ausmachen und die Beträge bei einer Zwischengesellschaft oder dem Stpfl. 80.000 Euro nicht übersteigen (§ 13 Abs. 1 Satz 3 AStG).



Der in § 13 Abs. 4 AStG geregelte Motivtest (Escape) erstreckt sich mangels Verweises auf § 8 Abs. 3 AStG auch auf Drittstaaten, ist also nicht auf EU/EWR-Staaten beschränkt. Das ist insofern konsequent, als angesichts des geringen Beteiligungserfordernisses nicht die Niederlassungsfreiheit, sondern die Kapitalverkehrsfreiheit zu berücksichtigen ist, die auch Fälle mit Drittstaatenbezug erfasst.67 Der Motivtest steht nicht zur Verfügung, wenn der Staat, in dem die ausländische Gesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung hat, im Wege des zwischenstaatlichen Informationsaustauschs keine zur Durchführung der Besteuerung erforderlichen Auskünfte erteilt (§ 13 Abs. 4 Satz 2 AStG). Indem die Vorschrift damit auf die tatsächliche Informationserteilung statt auf das bloße Bestehen eines Anspruchs auf Informationserteilung abstellt, ist sie strenger als dies der EuGH

67 EuGH v. 18.12.2007 – C-101/05, GmbHR 2008, 157 = IStR 2008, 66; Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2, Rz. 7.74.

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in der Entscheidung C-135/17 (X) vorsieht,68, der das Gesetz aber gerade genügen soll.69

III. Rechtsfolge 1. Hinzurechnungsbetrag Ist ein Stpfl. hinreichend an einer Zwischengesellschaft beteiligt, so sind die Einkünfte, für die die Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, bei dem Stpfl. entsprechend seiner Beteiligung (am Nennkapital bzw. am Gewinn, wenn als Maßstab der Gewinnverteilung nicht das Nennkapital maßgebend ist, s.o.) steuerpflichtig (§ 7 Abs. 1 AStG) und als Hinzurechnungsbetrag anzusetzen (§ 10 Abs. 1 AStG). Der Hinzurechnungsbetrag gehört dabei grundsätzlich zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und gilt als in dem Veranlagungszeitraum zugeflossen, in dem das Wj. der Zwischengesellschaft endet. Bei Zugehörigkeit der Beteiligung an der Zwischengesellschaft zu einem Betriebsvermögen gehört der Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft oder selbständiger Arbeit; er erhöht den Gewinn für das Wj., in dem das Wj. der Zwischengesellschaft endet. Die ansonsten für Beteiligungserträge geltenden § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG, § 8b Abs. 1 KStG und § 9 Nr. 7 GewStG sind nicht anzuwenden. Zur Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags s. bereits oben unter II.3.b.

2. Vermeidung der Doppelbesteuerung a) Kürzungsbetrag (§ 11 AStG) Abweichend vom früheren Recht, nach dem Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungsgewinne nach § 3 Nr. 41 EStG steuerfrei waren, soweit sie im Zusammenhang mit Beteiligungen standen, die innerhalb eines Siebenjahres-Zeitraums Hinzurechnungsbeträge auslösten, verhindert das AStG nach ATAD-UmsG eine wirtschaftlich doppelte Besteuerung der einem Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegenden Einkünfte beim Stpfl. durch einen sog. Kürzungsbetrag. Dazu wird, wenn die ausländische Gesellschaft, für die bei dem Stpfl. Hinzurechnungsbeträge der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer unterlegen haben, Dividenden (Bezüge iSd. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG), Investmenterträge (Bezüge iSd. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG) oder Spezial-Investmenterträge (Bezüge iSd. § 20 68 S. dazu auch Ditz/Quillitzsch, Ubg. 2021, 485 (492). 69 BTDrucks. 19/28652, 65.

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Abs. 1 Nr. 3a EStG) ausschüttet, bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte des Stpfl. ein Kürzungsbetrag abgezogen. Die bisherige Begrenzung auf einen Zeitraum von sieben Jahren ist entfallen. Der Mechanismus gilt für derartige Ausschüttungen von Gesellschaften, die an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind. Diese Ausschüttungen unterliegen beim Stpfl. zwar den § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG. Soweit sie danach aber steuerpflichtig sind, verhindert der Kürzungsbetrag eine doppelte Besteuerung. Der Kürzungsbetrag entspricht dem Betrag, der als Bezug der genannten Ausschüttungen bei dem Stpfl. steuerpflichtig ist. Er ist begrenzt auf das sog. Hinzurechnungskorrekturvolumen zuzüglich des für den laufenden Veranlagungszeitraum zu besteuernden Hinzurechnungsbetrags (§ 13 Abs. 2 AStG). Das Hinzurechnungskorrekturvolumen wird zum Ende eines Veranlagungszeitraums gesondert festgestellt und wie folgt berechnet: –

Hinzurechnungsbetrag des laufenden VZ



abzüglich der Ausschüttungen der og. Bezüge der ausländischen Gesellschaft und etwaiger zwischengeschalteter Gesellschaften



abzüglich der Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an der ausländischen Gesellschaft oder zwischengeschalteter Gesellschaften aus der Auflösung oder der Herabsetzung des Kapitals



zuzüglich festgestelltes Hinzurechnungskorrekturvolumen des vorangegangenen Veranlagungszeitraums.

Das System des Kürzungsbetrags entspricht Art. 8 Abs. 5 und 6 ATAD. Die damit einhergegangene Aufhebung der früheren siebenjährigen Begrenzung ist sehr zu begrüßen. Die zusätzliche Komplexität und der Bedarf für ein weiteres Feststellungsverfahren sind zu bemängeln. b) Steueranrechnung (§ 12 AStG) Um eine nicht gerechtfertigte wirtschaftliche Doppelbesteuerung bei der Hinzurechnungsbesteuerung zu vermeiden, sieht § 12 Abs. 1 AStG vor, dass auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer des Stpfl., die auf den Hinzurechnungsbetrag entfällt, grundsätzlich die Steuern vom Einkommen angerechnet werden, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft auf die dem Hinzurechnungsbetrag unterliegenden Einkünfte tatsächlich erhoben worden sind.

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Auf Antrag des Stpfl. wird auf seine Einkommen- oder Körperschaftsteuer auch die anteilige Steuer angerechnet, die im Staat einer die Beteiligung an der Zwischengesellschaft vermittelnden Gesellschaft oder Betriebsstätte im Wege einer der Hinzurechnungsbesteuerung vergleichbaren Besteuerung tatsächlich erhoben worden ist (§ 12 Abs. 2 AStG). Nach wie vor zu beanstanden ist, dass eine Anrechnung der von der ausländischen Gesellschaft oder etwaigen zwischengeschalteten Gesellschafteten geschuldete Steuern nicht auf die Gewerbesteuerschuld des Stpfl. angerechnet werden kann, obwohl der Hinzurechnungsbetrag auch der Gewerbesteuer unterliegt. Das führt im Zusammenhang mit der viel zu hoch angesetzten Niedrigsteuerschwelle von 25 % zwangsläufig zu Anrechnungsüberhängen und lässt die Gesamtsteuerbelastung über das reguläre deutsche Steuerniveau ansteigen (s. schon oben unter II.3.a).

IV. Fazit Die Änderungen, die die §§ 7 ff. AStG durch das ATAD-UmsG erfahren haben, stellen keine komplette Neuregelung der Hinzurechnungsbesteuerung dar. Es handelt sich stattdessen, ganz wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, nur um punktuelle Anpassungen an die ATAD. Dass die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung dabei an manchen Stellen strenger ist, als es die ATAD verlangt, ist mit dieser zu vereinbaren, da sie nur ein Mindestschutzniveau vorsieht. Leider ist aber auch die angekündigte und deshalb erwartete Modernisierung ausgeblieben. Das macht sich insbes. deutlich in der weitgehenden Beibehaltung des nicht mehr zeitgemäßen Katalogs aktiver Einkünfte und vor allem in der Kombination einer heutzutage viel zu hohen Mindeststeuerschwelle von 25 % und der fehlenden Möglichkeit, ausländische Steuer auf die hinzugerechneten Einkünfte auch auf die Gewerbesteuer anzurechnen.

V. Kurzer Ausblick auf die globale Mindestbesteuerung 1. Hintergrund Nach politischen Einigungen zunächst der G7-Staaten, dann des von der OECD und den G20-Staaten gegründeten und fast 140 Staaten umfassenden Gremiums „Inclusive Framework on BEPS“ und schließlich der G20-Staaten erscheint die Umsetzung der schon länger diskutierten Überlegungen zur „Besteuerung der Digitalwirtschaft“ wahrscheinli-

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cher.70 Die Digitalwirtschaft hatte Anlass zu diesen Überlegungen gegeben, da man von ihr annahm, sie sei in besonderem Maße in der Lage, in einem Staat ohne die bislang den Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung bietende dortige Präsenz Gewinne zu erzielen (deshalb Säule 1 „neue Zuordnung von Besteuerungsrechten“) und zudem durch die Verlagerung immaterieller Wirtschaftsgüter in Niedrigsteuerländer ihre Steuerlast zu senken (deshalb Säule 2 „globale Mindestbesteuerung“). Während erstere nur zu einer Umverteilung führen soll, rechnet die OECD bei letzterer mit einem globalen Steuermehraufkommen iHv. über 150 Milliarden US-$. Allerdings kann die Einführung der globalen, grundsätzlich auf der obersten Konzernebene zu erhebenden Mindeststeuer auch dazu führen, dass Staaten nationale Hinzurechnungsbesteuerungssysteme einführen oder verschärfen, die dann der nachfolgend kurz skizzierten Zuschlagsteuer nach Säule 2 vorgingen, so dass nicht der Ansässigkeitsstaat der obersten Konzerneinheit an dem zusätzlichen Besteuerungssubstrat partizipierte.71 Geplant war ursprünglich, die beiden Säulen noch in 2022 und zu implementieren, so dass sie 2023 hätten in Kraft treten können.72 Am 22.12.2021 hat dazu die EU Kommission den Entwurf einer Richtlinie veröffentlicht, über die die globale Mindestbesteuerung in der EU geregelt werden soll.73

2. Globale Mindestbesteuerung Nach der von der OECD veröffentlichten Blaupause74 und dem Entwurf der Richtlinie zur (globalen) Mindestbesteuerung sollen künftig niedrig besteuerte Gewinne nachgeordneter Konzerngesellschaften grundsätz70 S. dazu jeweils ausführlich Kreienbaum, IStR 2021, 525; Benecke/Rieck, IStR 2021, 692; Fehling/Koch, IStR 2021, 561 und Esakova/Rapp, DStR 2021, 2047. 71 Vgl. Benecke/Rieck, IStR 2021, 692 (696); Fehling/Koch, IStR 2021, 561 und Esakova/Rapp, DStR 2021, 2047. 72 Inzwischen wird wegen der noch ausstehenden Zustimmung Ungarns eine Verschiebung auf den 1.1.2024 erwogen. Die deutsche Bundesregierung plant, eine globale Mindestbesteuerung für Unternehmen mit einem Mindestumsatz von 750 Mio. EUR (Pillar 2) national zum 1.1.2024 zu beginnen, vgl. Bartelt/Geberth, DStR-Aktuell 2022, 183. 73 Abzurufen unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri= CELEX:52021PC0823&from=EN. 74 Abzurufen unter: https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-fromdigitalisation-report-on-pillar-one-blueprint-beba0634-en.htm.

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lich auf der Ebene der obersten Konzerneinheit durch eine Zuschlagsteuer (Top-up Tax) so nachversteuert werden, dass sie einer Mindestbesteuerung iHv. 15 % unterliegen (Income Inclusion Rule – IIR).75 Angewandt werden soll das Regime der Mindestbesteuerung auf Konzerne, deren konsolidierter Umsatz mindestens 750 Mio. Euro beträgt. Beabsichtigt ist, die Bemessungsgrundlage weltweit einheitlich festzulegen und dazu zu regeln, welche Rechnungslegungsstandards neben IFRS als dem der Konzernspitze Leitstandard dafür anerkannt werden. Ob Gewinne eines Konzernunternehmens auf der Ebene des obersten Konzernunternehmens nachversteuert werden müssen, soll nicht gesellschaftsbezogen (Entity Blending), sondern bezogen auf alle Konzernunternehmen in einer Jurisdiktion (Jurisdictional Blending) geprüft werden. Hinzugerechnet und nachversteuert wird grundsätzlich in Höhe der Beteiligungsquote der obersten Konzerngesellschaft. Eine Ausnahme gilt nach der geplanten sog. Split-Ownership-Regelung für den Fall, dass an einer Zwischengesellschaft zu mehr als 20 % ein nicht konzernzugehöriger Anteilseigner beteiligt ist; in diesem Fall soll die Nachversteuerung auf der Ebene Zwischengesellschaft angewandt werden. Flankiert werden soll die IIR niedrig besteuerter Gewinne durch die Undertaxed Payment Rule (UTPR),76 die die Abzugsfähigkeit bestimmter Zahlungen an niedrig besteuerte Konzerngesellschaften beschränkt. Die IIR und die UTPR bilden die „Global anti-Base Erosion (GloBE) rules“. Hinzu kommen kann in der Säule 2 schließlich noch eine „Subject to Tax Rule“ (STTR), die Quellenstaaten Abzugsteuern von bestimmten Zahlungen an verbundene Unternehmen erlaubt, die aber die vorgeschlagene EU-Richtlinie für die EU nicht vorsehen soll.

75 S. dazu insbes. Benecke/Rieck, IStR 2021, 692. 76 S. dazu im Detail Benecke/Rieck, IStR 2021, 692 (698) und Schwarz, IStR 2021, 198.

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§ 4k EStG und andere Neuregelungen zu hybriden Strukturen Prof. Dr. Stefan Köhler Steuerberater, Eschborn I. Einleitung 1. Ausgangspunkt 2. Deformation des (deutschen) Steuerrechts 3. Einbeziehung (Wegfall Dividendenbefreiung/DBA Betriebsstättenbefreiung) 4. Versagung Betriebsausgabenabzug II. Überblick und Kernfragen zu den Regelungen 1. Überblick 2. Regelungsgegenstand 3. Persönlicher Anwendungsbereich 4. Relevante Aufwandsgruppen 5. Erstmalige Anwendung 6. Beweislast 7. Konkurrenzprobleme III. Überblick über die neuen Regeln neben § 4k EStG 1. Aufhebung (anteilige) Freistellung von Bezügen aus Kapitalgesellschaften 2. Einbezug von Leistungen vermögensverwaltender Personengesellschaften an ihren Gesellschafter

3. Zuordnungskonflikte bei Betriebsstätten 4. Ausweitung beschränkte Steuerpflicht bei umgekehrt hybriden Strukturen IV. § 4k EStG 1. Überblick 2. § 4k EStG – große Reichweite a) Geschäfte mit Dritten b) § 4k EStG ist auch in der Hinzurechnungsbesteuerung anwendbar c) Infektionsketten durch importierte Hybride 3. Vertiefung der Fallgruppen in § 4k EStG a) Abzugsverbot hybrider Finanzinstrumente b) Abzugsverbot bei Zahlung durch hybride Rechtsträger c) Abzugsverbot bei umgekehrt Hybriden d) Abzugsverbot bei doppeltem Abzug e) Importierte Hybride (Art. 9 Abs. 3 ATAD) V. Zusammenfassung/Ausblick/ Beurteilung

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I. Einleitung 1. Ausgangspunkt Als Reaktion auf bekannt gewordene Steuerplanungsmodelle internationaler, insbes. US Konzerne1 begann eine politische Diskussion über die Eindämmung grenzüberschreitender Steuergestaltungen. Diese mündete in dem sog. BEPS Projekt (Base Erosion Profit Shifting) und deren umfangreichen Abschlussberichten vom 5.10.2015 (über 1800 Seiten). Ein Kernstück dieser BEPS-Reports ist der Aktionspunkt 2 zu den hybriden Gestaltungen. Allein der beschreibende Text zuzüglich einem umfangreichen Anhang mit vielerlei Beispielen für hybride Strukturen umfasst weit mehr als 400 Seiten. Dieser OECD/G20-Bericht 2015 Aktionspunkt 22 im Rahmen der sogenannten BEPS Initiative vom 5.10.2015 ist auch der Ausgangspunkt für die Hybridregelungen der ATAD. Ergänzt wurde dieser Ausgangsbericht um Aussagen zu Betriebsstättensachverhalten, deren Ergebnis im Sommer 2017 im Bericht zu Neutralisierung der Effekte sog. „hybrid branches“ (Hybrid branch-Bericht 2017) veröffentlicht wurde. Die Empfehlungen im OECD/G20-Bericht 2015 und im Hybrid branch-Bericht 2017 sind rechtlich nicht verbindlich, aber ein Bekenntnis der OECD/G20-Staaten zu einer steuerpolitischen Gesamtausrichtung („common approach“), die die Konvergenz im Rahmen der nationalen Umsetzung durch die jeweiligen Staaten erleichtern soll. Gemäß Erwägungsgrund 28 ATAD II soll bei der Umsetzung der Regelungen zu den Hybriden der OECD-Bericht zu Aktionspunkt 2 einschließlich der Beispiele (486 Seiten) als Referenz oder zur Auslegung herangezogen werden, soweit dieser mit den Bestimmungen der Richtlinie und dem Unionsrecht vereinbar ist.3 Auf Basis dieses BEPS-Reports verabschiedete die EU die Anti Tax Avoidance Directive (ATAD). Im Rahmen der Erstfassung der ATAD Richtlinie (12.7.2016)4 wurden in Art. 9 bezüglich Hybride nur rudimentäre Anti Hybridregelungen für bestimmte EU-Fälle geregelt. Erst durch

1 Vgl. Pinkernell, StuW 2012, 369 (369). 2 Neutralising the Effects of Hybrid Mismatch Arrangements, Action 2 2015 Final Report. 3 In diesem Zusammenhang mag man sich damit auch fragen, ob dieser Verweis auf den OECD-Bericht für die Regelungen zu den Hybriden zugleich auch Einfluss auf das sog. Mindestschutzniveau des Art. 3 der Richtlinie nimmt (dh. dieses im Zweifel verschärfend erhöht). 4 2016/1164/EU, ABl. 2016, L 193/13.

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die Änderung der Richtlinie per 29.5.2017 (sog. ATAD II)5 wurden umfassende Vorschriften (Definitionen in Art. 2 Abs. 9 und Abs. 11) sowie materielle (Abwehr)Regelungen in Art. 9, 9a und 9b ausformuliert und deren Anwendung auch auf Drittstaaten ausgeweitet. Dabei wurden auch Art. 1, 4 und 10 partiell angepasst. Die Umsetzung bzw. erstmalige Anwendung der Hybrid-Regelungen sollte bis zum 1.1.2020 in allen Mitgliedstaaten erfolgt sein (Art. 2 Abs. 1). Lediglich bzgl. Art. 9a (sog. umgekehrt hybride Gestaltungen) gilt der 1.1.2022 (Art. 2 Abs. 3). Die Umsetzung in Deutschland erfolgte allerdings erst Mitte 2021(!).6 Dennoch sollen diese Neuregelungen anteilig bereits rückwirkend für das Jahr 2020 gelten7.

2. Deformation des (deutschen) Steuerrechts Ein wichtiges Grundsatzproblem der Anti-Hybrid Regelungen betrifft die Vielzahl von hierdurch ausgelösten Eingriffe in das deutsche Steuersystem, die ausschließlich durch ausländische Besteuerungs- bzw. Qualifikationskonflikte induziert werden. Denn die Hybridregelungen reagieren auf bestimmte „Missmatches“, die aus im Vergleich zum Inland anderslautenden bzw. wirkenden Steuerregeln im Ausland resultieren. Liegt ein solcher Missmatch vor, so werden die „normalen“ und damit vom Gesetzgeber in seiner Grundwertung als richtig angesehenen Regelungen (zB der Betriebsausgabenabzug für dem Grunde und der Höhe nach vorliegende Betriebsausgaben ist zu gewähren) durch andere „eigentlich falsche“ (zB dennoch kein Abzug) ersetzt, um dadurch in einer Gesamtschau über mehrere Staaten und Stpfl. hinweg ein bestimmtes Gesamtergebnis zu erzielen. Hieraus resultiert eine Abkehr von den Grundsätzen der individuellen Besteuerung, des Trennungsprinzips in Bezug auf den einzelnen Stpfl./die einzelne Kapitalgesellschaft im Konzern, der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der Hinwendung zu einer Gesamtbetrachtung von verbundenen Unternehmen (Besteue5 2017/952/EU, ABl. 2017, L 144/1 ff. Zwar ist insofern häufig von der ATAD II Richtlinie die Rede. Tatsächlich gibt es aber nur eine ATAD-Richtlinie, die lediglich in zwei Schritten ihren vollen Regelungsgehalt erreicht hat. Entsprechend sind auch für die ATAD II-Richtlinie im Übrigen die Bestimmungen der „ursprünglichen“ ATAD Richtlinie zu beachten, da sie in diese eingebettet sind (zB sonstige Definitionen oder auch das sog. Mindestschutzniveau gem. Art. 3). 6 Vgl. hierzu nachstehend zur „Erstmaligen Anwendung“. 7 Vgl. zur Rückwirkungsproblematik nachstehend unter II.5.

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rung eines „Konzernergebnisses über die Grenze hinweg“). Im Sinne der Folgerichtigkeit wirft dies die Frage auf, warum einerseits das (deutsche) Steuerrecht auch im Konzern verbundene Kapitalgesellschaften grundsätzlich streng getrennt besteuert und die Gewinnabgrenzungsregelungen in voller Härte greifen lässt (Fremdvergleich auf Basis „Stand Alone“), andererseits aber in gewissen Bereichen immer weitergehende Tendenzen zeigt, Konzerne für eine Besteuerung als Ganzes zu begreifen (dies begann ua. mit den Konzernregelungen des § 4h EStG und wurde im Rahmen der Regelung des § 4j EStG fortgesetzt). Darüber hinaus stellt sich die steuerpolitische Grundsatzfrage: wie viel Deformation des deutschen Steuerrechts ist akzeptabel? Wie weit wollen wir uns vom Ausland abhängig machen? Oder noch zugespitzter: kann es wirklich richtig sein, dass die Besteuerungsregelungen in Deutschland zB von der Abgabe einer Check the box-Erklärung in den USA abhängen? Im Grundsatz sollte man für einen Erhalt eines in sich geschlossenen deutschen Steuersystems werben. Es ist allerdings auch anzuerkennen, dass iS einer internationalen Angleichung der steuerlichen Rahmenbedingungen (keine Wettbewerbsverzerrung durch unterschiedlich wirkende Besteuerungsregelungen) Abwehrelemente in die deutsche Besteuerung einfließen. Der zwischenzeitlich auch eingeschlagene Weg einer globalen Mindestbesteuerung erscheint dabei allerdings gleichfalls zielführend, aber weniger systemschädigend zu sein; entsprechend sollten (eigentlich) der globalen Mindestbesteuerung damit die Zukunft gehören und die Anti Hybridregelungen möglichst bald obsolet werden. Im Hinblick auf Art und Ausmaß der Deformation des deutschen Steuerrechts sind steuersystematisch dabei die Wirkungen der beiden Kernelemente der Gegenreaktion zu hybriden Strukturen zu unterscheiden:

3. Einbeziehung (Wegfall Dividendenbefreiung/DBA Betriebsstättenbefreiung) Die Freistellung von Einkünften im Inland basiert im Grundsatz auf der Überlegung, dass hierdurch einfach und wirksam eine Doppelbesteuerung vermieden werden kann. Fehlt es jedoch an einer Vorbelastung, so kann dies, insbes. aufgrund einer hybriden Kausalität, als ein begründendes Element für den Einbezug in die deutsche Bemessungsgrundlage (Wegfall Freistellung) verstanden werden. Denn in diesem Fall wird nicht allgemein gegen das Element der Kapitalimportneutralität versto482

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ßen (es werden nicht allgemein eine günstigere oder Nichtbesteuerung im Zielstaat der Investitionen durch Nachbelastung in Deutschland [Investorstaat] bekämpft, sondern nur „unerwünschte“ Inkongruenzen). Das Bedürfnis zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung besteht dem Grunde nach für diese Fallgruppe nicht und durch Limitierung auf hybride Gestaltungen erfolgt auch keine allgemeine Bekämpfung des internationalen Steuerwettbewerbs. Eine Höherbesteuerung des Steuerinländers resultiert hieraus grundsätzlich gleichfalls nicht. Vielmehr werden die Einkünfte „nur“ so hoch belastet, wie auch im vergleichbaren Inlandsfall.

4. Versagung Betriebsausgabenabzug Soweit Anti-Hybridregelungen dazu führen, dass in Deutschland ansässige Stpfl. Betriebsausgaben nicht mehr abziehen können, erscheint die Sachlage wesentlich problematischer. Nach den allgemeinen Grundsätzen einer gleichmäßigen Besteuerung, die dem Leistungsfähigkeitsgebot folgt, ist dieser Eingriff in das Nettoprinzip schwerer nachvollziehbar. Denn aus Sicht des deutschen Stpfl. erfolgt eine Höherbesteuerung im Vergleich zu anderen Steuersubjekten im Inland. Die Tatsache, dass andere Unternehmen im Ausland (idR konzernverbunden, aber selbst dies ist nach den Regelungen nicht zwingend gegeben) einer geringeren oder keiner Besteuerung unterliegen, kann grundsätzlich dennoch nicht dazu führen, dass Steuerinländer unberechtigterweise höher besteuert werden. Die Leistungsfähigkeit eines deutschen Stpfl. ist nicht dadurch erhöht, dass der Empfänger einer Zahlung in einem anderen Staat „Hybrid-Vorteile“ erzielt. Es bestehen entsprechend verfassungsmäßige Bedenken, da insoweit das deutsche Steuerrecht nicht mehr den einzelnen Stpfl. betrachtet und belastet, sondern in eine Konzernbesteuerung eintritt. Systematisch begrüßenswert wäre es vor diesem Hintergrund gewesen, den Empfänger der Zahlungen zu belasten, zB im Rahmen der Erhebung einer Quellensteuer oder aber im Rahmen eines Mindeststeuersystems, wie es nunmehr durch Pillar 2 vorgesehen ist. Mit Umsetzung von Pillar 2 sollte für alle Staaten und Unternehmen, die dieses System anwenden bzw. darunterfallen, dann auch ein Betriebsausgabenabzugsverbot wegen Hybridität wieder entfallen. Denn eine international im Konsens vereinbart Mindestbesteuerung sollte eine Fortführung eines Betriebsausgabenabzugsverbots im Inland insoweit nicht mehr begründen können.

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II. Überblick und Kernfragen zu den Regelungen 1. Überblick Deutschland kennt bereits eine Reihe von Anti-Hybridregelungen und ähnlichen, aber letztlich andersartigen Regelungen. Bereits bestehende Anti-Hybrid Regelungen sind: –

§ 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG (Dual Consolidated Losses),



§ 8b Abs. 1 Satz 2 ff. KStG, § 3 Nr. 40d Satz 2 EStG (materielles Korrespondenzprinzip) und



§ 4i EStG (Double Deduction im Sonderbetriebsvermögen).

Daneben und andersartig sind die „Schrankenregelungen“: –

Lizenzschranke: diese betrifft den „Nexus-Approach“ und Besteuerungshöhe der Empfänger (nicht aber hybride mismatches)



Zinsschranke: diese betrifft den Verschuldungsgrad/Cash Flow der einzelnen Gesellschaft bzw. des Konzerns (nicht aber die Besteuerungshöhe oder hybride mismatches).

Im Rahmen des ATAD-Umsetzungsgesetzes wurden eine größere Reihe weiterer Anti Hybrid Regelungen eingeführt (die erstmalige Anwendung ist jeweils im Klammerzusatz enthalten): –

§ 49 Abs. 1 Nr. 11 EStG: Erweiterung beschränkte Steuerpflicht (ab VZ 2022)



§ 50d Abs. 9 Nr. 3 EStG: switch over bei Zuordnungskonflikten Betriebsstätten (ab VZ 2021)



§ 8b Abs. 1 Satz 3 KStG/§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 3 EStG nF: Wegfall Befreiung bei hybrider Zurechnung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (ab VZ 2020)



§ 4k Abs. 2 Satz 2 EStG: Partielle Versagung Transparenz gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ausländischer vermögensverwaltender Personengesellschaften (ab 2020)



§ 4k EStG: Betriebsausgabenabzugsverbot (ab VZ 2020)



§ 9 Abs. 5 Satz 2 EStG: entsprechendes Abzugsverbot für Werbungskosten gem. § 4k EStG (ab VZ 2020)

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2. Regelungsgegenstand Gegenstand der neuen Hybridregelungen sind grundsätzlich Vorgänge bzw. Strukturen bezüglich entweder hybrider Transaktionen/Instrumente (zB Zinsabzug beim Zahlenden, aber Dividendenfreistellung beim Empfänger) oder hybrider Strukturen (zB Gesellschaft gilt nach dem Recht eines Staats als transparent und nach dem Recht eines anderen Staats als intransparent oder nach dem Recht eines Staats wird eine Betriebsstätte angenommen, nach dem Recht eines anderen Staats nicht bzw. die Einkünfte werden der betreffenden Betriebsstätte zugerechnet oder nicht) oder es erfolgt eine abweichende Zuordnung von wirtschaftlichem Eigentum bzw. Zurechnung von Wirtschaftsgütern. Die daraus entstehenden sog. „Besteuerungsinkongruenzen“ sind grundsätzlich das Ziel der Anti-Hybridregeln.8 Soweit hieraus entweder ein Steuervorteil bzw. insgesamt eine Nichtbesteuerung resultiert, werden insoweit bestimmte steuerliche Regelungen suspendiert und es treten ausnahmsweise abweichende steuerliche Konsequenzen ein (zB Betriebsausgabenabzugsverbot, obwohl Betriebsausgaben vorliegen, Einbezug in die Steuerpflicht, obwohl eigentlich Freistellung oder außerhalb der beschränkten Steuerpflicht etc.). Aufgrund des Wortlauts der (meisten) Normen, ist insofern („aufgrund“) von einer Kausalität auszugehen. Das heißt nur dann, wenn das hybride Element ursächlich für den Steuervorteil bzw. die Nichtbesteuerung ist, sollten die abweichenden Sonderregelungen als Rechtsfolge eintreten. Wäre dagegen der Steuervorteil/die Nichtbesteuerung auch ohne ein hybrides Element zu bejahen, so sollten – soweit die Norm einen entsprechenden Wortlaut aufweist – die Sonderregelungen auch nicht zur Anwendung gelangen. Die Regelungen des § 4k Abs. 2–4 EStG greifen darüber hinaus überhaupt nur, wenn gar keine tatsächliche Besteuerung eintritt. Nach der Gesetzesbegründung gilt dabei als tatsächliche Besteuerung auch eine gleichwertige Besteuerung im Rahmen einer Hinzurechnungsbesteuerung sowie die Verrechnung mit negativen Einkünften.9 „Insoweit“ verweist die Gesetzesbegründung dann wiederum auf die die Gesetzesbegründung zu § 4i EStG (BT-Drucks. 18/9956, 4). Es stellt sich damit die Frage, ob der Verweis durch die Formulierung „insoweit“ sich ausdrücklich allein auf dieses Element der tatsächlichen Besteuerung (zB auch in

8 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 26. 9 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 35.

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Form der Verlustnutzung) begrenzt oder ob generell auf die diesbzgl. relevanten Ausführungen zu § 4i EStG verwiesen werden sollte:10 „Die Anwendung des Satzes 2 fordert eine tatsächliche Besteuerung. Eine solche liegt vor, soweit die Erträge in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Keine tatsächliche Besteuerung liegt vor, soweit der andere Staat die Erträge nicht besteuern kann, insbesondere weil diese nicht steuerbar bzw. sachlich steuerbefreit sind oder der Steuerpflichtige persönlich steuerbefreit ist, oder aus anderen Gründen eine tatsächliche Besteuerung unterbleibt. Die tatsächliche Besteuerung von Erträgen im anderen Staat, ist vom Steuerpflichtigen, der einen Doppelabzug von Aufwendungen geltend macht, nachzuweisen. Dabei gelten die erhöhten Mitwirkungspflichten gemäß § 90 Absatz 2 AO. Die Besteuerung der Erträge im anderen Staat kann auch in einem vorhergehenden oder einem nachfolgenden Veranlagungszeitraum, Steuerjahr, Wirtschaftsjahr oder Kalenderjahr erfolgen. Solange die erforderlichen Nachweise nicht oder nicht vollständig erbracht werden, findet die Ausnahmeregelung des Satzes 2 keine Anwendung.“

Denn in der Literatur wird zum Teil davon ausgegangen, dass damit quasi umfassend und unabhängig vom Grund der Nichtbesteuerung es an einer tatsächlichen Besteuerung fehle.11 Die Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu § 4i EStG sollten aber auch im Kontext gelesen und verstanden werden. Bei § 4i EStG handelt es sich um eine Regelung, die sich gegen den doppelten Betriebsausgabenabzug im Sonderbetriebsvermögen richtet, wenn nicht auch die Erträge in beiden Staaten nachweislich einer tatsächlichen Besteuerung unterliegen. Es handelt sich damit um einen Spezialfall von Double Deduction. Für diese besondere Fallgruppe bedarf es auch im Rahmen des § 4k Abs. 4 EStG keines weiteren hybriden Elements (anders als § 4k Abs. 2 und 3 EStG). Entsprechend können die Grundsätze des 4i EStG nicht uneingeschränkt auf andere Anti Hybridregelungen übertragen werden. Eine Nichtbesteuerung aufgrund der Tatsache, dass der andere Staat zum Beispiel generell ausländische Einkünfte gar nicht in die Besteuerung einbezieht, ist nicht Ausdruck einer hybriden Struktur, sondern schlicht ein abweichendes Steuersystem. Dieses sollte und soll aber durch ATAD II und damit auch durch die Regelungen im deutschen Umsetzungsgesetz nicht bekämpft werden.

10 Vgl. BT-Drucks. 18/9956, 4. 11 Vgl. zB Ehlermann/Link, ISR 2021, 319 (320).

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Eine tatsächliche Besteuerung bedeutet weiterhin auch keine „volle“ Besteuerung in Bezug auf alle denkbaren bzw. relevanten Steuerarten, weder dem Grunde noch der Höhe nach. So bedeutet zB auch bereits eine vergleichsweise geringe Quellensteuer eine tatsächliche Besteuerung. Gleichfalls stellt zB nur der Einbezug bei der Körperschaftsteuer, aber Befreiung bei der Gewerbesteuer, bereits eine tatsächliche Besteuerung dar. Entsprechende Grundsätze gelten auch für ausländische Staaten (zB direkte Bundessteuer versus kantonale Steuern in der Schweiz sowie entsprechend in den USA [federal versus state tax] etc.) Da eine tatsächliche Besteuerung auch bereits bei Einbezug in die Bemessungsgrundlage bejaht wird12 (zB in Fällen der Verlustnutzung), spricht damit vieles dafür, dass zB auch die Berücksichtigung im Rahmen der sogenannten US GILTI-Besteuerung (eine Art Mindestbesteuerung/Top Up Tax, wie sie auch durch Pillar 2 nun weltweit eingeführt werden soll) bereits als Einbezug in die US-amerikanische Bemessungsgrundlage betrachtet werden kann und damit in diesen Fällen eine Sperre gegen ein Betriebsausgabenabzugsverbot gem. § 4k Abs. 2 und 3 EStG darstellen würde.13 Nachfolgende Abbildung soll diese Überlegungen verdeutlichen.

12 Vgl. Grotherr, Ubg. 2020, 377 (384). 13 Vgl. zB Ehlermann/Link, ISR 2021, 319 (321); Schnitger/Oskamp, IStR 2020, 960 (963).

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Zwar werden die Einkünfte jeweils bei dem Empfänger nicht besteuert. Die Nichtbesteuerung wird aber nicht kausal durch ein hybrides Element hervorgerufen, da auch ohne hybrides Element bei dem Empfänger keine Besteuerung eintritt. Eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs im Inland gem. § 4k EStG würde daher auch nicht eine ausländische Minder- oder Nichtbesteuerung aufgrund eines hybriden Elements bekämpfen.

3. Persönlicher Anwendungsbereich Die Sonderregelungen enthalten zum Teil spezielle Voraussetzungen zum persönlichen Anwendungsbereich, der zum Teil als sehr weitgehend beschrieben werden muss.14 Die Regelungen gelten für unbeschränkt Stpfl., sowohl für die Einkommensteuer als auch über § 8 KStG für die Körperschaftsteuer. Über § 7 GewStG können sich die Abzugsverbote auch im Rahmen der Gewerbesteuer auswirken. Durch § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG sind die Regelungen des § 4k EStG auch entsprechend bei den Überschusseinkunftsarten (Abzugsverbot Werbungskosten) zu berücksichtigen. Gleichfalls sind die Regelungen aufgrund § 10 Abs. 3 AStG im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung zu prüfen. Zum Teil gelten die Regelungen nur zwischen nahestehenden Personen, zum Teil auch zwischen fremden Dritten. Darüber hinaus kommt es auch zu überraschend weiten Zurechnungen von Beteiligungen anderer Personen. Zum Teil werden auch gesellschaftsrechtliche Beteiligung gar nicht mehr vorausgesetzt. § 4k gilt gem. § 4k Abs. 6 EStG –

zwischen einem Unternehmen und seiner (hybriden) Betriebsstätte (Dealing) und



zwischen nahestehenden Personen gem. § 1 Abs. 2 AStG (dh. idR ab 25 % Beteiligung),

sowie auch ohne Beteilung –

zB weil „nur“ eine . 25 %-Beteiligung am Gewinn oder Liquidationserlös vorliegt oder



Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen bestehen sowie

14 Vgl. hierzu zB Greinert/Siebing, Ubg. 2020, 589 (591–592).

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Zurechnung von Beteiligung, Stimmrechten und Gewinnbezugsrechten anderer Personen, wenn ein Zusammenwirken durch abgestimmtes Verhalten vorliegt

sowie bei strukturierten Gestaltungen auch zwischen Dritten („acting in concert“). Im Rahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 11 EStG gilt folgende Regelung: Anwendbar, wenn dem Beteiligten allein oder mit nahestehenden Personen iSd. § 1 Abs. 2 AStG, die keiner unbeschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen, . 50 % Stimmrechte oder Anteile am Kapital (un)mittelbar zuzurechnen sind oder . 50 % Anspruch auf Gewinn oder Liquidationserlös der Personengesellschaft/Gemeinschaft zusteht; wobei eine Beteiligung in diesem Sinne nicht die Stellung als Gesellschafter oder Gemeinschafter voraussetzt.

4. Relevante Aufwandsgruppen Die Beschränkungen zum Betriebsausgabenverbot sind ganz überwiegend nicht auf bestimmte Arten von Einkünften bzw. Aufwendungen eingeschränkt. Eine klare Beschränkung auf bestimmte Arten von Einkünften kennt grundsätzlich nur § 4k Abs. 1 EStG (Aufwendungen im Zusammenhang mit Kapitalvermögen) bzw. § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG (Bezüge iSd. § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG und damit in Zusammenhang stehende im Ausland abzugsfähige Aufwendungen). Im Übrigen können grundsätzlich alle Formen von relevanten Einkünften (§ 49 Abs. 1 Nr. 11 EStG) oder Aufwendungen (§ 4k Abs. 2 ff. EStG) von den Hybridregelungen erfasst sein. Vgl. hierzu die Gesetzesbegründung zu § 4k Abs. 2 EStG: „Satz 1 erfasst Aufwendungen aller Art, wie zB Zinsen, Lizenz-, Miet- und Dienstleistungsentgelte, die im Inland zu abzugsfähigen Betriebsausgaben (auch im Wege der Absetzung für Abnutzung) führen, einschließlich fiktiver Aufwendungen (zB. iSd. § 16 Absatz 2 Satz 2 der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung).“

Demzufolge sollten zB auch die „Cost of Goods sold“ (COGS/Wareneinsatz) relevant sein können.

5. Erstmalige Anwendung Die erstmalige Anwendung der Regelungen erfolgt zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten. Besonders beachtlich sind hierbei diejenigen Re489

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gelungen, die bereits rückwirkend ab dem 1.1.2020 zur Anwendung gelangen sollen (§ 4k EStG, § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG/§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 3 EStG). Hierbei handelt es sich um eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung, da die Regelungen erst Mitte 2021 in Kraft gesetzt wurden und damit eine Rückwirkung auf einen bereits abgeschlossenen, in der Vergangenheit liegenden Veranlagungszeitraum geregelt wird. Die Gesetzesbegründung15 argumentiert zwar, dass noch rechtzeitig in 2020 ein 1. Referentenentwurf vorgelegen hätte und darüber hinaus auch aufgrund der Anwendungsregelung der sog. ATAD II Richtlinie klar gewesen sei, dass die Regelungen ab 1.1.2020 in Kraft gesetzt werden müssten, so dass der Vertrauensschutz erloschen sei. Es bleibt aber dabei, dass eine echte Rückwirkung im deutschen Recht grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht akzeptabel ist und darüber hinaus die ATAD Richtlinie selbst auch nur Körperschaften und diese auch nur unter weiteren Voraussetzungen zum Gegenstand hat. Dh. andere Personen, unter anderen Beteiligungsvoraussetzungen bzw. Fälle, die unter der Einkommensteuer bzw. Gewerbesteuer aufgegriffen würden, sind grundsätzlich von der möglichen Rückwirkung unter Legitimierung durch die ATAD Richtlinie keinesfalls abgedeckt.16 Vor diesem Hintergrund wird es einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedürfen, um die (Un)Zulässigkeit der Rückwirkung zu klären. Steuerpolitisch ist dies zu bedauern. Wenn der Steuergesetzgeber gegen illegitime (aber nicht illegale) Steuerplanungsmodelle vorgehen möchte, sollte er seinerseits nicht den Grenzbereich des Legalen weiter ausreizen als die Steuermodelle, gegen die sich die neuen gesetzlichen Regelungen richten. Anderenfalls verwirkt der Gesetzgeber den (behaupteten) moralischen Anspruch, im Recht zu sein. Für § 4k EStG gilt gem. § 52 Abs. 8c EStG eine besondere Übergangsregelung (Grandfathering) für Aufwendungen aus Dauerschuldverhältnissen, die bereits vor dem 1.1.2020 bestanden und deren Kündigung auch unter Berücksichtigung der anderenfalls entstehenden Steuerlasten wirtschaftlich nicht rentabel gewesen wäre.17

15 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 42: „Die rückwirkende Anwendung des § 4k EStG ab dem 1.1.2020 ist durch Artikel 11 Absatz 5a ATAD sowie Artikel 2 ATAD II vorgegeben. Mit der Veröffentlichung des Referentenentwurfs vom 10.12.2019 war zudem der Inhalt der beabsichtigten Regelung bereits vor dem 1.1.2020 allgemein bekannt.“ 16 Vgl. Ehlermann/Link, ISR 2021, 319 (329). 17 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 42.

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6. Beweislast Das Veranlassungsprinzip sowie das Vorliegen einer Betriebsausgabe sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach sind im Rahmen der Anti Hybridregelungen keine hinreichenden Voraussetzungen mehr für deren Abzug. Je nach Ausformung/Umsetzung besitzen damit die Hybridregelungen „durch die Hintertür“ womöglich auch dann erhebliche praktische Bedeutung, wenn Unternehmen im Grundsatz eigentlich nicht davon (direkt) betroffen sind. Insbesondere soweit die Beweislast (faktisch) bei den Unternehmen verortet wird, ergeben sich solche überschießenden Risiken und bedeuten darüber hinaus erhebliche zusätzliche Dokumentationsanforderungen zum Erhalt des Betriebsausgabenabzugs und zusätzliche Aufgaben für „Tax Compliance Managementsysteme“. Damit drohen eigentlich nur gegen exotische Sonderfälle gerichtete Spezialregelungen sowohl im Rahmen der laufenden Deklaration als auch der Abwehrberatung ein ständiger, lästiger „Begleiter“ zu werden, der die Stpfl., deren Berater, die Betriebsprüfungen und Gerichte vielfach und wohl nicht selten auch über Gebühr beschäftigen wird. Damit stellt sich in besonderer Weise die Frage, wer und wie zu beweisen hat, dass eine Sonderkonstellation vorliegt, aufgrund derer abweichende, nachteilige Besteuerungskonsequenzen eintreten könnten.18 § 4k EStG enthält keine generellen Beweislastregelungen (anders als § 4i EStG). Beweislastregelungen zu Lasten der Stpfl. „bestehen nur“ für Rückausnahmen in Form von Entlastungsbeweisen für Fälle der –

„Dual Inclusion“ § 4k Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 Satz 3 EStG sowie bzgl.



„Unkenntnis/kein Vorteil“ aus strukturierter Gestaltung § 4k Abs. 6 Satz 4 EStG.

Die Beweislast für den Nichtabzug liegt damit im Übrigen grundsätzlich bei der FinVerw. Bei internationalen Steuerfällen gerät der Amtsermittlungsgrundsatz des § 88 AO allerdings buchstäblich an seine Grenzen. Denn aufgrund des formellen Territorialitätsprinzips können die deutschen Finanzbehörden nicht hoheitlich außerhalb der deutschen Grenzen tätig werden. Dementsprechend wurden in § 90 Abs. 2 AO über das Übliche hinausgehende erweiterte Mitwirkungspflichten in Auslandssachverhalten normiert. Hierdurch dürfte in Outbound-Fällen der FinVerw. 18 Vgl. zu diesen Fragen zB Greinert/Siebing, Ubg. 2020, 589 (599); Arne Schnitger/Jan Haselmann, ISR 2022, 13.

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grundsätzlich ein Instrumentarium zur Verfügung stehen, um sich die notwendigen Informationen zu beschaffen (im Hinblick auf die womöglich sehr schwierige Sachverhaltsermittlung, sowie Fragen, wie genau konkret ein Nachweis im Einzelfall erfolgen soll, mag allerdings hier der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch noch eine größere Rolle spielen). Bei ausländischen Gesellschaftern (Inbound) oder unverbundenen Unternehmen (abgestimmtes Verhalten/strukturierte Gestaltungen), sollte der Informationsanspruch aber ggf. rechtlich kaum durchsetzbar sein. Es stellt sich damit die Frage nach einem möglicherweise vorliegenden faktischen Vollzugsdefizit in Inbound-Fällen. Hiergegen könnten die deutschen Finanzbehörden wohl nur noch im Rahmen von Auskunftsersuchen in das Ausland vorgehen. Dadurch könnten sich Betriebsprüfung womöglich noch mehr als bisher – womöglich sogar um ein bislang unbekanntes Ausmaß – in die Länge ziehen. In diesem Zusammenhang soll kurz etwas näher auf die vergleichsweise scharfen Beweisvorsorgeregelungen zu Lasten des Stpfl. eingegangen werden. Gemäß § 90 Abs. 2 AO haben die Beteiligten zwecks Aufklärung des Sachverhalts und Beschaffung erforderlicher Beweismittel alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dabei kann sich ein Beteiligter nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu gehabt hätte, diese zu beschaffen oder sich einräumen zu lassen. Grenzwertig könnte man daraus womöglich schließen, dass zB auch in einem Inbound Fall der inländische Steuerpflichtige quasi vorab den Sachverhalt bereits erschöpfend aufklären und Beweismittel von den Geschäftspartnern anfordern muss bzw. anderenfalls eine bestimmte Transaktion nicht mehr eingehen sollte, da anderenfalls ein Betriebsausgabenabzug deshalb auszuschließen wäre, da er eine mögliche und notwendige Beweisvorsorge nicht im Vorhinein hinreichend betrieben habe. Soweit den Stpfl. Nachweispflichten treffen, werden sich ganz konkret auch Fragen dahingehend stellen, ob Nachweise des Stpfl. selbst ausreichen oder weitergehende Nachweise durch unabhängige Dritte als erforderlich angesehen werden. Dies könnten zB Nachweise von Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern, aber auch der betreffenden ausländischen lokalen Finanzbehörden sein. Weiterhin könnten sich innerhalb der EU wohl auch der Informationsaustausch zwischen den Finanzbehörden bzw. Auskunftsersuchen zwischen den Staaten als hilfreich zur Verifizierung von Angaben erweisen. 492

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Es bleibt damit gegenwärtig im gewissen Maße offen, wie mit Fällen umzugehen ist, bei denen eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts nicht möglich war oder bei denen unklar bleibt, anhand welcher Beweismittel hinreichende bzw. finale Beweislage erzeugt werden kann (reichen zB ausländische Steuerbescheide oder Zahlungsbelege über eine tatsächliche Entrichtung von Steuern aus, wenn es doch weitergehend darauf ankommt, welche Einkommensbestandteile wie in die Bemessungsgrundlage einbezogen oder aber ggf. abgezogen wurden?).19 In diesem Zusammenhang kommt weiterhin der Frage erhebliche Bedeutung zu, welches Ausmaß an belegbarem Anfangsverdacht für die Existenz einer hybriden Struktur gegeben sein muss, um den Stpfl. nicht in unverhältnismäßige Mitwirkungshandlungen zu zwingen. Höchst vorsorglich sollten daher entsprechende Sachverhalte bzw. Fallgruppen identifiziert und zu diesem Zweck entsprechende Tax CMSProzesse etabliert, sowie sicherheitshalber eine entsprechende Beweisvorsorge betrieben werden. Hierbei wird man pragmatisch versuchen müssen, mögliche Betriebsprüfungsrisiken einerseits und den womöglich drohenden überbordenden-administrativen Aufwand andererseits in der Balance zu halten. Weiterhin ist es in diesem Zusammenhang notwendig, die Würdigung stets auf Basis des jeweils aktuellen (!) ausländischen Rechts vorzunehmen. Mit anderen Worten: selbst bei einem im Inland völlig unveränderten Sachverhalt kann sich die steuerliche Würdigung dennoch und nur deshalb ändern, weil es im Ausland zu Änderungen in der Rechtslage in Bezug auf bestimmte Vorgänge kommt. In diesem Zusammenhang tritt dann auch noch die Frage auf, ob es „nur“ auf die abstrakte ausländische gesetzliche Rechtslage ankommt (mit anderen Worten: wie ist der Fall nach ausländischem Recht grundsätzlich „richtig“ zu lösen) oder auch bzw. vorrangig auf die konkrete Behandlung des Falls im Einzelfall (insbes. dann, falls ein sogenanntes Ruling eine womöglich nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut erkennbare Besteuerungskonsequenz rechtssicher im Einzelfall garantiert). Ob ggf. auch „schlichte Fehler“ in der steuerlichen Behandlung durch ausländische Stpfl. im Rahmen der Deklaration bzw. durch die lokalen Steuerverwaltungen im Rahmen der Veranlagung/Betriebsprüfung, die zu unerwarteten Steuerergebnissen führen, gleichfalls relevant wären, erscheint dagegen weit zweifelhafter. Denn die Anti-Hybrid Regelungen wenden sich nicht allgemein gegen Minderbesteuerungen im Ausland,

19 Vgl. Ehlermann/Link, ISR 2021, 319 (330).

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sondern gegen Besteuerungslücken aufgrund abweichender Qualifikations- bzw. Zurechnungsregelungen im Ausland (die Regelungen sollten wohl aber nicht lediglich fehlerhaften Deklarationen bzw. Veranlagungen erfassen).

7. Konkurrenzprobleme Die Anti Hybridregelungen bewirken erhebliche Eingriffe in das Steuersystem, da diese an der einen oder anderen Stelle die Dinge geradezu „auf den Kopf stellen“. Je schärfer und umfassender dabei die Eingriffe in das bestehende System ausfallen werden, desto schwerer werden auch die sich daraus ergebenden Probleme aufgrund von Überschneidungen und Konkurrenzen zu anderen Normen und deren Wirkungen wiegen. Wesentliche Bereiche, in denen Konkurrenzprobleme zu erwarten sein dürften, sind: –

Unionsrecht



Verfassungsrecht



DBA/MLI



Globale Mindestbesteuerung – Pillar 2



Quellensteuern



Andere Abzugsbeschränkungen, zB





Zinsschranke im In- und Ausland (ggf. nur temporäre Wirkung)



§ 4i EStG, Verbot doppelter Sonderausgabenabzug



§ 4j, Lizenzschranke



Hinzurechnungsbesteuerung (In- und Ausland)

Verhältnis/Vorfahrtsregeln innerhalb der deutschen Anti-Hybrid-Regelungen,

Hybrid-Regelungen der anderen Staaten bzw. Vorfahrtsregeln zwischen den Staaten Beispielhaft seien folgende Aspekte näher skizziert: (1) Verhältnis zu Quellensteuerregelungen Quellensteuern: werden durch Abzugsbeschränkungen nicht zurückgedrängt.20 Soweit unter ATAD II-Regelungen der Betriebsausgabenabzug an der Quelle (gegen die allgemeinen Grundsätze) versagt wird, 20 Vgl. Grotherr, Ubg. 2020, 377 (381).

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bedeutet dies im Übrigen keine Umqualifikation der Einkünfte für das sonstige (nationale) Steuerrecht. In Konsequenz dessen wären ohne zusätzliche Regelungen insoweit zwar quellensteuerpflichtige Zahlungen vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, gleichwohl wäre grundsätzlich dennoch und zusätzlich der Quellensteuereinbehalt vorzunehmen. Jedoch ist in diesem Zusammenhang beachtlich, dass jedenfalls in all den Fallgruppen, in denen jede „tatsächliche Besteuerung“ die Anwendung der Hybridregelungen bereits versagt, die Konkurrenz dadurch aufgehoben wird. Die praktische Reichweite der Überschneidung dürfte damit insoweit nicht zu hoch sein. (2) Verhältnis zur Zinsschranke (zwischen den Regeln und zu anderen Regelungen (zB Zinsschranke, Lizenzschranke)21 Soweit ein Abzugsverbot unter einer Hybridregelung und zugleich auch die Zinsschranke eingreifen würde, stellt sich die Frage, welche der Normen vorgeht. Da die Zinsschrankenregelung grundsätzlich den Zinsabzug nicht generell ausschließt, könnte dies dafür sprechen, dass die Hybridregelungen vorrangig zur Anwendung gelangen, da diese zu einem finalen Abzugsverbot und nicht nur zu einem Aufschub des möglichen Betriebsausgabenabzugs in zukünftige Perioden führen. Wenn man aber zB zunächst davon ausgeht, dass ein Zinsabzug zu gewähren sei (der dann Gegenstand einer Zinsschrankenregelung werden kann) und sich erst in späteren Perioden herausstellt, dass unter einer Hybridregelung final kein Zinsabzug zulässig war, so wäre dann nachträglich ein Zinsvortrag zu kürzen und insoweit eine Hybridregelung (Betriebsausgabenabzugsverbot) doch noch vorrangig zur Anwendung zu bringen. (3) Vorfahrtsregelungen zwischen den ATAD-Regeln und den Staaten22 Hierbei sind sog. primäre und sekundäre Abwehrmaßnahmen zu unterscheiden, dh. die Regelungen sind so auszugestalten, dass diese jeweils abgestuft in ihrer Anwendungsreihenfolge zwischen einer Primärregel (vorrangig anwendbar) und der sekundären Regel (nachrangig anwendbar falls primäre Regel nicht zur Anwendung gelangt) wirken. Die ATAD Regelungen sehen zB im Rahmen von importierten Hybriden-Strukturen (Art. 9 Abs. 3) vor, dass ein bestimmter Staat nur dann eine Abwehrmaßnahme ergreifen soll, wenn nicht bereits ein anderer in einer (mehrstöckigen) Strukturierung involvierter Staat bereits eine ent21 Vgl. zB Rüsch, IStR 2021, 380 – Die Konkurrenz von § 4k EStG zu § 4h und § 4i EStG. 22 Vgl. zB Schnitger/Oskamp, IStR 2020, 960 (963).

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sprechende Maßnahme umgesetzt hat: reicht hierfür der Erlass eines entsprechenden Gesetzes oder muss konkret der Betriebsausgabenabzug in einem rechtskräftigen und nicht mehr änderbarem Steuerbescheid final versagt worden sein? Dieses Beispiel zeigt, dass die steuerliche Reaktion (zB Betriebsausgabenabzugsverbot Ja/Nein) von dem Verhalten eines anderen Staats abhängt und davon, dass diese Information (rechtzeitig) bekannt ist. Wird erst nachträglich bekannt, dass auch ein zweiter Staat Maßnahmen ergriffen hat, stellt sich die Folgefrage, welcher Staat dann zurücktreten muss. Soweit grundsätzlich eine Reihenfolge festgelegt wurde (Primär- und Sekundärregelungen), sollte naturgemäß in dem Fall, dass beide Staaten tätig wurden, der Staat, der die Sekundärregelung umzusetzen hat, die zusätzlichen, nachteiligen Steuerfolgen seinerseits zurücknehmen müssen, da die Tatbestandsvoraussetzungen einer Sekundärmaßnahme dann nicht gegeben sind. Ob dies allerdings im Einzelfall dann tatsächlich stets geschieht, oder verfahrensrechtliche Probleme (rückwirkendes Ereignis bei verzögertem Aufgriff iSd. § 175 AO) vorliegen, erscheint nicht als stets praktisch gesichert. Weiterhin ergeben sich auch zwischen den unterschiedlichen Regelungen der ATAD II bzw. der deutschen Umsetzung durchaus Überschneidungen, aufgrund derer man sich im Einzelfall die Frage stellen kann, welche der Normen nun (vorrangig) zur Anwendung gelangen soll. Die zwingend (und in ihrer Wirkung womöglich überschießend) ausgestaltete Kollisionsregelung des § 4k Abs. 4 Satz 2 EStG macht die Problematik deutlich: selbst dann, wenn der andere Staat bereits ein Betriebsausgabenabzugsverbot aufgrund einer entsprechenden Hybridregelung durchgesetzt hat, verweigert Deutschland auch den Abzug. Unter dem „Deckmantel“ der Bekämpfung von Anti-Hybridstrukturen kommt es dann in keinem der Staaten mehr zu einem Betriebsausgabenabzug. Ein steuersystematisch nicht akzeptables Ergebnis. (4) Verfassungsrecht Es erscheint diskussionswürdig, ob ein Abzugsverbot, welches sich ausschließlich mit der Beseitigung von im Verhältnis zum Ausland gegebenen steuerlichen Inkongruenzen begründet, jedoch sich im Übrigen nicht mit einer Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeits- bzw. Nettoprinzip in Übereinstimmung bringen lässt, uneingeschränkt als verfassungsmäßig gelten kann. Dies insbes. dann, wenn die Verhältnismäßigkeit als nicht mehr gewahrt anzusehen sein sollte (zB Abzugsverbot bereits/nur deshalb, da bestimmte Nachweise nicht oder nicht in der notwendigen Qualität (rechtzeitig) bereitgestellt werden konnten). 496

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Weiterhin könnte ein strukturelles Vollzugsdefizit bestehen, insbes. bei Inbound sowie importierten Inkongruenzen. –

Verhältnis zu den DBA: Die Anwendung von § 4k, § 49 Abs. 1 Nr. 11 sowie § 50d Abs. 9 EStG erfolgen „ungeachtet der Vorschriften eines DBA“. Es ist jedoch kein treaty override für § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG erkennbar.



Verhältnis zum Unionsrecht: Verhältnis von Primärrecht zum Sekundärrecht: Verstoßen uU Regelungen gegen die Niederlassungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit? Soweit ein Verstoß vorliegen würde, gibt es hierfür hinreichende Rechtfertigungsgründe und sind die Maßnahmen notwendig/verhältnismäßig (Wahl des mildesten Mittels)? ZB Verhältnis zu finalen Verlusten: Wäre dies (auch) ein Fall von schädlicher „Double Deduction“?



Verhältnis zu Pillar 1 und 2: Relevanz mit Pillar 1 und 2 rückläufig? Wenn und soweit eine Umsetzung von Pillar 1 und Pillar 2, wie gegenwärtig diskutiert, erfolgen würde, sollte in deren Anwendungsbereich eine gewisse Mindestbesteuerung allgemein abgesichert sein. Insoweit könnten viele Fallgruppen der Anti-Hybrid Regelungen leerlaufen, da völlig unbesteuerte Einkünfte (eigentlich) insoweit kaum noch bzw. nicht mehr zu erwarten wären. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass sowohl die Regelungen für Pillar 1 als auch Pillar 2 an (nicht unerheblichen) weltweiten Umsatzschwellen bezüglich der betroffenen Unternehmen geknüpft sind und zu einer entsprechenden Einschränkung der Anwendbarkeit der Regelungen auf vergleichsweise große Konzerne führt. Folglich ist leider nicht damit zu rechnen, dass die Anti-Hybrid Regelungen aufgehoben werden, da anderenfalls alle Unternehmen unterhalb der Pillar 1 und 2-Schwellen aus der Anwendung herausfallen würden. Im Ergebnis drohen damit eine weitere Verkomplizierung und weitere Konkurrenzfragen zwischen konkreten Regelungen für Pillar 1 und Pillar 2 einerseits sowie Anti-Hybrid Regelungen und auch weiteren Abwehrgesetzgebungen (zB Hinzurechnungsbesteuerung) andererseits.

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III. Überblick über die neuen Regeln neben § 4k EStG 1. Aufhebung (anteilige) Freistellung von Bezügen aus Kapitalgesellschaften Gem. § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG/§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 3 EStG wird die (Teil)Freistellung insoweit nicht gewährt (also eingeschränkt), als die Anteile und daraus resultierenden Bezüge in einem anderen Staat aufgrund einer vom deutschem Recht abweichenden steuerlichen Zurechnung einer anderen Person zugerechnet werden und soweit das Einkommen der anderen Person oder einer ihr nahestehenden Person niedriger ist als im Fall einer dem deutschen Recht entsprechenden Zurechnung. Inhaltlich geht es dabei darum, dass durch eine abweichende (doppelte) Zurechnung des (wirtschaftlichen) Eigentums und damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen insgesamt eine Bemessungsgrundlagenminderung eintritt, die dazu führt, dass (teil)befreiten Einkünften im Ausland ein weitergehender Betriebsausgabenabzug gegenübersteht, als diese Betriebsausgaben im Inland abzugsfähig gewesen wären. Nachfolgendes Beispiel (aus der Gesetzesbegründung entnommen23) soll diesen Effekt verdeutlichen.

23 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 43.

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2. Einbezug von Leistungen vermögensverwaltender Personengesellschaften an ihren Gesellschafter Gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO werden Leistungsbeziehungen zwischen dem Gesellschafter und „seiner“ vermögensverwaltenden Personengesellschaft grundsätzlich ertragsteuerlich negiert. In grenzüberschreitenden Konstellationen kann dies allerdings dazu führen, dass eine solche im Ausland belegene vermögensverwaltende Personengesellschaft aus einer Leistungsbeziehungen (zB Darlehen des deutschen Gesellschafters) gegen die lokale Bemessungsgrundlage einen Zinsabzug vornimmt, während bei dem deutschen Gesellschafter grundsätzlich keine steuerpflichtigen Einkünfte anzunehmen sind (Zahlung durch ein hybrides Unternehmen an den inländischen Gesellschafter). Tritt eine solche Konstellation auf, regelt § 4k Abs. 2 Satz 2 EStG, dass insofern § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO suspendiert wird, dh. aus dem „in sich-Geschäft“ wird eine anzuerkennende Transaktion, infolgedessen dann der inländische Gesellschafter entsprechend auch Einkünfte realisiert (im vorliegenden Beispiel also steuerpflichtige Zinsen erzielt), soweit die Erträge gar keiner tatsächlichen Besteuerung unterliegen. Erhebt jedoch zB der Quellenstaat zumindest eine gewisse Quellensteuer, wäre die Norm bereits nicht mehr anwendbar. Beachtlich ist, dass es sich um eine Regelung handelt, die der Gesetzgeber in § 4k EStG verortet hat. Grundsätzlich regelt § 4k EStG aber (eigentlich nur) Verbote vom Betriebsausgabenabzug. Die vorstehende Sonderregel betrifft dagegen ein Einbezugsgebot in die deutsche Besteuerung. Systematisch hätte diese Regelung daher an anderer Stelle verortet werden müssen (§ 39 AO?). Die Regelung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO betrifft (nur) Gesellschaften, bei denen mehrere zur gesamten Hand beteiligt sind. Womöglich enthält damit die Anti Hybridregelung insoweit eine Lücke, als Fälle von „1-Personen-Personengesellschaften“ (zB LLC) nicht von dieser Sonderregelung erfasst werden. Weiterhin sollte die Regelung wohl grundsätzlich auch nur für Beteiligte ab 25 % von Bedeutung sein. Denn dadurch, dass der Gesetzgeber diese Regelung in § 4k EStG eingebettet hat, sollten die Beteiligungsvoraussetzungen des § 4k Abs. 6 EStG greifen. Soweit also keine der erweiternden Ersatztatbestände des § 1 Abs. 2 AStG bzw. des § 4k Abs. 6 EStG greifen, sollte für unverbundene Gesellschafter, die auch nicht zusammenwirken, bei Beteiligungen unter 25 % diese Suspendierung des § 39 499

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Abs. 2 Nr. 2 AO nicht gelten. Auch an diesem Detail erkennt man, dass die unsystematische Verortung in § 4k EStG zu Problemen führt. Nachfolgende Abbildung verdeutlicht die Fallgruppe:

3. Zuordnungskonflikte bei Betriebsstätten Gem. § 50d Abs. 9 Nr. 3 EStG wird eine grundsätzlich nach DBA zu gewährende Freistellung ausländischer Betriebsstätteneinkünfte dann nicht gewährt werden, wenn 1. die Einkünfte einer Betriebsstätte in einem anderen Staat zugeordnet werden oder 2. die steuerliche Bemessungsgrundlage der Betriebsstätte aufgrund einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung gemindert wird. Mutmaßlich zielt die Regelung damit auf Einkünfte ab, die in einem betreffenden anderen Staat nicht besteuert werden. Der Normtext enthält allerdings keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass auch in keinem anderen Staat keine Besteuerung eintritt. Man wird allerdings vernünftigerweise davon ausgehen dürfen, dass die Aufhebung der Freistellung nur dann erfolgen sollte, wenn in gar keinem anderen Staat diese Ein500

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künfte einer tatsächlichen Besteuerung unterliegen. Dem Wortlaut nach ist dieses ergänzende Tatbestandsmerkmal allerdings nicht eindeutig enthalten. Da die Gewerbesteuer eine eigenständige Regelung zur Freistellung ausländischer Betriebsstätten enthält (§ 9 Nr. 3 GewStG), sollte der „Switch over“ des § 50d Abs. 9 Nr. 3 EStG nur auf die Einkommensteuer, nicht aber auf die Gewerbesteuer wirken. Dies sollte man allerdings nicht als Fehler des Gesetzgebers werten. Vielmehr handelt es sich diesbzgl. um eine systematisch richtige Vorgehensweise. Denn die Gewerbesteuer erfasst nur den im Inland stehenden Gewerbebetrieb (also inländische Betriebsstätten). Dieser Grundsatz des Territorialitätsprinzips wird durch das Herausnehmen ausländischer Einkommensbestandteile in § 8 GewStG (Verluste) bzw. § 9 GewStG (Gewinne) näher konturiert und ist damit systematisch und sachgerecht.

4. Ausweitung beschränkte Steuerpflicht bei umgekehrt hybriden Strukturen § 49 Abs. 1 Nr. 11 EStG weitet die beschränkte Steuerpflicht in bestimmten Sonderfällen über die grundsätzlich geltende Reichweite des § 49 EStG weiter aus. Dies betrifft Einkünfte aus Personengesellschaften oder Gemeinschaften mit Sitz, Geschäftsleitung bzw. Register im Inland. Soweit diese im Wohnsitzstaat des Gesellschafters eine abweichende steuerliche Behandlung gegenüber dem Inland erfahren (also als intransparent behandelt werden) und die Einkünfte auch in keinem anderen Staat der Besteuerung unterliegen, wird die beschränkte Steuerpflicht – ohne Rücksicht auf einen nicht vorhandenen steuerlichen Anknüpfungspunkt im Inland („Nexus“) – insoweit auf diese Einkünfte ausgeweitet. Der praktische Anwendungsbereich betrifft insbes. solche Einkünfte, die ohne Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte zB bei einer deutschen vermögensverwaltenden Personengesellschaft anderenfalls nicht in die beschränkte Steuerpflicht hineinfallen könnten (zB bestimmte Zinsen oder Lizenzen). Die Rechtsfolge des Einbezugs in die beschränkte Steuerpflicht entspricht nicht den Vorgaben der ATAD II. Gem. Art. 9a wäre die Gesellschaft selbst in die Besteuerung einzubeziehen (dies wäre technisch zB denkbar durch eine „Zwangsoption“ gem. § 1a KStG).24 Unterschiede aus der Vorgehensweise betreffen zB die Ge-

24 Vgl. zB Kahlenberg/Radmanesh, IWB 2021, 891 (895).

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werbesteuer, auf die sich der Einbezug wohl nicht auswirken dürfte, da es an einer Betriebsstättenfiktion mangelt, aufgrund derer ein stehender Gewerbebetrieb im Inland anzunehmen wäre. Weiterhin begrenzt dies wohl die Folgewirkungen auf die beschränkt Stpfl. Sollten zB auch unbeschränkt Stpfl. bzw. beschränkt Stpfl., die im Heimatstaat besteuert werden, gleichfalls Gesellschafter sein, führte der Einbezug nur der im Ausland nicht besteuerten Gesellschafter statt der Gesellschaft selbst dazu, dass bei den anderen Personen keine wirtschaftliche Belastung durch Einbezug der Gesellschaft selbst in die deutsche (Körperschaft)Steuerpflicht erfolgt. Auf die Besonderheiten bezüglich der Beteiligungsvoraussetzung, bis hin zu der expliziten Regelung, dass eine Stellung als Gesellschafter keine Voraussetzung darstellt, sei ebenso ergänzend hingewiesen wie auf die Gegenausnahme für Investmentfälle. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht den Regelungsbereich:

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IV. § 4k EStG 1. Überblick Neben der vorstehend bereits beschriebenen Sonderregelung bzgl. der Aufhebung von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO in § 4k Abs. 2 Satz 2 EStG regelt § 4k EStG im Übrigen ausschließlich Betriebsausgabenabzugsverbote. Hierbei stehen die Regelungen zueinander in einem hierarchischen Verhältnis:25 soweit nicht bereits nach einem vorhergehenden Absatz ein Abzugsverbot greift, sind jeweils die nachfolgenden Absätze ergänzend und zusätzlich zu prüfen. Insoweit schließen sich die Tatbestände nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich. Die erste Fallgruppe betrifft sog. deductions/non inclusion. Hierbei ist weiterhin innerhalb dieser Fallgruppe D/NI zu unterscheiden zwischen einerseits Aufwendungen in Zusammenhang mit der Überlassung von Kapitalvermögen (§ 4k Abs. 1 EStG), im Rahmen dieser Regelung wird der Abzug bereits insoweit versagt, als eine niedrigere Besteuerung als bei einer deutschem Recht entsprechenden Qualifikation im Ausland eintritt; sowie andererseits bei dem § 4k Abs. 2–3 EStG. Diese Regelungen erfassen zwar alle Arten von Aufwendungen, jedoch bleibt es hier bereits bei dem Betriebsausgabenabzug, soweit irgendeine „tatsächliche Besteuerung“ erfolgt. Auf die genaue Höhe bzw. Vergleichbarkeit der Steuer zum Inland dürfte es in diesem Fall nicht ankommen.26 Den § 4k Abs. 1–3 EStG ist gemein, dass ein hybrides Element vorliegen muss und wohl auch eine Kausalität des hybriden Elements zu der niedrigeren bzw. Nichtbesteuerung hinzutreten muss.27 Eine weitere Fallgruppe betrifft die sog. „double deduction“, dh. dass derselbe Aufwand sowohl im Inland als auch im Ausland abgezogen wird (§ 4k Abs. 4 EStG). Ein hybrides Element, welches eine Kausalität auslöst, ist hier keine (weitere) Voraussetzung. Der Tatbestand erschöpft sich im Grundsatz in dem doppelten Abzug. Da insbes. in Anrechnungssystemen naturgemäß in beiden Staaten eine Gewinnermittlung erfolgt, die auch den jeweiligen (und damit doppelten Abzug) beinhaltet, enthält

25 Vgl. Grotherr, Ubg. 2020, 377 (379); Mühlenstädt/Reberg, DB 2021, 1637 (1639). 26 Vgl. Schlund, NWB 2021, 2431 (2442–2443). 27 Vgl. Kraft/Kockrow, Ubg. 2021, 222 (226).

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die Regelung Gegenausnahmen, wenn auch die Einkünfte doppelt berücksichtigt werden bzw. Anrechnungsbetriebsstätten vorliegen. Um durch mittelbare Gestaltungen keine Umgehungen zuzulassen, regelt § 4k Abs. 5 EStG ergänzend, dass auch Fälle mittelbarer hybrider Strukturen (Verkettung in das Ausland, sog. importierte Hybride) gleichfalls schädlich sind. Ein Überblick über die Norm gibt nachfolgende Abbildung:

2. § 4k EStG – große Reichweite Bevor auf spezifische Einzelfragen des § 4k EStG eingegangen wird, sollen nachfolgend einige Beispiele zu der zum Teil überraschend weiten Reichweite der Norm vorangestellt werden.

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a) Geschäfte mit Dritten Da auch sog. strukturierte Gestaltungen (§ 4k Abs. 6 Satz 3 EStG) unter die Norm fallen, sind auch Geschäfte mit Dritten erfasst. Dies können ua. strukturierte Finanzierungen oder bestimmte hybride Anleihen sein, es werden aber auch sogenannte „Double Dips“ aufgrund doppelter Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums erfasst. Entsprechend bedarf es insoweit wiederum nicht zwingend klassischer hybrider Elemente. Daher kann auch ein schlichter Fall zB aufgrund abweichender Regelungen zum Vorliegen des wirtschaftlichen Eigentums in Leasingfällen dazu führen, dass ein Wirtschaftsgut sowohl beim Leasinggeber als auch beim Leasingnehmer bilanziert wird. Dies löst im Prinzip bereits das Abzugsverbot aus. Grotherr gibt in diesem Zusammenhang in Bezug auf sog. Double-Dip-Gestaltungen mit doppelter Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums zu bedenken, dass sich hieraus nicht (zwangsläufig) endgültige Steuerersparnisse, sondern vielmehr primär nur Steuerstundungseffekte ergeben.28 Denn bei Annahme des wirtschaftlichen Eigentums im Inland können zwar nicht mehr die Leasingraten steuerlich geltend gemacht werden, jedoch die Abschreibung für Abnutzung und ein Zinsanteil (der auch noch der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterfällt). Greift dagegen § 4k Abs. 4 EStG wird – jedenfalls dem Wortlaut nach – womöglich der Aufwand insgesamt vom Abzug ausgeschlossen (also weder Abschreibung noch Leasingraten). Die resultierende Überbesteuerung ist evident. Soweit in solchen Fällen keine hinreichende Beweisvorsorge vorliegt bzw. der Gegenbeweis (Unkenntnis von möglichen Steuervorteilen und Nachweis keiner Teilhabe an einem möglichen Vorteil) nicht geleistet werden kann, führt dies zu einem vollständigen Abzugsverbot. Bzgl. des Gegenbeweises führt die Gesetzesbegündung29 wie folgt näher aus: „Um dem Steuerpflichtigen nicht die Beweis- und Darlegungslast für ein regelmäßig nur schwer bzw. nicht nachzuweisendes negatives subjektives Merkmal („nicht bewusst“) aufzuerlegen, enthält Satz 4 als Ausnahme von Satz 3 eine objektive Komponente („wenn nach den äußeren Umständen vernünftigerweise nicht davon auszugehen ist, dass ihm der steuerliche Vorteil bekannt war und er nachweist, dass er nicht an dem steuerlichen Vorteil beteiligt wurde.“). Dies kann

28 Vgl. Grotherr, Ubg. 2020, 377 (388). 29 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 41.

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Köhler, § 4k EStG und andere Neuregelungen zu hybriden Strukturen insbesondere bei über eine anerkannte Börse an fremde Dritte ausgegebenen Anleihen der Fall sein, bei denen der Zins so berechnet ist, dass er auch für Anleger, bei denen die Zinserträge regulär besteuert werden, attraktiv ist.“

Die nachfolgende Abbildung soll die Problematik verdeutlichen:

b) § 4k EStG ist auch in der Hinzurechnungsbesteuerung anwendbar Gem. § 10 Abs. 3 AStG sind die dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegenden Einkünfte in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu ermitteln. Entgegen der bis Ende 2021 geltenden Fassung bestehen keine Gegenausnahme mehr, die zB die Anwendung der Zinsschranke ausgeschlossen hatte. Insbesondere findet auch kein Ausschluss der Regelung des § 4k EStG statt.30 Entsprechend sind damit auch alle diese Sonderregelungen (wie wohl auch weitere Anti-Hybrid-Regelungen) im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung einerseits im Hinblick auf die Feststellung einer tatsächlichen Niedrigbesteuerung als auch in Bezug auf die Höhe eines möglichen Hinzurechnungsbetrags, also Ermittlung der Zwischeneinkünfte selbst, von Relevanz. Dies wird zu einer weiteren erheblichen Komplexitätssteigerung führen, da (auch)

30 Vgl. Frase in Fuhrmann/Kraeusel/Schiffers, eKomm., § 4k EStG Rz. 19 (Juli 2020).

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durch diese Bestimmungen eine detaillierte Einkunftsermittlung für ausländische Konzerngesellschaften in einem bislang nicht gekannten Ausmaß erfolgen muss. Da § 4k EStG grundsätzlich ab dem Veranlagungszeitraum 2020 bereits gelten soll und keine Gegenausnahme in § 10 Abs. 3 AStG normiert war, stellt sich weiterhin die Frage nach der erstmaligen Anwendung der Hybridregelungen im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung. Bejahte man eine umfassende, echte Rückwirkung, so wäre es wohl nicht völlig ausgeschlossen, dass bereits ab dem Jahr 2020 die Sonderregelung greifen würde. Auf die bestehenden Zweifel der Verfassungsmäßigkeit einer solchen echten Rückwirkung sei erneut hingewiesen. c) Infektionsketten durch importierte Hybride Zwecks Zurückdrängung möglicher Umgehungsmodelle zu den AntiHybridregelungen wirken die Abzugsverbote des § 4k EStG nicht nur dann, wenn eine hybride Struktur unmittelbar Deutschlandbezug aufweist, sondern auch dann, wenn ein hybrides Element nur zwischen zwei ausländischen Staaten besteht, aber über eine Kette von Zahlungen (Aufwandsverrechnung in das Inland) hierdurch ein „hybrider Erfolg“ letztlich in das Inland importiert wird. Problematisch daran ist insbes., dass der Gesetzeswortlaut hier keine besonders qualifizierte Verkettung, wie zB einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang, verlangt. Nach der Gesetzesbegründung soll entsprechend ein „gegenüberstehen“ bereits schädlich sein, ein weiterer engerer oder gar innerer Zusammenhang oÄ sei nicht erforderlich.31 Diese „ausufernde“ Regelung zur Prüfung letztlich aller Leistungsbeziehungen im Konzern auf die Abwesenheit eines hybriden Elements (welches im Ursprung zB auch wieder mit fremden Dritten begründet sein kann [vgl. vorstehendes Leasing Beispiel]) dürfte in der Praxis an die Grenzen bzw. womöglich darüber hinaus der Administrierbarkeit und des Beweises bzw. Gegenbeweises führen. Unter Umständen erwachsen hieraus auch Themen hinsichtlich eines strukturellen Vollzugsdefizits dieser Regelung, so dass diese dann womöglich auch wegen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz als Kollision mit der Verfassung beurteilt werden könnte.32

31 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 26, 40. 32 Vgl. diesbezüglich zB Hinz, IStR 2020, 397.

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3. Vertiefung der Fallgruppen in § 4k EStG Nachstehend werden zu den einzelnen Fallgruppen noch einige nähere Erläuterungen gegeben. a) Abzugsverbot hybrider Finanzinstrumente Liegt in Bezug auf Aufwendungen im Zusammenhang mit der Nutzung oder im Zusammenhang mit der Übertragung von Kapitalvermögen eine hybride Situation vor, sind Betriebsausgaben insoweit nicht abziehbar, als die den Aufwendungen entsprechenden Erträge aufgrund einer vom deutschen Recht abweichenden steuerlichen Qualifikation oder Zurechnung des Kapitalvermögens nicht oder niedriger als bei dem deutschen Recht entsprechender Qualifikation oder Zurechnung besteuert würden (§ 4k Abs. 1 EStG). Relevante Aufwandspositionen sind zB Zinsen oder Substitutionszahlungen für Dividenden bzw. Kompensationszahlungen für Wertpapiere oder Wertpapierpensionsgeschäfte. Eine Standardkonstellation in Bezug auf hybride Finanzinstrumente stellen Zinsaufwendungen im Inland dar, die bei dem ausländischen Gesellschafter, abweichend von der inländischen Qualifikation als Darlehensbeziehung, im Ausland als Dividende (Eigenkapital) bei dem Empfänger qualifiziert werden und dieser dadurch eine anteilige oder volle Freistellung der Dividende erzielen kann.

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Nachfolgendes Beispiel soll dies veranschaulichen:

Dieses Abzugsverbot gilt nur dann nicht, wenn die Besteuerungsinkongruenz voraussichtlich in einem künftigen Besteuerungszeitraum beseitigt wird (zB aufgrund abweichender Periodisierungsregelungen wie zB Rückstellungsbildung an der Aufwandsquelle, jedoch Zuflussprinzip bei dem Empfänger) und die Zahlungsbedingungen einem Fremdvergleich standhalten. Eine bestimmte zeitliche Begrenzung gibt es hierbei nicht. Die Regelung betrifft ausschließlich die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Überlassung von Kapital (vereinfacht gesprochen also insbes. Zinsaufwendungen und Dividendensubstitute). Andere Betriebsausgaben sind generell nicht erfasst. Fraglich erscheint ua., wann von einer Minderbesteuerung gegenüber einer deutschen Besteuerung auszugehen ist. Mutmaßlich geht es hierbei nicht um das Erreichen einer gleichen absoluten Steuerbelastung (aufgrund des deutschen progressiven Einkommensteuersatzes würde es in diesem Fall einer Vergleichsrechnung bei dem jeweiligen Stpfl. bedürfen), sondern wohl „nur“ einer entsprechenden Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage, so dass grundsätzlich eine Steuer zu entrichten wäre (die aber womöglich auch der Höhe nach auch nur gering ausfallen könnte). Für den Fall, zB dass der im Inland als Zins behandelte Betrag im Ausland als steuerbefreite Dividende

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eingeordnet würde, und diese entsprechend der deutschen Schachtelstrafe als zu 5 % nicht abzugsfähige Betriebsaufgabe angesehen würde, geht Grotherr zutreffend davon aus, dass es sich auch insoweit um einen Einbezug iHv. 5 % handelt, so dass der Betriebsausgabenabzug für den Zinsaufwand im Inland korrespondierend auf 95 % zu beschränken wäre.33 Womöglich könnte damit auch bereits zB der Einbezug im Rahmen der US Besteuerung unter dem sog. „GILTI Konzept“34 ausreichen, da dies im Grundsatz auch eine Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage für die US-Steuern bedeutet.35 Ein mehr oder minder „voller Export“ des deutschen Steuerniveaus, wie dies zB im Rahmen der Lizenzschranke vorgesehen ist, sollte damit wohl kein Regelungsgegenstand sein. Anders als bei den nachfolgenden Absätzen sollte weiterhin nicht davon ausgegangen werden, dass der Abzug erst bei Nachweis einer Erfassung bei dem Empfänger erfolgen kann. Denn weder der Wortlaut noch die Gesetzesbegründung geben einen Hinweis darauf, dass für die vorliegende Fallgruppe ein Abzug erst und nur dann zulässig wäre, wenn die tatsächliche Besteuerung beim Empfänger eintritt (und damit auch ein sog. rückwirkendes Ereignis iSd. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vorliegen könnte). Vielmehr soll es nach dem Normwortlaut ausreichen, dass die Besteuerungsinkongruenz in einem künftigen Besteuerungszeitraum „voraussichtlich“ beseitigt wird. Hieraus könnte man also schließen, dass bereits die positive Prognose für den Abzug ausreicht. Ob die Besteuerungsinkongruenz tatsächlich final aufgehoben wird, wäre dagegen nach dem Wortlaut womöglich gar nicht (mehr) erheblich. b) Abzugsverbot bei Zahlung durch hybride Rechtsträger § 4 Abs. 2 EStG versagt den Betriebsausgabenabzug bei Zahlung durch ein hybrides Unternehmen oder aufgrund einer vom deutschen Recht abweichenden steuerlichen Beurteilung von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen, wenn dadurch die Zahlung in keinem Staat einer tatsächlichen Besteuerung unterliegt. Nach dieser Formulierung reicht jede, auch noch so geringe Besteuerung aus, um das Abzugsverbot

33 Vgl. Grotherr, Ubg. 2020, 377 (383). 34 Global Intangible Low-Taxed Income, Sec. 951A IRC. 35 Vgl. Ehlermann/Link, ISR 2021, 319 (320–321).

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zu sperren. Als Besteuerung gilt der Eingang in die steuerliche Bemessungsgrundlage. Entsprechend ist zum Beispiel auch der Verbrauch eines Verlusts bzw. Verlustvortrags oder der Einbezug im Rahmen einer Hinzurechnungsbesteuerung bereits eine Besteuerung im vorstehenden Sinne.36 Eine abweichende steuerliche Behandlung des Rechtsträgers liegt nach der Gesetzesbegründung zB auch vor, wenn der Stpfl. Teil eines Gruppenbesteuerungssystems ist und die Leistungsbeziehung innerhalb der Gruppe steuerlich nicht berücksichtigt wird.37 Die Fallgruppe kann durch nachfolgendes Beispiel veranschaulicht werden:

36 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 35 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung zu § 4i EStG, BT-Drucks. 18/9956, 4. 37 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 35.

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Die Regelung wendet sich auch gegen fiktive Betriebsausgaben, wie sie sich aus anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen gem. § 1 Abs. 4 Nr. 2 AStG iVm. § 16 Abs. 2 Satz 2 BsGaV ergeben können (Abzug fiktiver Zahlungen aus „Dealings“ im Inland ohne korrespondierende Erfassung im Ausland wegen hybrider Elemente).38 Die tatsächliche Nichtbesteuerung muss nach der hier vertretenen Ansicht kausale Konsequenz der hybriden Struktur sein. Eine Nichtbesteuerung aus anderen Gründen (zB Einkünfte sind allgemein sachlich nicht steuerbar bzw. befreit oder der Zahlungsempfänger ist persönlich befreit oÄ) wären dagegen unbeachtlich.39 Die Regelung enthält keinen Hinweis zu dem Zeitpunkt, in dem eine tatsächliche Besteuerung eingetreten sein muss. Damit sollte grundsätzlich auch eine in einem anderen Veranlagungszeitraum eintretende Besteuerung das Abzugsverbot (dann) sperren. Soweit die Besteuerung erst in einem späteren Veranlagungszeitraum eintritt bzw. bekannt wird, sollte dies wohl als rückwirkendes Ereignis iSd. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu behandeln sein. Gem. § 4k Abs. 2 Satz 3 EStG gilt – trotz tatsächlicher Nichtbesteuerung – eine Gegenausnahme zum Betriebsausgabenabzugsverbot im Fall der Dual Income Inclusion: Wenn den Aufwendungen Erträge desselben Stpfl. gegenüberstehen, die sowohl im Inland als auch nachweislich im Ausland (im Staat des Gläubigers bzw. Gesellschafters) einer tatsächlichen Besteuerung unterliegen, entfällt das Abzugsverbot. Hierbei sollte man davon ausgehen können, dass das Abzugsverbot jeweils in Höhe einer quantitativen Korrespondenz entfällt (also vollständiger Wegfall Abzugsverbot nur, wenn die Erträge mindestens die Höhe der Aufwendungen erreichen). Eine sachliche Korrespondenz (zB Zinsaufwand müssen auch Zinseinnahmen gegenüberstehen) sollte dagegen nicht verlangt sein. Es reicht aus, dass „irgendwelche Einkünfte“ in relevanter Höhe in beiden Staaten steuerlich berücksichtigt werden.

38 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 35. 39 GlA Schnitger/Oskamp, IStR 2020, 909 (916); aA wohl Grotherr, Ubg. 2020, 377 (384).

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Eine Einschränkung erfährt die Ausnahmeregelung – jedenfalls nach der Gesetzesbegründung,40 deren Einschränkung aber nach dem Wortlaut der Norm selbst nicht nachvollzogen werden kann – dadurch, dass die Ausnahme vom Abzugsverbot doch nicht gelten soll, soweit die doppelte Besteuerung durch Anrechnung vermieden wird. Dadurch solle gewährleistet werden, dass der Empfängerstaat im Fall eines hybriden Rechtsträgers im Ergebnis nicht bessergestellt würde, als wenn Deutschland der Qualifikation des Empfängerstaats folgen würde. Auch die dazu in der Gesetzesbegründung enthaltenen Beispiele41 können diese untergesetzliche Gegenausnahme nicht erklären. Diesbezüglich ist allerdings beachtlich, dass die Gesetzesbegründung auf dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 19.4.2021 basiert.42 In dieser Entwurfsfassung endete der Wortlaut des § 4k Abs. 2 EStG mit den Worten „und die Doppelbesteuerung nicht durch Anrechnung vermieden wird“. Entsprechend beziehen sich also die Beispiele in den Gesetzesbegründungen auf diesen Textvorschlag zur gesetzlichen Regelung. Per 19.5.2021 wurde diese Regelung dann allerdings nochmals angepasst.43 In der Synopse auf Seite 9 der Bundestags-Drucksache ist erkennbar, dass der zuvor zitierte letzte Halbsatz des § 4k Abs. 2 EStG mit der zusätzlichen Bedingung, dass die Doppelbesteuerung nicht durch Anrechnung vermieden wird, in der endgültigen Gesetzesfassung entfallen ist. Dies bestätigt auch die Begründung zu diesen letzten Änderungen am Text,44 denn hier wird ausgeführt, dass im Rahmen der Anhörung zum Gesetzentwurf darauf hingewiesen wurde, dass diese Beschränkung in Fällen der „double inclusion“ zu systematischen Verwerfungen führen könnte. Weiterhin sei diese Einschränkung nicht durch die ATAD vorgegeben. Entsprechend wurde diese Einschränkung gestrichen. Insoweit besitzen damit auch diese Passagen der Gesetzesbegründung keine Bedeutung mehr.

40 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 36. 41 Vgl. Benz/Böhmer, DK 2020, 240 (244) bezeichnen die Beispiele zutreffend als „unverständlich“. 42 Vgl. BT-Drucks. 19/28652 vom 19.4.2021. 43 Vgl. BT-Drucks. 19/29848 vom 19.5.2021. 44 Vgl. BT-Drucks. 19/29848, 58.

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c) Abzugsverbot bei umgekehrt Hybriden Gem. § 4k Abs. 3 EStG gilt gleichfalls ein Abzugsverbot bei Zahlungen an hybride Unternehmen. Die Fallgruppe kann durch nachfolgende Abbildung veranschaulicht werden:

Führt die Zahlung wiederum dazu, dass die dem Aufwand entsprechenden Erträge aufgrund einer Inkongruenz in keinem Staat einer tatsächlichen Besteuerung unterliegen, so gilt auch für diese Aufwendungen ein Betriebsausgabenabzugsverbot. Eine Rückausnahme für den doppelten Einbezug von Erträgen (anders als die Abs. 2 und 4) kennt Abs. 3 nicht. Eine weitere Fallgruppe des § 4k Abs. 3 EStG betrifft die sogenannten unberücksichtigten Betriebsstätten. Geht zB der Stammhaus-Staat (Deutschland) von dem Vorliegen einer ausländischen Betriebsstätte aus, während der andere Staat keine Betriebsstätte annimmt, so könnten grundsätzlich im Inland abzugsfähige Leistungsentgelte an die ausländische Betriebsstätte im Empfängerstaat unbesteuert bleiben, da dieser nach lokalem Recht nicht von der Existenz einer Betriebsstätte und entsprechend auch von keinem Besteuerungsrecht ausgeht.45

45 Vgl. Grotherr, Ubg. 2020, 377 (387).

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d) Abzugsverbot bei doppeltem Abzug Gem. § 4k Abs. 4 EStG sind Aufwendungen auch insoweit nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, als die Aufwendungen auch in einem anderen Staat berücksichtigt werden. Entgegen den anderen Regelungen des § 4k EStG ist in Bezug auf diese Fallgruppe das Vorliegen eines hybriden Elements (inkongruente Besteuerung) kein notwendiges Element der Tatbestandsvoraussetzungen (implizit ergibt sich das in gewissen Umfang allerdings im Gegenschluss durch die Gegenausnahmen).46 Der Grundsatz des Betriebsausgabenabzugsverbots bei doppeltem Abzug wird durch wichtige Gegenausnahmen durchbrochen, die insbes. Fälle systemimmanenter doppelter Ausgabenberücksichtigung spiegeln. Denn in Steuersystemen, die die Anrechnungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verwenden, werden zwangsläufig alle Aufwendungen, die im ausländischen Staat anfallen, grundsätzlich auch im Heimatstaat des Investors erneut berücksichtigt. Hiermit geht aber üblicherweise auch genauso eine vollständige, erneute und damit also zweifache Berücksichtigung der Erträge (wiederum sowohl im Ausland als auch im Heimatstaat des Investors) einher. Erkennbar führt damit ein Anrechnungssystem nicht zu einem tatsächlichen bzw. effektiven doppelten Abzug, sondern ist notwendige Voraussetzung für eine zutreffende Einkünfteermittlung sowohl in Bezug auf die ausländischen Einkünfte als auch die im Heimatstaat. Entsprechend regelt die Gegenausnahme des § 4k Abs. 4 Satz 3 EStG, dass kein Abzugsverbot eintritt, soweit den Aufwendungen Erträge desselben Stpfl. gegenüberstehen, die sowohl im Inland als auch nachweislich in einem anderen Staat einer tatsächlichen Besteuerung unterlegen haben. Als relevante Erträge des Stpfl. gelten auch Erträge einer Organgesellschaft, deren Einkommen dem Stpfl. als Organträger zugerechnet wird.47 Die Regelung ähnelt damit dem Grundgedanken des § 3c Abs. 1 EStG. Hiernach können Aufwendungen steuerlich nur abgezogen werden, wenn auch die Einnahmen steuerpflichtig sind.48 Dieser Grundsatz wird durch § 4k Abs. 4 EStG sozusagen grenz-

46 Vgl. Grotherr, Ubg. 2020, 377 (388). 47 BT-Drucks. 19/28652, 39. 48 Wobei allerdings nach der innerstaatlichen Norm zusätzlich ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Ausgaben und steuerfreien Einnahmen für das Eingreifen des Abzugsverbots vorausgesetzt wird.

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überschreitend gespiegelt: nur wenn in beiden Staaten die steuerpflichtigen Einkünfte zu berücksichtigen49 sind, können auch die Aufwendungen in beiden Staaten abgezogen werden. Dieser Symmetriegrundsatz ist letztlich Ausdruck dessen, dass in Anrechnungssystemen bzw. Anrechnungssituationen die doppelte Berücksichtigung von Einnahmen und Ausgaben systemimmanent ist und daher keine zu bekämpfende steuerliche Besonderheit. Hierbei ist allerdings beachtlich, dass der Abzug erst und nur dann zulässig sein soll, wenn der Nachweis über den Einbezug auch in die ausländische Besteuerung erfolgt (rückwirkendes Ereignis, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO). Darüber hinaus stellt sich die verfahrensrechtliche Frage, ab bzw. bis wann der Abzug vorgenommen werden darf: –

generell Abzug bis zum Nachweis einer Nichterfassung bei dem Empfänger

oder –

generell kein Abzug bis zum Nachweis einer Erfassung bei dem Empfänger?

Möchte man wiederum eine Parallele zu dem bereits geltenden § 4i EStG ziehen, so wird in Übereinstimmung mit dem Wortlaut zu dieser Vorschrift eine sehr restriktive Haltung geäußert: Die tatsächliche Besteuerung von Erträgen iSd. § 4i EStG im anderen Staat ist vom Stpfl. nachzuweisen. Solange die Nachweise nicht vollständig erbracht werden, bleibt der Abzug versagt.50 Damit trifft den Stpfl. neben der objektiven auch die subjektive Feststellungslast.51 Die erhöhten Mitwirkungspflichten gem. § 90 Abs. 2 AO sind ebenfalls zu beachten.52 Kann der Nachweis erst später erbracht werden, gilt dies als rückwirkendes Ereignis.53

49 Also in die Bemessungsgrundlage der steuerpflichtigen Einkünfte eingehen. 50 Vgl. BT-Drucks.18/9956, 4. 51 Vgl. Pohl in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 4i EStG Rz. 65 (Aug. 2021). 52 Vgl. BT-Drucks. 18/9956, 4; Wacker in Schmidt, EStG40, § 4i EStG Rz. 17. 53 Vgl. Pohl in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 4i EStG Rz. 66 mwN (Aug. 2021). Der Nachweis sei als rückwirkendes Ereignis iSd. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO einzuordnen.

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Damit stellen sich möglicherweise Fragen bzgl. Zeitunterschieden bei der Erstellung der Steuererklärungen bzw. Abgabe von Erklärungen und Ergehen von Steuerbescheiden sowie der Qualität der erforderlichen Nachweise. Auch (Anlauf-)Verluste werden damit zu Problemfällen. Denn wenn und soweit (ggf. auch über einen längeren Zeitraum) ein Aufwandsüberschuss eintritt, verbliebe insoweit der steuerliche Abzug (vollständig) versagt.54 Eine entsprechende, aber weicher gefasste Regelung (faktische Begünstigung unbeschränkt Stpfl.) betrifft die Gegenausnahme für unbeschränkt Stpfl. gem. § 4k Abs. 4 Satz 4 EStG, nach der bei unbeschränkt Stpfl., bei denen die Doppelbesteuerung durch Anrechnung oder Abzug der ausländischen Steuer vermieden wird, im Grundsatz das Abzugsverbot ohne weitere Voraussetzungen aufgehoben wird, wobei wiederum eine Rückausnahme zum Betriebsausgabenabzugsverbot insoweit gilt, als Aufwendungen in einem anderen Staat dort auch Erträge mindern, die im Inland nicht der Besteuerung unterliegen; Damit muss hier nicht der doppelte Einbezug der Einnahmen nachgewiesen werden, sondern dieser wird offenkundig als vom Gesetzgeber regelmäßig als gegeben unterstellt. Schädlich sind für unbeschränkt Stpfl. „nur“ mögliche nicht einbezogene Erträge, dh. wenn trotz grundsätzlich fehlender Freistellung dennoch bestimmte ausländische Erträge nicht in die deutsche Besteuerung einfließen und insofern (anteilig) nur eine doppelte Berücksichtigung der Aufwendungen, aber nicht der Erträge erfolgt, würde insofern der zweite Abzug bei dem unbeschränkt Stpfl. im Inland versagt. Damit soll nach der Gesetzesbegründung das Abzugsverbot des Abs. 4 auch Fälle erfassen, in denen zB eine Anrechnungsbetriebsstätte im Ausland Verluste erzielt, die mit im Inland nicht der Besteuerung unterliegenden Gewinnen des Stpfl. oder anderer Rechtsträger, beispielsweise über ein Gruppenbesteuerungssystem, im Ausland mit anderen, wiederum nur dort, steuerpflichtigen Einkünften verrechnet werden können.55

54 Vgl. Greinert/Siebing, Ubg. 2020, 589 (597). 55 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 39.

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Das Grundmodell der Vorschrift kann an nachstehender Abbildung veranschaulicht werden:

Weiterhin besitzen im Rahmen der „Double Deduction-Regelungen“ die „Vorfahrtsregeln“ besondere Bedeutung. Hier geht es also um die Frage, welcher Staat „zuerst“ den Betriebsausgabenabzug versagen darf bzw. soll und der andere Staat als Reaktion darauf den Betriebsausgabenabzug (doch) zulässt. Gem. § 4k Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 EStG weist Deutschland grundsätzlich in Inbound Strukturen dem ausländischen Investorstaat das primäre Recht zur Versagung des Betriebsausgabenabzugs zu. Denn nach dieser Regelung kommt es zu keinem Abzugsverbot in Deutschland, wenn der Abzug der Aufwendungen bereits bei einem mittelbaren oder unmittelbaren Gesellschafter eines unbeschränkt Stpfl. versagt wird (sowie bei weiteren Sonderfällen der doppelten Ansässigkeit). Soweit allerdings Deutschland der Investorstaat ist (Outbound-Strukturen), sieht Deutschland hier generell das Verbot des Betriebsausgabenabzugs in Deutschland als primäre Regel ohne weitere Gegenausnahme vor (§ 4k Abs. 4 Satz 2 EStG). Denn nach der im Wortlaut komplizierten Regelung wird letztendlich ein doppelter Abzug im Ausland wohl auch dann fingiert, wenn der andere Staat den Abzug bereits nach seinen Vorschriften nicht zu518

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lässt. Durch diese Fiktion des fortbestehenden doppelten Abzugs im anderen Staat setzt Deutschland damit die Vorfahrtsregel zugunsten Deutschlands um. Dies dürfte zu dem Risiko der Doppelbesteuerung durch doppelten Nichtabzug führen, wenn der andere Staat keinen Gleichlauf bei den Vorfahrtsregeln vorgesehen hat, da Deutschland dann für diese Fallgruppe trotz bereits geltendem Abzugsverbot im anderen Staat auch (nochmals) ein Abzugsverbot im Inland ausspricht.56 Zwar stimmt diese Vorgehensweise mit den BEPS Reports sowie der ATAD Richtlinie überein. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob die Legitimität der Versagung des Betriebsausgabenabzugs trotz fehlender Double Deduction (weil auch der andere Staat bereits einen Betriebsausgabenabzug versagt hat) nicht dennoch zu einer nicht akzeptablen Überbesteuerung führt, die wiederum auch aus Sicht des Verfassungsrechts (Gleichmäßigkeit der Besteuerung, Leistungsfähigkeitsprinzip) kaum noch zu begründen ist. Die nachfolgende Abbildung soll die Problematik veranschaulichen:

56 Vgl. Schnitger/Oskamp, IStR 2020, 960 (963); Gosch spricht treffend auch von einem (miss)verstandenen absoluten Umsetzungsobligo, Gosch in Kirchhof/Seer, EStG20, § 4k Rz. 16.

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Problematisch könnten auch Fälle des Dividendenbezugs über Anrechnungsbetriebsstätten bzw. ausländische Personengesellschaften sein, bei denen die Beseitigung der Doppelbesteuerung nicht durch DBA-Freistellung erfolgt. Hier ergibt sich die Besorgnis, dass die über eine ausländische Betriebsstätte oder Personengesellschaft bezogene Dividende in Deutschland gem. § 8b Abs. 1 KStG technisch vollständig befreit ist, wenngleich effektiv ein Einbezug iHv. 5 % im Rahmen der sog. Schachtelstrafe (§ 8b Abs. 5 KStG) erfolgt. Wenn und soweit auf der Ebene der ausländischen Betriebsstätte/Personengesellschaft ein Aufwandsabzug erfolgt (zB Zinsaufwand aus dem Erwerb der nachgeschalteten Beteiligung), so wäre dieser grundsätzlich auch ein zweites Mal im Inland abzugsfähig (Anwendung der Anrechnungsmethode). Wenn aber die Erträge selbst in Deutschland gar nicht in die Besteuerung eingehen, stellt sich die Frage, ob dann die vom Abzugsverbot befreiende Gegenausnahme des § 4k Abs. 4 Satz 4 EStG in diesem Fall (womöglich gegen den Wortlaut) überhaupt greifen könnte. Erkennbar stoßen hier zwei Systemansätze aufeinander: das Konzept des Verbots der Double Deduction basiert auf dem Grundgedanken des § 3c Abs. 1 EStG: nur wenn in zwei Staaten auch die Erträge vollumfänglich steuerpflichtig sind, sollen auch in zwei Staaten die Aufwendungen vollumfänglich abzugsfähig sein. § 8b KStG suspendiert dagegen ausdrücklich (sowohl in § 8b Abs. 3 als auch Abs. 5) die Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG, ersetzt dessen Rechtsfolgen durch ein 5%igen pauschales Betriebsausgabenabzugsverbot und lässt korrespondierend den laufenden Aufwand voll zum Abzug zu. In einer sinnhaften Auslegung sollte daher die Double Deduction auch in diesem Fall nicht zur Anwendung gelangen. Nach dem Wortlaut des § 4k Abs. 4 S. 4 EStG könnte man allerdings auch zu einem anderen Ergebnis gelangen. Damit stellt sich die Frage, ob daher nach der Sekundärregel in Deutschland womöglich der Betriebsausgabenabzug zu versagen wäre. Mögliche Gegenargumente könnten sein: die Dividenden sind dem Grunde nach zunächst steuerpflichtig, und nur der Höhe nach zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung (Vorbelastung an der Quelle, Freistellung beim Empfänger, in Summe damit systemgerechte Einmalbelastung) nicht ein zweites Mal Gegenstand der Besteuerung; mit anderen Worten: Dividenden sind zwar rechtlich, aber nicht wirtschaftlich steuerfreie Einnahmen und sollten daher von der Regelung nicht erfasst sein. Soweit man allerdings davon ausginge, dass auch eine systemgerechte Dividenden-

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freistellung gem. § 8b Abs. 1, 5 KStG als nicht berücksichtigte57 Einkünfte gelten würde (was nach den definitorischen Grundsätzen der ATAD 2 so wohl zu verstehen sein könnte (Art. 2 Nr. 9 Abs. 3 Buchst. e), so wäre dann Deutschland als Mitgliedstaat nach der Sekundärregelung der Richtlinie womöglich vorliegend verpflichtet, die Zinszahlungen in Deutschland vom Abzug auszuschließen. e) Importierte Hybride (Art. 9 Abs. 3 ATAD) § 4k Abs. 5 EStG setzt Art. 9 Abs. 3 der ATAD um und sieht ein Betriebsausgabenabzugsverbot im Fall sog. importierter Besteuerungsinkongruenzen vor. Diese liegen vor, wenn ein Effekt einer Besteuerungsinkongruenz, die zwischen anderen Staaten eingetreten und von diesen nicht beseitigt worden ist, ganz oder teilweise ins Inland verlagert („weitergereicht“) wird.58 Beispiel aus der Gesetzesbegründung:59 Die B Co (Staat B) und die C Co (Staat C) haben ein hybrides Finanzinstrument abgeschlossen, das zu einer Besteuerungsinkongruenz in Form einer D/NI führt. Wird die Besteuerungsinkongruenz nicht durch Staat B oder Staat C beseitigt, verpflichtet Artikel 9 Absatz 3 der ATAD die Mitgliedstaaten, beim „Importeur“ dieser Besteuerungsinkongruenz (hier zunächst: die A Co) den Abzug zu versagen. Versagt auch Staat A den Abzug nicht, ist Deutschland verpflichtet, den Abzug bei der D GmbH als nächstem Glied in der Kette zu versagen.

Voraussetzung ist, dass der Gläubiger (im Beispiel die A Co) des Stpfl. (D-GmbH) oder ein weiterer Gläubiger (B Co und C Co) Aufwendungen hat, die nach § 4k EStG einem Abzugsverbot unterliegen würden, wenn der (weitere) Gläubiger unbeschränkt steuerpflichtig wäre („hybride“ Aufwendungen). Weitere Voraussetzung für das Abzugsverbot nach § 4k Abs. 5 EStG ist eine Verkettung zwischen den Aufwendungen des Stpfl. und den unmittelbar oder mittelbar zu einer Besteuerungsinkongruenz führenden Aufwendungen. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang, wie zB im Fall einer Refinanzierung, muss dabei nicht bestehen. Vielmehr genügt grundsätzlich die unmittelbare oder mittelbare Verrechnung der 57 „Berücksichtigung“ des Betrags, der für die steuerpflichtigen Einkünfte nach den Rechtsvorschriften des Steuergebiets des Zahlungsempfängers berücksichtigt wird. Eine Zahlung im Rahmen eines Finanzinstruments gilt insoweit nicht als berücksichtigt, als die Zahlung für Steuerermäßigungen infrage kommt, die einzig und allein der Art der Einordnung der Zahlung nach den Rechtsvorschriften des Steuergebiets des Zahlungsempfängers zuzuschreiben sind. Der Begriff „berücksichtigt“ ist entsprechend auszulegen. 58 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 39. 59 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 39–40.

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„hybriden“ Aufwendungen mit den Erträgen aus der Transaktion des Stpfl. (vgl. Empfehlung 8.1 des OECD/G20-Berichts 2015 zu BEPS-Aktionspunkt 2). Bei den importierten Besteuerungsinkongruenzen kann es sich sowohl um D/NI- als auch um DD-Sachverhalte handeln. Nach § 4k Absatz 5 Satz 2 EStG gilt eine Ausnahme vom Abzugsverbot, wenn beim Gläubiger, dem weiteren Gläubiger oder der anderen Person iSd. Satzes 1 (im Beispiel entweder bei A Co, B Co oder C Co) die (ggf. ebenfalls importierte) Besteuerungsinkongruenz beseitigt wird (zB aufgrund eines dem § 4k Abs. 1–5 EStG vergleichbaren Abzugsverbots oder aufgrund der Versagung einer Steuerbefreiung entsprechend § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Nr. 2 und 3 EStG oder § 8b Abs. 1 Satz 2 und 3 KStG). Jedoch bleibt es gem. der Gesetzesbegründung60 bei dem Abzugsverbot, wenn die Besteuerungsinkongruenz erst auf einer nachgelagerten Stufe beseitigt wird (zB bei einer ausländischen Muttergesellschaft der D GmbH). In diesem Fall liegt weiterhin ein Import einer Besteuerungsinkongruenz bei der D GmbH vor, und Deutschland hat hinsichtlich des Abzugsverbots „Vorrang“ gegenüber dem Staat der Muttergesellschaft der D GmbH. Die Gesetzesbegründung ist an dieser Stelle nicht ganz klar.61 Womöglich könnte man vermuten, dass maximal in einer 3-stufigen „Importstruktur“ eine im Ausland erfolgte Gegenberichtigung befreiend wirkt, jedoch noch weiter entfernt erfolgte Gegenberichtigungen das Abzugsverbot nicht mehr ausschließen Eine solche Auslegung sollte allerdings aus Gründen der Konsistenz nicht statthaft sein, denn wenn über beliebig viele Ebenen (Verkettung von Aufwand) ein Import in das Inland stattfinden kann, muss im gleichen Maße diese weite Betrachtung auch für den Gegenbeweis hinsichtlich einer bereits erfolgten Gegenberichtigung im Ausland gelten. Vorzugswürdig dürfte daher ein Verständnis dahingehend sein, dass nur solche Korrekturen, die innerhalb der Verkettung erfolgen, relevant sind und Korrekturen oberhalb der Verkettung dagegen unerheblich bleiben. Erfolgt also zum Beispiel eine Einbeziehung in die Besteuerung oberhalb der Verkettung im Rahmen einer Hinzurechnungsbesteuerung (oder ähnlicher ausländischer Regelungen), bliebe das Abzugsverbot in Deutschland bestehen, obwohl insoweit doch ein Einbezug in die Besteuerung (in einem anderen Staat) erfolgt wäre.62 Ob dies allerdings die zutreffende Sicht darstellt, erscheint mindestens nicht zwingend. Soweit bereits – wo und 60 Vgl. BT-Drucks. 19/28652, 40. 61 Vgl. Grotherr, Ubg. 2020, 377 (391). 62 Vgl. hierzu zB Benz/Böhmer, DK 2020, 240 (264).

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wie auch immer – eine Gegenkorrektur stattgefunden hat, ist eine zusätzliche doppelte Gegenmaßnahme (eigentlich) nicht mehr zu rechtfertigen. Die praktischen Auswirkungen der Regelungen zu den importierten Hybriden können ggf. sehr erheblich sein, da weder die Richtlinie noch das deutsche Umsetzungsgesetz Einschränkungen machen, die eine zielgerichtete eingeschränkte Umsetzung vorsehen. Vielmehr sind im Grundsatz jede konzerninterne Zahlung, sowie alle anderen Aufwendungen, die ein Unternehmen tätigt und die zu einem steuerlichen Abzug führen, betroffen. Denn im Prinzip kann jede Zahlung direkt oder indirekt in eine hybride Gestaltung führen oder aber Teil einer strukturierten Gestaltung, auch mit fremden Dritten, sein. Grenzwertig könnten damit alle getätigten aufwandswirksamen Zahlungen in den Konzern hinein unter einer Art Generalverdacht stehen. Auch Zahlungen an solche fremde Dritte, die dafür bekannt sind oder im Verdacht stehen, strukturierte Gestaltungen (noch) anzubieten, dürften besonderer Aufmerksamkeit unterliegen. Im Grundsatz verlangt die Regelung damit (eigentlich), dass alle Zahlungen und Aufwandsverrechnungen im Konzern darauf zu prüfen wären, ob diese „irgendwo auf der Welt“ in eine hybride Gestaltung hineinlaufen. Dies kann den Stpfl. ggf. in einen Beweisnotstand treiben, da es bekanntlich schwerfällt, den Nachweis darüber zu führen, dass es etwas nicht gibt (im gesamten Konzern keine hybride Gestaltung oder strukturierte Gestaltung und/oder den Nachweis darüber, dass keine Zahlung direkt oder indirekt im Fall des Bestehens einer hybriden Gestaltung in eine solche hybride Struktur direkt oder indirekt hineinfließt). Auch der Nachweis, ob bereits in einem anderen Steuergebiet eine „gleichwertige Anpassung“ dem Grunde und der Höhe nach vorgenommen wurde, dürfte nicht in jedem Einzelfall einfach sein. Weiterhin stellt sich hier die Frage nach der Reihenfolge. Für den Fall, dass mehrere Staaten wegen einer einzigen hybriden, durch mehrere Staaten „quasi im Transitweg“ hindurch importierten Gestaltung ein Abzugsgebot aussprechen, wäre zum einen wohl durch die Staaten zu prüfen, wie hoch die Auswirkungen aus dem hybriden Instrument im Drittstaat sind, und nur dann, wenn die Gegenkorrekturen mehrerer Staaten gemeinsam die Auswirkungen der hybriden Gestaltung übersteigen würden, bestünde wohl im Grundsatz das Gebot, ein „mehrstaatliches“ Abzugsverbot zurückzunehmen. Hierfür müsste aber die hybride Gestaltung und die Hö523

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he ihrer Auswirkungen vollständig transparent offengelegt werden. Weiterhin mag sich im Fall eines mehrstaatlichen Abzugsverbots ein Staat auf den Standpunkt stellen, dass der betreffende Staat „zuerst“ das Abzugsverbot ausgesprochen hätte und daher die anderen Staaten (jeweils) das Abzugsverbot zurücknehmen müssten. Weiterhin erscheint jedenfalls aus fiskalischer Sicht auch noch die Diskussion denkbar, ob der Höhe nach die Strukturen nur dann voll erfasst seien, wenn diese auch der Höhe nach umfassend einbezogen wurden (dh. nicht nur bzgl. der Bemessungsgrundlage, sondern auch bzgl. der Höhe des angewandten Steuersatzes). Als noch weitgehend ungeklärt muss die Frage angesehen werden, ob und in welchem Umfang qualitativ oder quantitativ bzw. zeitlich oder wirtschaftlich in gewissem Maße ein (innerer) Zusammenhang bestehen muss. Grotherr bildet dazu folgendes Beispiel zu der Frage „betragsmäßigen Verkettung“63: aus der im Ausland gegebenen hybriden Struktur ergibt sich ein hybrider Aufwand von „nur“ 80. In das deutsche Inland wird aber mittelbar ein Aufwand von insgesamt 100 (weiter) belastet. Fehlt es nun an jedem Zusammenhang, so dass das Betriebsausgabenabzugsverbot gar nicht zur Anwendung gelangt oder greift dieses iHv. 80?

V. Zusammenfassung/Ausblick/Beurteilung Die Anti Hybrid-Regelungen reagieren auf Minder- oder Nichtbesteuerung im Ausland, die idR Ausdruck einer Hybridität/Inkongruenz sind. Entsprechend komplex sind die Regelungen und deren Anwendung. Da auch mittelbar Beteiligte und auch Aufwandsketten (importierte Hybride) erfasst werden, ist eine umfassende und extrem aufwändige Analyse von Liefer- und Leistungsbeziehungen zum Ausland erforderlich. Der dadurch entstehende Compliance-Aufwand kann erheblich sein. Eine Sicherstellung eines lückenlosen Screenings/Monitorings aller möglichen bzw. denkbaren Fälle dürfte extrem schwerfallen. Für die deutschen Unternehmen drohen hieraus mindestens erhebliche administrative Mehrbelastungen, beginnend bei der Beweisvorsorge, erschwerten Betriebsprüfungen im In- und EU-Ausland, sowie ggf. (noch) mehr Rechtsstreitigkeiten und Doppelbesteuerungsfälle.64 63 Vgl. Grotherr, Ubg. 2020, 377 (391). 64 Diese dürften zumindest teilweise auch darauf beruhen, dass Betriebsprüfungen in Zweifelsfällen lieber gegen den Stpfl. entscheiden und mutmaßlich an der einen oder anderen Stelle eher „einmal zu viel als zu wenig“ von den neu

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Für alle Beteiligten am Besteuerungsverfahren (zuvorderst die Stpfl., aber auch die FinVerw. und Gerichte) stellen diese Regelungen eine große Herausforderung dar. Es ist uns daher zu wünschen, dass die Regelungen mit Augenmaß in der Praxis angewendet werden. So verständlich einerseits der Kampf gegen hybride Strukturen erscheint, muss gleichwohl daran erinnert werden, dass ein Besteuerungsverfahren auch handbar, umsetzbar und gleichmäßig vollziehbar sein muss (praktikabel, administrierbar und justiziabel).65 Die Hybridregelungen führen aber zu Zweifeln, ob dies tatsächlich möglich ist. Entsprechend ergeben sich Fragestellungen hinsichtlich eines strukturellen Vollzugsdefizits einerseits sowie möglicherweise auch bestimmten Überbesteuerungstatbeständen, insbes. bei Versagung von Betriebsausgaben im Inland andererseits, die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit aufkommen lassen könnten. Perspektivisch stellt sich weiterhin die Frage, ob im Fall einer erfolgreichen Einführung von Pillar 1 und insbes. Pillar 2 die praktische Relevanz der Normen zurückgedrängt würde, bzw. deren Anwendungsreichweite stark eingeschränkt oder einige Normen vielleicht auch wieder ganz aus den Gesetzen gestrichen werden könnten; denn unbesteuerte Einkünfte dürfte es dann eigentlich gar nicht mehr geben.

eingeführten Abzugsverboten oder Einbeziehungsgeboten Gebrauch machen wollen. 65 Vgl. Grotherr, Ubg. 2020, 377 (393).

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6. Leitthema: Umsatzsteuerrecht

Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht Dr. Hans-Hermann Heidner Richter am BFH, München I. EuGH v. 12.11.2020 – C-42/19 (Sonaecom SGPS) II. EuGH v. 12.11.2020 – C-734/19 (ITH) III. EuGH v. 17.9.2020 – C-791/18 (Stichting Schoonzicht) IV. BFH v. 27.10.2020 – V R 20/20 (V R 61/17)

V. BFH v. 16.12.2020 – XI R 26/20 (XI R 28/17) VI. Exkurs VII. EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19 (FA für Körperschaften Berlin) VIII. BFH v. 26.5.2021 – V R 22/20 (EuGH-Vorlage)

Im vergangenen Jahr sind vom BFH weniger Entscheidungen zum Umsatzsteuerrecht als in den Vorjahren veröffentlicht worden. Das hat seine Ursache zum einen in der Pandemie, die auch am BFH nicht spurlos vorüber gegangen ist. Zum anderen war die Stelle des Präsidenten von Sommer 2020 bis Januar 2022 vakant; die des Vizepräsidenten ist seit Herbst 2020 unbesetzt. Daneben sind derzeit (September 2022) von elf Vorsitzendenstellen lediglich 9 besetzt, zwischenzeitlich waren es sogar nur sechs. Dass diese Arbeitsbedingungen Sand im Getriebe der Rspr. sind, bedarf keiner näheren Erläuterung. So handelt es sich denn auch bei den hier vorgestellten Entscheidungen überwiegend um Urteile des EuGH oder aber um Folgeentscheidungen des BFH auf EuGH-Urteile.

I. EuGH v. 12.11.2020 – C-42/19 (Sonaecom SGPS) Der Fall spielt in Portugal, Streitjahr ist das Jahr 2005, dh. es kommt noch nicht die MwStSystRL zur Anwendung, sondern noch die 6. EG-Richtlinie. Das ist für die Betrachtung aber unschädlich, weil die maßgeblichen Bestimmungen der MwStSystRL inhaltlich im Wesentlichen mit denen der 6. EG-Richtlinie übereinstimmen und folglich die zur MwStSystRL ergangene Rspr. des EuGH auch für die 6. EG-Richtlinie einschlägig ist. Das Urteil führt zu einer Neubewertung, wenn es zu einer tatsächlichen Verwendung kommt, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

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Heidner, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht Zum Sachverhalt: Die Klägerin ist eine gemischte Holding, die neben ihrer nicht wirtschaftlichen Holdingtätigkeit, die im Halten von Beteiligungen an anderen Gesellschaften besteht und nicht der Mehrwertsteuer unterliegt, auch eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, indem sie bei anderen Beteiligungen entgeltlich in deren Verwaltung eingreift (und damit eine unternehmerische Tätigkeit ausübt). Sie beabsichtigte, eine weitere Gesellschaft zu erwerben, an die sie ebenfalls steuerpflichtige Verwaltungsdienstleistungen erbringen will. Zu einem Erwerb der Gesellschaft kam es nicht.

Der Fall betrifft zwei Problemkreise: Zum einen bezog die Klägerin umsatzsteuerpflichtige externe Beratungsdienstleistungen aus einer Markterkundung im Hinblick auf den beabsichtigten Gesellschaftserwerb. Hieraus ergaben sich Vorsteuern. Daneben erhielt die Klägerin die für den beabsichtigten Gesellschaftserwerb benötigten Mittel durch die Ausgabe einer Anleihe. Für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Organisation, Einrichtung und Absicherung der Ausgabe dieser Anleihe zahlte die Klägerin eine Provision an eine Investitionsbank. Auch hierfür fielen Vorsteuerbeträge an. Da es zu dem Anteilserwerb nicht kam, stellte die Klägerin das mittels der Anleihe eingesammelte Geld ihrer Muttergesellschaft als steuerfreies Darlehen zur Verfügung. Sämtliche Geschäftsvorfälle spielten sich im selben Besteuerungszeitraum (2005) ab. Was die Vorsteuern aus den Beratungsleistungen anbelangt, bleibt es bei dem Grundsatz, dass das Recht auf Vorsteuerabzug auch dann bestehen bleibt, wenn es zu keinem mit dem Eingangsumsatz korrespondierenden Ausgangsumsatz kommt, bei Durchführung des beabsichtigten Ausgangsumsatzes das Recht auf Vorsteuerabzug aber entstanden wäre. Dh. das Recht auf Vorsteuerabzug bleibt grundsätzlich selbst dann erhalten, wenn der Stpfl. später die betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen, die zu dem Abzug geführt haben, aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, nicht im Rahmen besteuerter Umsätze verwendet (EuGH v. 28.2.2018 – C-672/16 [Imofloresmira – Investimentos Imobiliários]). Die Vorbereitungshandlungen der Beratungsfirmen können einer beabsichtigten zukünftigen wirtschaftlichen Tätigkeit (als unternehmerische Führungsholding) zugerechnet werden und berechtigen deshalb zum Vorsteuerabzug. Das ist nichts Neues und entspricht der bisherigen Rspr. Zu den Vorsteuern aus der Ausgabe der Anleihe führt das EuGH-Urteil Sonaecom SGPS zu einer anderen Betrachtung. Das für die geplante, 530

Heidner, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht

zum Vorsteuerabzug berechtigende steuerpflichtige Tätigkeit eingesammelte Geld wurde im selben Besteuerungszeitraum tatsächlich für eine steuerfreie Tätigkeit, nämlich die steuerfreie Darlehensvergabe an die Muttergesellschaft, verwendet. Die beabsichtigte steuerpflichtige Tätigkeit (als unternehmerische geschäftsleitende Holding) und die tatsächliche steuerfreie Verwendung (Darlehensvergabe an die Muttergesellschaft) fallen also auseinander. Damit stellt sich die Frage, ob auf die beabsichtigte oder die tatsächlich später verwirklichte Verwendung der Dienstleistungen abzustellen ist. Der EuGH stellt eindeutig auf die spätere tatsächliche Verwendung ab. Ein Vorsteuerabzugsrecht, das allein aufgrund einer zuvor einmal vorhandenen Absicht des Stpfl., mehrwertsteuerpflichtige Umsätze auszuführen, bestünde und somit die Art der von diesem tatsächlich getätigten Umsätze nicht berücksichtigte, würde gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoßen (EuGH-Urteil Sonaecom SGPS, Rz. 59). Denn der Stpfl. würde gegenüber anderen Unternehmen, die gleichartige Umsätze getätigt haben, einen Wettbewerbsvorteil erhalten. Mit anderen Worten kann eine Verwendungsabsicht nur bedeutsam sein, wenn und soweit es nicht zu einer davon abweichenden Verwendung kommt.

II. EuGH v. 12.11.2020 – C-734/19 (ITH) Der Fall spielt in Rumänien und betrifft die Frage nach den Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung. Zum Sachverhalt: ITH erwarb im Jahr 2006 ein Grundstück mit mehreren alten Gebäuden, das sie nach deren Abriss mit einem Gebäudekomplex mit Büros und Einkaufszentren, die sie später steuerpflichtig vermieten wollte, bebauen wollte. Zur Durchführung dieser Planung bezog sie Leistungen, aus denen sie den Vorsteuerabzug in Anspruch nahm. In der Folge, insbes. vor dem Hintergrund der im Jahr 2008 eingetretenen Wirtschaftskrise, wurde das Projekt zunächst ausgesetzt und später endgültig eingestellt.

Der EuGH hat in seinem Urteil klargestellt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug selbst dann erhalten bleibt, es also zu keiner Berichtigung kommt, wenn der Stpfl. später die betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen, die zu dem Abzug geführt haben, aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, nicht im Rahmen besteuerter Umsätze verwendet. Insofern nimmt der EuGH Bezug auf sein Urteil Imofloresmira – Investimentos Imobiliários v. 28.2.2018 – C-672/16. 531

Heidner, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht

Nur dann, wenn der Steuerpflichtige nicht mehr beabsichtigt, die fraglichen Gegenstände und Dienstleistungen zur Ausführung besteuerter Ausgangsumsätze zu verwenden, oder wenn er sie tatsächlich zur Ausführung steuerbefreiter Umsätze verwendet, wird der enge und unmittelbare Zusammenhang, der zwischen dem Vorsteuerabzugsrecht und der Ausführung (beabsichtigter) besteuerter Umsätze bestehen muss, unterbrochen.

III. EuGH v. 17.9.2020 – C-791/18 (Stichting Schoonzicht) Das Urteil ist zu der in den Niederlanden gesetzlich angeordneten Sofortberichtigung bei einer Nutzungsänderung ergangen. Zum Sachverhalt: Die Klägerin ließ auf einem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück einen aus sieben Wohnungen bestehenden Gebäudekomplex errichten. Die Bauarbeiten begannen im Jahr 2013, die Abnahme des Gebäudes erfolgte im folgenden Jahr. Die Klägerin zog die ihr im Jahr 2013 für die Errichtung des Gebäudes in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer unmittelbar und vollständig als Vorsteuer ab, da das Gebäude zu dieser Zeit für steuerpflichtige Zwecke bestimmt war. Ab dem 1.8.2014 vermietete die Klägerin vier der sieben Wohnungen mehrwertsteuerfrei, während die übrigen drei Wohnungen während des Jahres 2014 unbewohnt blieben.

Deshalb musste sie eine Vorsteuerberichtigung nach Art. 15 Abs. 4 des niederländischen UStG hinnehmen. Darin heißt es: „Wenn sich zu dem Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer die Gegenstände oder Dienstleistungen erstmals verwendet, herausstellt, dass er die diesbezügliche Steuer zu einem größeren oder kleineren Teil abgezogen hat, als er aufgrund der Verwendung der Gegenstände oder Dienstleistungen abzuziehen berechtigt ist, entsteht der Anspruch auf die zu viel abgezogene Steuer von diesem Zeitpunkt an“.

Damit stellte sich die Frage, ob diese gesetzlich angeordnete Sofortberichtigung anstelle einer pro-rata-temporis-Korrektur dem Unionsrecht entspricht. Der EuGH hat diese Frage bejaht, weil Art. 184 und 185 MwStSystRL die Voraussetzungen für eine Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs nur allgemein benennen, ohne zu bestimmen, wie diese Berichtigung zu erfolgen hat, und Art. 186 MwStSystRL zudem ausdrücklich die Mitgliedstaaten mit der Festlegung der Voraussetzungen für die Berichtigung betraut. Die Mitgliedstaaten haben hier also weitgehend freie Hand. Auch die Sonderregelungen für Investitionsgüter in Art. 187–192 MwStSystRL sehen keine zwingende Verpflichtung der 532

Heidner, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht

Mitgliedstaaten zur Anwendung einer pro-rata-temporis-Regelung vor. Eine Sofortberichtigung im Jahr der erstmaligen Verwendung ist demnach unionsrechtskonform; bei einer erneuten Änderung muss ggf. erneut berichtigt werden.

IV. BFH v. 27.10.2020 – V R 20/20 (V R 61/17) Das Urteil ist die Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil Finanzamt Bad Neuenahr-Ahrweiler v. 9.7.2020 – C-374/19. Zum Sachverhalt: Die Klägerin betreibt ein Alten- und Pflegeheim, übt also eine umsatzsteuerfreie Tätigkeit aus. Im Jahr 2003 errichtete sie in einem Anbau eine Cafeteria, die für Besucher durch einen Außeneingang und für Heimbewohner durch den Speisesaal des Pflegeheims zugänglich war. Mit dem Betrieb der Cafeteria führte die Klägerin zu 90 % steuerpflichtige, zu 10 % steuerfreie Umsätze aus. Ab 2009 führte die Klägerin in der Cafeteria keine Warenumsätze mehr aus; die Gewerbeabmeldung erfolgte im Februar 2013. Das FA nahm eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG an, weil überhaupt keine Nutzung für Umsätze mit Recht auf Vorsteuerabzug mehr vorliege.

Einspruch und Klage zum FG hatten keinen Erfolg. Auf die Vorlage des BFH v. 27.3.2019 – V R 61/17 (BFHE 264, 90) hat der EuGH entschieden, dass es zu einer Vorsteuerberichtigung führen kann, wenn bei einem Gegenstand, den der Unternehmer zunächst gemischt für steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze genutzt hatte, die Verwendung für die steuerpflichtigen Umsätze entfällt und der Unternehmer die Verwendung für die steuerfreien Umsätze fortsetzt. Demgegenüber bewirkt der bloße Leerstand ohne Verwendungsabsicht keine Änderung der Verhältnisse. Mit seinem Urteil v. 27.10.2020 – V R 20/20 (V R 61/17) setzt der BFH das EuGH-Urteil um. Hintergrund ist die Bedeutung der unternehmerischen Erfolglosigkeit für den Vorsteuerabzug. Bereits seit 25 Jahren, seit den EuGH-Urteilen INZO v. 29.2.1996 – C-110/94, Ghent Coal Terminal v. 15.1.1998 – C-37/95, Brigitte Breitsohl v. 8.6.2000 – C-400/98 und Schlossstraße v. 8.6.2000 C-396/98 ist die Berechtigung des (erfolglosen) Unternehmers zum Vorsteuerabzug geklärt, wenn zwar die Absicht, steuerpflichtige Umsätze auszuführen, vorhanden ist, es aber gar nicht erst zu Ausgangsumsätzen kommt. Im vorliegenden Fall hingegen geht es um die Frage, ob die Einstellung einer zunächst durchgeführten unternehmerischen Tätigkeit wegen wirtschaftlicher Erfolglosigkeit zu einer Änderung der Verhältnisse und da533

Heidner, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht

mit zu einer Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs führt. Nach dem EuGH-Urteil Imofloresmira – Investimentos Imobiliários v. 28.2.2018 – C-672/16 kann die vom Willen des Unternehmers unabhängige Nichtverwendung ohne weitere Nutzungsabsicht einer Nichtverwendung trotz Absicht einer steuerpflichtigen Nutzung gleichstehen, also weiterhin zum Vorsteuerabzug berechtigen. Daraus mag man den Schluss ziehen können, dass die Einstellung einer unternehmerischen Tätigkeit wegen Erfolglosigkeit zu einer vom Willen des Unternehmers unabhängigen Nichtverwendung in diesem Sinne führt. Das erscheint auch folgerichtig, denn es ist nicht ersichtlich, weshalb die anfängliche unternehmerische Erfolglosigkeit hinsichtlich des Vorsteuerabzugs bessergestellt sein sollte als die nachträgliche Erfolglosigkeit. Das ergibt sich auch aus dem EuGH-Urteil Finanzamt Bad Neuenahr-Ahrweiler, denn die Vorsteuerberichtigung setzt in der vorliegenden Fallgestaltung nach dem EuGH-Urteil voraus, dass anstelle der anteilig steuerpflichtig/steuerfreien Verwendung eine vollständig steuerfreie Verwendung tritt. Die bloße Nichtverwendung ist also unschädlich. Das wirft die Frage auf, ob die Vorlage notwendig war, denn der BFH hat in seinem Urteil V R 20/20 die Sache an das FG zurückgegeben, um zu klären, ob eine komplett steuerfreie Nutzung oder eine teilweise Nichtverwendung vorliegt. Dass die steuerfreie Nutzung zu einer Vorsteuerberichtigung führt, war klar, und dass das bei einer bloßen Nichtnutzung nicht der Fall ist, auch (vgl. EuGH-Urteil Imofloresmira – Investimentos Imobiliários v. 28.2.2018 – C-672/16). Die Zurückverweisung an das FG zur Klärung der tatsächlichen Nutzungsverhältnisse wäre deshalb vielleicht besser ohne die Zwischenschaltung des EuGH erfolgt.

V. BFH v. 16.12.2020 – XI R 26/20 (XI R 28/17) Das BFH-Urteil ist die Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie vom 16.9.2020 – C-528/19. Die Lektüre ist etwas sperrig, weil der BFH das EuGH-Urteil in weiten Auszügen wörtlich zitiert. Das EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie bringt nichts wirklich Neues. Das ist auch nicht möglich gewesen, weil die Vorlagefragen des BFH überflüssig waren. Zum Sachverhalt (etwas vereinfacht): Die Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG ist eine geschäftsführende Holdinggesellschaft. Zwischen ihr und ihren Tochtergesellschaften A-GmbH und B-GmbH besteht eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft. Infolge der Entscheidung des

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Heidner, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht zuständigen Regierungspräsidiums, den Betrieb eines Kalksteinbruchs zu genehmigen, wurde der A-GmbH der Betrieb dieses Steinbruchs unter der Auflage der Erschließung über eine öffentliche Straße der Gemeinde, auf deren Gebiet sich der Steinbruch befindet, gestattet. Da der Abtransport des Kalksteins den Ausbau der Straße erforderte, wurde darüber zwischen der Gemeinde und der A-GmbH eine Vereinbarung geschlossen, mit der sich die Gemeinde zur Planung und zum Ausbau der Gemeindestraße und zu deren uneingeschränkter Zurverfügungstellung an die A-GmbH verpflichtete. Im Gegenzug hatte die A-GmbH sämtliche Kosten im Zusammenhang mit dem Ausbau der Straße zu tragen. Im Jahr 2006 beauftragte die A-GmbH die ausführende B-GmbH mit dem Ausbau der Straße. Ab Dezember 2006 wurde die Straße von den Lastwagen der A-GmbH und von anderen Fahrzeugen genutzt. Die Klägerin zog die in den Eingangsleistungen der B-GmbH enthaltenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer ab.

Das FG entschied, dass die Vorsteuerbeträge aus den Eingangsumsätzen für die Straßenbauarbeiten nicht zu berücksichtigen seien, weil nach der Rspr. des BFH der Unternehmer, der bereits bei Bezug von Eingangsleistungen beabsichtige, die bezogenen Leistungen ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme iSd. § 3 Abs. 1b UStG zu verwenden, nicht zum Vorsteuerabzug der diese Leistungen betreffenden Umsatzsteuer berechtigt sei. Diesem Trugschluss ist der BFH im Revisionsverfahren XI R 28/17 auf den Leim gegangen und hat dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Steht einem Stpfl., der im Auftrag einer Stadt Baumaßnahmen an einer Gemeindestraße vornimmt, der Vorsteuerabzug aus den von anderen Stpfl. bezogenen Leistungen zu? 2. Wenn das der Fall ist, der Anspruch auf Vorsteuerabzug also besteht, liegt dann eine entgeltliche Lieferung von Gegenständen vor, bei der die Genehmigung des Betriebs eines Steinbruchs die Gegenleistung für die Lieferung der Straße ist? 3. Falls ein solcher Leistungsaustausch zu verneinen ist, ist dann die unentgeltliche Übertragung der öffentlich gewidmeten Straße an die Gemeinde einer unentgeltlichen Lieferung von Gegenständen gleichgestellt, obwohl die Übertragung unternehmerischen Zwecken dient? Der Fall betrifft folglich drei Problemkreise: 1. Liegen die Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug vor? 2. Liegt eine entgeltliche Lieferung der Klägerin an die Gemeinde vor? 3. Liegt eine einer Lieferung gegen Entgelt gleichstehende unentgeltliche Zuwendung vor? 535

Heidner, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht

Die erste Vorlagefrage ist entbehrlich gewesen. Der BFH hat die Vorlagefrage damit begründet, dass der Vorsteuerabzug nach nationalem Recht ausscheide, weil „die Klägerin die von der B-GmbH bezogenen Eingangsleistungen zur Ausführung einer unentgeltlichen Lieferung an die Stadt bezogen hat“ (BFH-Urteil Rz. 24). Das ist so nicht richtig. Der EuGH hat in seinem Urteil zutreffend darauf hingewiesen, dass ohne die Arbeiten zum Ausbau der Gemeindestraße der Betrieb des Kalksteinbruchs sowohl praktisch als auch rechtlich unmöglich gewesen wäre und die Klägerin ihre wirtschaftliche Tätigkeit nicht hätte ausüben können, wenn diese Arbeiten nicht durchgeführt worden wären (EuGH-Urteil Rz. 31, 32). Damit hat der erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen den für den Straßenausbau bezogenen Eingangsleistungen und den Ausgangsleistungen der Klägerin im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit „Steinbruchbetrieb“ bestanden. Weshalb der BFH das EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie zum Anlass nimmt, seine zutreffende Rspr., wonach mittelbare Zusammenhänge für das Recht, Vorsteuern abziehen zu können, nicht ausreichen, aufzugeben, bleibt unerfindlich. Der EuGH hat keineswegs entschieden, dass mittelbare Zusammenhänge zwischen Eingangs- und Ausgangsleistungen ausreichen. Im Gegenteil: „Nach ständiger Rechtsprechung muss grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann“ (EuGH-Urteil Rz. 26).

Ausnahmen von dem Grundsatz der Unmittelbarkeit gibt es, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Stpfl. gehören und – als solche – Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Das ist aber nichts Neues, sondern seit vielen Jahren Rspr des EuGH. Der unmittelbare Zusammenhang lag hier aber vor. Das sagt der EuGH ganz deutlich in Rz. 34. Der BFH hat nur „mittelbar“ mit „nicht ausschließlich“ verwechselt, denn die Eingangsumsätze standen in unmittelbarem Zusammenhang mit zwei Verwendungen: der Ermöglichung des Schwerlastverkehrs zum Betrieb des Steinbruchs und der Erfüllung der vertraglichen Pflichten gegenüber der Gemeinde. Auch die zweite Vorlagefrage war entbehrlich, weil der BFH sie selbst hätte beantworten können. Die unionsrechtlichen Grundsätze, nach denen zu bestimmen ist, ob ein entgeltlicher Umsatz vorliegt, waren be536

Heidner, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht

reits vor der Vorlage geklärt. Der EuGH weist im Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie in Rz. 43–45 lediglich noch einmal darauf hin. Wenn die Grundsätze einer Rechtsfrage unionsrechtlich geklärt sind, bedarf es keines EuGH-Urteils, um jede einzelne Sachverhaltsvariante zu entscheiden. Das ist Aufgabe der nationalen Gerichte. Auch die dritte Vorlagefrage hätte keiner Entscheidung des EuGH bedurft. Das ergibt sich aus Rz. 65 des EuGH-Urteils Mitteldeutsche Hartstein-Industrie. Darin beantwortet er die Vorlagefrage mit dem EuGHUrteil Kuwait Petroleum. Auch das hätte der BFH selbst tun können. Der EuGH hat auf die Vorlagen wie folgt geantwortet: 1. Ein Steuerpflichtiger hat ein Recht auf Abzug der Vorsteuer für die zugunsten einer Gemeinde durchgeführten Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße, wenn diese Straße sowohl von diesem Steuerpflichtigen im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit als auch von der Öffentlichkeit benutzt wird, soweit diese Ausbauarbeiten nicht über das hinausgingen, was erforderlich war, um diesem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, seine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, und ihre Kosten im Preis der von diesem Steuerpflichtigen getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind. 2. Die Genehmigung zum Betrieb eines Steinbruchs, die einseitig von einer Verwaltung erteilt wird, ist keine Gegenleistung für Arbeiten, die von einem Steuerpflichtigen ohne Gegenleistung in Geld zum Ausbau einer Gemeindestraße durchführt werden. Diese Arbeiten stellen deshalb keinen „Umsatz gegen Entgelt“ im Sinne der MwStSystRL dar. 3. Die zugunsten der Gemeinde durchgeführten Arbeiten zum Ausbau der Gemeindestraße stellen auch keinen Umsatz dar, der einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichzustellen ist.

VI. Exkurs Sowohl die Vorlage, die zum EuGH-Urteil Finanzamt Bad NeuenahrAhrweiler als auch die, die zum EuGH-Urteil Mitteldeutsche HartsteinIndustrie geführt hat, gibt Anlass, sich die Aufgabenverteilung zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten vor Augen führen. Der EuGH ist dazu da, das Unionsrecht auszulegen, damit es in den Mitgliedstaaten einheitlich angewandt wird. Er ist nicht dazu da, Einzelfälle zu entscheiden. Dh., wenn der EuGH über die Grundsätze eines Problems 537

Heidner, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht

bereits entschieden hat, ist es Sache der nationalen Gerichte, diese Grundsätze auf die zu entscheidenden Fälle anzuwenden und nicht mit jeder kleinen Sachverhaltsvariante wieder nach Luxemburg zu laufen. Das kann der EuGH gar nicht leisten; und das will er offenkundig auch nicht. Anders ist es ja nicht zu verstehen, wenn der EuGH – was gar nicht so selten vorkommt – in einem Urteil dem nationalen Gericht mitteilt, dass es über eine bestimmte Frage selbst hätte entscheiden müssen, er aber – da die Sache nun schon mal auf dem Tisch liegt – dennoch ein paar Auslegungsanregungen geben will. Das ist dann schon etwas peinlich, wenn dem nationalen Gericht vom EuGH mit auf den Weg gegeben wird, dass es seine Auslegungskompetenz unterschritten hat. An dieser Stelle könnte man sich zuweilen etwas mehr Selbstbewusstsein der nationalen Gerichte vorstellen.

VII. EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19 (FA für Körperschaften Berlin) Auch von der Organschaft gibt es Neues zu vermelden. Wir erinnern uns an die divergierenden Vorlageschlüsse des XI. Senats v. 11.12.2019 – XI R 16/18 und des V. Senats v. 7.5.2020 – V R 40/19. Die Entscheidungen des EuGH zu diesen Vorlagebeschlüssen stehen noch aus. Mit dem EuGHUrteil FA für Körperschaften Berlin aber hat der EuGH eine weitere Grundsatzentscheidung zur Organschaft getroffen. Der EuGH hat darin entschieden, dass Art. 11 MwStSystRL einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Möglichkeit für eine Personengesellschaft, zusammen mit dem Unternehmen des Organträgers eine Mehrwertsteuergruppe zu bilden, davon abhängig macht, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die in dieses Unternehmen finanziell eingegliedert sind. Zum Sachverhalt: Aus dem EuGH-Urteil und auch aus dem Vorlagebeschluss des FG Berlin-Brandenburg geht der Sachverhalt nicht ganz eindeutig hervor. Es geht aber um die Frage, ob die PD GmbH & Co. KG (KG) im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft in die A-GmbH eingegliedert war. Gesellschafter der KG waren die A-GmbH als Komplementärin und als Kommanditisten die D-GbR und die natürlichen Personen C, D und E. Mit anderen Worten gehörten zu den Gesellschaftern der KG auch Personen, die finanziell nicht in die A-GmbH eingegliedert waren. Nach dem Gesellschaftsvertrag der KG besaß jeder Gesellschafter, unabhängig von der Höhe der Pflichteinlagen, eine Stimme. Hiervon abweichend besaß die A-GmbH sechs Stimmen. Mit bestimmten Ausnahmen wurden sämtliche Be-

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Heidner, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht schlüsse der KG mit einfacher Mehrheit gefasst. Ab Dezember 2017 handelten die A-GmbH und die KG durch denselben Geschäftsführer. Die KG war in wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht in die A-GmbH eingegliedert und zwischen ihnen bestanden umfangreiche Leistungsbeziehungen. Die KG und die A-GmbH gingen davon aus, dass die KG ab Dezember 2017 auch finanziell in die A-GmbH eingegliedert gewesen sei.

Das FG Berlin-Brandenburg hatte angesichts der unterschiedlichen Rspr. der beiden Umsatzsteuersenate des BFH dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL dahin gehend auszulegen, dass er der Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG entgegensteht, soweit durch diese einer Personengesellschaft (hier: einer GmbH & Co. KG), bei der Gesellschafter neben dem Organträger nicht nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, verwehrt ist, Organgesellschaft im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zu sein? 2. Sofern die Vorlagefrage zu 1. bejaht wird: a) Ist Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL dahin gehend auszulegen, dass er einen Ausschluss von Personengesellschaften rechtfertigen kann, weil bei Personengesellschaften für den Abschluss und die Änderung von Gesellschaftsverträgen nach nationalem Recht kein Formzwang besteht und bei bloß mündlichen Vereinbarungen in Einzelfällen Nachweisschwierigkeiten für das Vorliegen der finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft bestehen können? b) Steht es einer Anwendung des Art. 11 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie entgegen, wenn der nationale Gesetzgeber die Absicht zur Vorbeugung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen nicht bereits bei Erlass der Maßnahme gefasst hat? Zum Hintergrund erinnern wir uns kurz: Im Anschluss an das EuGH Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt C-108/14, C-109/14 hatte sich die Rspr. der beiden Umsatzsteuersenate des BFH auseinanderentwickelt. Den Urteilen des V. Senats V R 25/13, V R 12/14, V R 15/14 zufolge führte das Unionsrecht im Wesentlichen zu keiner gegenüber der bisherigen BFH-Rspr. geänderten Beurteilung. Der XI. Senat hatte demgegenüber in seinen nach den Entscheidungen des V. Senats ergangenen Urteilen v. 19.1.2016 – XI R 38/12 und v. 1.6.2016 – XI R 17/11 zu erkennen gegeben, dass er der Auffassung ist, dass nicht nur eine juristische Person, sondern auch eine GmbH & 539

Heidner, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht

Co. KG Organgesellschaft sein kann. Der V. Senat hatte im Urteil v. 2.12.2015 – V R 25/13 demgegenüber entschieden, dass zwar auch Personengesellschaften als Organgesellschaften in Betracht kommen, allerdings nur dann, wenn bei ihnen neben dem Organträger nur Personen Gesellschafter sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist. Das hat der EuGH nun anders entschieden. Es ist damit schwierig, die Voraussetzungen einer Organschaft rechtssicher zu beurteilen. Es wäre vielleicht das Beste, wenn der Gesetzgeber die Rechtsunsicherheit durch ein Antragsverfahren beenden würde. Entsprechende Überlegungen gibt es in der Verwaltung bereits, aber wohl auch schon seit längerer Zeit.

VIII. BFH v. 26.5.2021 – V R 22/20 (EuGH-Vorlage) Der BFH hat dem EuGH die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Erfasst die Steuerpflicht der Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen gemäß Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL –

nur die isolierte (eigenständige) Vermietung derartiger Vorrichtungen und Maschinen oder auch



die Vermietung (Verpachtung) derartiger Vorrichtungen und Maschinen, die aufgrund einer zwischen denselben Parteien erfolgenden Gebäudeverpachtung (und als Nebenleistung zu dieser) nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL steuerfrei ist?

Zum Sachverhalt: Der Kläger verpachtete Stallgebäude zur Putenaufzucht mit auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen. Es handelte sich dabei um speziell abgestimmte Ausstattungselemente für die vertragsgemäße Nutzung als Putenaufzuchtstall. Die Vorrichtungen dienten der Fütterung in der Putenhaltung, um die Tiere mit einer Industrieförderspirale (vom Silo bis zur speziell entworfenen Futterschale) in der vorgegebenen Zeit zur Schlachtreife aufzuziehen. Heizungs- und Lüftungsanlagen dienten der Sicherung des jeweils erforderlichen Stallklimas (Aufzucht der Küken bei 29 Grad Celsius, Absenkung der Stalltemperatur bis zur fünften Lebenswoche stufenweise auf 20 bis 22 Grad Celsius). Spezielle Beleuchtungssysteme sorgten für eine gleichmäßige Ausleuchtung zur Vermeidung schädlicher Schattenplätze. Man sollte sich also keine allzu romantischen Vorstellungen von moderner Landwirtschaft machen.

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Heidner, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht

Der Kläger ging davon aus, dass seine Leistung bei der Verpachtung der Stallgebäude zur Putenaufzucht mit den auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen insgesamt umsatzsteuerfrei sei. Es lag hierfür ein einheitliches Entgelt vor, das nach den vertraglichen Regelungen nicht auf die Überlassung des Stalls einerseits und der Vorrichtungen und Maschinen andererseits aufgeteilt war. Demgegenüber vertrat das FA die Auffassung, dass das einheitlich vereinbarte Pachtentgelt nach Maßgabe der beim Kläger entstehenden Kosten zu 20 % auf die Vorrichtungen entfalle und insoweit umsatzsteuerpflichtig sei. Das FG gab der Klage statt. Nach seinem Urteil liegt eine insgesamt und damit auch im Umfang der Verpachtung der eingebauten Vorrichtungen und Maschinen steuerfreie Leistung vor. Steuerfrei ist nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ua. die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken. Von dieser Steuerfreiheit ausgeschlossen sind nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG aber ua. die Vermietung und die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind. Unionsrechtlich ist nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Umsatzsteuer befreit. Von der Befreiung ausgeschlossen ist gem. Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen. Aus welchem Grund auch immer wird in Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL die Vermietung und Verpachtung befreit, in Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL hiervon nur die Vermietung von Vorrichtungen ausgenommen. Der BFH geht im Vorfeld der eigentlichen Vorlage davon aus, dass –

es kein Problem ist, dass nur der Stall, nicht aber das Grundstück verpachtet wurde, weil sich nach dem EuGH-Urteil Maierhofer v. 16.1.2003 – C-315/00 die Steuerfreiheit auch auf die Vermietung (oder Verpachtung) eines „Gebäudes allein“ erstreckt;



Wegen der unterschiedlichen Sprachfassungen auch nicht zwischen Vermietung und Verpachtung zu unterscheiden sei, zumal der EuGH in seinem Urteil Mailat die Steuerfreiheit der Verpachtung bejaht, ohne diese zur Vermietung abzugrenzen.

Das Problem ist, dass ein einheitlicher Umsatz bestehend aus der für sich betrachtet (nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL) steuerfreien Gebäudeverpachtung und einer (aufgrund des Zusammenhangs mit 541

Heidner, Rechtsprechungs-Highlights zum Umsatzsteuerrecht

dieser Gebäudeverpachtung als Nebenleistung) ebenfalls steuerfreien Verpachtung von Vorrichtungen und Maschinen vorliegt. Das folgt aus dem EuGH-Urteil Mailat v. 19.12.2018 – C-17/18 zur Verpachtung eines Restaurants. Die Steuerpflicht könnte sich also nur aus Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL ergeben. Bedeutsam für die Entscheidung sind die Voraussetzungen eines einheitlichen Umsatzes: Bei einem wirtschaftlichen Vorgang, der ein Leistungsbündel darstellt, ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, um zu ermitteln, ob sich ihm eine oder mehrere Leistungen entnehmen lassen. Eine einheitliche Leistung liegt dann vor, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Stpfl. für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden. Auch dann stellt ein wirtschaftlicher Vorgang eine einheitliche Leistung dar, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile dagegen als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. So ist eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Der BFH sieht in der Verpachtung der Vorrichtungen eine Nebenleistung zur steuerfreien Stallvermietung. Man könnte auch dem Gedanken an eine eigenständige (steuerpflichtige) komplexe Leistung nähertreten, weil die Überlassung dieser spezialisierten und hochtechnisierten Einrichtungen nicht hinter die bloße Stallverpachtung zurücktritt. Wenn man aber von einer Nebenleistung ausgeht, stellt sich nicht zwingend die Vorlagefrage. Dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL für den einen Leistungsbestandteil Steuerfreiheit, Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL für den anderen Leistungsbestandteil dagegen Steuerpflicht anordnet, ist nichts Besonderes. Die Frage nach der einheitlichen Leistung stellt sich typischerweise ja gerade erst, wenn für die Bestanteile einer Leistung unterschiedliche Regelungen gelten.

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Umsatzsteuer: Aktuelles aus der Finanzverwaltung Robert C. Prätzler Steuerberater, Frankfurt Mathias Szabó Regierungsrat, Düsseldorf 1 I. Einführung II. Zukunft der umsatzsteuerlichen Organschaft 1. Zum Hintergrund 2. Kurze Darstellung der Vorlageverfahren des BFH 3. Eckpunkte des Antragsverfahrens III. Erste Erfahrungen zum „Digitalpaket“ 1. Zum Hintergrund 2. Praktische Probleme bei Onlinehändlern mit grenzüberschreitenden FulfillmentStrukturen 3. Probleme bei der Abschaffung der 22-Euro-Freigrenze IV. BMF-Schreiben zum Leistungsort bei Veranstaltungsleistungen 1. Hintergrund 2. Änderungen durch den EuGH 3. Inhaltliche Regelungen des BMF-Schreibens 4. Übergangsregelung 5. Beispiel V. BMF-Schreiben zu Garantieleistungen 1. Zum Hintergrund 2. Inhalte der BMF-Schreiben

a) Grundsatz: Entgeltliche Zusage einer Reparatur durch den Verkäufer ist Versicherungsverhältnis b) Ausnahme: Vollwartungsvertrag c) Sonderfall: Versicherungsvertrag mit einem Dritten d) Keine Nebenleistungen e) Kein Vorsteuerabzugsrecht f) Übergangsfrist 3. Auswirkungen und unklare Punkte a) Mehrbelastung der Unternehmen b) Unklarer Anwendungsbereich c) Nebenleistungen und möglicher Konflikt Umsatzsteuer – Versicherungsteuer VI. BMF-Schreiben zu Aufsichtsratsvergütungen vom 8.7.2021 1. Zum Hintergrund 2. Inhalte des BMF-Schreibens a) Grundsatz: keine Selbständigkeit bei Festvergütung b) Variable Vergütungskomponenten c) 10-Prozent-Grenze bei teilweise variabler Vergütung d) Beamte und ähnliche Fälle e) Übergangsregelung

1 Der Beitrag wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.

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Prätzler/Szabó, Umsatzsteuer: Aktuelles aus der Finanzverwaltung 3. Offene Fragen und Problemfelder a) Auffassung des EuGH und BFH b) Leistungszeitpunkt c) Nachträgliches Überschreiten der 10 %-Grenze 4. Zwischenzeitlich ergangenes weiteres BMF-Schreiben VII. BMF-Schreiben zur Konsignationslagerregelung (§ 6b UStG) vom 10.12.2021 1. Zum Hintergrund 2. Inhalte des BMF-Schreibens a) Grundsätze b) Beförderung oder Versendung der Ware c) Lagervertrag d) Unveränderte Lieferung der Ware e) Verhältnis zur bisherigen BFH-Rechtsprechung f) 12-Monats-Frist g) Ersetzen eines vorgesehenen Erwerbers

h) i) j) k) l) m)

Begriff des „Lagers“ Schwund und Diebstahl Aufzeichnungspflichten Reihengeschäfte Kommissionäre Keine Kombination mit steuerfreier Einfuhr n) FIFO-Verfahren o) Lieferant aus Drittstaat p) Besonderheiten im Verhältnis zum Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland q) Anwendungsfristen 3. Offene Fragen und Problemfelder a) Rückwirkende Registrierung b) Uneinheitliche Auslegung in den Mitgliedstaaten c) Betriebstätte bei Lagersachverhalten VIII. Fazit

I. Einführung Auch im Jahr 2021 wurden eine Reihe wichtiger, teilweise bereits länger erwarteter BMF-Schreiben veröffentlicht. Der folgende Beitrag stellt die wesentlichen Elemente einiger dieser Schreiben vor und ordnet sie in den rechtlichen Gesamtzusammenhang ein. Zudem werden im Beitrag erste Erfahrungen und Probleme mit bereits in Kraft getretenen Gesetzesänderungen („Digitalpaket“) dargestellt und ein Ausblick gegeben, wo – insbes. vor dem Hintergrund der für 2022 erwarteten EuGH-Rspr. – die Zukunft der umsatzsteuerlichen Organschaft liegen könnte.

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II. Zukunft der umsatzsteuerlichen Organschaft 1. Zum Hintergrund Die geltenden gesetzlichen Vorgaben zur umsatzsteuerlichen Organschaft führen sowohl für den Unternehmer als auch für die FinVerw. regelmäßig zu Unsicherheiten bei der Bestätigung des Vorliegens einer Organschaft. Insbesondere die geforderten Eingliederungsmerkmale bedürfen immer wieder einer neuen einer Auslegung und führen in vielen Fällen zu rückwirkenden Änderungen der Umsatzsteuerfestsetzungen, Rechnungslegung und Verbuchung. Rechtssicherheit für alle Beteiligten soll bereits seit Längerem durch die Ergänzung eines Antragswahlrechts erzielt werden. In diesem Rahmen soll die umsatzsteuerliche Organschaft grundlegend reformiert werden. So empfahl der Bundesrechnungshof dem BMF bereits im Juni 2015,2 die Unkenntnis der Steuerverwaltung über die Zusammensetzung der Organkreise möglichst bald zu beseitigen. Sofern das Rechtsinstitut der Organschaft bestehen bleibe, sei es erforderlich, dem Organkreis eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu vergeben. Außerdem sollte das BMF eine Organschaft nur auf Antrag des Organträgers zulassen (sog. Antragsverfahren) und mit einem Feststellungsverfahren verbinden. Daher plant die Bundesregierung ein Antragsverfahren einzuführen, wonach eine umsatzsteuerliche Organschaft möglichst nur auf Antrag und durch eine entsprechende Bestätigung der FinVerw. über das Vorliegen der rechtlichen Kriterien entstehen kann.3 Dieser Vorstoß ist begrüßenswert, nachdem auch noch zahlreiche weitere anhängige Verfahren und Vorlagebeschlüsse an den EuGH zur umsatzsteuerlichen Organschaft offen sind.4

2. Kurze Darstellung der Vorlageverfahren des BFH Die Arbeiten der Bundesregierung zur Reform sind zunächst ins Stocken geraten. Grund hierfür sind zwei Vorlagen des BFH an den EuGH. 2 Bericht des BRH an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO zur Transparenz bei der Zusammensetzung umsatzsteuerlicher Organkreise v. 14.6.2018 – VIII 2 – 2016 – 0981. 3 vgl. „Paket für Bürokratieerleichterungen“ der Bundesregierung v. 13.4.2021, www.bundesregierung.de. 4 https://www.roedl.de/themen/umsatzsteuer-organschaft-personengesellschaftgesellschafter-unionsrechtswidrig-ustae.

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Der XI. Senat5 stellt grundsätzlich in Frage, ob die nationale Regelung, den Organträger als alleinigen Steuerschuldner für sämtliche wirtschaftliche Tätigkeiten des Organkreises zu bestimmen, unionsrechtskonform ist. Der V. Senat6 sah sich durch den gestellten Vorlagebeschluss des XI. Senats des BFH veranlasst, ebenfalls an den EuGH heranzutreten. Im Gegensatz zum XI. Senat hält es der V. Senat für vertretbar, nur ein Mitglied der unionsrechtlichen Umsatzsteuergruppe – in Deutschland nur den Organträger – als Steuerschuldner zu bestimmen. Zudem sieht der V. Senat die aktuelle nationale Regelung im Vergleich zu einer Gruppenbesteuerung als zielführendere Verwaltungsvereinfachung an. Die Alternative in Form einer eigenständigen Umsatzsteuergruppe iS einer „fiktiven Einrichtung“, die bislang weder zivil- noch steuerrechtlich als Subjekt existiere, ist aus Sicht des V. Senats komplexer. Die Entscheidung des EuGH und die Auswirkung auf die umsatzsteuerliche Organschaft sind im Ergebnis nicht absehbar. Die Schlussanträge der Generalanwälte in den Verfahren sind am 13.1.2022 (zum Verfahren des XI. Senats) und am 27.1.2022 (zum Verfahren des V. Senats) ergangen. Je nach Ausgang der anhängigen EuGH-Verfahren könnten Haushaltsrisiken in Milliardenhöhe drohen.

3. Eckpunkte des Antragsverfahrens Nach dem Reformkonzept soll eine Umsatzsteuergruppe künftig nur auf Antrag der Stpfl. bestehen. Mehrere bisherige Unternehmer können sich zusammenschließen und (gemeinsam) erklären, die umfängliche Haftung füreinander zu übernehmen. Mit dem Lösungsansatz soll auch der höchstrichterlichen Rspr. Rechnung getragen werden. Nach Auffassung der KOM bestehen gegen ein Antragsverfahren grundsätzlich keine Bedenken. Auch der EuGH sah in seinem letzten Urteil zur organschaftlichen Eingliederung einer Kommanditgesellschaft7 unter Be5 BFH v. 11.12.2019 – XI R 16/18, BFHE 268, 240 = GmbHR 2020, 553 m. Anm. Scholz/Fetzer = ZIP 2020, 2240; Az. des EuGH: C-141/20. 6 BFH v. 7.5.2020 – V R 40/19, BFHE 270, 166 = GmbHR 2020, 909; Az. des EuGH: C-269/20. 7 EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19, ZIP 2021, 2020 = UR 2021, 392.

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zugnahme auf seine bisherige Rspr.8 ausdrücklich eine Bewilligung der FinVerw. zur Bildung einer Mehrwertsteuergruppe als eine Möglichkeit, Rechtssicherheit zu erlangen. Eine solche Bewilligung und der schriftliche Nachweis der Eingliederungsvoraussetzungen würden auch seiner Ansicht nach Rechtsunsicherheiten von vornherein verhindern und zugleich einen wirksamen Schutz vor Missbräuchen bieten. Es müssen nach Art. 11 MwStSystRL jedoch in jedem Fall enge wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Beziehungen zwischen den Beteiligten gegeben sein, um überhaupt eine Umsatzsteuergruppe bilden zu können. Diese Merkmale sind für Zwecke der Umsatzsteuer unionsrechtlich unabhängig vom nationalen Zivilrecht auszulegen. Die neue gesetzliche Regelung sollte daher zwingend Formulierungen zu den Verbundenheitskriterien enthalten, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Das Konzept böte den Unternehmen und der Verwaltung zwar mehr Rechtssicherheit, ist aber gleichwohl auch fiskalisch bedacht, da mit dem Antragsrecht eine gesamtschuldnerische Steuerschuldnerschaft aller Mitglieder der Umsatzsteuergruppe verknüpft sein wird.

III. Erste Erfahrungen zum „Digitalpaket“ 1. Zum Hintergrund Durch umfangreiche Änderungen und Ergänzungen des UStG im Jahressteuergesetz9 wurde mit Wirkung zum 1.4.2021 bzw. 1.7.2021 die zweite Stufe des sog. „Mehrwertsteuer-Digitalpakets“ umgesetzt,10 die insbes. Folgendes beinhaltet: Änderungen beim Versandhandel an Privatpersonen: –

Ziel: Steuervereinfachung,



bisher: Versteuerung im Abgangsstaat, nur bei Überschreiten der (je Staat individuellen) Lieferschwelle (zwischen 35.000 und 100.000 EUR/Staat) Besteuerung im Bestimmungsstaat,



neu: Besteuerung stets (grds. ab dem 1. EUR) im Bestimmungsstaat,

8 EuGH v. 30.4.2020 – C-661/18 (CTT – Correios de Portugal), UR 2020, 648 Rz. 35. 9 Jahressteuergesetz 2020 v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. 10 Zur Umsetzung der ersten Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets vgl. BMF v. 14.12.2018 – III C 3 - S 7117-j/18/10002 – DOK 2018/1031145, BStBl I 2018, 1429; zur Umsetzung der zweiten Stufe zum 1.7.2021 vgl. BMF v. 1.4.2021 – III C 3 - S 7340/19/10003:022 – DOK 2021/0382933, UR 2021, 368.

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neue unionsrechtliche Begrifflichkeit „Fernverkauf“: grenzüberschreitende, EU-interne Warenbewegung an Privatpersonen (B2CUmsatz),



Folge: viele deutsche Unternehmer, die bisher (bei Nichtüberschreiten der Lieferschwellen) ausschließlich deutsche USt. berechneten, müssen nunmehr ihre Versandhandelsumsätze mit der jeweiligen ausländischen USt. zum im Bestimmungsstaat geltenden Steuersatz berechnen und die Steuer dort abführen,



positiv: keine „Schattenbuchhaltung“ mehr notwendig zur Überprüfung, ob die Summe der Umsätze in einen bestimmten Staat die dort geltende Lieferschwelle überschreitet und deshalb (nur) für diese Umsätze die ausländische Steuer berechnet werden muss,



negativ: Unübersichtlichkeit der verschiedenen Steuersätze der Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Begünstigungen (teilweise 2 ermäßigte Steuersätze pro Staat); bei einheitlichen Bruttopreisen im Onlineshop des Unternehmers verbleiben ihm je nach Versandland unterschiedliche Nettobeträge.

Ausweitung des „One-Stop-Shops“ (Einortregistrierung, OSS) –

Ziel: Steuervereinfachung,



Szenario: damit die Unternehmer sich nicht in sämtlichen Mitgliedstaaten registrieren müssen, um Ihre aus der og. Fernverkaufsregelung bestehenden ausländischen Erklärungspflichten zu erfüllen, wird die bisher nur für elektronische Dienstleistungen mögliche „Kleine Einortregistrierung“ (Mini-One-Stop-Shop, MOSS) auch auf Fernverkäufe ausgedehnt (nunmehr „Einortregistrierung“ – One-Stop-Shop, OSS),



Folge: deutsche Unternehmer (ausländische entsprechend in ihrem Ansässigkeitsstaat) können sämtliche ausländischen Umsatzsteuern aus den Fernverkäufen zentral beim Bundeszentralamt für Steuern elektronisch erklären (wie eine „EU-Umsatzsteuer-Voranmeldung“) und in einem Betrag dorthin zahlen; BZSt. sendet die Umsatzdaten elektronisch an die betreffenden Staaten und teilt das erhaltene Geld entsprechend auf die Staaten auf,



positiv: keine weiteren Registrierungspflichten mehr in der EU durch Fernverkäufe,



negativ: Unübersichtlichkeit der verschiedenen Steuersätze der Mitgliedstaaten bleibt; Prüfungsrecht verbleibt bei den jeweiligen Staaten, in denen der Umsatz ausgeführt worden ist.

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Einführung eines neuen Import-One-Stop-Shops (IOSS) –

Ziel: Steuervereinfachung, Verhinderung Steuerausfall,



Szenario: Unternehmer (D/EU/Drittland) führen Gegenstände unter 150 EUR Sachwert in die EU aus dem Drittland ein, um sie an Privatpersonen zu verkaufen (B2C),



bisher: Einfuhr aus Drittland (Einfuhrumsatzsteuer), Vorsteuerabzug der EUSt., Besteuerung des deutschen Weiterverkaufs (wenn nicht hinterzogen),



neu: Unternehmer lässt sich für IOSS registrieren, bekommt eigene Registrierungsnummer „IMDE123456789“,



Vereinfachung: Unternehmer gibt beim Import seine IMDE-Nr. an R Einfuhr ist EUSt.-frei; Besteuerung des innerstaatlichen Weiterverkaufs wird im IOSS erklärt und ist durch Datenaustausch Zoll R IOSS sichergestellt,



Vorteil: Vereinfachung für Unternehmen, weniger Steuerausfall durch Datenaustausch,



damit einher geht: Abschaffung der bisherigen 22 t-Freigrenze bei der Einfuhrumsatzsteuer.

Einbeziehung von elektronischen Marktplätzen in die Umsatzversteuerung –

Ziel: Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung,



Szenario: Unternehmer aus Drittland (zB China) verkauft Gegenstände über elektronischen Marktplatz (zB Amazon Marketplace) an Privatpersonen (B2C); Ware lagert bereits im Inland zum schnellen Versand (zB im Amazon-Lager im Rahmen des „Fulfillment“),



bisher: Drittländer führt keine deutsche USt. ab, Finanzbehörden können nicht vollstrecken, Steuerausfall,



neu: Marktplatzbetreiber wird im Rahmen einer Fiktion selbst als Lieferer behandelt und damit Steuerschuldner für die zivilrechtliche Lieferung des Drittländers an den Endkunden; Drittländer schuldet keine Umsatzsteuer mehr und kann damit keine Umsatzsteuer mehr hinterziehen.

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2. Praktische Probleme bei Onlinehändlern mit grenzüberschreitenden Fulfillment-Strukturen Neben Maßnahmen wie der Einbeziehung von Betreibern elektronischer Schnittstellen in fiktive Lieferketten, der Einführung eines neuen sogenannten Import-One-Stop-Shop-Verfahrens oder einer Sonderregelung zur Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt.) wird insbes. die Vereinheitlichung der Lieferschwellen weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Zukünftig müssen alle Lieferungen an Endverbraucher innerhalb der EU im Bestimmungsland versteuert werden, insofern nicht der Ausschlusstatbestand der Umsatzschwelle iHv. 10.000 Euro Anwendung findet. In der Praxis wird somit in den allermeisten EU-Staaten, in die die Lieferung eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs erfolgt, eine Steuerpflicht entstehen. Zur Reduzierung der daraus resultierenden Bürokratie wurde das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren erweitert. Mithilfe des sogenannten One-Stop-Shop-Verfahrens können Unternehmer nun beispielsweise unabhängig von ihrer Ansässigkeit die USt. für innergemeinschaftliche Lieferungen anmelden und entrichten. Bislang (Stand: 6.8.2021) wurden 23.638 Unternehmer für das Verfahren OSS EU-Regelung und 174 Unternehmer für das Verfahren OSS NichtEU-Regelung vom BZSt. registriert. Onlinehändler, die auf grenzüberschreitende Fulfillment-Strukturen setzen, werden aus Sicht der Fragesteller trotz dieser Digitalisierung des Verfahrens nach wie vor mit umsatzsteuerrechtlich ausgesprochen anspruchsvollen Fragestellungen und Tatbeständen konfrontiert werden, die sich bislang regelmäßig nicht über die Schnittstellen des One-StopShops abbilden lassen. Aus Sicht der Praxis ist das Umsatzsteuer-Digitalisierungspaket damit bereits zum Zeitpunkt seiner Einführung zumindest teilweise veraltet.

3. Probleme bei der Abschaffung der 22-Euro-Freigrenze Zum Juli 2021 wurde zudem die bisherige Freigrenze von 22 Euro für die Einfuhr von Waren nach Deutschland aus Drittländern abgeschafft. Anders als bisher fallen damit grundsätzlich auf alle Sendungen von Waren EUSt. an, auch wenn deren Sachwert nicht höher als 22 Euro ist. Hierauf wird nur dann verzichtet, wenn der Warenwert so gering sein sollte, dass die anfallende EUSt. weniger als einen Euro beträgt. Fortan müssen 550

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grundsätzlich für alle Sendungen aus einem Drittland Zollanmeldungen abgegeben werden. Bislang (Stand: 6.8.2021) wurden 428 Unternehmer und 81 im Auftrag handelnde Vertreter zur Teilnahme am Import-OneStop-Shop vom BZSt. registriert. Um dem hieraus resultierenden Mehraufwand begegnen zu können, verweist der Zoll auf die Entwicklung einer neuen Fachanwendung. Mithilfe von ATLAS-IMPOST sollen Unternehmen und Privatpersonen, die sich bei der zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtlichen Abwicklung für ihre bestellten Sendungen nicht vertreten lassen wollen, auf elektronischem Weg Informationen austauschen. Die Inbetriebnahme ist für den 15.1.2022 vorgesehen,11 und damit planmäßig über ein halbes Jahr nach Wegfall der Umsatzsteuerbefreiung für die Einfuhr von Kleinsendungen. Gleichzeitig erwartet der Zoll Sendungen in dreistelliger Millionenhöhe, worauf die bisherige Zollsoftware nicht ausgelegt ist.12 Seit dem 1.7.2021 wurden beim Zoll bisher ca. 1,3 Mio. Sendungen mit einem Sachwert bis 22 EUR nach den neuen Vorschriften angemeldet. Aus Sicht der Praxis ist es unverständlich, weshalb nur mit solcher Verspätung auf die Aufhebung der Steuerbefreiung reagiert wird, deren technische Umsetzungsdetails bereits seit dem Jahr 2018 bekannt sind.

IV. BMF-Schreiben zum Leistungsort bei Veranstaltungsleistungen 1. Hintergrund Die Einräumung der Eintrittsberechtigung zu kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sportlichen, unterhaltenden oder ähnlichen Veranstaltungen, wie Messen und Ausstellungen, sowie die damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen an einen Unternehmer, wird an dem Ort erbracht, an dem die Veranstaltung tatsächlich durchgeführt wird.13

11 vgl. Zoll, ATLAS-IMPOST (Importabfertigung von Post- und Kuriersendungen). 12 vgl. Paket da!, Zoll vertrödelt 1.7.2021, 14.5.2021; Wirtschaftswoche, Wenn der Postmann am 1. Juli klingelt und sechs Euro Servicegebühr verlangt, 28.6.2021. 13 § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG.

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Nach bisherige Auffassung der FinVerw. setze diese Ortsregelung bei Veranstaltungen des Unterrichts und der Wissenschaft voraus, dass die Veranstaltung für die Öffentlichkeit allgemein zugänglich war.14

2. Änderungen durch den EuGH Der EuGH hat in seinem Urteil „srf konsulterna“ vom 13.3.201915 sowie die Generalanwältin in ihren dazugehörigen Schlussanträgen16 Ausführungen zu dieser Ortregelung getroffen. Danach biete Art. 53 MwStSystRL keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Begriff „Eintritt“ voraussetze, dass die Veranstaltungen zumindest teilweise der Allgemeinheit oder einer Gruppe unbekannter, anonymer Kunden zugänglich sein müssten. Auf welcher Grundlage sich das Wesen der fraglichen Dienstleistung dadurch in die Gewährung einer „Eintrittsberechtigung“ verwandeln solle, dass einem unbekannten Kunden die Teilnahme an einem Lehrgang ermöglicht werde, der Verkauf derselben Dienstleistung an einen im Voraus bekannten Kunden aber nicht unter diesen Begriff fallen soll, wurde durch die Generalanwältin nicht erkannt. Die Generalanwältin erklärte ergänzend dazu, dass Art. 53 MwStSystRL nur Tätigkeiten erfasse, die die körperliche Anwesenheit des Kunden erfordern.17 § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG gilt somit nicht in Fällen der OnlineTeilnahme.

3. Inhaltliche Regelungen des BMF-Schreibens Da Die Verwaltung hat bezüglich der og. Rspr. mit BMF-Schreiben vom 9.6.2021 ihre bisherige Sichtweise angepasst. Der EuGH bestimmt in seinem Urteil vom 13.3.2019 eigentlich, dass eine (erforderliche) im Voraus erfolgte Anmeldung und Bezahlung für Vorträge für die Anwendung des Art. 53 MwStSystRL unerheblich ist.18 Da die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen jedoch Ausführungen zu der physischen Anwesenheit und der allgemeinen Zugänglichkeit zu Veranstaltungen trifft, wurde das EuGH-Urteil zum Anlass genommen, 14 Abschn. 3a.6. Abs. 13 Satz 3 Nr. 3 Satz 1 UStAE aF. 15 EuGH v. 13.3.2019 – C-647/17 (Srf consulterna), UR 2019, 344. 16 Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston v. 10.1.2019, Rechtssache C-647/17, Rz. 64, curia.europa.eu. 17 Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston v. 10.1.2019, Rechtssache C-647/17, Rz. 40, curia.europa.eu. 18 EuGH v. 13.3.2019 – C-647/17 (Srf consulterna), UR 2019, 344 Rz. 35.

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die Verwaltungsauffassung dahingehend anzupassen bzw. zu ergänzen. Das BMF-Schreiben trifft aufgrund des Zusammenhangs zu § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG nur Aussagen zu Veranstaltungsleistungen im B2B-Bereich. Werden die Veranstaltungen an Nichtunternehmer erbracht, also im B2C-Bereich, besteht jedoch eine gleichlautende Regelung, dass die Veranstaltungsleistungen dort ausgeführt werden, wo sie vom Unternehmer tatsächlich erbracht werden.19 Die FinVerw. hat es jedoch bis jetzt offen gelassen, ob sich das Merkmal der physischen Anwesenheit des Leistungsempfängers auch auf § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG bezieht. Im Fall der Online-Teilnahme an einer Veranstaltung könnte jedoch auch noch eine Abgrenzung zu auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen iSd. § 3a Abs. 5 UStG erforderlich werden. Die Besteuerung der Veranstaltungsleistungen im Veranstaltungsland sicherzustellen, erscheint vor dem Hintergrund der Nutzung und Belastung der dortigen (öffentlichen) Infrastruktur schlüssig. Bei einer OnlineVeranstaltung erfolgt eine Belastung dieser Infrastruktur jedoch nicht, so dass eine Nicht-Anwendung der Ortsregelung des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG schlüssig erscheint. Eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung ist eine Leistung, die über das Internet erbracht wird und deren Erbringung in hohem Maße auf Informationstechnologie angewiesen ist; dh. die Leistung ist im Wesentlichen automatisiert, wird nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erbracht und wäre ohne Informationstechnologie nicht möglich.20 Für eine Differenzierung wird regelmäßig der konkrete Einzelfall betrachtet werden.

4. Übergangsregelung Im Nachgang zum og. BMF-Schreiben wurde festgestellt, dass eine Umsetzung mit sofortiger Wirkung in der Praxis nicht möglich ist. Um den Unternehmen ausreichend Zeit für die Umsetzung der neuen Regelungen zu geben, hat die Verwaltung mit BMF-Schreiben vom 19.8.2021 eine Nichtbeanstandungsregelung eingeführt. Hiernach gilt ergänzend zum og. BMF-Schreiben vom 9.6.2021 Folgendes: Hinsichtlich der Bestimmung des Ortes der sonstigen Leistung nach § 3a Absatz 3 Nummer 5 UStG wird es für vor dem 1.1.2022 ausgeführte 19 § 3 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG, Art. 54 MwStSystRL. 20 Abschn. 3a.12 Abs. 1 Satz 1 UStAE; Art. 7 sowie Anhang I der MwStVO.

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Leistungen, die nicht für die Öffentlichkeit allgemein zugänglich sind, nicht beanstandet, wenn die Beteiligten übereinstimmend zur Leistungsortbestimmung Abschnitt 3a.6 Abs. 13 Satz 3 Nr. 3 und Beispiel 2 UStAE aF anwenden, der durch das BMF-Schreiben vom 9.6.2021 eigentlich gestrichen worden ist: […] 3Zu den Eintrittsberechtigungen gehören insbesondere (vgl. Artikel 32 Abs. 1 und 2 der MwStVO) […] 3. das Recht auf Zugang zu der Allgemeinheit offen stehenden Veranstaltungen auf dem Gebiet des Unterrichts und der Wissenschaft, wie beispielsweise Konferenzen und Seminare. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer selbst oder ein Arbeitnehmer an der Veranstaltung teilnimmt und das Entgelt vom Unternehmer (Arbeitgeber) entrichtet wird. […] Beispiel 2: Die international tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W mit Sitz in Berlin beauftragt den Seminarveranstalter S mit Sitz in Salzburg (Österreich) mit der Durchführung eines Inhouse-Seminars zum aktuellen Umsatzsteuerrecht in der Europäischen Union in Salzburg. An dem Seminar können nur Mitarbeiter der W teilnehmen. Das Seminar wird im Januar 2011 durchgeführt. Es nehmen 20 Angestellte des W teil. Da das Seminar nicht für die Öffentlichkeit allgemein zugänglich ist, fällt der Umsatz nicht unter die Eintrittsberechtigungen nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG. Der Leistungsort ist nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG am Sitzort der W in Berlin.

Klarstellend weist die Verwaltung darauf hin, dass Abschn. 3a.7a Abs. 1 Satz 4 UStAE Eine Veranstaltung im Sinne des § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG erfordert die physische Anwesenheit des Leistungsempfängers bei dieser; die Vorschrift gilt daher nicht in Fällen der Online-Teilnahme des Leistungsempfängers.

dagegen weiterhin in allen offenen Fällen anzuwenden ist.

5. Beispiel Unternehmer A bietet Unterrichtsseminare gegenüber anderen Unternehmern an. –

Das Seminar wird in Unterrichtsräumen in Bonn angeboten. Teilnahmebeschränkungen gibt es nicht.



Das Seminar wird in Unterrichtsräumen in Bonn angeboten. An dem Seminar können nur Mitarbeiter des Unternehmers B aus Luxemburg teilnehmen.

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Das Seminar wird ausschließlich Online angeboten. Der Leistungsempfänger hat seinen Sitz in Österreich. Der Vortragende ist zum Zeitpunkt seines Vortrages in Spanien.

Lösung: Es liegt jeweils eine unterrichtende Veranstaltung vor. –

Die Veranstaltung wird tatsächlich in Bonn durchgeführt. Der Ort der Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG als Bonn.



Die Veranstaltung wird tatsächlich in Bonn durchgeführt. Der Ort der Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG als Bonn.



Das Seminar wird ausschließlich Online angeboten und erfordert somit keine physische Anwesenheit des Leistungsempfängers. § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG ist nicht anwendbar. Da die sonstige Leistung gegenüber einem anderen Unternehmer ausgeführt wird, ist der Ort der sonstigen Leistung in Luxemburg (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG).

V. BMF-Schreiben zu Garantieleistungen 1. Zum Hintergrund Der EuGH befasste sich im Jahr 2015 in einem französischen Vorabentscheidungsersuchen mit der umsatzsteuerlichen Behandlung einer entgeltlichen Garantie gegen mechanische Ausfälle, die ein von einem Gebrauchtwagenhändler unabhängiges Unternehmen dessen Kunden gewährt hatte. Nach Auffassung des EuGH lag grundsätzlich ein umsatzsteuerfreies Versicherungsverhältnis21 vor.22 Dieses Urteil hatte das BMF bereits bewogen, im Jahr 2017 im UStAE zu regeln, dass die Dienstleistung eines von einem Kraftfahrzeughändler unabhängigen Wirtschaftsteilnehmers, gegen Zahlung eines Pauschalbetrags mechanische Ausfälle bestimmter Teile eines Gebrauchtfahrzeugs zu versichern, eine steuerfreie Verschaffung von Versicherungsschutz ist.23 Seinerzeit blieb das BMF jedoch noch bei der Auffassung, dass die Garantiezusage eines Autoverkäufers, durch die der Käufer gegen Entgelt nach seiner Wahl einen Reparaturanspruch gegenüber dem Verkäu-

21 Art. 135 Abs. 1 MwStSystRL bzw. § 4 Nr. 10 UStG. 22 Vgl. EuGH v. 16.7.2015 – C-584/13 (Mapfre asistencia und Mapfre warranty), UR 2015, 714 = MwStR 2015, 762. 23 Vgl. BMF v. 30.11.2017 – III C 3-S 7163/07/10001 – DOK 2017/0990687, BStBl I 2017, 1599, mit Anpassung des Abschn. 4.10.1 UStAE.

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fer oder einen Reparaturkostenersatzanspruch gegenüber einem Versicherer erhält, steuerpflichtig ist.24 Im Jahr 2018 entschied der BFH, dass die von einem Gebrauchtwagenhändler selbst den Kunden gegen gesondertes Entgelt eingeräumte Garantie für den Fall notwendiger Reparaturen ebenso als umsatzsteuerfreies Versicherungsverhältnis zu qualifizieren sei.25 Dies gelte auch dann, wenn der Kunde faktisch zwischen einer Geldzahlung (Erstattung der Reparaturkosten) und einer Sachleistung (unmittelbare Reparatur) wählen könne.

2. Inhalte der BMF-Schreiben Das BMF-Schreiben vom 11.5.202126 wendet die EuGH- und BFH-Rspr. an. Der UStAE wird in den Abschn. 3.10, 4.8.2012 und 4.10.1 geändert. Obwohl weiterhin der entsprechende Wortlaut nur von „Kraftfahrzeughändlern“ spricht, hat das BMF mit Schreiben vom 18.6.202127 klargestellt, dass die Grundsätze branchenübergreifend gelten. a) Grundsatz: Entgeltliche Zusage einer Reparatur durch den Verkäufer ist Versicherungsverhältnis Sichert der Verkäufer einer Ware einem Kunden gegen Entgelt zu, dass er einen Schaden an der Ware entweder selbst reparieren oder die Reparaturkosten erstatten wird, handelt es sich um ein Versicherungsverhältnis iSd. VersStG. Das für die Garantiezusage gezahlte Entgelt ist Versicherungsentgelt iSd. § 3 VersStG und unterliegt mithin der Versicherungsteuer. Umsatzsteuerlich soll die entgeltliche Garantiezusage des Verkäufers nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei sein, und zwar unabhängig davon, ob dem Kunden Geld- oder Sachleistungen zugesagt werden.

24 Vgl. Abschn. 4.8.12 UStAE aF. 25 Vgl. BFH v. 14.11.2018 – XI R 16/17, BStBl. II 2021, 461. 26 BMF v. 11.5.2021 – III C 3 - S 7163/19/10001:001 – DOK 2021/0533686, BStBl. I 2021, 781. 27 BMF v. 18.6.2021 – III C 3 - S 7163/19/10001:001 – DOK 2021/0706884, BStBl. I 2021, 871.

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b) Ausnahme: Vollwartungsvertrag Ein sog. „Vollwartungsvertrag“ soll weder versicherungsteuerpflichtig noch umsatzsteuerfrei sein. Was allerdings konkret gemeint ist, erörtert das BMF nicht. Vermutlich betroffen sind Verträge, bei denen gegen Entgelt die laufende Wartung von Anlagen oder Ausrüstungsgegenständen übernommen wird, und der Unternehmer auch Verschleiß- oder Ersatzteile gegen eine Pauschale mit liefert und einbaut. c) Sonderfall: Versicherungsvertrag mit einem Dritten Ein weiteres am Markt praktiziertes Vertragsmodell besteht darin, dass der Garantiegeber sich bei einem Versicherer gegen den Eintritt von Garantiefällen absichert. Dem BMF zufolge liegt dann zwischen dem Versicherer und dem Garantiegeber ein versicherungsteuerfreies Rückversicherungsverhältnis iSd. § 4 Nr. 1 VersStG vor. Dies gilt wiederum nicht, wenn ein Vollwartungsvertrag vorliegt. Dann ist eine vereinbarte Rückabsicherung als Erstversicherungsverhältnis versicherungsteuerpflichtig. Hat der Garantienehmer ein Wahlrecht zwischen einer Reparatur durch den Verkäufer oder einem Reparaturkostenersatz durch einen Versicherer, sollen zwei Versicherungsverhältnisse vorliegen, die jeweils umsatzsteuerfrei sind. Kann der Kunde seine Ansprüche direkt gegen den Versicherer anmelden, liegt ein nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG als Verschaffung von Versicherungsschutz umsatzsteuerfreier Vorgang vor. d) Keine Nebenleistungen Eine umsatzsteuerliche Behandlung als Nebenleistung zum Verkaufsgeschäft soll nicht in Betracht kommen. Ist das Entgelt nicht gesondert vereinbart, muss eine sachgerechte Aufteilung erfolgen.28 Dies findet sich allerdings nicht explizit im BMF-Schreiben. e) Kein Vorsteuerabzugsrecht Der Verkäufer und Garantiegeber kann wegen § 15 Abs. 2 UStG keinen Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit entsprechenden Umsätzen gel28 Vgl. dazu § 15 Abs. 4 UStG. Beachte auch EuGHv. 8.7.2021 – C-695/19 (Radio Popular), UR 2021, 937.

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tend machen, was auch für den Einkauf von Ersatzteilen oder Reparaturleistungen gilt. f) Übergangsfrist Nach dem Schreiben vom 11.5.2021 war eine Anwendung auf „Garantiezusagen, die nach dem 30.6.2021 abgegeben wurden“ vorgesehen, mit einer freiwilligen Möglichkeit der Anwendung auf ältere Sachverhalte. Mit dem Schreiben vom 18.6.202129 erfolgte eine Ausdehnung der Übergangsfrist auf vor dem 1.1.2022 abgegebene Garantiezusagen. Die Übergangsfrist wurde nochmals bis zum 31.12.2022 verlängert.30

3. Auswirkungen und unklare Punkte a) Mehrbelastung der Unternehmen Die geänderte Behandlung führt insbes. für Unternehmen, die ihre Leistungen an andere, zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmen ausführen, zu erheblichem administrativen Mehraufwand und finanziellen Nachteilen. An die Stelle der auf die Garantieleistung bisher anfallenden USt. tritt nämlich Versicherungsteuer.31 Unternehmen werden damit gezwungen, zusätzliche Steueranmeldungen einzureichen. Weiterhin ist Versicherungsteuer im Gegensatz zu USt. nicht als Vorsteuer abziehbar. Es kommt daher zu einer finanziellen Belastung entweder des Kunden (falls die Versicherungsteuer überwälzt werden kann) oder des leistenden Unternehmers (falls dies nicht gelingt). Beispiel: Ein Unternehmer verkauft Produkte, für die er gegen ein Entgelt von netto 1.000 t eine dreijährige Garantie anbietet. Sein Kunde ist ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer. Bisher betrug der Aufwand für den Kunden 1.000 t, da er die 19 % USt. als Vorsteuer abziehen konnte. Zukünftig fallen 19 % Versicherungsteuer an. Diese 190 t erhöhen die Kosten der Garantieverlängerung.

29 BMF v. 18.6.2021 – III C 3 - S 7163/19/10001:001 – DOK 2021/0706884, BStBl. I 2021, 871. 30 Vgl. BMF v. 18.10.2021 – III C 3 - S 7163/19/10001:001 – DOK 2021/1102366, BStBl. I 2021, 2142. 31 Mit einem Regelsteuersatz von 19 % im Inland, vgl. § 6 Abs. 1 VersStG.

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Sind die Kunden Letztverbraucher oder nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer, treten grundsätzlich vergleichbare Rechtsfolgen ein. Allerdings kommt es in einer Gesamtbetrachtung durch den Wechsel von umsatzsteuerpflichtigem Entgelt zur Versicherungsteuerpflicht nicht zu einer finanziellen Mehrbelastung der Beteiligten. Beide Fallgruppen sind allerdings noch einer weiteren negativen Rechtsfolge ausgesetzt: Da der Unternehmer nunmehr teilweise steuerfreie Versicherungsumsätze ausführt, ist er nicht mehr voll zum Vorsteuerabzug berechtigt.32 Vielmehr sind Vorsteuerbeträge, die der entsprechenden steuerfreien Aktivität direkt zuzuordnen sind, nicht mehr abziehbar. Weiterhin ist der Unternehmer verpflichtet, seine Vorsteuer aus allgemeinen Kosten sachgerecht aufzuteilen.33 Die Vereinfachung für bestimmte Hilfsumsätze34 ist bereits vom Wortlaut her nicht auf Versicherungsumsätze anzuwenden. Dies hat der EuGH grundsätzlich bestätigt.35 Besonders schwierig umzusetzen sind jene Fälle, in denen der Garantiegeber selbst Sachleistungen erbringt (dh. Reparaturen ausführt oder Ersatzteile liefert). Der Vorsteuerabzug aus entsprechenden Eingangsleistungen ist wegen § 15 Abs. 2 UStG zukünftig in voller Höhe ausgeschlossen. Damit erhöhen sich die Kosten um bis zu 19 % (unter der Annahme, dass die Reparatur voll eingekauft wird). Erbringt der Unternehmer Reparaturen mit eigenem Personal, so ist die entsprechende Leistung nicht mit nicht abziehbarer Vorsteuer belastet. Werden Ersatzteile aus einem allgemein vorgehaltenen Bestand für Garantiereparaturen eingesetzt, ist der Vorsteuerabzug aus deren Anschaffung nach § 15a Abs. 2 UStG in voller Höhe zu berichtigen. Werden Ersatzteile mit der Zweckbestimmung eingekauft, nur Garantiereparaturen auszuführen, ist der Vorsteuerabzug bereits ex tunc zu verwehren. b) Unklarer Anwendungsbereich Zahlreiche Fragen bleiben offen. Unionsrechtlich gibt es wie nach dem nationalen Recht keine eindeutige Definition, was ein Versicherungsverhältnis ist. Nach der stRspr. des EuGH liegt ein Versicherungsumsatz vor, wenn sich jemand verpflich32 33 34 35

Vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Vgl. § 15 Abs. 4 UStG. Vgl. § 43 UStDV. Vgl. EuGH v. 8.7.2021 – C-695/19 (Radio Popular), UR 2021, 937.

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tet, einem anderen gegen vorherige Zahlung einer Prämie im Fall der Verwirklichung des abgedeckten Risikos die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen.36 Es gibt jedoch anders als im Mehrwertsteuerrecht keine Richtlinie oder Verordnung mit einer verbindlichen Definition.37 Dies führt zu der Frage, wann eine „entgeltliche Garantieleistung“ ein Versicherungsverhältnis ist. Der vom EuGH entschiedene Fall betraf ausdrücklich einen Vertrag, den nicht der Produktverkäufer, sondern ein Dritter als Garantiegeber abgeschlossen hatte.38 Aktuell bildet sich eine Tendenz heraus, eine entgeltliche Garantieleistung bereits dann anzunehmen, wenn ein Unternehmen einzelvertraglich eine über die gesetzliche Gewährleistung39 hinausgehende Funktions- oder Betriebsgarantie gewährt. Dies überzeugt nicht. Zunächst einmal sollten unterschiedslos allen Kunden durch einen Produkthersteller – ggf. in einer Vertriebskette – zugänglich gemachte längere Garantiefristen („10 Jahre gegen Durchrostung“ oder „lebenslange Mobilitätsgarantie bei regelmäßiger Inspektion in definierten Werkstätten“) kein Versicherungsverhältnis sein. Hier fehlt es nämlich an einer Wahlmöglichkeit, anders als im Sachverhalt von „Mapfre“. Weiterhin sollten einzelvertraglich vereinbarte längere Funktionsgarantien, die zB der Hersteller einer komplexen Anlage oder eine Großmaschine einem Kunden einräumt, und die marktüblich sind, kein Versicherungsverhältnis sein. Das Wesen eines Versicherungsvertrags besteht nämlich darin, dass der Versicherer gegen Prämienzahlung ein Risiko übernimmt, das er nicht selbst bewirkt hat. In den Beispielfällen geht es jedoch um die Absicherung der Kunden gegen konstruktive Mängel des hergestellten Produkts, also ein in der Sphäre des Herstellers entstandenes Risiko. In eine entsprechende Richtung ging der BFH im Jahr 1977, als er zu dem Ergebnis kam, dass eine Leistung, selbst wenn sie für sich betrach-

36 Vgl. EuGH v. 17.3.2016 – C-40/15 (Aspiro), UR 2016, 386 = MwStR 2016, 334 Rz. 23, mwN. 37 Selbst die Richtlinie 2009/138/EG enthält keine solche! 38 Vgl. EuGH v. 16.7.2015 – C-584/13 (Mapfre asistencia und Mapfre warranty), UR 2015, 714 = MwStR 2015, 762 Rz. 56: „von einem Wirtschaftsteilnehmer gewährt, der vom Verkäufer dieses Fahrzeugs unabhängig und nicht Partei des Kaufvertrags ist“. 39 Vgl. §§ 437 ff. BGB.

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tet die Merkmale einer Versicherung aufweist, eine nicht als „Versicherung“ zu beurteilende Leistung sein kann, wenn die Wagnisübernahme unselbständiger Bestandteil eines anderen Vertrags ist, wie beispielsweise eine Garantie- oder Instandhaltungszusage im Zusammenhang mit einem Kauf- oder Werkvertrag.40 Anders könnten Fälle zu würdigen sein, in denen die Garantie andere Ausfallrisiken (zB durch besonders starke Nutzung durch den Kunden, oder sogar Fälle leichter Fahrlässigkeit) abdeckt. Wegen der erheblichen wirtschaftlichen Folgen eines Versicherungsverhältnisses wären Klarstellungen seitens des BMF hier wünschenswert. c) Nebenleistungen und möglicher Konflikt Umsatzsteuer – Versicherungsteuer Der kategorische Ausschluss möglicher Nebenleistungen zum Verkauf durch die BMF-Schreiben steht im Widerspruch zur Auffassung des EuGH. Bekanntlich hat dieser die Gewährung einer Garantie durch einen vom Verkäufer unabhängigen Wirtschaftsteilnehmer gewürdigt. Dem Gerichtshof zufolge war diese Garantie optional, dh. der Käufer konnte auch nur das Fahrzeug erwerben, und er hatte die Möglichkeit, alternativ eine ähnliche Absicherung ohne Beteiligung des Verkäufers am freien Markt abschließen.41 Der EuGH geht in der Entscheidung ausführlich auf eine mögliche Nebenleistung zum Verkauf ein und gibt dem vorlegenden nationalen Gericht einen entsprechenden Prüfungsauftrag. Dementsprechend spricht sehr viel dafür, eine Nebenleistung insbes. dann anzunehmen, wenn die Garantie durch den Verkäufer selbst angeboten wurde, und eine vergleichbare Garantie nicht ohne weiteres von einem Dritten angeboten wird, da dann eine Leistung vorliegt, die dazu dient, die Hauptleistung (dh. den Kauf des Produkts) unter optimalen Bedingungen zu beziehen. Zu beachten ist allerdings zusätzlich, dass der EuGH bereits Versicherungen, die ein Leasinggeber für ein Leasingobjekt abgeschlossen hatte, regelmäßig nicht als Nebenleistungen zur Vermietung, sondern als Versicherungsumsätze eingestuft hat.42 40 Vgl. BFH v. 20.4.1977 – II R 36/76, BFHE 122, 352 = BStBl. II 1977, 688. 41 Vgl. EuGH v. 16.7.2015 – C-584/13 (Mapfre asistencia und Mapfre warranty), UR 2015, 714 = MwStR 2015, 762 Rz. 56–58. 42 Vgl. EuGH v. 17.1.2013 – C-224/11 (BGZ Leasing), UR 2013, 262 = MwStR 2013, 81.

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Bei einer Nebenleistung wäre umsatzsteuerlich kein steuerfreier Versicherungsumsatz, sondern eine insgesamt steuerpflichtige Warenlieferung anzunehmen. Hierzu passt eine Entscheidung des FG Stuttgart. Das Verfahren betraf eine GmbH, die Geräte entwickelt und international verkauft hatte. In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hatte sie für Verkäufe innerhalb der EU grundsätzlich eine einjährige Gewährleistungsfrist und außerhalb der EU eine solche nach dem jeweiligen nationalen Recht oder UN-Kaufrecht vereinbart. Zusätzlich gab es teilweise einzelvertraglich längere Fristen. Kalkulatorisch hatte die GmbH jeweils einen Teil des Verkaufspreises einem passiven Rechnungsabgrenzungsposten („Abgrenzung Wartungsverträge“) zugewiesen. Das FG kam zu dem Ergebnis, dass umsatzsteuerlich Nebenleistungen zu den Produktverkäufen vorlagen.43 Allerdings wirkt sich eine eventuelle umsatzsteuerliche Nebenleistung nicht unmittelbar auf die Versicherungsteuerpflicht aus, sondern diese sieht eine eigenständige Beurteilung vor. Bedeutsam erscheint im Kontext ein Urteil des FG Köln aus dem Jahr 2019. Das Gericht bewertete sog. Verschleißschutzgarantien für Motor, Getriebe und Differenzial sowie für Nebenbaugruppen, die eine Gesellschaft gegen Bezahlung gewährt hatte, nicht als nachrangige bzw. unselbstständige Nebenleistung zum Vertrieb von Verschleißschutzprodukten, sondern als versicherungsteuerpflichtige eigenständige Leistung.44

VI. BMF-Schreiben zu Aufsichtsratsvergütungen vom 8.7.2021 1. Zum Hintergrund Im Jahr 2019 entschied der EuGH in einem niederländischen Vorabentscheidungsersuchen, dass ein Mitglied des Aufsichtsrats einer Stiftung, das nicht in eigenem Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung, sondern für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelte und nicht das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trug, da es eine feste Vergütung erhielt, die weder von der Teilnahme an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhing, aus mehrwertsteuerlicher Sicht keine wirtschaftliche Tätigkeit 43 Vgl. FG Stuttgart v. 15.4.2015 – 1 K 1195/13, EFG 2016, 516, rkr. 44 Vgl. FG Köln v. 10.4.2019 – 2 K 362/16, juris, rkr.

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ausübte,45 mithin in der in Deutschland gebräuchlichen Terminologie nicht als Unternehmer46 anzusehen war. Der BFH konnte diese Entscheidung noch im gleichen Jahr umsetzen. Er kam zu dem Ergebnis, dass jedenfalls ein Aufsichtsratsmitglied, das eine nichtvariable Festvergütung erhielt, kein umsatzsteuerlicher Unternehmer ist.47 Diese Rspr. widerspricht der bisherigen langjährigen Verwaltungsmeinung, die Aufsichtsratsmitglieder regelmäßig als umsatzsteuerliche Unternehmer behandelte.48

2. Inhalte des BMF-Schreibens Das BMF nahm mit dem zitierten Schreiben49 Stellung zur Anwendung der neuen Rspr. Zugleich wird der UStAE angepasst.50 Die wesentlichen Kernaussagen werden nachfolgend beschrieben. a) Grundsatz: keine Selbständigkeit bei Festvergütung Ein Aufsichtsratsmitglied, das eine reine Festvergütung (zB eine pauschale Aufwandsentschädigung) erhält, ist grundsätzlich insoweit kein umsatzsteuerlicher Unternehmer. Eine Haftung nach § 116 AktG bewirkt ebenso wenig eine Unternehmerstellung wie eine bloße Kumulierung der Vergütungen für mehrere Jahre (als Vergütungsrisiko). b) Variable Vergütungskomponenten Variable Vergütungen führen grundsätzlich zu einer Unternehmereigenschaft. Als variable Vergütungskomponenten gelten auch Sitzungsgelder, die nur bei Teilnahme an einer Sitzung gezahlt werden. Gleiches

45 Vgl. EuGH v. 13.6.2019 – C-420/18, GmbHR 2019, 894 m. Anm. Scholz/ Jacobs = ZIP 2019, 1430 (IO), UR 2019, 576 = MwStR 2019, 663. 46 Vgl. § 2 UStG. 47 Vgl. BFH v, 27.11.2019 – V R 23/19 (V R 62/17), BStBl. II 2021, 542 = ZIP 2020, 363 = GmbHR 2020, 382 m. Anm. Heinrichshofen = ZIP 2020, 363 = DB 2020, 265. 48 Vgl. dazu Abschn. 18.6. UStAE aF. 49 Vgl. BMF v. 8.7.2021 – S 7104/19/10001:003 – DOK 2021/0761949, BStBl. I 2021, 919 = UR 2021, 675. 50 Vgl. insbes. Abschn. 2.2. Abs. 3a UStAE.

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gilt für nach dem tatsächlichen Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen. Hingegen gelten Reisekostenerstattungen nicht als variabel. c) 10-Prozent-Grenze bei teilweise variabler Vergütung Wenn ein Aufsichtsratsmitglied sowohl feste als auch variable Vergütungskomponenten erhält, gilt es grundsätzlich als selbständig, wenn die die variablen Bestandteile im Kj. mindestens 10 % der gesamten Vergütung, einschließlich von Aufwandsentschädigungen, betragen. Dabei sind reine Reisekostenerstattungen irrelevant. Die Betrachtung ist für jedes Mandat einzeln vorzunehmen. Beispiel: Ein Aufsichtsratsmitglied erhält eine Festvergütung von 50.000 t und eine variable Vergütung, die 12.000 t beträgt. Es ist umsatzsteuerlicher Unternehmer, da die variable Vergütung mindestens 10 % der Gesamtvergütung (dies wären 6.200 t) entspricht.

d) Beamte und ähnliche Fälle Wenn Beamte oder andere Bedienstete einer Gebietskörperschaft auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung ihres Arbeitgebers oder Dienstherren als Aufsichtsratsmitglied agieren und nach beamten- oder dienstrechtlichen Vorschriften verpflichtet sind, die Vergütung bis auf einen festgelegten Betrag an den Arbeitgeber bzw. Dienstherren abzuführen, kann auch bei einem bestehenden Vergütungsrisiko eine nichtselbständige Tätigkeit angenommen werden. Dies soll ebenso für Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung gelten. e) Übergangsregelung Grundsätzlich ist die neue Auffassung in allen offenen Fällen anzuwenden. Allerdings besteht eine Nichtbeanstandungsregelung: für bis zum 31.12.2021 ausgeführte Leistungen eines Aufsichtsrats kann weiterhin die alte Rechtsauffassung angewendet werden. In diesem Fall bleibt es bei der Umsatzsteuerpflicht mit Vorsteuerabzug für das Unternehmen.51

51 Vgl. § 15 Abs. 1 UStG.

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Wurden Beamte oder politische Mandatsträger, die eine Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichts- oder Verwaltungsrats nicht lediglich aufgrund ihrer gesellschaftlichen oder politischen Stellung, sondern aufgrund unmittelbarer Verknüpfung mit ihrem Amt ausübten, trotz eines Vergütungsrisikos als nichtselbständig behandelt, kann dies ebenfalls für bis zum 31.12.2021 ausgeführte Leistungen beibehalten werden.

3. Offene Fragen und Problemfelder a) Auffassung des EuGH und BFH Genaugenommen erscheint die Fokussierung des BMF-Schreibens auf die Vergütungsmodalitäten als zu eng. Der EuGH hat nämlich keineswegs die reine Festvergütung für ausschlaggebend erachtet. Vielmehr heißt es im Leitsatz der Entscheidung „IO“, dass ein Aufsichtsratsmitglied, das „nicht in eigenem Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung, sondern für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelt und auch nicht das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trägt, da er eine feste Vergütung erhält“, kein Unternehmer iSd. Umsatzsteuerrechts ist. Somit hat der EuGH zwei Kriterien herangezogen. Einmal das fehlende Vergütungsrisiko, zum anderen jedoch das fehlende Handeln im eigenen Namen und in eigener Verantwortung. Dabei ist aus anderen Urteilen des EuGH eindeutig abzuleiten, dass die bloße Tatsache einer festen Vergütung nichts an einer wirtschaftlichen Tätigkeit ändert.52 Der BFH hat, seiner Rolle als Revisionsinstanz entsprechend, lediglich im entschiedenen Einzelfall festgestellt, dass das zu beurteilende Aufsichtsratsmitglied kein Unternehmer war, und dabei ausgeführt, dass der Kläger als Mitglied eines Aufsichtsrats nur an den durch Beschluss zu treffenden Entscheidungen des Aufsichtsrats mitwirkte und in Bezug auf seine Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrats kein wirtschaftliches Risiko getragen hat, da er eine jährlich gleich hohe Festvergütung erhielt, die keinerlei variable Vergütungsbestandteile aufwies. Fahrlässiges Handeln hatte auf die Vergütung keinen unmittelbaren Einfluss. Damit hat der BFH seine ältere Rspr. zur Selbständigkeit von Aufsichts-

52 EuGH v. 22.2.2018 – C-182/17 (Ntp. Nagyszenas), UR 2018, 276 = MwStR 2018, 348; v. 29.10.2015 – C-174/14 (Saudacor), UR 2015, 901 = MwStR 2016, 24.

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ratsmitgliedern53 nicht explizit aufgegeben, sondern lediglich eingeschränkt. Es spricht einiges dafür, dass auch Aufsichtsratsmitglieder mit variabler Vergütung nach der Sichtweise des EuGH keine Unternehmer sind. Weitere Entwicklungen sind abzuwarten. Finanzgerichte haben bereits entschieden, dass zB das Mitglied eines Kollektivorgans eines berufsständischen Versorgungswerks kein Unternehmer ist, auch wenn es eine variable Vergütung für die Teilnahme an Sitzungen des Kollektivorgans erhielt, vorausgesetzt es gab keine nennenswerten Einflussmöglichkeiten des Mitglieds auf solche Termine,54 und die gleiche Auffassung für einen Fall vertreten, in dem Sitzungsgelder nur einen geringen Teil der Vergütung ausmachten.55 Ebenso liegt eine Entscheidung vor, die erwartungsgemäß bestätigt hat, dass eine Person, die aus anderen Gründen umsatzsteuerlicher Unternehmer ist, in ihrer Rolle als Vorstandsmitglied einer öffentlich-rechtlich organisierten Berufskammer dennoch nicht selbständig sein kann, wenn sie nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig wird und kein Vergütungsrisiko trägt.56 b) Leistungszeitpunkt Das BMF-Schreiben geht nicht auf die Frage ein, wann ein Aufsichtsratsmitglied seine Leistung umsatzsteuerlich erbringt. Grundsätzlich handelt es sich um eine sonstige Leistung in Form einer zeitraumbezogenen Dauerleistung, dh. diese ist bei Vollendung ausgeführt.57 Es spricht weiterhin viel dafür, auch bei Bestellung für mehr als ein Jahr58 regelmäßig von geschäftsjahresbezogenen Teilleistungen59 auszugehen.

53 Vgl. BFH v. 27.7.1972 – V R 136/71, BFHE 106, 389 = BStBl. II 1972, 810; v. 2.10.1986 – V R 68/78, BFHE 147, 544 = BStBl. II 1987, 42; v. 20.8.2009 – V R 32/08, BFHE 227, 207 = BStBl. II 2010, 88 = ZIP 2009, 2100. 54 Vgl. Nds. FG v. 8.10.2020 – 5 K 162/19, EFG 2021, 492, rkr. 55 Vgl. Nds. FG v. 19.11.2019 – 5 K 282/18, EFG 2020, 1012, rkr. nach Revisionsrücknahme – dies stützt die Lösung des BMF, geringe variable Vergütungen für irrelevant zu erklären. 56 Vgl. FG Hamburg v. 8.9.2020 – 6 K 131/18, EFG 2020, 1880, rkr. 57 Vgl. dazu § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG und Abschn. 13.1. Abs. 3 UStAE. 58 Nach § 102 AktG zulässig. 59 Vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 3 UStG und Abschn. 13.4. UStAE.

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Unklar ist allerdings, wann der relevante Leistungszeitraum beginnt und endet. Nach einem älteren, allerdings aufgehobenen BMF-Schreiben60 soll es auf den Zeitpunkt der jährlichen Entlastung durch die Hauptversammlung ankommen. Dies hat zur Folge, dass der Leistungszeitraum nicht mit dem Geschäftsjahr der Gesellschaft deckungsgleich ist. Größere Praxisprobleme könnten sich im Wechselspiel mit der kalenderjahresbezogenen Betrachtung der 10 %-Grenze durch das BMF-Schreiben aus 2021 ergeben. Beispiel: Ein Aufsichtsratsmitglied erhält eine Grundvergütung von 20.000 t und ein Sitzungsgeld von 1.500 t pro Sitzungsteilnahme. Das Geschäftsjahr der Gesellschaft läuft vom 1.10. bis 30.9. Im Kj. 2022 nimmt das Mitglied an zwei Sitzungen für das Geschäftsjahr 2021/22 und einer für das Geschäftsjahr 2022/23 teil. Die Hauptversammlung für das Geschäftsjahr 2021/22 findet am 10.10.2022 statt. Das Aufsichtsratsmitglied ist in 2022 als Unternehmer zu behandeln, da die variablen Vergütungen von 4.500 t die 10 %-Grenze in Bezug auf die Gesamtvergütung überschreiten. Im Kj. 2022 nimmt das Mitglied an keiner Sitzung teil. Die Hauptversammlung für das Geschäftsjahr 2022/23 findet am 10.10.2023 statt. Das Aufsichtsratsmitglied ist in 2023 nicht als Unternehmer zu behandeln.

Außerdem hätte diese Auffassung zur Folge, dass die Nichtbeanstandungsregelung nach dem BMF-Schreiben selbst bei einem Geschäftsjahr, das dem Kj. entspricht, nicht etwa für das Geschäftsjahr 2021 letztmals anzuwenden wäre, sondern für jenes Geschäftsjahr, für das die Entlastung in 2021 erfolgt ist. Beispiel: Ein Aufsichtsratsmitglied wird für das Geschäftsjahr 2021 mit Hauptversammlung am 3.5.2022 entlastet. Die Tätigkeit gilt erst mit Ablauf dieses Tages als vollendet. Somit unterfällt die umsatzsteuerliche Würdigung bereits der geänderten Verwaltungsmeinung.

60 Vgl. BMF v 15.9.1980 – IV A 2 - S 7270 - 6/80, DB 1980, 1965.

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c) Nachträgliches Überschreiten der 10 %-Grenze Je nach den Vergütungsbedingungen führt die neue Verwaltungsauffassung dazu, dass ggf. erst nachträglich feststeht, ob ein Aufsichtsratsmitglied umsatzsteuerlich als Unternehmer handelt. Beispiel: Ein Aufsichtsratsmitglied erhält eine Grundvergütung von 10.000 t und 1.000 t pro Sitzungsteilnahme. Die Grundvergütung wird vorschüssig im Januar ausgezahlt. Sofern das Aufsichtsratsmitglied an nicht mehr als einer Sitzung im Kj. teilnimmt, ist es kein Unternehmer. Nimmt es aber an mindestens zwei Sitzungen teil, wird es zum Unternehmer. In diesem Fall ist die Grundvergütung nachträglich der USt. zu unterwerfen.

4. Zwischenzeitlich ergangenes weiteres BMF-Schreiben Das BMF hat mit Datum vom 29.3.202261 ergänzend Stellung genommen, um die Problematik des Leistungszeitpunkts sowie variabler Vergütungselemente praxistauglicher zu behandeln. Dem Schreiben zufolge soll stets der Ablauf des Geschäftsjahrs der Gesellschaft der maßgebliche Leistungszeitpunkt für die Aufsichtsratstätigkeit sein. Bei Zahlungen von Sitzungsgeld oder Aufwendungsersatz für die tatsächliche Sitzungsteilnahme soll es auf den Tag der entsprechenden Sitzung ankommen. Für die 10 %-Grenze ist auf den Beginn des Geschäftsjahrs abzustellen und sind die Sitzungsgelder aller geplanten Sitzungen einzubeziehen. Spätere Änderungen sind unbeachtlich. Die Auffassung des zitierten Schreibens vom 15.9.1980 wird explizit aufgegeben. Grundsätzlich ist das Schreiben in allen offenen Fällen anzuwenden. Für in einem vor dem 1.1.2022 begonnenen Geschäftsjahr ausgeführte Leistungen kann im Wege einer Nichtbeanstandung noch die alte Auffassung zugrunde gelegt werden. Weiterhin kann für vor dem 1.1.2022 endende Geschäftsjahre optional noch als Leistungszeitpunkt die Teilnahme an der Hauptversammlung mit dem Ziel der Entlastung angenommen werden.

61 BMF v. 29.3.2022 – III C 2 - S 7104/19/10001:005 – DOK 2022/0096963, BStBl. I 2022, 567.

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VII. BMF-Schreiben zur Konsignationslagerregelung (§ 6b UStG) vom 10.12.2021 1. Zum Hintergrund Zum 1.1.2020 wurden in Deutschland die sog. „Sofortmaßnahmen“ der Europäischen Union zur Mehrwertsteuer62 in das nationale Recht implementiert. Eine dieser Maßnahmen betrifft Konsignationslager, dh. Warenlager, die ein ausländischer Unternehmer aus einem anderen Mitgliedstaat der EU mit Ware beschickt, wobei die eigentümerähnliche Verfügungsmacht63 an dieser Ware erst bei Entnahme auf den Kunden übergeht. In der Vergangenheit bewirkten entsprechende Sachverhalte im Inland grundsätzlich eine umsatzsteuerliche Registrierungspflicht des ausländischen Lieferanten.64 Ausnahmen konnten nur greifen, wenn iSd. hierzu ergangener BFH-Rspr.65 der Lieferant die Verfügungsmacht aufgrund einer sog. verbindlichen Bestellung oder einer unmittelbaren Bezahlung bereits bei Einlagerung erhielt.66 Zahlreiche andere EU-Mitgliedstaaten hatten dagegen in ihrem nationalen Recht Vereinfachungsregeln erlassen, die bei Einhaltung der jeweils festgelegten Bedingungen eine Behandlung als unmittelbare innergemeinschaftliche Lieferung67 ermöglichten.68 Der zum 1.1.2020 neu eingeführte § 6b UStG69 setzt die Konsignationslagerregelung der entsprechenden Sofortmaßnahme70 fristgerecht in nationales Recht um. Flankierend wurden die Meldepflicht in der Zusam-

62 Vgl. RL (EU) 2018/1910, VO (EU) 2018/1909, und VO 2018/1912, alle v. 4.12.2018. 63 Vgl. Abschn. 3.1. Abs. 2 UStAE: endgültig gewollter Übergang von wirtschaftlicher Substanz, Wert und Ertrag. 64 Vgl. dazu OFD Frankfurt v. 15.12.2015 – S 7100a A - 4 - St 110 UR 2016, 454. 65 Vgl. insbes. BFH v. 16.11.2016 – V R 1/16, BStBl. 2017 II, 1079. 66 Vgl. dazu Abschn. 1a.2. Abs. 6 UStAE. 67 Vgl. § 4 Nr. 1 Buchst. b iVm. § 6a UStG. 68 Vgl. dazu OFD Frankfurt v. 15.12.2015 – S 7100a A - 4 - St 110, UR 2016, 454. 69 Vgl. § 6b Abs. 1, 2, 4 und 5 idF des Gesetzes v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451 mit Wirkung v. 1.1.2020; Abs. 3 und 6 idF des Gesetzes v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096 mit Wirkung v. 29.12.2020. 70 Vgl. Art. 17a MwStSystRL.

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menfassenden Meldung71 und Aufzeichnungspflichten72 gesetzlich neu geregelt. Die Konsignationslagerregelung bewirkt grundsätzlich, dass der Lieferant sich im Lagerstaat nicht umsatzsteuerlich erfassen lassen muss. Er kann die Lieferungen jeweils im Entnahmezeitpunkt als innergemeinschaftliche Lieferung an den Erwerber behandeln.73 Voraussetzung ist allerdings, dass maximal 12 Monate zwischen der Einlagerung und der Entnahme (oder einer Rücksendung zum Lieferanten) verstreichen sein dürfen.74 Mit fast zwei Jahren Verspätung legt das BMF nunmehr ein umfassendes Anwendungsschreiben zur Neuregelung vor.75 Kernelement ist dabei die Einführung eines neuen Abschn. 6b.1. UStAE.

2. Inhalte des BMF-Schreibens a) Grundsätze Die Ware muss aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Deutschland befördert oder versendet werden und für einen feststehenden Erwerber bestimmt sein, der über eine inländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verfügt und dieser verwendet.76 Der Lieferer darf in Deutschland weder seinen Sitz noch eine Geschäftsleitung oder eine feste Niederlassung haben.77 Laut BMF-Schreiben kann ein Lager, das im Eigentum des Lieferers steht oder angemietet wurde, und das er mit eigenen Mitteln (zB eigenem Personal) betreibt, eine schädliche Ansässigkeit begründen.78 Diese Auffassung entspricht der Auffassung der Europäischen Kommission in den – nicht rechtlich bindenden – „Erläuterungen“ zur Neuregelung.79 71 72 73 74 75 76 77 78 79

Vgl. § 18a UStG. vgl. § 22 UStG. Vgl. § 6b Abs. 2 UStG. Vgl. § 6b Abs. 3 und Abs. 4 UStG. BMF v. 10.12.2021 – III C 3 - S 7146/20/10001:005 – DOK 2021/1234313, BStBl. I 2021, 2492. Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 1 UStAE sowie § 6b Abs. 1 Nr. 1 UStG. Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 2 UStAE sowie § 6b Abs. 1 Nr. 2 UStG. Vgl. Abschn. 6b.1 Abs. 2 UStAE. Vgl. https://ec.europa.eu/taxation_customs/system/files/2021-08/explanatory_ notes_2020_quick_fixes_de.pdf, abgerufen am 10.1.2022, dort Abschn. 3.1.2, S. 29 ff., unter Verweis auf Leitlinien, die auf die 113. Sitzung des Mehrwertsteuerausschusses am 3.6.2019 zurückgehen.

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Bezüglich des Erwerbers ist keine Ansässigkeit im Lagerland erforderlich. Vielmehr reicht der Besitz einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, dh. eine umsatzsteuerliche Erfassung, aus.80 b) Beförderung oder Versendung der Ware Die Konsignationslagerregelung erfordert nach dem Gesetzeswortlaut, dass die Ware vom liefernden Unternehmer oder durch einen von ihm beauftragten Dritten erfolgen muss.81 Allerdings sieht das BMF-Schreiben die Möglichkeit vor, dass doch der Erwerber den Transport übernimmt, fordert jedoch, dass dies „ausdrücklich und erkennbar im Namen des liefernden Unternehmers“ geschehen muss und noch keine Verfügungsmacht am Liefergegenstand verschafft werden darf. Dies soll regelmäßig anerkannt werden, wenn entsprechende Vereinbarungen zB in einem Rahmenvertrag aufgenommen wurden.82 Diese Auffassung entspricht der Auffassung der Europäischen Kommission in den – nicht rechtlich bindenden – „Erläuterungen“ zur Neuregelung.83 c) Lagervertrag Es soll eine vertragliche Vereinbarung mit dem liefernden Unternehmer bestehen, welche die Verschaffung der Verfügungsmacht zu einem späteren Zeitpunkt als dem der Beendigung der Beförderung oder Versendung regelt. Ein Rahmenvertrag soll hierfür ausreichen. Eine verbindliche Bestellung oder Bezahlung ist dem BMF zufolge unschädlich, wenn der liefernde Unternehmer und der spätere Erwerber die Anwendung des § 6b UStG zB in einem Rahmenvertrag vereinbaren.84 d) Unveränderte Lieferung der Ware Die Ware muss dem BMF zufolge aus dem Lager unverändert an den Erwerber geliefert werden. Falls der Lieferer eine Werklieferung oder Werk-

80 81 82 83

Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 5 UStAE. Vgl. § 6b Abs. 1 Nr. 1 UStG. Vgl. Abschn. 6b.1 Abs. 7 UStAE. Vgl. https://ec.europa.eu/taxation_customs/system/files/2021-08/explanatory_ notes_2020_quick_fixes_de.pdf, abgerufen am 10.1.2022, dort Abschn. 2.5.9. 84 Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 3 UStAE.

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leistung an der Ware erbringt, bevor er dem Erwerber Verfügungsmacht verschafft, ist dies schädlich für die Anwendung des § 6b UStG.85 e) Verhältnis zur bisherigen BFH-Rechtsprechung Im Vorfeld waren unterschiedliche Auffassungen zu der Frage vertreten worden, ob die zitierte BFH-Rspr. zur sofortigen Verschaffung der Verfügungsmacht bei bestimmten Konsignationslagersachverhalten auch nach dem 31.12.2019 anzuwenden war. Das BMF stellt dazu klar, dass die Rspr. jedenfalls dann weiter relevant ist, wenn „§ 6b UStG bereits dem Grunde nach keine Anwendung findet bzw. von Seiten des liefernden Unternehmers und späteren Erwerbers § 6b UStG keine Anwendung finden soll“.86 f) 12-Monats-Frist Innerhalb von 12 Monaten muss die eingelagerte Ware entweder vom Erwerber abgenommen oder in den Abgangssmitgliedstaat zurückgesendet werden. Anderenfalls wird der Lieferant mit Überschreiten der Frist im Lagerland registrierungspflichtig, wo er der Erwerbsteuerpflicht unterliegt.87 Für die Fristberechnung soll nach den Grundsätzen der Art. 2 und 3 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 v. 3.6.1971 vorgegangen werden. § 108 Abs. 1 AO ist insoweit nicht anwendbar.88 Diese Auffassung vertritt die Europäischen Kommission in den – nicht rechtlich bindenden – „Erläuterungen“ zur Neuregelung ebenfalls.89 Dies hat zur Folge, dass als erster Tag des 12-Monats-Zeitraums der auf das Ende des Warentransports folgende Tag anzusehen ist. Die Frist läuft um 24.00 Uhr am entsprechenden Tag 12 Monate später ab. Liegt das berechnete Fristende auf einem Samstag, Sonntag oder Feiertag, verschiebt es sich entsprechend auf den ersten folgenden Werktag.

85 Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 8 UStAE. 86 Abschn. 1a.2. Abs. 6 Satz 4 UStAE nF und Abschn. 3.12. Abs. 3 Satz 5 UStAE nF. 87 Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 17 UStAE. 88 Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 15 UStAE. 89 Vgl. https://ec.europa.eu/taxation_customs/system/files/2021-08/explanatory_ notes_2020_quick_fixes_de.pdf, abgerufen am 10.1.2022, dort Abschn. 2.5.16.

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Prätzler/Szabó, Umsatzsteuer: Aktuelles aus der Finanzverwaltung Beispiel: Ein deutscher Zulieferer befördert ab Januar 01 Motorenteile in ein Lager in Frankreich. Ein Warentransport beginnt am Donnerstag, 14.1.2001, von Deutschland nach Frankreich und trifft am selben Tag am Lagerort in Frankreich ein. Die Motorenteile werden bereits am 14.1.2001 eingelagert. Die 12-Monatsfrist beginnt nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 v. 3.6.1971 am Freitag, 15.1.2001. Grundsätzlich würde die Frist am Sonnabend, 15.1.2002, enden, aufgrund Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 v. 3.6.1971 endet sie jedoch erst am Montag, 17.1.2002. Die Rechtsfolge nach § 6b Abs. 3 UStG tritt somit am Tag nach Ablauf der 12-Monatsfrist am Dienstag, 18.1.2002 ein.90

g) Ersetzen eines vorgesehenen Erwerbers Die Konsignationslagerregelung gestattet es, den ursprünglich vorgesehenen Erwerber innerhalb der 12-Monats-Frist durch einen anderen zu ersetzen. Das BMF verlangt hierzu eine vertragliche Vereinbarung für die Substitution, die mit dem neuen Erwerber bereits am Tag des Wirksamwerdens des Erlöschens der bisherigen Vereinbarung wirksam abgeschlossen sein soll.91 Wird das Erfordernis nicht eingehalten, kommt es zu einer unverzüglichen Registrierungspflicht. Beispiel: Ein deutscher Zulieferer befördert ab Februar 01 Motorenteile in ein Lager in Frankreich. Im September 01 ändern die Parteien ihre Vereinbarung über jene Motorenteile, die vom Erwerber noch nicht entnommen wurden, und im Lager verbleiben. Es wird zeitgleich mit einem neuen Erwerber eine Vereinbarung über die noch im Lager befindlichen Motorenteile abgeschlossen. Dieser entnimmt diese Motorenteile im November und Dezember 01. § 6b UStG bleibt anwendbar. Wird dagegen erst im Oktober 01 mit dem neuen Abnehmer ein Vertrag abgeschlossen, der alte aber bereits im September 01 beendet, so muss der deutsche Unternehmer sich im September 01 umsatzsteuerlich in Frankreich erfassen lassen und die Erwerbsbesteuerung durchführen.92

h) Begriff des „Lagers“ Das BMF führt aus, dass als „Lager“ nicht nur Gebäude in Frage kommen. Vielmehr sei jeder räumlich und physisch bestimmbare Ort geeig90 Aus Abschn. 6b.1. Abs. 15. UStAE. 91 Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 6 UStAE. 92 Nach Abschn. 6b.1. Abs. 6 UStAE.

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net, der einen Inhaber besitze und für den die eingelagerten Gegenstände der Art und Menge nach bestimmbar seien. Als Beispiele genannt werden ortsfeste Behälterlager für körperliche Gegenstände in flüssigem oder gasförmigem Aggregatzustand, zB ortsfeste oberirdische oder unterirdische Tanklager, Eisenbahnwaggons, Container, Trailer oder Binnenschiffe. Allerdings müssten stets ausreichend eindeutige Aufzeichnungen geführt werden.93 Die Europäische Kommission ist in den – nicht rechtlich bindenden – „Erläuterungen“ zur Neuregelung deutlich weniger eindeutig und wirkt zurückhaltender.94 i) Schwund und Diebstahl Falls Waren verloren gehen, v.a. durch Diebstahl oder Zerstörung, kann die Sonderregelung des § 6b UStG grundsätzlich auf diese nicht mehr angewendet werden. Der Lieferant muss sich in diesen Fällen im Lagerstaat umsatzsteuerlich registrieren und für den Tag, an dem der Verlust festgestellt wurde, einen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern.95 Ein Vorsteuerabzug wäre in Deutschland uneingeschränkt möglich, da Deutschland die optionale Vorschrift des Art. 185 Abs. 2 MwStSystRL nicht umgesetzt hat. Allerdings können sog. „kleine Verluste“ ignoriert werden. Dabei handelt es sich dem BMF zufolge um „branchenübliche, sich aus den Erfahrungen der letzten Lagerungsjahre ergebende Mengenverluste von Gegenständen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder infolge unvorhersehbarer Umstände nach dem Ende der Beförderung oder Versendung und vor dem Zeitpunkt der Lieferung“ entstehen. Es gilt eine Vermutung in Form einer wert- oder mengenmäßigen Freigrenze von weniger als 5 % des Gesamtbestands der gelagerten Gegenstände.96 Diese Auffassung entspricht derjenigen der Europäischen Kommission in den – nicht rechtlich bindenden – „Erläuterungen“ zur Neuregelung.97 93 Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 4 UStAE. 94 Vgl. https://ec.europa.eu/taxation_customs/system/files/2021-08/explanatory_ notes_2020_quick_fixes_de.pdf, abgerufen am 10.1.2022, dort Abschn. 2.5.29. 95 Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 22 UStAE. 96 Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 22 Satz 4 UStAE. 97 Vgl. https://ec.europa.eu/taxation_customs/system/files/2021-08/explanatory_ notes_2020_quick_fixes_de.pdf, abgerufen am 10.1.2022, dort Abschn. 3.1.1, S. 29 ff., unter Verweis auf Leitlinien, die auf die 113. Sitzung des Mehrwertsteuerausschusses am 3.6.2019 zurückgehen.

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Prätzler/Szabó, Umsatzsteuer: Aktuelles aus der Finanzverwaltung Beispiel: Ein deutscher Unternehmer befördert im Rahmen einer Lagerabrufvereinbarung ab Februar 01 jeden Monat 5.000 Motorenteile in ein Lager iSd. § 6b UStG in Frankreich. Am 2.10.2001 werden 6.000 Motorenteile gestohlen. Bei der Inventur im Dezember 01 zeigt sich, dass von den gelieferten 60.000 Motorenteilen 300 Stück durch Rost unbrauchbar geworden sind. An diesem Tag sind noch 10.000 Motorenteile im Lager. In den Jahren 00 und 01 wurden bereits jährlich 300 bis 400 Motorenteile durch gleichartige Mängel unbrauchbar. Der Diebstahl bedeutet, dass der Unternehmer am 2.10.2001 einer unverzüglichen Registrierungspflicht im Bestimmungsmitgliedstaat unterliegt. Der Verlust der 300 Motorenteile durch Verrostung ist dagegen als „kleiner“ Verlust umsatzsteuerlich unbeachtlich.98

j) Aufzeichnungspflichten Die neuen Abschnitte 6b.2 und 22.3b UStAE befasst sich mit den Aufzeichnungspflichten. Die Inhalte gehen dabei kaum über die gesetzlichen Regelungen in § 22 Abs. 4f und Abs. 4g UStG hinaus, auf die verwiesen wird. Klarstellend wird ergänzt, dass die Aufzeichnungspflichten auch einen für die Haltung eines Lagers iSd. § 6b UStG eingesetzten Dritten (Lagerhalter) zu beachten sind. k) Reihengeschäfte Bei einem Reihengeschäft99 sieht das BMF keine Anwendbarkeit des § 6b UStG vor und führt dazu aus, dass bei solchen Geschäften dem Erwerber bereits die Verfügungsmacht an dem Gegenstand der Lieferung verschafft wird.100 l) Kommissionäre Bei einem Kommissionsgeschäft, dh. einem Warenverkauf im eigenen Namen und auf fremde Rechnung, liegen umsatzsteuerlich zwei Liefergeschäfte vor.101 Grundsätzlich liefert im Zeitpunkt des Verkaufs der Ware an den Kunden der Kommittent an den Kommissionär und letzterer an den Kunden.

98 99 100 101

Nach Abschn. 6b.1. Abs. 22 UStAE. Vgl. § 3 Abs. 6a UStG. Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 14 UStAE. Vgl. § 3 Abs. 3 UStG.

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Das BMF weist darauf hin, dass auch ein Kommissionär als Erwerber unter die Regelung des § 6b UStG fallen kann.102 Dies entspricht der Auffassung der Europäischen Kommission.103 m) Keine Kombination mit steuerfreier Einfuhr Das BMF lehnt es ab, die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG (Einfuhr mit anschließender steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferung) für Waren anzuwenden, die dann im Zielstaat unter die Lagerregelung des § 6b UStG fallen, und begründet dies mit dem Fehlern einer unmittelbar ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung.104 n) FIFO-Verfahren Die Konsignationslagerregelung kann auch angewendet werden, wenn die Waren zB Flüssigkeiten, Gase oder Schüttgüter sind. Bei diesen Waren besteht idR das praktische Problem, dass nicht feststellbar ist, wann die jeweils entnommenen Teilmengen geliefert worden sind. Daher gestattet das BMF die Anwendung des FIFO-Verfahrens („First in – First out“) und sieht dies ebenfalls für andere identische und eindeutig identifizierbare Waren, die nicht als Massengüter anzusehen sind, vor.105 Dies entspricht jedenfalls für Gegenstände „in loser Schüttung“ der Auffassung der Europäischen Kommission.106 o) Lieferant aus Drittstaat Die Anwendung des § 6b UStG ist unabhängig davon möglich, ob der Lieferant in einem Drittland oder in der EU ansässig ist. Allerdings muss eine Registrierung für mehrwertsteuerliche Zwecke des Unternehmers im Abgangsmitgliedstaat bestehen.107

102 Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 5 UStAE. 103 Vgl. https://ec.europa.eu/taxation_customs/system/files/2021-08/explan atory_notes_2020_quick_fixes_de.pdf, abgerufen am 10.1.2022, dort Abschn. 2.5.10. 104 Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 12 UStAE. 105 Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 16 UStAE. 106 Vgl. https://ec.europa.eu/taxation_customs/system/files/2021-08/explan atory_notes_2020_quick_fixes_de.pdf, abgerufen am 10.1.2022, dort Abschn. 2.5.17. 107 Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 11 UStAE.

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p) Besonderheiten im Verhältnis zum Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland Durch den sog. „Brexit“ ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland mit Ablauf des 31.12.2020 umsatzsteuerliches Drittlandsgebiet. Nordirland gilt abweichend davon für die Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs teilweise weiterhin als übriges Gemeinschaftsgebiet. Das BMF weist darauf hin, dass nach dem 31.12.2020 aus oder nach Großbritannien (dh. nicht aus Nordirland) erfolgende Lieferungen nicht mehr unter § 6b UStG fallen können. Waren, die vor dem 1.1.2021 unter Einhaltung der Anforderungen des § 6b UStG eingelagert wurden, können jedoch weiterhin als innergemeinschaftliche Lieferungen an den Erwerber weitergegeben werden, dh. es besteht keine Registrierungspflicht. Eine Zusammenfassende Meldung kann zwar nicht mehr abgegeben werden, da britische USt.-ID-Nummern ab dem 1.1.2021 nicht mehr als EU-USt.-ID-Nummern gelten, doch sei dies unbeachtlich. Abweichend hiervon soll bei Rücksendung der Ware aus dem Lager eine Ausfuhrlieferung (§ 6 UStG) anzunehmen sein.108 q) Anwendungsfristen Die Inhalte des BMF-Schreibens gelten für alle am oder nach dem 1.1.2020 begonnenen Warentransporte in ein Konsignationslager. Dementsprechend gibt es keine Übergangsregelung, sondern die Anwendung geschieht deckungsgleich zu der des § 6b UStG.

3. Offene Fragen und Problemfelder Das BMF-Schreiben beantwortet viele offene Fragen in für die Praxis der Unternehmen brauchbarer Form. Insbesondere die Erläuterungen zu kleinen Verlusten sind sehr hilfreich, da anderenfalls zB Lager mit verderblichen Produkten gar nicht nach § 6b UStG abgewickelt werden könnten. Dennoch bestehen zahlreiche Problembereiche. Im Folgenden soll kursorisch auf einige aufmerksam gemacht werden.

108 Vgl. Abschn. 6b.1. Abs. 24 UStAE.

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a) Rückwirkende Registrierung Unklar bleibt, ob es in der Praxis in den Mitgliedstaaten gelingen wird, bei Wegfall der Voraussetzungen, insbes. bei Zerstörung oder Diebstahl, wirklich eine umsatzsteuerliche Erfassung und Erteilung einer USt.-IDNummer auf diesen Zeitpunkt zu erwirken. Scheitert dies, droht wegen der schärferen Anforderungen für innergemeinschaftliche Lieferungen (Verwendung einer im Lieferzeitpunkt gültigen USt.-ID-Nummer des Abnehmers109) eine Belastung mit Umsatzsteuer. b) Uneinheitliche Auslegung in den Mitgliedstaaten Es wird zu beobachten sein, wie die Mitgliedstaaten die Konsignationslagerregelung anwenden. Da die Erläuterungen der Europäischen Kommission nicht rechtsverbindlich sind, besteht ein Risiko einer uneinheitlichen Auslegung. Dieses kann zu Konflikten und Doppelbesteuerungen führen. c) Betriebstätte bei Lagersachverhalten Das BMF übernimmt die Auffassung der Europäischen Kommission, dass Lager eine feste Niederlassung begründen können. Dies erscheint grundsätzlich angesichts der Rspr. des EuGH vorstellbar.110 Andererseits ist in 2021 neue Verwirrung entstanden, da der EuGH ein – sehr kurz begründetes – Urteil veröffentlichte, das ggf. die Anwesenheit eigenen Personals für eine solche Betriebstätte verlangen könnte.111

VIII. Fazit Die umfangreichen Ausführungen in den BMF-Schreiben zu sämtlichen dargestellten umsatzsteuerlichen Änderungen zeigen, wie wichtig eine rechtsverbindliche Stellungnahme der Verwaltung für die Besteuerungspraxis in der Wirtschaft ist. Viele für die Wirtschaftsbeteiligten wichtige Antworten auf Fragen lassen sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz oder der ggf. zugrunde liegenden EU-Richtlinie ableiten, sondern bedürfen einer Abstimmung auf Bundesebene. Nur die Aussagen in einem 109 Vgl. § 4 Nr. 1 Buchst. b und § 6a UStG sowie Abschn. 6a.1. Abs. 12 und 13 UStAE. 110 Vgl. EuGH v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), UR 2014, 937 = MwStR 2014, 828; v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS), UR 1997, 179. 111 Vgl. EuGH v. 3.6.2021 – C-931/19 (Titanium), UR 2021, 513.

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BMF-Schreiben haben dann eine vertrauensschützende Wirkung nach § 176 AO. Der Dialog von Wirtschaft und Verwaltung ist hier von elementarer Wichtigkeit, um praxisorientierte Lösungen für die Probleme zu finden, die auch wirklich existieren. Die obigen Ausführungen zu den ersten Erfahrungen mit dem „Digitalpaket“ zeigen anschaulich, dass auch zügig erarbeitete unionsrechtliche Neuregelungen einer Nacharbeit und Feinabstimmung bedürfen, um eine praxisgerechte Umsetzung zu erreichen und dem einen Ziel der Neuregelung (der Steuervereinfachung durch Registrierung im OSS) gerecht zu werden. Zum Thema „umsatzsteuerliche Organschaft“ sind die Entscheidungen des EuGH mit Spannung zu erwarten. Erst dann wird sich ablesen lassen, ob es (entsprechend der Auffassung des XI. Senats) wegen der Unionsrechtswidrigkeit der nationalen Regelung zu einem Milliarden-Steuerausfall kommen wird oder doch der V. Senat in diesem „Zweikampf“ obsiegen wird, der diese als unionsrechtmäßig ansieht; ggf. wird sich dies sogar erst aus den Nachfolgeentscheidungen des BFH endgültig klären lassen.

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Beschränkung des Vorsteuerabzugs durch Factoring? Dr. Jan de Weerth Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Frankfurt I. Einführung in die Problemstellung II. Forderungsverkauf als Umsatz und Vorsteuerabzug nach nationalem Recht III. Forderungsverkauf als umsatzsteuerbarer Umsatz im Sinne der MWStSystemRL?

IV. Forderungsverkauf als unbeachtlicher „Hilfsumsatz“? 1. „Hilfsumsatz“ nach nationalem Recht 2. Hilfsumsatz und Vorsteuerabzug nach MWStSystemRL V. Ergebnis

I. Einführung in die Problemstellung Trotz der EuGH-Urteile „MKG“1 und „GFKL“2 und der danach erfolgten Änderungen des UStAE kann das Factoring noch zu Überraschungen für die Beteiligten führen. Das zeigt folgender Fall: Der Großhändler A verkauft im Inland an Unternehmer-Geschäftskunden (b2b) Computer. Seine regelmäßig in einem Monat nach Lieferung fälligen Forderungen gegen die Abnehmer verkauft er an den Factor B. Dafür erhält er den Forderungsbetrag abzüglich des einbehaltenen Diskonts. Der Diskont setzt sich zusammen aus Zins zuzüglich USt. und wird so auch von B gegenüber A in einer Rechnung ausgewiesen. Das Factoring ist als „stilles“ Factoring ausgestaltet. A zieht daher bei Fälligkeit die Forderungen ein. Der Betriebsprüfer des A sieht den Forderungsverkauf als Umsatz an.3 Der Forderungsverkauf sei daher für den Vorsteuerabzugsschlüssel zu berücksichtigen. Weil A sämtliche Forderungen eines Geschäftsjahres

1 EuGH 26.6.2003 – C-305/01 (MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring), UR 2003, 399. 2 EuGH 27.10.2011 – C-93/10 (GFKL Financial Services), ZIP 2012, 477, UR 2011, 933. 3 Abschn. 2.4. Abs. 3 Satz 4 und 5 UStAE.

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veräußert hat, sei der Vorsteuerabzugsschlüssel von vormals 100 % auf 50 % zu reduzieren.

II. Forderungsverkauf als Umsatz und Vorsteuerabzug nach nationalem Recht Auf den ersten Blick erscheinen die Aussagen des Betriebsprüfers zutreffend. A könnte dann für den Forderungsverkauf zur Umsatzsteuerpflicht optieren.4 B sollte zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sein.5 Denn der Forderungseinkauf des B steht im unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Kreditgewährung an A. Diese wurde steuerpflichtig behandelt, so dass der Ausschlusstatbestand des § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht einschlägig ist. Im Ergebnis würde dann bei B ein hoher Vorsteuerüberhang entstehen. Dieser resultiert daraus, dass die Forderungen monatlich umgeschlagen werden (etwa: 100 EUR × 12 Monate = 1.200 EUR Bemessungsgrundlage). Der Zins ist demgegenüber ein Jahreszins, so dass bei unterstellter monatlicher Abtretung von 100 EUR und einem aktuell eher hohen Jahreszins von 10 % nur eine Bemessungsgrundlage von 120 EUR entsteht. Das wird im Kern als Ergebnis von der deutschen FinVerw. und Teilen der Literatur so gesehen. Es soll ein tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe nach § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG vorliegen.6 Kritisch meint demgegenüber Wäger, dies Ergebnis entspräche weder den rechtlichen Vereinbarungen noch der wirtschaftlichen Realität und führe im Fall der nach § 9 UStG möglichen Option zur Steuerpflicht zu absurden Rechtsfolgen.7 Vor diesem Hintergrund drängen sich Fragen auf.

III. Forderungsverkauf als umsatzsteuerbarer Umsatz im Sinne der MWStSystemRL? Zunächst drängt sich die Frage auf, ob im zivilrechtlich vereinbarten Forderungsverkauf umsatzsteuerlich eine entgeltliche Forderungsabtretung als Leistung im umsatzsteuerlichen Sinn zu sehen ist. Wäger8 bejaht dies. Das ist nicht ohne Zweifel. Jedenfalls bei Veräußerung höher4 § 9 UStG, Abschn. 2.4. Abs. 5 Satz 5 UStAE. 5 § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG. 6 Abschn. 2.4. Abs. 5 UStAE, Hahn in BeckOK UStG § 4 Nr. 8 Rz. 36.3 (Mai 2021). 7 Wäger in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 8 Rz. 160 (Juni 2021); zustimmend Jacobs in Wäger, UStG, § 4 Rz. 60 (2020). 8 Vgl. Wäger in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 8 Rz. 160 (Juni 2021).

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preisiger Forderungen wird üblicherweise vom Factor meist nur ein Zins berechnet. Bleiben Bilanz-Effekte und die Gewerbesteuer unberücksichtigt, steht Factoring im Wettbewerb mit einer Bankfinanzierung. Der EuGH stellt in seiner jüngeren Rspr. weniger auf zivilrechtliche Vereinbarungen ab, sondern eher auf den wirtschaftlichen Hintergrund.9 So hat er zuletzt in der Rechtssache „Vega“10 ein Kommissionsgeschäft als unbedeutend angesehen. Die dort wirtschaftlich vorliegende Vorfinanzierung von Kraftstoff als bloße „Darlehnsgewährung“ war für ihn maßgeblich. Die „zivilrechtlich Zwischenschaltung“ von Vega wurde als unerheblich angesehen. In Rz. 48 der Entscheidung führt er dazu aus: „Vega … erhält dadurch, dass sie bei [dem Vertragspartner einen] Zuschlag von 2 % erhebt, eine Vergütung für die [an den Vertragspartner] erbrachte Dienstleistung. Vega … erbringt somit eine Finanzdienstleistung an [den Vertragspartner], indem sie den Kauf von Kraftstoff vorfinanziert, und fungiert hierzu wie ein gewöhnliches Finanz- oder Kreditinstitut.

Für die Vorfinanzierung einer noch nicht fälligen Geldforderung kann kaum anderes gelten. Das dürfte unabhängig davon sein, ob das Factoring zum einen mit oder ohne Regress oder zum anderen mit oder ohne Offenlegung erfolgt. Dem entsprechend hat der EuGH auch in der Rechtssache „Frank“11 bei einem mittels Wechsel besicherten Factoring allein die Darlehensgewährung als umsatzsteuerlich relevantes Geschäft angesehen und zugleich betont, dass „die Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt“.12 Die Vergütung, die der Forderungsverkäufer Franck von seinem Abnehmer für die Einräumung eines von Franck weitergeleiteten Kredits erhielt, wurde daher als Zins angesehen.13 Ein Forderungsverkauf mit dem Ziel der Finanzierung von laufenden Geschäftsbeziehungen dürfte vor diesem Hintergrund wohl mit einer Sicherungsabtretung an einen Darlehensgeber gleichzusetzen sein. Das gilt erst recht, wenn man erkennt, dass die in Deutschland üblichen Sicherungszessionen nicht in allen EU-Ländern möglich sind. 9 EuGH v. 6.2.2003 – C-185/01 (Auto Lease Holland), UR 2003, 137 Rz. 33–37, zuletzt bestätigt durch EuGH v. 15.5.2019 – C-235/18 (Vega), UR 2019, 461 Rz. 30–35. 10 EuGH v. 15.5.2019 – C-235/18 (Vega), UR 2019, 461. 11 EuGH 17.12.2020 – C-801/19 (Franck), UR 2021, 593 = MwStR 2021, 195 m. Anm. Erdbrügger. 12 Rz. 44. 13 Rz. 44.

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Wird dem gefolgt, läge in der entgeltlichen Forderungsabtretung aufgrund des Zessionsvertrags keine entgeltliche Leistung. Vorsteuerabzug wäre dann in voller Höhe zu gewähren.

IV. Forderungsverkauf als unbeachtlicher „Hilfsumsatz“? 1. „Hilfsumsatz“ nach nationalem Recht Wird entgegen den vorstehenden Ausführungen eine Leistung im umsatzsteuerlichen Sinne bejaht, könnte einer Berücksichtigung der Forderungsverkäufe für die Ermittlung des Vorsteuerschlüssels beim Großhändler § 43 UStDV entgegenstehen. Der Forderungsverkauf ist sachenrechtlich mit einer Forderungsabtretung verknüpft. Dazu sieht § 43 Nr. 1 UStDV vor, dass Umsätze von Geldforderungen, denen zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze zugrunde liegen, für die Ermittlung des Vorsteuerschlüssels nicht zu berücksichtigen sind. Abschn. 15.18. Abs. 3 UStAE erwähnt ausdrücklich Forderungsabtretungen als Umsatz in Geldforderungen. Damit sollte klar sein, dass die mit dem Factoring verbundene Forderungsabtretung als Umsatz einer Geldforderung von § 43 Nr. 1 UStDV umfasst ist. Dem entsprechend sieht für den hier vorliegenden Fall des stillen Factorings der UStAE in einem Beispiel14 einen vollen Vorsteuerabzug vor. Weiterhin lässt § 43 Nr. 3 UStDV den Austausch von gesetzlichen Zahlungsmitteln für die Ermittlung des Vorsteuerabzugsschlüssels unberücksichtigt. Die auf Geld gerichtete Forderung aus einem Warenumsatz ist kaum ein „gesetzliches Zahlungsmittel“. Zwar sind nach deutschem Recht allein Euro-Bargeldnoten gesetzliches Zahlungsmittel.15 Aber die FinVerw. versteht die Norm weiter.16 Die Forderungsabtretung eines Lieferanten dürfte aber anders als möglicherweise die Abtretung von Bundesbank-Guthaben kaum als gesetzliches Zahlungsmittel gelten. Weiterhin ist zu bedenken, dass die UStDV für Zahlungsmittel zusätzlich fordert, dass der Umsatz ein „Hilfsumsatz“ ist. Was ein „Hilfsumsatz“ ist, wird nicht weiter erläutert. Nationale Rspr. und Literatur sind zum „Hilfsumsatz“ iSv. 43 UStDV praktisch nicht vorhanden. Der BFH hat sich soweit erkennbar erst einmal mit der Frage des „Hilfsumsatzes“ auseinandersetzen müssen. Für eine geschäftsleitende Hol14 Abschn. 15.18. Abs. 3 UStAE. 15 § 14 BbankG. 16 Zu Einzelheiten vgl. Abschn. 15.18. Abs. 5 UStAE.

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ding führte er aus, dass steuerfreie Einlagen bei Kreditinstituten, die zur Haupttätigkeit des Unternehmers gehören, keine „Hilfsumsätze“ iSd. § 43 Nr. 3 UStDV sind.17 Maßgeblicher Entscheidungsgegenstand war für ihn also eine Darlehnsvergabe und nicht der dem Factoring wirtschaftlich zugrunde liegende umgekehrte Fall einer Darlehensaufnahme. Der BFH-Entscheidung liegt die EuGH-Entscheidung „Larentia und Minerva“18 zugrunde. Aus Sicht des BFH europarechtlich entscheidungserheblich waren lediglich Streitfragen zur Organschaft. Vor diesem Hintergrund hat der BFH dem EuGH keine Frage zur Auslegung des Begriffs des „Hilfsumsatzes“ gestellt. Die Rspr. des EuGH erschien dem BFH als hinreichend klar. Zweck einer geschäftsleitenden Holding sei der Erwerb und die Verwaltung von in- und ausländischen Finanzanlagen.19 Die Darlehensvergabe falle in diesen Unternehmenszweck. Daher handele es sich um eine Haupttätigkeit der Gesellschaft und nicht um ein Hilfsgeschäft iSd. § 43 Nr. 3 UStDV.20 Diese Würdigung erscheint zwar als möglich, aber bei der konzerninternen Darlehensvergabe einer Holding nicht als zwingend.21 Die hier bereits zuvor dargestellte jüngere EuGH-Rspr. konnte der BFH noch nicht berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund dürfte aus der BFH-Entscheidung für die hier interessante Frage nach „Hilfsumsätzen“ beim Factoring aus heutiger Sicht nichts weiter abzuleiten sein. Im Ergebnis lässt sich danach jedenfalls aus der Rspr. des BFH nicht klar ableiten, ob und wenn ja welche Form des Factoring vorsteuerabzugsschädlich sein könnte. Tendenziell dürfte das der Literatur nach wohl zu verneinen sein.

17 BFH v. 19.1.2016 – XI R 38/12, GmbHR 2016, 426 = ZIP 2016, 1378 = DStR 2016, 587, mit Anm. Treiber = MwStR 2016, 262, mit Anm. Grünwald; tendenziell wohl ähnlich zur Berücksichtigung der Darlehensvergabe durch eine in die strategische Leitung eingebundene Landesholding EuGH 14.12.2016 – C-378/15 (Mercedes Benz Italia), Ls. 2 und Rz. 45 ff., MWStR 2017, 118 mit Anm. de Weerth. 18 EuGH 16.7.2015 – C-108/14, C-109/14 (Larentia + Minerva), ZIP 2015, 1971, DStR 2015, 1673. 19 Rz. 56. 20 Rz. 51. 21 Kritisch auch Englisch, MWStR 2016, 401 (404 ff., insbes. 406 „plausibel … und überzeugt nicht“); Stapperfend in 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018 (Festschrift) 2018, 387 (406 ff.).

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2. Hilfsumsatz und Vorsteuerabzug nach MWStSystemRL Wird § 43 UStDV in seinen unterschiedlichen Alternativen mit der zugrundeliegenden Norm des Art. 174 Abs. 2 Buchst. b und c der MWStSystemRL verglichen, fällt auf, dass die MWStSystemRL bei der Berechnung des Vorsteuerschlüssels für die Nichtberücksichtigung von umsatzsteuerfreien Finanzgeschäften sowie von Bankumsätzen iSv. Art. 135 Abs. 1 Buchst. b–g MWStSystemRL immer das Vorliegen eines „Hilfsumsatzes“ voraussetzt. Das gilt jedenfalls, wenn ein Gesamtumsatzschlüssel gebildet wird (Art. 173 Abs. 1 Satz 2 MWStSystemRL). Für ansonsten von den Mitgliedstaaten mögliche „genauere“ Schlüssel nach Art. 173 Abs. 2 MWStSystemRL dürfte Art. 174 MWStSystemRL nach der Rspr. des EuGH wohl nicht gelten.22 Ein solcher Fall der Bildung eines Gesamtumsatzschlüssels liegt dem eingangs geschilderten Sachverhalt nach vor. Das deutsche Recht verlangt allerdings das Nichtvorliegen eines Hilfsumsatzes nur beim Austausch gesetzlicher Zahlungsmittel. Für Umsätze von Geldforderungen, denen zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungen zugrunde liegen, gilt das nicht. § 43 Nr. 1 UStDV dürfte damit nicht richtlinienkonform sein. Weil der deutsche Gesetzgeber sich nicht an die gemeinschaftsrechtliche Begrifflichkeit anlehnt, erscheint bei der gebotenen gemeinschaftsfreundlichen Auslegung aber nicht mehr völlig eindeutig, ob die Forderungsabtretung unter § 43 Nr. 1 oder unter Nr. 3 UStDV fällt.23 Damit ist tendenziell unklar, ob im nationalen Recht die Begrenzung auf Hilfsumsätze anzuwenden ist. Ob diese Begrenzung anzuwenden ist, muss hier nicht weiter entschieden werden. Das zeigen die nachfolgenden Überlegungen. Wird dem Gemeinschaftsrecht Vorrang eingeräumt, ergibt sich, dass der Verkauf einer Geldforderung nach dem Vorgesagten jedenfalls unterstellt als „Umsatz im Geschäft mit Forderungen“ umsatzsteuerbefreit ist (Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MWStSystemRL) und in den ausdrücklichen Anwendungsbereich von Art. 174 Abs. 2 Buchst. c MWStSystemRL fällt. Die Frage, ob weitere nach Art. 135 Abs. 1 MWStSystemRL umsatzsteuerfreie Umsätze wie etwa Versicherungsumsätze für den Vorsteuerabzug nicht zu berücksichtigen sind, stellt sich nicht.24 Problematischer für 22 Weiterführend etwa Englisch, MWStR 2016, 401, 405. 23 Zu Recht kritisch hinsichtlich der Gemeinschaftskonformität von Nr. 3 mit Blickwinkel auf konzerninterne Darlehn auch Englisch, MWStR 2016, 401, 405 f.; Stapperfend, 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018 (Festschrift) 2018, 387,406 f. 24 Zu Recht ablehnend EuGH 8.7.2021, Rs. C-695/19, Rádio Popular.

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die Anwendung des Art. 174 Abs. 2 Buchst. c MWStSystemRL erscheint hier, ob in dem Forderungsverkauf auch ein Hilfsumsatz zu sehen ist. Den Begriff des Hilfsumsatzes erläutert der EuGH25 mit einem Verweis auf die Entstehungsgeschichte in Rz. 30 und 31 wie folgt: Was schließlich den Zweck von Art. 19 Abs. 2 angeht, ergibt sich aus der Begründung zum Vorschlag der Sechsten MWSt-RL, den die Kommission der Europäischen Gemeinschaften dem Rat der Europäischen Gemeinschaften am 29.6.1973 vorgelegt hat (vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/73, S. 21), Folgendes: ‚Die in diesem Absatz genannten Umsatzbeträge sind bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes außer Ansatz zu lassen, damit sie nicht dessen eigentliche Bedeutung verfälschen, sofern diese Umsatzbeträge nicht die berufliche Tätigkeit der Steuerpflichtigen widerspiegeln. Dies trifft zu für die Verkäufe von Investitionsgütern und für Grundstücks- oder Finanzumsätze, die nur als Hilfsumsätze getätigt werden, dh. die innerhalb des Gesamtumsatzes des Unternehmens nur eine nebensächliche oder zufällige Rolle spielen. Diese Umsätze werden übrigens nur dann ausgeschlossen, wenn sie nicht in den Rahmen der regelmäßig ausgeübten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen fallen.‘ Wie aus der Rspr. des Gerichtshofs, die sich auf diesen Zweck stützt, hervorgeht, kann eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht als „Hilfstätigkeit“ iSv. Art. 19 Abs. 2 der Sechsten MwSt-RL eingestuft werden, wenn sie die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Unternehmens darstellt (EuGH v. 11.7.1996 – C-306/94 (Régie dauphinoise) EuGHE 1996, I-3695, = UR 1996, 304 Rz. 22) oder wenn sie eine umfangreiche Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen erfordert, für die die Mehrwertsteuer zu entrichten ist (EuGH v. 29.4.2004 – C-77/01 (EDM), EuGHE 2004, I-4295 UR 2004, 292 Rz. 76).“

Im Sinne der EuGH-Rspr. könnten die hier fraglichen Forderungsverkäufe bereits als „nebensächlich“ bzw „zufällig“ angesehen werden. Denn sie fallen nicht in den Unternehmensgegenstand „Computerverkäufe“, sondern ersetzen lediglich eine Kreditgewährung gegen Sicherungsabtretung. Dass eine solche Betrachtungsweise zutreffend ist, ergibt sich auch aus dem Urteil EuGH „CT“,26 das die vorgenannte Entscheidung ausdrücklich bestätigt27 und weiterführt. Danach ist der Begriff des „Nebenumsatzes“ für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung (Art. 288 Abs. 1 Nr. 4 MwStSystRL) ebenso zu verstehen wie der im Rahmen des Vorsteuerabzugs relevante Begriff des „Hilfsumsatzes“ (Art. 174 Abs. 2 Buchst. c MWStSystemRL). Für den Begriff des Nebenumsatzes hebt der 25 EuGH v. 29.10.2009 – C-174/08 (NCC Construction Danmark A/S), DStRE 2010, 170. 26 EuGH v. 9.7.2020 – C-716/18 (CT), Rz. 31 ff., UR 2021, 408 = MwStR 2020, 885 m Anm. Korn. 27 Rz. 34.

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EuGH hervor, dass Umsätze unberücksichtigt zu bleiben haben, „die wie die Forderungsabtretungen kein wirklichkeitsgetreues Bild von der Größe des Unternehmens geben“.28 Der EuGH sieht damit ausdrücklich Forderungsabtretungen als Nebenumsatz an. Grund dafür ist, dass das Factoring typischerweise allein der Finanzierung dient. Bei etwaigem regresslosem Factoring ist diese Finanzierung noch mit einer Garantieübernahme für die Bonität des Abnehmers verbunden. Vom wirtschaftlichen Gehalt her bewirkt die mit der Finanzierung verbundene Kreditaufnahme mit ihrer Zinszahlungsverpflichtung einen Eingangs-, aber keinen Ausgangsumsatz. Gleiches gilt für die etwaige Bonitätsübernahme mittels einer Garantie oder Versicherung. Damit sollte klar sein, dass entgegen der Ansicht des Betriebsprüfers das Factoring und die damit verbundenen Forderungsabtretungen unberücksichtigt zu bleiben haben. Eine „Umsatzverdoppelung“ durch Factoring verzerrt völlig das wirtschaftliche Bild.

V. Ergebnis Im Ergebnis sollte danach klar sein: Eine etwaige Umsatz-Verdopplung durch Forderungsverkäufe sämtlicher Forderungen eines Lieferanten ist regelmäßig abzulehnen. Es fehlt jedenfalls aus Sicht des EuGH wohl schon an einem umsatzsteuerlich relevanten entgeltlichen Umsatz. Selbst wenn die Umsatz-Verdopplung als solche bejaht würde, ist diese für den Vorsteuerabzug des Lieferanten unerheblich. Die Factoring-Umsätze wären als für Zwecke des Vorsteuerabzugs nicht zu berücksichtigende steuerfreie Bankumsätze „im Geschäft mit Forderungen“ und Hilfs- bzw. Nebenumsätze iSd. MWStSYstemRL. Damit kann auch offenbleiben, wie sich die wohl mangelnde Gemeinschaftskonformität des § 43 UStDV auf Factoring auswirkt. Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie im hier besprochenen Fall – ein Gesamt-Umsatzschlüssel Anwendung findet.

28 Rz. 35.

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Aktuelle Fragestellungen zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft Dr. Michael Rust Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, München I. Einleitung II. Personengesellschaft als Organgesellschaft 1. Entwicklung der Rechtsprechung 2. Aktuelle EuGH-Entscheidung 3. Auswirkungen dieser Entscheidung und Rechtsfolgen für das deutsche Recht III. Die Eingliederungsmerkmale 1. Keine Durchgriffsrechte für eine enge finanzielle Verbundenheit erforderlich

2. Keine Durchgriffsrechte für eine enge organisatorische Verbundenheit erforderlich IV. Wer ist Steuerpflichtiger? 1. Unionsrechtskonforme Auslegung und unmittelbare Anwendbarkeit 2. Rechtsfolgen für die Besteuerung von Organträger und Organgesellschaft 3. Betriebsstättenproblematik V. Umfang Organschaft

I. Einleitung Eines der Themen in der Umsatzsteuer, welches in der jüngeren Vergangenheit immer wieder die Gerichte, die FinVerw. und die Literatur beschäftigt hat, ist die umsatzsteuerrechtliche Organschaft. Hier stellen sich aktuell Detailfragen ebenso wie ganz grundsätzliche Fragen. Die meisten dieser Fragestellungen leiten sich aus einem Vergleich des jeweiligen Wortlauts von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG und Art. 11 MwStSystRL ab.1 Der Beitrag greift diese nachfolgend zusammengefassten Fragestellungen auf. 1. Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG kann nur eine „juristische Person“ Organgesellschaft sein. Nach dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL hingegen können „Personen“ Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe sein. Es stellte sich daher zunächst die Frage, ob die Einschränkung des deutschen Rechts auf bestimmte Gesellschafts1 Vgl. zuletzt auch Schlussantrag der GA Medina v. 13.1.2022 – C-141/20, Tz. 59, 60.

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formen dem Unionsrecht entspricht. Nachdem der EuGH geklärt hat, dass das deutsche Recht insoweit nicht dem Unionsrecht entspricht,2 ist nunmehr noch zu klären, wie das eigentlich recht klare nationale Recht unionsrechtskonform ausgelegt werden kann. 2. Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG muss die Organgesellschaft in den Organträger „eingegliedert“ sein. Der BFH folgerte aus diesem Merkmal zunächst die Notwendigkeit eines Über- und Unterordnungsverhältnisses.3 In seiner neueren Rspr. verlangt der BFH nunmehr Durchgriffsrechte des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft.4 Nach dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL hingegen müssen mehrere Personen lediglich „eng miteinander verbunden“ sein. Das nationale Recht stellt dadurch sprachlich höhere Anforderungen an die Verknüpfung der Beteiligten untereinander als das Unionsrecht. 3. Liegt zwischen zwei oder mehr Gesellschaften eine Organschaft vor, bestimmt das nationale Recht, dass die Organgesellschaft ihre Tätigkeit nicht selbständig ausübt. Die Organgesellschaft wird dadurch Teil des Unternehmens des Organträgers. Einziger Unternehmer der an der Organschaft beteiligten Rechtssubjekte und somit Stpfl. ist dadurch der Organträger. Nach dem Wortlaut des Unionsrechts bilden die an der Mehrwertsteuergruppe beteiligten Personen einen Stpfl. Hieraus kann man folgern, dass nicht der Organträger dieser Stpfl. ist, sondern der Organkreis als solcher.5 Dann stellt sich die Frage, ob der Organkreis als solcher zwingend der Stpfl. sein muss6 (und dies damit nicht der Organträger sein darf) und welche Rechtsfolgen sich für das deutsche Recht ergeben würden, wenn der EuGH genau dies feststellen würde.7 2 EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19, ZIP 2021, 2020 (M-GmbH), UR 2021, 392 unter Bezugnahme auf EuGH v. 16.7.2015 – C-108/14 und C-109/14 (Larentia + Minerva & Marenave), EuGH v. 16.7.2015 – C-108/14, C-109/14, BStBl. II 2017, 604 = ZIP 2015, 1971. 3 BFH v. 8.8.2013 – V R 18/13, BStBl. II 2017, 543 Rz. 22 = GmbHR 2013, 1167 = ZIP 2013, 1773. 4 BFH v. 2.12.2015 – V R 15/14, BStBl. II 2017, 553 Rz. 24, 34 ff. = GmbHR 2016, 240 = ZIP 2016, 568. 5 So beispielsweise EuGH v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America [USA]), UR 2014, 847. 6 Unter den Az. C-141/20 und C-269/20 sind zwei Verfahren beim EuGH anhängig, dies zu klären. 7 Insoweit stellt sich insbes. die Frage nach der Möglichkeit des Stpfl., sich unmittelbar auf das Unionsrecht zu berufen, vgl. BFH v. 11.12.2019 – XI R 16/18, GmbHR 2020, 553 m. Anm. Scholz/Fetzer = ZIP 2020, 2240 = UR 2020, 338, 2. Frage.

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4. Schließlich kann ein Organträger über einen unternehmerischen und einen nichtunternehmerischen Bereich verfügen. Beispiele hierfür sind die sog. gemischte Holding, gemeinnützige Vereine und juristische Personen des öffentlichen Rechts. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG bedarf es einer Eingliederung in das „Unternehmen“ des Organträgers. Erbringt eine Tochtergesellschaft daher zivilrechtlich entgeltliche Leistungen allein in den nichtunternehmerischen Bereich des nur teilweise unternehmerisch tätigen Gesellschafters, ist nach Auffassung des BFH und der FinVerw. eine Organschaft zwischen beiden nicht möglich.8 Anders verhält sich dies, wenn die Tochtergesellschaft die entgeltlichen Leistungen allein in den unternehmerischen Bereich des teilweise unternehmerisch tätigen Gesellschafters erbringt. In diesem Fall ist eine Organschaft möglich, soweit alle Eingliederungsvoraussetzungen vorliegen. Offen bleibt allerdings, was passiert, wenn die Tochtergesellschaft ihre Leistungen sowohl in den unternehmerischen als auch den nichtunternehmerischen Bereich erbringt. Sind in diesem Fall auch die Leistungen in den nichtunternehmerischen Bereich innerhalb der Organschaft erbracht? Wenn ja, ist zu klären, ob die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe vorzunehmen ist.

II. Personengesellschaft als Organgesellschaft 1. Entwicklung der Rechtsprechung Lange Zeit war strittig, ob in Deutschland Personengesellschaften Organgesellschaft sein können oder nicht. Die insoweit vom Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG vorgesehene Einschränkung auf juristische Personen ist allerdings nach einer Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2015 nicht unionsrechtskonform.9 Die Reaktionen auf das Urteil des EuGH durch die beiden mit dem Umsatzsteuerrecht befassten Senate des BFH fielen unterschiedlich aus. Zunächst hat der V. Senat des BFH entschieden, dass eine Personengesellschaft nur dann Organgesellschaft sein kann, wenn an ihr ausschließlich der Organträger oder finanziell in den Organträger eingegliederte Per-

8 BFH v. 2.12.2015 – V R 67/14, GmbHR 2016, 250 = MwStR 2016, 247 mit Anm. Rust. 9 EuGH v. 16.7.2015 – C-108/14 und C-109/14 (Larentia + Minerva & Marenave), BStBl. II 2017, 604 = ZIP 2015, 1971.

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sonen beteiligt sind.10 Laut dem XI. Senat des BFH kann eine GmbH & Co. KG hingegen grundsätzlich Organgesellschaft sein.11 Hierfür scheint es nach Auffassung des XI. Senats nicht erforderlich zu sein, dass der Organträger alle Anteile der Personengesellschaft beherrscht. Trotzdem betont der XI. Senat, dass er vom V. Senat lediglich in der Begründung, nicht aber im Ergebnis abweiche. Der XI. Senat äußert sich dabei (bedingt durch den ihm zur Entscheidung vorliegenden Sachverhalt) nicht dazu, was für andere Rechtsformen der Personengesellschaft gilt, beispielsweise für eine OHG, eine KG oder eine GbR. Die FinVerw. hat sich im Rahmen eines BMF-Schreibens aus dem Jahr 2017 der Auffassung des V. Senats angeschlossen.12 Insbesondere Abschn. 2.8 Abs. 5a UStAE setzt die Rspr. des V. Senats um. Klar war nach diesen Entscheidungen, dass auch eine Personengesellschaft Organgesellschaft sein kann. Offen blieb „nur“ noch, unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist. So stellte sich aufgrund der divergierenden BFH-Rspr. zB weiterhin die Frage, wie umsatzsteuerrechtlich zu entscheiden ist, wenn neben dem Mehrheitsgesellschafter einer GmbH & Co. KG ein nicht in den Mehrheitsgesellschafter eingegliederter Gesellschafter existiert.13 Aber auch soweit man der Auffassung des V. Senats und der FinVerw. folgt, sind nicht alle Fragen final geklärt. So ist zB offen, ob eine KG in ihren Kommanditisten, der 100 % der Anteile der KG hält, eingegliedert sein kann, wenn die Komplementär-GmbH, die nicht in den Kommanditisten finanziell eingegliedert ist, dementsprechend 0 % der Anteile hält?14

2. Aktuelle EuGH-Entscheidung Zu dem „Wie“ der Eingliederung von Personengesellschaften gab es im Anschluss zwei finanzgerichtliche Entscheidungen. Einerseits hat das 10 BFH v. 2.12.2015 – V R 25/13, BStBl. II 2017, 547 = GmbHR 2016, 245 = ZIP 2016, 463. 11 BFH v. 19.1.2016 – XI R 38/12, BStBl. II 2017, 567 = GmbHR 2016, 426 = ZIP 2016, 1378; v. 1.6.2016 – XI R 17/11, BStBl. II 2017, 581 = GmbHR 2016, 1005 = ZIP 2016, 1577. 12 BMF v. 26.5.2017 – III C 2 - S 7105/15/10002 – DOK 2017/0439168, BStBl. I 2017, 790. 13 Beispiel: Neben der Komplementär-GmbH sind die Kommanditisten Y und Z mit 99,9 % und 0,1 % der Anteile an einer KG beteiligt. 14 Nach der Ratio der Rspr. des V. Senats kann dann eigentlich keine Organschaft vorliegen, da die Stimmrechte theoretisch auch zu 50 % (oder mehr) der GmbH zustehen können.

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FG Baden-Württemberg in einem Urteil eine Personengesellschaft als Organgesellschaft angesehen.15 Hierbei ging es um einen Fall, in dem der mögliche Organträger als Kommanditist 80 % einer KG gehalten hat. Die restlichen 20 % der Anteile hielt sein Sohn, ebenfalls als Kommanditist. Komplementärin ohne eigenen Kapitalanteil war eine GmbH. Entgegen der Auffassung des V. Senats des BFH genügte dem FG Baden-Württemberg der Gesellschaftsanteil von 80 %, um anzunehmen, dass die KG Organgesellschaft sein kann. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung relativ knapp. Es führte an, dass der vom BFH für den weitgehenden Ausschluss von Personengesellschaften als Organgesellschaft angeführte Grundsatz der Rechtssicherheit kein nach dem Unionsrecht zulässiger Grund für eine Beschränkung sei. Die vom V. Senat des BFH vorgesehene Ungleichbehandlung von juristischen Personen und Personengesellschaften sei auch nicht erforderlich, um eine am Einstimmigkeitsprinzip orientierte rechtssichere Rechtsanwendung zur Verhinderung von missbräuchlichen Praktiken zu rechtfertigen. Insbesondere mit dem Wortlaut des deutschen Gesetzes, der nur juristische Personen als Organgesellschaft zulässt, setzt sich das FG Baden-Württemberg allerdings nicht auseinander. Die Revision gegen dieses Urteil ist beim V. Senat des BFH anhängig.16 Andererseits legte das Finanzgericht Berlin-Brandenburg im Jahr 2020 dem EuGH verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vor.17 In dem Verfahren war zu klären, ob zwischen einer GmbH als Organträger und einer GmbH & Co. KG als Organgesellschaft eine Organschaft bestand. In der Gesellschafterversammlung der KG standen der GmbH 6 Stimmen zu. Die übrigen Gesellschafter, die finanziell nicht in die GmbH eingegliedert waren, besaßen in der Gesellschafterversammlung der KG zusammen 5 Stimmen. Nach der bisherigen Auffassung des V. Senats des BFH konnte die KG nicht Organgesellschaft der GmbH sein. Das Finanzgericht hatte den EuGH sinngemäß gefragt, ob die Rspr. des V. Senats des BFH mit Art. 11 MwStSystRL vereinbar ist. Die Antwort des EuGH ist klar: Die Rspr. des V. Senats des BFH ist mit dem Unionsrecht nicht vereinbar.18

15 FG Bad.-Württ. v. 7.11.2019 – 1 K 1952/18, EFG 2020, 943, Rev.-Az. V R 14/21. 16 Rev.-Az.: V R 14/21 (zuvor V R 45/19). 17 FG Berlin-Brandenb. v. 27.6.2019 – 5 K 5044/19, DStR 2020, 281. 18 EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19, ZIP 2021, 2020 (M-GmbH), UR 2021, 392.

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Nach dieser klaren Antwort des EuGH hat nunmehr das Finanzgericht Münster19 entschieden, dass die bisherigen Einschränkungen des V. Senats des BFH in Bezug auf die Möglichkeit für Personengesellschaften, Organgesellschaft sein zu können, nicht weiter anwendbar sind. Es genügt der Nachweis der finanziellen Eingliederung. Diesen sieht das Finanzgericht Münster als geführt an, wenn der Komplementär 97 % der Anteile der Tochter-KG hält, über entsprechende Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung verfügt und die Entscheidungen in der Gesellschafterversammlung (mit Ausnahmen bei „besonderen“ Beschlüssen) mit einfacher Mehrheit getroffen werden. Weiter ist das Finanzgericht Münster unter Verweis auf die Rspr. beider BFH-Senate der Auffassung, dass Personengesellschaften „juristische Personen“ iSv. § 2 Abs. 2 Nr 2 Satz 1 UStG sein können.

3. Auswirkungen dieser Entscheidung und Rechtsfolgen für das deutsche Recht Rechtlich interessant ist zunächst, wie die Umsetzung des EuGH-Urteils vom 15.4.2021 in Deutschland aussehen kann. Sollte sich nämlich das deutsche Recht nicht unionsrechtskonform auslegen lassen, könnte der Einzelne sich nicht auf das Unionsrecht berufen. Art. 11 MwStSystRL entfaltet zumindest bezüglich der Voraussetzungen keine unmittelbare Wirkung.20 Der Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG schließt Personengesellschaften eigentlich eindeutig als Organgesellschaft aus.21 Der XI. Senat des BFH hat trotzdem einen gangbaren Weg aufgezeigt, wie eine GmbH & Co. KG als „juristische Person“ iSv. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG angesehen werden kann. Allerdings lassen sich seine Argumente hierfür zumindest teilweise nicht auf andere Personengesellschaften wie eine OHG oder GbR übertragen. So verweist der XI. Senat auf eine „kapitalistische Struktur“ und durch den Gesetzgeber mittlerweile eingeebnete Unterschiede zwischen einer GmbH und einer GmbH & Co. KG. Da nur eine GmbH die Geschäfte führt, könne sie dem Willen eines

19 FG Münster v. 26.4.2022 – 15 K 137/18 U, EFG 2022, 1322. 20 EuGH v. 16.7.2015 – C-108/14 und C-109/14 (Larentia + Minerva & Marenave), BStBl. II 2017, 604 Rz. 51 = ZIP 2015, 1971. 21 So hatte auch der XI Senat des BFH Zweifel daran, ob eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung möglich ist: BFH v. 11.12.2013 – XI R 17/11, BStBl. II 2014, 417 Rz. 76 = GmbHR 2014, 376 m. Anm. Masuch.

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anderen Rechtsträgers unterworfen sein. Diese Argumente lassen sich jedoch nicht auf Personengesellschaften wie die OHG oder GbR übertragen. Auf der anderen Seite verweist der XI. Senat des BFH auf die Rspr. verschiedener anderer Gerichte, die in unterschiedlichen Rechtsbereichen die Personengesellschaft als „juristische Person“ ansehen. Derartige Aussagen trifft beispielsweise das BVerfG im Hinblick auf das Grundgesetz22 ebenso wie das BVerwG im Hinblick auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz.23 Ob eine solche Auslegung möglich ist, folgt aus dem jeweiligen Zweck des Gesetzes. Es ist zu prüfen, ob danach auch die Personengesellschaft im entsprechenden Gesetz von dem Begriff der „juristischen Person“ umfasst sein soll oder nicht. Unter Heranziehung dieses Rechtsgedankens lässt sich auch eine Personengesellschaft als juristische Person iSv. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG einordnen. So ist es nicht zwingend, im Umsatzsteuerrecht einen Begriff gemäß dem Zivilrecht auszulegen. Es gibt keinen Vorrang des Zivilrechts vor dem Umsatzsteuerrecht. BGB, HGB usw. auf der einen und das UStG auf der anderen Seite stehen sich als Bundesgesetze gleichberechtigt gegenüber. Aus dem Gedanken einer Über- und Unterordnung lässt sich daher nicht ableiten, dass die umsatzsteuerrechtliche Auslegung der zivilrechtlichen folgen müsste. Einer der Zwecke des UStG ist es, die MwStSystRL umzusetzen. Diese Umsetzung erfordert eine Auslegung dahingehend, dass Personengesellschaften juristische Personen iSv. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG sind. Hierfür spricht auch die Rechtsformneutralität zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften. Schließlich unterscheidet das UStG auch an anderen Stellen nicht zwischen Personenund Kapitalgesellschaften. Wenn nunmehr auf der Grundlage der EuGHRspr. auch die Rechtfertigung für eine derartige Unterscheidung bei der Organschaft entfällt, dann ist, um den Gesetzeszweck zu erreichen, eine Auslegung dahingehend geboten, dass Personengesellschaften unter den gleichen Voraussetzungen wie Kapitalgesellschaften Organgesellschaft werden können.24 Eine solche erweiternde Auslegung lässt sich auch unter Heranziehung der vom V. Senat des BFH bereits zitierten teleologischen Extension er22 BVerfG v. 2.9.2002 – 1 BvR 1103/02, ZIP 2002, 2214 = NJW 2002, 3533 mwN für eine GbR. 23 BVerwG v. 1.10.2015 – 7 C 8/14, NVwZ 2016, 316 Rz. 23 für eine GbR. 24 Im Erg. ebenso umfassend für alle Personengesellschaften FG Münster v. 26.4.2022 – 15 K 137/18 U, EFG 2022, 1322 Rz. 33.

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reichen.25 Es geht hierbei um eine Auslegung über den Wortlaut hinaus. Die hierfür notwendige26 planwidrige Regelungslücke ergibt sich aus der fehlenden Richtlinienkonformität des deutschen Gesetzes.27 Der Wortsinn der juristischen Person umfasst die Personengesellschaft entgegen den Vorgaben des Unionsrechts nicht (wenn man nicht bereits der zuvor dargestellten Auslegung des Begriffs der juristischen Person im UStG folgt). Die Planwidrigkeit folgt daraus, dass der Gesetzgeber mit dem UStG eine unionsrechtskonforme Regelung schaffen wollte.28 Schließlich liegt auch der geforderte schwerwiegende Wertungswiderspruch29 vor. Dieser folgt aus dem Gesichtspunkt der fehlenden Rechtsformneutralität ebenso wie aus der fehlenden Unionsrechtskonformität. Insbesondere ist die Ungleichbehandlung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften nicht, wie vom V. Senat in seiner Entscheidung zu der vorliegenden Thematik angenommen,30 im Grundsatz gerechtfertigt. Insoweit hat der EuGH deutlich gemacht, dass die vom V. Senat angeführten Rechtfertigungsgründe die Ungleichbehandlung nicht legitimieren können.31 Der V. Senat des BFH hat jetzt die Möglichkeit, sich mit der Auslegung des Begriffs der „juristischen Person“ in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG sehr zeitnah auseinanderzusetzen. Bei ihm ist unter dem Az. V R 14/21 (zuvor V R 45/19) die Revision zum oben genannten Urteil des FG BadenWürttemberg anhängig.32 Interessant wird sein, ob der V. Senat des BFH nur eine Entscheidung zu der dort gegenständlichen GmbH & Co. KG als Organgesellschaft trifft. Insoweit könnte er schlicht dem XI. Senat des BFH folgen. Im Sinne der Rechtssicherheit wäre hingegen wünschenswert, dass der V. Senat eine generellere Lösung für alle Arten der Per25 Vgl. dazu bereits Streit/Rust, DStR 2015, 2097. 26 BFH v. 2.12.2015 – V R 25/13, BStBl. II 2017, 547, Rn. 36 = GmbHR 2016, 245 = ZIP 2016, 463; Canaris in Festschrift für Bydlinski, 82 f. 27 BGH v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rz. 25 = ZIP 2009, 176; Canaris in Festschrift für Bydlinski, 85. 28 Vgl. zB extra aus diesem Grund erfolgte Anpassungen des deutschen Rechts wie zB durch Art. 14 StBereinG 1986 v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2436. 29 Herrmann, Richtlinienumsetzung durch die Rechtsprechung, 148 mit Verweis auf Larenz, Methodenlehre, 379. 30 BFH v. 2.12.2015 – V R 25/13, BStBl. II 2017, 547 Rz. 45 = GmbHR 2016, 245 = ZIP 2016, 463. 31 EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19 (M-GmbH), ZIP 2021, 2020 = UR 2021, 392. 32 Erst seit kurzem ist die Revision gegen das Urteil des FG Münster v. 26.4.2022 – 15 K 137/18 U, EFG 2022, 1322 unter dem Az. V R 8/22 anhängig.

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sonengesellschaft findet. Früher oder später wird diese Frage sowieso auf ihn zukommen.

III. Die Eingliederungsmerkmale Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG bedarf es einer Eingliederung in wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Hinsicht, um eine Organschaft zu begründen. Aus dem Begriff der Eingliederung hat der BFH in früherer stRspr. abgeleitet, dass es zwischen Organträger und Organgesellschaft eines Über- und Unterordnungsverhältnisses bedarf.33 Im Anschluss an die EuGH-Entscheidung Larentia & Minerva + Marenave hat der BFH insoweit eine sprachliche Anpassung vorgenommen. Er fordert nunmehr „Durchgriffsrechte“.34 Eine inhaltliche Änderung der Anforderungen an die Eingliederung ergibt sich daraus aber nicht. Konkret bedeutet dies für die finanzielle Verbundenheit, dass Schwestergesellschaften nach der Auffassung des BFH untereinander (ohne die Muttergesellschaft) keine Organschaft begründen können. Keine der beiden Schwestergesellschaften ist der anderen übergeordnet35 oder hat der anderen gegenüber Durchgriffsrechte.36 Für die organisatorische Verbundenheit bedeutet dies, dass weiterhin im Grundsatz eine Geschäftsführeridentität zwischen Organträger und Organgesellschaft zu fordern ist. Bei lediglich teilweiser Geschäftsführeridentität bedarf es einer Durchsetzungsmöglichkeit (zB durch Letztentscheidungsrecht) des oder der personenidentischen Geschäftsführer. Fehlt es hingegen vollständig an der Geschäftsführeridentität, müssen institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft vorliegen.37 33 BFH v. 8.8.2013 – V R 18/13, BStBl. II 2017, 543 Rz. 22 = GmbHR 2013, 1167 = ZIP 2013, 1773. 34 BFH v. 2.12.20215 – V R 15/14, BStBl. II 2017, 553 Rz. 24, 34 ff. = GmbHR 2016, 240 = ZIP 2016, 568; der XI. Senat hat es offengelassen, ob er dieser Auffassung folgt: BFH v. 19.1.2016 – XI R 38/12, GmbHR 2016, 426 = ZIP 2016, 1378 = DStR 2016, 587; v. 1.6.2016 – XI R 17/11, GmbHR 2016, 1005 = ZIP 2016, 1577 = DStR 2016, 1668. 35 BFH v. 1.12.2010 – XI R 43/08, BStBl. II 2011, 600 = GmbHR 2011, 494 = ZIP 2011, 710. 36 BFH v. 2.12.2015 – V R 15/14, BStBl. II 2017, 553 = GmbHR 2016, 240 = ZIP 2016, 568. 37 BFH v. 2.12.2015 – V R 15/14, BStBl. II 2017, 553 Rz. 43 = GmbHR 2016, 240 = ZIP 2016, 568.

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Allerdings bedarf es insoweit einer Neubewertung. Sowohl für das Merkmal der finanziellen als auch für das Merkmal der organisatorischen Eingliederung darf das nationale Recht keine Über- und Unterordnung oder Durchgriffsrechte vorsehen.

1. Keine Durchgriffsrechte für eine enge finanzielle Verbundenheit erforderlich So ist der V. Senat des BFH davon ausgegangen, dass die Forderung von finanziellen Durchgriffsrechten gerechtfertigt sei, damit der Organträger für ihn notwendige Informationen zur Umsatzbesteuerung erhält und zivilrechtliche Ausgleichsansprüche gegen die Organgesellschaften durchsetzen kann.38 Nur so könne der Vereinfachungszweck, welcher der Organschaft zugrunde liege, auch für den Organträger erreicht werden. Hierzu hat bereits der XI. Senat des BFH zu Recht darauf verwiesen, dass dem Organträger die notwendigen Informationsrechte zustehen und er diese auch gerichtlich durchsetzen kann.39 Hinzuzufügen ist dem noch, dass – sollte man ein Fehlen derartiger Rechte annehmen – der Gesetzgeber entsprechende Informationsrechte ebenso wie Verfahrensvorschriften zur Durchsetzung der bestehenden Informationspflichten schaffen könnte. Dies wäre ein milderes Mittel, als im Vergleich mit dem Unionsrecht weitergehende Anforderungen an die organisatorische Verbindung zu stellen. Auch wenn ein milderes Mittel ein gesetzgeberisches Handeln erfordert, ist dies laut EuGH vorrangig vor einer Einschränkung der Möglichkeit, eine Organschaft zu begründen.40 Daneben verweist der V. Senat des BFH zur Rechtfertigung des Erfordernisses finanzieller Durchgriffsrechte darauf, dass bei Schwestergesellschaften anderenfalls der Organträger nicht bestimmbar wäre.41 Es würden sich bei einer „engen Verbindung“ Beurteilungsschwierigkeiten ergeben, die zu einer Präzisierungsbedürftigkeit führen würden. Gerade diese Schwierigkeiten scheint aber der Unionsgesetzgeber nicht gesehen zu haben, da er anderenfalls genau dieses Erfordernis der engen Verbun38 BFH v. 2.12.2015 – V R 15/14, BStBl. II 2017, 553 Rz. 24 = GmbHR 2016, 240 = ZIP 2016, 568. 39 BFH v. 11.12.2019 – XI R 16/18, GmbHR 2020, 553 m. Anm. Scholz/Fetzer = ZIP 2020, 2240 = DStR 2020, 645 Rz. 70. 40 EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19 (M-GmbH), ZIP 2021, 2020 = UR 2021, 392 Rz. 64. 41 BFH v. 2.12.2015 – V R 15/14, BStBl. II 2017, 553 Rz. 25 = GmbHR 2016, 240 = ZIP 2016, 568; v. 1.2.2022 – V R 23/21 Rz. 30.

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denheit nicht geregelt hätte. Außerdem hätte ansonsten nicht der EuGH mehrfach geurteilt, dass das Bestehen enger finanzieller Verbindungen genügt, die notwendigen Voraussetzungen der Organschaft insoweit zu schaffen.42 Nach dieser Rspr. ist ein Unterordnungsverhältnis zwar eine hinreichende, aber keine notwendige Verbindung, um eine enge finanzielle Verbundenheit zu begründen. Für die Auffassung des V. Senats könnte dem entgegengehalten werden, dass eine vom Unionsrecht abweichende Sondersituation in Deutschland besteht, da nach dem deutschen Recht ein Mitglied der Organschaft als Organträger und damit als Steuerrechtssubjekt zu bestimmen ist. Für das Unionsrecht ist der EuGH bisher davon ausgegangen, dass die Gruppe als solche Stpfl. ist.43 Wer für die Gruppe als Verantwortlicher Steuererklärungen abzugeben hat, kann anhand anderer (vom Gesetzgeber zu regelnder) Kriterien bestimmt werden. Aber auch eine derartige erhöhte Schutzbedürftigkeit des Organträgers rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Es ist das Merkmal der engen Verbundenheit auszulegen oder vom Gesetzgeber sind Regelungen zu treffen, wie der Organträger zu bestimmen ist (zB im Rahmen eines zu stellenden Antrags als milderes Mittel44) oder wer eine (einzuführende) Mehrwertsteuergruppe zu vertreten hat. Weiterhin hat der V. Senat des BFH zur Rechtfertigung der Durchgriffsrechte auf den Grundsatz der Rechtssicherheit verwiesen.45 Laut V. Senat sei auch ein Antragserfordernis im Unionsrecht nicht geregelt. Trotzdem beanstandet der EuGH es nicht, wenn ein Mitgliedstaat ein solches regelt.46 Der BFH versteht diese Aussage des EuGH dahingehend, dass Mitgliedstaaten Sonderbedingungen zur rechtssicheren Präzisierung in Form von Verfahrenserfordernissen oder auch materiell-rechtlichen Wahlrechten regeln dürfen. Das Erfordernis der Eingliederung in Form von Durchgriffsrechten trage dem zu beachtenden Prinzip der Rechtssicherheit

42 EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19, ZIP 2021, 2020 (M-GmbH), UR 2021, 392 Rz. 47 unter Verweis auf EuGH v. 16.7.2015 – C-108/14 und C-109/14 (Larentia + Minerva & Marenave); BStBl. II 2017, 604 Rz. 44, 45 = ZIP 2015, 1971. 43 EuGH v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America), UR 2014, 847 Rz. 28 f.; BFH v. 1.2.2022 – V R 23/21 Rz. 30 führt dazu an, dass das nationale Recht nicht entsprechend auslegbar wäre. 44 EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19 (M-GmbH), ZIP 2021, 2020 = UR 2021, 392 Rz. 64. 45 BFH v. 2.12.2015 – V R 15/14, GmbHR 2016, 240 = ZIP 2016, 568 = DStR 2016, 226 Rz. 33. 46 Der BFH verweist insoweit auf EuGH v. 9.4.2013 – C-85/11, UR 2013, 418.

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Rechnung, gerade weil es in Deutschland eben kein Antragsverfahren gibt. Es würden Beurteilungsschwierigkeiten, was eine enge Verbundenheit darstellt, umgangen. Auch führten die Durchgriffsrechte dazu, dass die verbundenen Unternehmensteile ebenso eng wie Betriebsabteilungen verbunden wären. Nur dann wäre es gerechtfertigt, die (möglichen) Vorteile der Organschaft zuzugestehen. Hiergegen wendet der XI. Senat des BFH zu Recht ein, dass der EuGH ein Abweichen von Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL lediglich zur Missbrauchsbekämpfung, nicht aber zur Erlangung von Rechtssicherheit erlaubt.47 Auch lässt sich eine derartige Rechtssicherheit durch eine Auslegung des Merkmals der „engen Verbindung“ mit den üblichen juristischen Methoden ebenfalls erreichen. Schon deshalb kann dieser Ansatz des V. Senats des BFH nicht überzeugen. Außerdem gibt es zur Erlangung von Rechtssicherheit hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen der Organschaft mildere Mittel. Diese haben Mitgliedstaaten vorrangig anzuwenden. So kann der Gesetzgeber ein Antragsverfahren für die Organschaft vorsehen.48 Schließlich meint der V. Senat des BFH, dass die Forderung von Durchgriffsrechten zur Missbrauchsbekämpfung dient.49 Die Mitgliedstaaten könnten berücksichtigen, dass es durch die Organschaft bei einem fehlenden Recht des Leistungsempfängers zum Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 2 UStG zu einer Umgehung dieses Abzugsverbots kommen könne. Daher sei es gerechtfertigt, die Organschaft auf solche Fälle zu beschränken, in denen Unternehmensteile durch eine Eingliederung so eng wie Betriebsabteilungen verbunden sind. Dem ist entgegenzuhalten, dass auch Art. 168 MwStSystRL eine dem § 15 Abs. 2 UStG entsprechende Beschränkung des Vorsteuerabzugs vorsieht. Trotzdem spricht Art. 11 MwStSystRL als Voraussetzung der Mehrwertsteuergruppe nur die enge Verbundenheit an. Wenn diese enge Verbundenheit nicht zur Missbrauchsbekämpfung im Zusammenhang mit einem in der MwStSystRL selbst geregelten grundlegenden Prinzip des Vorsteuerabzugs ausgereicht hätte, hätte die MwStSystRL eine derartige enge Verbundenheit nicht 47 BFH v. 11.12.2019 – XI R 16/18, GmbHR 2020, 553 m. Anm. Scholz/Fetzer = ZIP 2020, 2240 = DStR 2020, 645 Rz. 77, 78; entsprechend auch Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL. 48 EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19, ZIP 2021, 2020 (M-GmbH), UR 2021, 392 Rz. 64. 49 BFH v. 2.12.2015 – V R 15/14, BStBl. II 2017, 553 Rz. 38 = GmbHR 2016, 240 = ZIP 2016, 568.

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genügen lassen. Hinzu kommt, dass in der beschriebenen Situation kein Missbrauch durch einen Stpfl. vorliegt. Der Vorteil resultiert schlicht aus einem Zusammenspiel der unionsrechtlichen Normen des Vorsteuerabzugs und der Mehrwertsteuergruppe. Dieser Vorteil durch Einführung der Mehrwertsteuergruppe muss dem Unionsgesetzgeber auch bewusst gewesen sein. Nicht jeder steuerrechtliche Vorteil ist ein Missbrauch.

2. Keine Durchgriffsrechte für eine enge organisatorische Verbundenheit erforderlich Auch die vom BFH in seiner Entscheidung vom 2.12.2015 angeführten Gründe, weswegen Durchgriffsrechte zur Begründung der organisatorischen Eingliederung erforderlich seien, rechtfertigt diese Durchgriffsrechte nicht. Insbesondere in Konzernen stellt sich bezüglich der organisatorischen Eingliederung oftmals die Frage, wie diese strengen Anforderungen des BFH (und dem folgend der FinVerw.) eingehalten werden sollen. Eine Geschäftsführeridentität ist oftmals nicht gewollt oder nicht möglich. Ein Geschäftsführer kann nur bei einer begrenzten Anzahl an Gesellschaften tatsächlich die Geschäfte führen und seiner entsprechenden Verantwortung gerecht werden. Wenn die nicht personenidentischen Geschäftsführer aus oftmals unternehmensspezifischen Gründen bei der Gesellschaft selbst und nicht bei anderen Konzerngesellschaften angestellt werden sollen, ist eine organisatorische Eingliederung nur sehr schwierig zu erreichen. Die vom BFH geforderten „institutionell abgesicherten unmittelbaren Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Verwaltung“ sind nur vage definiert und praktisch schwer umsetzbar.50 Daher stellt sich für die Praxis die Frage, ob die Anforderungen an die organisatorische Verbundenheit tatsächlich so hoch sein müssen, wie der BFH sie legt. Kann es nicht genügen, dass es generelle Konzernrichtlinien gibt, deren Einhaltung überwacht wird? Was ist mit Budgetvereinbarungen, innerhalb derer auch die zu erreichenden Ziele eines Geschäftsführers festgelegt werden? In diesen Fällen wird eine enge Steuerung durch die übergeordnete Gesellschaft und letztendlich die Konzernmutter und deren Geschäftsführung/Vorstand erreicht. Kein Geschäftsführer wird von diesen Vorgaben abweichen. Es liegt also durchaus 50 Soweit ersichtlich hat der BFH das Vorliegen dieser Voraussetzungen lediglich in einem Fall angenommen, BFH v. 12.10.2016 – XI R 30/14, BStBl. II 2017, 597 = GmbHR 2017, 263 = ZIP 2017, 227.

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eine enge organisatorische Verbundenheit – und damit die von Art. 11 MwStSystRL geforderte Voraussetzung – vor. Zur Begründung, weswegen Durchgriffsrechte erforderlich sein sollen, hat der V. Senat des BFH auf die unter II.1.c cc seines Urteils genannten Gründe für die Notwendigkeit finanzieller Durchgriffsrechte verwiesen.51 Zunächst hatte der BFH unter II.1.c cc des Urteils angeführt, dass nur durch das Merkmal der Eingliederung die Person des Steuerschuldners rechtssicher bestimmt werden könne. Würde man dies durch das Merkmal der engen Verbundenheit vornehmen, käme es zu Beurteilungsschwierigkeiten. Dem ist allerdings für die organisatorische Eingliederung entgegenzuhalten, dass die Person des Steuerschuldners sich nicht aus der organisatorischen Verbundenheit zweier Personen ergibt. Die Geschäftsführeridentität in zwei Gesellschaften sagt beispielsweise nichts darüber aus, wer der Organträger und wer die Organgesellschaft ist. Die angesprochenen Beurteilungsschwierigkeiten sind nicht kleiner oder größer als bei der Auslegung eines jeden anderen Tatbestandsmerkmals im (Steuer-)Recht auch. Weiteres Argument des V. Senats des BFH unter II.1.c cc des Urteils ist die Missbrauchsvermeidung. Die Umgehung von Abzugsverboten sei nur dann zu rechtfertigen, wenn beide Personen ebenso eng zusammenarbeiten wie Betriebsabteilungen eines Unternehmens. Auch in Bezug auf die organisatorische Eingliederung ist insoweit aber festzuhalten, dass die Vorteile in Fallgestaltungen mit Abzugsverboten dem Richtliniengeber bewusst gewesen sein müssen und er trotzdem nur eine enge organisatorische Verbindung gefordert hat. Außerdem macht es lediglich einen formellen Unterschied, ob ein Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft im Konzern gleichzeitig Mitarbeiter einer Muttergesellschaft ist oder nicht. In beiden Fällen wird er als Geschäftsführer abberufen werden und das Unternehmen verlassen müssen, wenn er gegen Konzernrichtlinien, Budgetvorgaben oder Vorgaben der Geschäftsführung oder des Vorstands der Konzernmutter verstößt. Daher bewirken engere Voraussetzungen der organisatorischen Eingliederung faktisch keine engere Bindung der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft an diejenige der Muttergesellschaft.

51 BFH v. 2.12.2015 – V R 15/14, BStBl. II 2017, 553 Rz. 44 = GmbHR 2016, 240 = ZIP 2016, 568.

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IV. Wer ist Steuerpflichtiger? Die dritte dargestellte Fragestellung beschäftigt sich damit, ob Deutschland den Organträger als Stpfl. betrachten durfte oder ob das Unionsrecht dies verbietet. Die Frage haben beide mit dem Umsatzsteuerrecht befassten Senate des BFH dem EuGH vorgelegt. Der zunächst den EuGH anrufende XI. Senat des BFH52 betonte in seiner Vorlageentscheidung vor allem, dass der EuGH53 in verschiedenen früheren Entscheidungen davon ausgegangen war, dass die Mehrwertsteuergruppe als solche Stpfl. ist. Außerdem geht aus Art. 21 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 MwStSystRL nicht hervor, dass Deutschland andere als die dort genannten Personen zu Steuerschuldnern bestimmen darf. Schließlich sieht der XI. Senat auch nicht, wie die Bestimmung des Organträgers als Stpfl. der Verhinderung von Missbräuchen dienen soll. Sollte das deutsche Recht insoweit unionsrechtswidrig sein, fragt der XI. Senat weiter, ob der Einzelne sich auf diese Unionsrechtswidrigkeit berufen kann. Zwar hat der EuGH54 dies für die Voraussetzung zur Begründung einer Organschaft abgelehnt. Vorliegend geht es aber nicht um die Voraussetzung der Organschaft, sondern um deren Rechtsfolgen. Demgegenüber geht der V. Senat in seiner entsprechenden Vorlagefrage an den EuGH55 davon aus, dass die deutsche Regelung insoweit unionsrechtskonform ist. Der Wortlaut des Art. 11 MwStSystRL erlaubt eine solche Auslegung ebenso wie der Zweck der Verwaltungsvereinfachung. Die vom XI. Senat genannten EuGH-Urteile (insbes. Skandia America) hätten einen anderen Schwerpunkt. Wie der EuGH diese Fragestellung entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Die Generalanwältin am EuGH jedenfalls hält die deutsche Regelung für unionsrechtswidrig, da sie nur den Organträger unter Ausschluss der übrigen Mitglieder der Organschaft als Vertreter der Organschaft und als Stpfl. bestimmt.56 Die Generalanwältin äußert sich allerdings nicht da52 BFH v. 11.12.2019 – XI R 16/18, GmbHR 2020, 553 m. Anm. Scholz/Fetzer = ZIP 2020, 2240 = UR 2020, 338 Rz. 48 ff. 53 EuGH v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America), UR 2014, 847; v. 9.4.2013 – C-85/11 (Kommission/Irland), UR 2013, 418. 54 EuGH v. 16.7.2015 – C-108/14 und C-109/14 (Larentia + Minerva & Marenave); EuGH v. 16.7.2015 – C-108/14, C-109/14, BStBl. II 2017, 604 Rz. 51 = ZIP 2015, 1971. 55 BFH v. 7.5.2020 – V R 40/19, GmbHR 2020, 909 = UR 2020, 541. 56 Schlussantrag der GA Medina v. 13.1.2022, Rs. C-141/20, und v. 27.1.2022, Rs. C-269/20.

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zu, ob Art. 11 MwStSystRL hinsichtlich seiner Rechtsfolgen unmittelbar anwendbar ist.

1. Unionsrechtskonforme Auslegung und unmittelbare Anwendbarkeit Sollte der EuGH feststellen, dass Deutschland nicht den Organträger als Stpfl. ansehen darf, sind vor allem die sich daraus ergebenden Folgen interessant. Zunächst einmal müssten die deutschen Gerichte und Finanzbehörden versuchen, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG unionsrechtskonform auszulegen. Es wäre also – je nach genauer Entscheidung des EuGH – zu prüfen, ob die Norm so ausgelegt werden kann, dass nicht der Organträger, sondern die Gruppe als solche Stpfl. ist. Dies scheint angesichts des Wortlauts von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG kaum möglich.57 Folge hiervon wäre, dass das deutsche Recht nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden kann. Ist das nationale Recht einer unionsrechtskonformen Auslegung nicht zugänglich, ergeben sich Auswirkungen für den Stpfl. aus der Unionsrechtswidrigkeit der nationalen Regelung nur dann, wenn er sich unmittelbar auf den Art. 11 MwStSystRL berufen kann. Dies setzt voraus, dass die Richtlinienbestimmung in der Rechtsfolge unbedingt und hinreichend genau ist. Eine unionsrechtliche Regelung ist nur dann unbedingt, wenn sie an keine Bedingungen geknüpft ist und es zur Umsetzung keiner Maßnahme der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf. Insoweit könnte der EuGH entscheiden, dass es vorliegend gerade eines Umsetzungsakts des Mitgliedstaats bedarf. Die Richtlinie könnte daher nicht unbedingt sein. Der Stpfl. kann sich dann nicht unmittelbar auf sie berufen. FinVerw. und Gerichte müssten in der Folge das (unionsrechtswidrige) deutsche Recht weiterhin anwenden. Lediglich der deutsche Gesetzgeber wäre aufgerufen, das unionsrechtsrechtswidrige deutsche Recht zu ändern. Für die Vergangenheit ergäben sich dann keine unmittelbaren Auswirkungen aus der Entscheidung des EuGH. 57 So auch BFH v. 11.12.2019 – XI R 16/18, GmbHR 2020, 553 m. Anm. Scholz/ Fetzer = ZIP 2020, 2240 = UR 2020, 338 Rz. 65. Allerdings hatte der XI. Senat des BFH schon bei seiner ersten Vorlage in der Rechtssache Larentia & Minerva ausgeführt, dass er Zweifel habe, das deutsche Recht so auslegen zu können, dass Personengesellschaften Organgesellschaft sein können, BFH v. 11.12.2013 – XI R 17/11, BStBl. II 2014, 417 Rz. 76 = GmbHR 2014, 376 m. Anm. Masuch; im Anschluss war es ihm dann doch möglich, eine GmbH & Co. KG als juristische Person anzusehen.

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2. Rechtsfolgen für die Besteuerung von Organträger und Organgesellschaft Anders wäre dies, wenn der EuGH hingegen entscheiden würde, dass der Einzelne sich unmittelbar auf das Unionsrecht berufen darf. In diesem Fall könnte vor allem der Organträger unter Berufung auf das Unionsrecht argumentieren, er sei nicht der Stpfl. Stpfl. ist allein der Organkreis als solcher. Was wäre aber die Folge hiervon? Eine Steuerfestsetzung durch das FA gegenüber der Gruppe als solcher wäre mangels Existenz dieser Gruppe als Rechtssubjekt nicht möglich. Es käme zum Steuerausfall. Eine derartige Rechtsfolge ist praktisch kaum vorstellbar. So könnte das FA in einem solchen Fall anführen, dass die Organschaftsregelung dem Organträger gegenüber gar nicht anwendbar sei. Das Argument wäre dann, dass der Organträger sich bezüglich der Voraussetzungen der Organschaft auf das nationale Recht beruft, hinsichtlich der Rechtsfolgen aber auf das Unionsrecht. Dieses „Rosinenpicken“ ist unzulässig. Der Organträger müsste als Folge zumindest seinen eigenen Umsatz versteuern, mangels Organschaft aber nicht denjenigen der Organgesellschaft. Was aber passiert in diesem Fall mit der von der Organgesellschaft selbst durch ihre zivilrechtlich eigenen Leistungen „verursachten“ Umsatzsteuer? Eigentlich hat die Organgesellschaft auf die bisherige nationale Rechtslage vertraut. Da bis dato ihr gegenüber keine Steuerfestsetzung existiert, werden die Änderungsnormen (§§ 174, 176 AO) kaum eine Rolle spielen. Die FinVerw. könnte überlegen zu argumentieren, dass auch gegenüber der Organgesellschaft die Organschaftsregelung insgesamt nicht anwendbar ist und sie daher ihre Umsätze selbst versteuern muss. Insbesondere bei andauernder Geschäftsführeridentität zwischen Mutterund Tochtergesellschaft würde ein ansonsten widersprüchliches Verhalten des Geschäftsführers dies nahelegen. Im Übrigen wäre zu überlegen, ob § 166 AO nach einer entsprechenden rechtskräftigen Festsetzung gegenüber dem Organträger eine derartige Steuerfestsetzung bei der Organgesellschaft rechtfertigen kann. Sollten Rspr. und FinVerw. in einer solchen Lage keine Lösung finden, ist aber zumindest damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber eine entsprechende gesetzliche Regelung wie bei Bauträgern58 erlassen wird. Die kurzen Überlegungen zeigen aber, dass sich an der Schnittstelle zwischen AO und UStG eine Reihe sehr komplizierter Fragen ergeben wür-

58 § 27 Abs. 19 UStG.

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de. Zu beachten ist dabei, dass sich wohl auch nicht alle Fallgestaltungen einheitlich lösen lassen.

3. Betriebsstättenproblematik Ein weiterer Problembereich kommt im Zusammenhang mit Dienstleistungen über die Grenze zwischen zwei Betriebsstätten eines Unternehmens hinzu. Im Grundsatz sind Dienstleistungen zwischen zwei Betriebsstätten eines Unternehmens nicht steuerbar. Sie finden innerhalb des Unternehmens statt. Der EuGH hat in den Rechtssachen Skandia America59 und Danske Bank60 entschieden, dass eine Dienstleistung von einer Betriebsstätte an eine andere Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar ist, wenn die leistende oder die leistungsempfangende Betriebsstätte Teil einer Mehrwertsteuergruppe ist. Grund hierfür ist, dass die Betriebsstätte, die Teil einer Mehrwertsteuergruppe ist, nicht mehr als Teil des ursprünglichen Unternehmens, sondern als Teil des Unternehmens „Mehrwertsteuergruppe“ gilt. Dieser Gedanke des EuGH lässt sich gut nachvollziehen. Leistungen zwischen Betriebsstätten sind nicht steuerbar, da sie innerhalb eines Unternehmens stattfinden. Ist eine der beteiligten Betriebsstätten nunmehr aber Teil einer Mehrwertsteuergruppe, ist sie Teil eines anderen Stpfl. Die Mehrwertsteuergruppe ist nämlich – anders als im deutschen Recht – nach den bisherigen Äußerungen des EuGH ein von den Mitgliedern der Gruppe unabhängiger Stpfl. Wenn dies so ist, wird die Dienstleistung aber nicht mehr innerhalb eines Stpfl. erbracht, sondern zwischen zwei unterschiedlichen Stpfl., und damit ist sie steuerbar. Abschn. 2.9 Abs. 2 Satz 2, Abs. 6 Satz 2, 7 und Beispiel 3 UStAE sehen grenzüberschreitende Leistungen innerhalb des Unternehmens als nicht steuerbaren Innenumsatz, auch wenn die im Inland gelegene Betriebsstätte Teil der Organschaft ist. Auch diese Auffassung ist gut nachvollziehbar. Nach dem deutschen Recht ist der Organträger selbst der Unternehmer. Wenn die Betriebsstätte nunmehr Organträger ist (also selbst Unternehmer), kann die ausländische Betriebsstätte weiterhin Teil eben dieses Unternehmens sein. Die Leistungen werden trotz Organschaft innerhalb des Unternehmens erbracht. Sie sind weiterhin nicht steuerbar. Was bedeutet dies nun für die Antwort des EuGH in den aktuellen Vorlageverfahren? Bestätigt der EuGH die deutsche Sichtweise, dass der Or59 EuGH v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America), UR 2014, 847. 60 EuGH v. 11.3.2021 – C-812/19 (Danske Bank), UR 2021, 356.

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ganträger der Unternehmer sein kann, dann wird sich die dargestellte Bewertung der FinVerw. voraussichtlich nicht ändern. Allerdings käme es dann, je nachdem, ob die Gruppe/Organschaft in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat (zB in Schweden) ansässig ist, für ein und dieselbe Leistung zu unterschiedlichen Rechtsfolgen. Dies ist unionsrechtlich eigentlich nicht gewollt und könnte daher ein Argument für den EuGH sein, abzulehnen, dass der Organträger der Unternehmer ist. Lehnt der EuGH dies tatsächlich ab, wäre eine der Rechtsfolgen, dass die FinVerw. Abschn. 2.9 UStAE überarbeiten müsste. Unternehmen mit entsprechenden Fallkonstellationen müssen die aktuellen EuGHVerfahren zur Organschaft daher auch unter diesem Blickwinkel im Auge behalten.

V. Umfang Organschaft Wie in der Einleitung bereits dargestellt, ist hinsichtlich des Umfangs der Organschaft die umsatzsteuerrechtliche Bewertung insbes. einer Fallgestaltung offen. Es geht darum, dass bei einem Organträger mit unternehmerischem und nichtunternehmerischem Bereich eine Organgesellschaft Leistungen in beide Bereiche erbringt. In der konkreten Fallgestaltung, die der V. Senat des BFH dem EuGH vorgelegt hat,61 ist Organträger eine Stiftung des öffentlichen Rechts. Ihre Tochtergesellschaft reinigte diejenigen Räume der Stiftung, in denen die Stiftung nicht unternehmerisch tätig ist (Hörsäle, Labore und andere Räume zur Ausbildung von Studierenden), ebenso wie diejenigen Räume, welche die Stiftung unternehmerisch nutzt (Krankenhausbereich). Der BFH ging in seiner Vorlageentscheidung davon aus, dass die Organschaft auch den nichtunternehmerischen Bereich der Stiftung erfasst. Dies sieht die deutsche FinVerw aktuell wohl bereits anders.62 Der BFH stellt sich aber die Frage, ob es insoweit zu einer unentgeltlichen Wertabgabe vom unternehmerischen in den nichtunternehmerischen Bereich kommt. Nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. b EGRL 77/388/EWG (entspricht Art. 26 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL) ist eine unentgeltliche Wertabgabe bei Dienstleistungen durch den Stpfl. für seinen privaten Bedarf, den privaten Bedarf seines Personals oder für unternehmensfremde Zwecke anzunehmen. Der BFH möchte wissen, ob die Reinigung der Räume der

61 BFH v. 7.5.2020 – V R 40/19, GmbHR 2020, 909 = UR 2020, 541. 62 Abschn. 2.8 Abs. 2 Satz 2 UStAE: „wenn und soweit“.

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Stiftung für nichtunternehmerische Tätigkeit eine Nutzung für unternehmensfremde Zwecke in diesem Sinne darstellt. In seiner VNLTO-Entscheidung63 hat der EuGH eigentlich bereits entschieden, dass eine nichtunternehmerische Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gerade keine Tätigkeit für unternehmensfremde Zwecke ist. Es handelt sich bei dieser nichtunternehmerischen Tätigkeit (oder auch nichtwirtschaftlichen Tätigkeit ieS) vielmehr um eine Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich der MwStSystRL fällt. Der V. Senat führt zwar in seiner Vorlageentscheidung aus, dass das damalige Urteil des EuGH nur im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug ergangen sei. Allerdings hat der EuGH in seinem Urteil v. 12.2.2009 im Tenor explizit auch auf den die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen regelnden Art. 6 Abs. 2 Buchst. b EGRL 77/388/ EWG Bezug genommen. Dementsprechend kurz hat auch die Generalanwältin in diesem Verfahren ihr Verständnis dargelegt, dass es nicht zu einer unentgeltlichen Wertabgabe kommt.64 Es ist zu erwarten, dass der EuGH dieser Auffassung folgt, wenn er die Frage beantwortet.65 Sollte der EuGH eine unentgeltliche Wertabgabe ablehnen, ergibt sich hieraus eine Gestaltungsmöglichkeit für Stpfl. mit nichtunternehmerischem Bereich (Holding, gemeinnützige Organisationen, juristische Person des öffentlichen Rechts). Erfüllen ein derartiger Stpfl. und seine Tochtergesellschaft alle Voraussetzungen für eine Organschaft, sollte die Tochtergesellschaft Leistungen nicht nur für den nichtunternehmerischen Bereich, sondern auch für den unternehmerischen Bereich des Organträgers erbringen. Die Leistungen der Tochtergesellschaft wären insgesamt nicht steuerbar. Soweit der Organträger sie für seinen nichtunternehmerischen Bereich nutzt, steht der Tochtergesellschaft zwar für Eingangsleistungen kein Vorsteuerabzug zu. Allerdings müsste sie auf Personal und die eigene Wertschöpfung – die beide nicht vorsteuerbelastet sind – dem Organträger keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Insoweit entsteht ein Vorsteuervorteil.

63 EuGH v. 12.2.2009 – C-515/07 (VNLTO), UR 2009, 199. 64 Schlussantrag der GA Medina v. 27.1.2022, Rs. C-269/20, Tz. 44 ff. 65 Der BFH hatte diese Frage nur gestellt, falls seine Auffassung zutreffend ist, dass Deutschland den Organträger als Stpfl. ansehen kann.

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7. Leitthema: Steuerrecht und besondere Beratungsrisiken

Steuerliche Essentialia des AbzugsteuerentlastungsG, des FondsstandortG und des SteueroasenabwehrG Dr. Georg Roderburg Rechtsanwalt, Steuerberater, Düsseldorf Dr. Eva Oertel Regierungsdirektorin, München1 I. Abzugsteuerentlastungsgesetz 1. Wesentlicher Inhalt des Gesetzes 2. Neuregelung des § 50d Abs. 3 EStG a) Persönliche Entlastungsberechtigung (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG) b) Sachliche Entlastungsberechtigung (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG) aa) Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der „Wirtschaftstätigkeit“ bb) Anforderungen an den „wesentlichen Zusammenhang“ cc) Principal Purpose Test (§ 50d Abs. 3 Satz 2 Var. 1 EStG) dd) Börsenklausel (§ 50d Abs. 3 Satz 2 Var. 2 EStG) c) Entlastungsverfahren gem. § 50c EStG d) Reform des Kapitalertragsteuerabzugsverfahrens

aa) Keine Abstandnahme vom Steuerabzug durch Dauerüberzahlerbescheinigung (§ 44a Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 EStG aF) bb) Elektronische Übermittlung der Steuerbescheinigung bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 45a Abs. 2a EStG) cc) Erweiterung der Angaben zur Bescheinigung und Abführung der Kapitalertragsteuer (§ 45b Abs. 2 bis 7 EStG) dd) Haftungserweiterung bei fehlerhaften Steuerbescheinigungen (§ 45 Abs. 7 EStG) II. Fondsstandortgesetz 1. Wesentlicher Inhalt des Gesetzes 2. Erweiterte Grundstückskürzung für Gewerbesteuerzwecke a) Überblick b) Vertiefende Beispiele aa) Lieferung von Strom (§ 9 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b GewStG)

1 Der Beitrag ist nicht in dienstlicher Eigenschaft veröffentlicht und gibt lediglich die private Auffassung der Autorin wieder.

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Roderburg/Oertel, AbzStEntlModG, FoStoG und StAbwG bb) Sonstige Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern (§ 9 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c GewStG) 3. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei Vermögensbeteiligungen am Arbeitgeber (§ 19a EStG) a) Überblick aa) Regelungsanliegen des Gesetzgebers

bb) Tatbestandliche Voraussetzungen cc) Rechtsfolgen b) Vertiefungsbeispiel III. Steueroasenabwehrgesetz 1. Wesentlicher Inhalt des Gesetzes 2. Betroffene Geschäftsvorgänge (§ 7 StAbwG) 3. Ausgewählte Probleme zu § 8 StAbwG

Der Gesetzgeber hat im Jahr 2021 durch verschiedene Gesetzeswerke diverse neue Vorschriften und Regelungskomplexe in das deutsche Steuerrecht eingeführt. Insbesondere zu nennen sind hierbei das Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG),2 das Gesetz zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen (Fondsstandortgesetz – FoStoG)3 sowie das Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb (SteueroasenAbwehrgesetz – StAbwG)4. Nachfolgend sollen steuerliche Kernpunkte dieser drei neuen Gesetzeswerke vorgestellt und einer ersten kritischen Würdigung unterzogen werden.

I. Abzugsteuerentlastungsgesetz 1. Wesentlicher Inhalt des Gesetzes Durch das AbzStEntModG, das am 9.6.2021 in Kraft getreten ist, wurde die Anti-Treaty-Shopping-Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG (dazu unter 2.) und das Verfahren zur Entlastung von Kapitalertragsteuer bei ausländischen Steuerpflichtigen gem. § 50c EStG (dazu unter 3.) neu geregelt. 2 Gesetz v. 2.6.2021, BGBl. I 2021, 1259. 3 Gesetz v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498. 4 Gesetz v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2056.

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Zudem ist das Kapitalertragsteuerabzugsverfahren insoweit reformiert worden, als (i) § 45a Abs. 2a EStG nunmehr eine elektronische Übermittlung der Angaben vorschreibt, (ii) eine Abstandnahme vom Steuerabzug durch Vorlage einer Dauerüberzahlerbescheinigung nach § 44a Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 EStG aF bei Dividendenzahlungen aus inländischen girosammelverwahrten Aktien nicht mehr möglich ist und (iii) sowohl die Angaben zur Bescheinigung und Abführung der Kapitalertragsteuer gem. § 45b Abs. 2–7 EStG als die Haftung für fehlerhafte Steuerbescheinigungen nach § 45a Abs. 7 EStG erweitert worden sind (dazu unter 4.) Weitere Elemente des AbzStEntModG, die hier nicht vertieft werden sollen, sind insbes.: –

das Verlustverrechnungsverbot nach § 2 Abs. 5 UmwStG, das eine Übertragung von im steuerlichen Rückwirkungszeitraum entstandenen Verlusten auf einen Dritten verhindern soll;5



die Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes (§ 1 Abs. 3–3c AStG) sowie die Modifizierung der Preisanpassungsklausel gem. § 1a AStG;6



die Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage für das Vorabverständigungsverfahren in § 89a AO,7 sowie



die Verlängerung der Zahlungsfrist für die Steuerbefreiung von Corona-Sonderzahlungen (§ 3 Nr. 11a EStG) bis zum 31.3.2022.

2. Neuregelung des § 50d Abs. 3 EStG Nach § 50d Abs. 3 EStG hat eine Körperschaft keinen Anspruch auf Entlastung von der Kapitalertragsteuer und vom Steuerabzug nach § 50a EStG, soweit –

Personen an ihr beteiligt oder satzungsmäßig von ihr begünstigt sind, denen dieser Anspruch nicht zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (persönliche Entlastungsberechtigung), und



die Einkunftsquelle keinen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit dieser Körperschaft aufweist (sachliche Entlastungsberechtigung).

5 Dazu Hörster, NWB 2021, 1652 (1662 f.). 6 Dazu Bärsch/Ditz/Engelen/Quilitzsch, DStR 2021, 1785; Hörster, NWB 2021, 1652 (1655 ff.). 7 Dazu Hörster, NWB 2021, 1652 (1659 ff.).

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Die Vorschrift soll verhindern, dass beschränkt Stpfl. durch gezielte Zwischenschaltung funktionsschwacher Gesellschaften steuerliche Begünstigungen erlangen, obwohl ihnen unmittelbar in eigener Person keine abkommens- oder unionsrechtlich begründete Steuerbefreiung zustünde (sog. Treaty- bzw. Directive-Shopping).8 a) Persönliche Entlastungsberechtigung (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG) Der Wortlaut von § 50d Abs. 3 EStG „dieser Anspruch“ legt nahe, dass der Entlastungsanspruch der Körperschaft und der hypothetische Entlastungsanspruch ihrer Anteilseigner auf der gleichen Rechtsgrundlage beruhen müssen. Davon geht auch der Gesetzgeber aus.9 Beispiel 1: Die italienische A-SA ist zu 100 % an der niederländischen B-BV beteiligt, die wiederum 100 % der Anteile an der deutschen C-GmbH hält. Die C-GmbH schüttet eine Dividende an die niederländische B-BV aus. Die A-SA und die B-BV erfüllen jeweils die Voraussetzungen des § 43b EStG.

Lösung: Sowohl nach bisherigem als auch nach aktuellem Recht kann die B-BV die Steuerentlastung nach § 43b EStG beanspruchen, weil sich auch die A-SA bei

8 Lampert in BeckOK, EStG, § 50d Rz. 29 (Okt. 2021); Wagner in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, EStG, § 50d Rz. 64 (Okt. 2021). 9 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 50/21, 62: „Erstens ist zu prüfen, ob die an dem Körperschaftsteuerpflichtigen Beteiligten einen Entlastungsanspruch nach derselben Anspruchsnorm auch ohne Einschaltung des Körperschaftsteuerpflichtigen hätten“ (Hervorhebung durch die Verf.); ebenfalls auf den geänderten Wortlaut hinweisend Schnitger/Gebhardt, IStR 2021, 289 (290).

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Roderburg/Oertel, AbzStEntlModG, FoStoG und StAbwG einem hypothetischen Direktbezug ebenfalls auf § 43b EStG berufen könnte und damit das Tatbestandsmerkmal „dieser Anspruch“ erfüllt ist.10 Beispiel 2: Die US-amerikanische A-Inc. ist zu 100 % an der niederländischen B-BV beteiligt, die wiederum 100 % der Anteile an der deutschen C-GmbH hält. Die C-GmbH schüttet eine Dividende an die niederländische B-BV aus. Die B-BV erfüllt die Voraussetzungen des § 43b EStG; die A-Inc. würde bei Direktbezug der Dividende einen DBA-Anspruch auf Reduzierung auf 0 % nach Art. 10 Abs. 3 DBA-USA haben.

Lösung nach bisherigem Recht: Da die A-Inc. entlastungsberechtigt ist und § 50d Abs. 3 Satz 1 aF allgemein auf die Entlastungsberechtigung des Anteilseigners abstellte (unabhängig von der zugrunde liegenden Rechtsnorm), käme eine Entlastung der B-BV nach § 43b EStG in Betracht. Lösung nach aktuellem Recht: Wortlaut und Gesetzesmaterialien sprechen dafür, die persönliche Entlastungsberechtigung der B-BV abzulehnen, denn die A-Inc. könnte sich bei Direktbezug auf Art. 10 Abs. 3 DBA-USA und eben nicht auf § 43b EStG berufen. Diese Auslegung kollidiert aber nicht mit dem Telos des § 50d Abs. 3 EStG – der Missbrauchsbekämpfung –, da ein Steuervorteil durch die Zwischenschaltung der B-BV nicht gegeben ist und somit eine missbräuchliche Gestaltung fernliegt.11 Es ist allerdings davon auszugehen, dass die FinVerw. unter Berufung auf den Wortlaut und den Willen des Gesetzgebers eine persönliche Entlastungsberechtigung ablehnt, wenn sich Gesellschaft und Gesellschafter nicht auf dieselbe Rechtsgrundlage stützen können.

10 Schnitger/Gebhardt, IStR 2021, 289 (290). 11 Schnitger/Gebhardt, IStR 2021, 289 (291 f.) äußern vor allem unionsrechtliche Bedenken, da die Ansässigkeit des Gesellschafters in einem anderen Staat keinen Rechtsmissbrauch indiziere.

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b) Sachliche Entlastungsberechtigung (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG) aa) Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der „Wirtschaftstätigkeit“ Beispiel 3: Die brasilianische A-SL (kein DBA) ist zu 100 % an der niederländischen B-BV beteiligt, die wiederum 100 % der Anteile an der deutschen C-GmbH hält. Die C-GmbH schüttet eine Dividende an die niederländische B-BV aus. Die B-BV stellt Produkte her. Abwandlung 1: Die B-BV betreibt gegenüber der C-GmbH eine aktive Beteiligungsverwaltung. Abwandlung 2: Die B-BV betreibt gegenüber der C-GmbH eine passive Beteiligungsverwaltung.

Lösung Grundfall: Nach bisherigem wie auch nach aktuellem Recht liegt eine wirtschaftliche Tätigkeit vor. Lösung Abwandlung 1: Gleiches gilt für die aktive Vermögensverwaltung. Lösung Abwandlung 2: Nach bisheriger Auffassung des BMF konnte eine passive Beteiligungsverwaltung entlastungsberechtigt sein, wenn die Gesellschaft ihre Rechte tatsächlich ausübte.12 Nach der Entwurfsbegründung zu § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG soll die passive Beteiligungsverwaltung nunmehr keine Wirtschaftstätigkeit mehr darstellen.13 Allerdings kann nach der Rspr. des EuGH auch die reine Vermögensverwaltung eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen.14

12 BMF v. 4.4.2018 – IV B 3 - S 2411/07/10016-14 – DOK 2018/0148776, BStBl. I 2018, 589. 13 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 50/21, 64. 14 EuGH v. 14.6.2018 – C-440/17, GmbHR 2018, 851 = ZIP 2018, 2065 = HFR 2019, 615 Rz. 54.

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bb) Anforderungen an den „wesentlichen Zusammenhang“ Beispiel 4: Wie Beispiel 3; die C-GmbH vertreibt die von der B-BV produzierten Waren. Abwandlung: Die C-GmbH vertreibt Waren einer anderen Konzerngesellschaft, die in keinem Zusammenhang mit der Produktionsstätte der B-BV stehen. Lösung Grundfall: Sowohl nach bisheriger als auch nach aktueller Rechtslage dürfte ein wesentlicher Zusammenhang zu bejahen sein, da die Einkunftsquelle der B-BV zumindest mittelbar aus den von ihr hergestellten Waren resultiert. Lösung Abwandlung: Nach bisheriger Rechtslage liegt die sachliche Entlastungsberechtigung vor, da das Kriterium des „wesentlichen Zusammenhangs“ neu eingeführt wurde. Unter dem neuen Recht dürfte die sachliche Entlastungsberechtigung abzulehnen sein, weil die Wirtschaftstätigkeit der B-BV nicht in einem wesentlichen Zusammenhang zur Gewinnausschüttung durch die C-GmbH steht.15 Die Neuregelung könnte damit die Niederlassungsfreiheit verletzen, da die Annahme eines typisierten Missbrauchs nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn eine ausländische Gesellschaft in einer anderen Branche wirtschaftlich tätig ist.16 Entscheidend könnte vielmehr sein, dass sie überhaupt einer Wirtschaftstätigkeit nachgeht.

cc) Principal Purpose Test (§ 50d Abs. 3 Satz 2 Var. 1 EStG) Der Principal Purpose Test wird aufgrund der verschärften Missbrauchsvermutung des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG zukünftig eine bedeutende Rolle spielen. Die Beweislast trägt insoweit die die Entlastungsberechtigung beanspruchende Körperschaft.17 Sie muss nachweisen, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist. Um die unionsrechtlichen Bedenken gegen die Neuregelung des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG einzudämmen und vor dem Hintergrund, dass der Nachweis einer Negativtatsache naturgemäß mit Schwierigkeiten behaftet ist, sollten aus Sicht der Wirtschaft keine allzu hohen Anforderungen an den Nachweis eines fehlenden steuerlichen Motivs gestellt werden.

15 Eine Entlastung käme dann nur noch über den Principal Purpose Test in Betracht. 16 Schnitger/Gebhardt, IStR 2021, 289 (295). 17 Schnitger/Gebhardt, IStR 2021, 289 (296).

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Roderburg/Oertel, AbzStEntlModG, FoStoG und StAbwG Beispiel 5: Die US-amerikanische A-Inc. ist zu 100 % an der niederländischen B-BV beteiligt, die wiederum 100 % der Anteile an der deutschen C-GmbH hält. Die C-GmbH schüttet eine Dividende an die niederländische B-BV aus. Die A-Inc. hat die B-BV ursprünglich zwischengeschaltet, um Stundungsvorteile im US-Steuerrecht zu erzielen.

Lösung: Fraglich ist, ob die Erlangung eines steuerlichen Vorteils iSd. § 50d Abs. 3 Satz 2 Var. 1 EStG auf deutsche Steuervorteile begrenzt ist. Nach der Gesetzesbegründung ist die „Verhinderung von Missbrauch nicht auf das nationale Steuerrecht begrenzt, so dass jeder steuerliche Vorteil relevant ist.“18 Dies entspricht der Zielsetzung der ATAD-Richtlinie, unerwünschte Steuereffekte im Binnenmarkt koordiniert zu bekämpfen. Dagegen spricht möglicherweise Art. 6 Abs. 3 ATAD, wonach im Missbrauchsfall die Steuer im Einklang mit nationalem Recht berechnet wird. Dieser nimmt allerdings nur die „Berechnung“ der Steuer, nicht aber den auslösenden Tatbestand in den Blick. Aus Sicht der Wirtschaft wäre es jedenfalls folgerichtig, allein nationale Steuervorteile zu berücksichtigen. Diese Forderung lässt sich ua. auf Art. 6 Abs. 1 ATAD stützen, der kein explizites Erfordernis, ausländische Steuervorteile mit zu berücksichtigen, enthält. Auch ist es primärrechtlich noch nicht geklärt, ob im ausländischen Steuerrecht geduldete Steuervorteile als Legitimation dafür herangezogen werden können, inländische Steuern zu erheben. Die Umgehung einer ausländischen Steuer stellt de lege lata zumindest für einen anderen Staat noch keinen Rechtfertigungsgrund im Inland dar.19 Und schließlich ist bezüglich § 42 AO von der Rspr. des BFH ein auslän-

18 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 50/21, 63 (Hervorhebung durch die Verf.). 19 Schnitger/Gebhardt, IStR 2021, 289 (297).

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Roderburg/Oertel, AbzStEntlModG, FoStoG und StAbwG discher Steuervorteil bislang nicht als Missbrauchstatbestand berücksichtigt worden.20

dd) Börsenklausel (§ 50d Abs. 3 Satz 2 Var. 2 EStG) Beispiel 6: Die US-amerikanische A-Inc. ist zu 100 % an der niederländischen B-BV beteiligt, die wiederum 100 % der Anteile an der deutschen C-GmbH hält. Die C-GmbH schüttet eine Dividende an die niederländische B-BV aus, die nicht sachlich entlastungsberechtigt ist. Die A-Inc., die bei Direktbezug der Dividende einen DBAAnspruch auf 0 % hätte (Art. 10 Abs. 3 DBA-USA), ist sachlich nicht entlastungsberechtigt, aber an einer anerkannten Börse gelistet.

Lösung bisheriges Recht: Die A-Inc. wäre persönlich entlastungsberechtigt, weil bisher nicht die gleiche Rechtsgrundlage für den Entlastungsanspruch auf den verschiedenen Beteiligungsebenen erforderlich war. Die B-BV hätte sich daher auf § 43b Abs. 1 EStG berufen können. Zudem galt nach Ansicht des BMF die Börsenklausel nicht nur auf der Ebene der ausländischen Gesellschaft (B-BV), sondern auch für deren Anteilseigner (A-Inc.).21 Lösung aktuelles Recht: Die B-BV hat wegen § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG keinen Entlastungsanspruch, weil der A-Inc. nicht „dieser Anspruch“ (= § 43b Abs. 1 EStG) zusteht (siehe zur Kritik bereits unter I.2.a). Auch kann sich die B-BV nicht mehr auf die Börsenklausel berufen, da § 50d Abs. 3 Satz 2 Var. 2 EStG nach dem Wortlaut voraussetzt, dass die Anteile an der Körperschaft – und nicht am Anteilseigner – an einer anerkannten Börse gehandelt werden. Zudem ist es nicht

20 BFH v. 14.8.2019 – I R 44/17, BFHE 267, 1 = FR 2021, 551 = ZIP 2020, 1708, juris-Rz. 63: „Die Erzielung von Steuervorteilen im Ausland ist keine für § 42 AO relevante Steuerminderung.“ 21 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 9.1 f.

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Roderburg/Oertel, AbzStEntlModG, FoStoG und StAbwG ausgeschlossen, dass auch börsennotierte Gesellschaften steuerlichen Gestaltungsmissbrauch betreiben.22

c) Entlastungsverfahren gem. § 50c EStG Der neue § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG ordnet – wie bisher § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG aF – an, dass die Vorschriften zur Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der (Quellen-)Steuer auch dann anzuwenden sind, wenn das deutsche Besteuerungsrecht nach §§ 43b, 50g EStG oder durch ein DBA eingeschränkt ist. Der zum Steuerabzug Verpflichtete kann sich – vorbehaltlich einer Freistellung nach Maßgabe von § 50c Abs. 2 EStG – nicht auf die Rechte des Gläubigers der Kapitalerträge aus §§ 43b, 50g oder dem Abkommen berufen (§ 50c Abs. 1 Satz 2 EStG). Es bleibt daher im Grundsatz beim zweistufigen Verfahren in Gestalt von Steuerabzug und nachträglicher Erstattung.23 Ein Steuerabzug an der Quelle und eine Abführung hat nur dann nicht zu erfolgen, wenn der Gläubiger eine vom BZSt. ausgestellte Freistellungsbescheinigung hat (§ 50c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder ihm bei Einkünften iSd. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG ein Entlastungsanspruch auf der Grundlage eines DBA zusteht und die Vergütung die Grenze von 5.000 EUR nicht übersteigt (§ 50c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). Die Pflicht zu Steueranmeldung bleibt nach § 50c Abs. 2 Satz 2 EStG in beiden Fällen unberührt. Eine Entlastung vom Steuerabzug kann neben der Freistellung auch durch Erstattung der entrichteten Steuer gem. § 50c Abs. 3 EStG erfolgen. Der Gläubiger der Kapitalerträge hat nach § 50c Abs. 4 EStG einen Anspruch auf Verzinsung des Erstattungsbetrags im Fall von Zahlungen von Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen iSv. § 50g EStG. Die besonderen Verfahrensregelungen für Freistellungs- und Erstattungsanträge finden sich in § 50c Abs. 5 EStG. Das elektronische Antragsund Bescheidungsverfahren ist erst für Anträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2022 gestellt werden; für Anträge, die bis zu diesem Zeitpunkt gestellt werden, ist weiterhin der amtlich vorgeschriebene Vordruck zu verwenden (§ 52 Abs. 47a Satz 2 EStG).

22 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 50/21, 65. 23 Schurowski, FR 2021, 204 (209).

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Zur Veranschaulichung der beschriebenen Gesetzesänderungen dient die folgende Synopse:

d) Reform des Kapitalertragsteuerabzugsverfahrens aa) Keine Abstandnahme vom Steuerabzug durch Dauerüberzahlerbescheinigung (§ 44a Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 EStG aF) Um Steuergestaltungsmodelle zu unterbinden, wurde § 44a Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 EStG aF gestrichen. Nach dieser Vorschrift war der Steuerabzug nicht vorzunehmen, wenn die Kapitalertragsteuer beim Gläubiger höher wäre als die gesamte festzusetzende Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Durch die Aufhebung dieser Regelung entfällt die Möglichkeit, durch gezielte Übertragung von Aktien und Vorlage einer Dauerüberzahlerbescheinigung bei Dividendenzahlungen aus inländischen girosammelverwahrten Aktien vom Steuerabzug Abstand zu nehmen.24 bb) Elektronische Übermittlung der Steuerbescheinigung bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 45a Abs. 2a EStG) Die Übermittlung der Steuerbescheinigung an das BZSt. bei beschränkt Stpfl. ist im neuen § 45a Abs. 2a EStG geregelt, der Steuerhinterziehungen durch die Vorlage gefälschter Steuerbescheinigungen im Erstattungs24 Hörster, NWB 2021, 1586 (1588).

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verfahren (§ 50c Abs. 3 EStG) verhindern will.25 Danach ist einem beschränkt steuerpflichtigen Gläubiger, der Kapitalerträge nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a oder Nr. 2 Satz 4 EStG erzielt (ua. girosammelverwahrte Aktien oder Genussscheine), keine Steuerbescheinigung nach § 45a Abs. 2 Satz 1 auszustellen. Die Übermittlung der erforderlichen Angaben erfolgt vielmehr elektronisch unmittelbar an das BZSt. (vgl. § 45b Abs. 5 EStG). cc) Erweiterung der Angaben zur Bescheinigung und Abführung der Kapitalertragsteuer (§ 45b Abs. 2 bis 7 EStG) Durch den neuen § 45b EStG sind die Angaben zur Bescheinigung und Abführung der Kapitalertragsteuer (teils erheblich) ausgeweitet worden, um etwaige Informationsdefizite der FinVerw. zu beheben.26 Die Regelung des § 45b Abs. 2 Nr. 1–9 EStG enthält zahlreiche zusätzliche Angaben, die in der Steuerbescheinigung bei girosammelverwahrten Aktien und Wertpapieren angegeben werden müssen. Hierzu gehören ua.:27 –

die Identifikationsnummer des Gläubigers der Kapitalerträge (§ 139b AO); handelt es sich nicht um eine natürliche Person, so sind Firma oder Name, Anschrift und Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO) oder ersatzweise die Steuernummer anzugeben;



der Bruttobetrag der je Wertpapiergattung erzielten Kapitalerträge, die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer sowie die Begleitumstände des Erwerbs der Wertpapiere;



Angaben, ob die Wertpapiere durch eine Wertpapierleihe oder ein Pensionsgeschäft erworben wurden und ob die Lieferung von Aktien mit (Cum) oder ohne (Ex) Dividendenanspruch vereinbart war;



Angaben zur Veräußerung der Wertpapiere, sofern sie innerhalb von 45 Tagen nach Fälligkeit der Kapitalerträge veräußert wurden;



Angabe der in die Verwahrkette eingebundenen Zwischenverwahrstellen mit korrespondierenden Meldepflichten nach § 45b Abs. 7 EStG;



Konto- und Depotnummer des Gläubigers der Kapitalerträge respektive seines Treuhänders.

25 Hörster, NWB 2021, 1586 (1588). 26 Hörster, NWB 2021, 1586 (1588). 27 Hörster, NWB 2021, 1586 (1590).

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Daneben verlangt § 45b Abs. 3 EStG zusätzliche Angaben bei Hinterlegungsscheinen. Die Übermittlung der Bescheinigungsdaten richtet sich nach § 45b Abs. 4 EStG, wonach die Angaben dem BZSt. nach Maßgabe des § 93c Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO elektronisch zu übermitteln sind. Die Einzelheiten betreffend die Übermittlung der Bescheinigungsdaten bei beschränkt Stpfl. ergeben sich aus § 45b Abs. 5 EStG. Wurde eine Bescheinigung trotz Einbehaltung der Kapitalertragsteuer nicht erteilt oder wurde vom Steuerabzug vollständig abgesehen, sind die Meldepflichten nach § 45b Abs. 6 EStG zu beachten. Schließlich sieht § 45b Abs. 7 EStG Mitteilungspflichten für Zwischenverwahrer in Verwahrketten vor. Die umfassende Erweiterung der Indienstnahme der Banken ist vor dem Hintergrund von Art. 12, 14 und 108 GG verfassungsrechtlich zweifelhaft.28 Denn die Pflichten der Banken beziehen sich zum Teil auf die Beschaffung und Beurteilung fremder Informationen (vgl. § 45b Abs. 2 Nr. 5–9 EStG), auf die sie nicht ohne Weiteres zugreifen können mit der Folge, dass sie ihren Melde- und Bescheinigungspflichten uU nicht nachkommen können. dd) Haftungserweiterung bei fehlerhaften Steuerbescheinigungen (§ 45 Abs. 7 EStG) Die Haftung des Ausstellers einer fehlerhaften Steuerbescheinigung nach § 45a Abs. 7 EStG wurde in mehrfacher Hinsicht erweitert: Durch den Verweis auf Bescheinigungen iSd. § 45a Abs. 2–5 EStG und die Einfügung von § 45a Abs. 2a EStG wird nunmehr auch für fehlerhafte elektronische Datenübermittlungen gehaftet. Zudem wurde die Haftung ausgedehnt auf Bescheinigungen, die nicht dem neuen § 45b Abs. 1–5 EStG entsprechen. Die dritte Haftungsverschärfung besteht darin, dass der bisherige § 45a Abs. 7 Satz 3 EStG aF gestrichen wurde, der zwei Exkulpationsmöglichkeiten vorsah. Der Aussteller der Bescheinigung kann sich somit nicht mehr mit dem Argument entlasten, dass in den Fällen des § 45a Abs. 3 EStG der Schuldner der Kapitalerträge bei unrichtigen Angaben selbst haftet – vielmehr haften beide nebeneinander. Darüber hinaus entfällt die Haftung des Ausstellers auch dann nicht, wenn er die fehlerhafte Steuerbescheinigung durch eine berichtigte ersetzt, die fehlerhafte Bescheinigung zurückfordert und das FA benachrichtigt.

28 Ausführlich dazu Drüen, FR 2021, 605 (609 ff.).

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Insbesondere die Streichung des § 45a Abs. 7 Satz 3 EStG aF begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken.29 Denn mangels einer Exkulpationsmöglichkeit haftet der Aussteller uU verschuldensunabhängig (Garantiehaftung!) für Fremdverhalten. Die Haftung von Dritten für Steuerschulden eines anderen verlangt stets einen sachlichen (Rechtfertigungs-)Grund,30 der hier nicht ersichtlich ist.31

II. Fondsstandortgesetz 1. Wesentlicher Inhalt des Gesetzes Mit dem Fondsstandortgesetz (FoStoG) will der Gesetzgeber die Richtlinie betreffend den grenzüberschreitenden Vertrieb von Investmentfonds32 umsetzen.33 Zudem beabsichtigt er, den Finanzstandort Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen und „das Innovations- und Wachstumspotential der deutschen Wirtschaft nachhaltig zu steigern.“34 Für diese Zwecke wurden die auf EU-Ebene verabschiedeten Offenlegungs-35 und die Taxonomie-Verordnung36 umgesetzt. Außerdem erfolgten schwerpunktmäßig Änderungen des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) zur Entbürokratisierung und zur Digitalisierung der Aufsicht. Die Änderungen im KAGB haben zum Teil auch steuerliche Implikationen, die nicht unmittelbar im FoStoG geregelt sind. So besteht nach § 139 KAGB nunmehr die Möglichkeit, geschlossene inländische SpezialAIF als Sondervermögen aufzulegen. Investmentsteuerrechtlich werden sie nach §§ 6 ff. InvStG als Investmentfonds qualifiziert. Da für diese 29 30 31 32

33 34 35

36

Dazu und zum Folgenden Drüen, FR 2021, 671 (672 ff.). BVerfG v. 18.12.2012 – 1 BvR 1509/10, HFR 2013, 258, juris-Rz. 17. Drüen, FR 2021, 671 (673 ff.); wohl auch Schurowski, FR 2021, 204, (219 f.). Richtlinie (EU) 2019/1160 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks.19/ 28868, 1. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks.19/ 28868, 1. Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor. Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.6.2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen.

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sog. Kapitel-2-Fonds das Trennungsprinzip gilt, werden Fonds und Anleger getrennt besteuert. Darüber hinaus enthält das FoStoG ua. die folgenden (steuerrechtlichen) Gesetzesänderungen: –

Die Umsatzsteuerbefreiung von Verwalterkosten wurde auf die Verwaltung von Wagniskapitalfonds ausgedehnt (§ 4 Nr. 8 Buchst. h) UStG).



Verschiedene Erleichterungen hinsichtlich der erweiterten Grundstückskürzung für Gewerbesteuerzwecke wurden eingeführt, § 9 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG (s. dazu unter II.2.).



Im Einkommensteuerrecht wurde der Freibetrag für die Überlassung von Vermögensbeteiligungen von Arbeitnehmern am Unternehmen des Arbeitsgebers nach § 3 Nr. 39 EStG auf 1.440 EUR angehoben. Mit § 19a EStG ist eine Sondervorschrift zur steuerlichen Förderung der Gewährung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen bei Start-upUnternehmen eingeführt worden (s. dazu unter II.3.)

2. Erweiterte Grundstückskürzung für Gewerbesteuerzwecke a) Überblick Vermögensverwaltende Grundstücksunternehmen, die nur aufgrund ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind, können die erweiterte Kürzung nach § 9 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG beantragen. Wenn sie ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und neben dieser begünstigten Kerntätigkeit noch erlaubte Nebentätigkeiten ausüben, ist der Gewerbeertrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des Grundbesitzes entfällt.37 Der Gewinn aus (erlaubten) Nebentätigkeiten ist zwar nicht von der Kürzung erfasst, führt aber auch nicht – anders als nicht erlaubte Tätigkeiten – zu einer vollständigen Versagung der erweiterten Kürzung für Gewinne aus der begünstigten Grundstücksverwaltung. Im Rahmen des FoStoG ist die erweiterte Kürzung durch zusätzliche erlaubte Nebentätigkeiten ausgedehnt worden: Nach § 9 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b GewStG steht es einer erweiterten Gewerbesteuerkürzung nicht mehr im Weg, wenn Einnahmen aus der Lieferung von Strom im Zusammenhang mit dem Betrieb von Anla37 Siehe nur Bodden, KÖSDI 2021, 22409 (22410).

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gen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien oder aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder -fahrräder erzielt werden und diese Einnahmen nicht höher sind als 10 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes. Eine erlaubte, nicht schädliche Nebentätigkeit liegt gem. § 9 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c) GewStG auch dann vor, wenn Einnahmen aus anderen Vertragsbeziehungen mit den Mietern erzielt werden, die höchstens 5 % der Einnahmen aus der Grundbesitzüberlassung ausmachen. Durch die Ergänzung der erlaubten Nebentätigkeiten will der Gesetzgeber den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen und den Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge fördern und somit die Energie- und Mobilitätswende unterstützen.38 b) Vertiefende Beispiele aa) Lieferung von Strom (§ 9 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b GewStG) Beispiel 7: Die grundbesitzende A-GmbH hat drei Immobilien mit jeweils gleich hohen Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes. Sie erzielt folgende Einnahmen aus der Lieferung von Strom: – Immobilie 1: 11 % der Einnahmen aus der Grundbesitzüberlassung, – Immobilie 2: 11 % der Einnahmen aus der Grundbesitzüberlassung, – Immobilie 3: 2 % der Einnahmen aus der Grundbesitzüberlassung. Lösung: Bezieht man die 10 %-Grenze auf jede einzelne Immobilie, würde die erweiterte Kürzung nur für Immobilie 3 in Betracht kommen. Aus dem Wortlaut ergibt sich hingegen keine Begrenzung auf einzelne Grundstücke.39 Auch das Anliegen des Gesetzgebers, Anreize für den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen zu setzen, spricht dafür, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen.40 Die A-GmbH kommt damit für alle drei Immobilien in den Genuss der erweiterten Kürzung.

38 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks.19/ 28868, 131. 39 Der Gesetzgebe hätte auch formulieren können: „10 Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des [jeweiligen] Grundbesitzes“ [Ergänzung durch die Verf.]. 40 So auch im Erg. Wagner/Behrens, Ubg. 2021, 275 (278).

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bb) Sonstige Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern (§ 9 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c GewStG) Beispiel 8: Die A-GmbH hat dem Pächter P einzelne Betriebsvorrichtungen mitvermietet und dadurch Einnahmen iHv. 4 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes erzielt. Lösung: Bei strikter Wortlautauslegung könnte fraglich sein, ob Pächter P „Mieter“ iSd. § 9 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c GewStG ist. Zwar findet sich keine ausdrückliche Regelung im Hinblick auf Pachtverhältnisse, vielmehr ist die Regelung diesbezüglich lückenhaft. Angesichts der vergleichbaren Sachlage scheint eine unterschiedliche Behandlung rein anknüpfend an die zivilrechtliche Qualifikation als Miet- bzw. Pachtverhältnis nicht überzeugend. Vielmehr sprechen die besseren Argumente dafür, diese Regelungslücke durch analoge Anwendung der für Mieter geltenden Regelung zu schließen. Hierfür spricht auch, dass eine sonst sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gegen den Gleichheitssatz verstoßen würde. Zudem würde der Anwendungsbereich der Norm zu stark eingeschränkt.41

3. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei Vermögensbeteiligungen am Arbeitgeber (§ 19a EStG) a) Überblick aa) Regelungsanliegen des Gesetzgebers Mit der Einführung des neuen § 19a EStG, wonach die Einkünfte aus der Übertragung von Vermögensbeteiligen am Unternehmen des Arbeitsgebers zunächst nicht besteuert werden, bezweckt der Gesetzgeber, durch eine Option zu einer vorläufigen Nichtbesteuerung der un- oder teilentgeltlichen Gewährung von Arbeitgeberbeteiligungen die Gewinnung qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern und die Mitarbeiterbindung zu stärken, was insbes. kleinen und mittleren Unternehmen in den ersten Jahren nach der Gründung zugutekommen soll.42 bb) Tatbestandliche Voraussetzungen Auf tatbestandlicher Seite setzt § 19a Abs. 1 Satz 1 EStG zunächst die unentgeltliche oder verbilligte Übertragung einer Vermögensbeteiligung iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, b und f–l und Abs. 2–5 des 5. VermBG an 41 So auch Wagner/Behrens, Ubg. 2021, 275 (279). 42 Vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks.19/28868, 2.

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dem Unternehmen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer voraus. Nach dem Gesetzeswortlaut muss der Arbeitnehmer die Vermögensbeteiligung „von seinem Arbeitgeber“ erhalten. Insoweit ist der Anwendungsbereich enger als bei § 3 Nr. 39 EStG;43 in dessen Rahmen kommt auch eine Übertragung durch einen Dritten in Betracht.44 Diese tatbestandliche Restriktion von § 19a EStG läuft dem Gesetzeszweck – die Mitarbeiterbeteiligung umfassend zu fördern – zuwider. Die Vermögensbeteiligung muss dem Arbeitnehmer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden (vgl. dazu § 8 Abs. 4 EStG). Entgeltumwandlungen sind infolgedessen nicht von § 19a EStG erfasst.45 Zudem setzt die vorläufige Nichtbesteuerung im Lohnsteuerabzugsverfahren nach § 19a Abs. 2 Satz 1 EStG die Zustimmung des Arbeitnehmers voraus. Auf Seiten des Arbeitgebers ist gem. § 19a Abs. 3 EStG erforderlich, dass dessen Unternehmen die EU-Schwellenwerte für Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen („KMU“)46 zum Zeitpunkt der Übertragung oder im vorangegangenen Kj. nicht überschritten hat. Aufgrund dieser zeitlichen Anknüpfung an die Übertragung ist eine spätere Überschreitung der KMU-Schwellenwerte unschädlich.47 In Bezug auf das Unternehmensalter darf die Gründung nach § 19a Abs. 3 EStG nicht mehr als zwölf Jahre zurückliegen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, wie der Begriff der Unternehmensgründung zu verstehen ist. Insbesondere stellt sich die Frage, ob bei einer Vorratsgesellschaft allein auf die rechtliche Entstehung (notarielle Beurkundung oder Eintragung ins Handelsregister) oder die erstmalige wirtschaftliche Tätigkeit abgestellt wird. Start-up-Unternehmen, die die primären Adres43 Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 39 EStG nur dann eingreift, wenn die Vermögensbeteiligung mindestens allen Arbeitnehmern offensteht, die bei Angebotsbekanntgabe mindestens ein Jahr ununterbrochen in einem Dienstverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Kritisch zu dieser tatbestandlichen Inkohärenz Westermann/Thor, FR 2021, 198, 202 f.). 44 Niklaus in BeckOK, EStG, § 3 Nr. 39 Rz. 47 (Okt. 2021). 45 Fahsel/Bergan, FR 2021, 729 (733). 46 Nach der Empfehlung der Kommission vom 6.5.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (2003/361/EG; ABl. L 124/39, Anhang Art. 2) gelten folgende Größenklassen: KMU sind Unternehmen, die weniger als 250 Personen beschäftigen und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. EUR bzw. eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. EUR haben. 47 Fahsel/Bergan, FR 2021, 729 (731).

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saten des § 19a EStG sind, nutzen in der Praxis recht häufig Vorratsgesellschaften, um aufwendige und langwierige Unternehmensgründungen zu vermeiden.48 Vor diesem Hintergrund sollte der Anwendungsbereich von § 19a EStG nicht entgegen dessen Telos – nämlich Start-ups bei der Gewinnung und Bindung von qualifiziertem Personal zu unterstützen – zu eng ausgelegt werden. Eine Gründung iS dieser Vorschrift sollte daher nur dann angenommen werden, wenn das Unternehmen bereits wirtschaftlich aktiv am Markt aufgetreten ist.49 cc) Rechtsfolgen Liegen sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen gem. § 19a Abs. 1–3 EStG vor, wird der Vorteil in Gestalt der unentgeltlichen oder verbilligten Übertragung der Vermögensbeteiligung nach § 19a Abs. 1 Satz 1 EStG zunächst nicht besteuert. Das Verhältnis zu § 3 Nr. 39 EStG wird durch § 19a Abs. 1 Satz 3 EStG geregelt. Danach ist bei der Ermittlung des geldwerten Vorteils iSd. § 19a Abs. 1 Satz 1 EStG der Steuerfreibetrag abzuziehen. Der Vorrang des § 3 Nr. 39 EStG lässt sich damit begründen, dass § 19a EStG nur einen Aufschub der Besteuerung und eben keine Steuerbefreiung enthält.50 Eine nachträgliche Besteuerung tritt nach § 19a Abs. 4 Satz 1 EStG erst dann ein, wenn –

die Vermögensbeteiligung ganz oder teilweise entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wird, insbes. auch in den Fällen des § 17 Abs. 4 und des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG und bei Einlagen in ein Betriebsvermögen des Arbeitnehmers,



seit der Übertragung der Vermögensbeteiligung zwölf Jahre vergangen sind, oder



das Dienstverhältnis zu dem bisherigen Arbeitgeber beendet wird.51

48 49 50 51

Hefner/Ostermann, DStR 2021, 689 (691). So auch Hefner/Ostermann, DStR 2021, 689 (691 f.). Fahsel/Bergan, FR 2021, 729 (734). Auf die besonderen Regelungen des § 19a Abs. 4 Satz 2 ff. EStG zur weiteren Behandlung des Arbeitslohns und auf die besonderen Vorschriften zur Anrufungsauskunft über den Wert des nicht besteuerten Vorteils sowie die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten in § 19a Abs. 5 und 6 EStG soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.

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b) Vertiefungsbeispiel Beispiel 9: Die A-GmbH überträgt ihrem Angestellten B zum 1.11.2021 Anteil 1 und Anteil 2 sowie zum 1.11.2024 Anteil 3 an der A-GmbH jeweils begünstigt nach § 19a Abs. 1 EStG. Am 15.6.2027 veräußert B den Anteil 2 an C.52 3 Lösungsmöglichkeiten: Bei einer individuellen, an jede einzelne Beteiligung anknüpfenden Betrachtungsweise unterfällt nur Anteil 2 der nachträglichen Besteuerung, da nur dieser Anteil veräußert wurde. Wird an den ursprünglichen Übertragungszeitpunkt insgesamt angeknüpft (hier: 1.11.2021), unterliegt auch der Vorteil aus dem Anteil 1 der nachträglichen Besteuerung. Man könnte nämlich die Anteile 1 und 2 als „die Vermögensbeteiligung“ iSd. § 19a Abs. 4 Nr. 1 EStG ansehen, die am 15.7.2026 teilweise übertragen wurde. Versteht man den Begriff der Vermögensbeteiligung so, dass auch mehrere Anteile an einer Gesellschaft immer nur „eine Vermögensbeteiligung“ darstellen, würde die Veräußerung des Anteils 2 an C zur einer teilweisen Übertragung iSv. § 19a Abs. 4 Satz 1 EStG führen mit der Folge, dass sämtliche Anteile besteuert werden. Der Wortlaut ist unergiebig, da „die Vermögensbeteiligung“ einerseits im Singular steht, andererseits aber eine teilweise Übertragung möglich sein soll. Eine teleologische und folgenorientierte Betrachtungsweise führt zur Ablehnung der zweiten und dritten Lösung. Denn es widerspricht dem Zweck des § 19a EStG, wenn eine einzelne, uU sehr geringe Beteiligung zu einer sofortigen Besteuerung von sämtlichen Vermögensbeteiligungen führt. Bei einer Gesamtbetrachtung wäre zudem unklar, ab welchem Zeitpunkt die 12-Jahresfrist zu laufen beginnt.

III. Steueroasenabwehrgesetz 1. Wesentlicher Inhalt des Gesetzes Das Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) wurde am 30.6.2021 verkündet und ist ab dem 1.1.2022 anzuwenden. Es bezweckt, Steuerhoheitsgebiete, die unfairen Steuerwettbewerb betreiben und die verbindlichen BEPS-Mindeststandards nicht erfüllen, zu veranlassen, entsprechende Anpassungen vorzunehmen.53 Auf diese Weise soll ein weltweit einheitliches steuerliches Mindestniveau geschaffen werden. Der Anwendungsbereich erstreckt sich gem. § 1 Abs. 1 StAbwG auf alle unbeschränkt und beschränkt Stpfl. Die Abwehrmaßnahmen der 52 Anlehnung an Fahsel/Bergan, FR 2021, 729 (735 Beispiel 1). 53 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/28901, 1.

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§§ 8–11 StAbwG greifen ein, wenn ein Stpfl. Geschäftsbeziehungen iSd. § 7 StAbwG in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet unterhält. Ein solches liegt vor, wenn das Steuerhoheitsgebiet –

keine hinreichende Transparenz in Steuersachen gewährleistet (§ 4 StAbwG),



unfairen Steuerwettbewerb betreibt (§ 5 StAbwG), oder



die verpflichtend umzusetzenden BEPS-Mindeststandards nicht erfüllt (§ 6 StAbwG).

Zur Sicherstellung eines einheitlichen Vorgehens aller EU-Länder gilt ein Steuerhoheitsgebiet nur dann als nicht kooperativ, wenn es kumulativ in der sog. „Schwarzen Liste“ der EU wie auch in der nationalen Steueroasenabwehr-Verordnung54 aufgeführt ist. Die auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1 StAbwG erlassene und am 24.12.2021 in Kraft getretene Steueroasen-Abwehrverordnung benennt als nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete iSd. § 2 Abs. 1 StAbwG: Amerikanisch-Samoa, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Samoa, Trinidad und Tobago, Amerikanische Jungferninseln und Vanuatu. Rechtsfolgenseitig enthält das StAbwG in den §§ 8–11 verschiedene Abwehrmaßnahmen: –

Die Regelung des § 8 StAbwG sieht ein umfassendes Abzugsverbot für Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten aus Geschäftsvorgängen zu nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten vor (dazu näher unter III.3.);



mit § 9 StAbwG wird eine sog. „verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung“ angeordnet, wenn ein im Inland ansässiger Stpfl. eine ausländische Gesellschaft in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet beherrscht. Die ausländische Gesellschaft wird dann für ihre gesamten niedrig besteuerten Einkünfte, und zwar losgelöst von § 8 Abs. 1 AStG, dem Substanztest (§ 8 Abs. 2–4 AStG) und der Freigrenze (§ 9 AStG) als eine Zwischengesellschaft behandelt;



gem. § 10 StAbwG unterliegen – über § 49 EStG hinausgehend – auch Einkünfte von Personen mit Ansässigkeit in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet, die aus Finanzierungsbeziehungen, Versicherungsleistungen, Dienstleistungen oder dem Handel stammen, ei-

54 Verordnung zur Durchführung des § 3 des Steueroasen-Abwehrgesetzes (Steueroasen-Abwehrverordnung – StAbwV) v. 20.12.2021 (BGBl. I 2021, 5236).

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nem Quellensteuerabzug iHv. 15 %, wobei die Vorschriften des § 50a Abs. 1–5 EStG und §§ 73c–73g EStDV zur Einbehaltung, Abführung und Anmeldung einer Abzugsteuer entsprechend gelten; –

und schließlich entfällt nach § 11 StAbwG für Gewinnausschüttungen und Veräußerungserlöse, die von einer Körperschaft mit Ansässigkeit in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet stammen, eine Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 und 2 KStG oder vergleichbaren DBA-Vorschriften. Zudem kann weder der Abgeltungsteuersatz noch das Teileinkünfteverfahren in Anspruch genommen werden.

Neben diesen Abwehrmaßnahmen werden in § 12 StAbwG gesteigerte, dh. über § 90 AO hinausgehende Mitwirkungspflichten normiert, die ua. in umfangreichen Aufzeichnungspflichten bestehen.

2. Betroffene Geschäftsvorgänge (§ 7 StAbwG) Die in §§ 8–11 StAbwG verankerten Rechtsfolgen setzen voraus, dass ein Geschäftsvorgang iSd. § 7 StAbwG gegeben ist. Ein solcher liegt vor, wenn ein Stpfl. Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet unterhält. Erfasst werden auch schuldrechtliche Beziehungen iSd. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG sowie Vorgänge, die auf einer gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung beruhen. Da anders als im Rahmen des § 1 Abs. 4 AStG nicht erforderlich ist, dass die Geschäftsbeziehung zwischen dem Stpfl. und einer nahestehenden Person erfolgt, ist der Anwendungsbereich erheblich ausgeweitet. Dies ist deshalb (verfassungsrechtlich) nicht völlig unbedenklich, weil auch gewöhnliche wirtschaftliche Aktivitäten ohne Anhaltspunkte für eine tatsächliche Steuervermeidung erfasst werden.55 So unterfallen auch solche Geschäftsvorfälle dem § 7 StAbwG, die ausschließlich auf die Branchenzugehörigkeit des Geschäftspartners zurückzuführen sind, zB in der Tourismusbranche.56

3. Ausgewählte Probleme zu § 8 StAbwG § 8 Satz 1 StAbwG regelt ein umfassendes Abzugsverbot für Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten, soweit diese im Zusammenhang mit Geschäftsvorgängen gegenüber Personen angefallen sind, die in einem nicht kooperativen Gebiet ansässig sind. Dies gilt nach § 8 Satz 2 StAbwG nur 55 Kritisch dazu Kußmaul/Kloster/Licht, Ubg. 2021, 369 (374). 56 Benz/Böhmer, DB 2021, 1630 (1634).

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dann nicht, soweit die mit den Aufwendungen korrespondierenden Erträge einer inländischen Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht oder einem Hinzurechnungsbetrag iSd. § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG unterliegen. Ob dieses pauschale Abzugsverbot mit dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als steuerspezifischer Vergleichsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, wird in der Literatur als äußerst zweifelhaft angesehen.57 Denn das objektive Nettoprinzip verlangt als Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips, dass Erwerbsaufwendungen bei der Einkünfteermittlung berücksichtigt werden (vgl. § 2 Abs. 2 EStG).58 Einschränkungen dieses Grundsatzes bedürfen eines sachlich rechtfertigenden Grundes.59 Anerkannte Rechtfertigungsgründe sind Vereinfachungszwecke, Lenkungszwecke sowie das Ziel der Missbrauchsvermeidung.60 Die Ungleichbehandlung durch § 8 Satz 1 StAbwG kann durch keinen dieser Zwecke gerechtfertigt werden. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift, da sämtliche Geschäftsvorgänge zwischen fremden Dritten dem Abzugsverbot unterliegen und keine Exkulpationsmöglichkeiten für den Stpfl. vorgesehen sind.61 Da nicht jede Geschäftsbeziehung in einen niedrig besteuerten Staat stets steuermissbräuchlichen Charakter hat, werden auch Fälle erfasst, die keine Steuervermeidung bezwecken. Zusammengefasst spricht, da das Regelungskonzept zumindest nicht mit den bisher etablierten Maßstäben an Missbrauchsvermeidung in Einklang zu bringen ist, somit einiges für die Annahme einer Fiskalzwecknorm, die für sich genommen eine steuerliche Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen könnte.62 Wenn sich 57 Die verfassungsrechtlichen Bedenken teilen ebenfalls Ditz/Seibert, FR 2021, 813 (818); Euler/Maier/Schanz, DStR 2021, 1257 (1262); Hörnicke/Quilitzsch, ISR 2021, 314 (316); Werthebach, IStR 2021, 338 (341). 58 Siehe nur BVerfG v. 12.5.2009 – 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 = BStBl. II 2009, 685 = FR 2009, 873 m. Anm. Buciek, juris-Rz. 27 f.; Bodden in Korn, EStG, § 2 Rz. 119 f. (Aug. 2021); Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 8.54, 8.60 f. 59 BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210, juris-Rz. 57; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 8.55. 60 BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210, juris-Rz. 58; v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BStBl. II 2017, 1082 = BVerfGE 145, 106 = FR 2017, 577 m. Anm. Suchanek = GmbHR 2017, 710 = ZIP 2017, 1009, juris-Rz. 121; Hey in Tipke/ Lang, Steuerrecht24, Rz. 8.55, 3.129. 61 Euler/Maier/Schanz, DStR 2021, 1257 (1262). 62 BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210, juris-Rz. 61; v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BStBl. II 2017, 1082 = BVerfGE 145, 106 = FR 2017, 577 m. Anm.

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die Rspr. dieser Auffassung anschließt, ist ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip und damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu bejahen. Darüber hinaus werden unionsrechtliche Bedenken diskutiert, da durch das Abzugsverbot die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV eingeschränkt wird und auch insoweit ein Rechtfertigungsgrund nicht ersichtlich ist.63 Beispiel 10: Der in Deutschland ansässige A unterhält eine 20-jährige Geschäftsbeziehung zu dem ihm nicht nahestehenden B, der 2020 sein Unternehmen in einen nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet verlagert hat. Dem A entstehen im Jahr 2022 Betriebsausgaben iHv. 50.000 EUR aus dieser wirtschaftlichen Geschäftsbeziehung. Die den Aufwendungen entsprechenden Erträge sind nicht nach dem EStG bzw. KStG steuerbar. Abwandlung: Die den Aufwendungen entsprechenden Erträge sind zwar grundsätzlich nach dem EStG steuerbar, vorliegend aber durch DBA freigestellt.64 Lösung Grundfall: Da die Ausnahme nach § 8 Satz 2 Nr. 1 StAbwG nicht greift, sind die Betriebsausgaben iHv. 50.000 EUR nicht abziehbar.65 Lösung Abwandlung: Die Lösung des Falls richtet sich danach, ob es im Rahmen des Ausnahmetatbestands des § 8 Satz 2 Nr. 1 StAbwG auf eine tatsächliche Besteuerung ankommt (dann wären die Werbungskosten nicht abziehbar) oder die bloße Steuerbarkeit genügt (dann wären die Werbungskosten abziehbar).66 Beispiel 11: Der in Deutschland ansässige Reiseveranstalter A hat seit mehreren Jahren vertragliche Beziehungen zu den Hotels B (in Spanien), C (auf Fidschi) und D (in der Türkei). Aus diesen Geschäftsverhältnissen entstehen dem A jeweils Betriebsausgaben iHv. 50.000 EUR. Lösung: Spanien: A kann die Betriebsausgaben ohne Weiteres geltend machen, da Spanien kein nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet iSd. § 8 Satz 1 iVm. § 7 Satz 1 StAbwG ist.

63 64 65

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Suchanek = GmbHR 2017, 710 = ZIP 2017, 1009, juris-Rz. 150; Hey in Tipke/ Lang, Steuerrecht24, Rz. 3.130. Schnitger/Gebhardt/Reppel, SWI 2021, 206 (210). Dies ist aktuell nur bei Trinidad und Tobago möglich, vgl. Benz/Böhmer, DB 2021, 1630 (1632). Unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das pauschale Abzugsverbot sollte ein Gericht eine konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG durchführen und Klarheit zu dieser Frage schaffen. Dazu Hörnicke/Quilitzsch, ISR 2021, 314 (316); Werthebach, IStR 2021, 338 (341).

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Roderburg/Oertel, AbzStEntlModG, FoStoG und StAbwG Fidschi: A kann die Betriebsausgaben nicht abziehen, sofern keine Ausnahme nach § 8 Satz 2 StAbwG vorliegt; weil Fidschi sowohl in der sog. „Schwarzen Liste“ der EU als auch in der nationalen Steueroasenabwehr-Verordnung aufgeführt ist.67 Diese Abwehrmaßnahme findet jedoch gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 StAbwG erst ab dem 4. Jahr nach Inkrafttreten der Verordnung Anwendung, in der das jeweilige Steuerhoheitsgebiet genannt ist, erstmals somit ab dem 1.1.2025. Türkei: Die Türkei erfüllt zwar grundsätzlich die Voraussetzungen zur Aufnahme auf die „Schwarze Liste“ der EU; die europäischen Mitgliedstaaten konnten sich diesbezüglich jedoch bislang noch nicht auf eine abgestimmte Bewertung einigen.68 A kann die Betriebsausgaben mithin abziehen.

67 Steueroasen-Abwehrverordnung v. 20.12.2021 (BGBl. I 2021, 5236). 68 Benz/Böhmer, DB 2021, 1630.

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Mögliche steuerliche Auswirkungen des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) Prof. Dr. Sebastian Benz Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Düsseldorf 1 I. Einleitung II. Änderungen der Bestimmungen zur GbR durch das MoPeG 1. Grundsätzliche Beibehaltung der typischen Strukturmerkmale einer Personengesellschaft 2. Änderung der Regelungen zum Vermögen der Gesellschafter bzw. der Gesellschaft a) Bisher: Gesellschaftsvermögen steht als Gesamthandsvermögen unmittelbar allen Gesellschaftern zu b) Geänderte Vermögenszuordnung durch das MoPeG c) Abschaffung oder Änderung des Gesamthandsvermögens?

2.

3.

III. Hat das MoPeG Konsequenzen für das Steuerrecht? 1. Auffassung des Gesetzgebers 2. Auffassung im steuerrechtlichen Schrifttum IV. Einzelbetrachtung 1. Auswirkungen auf die rechtsformabhängige Besteuerung a) Bislang keine Notwendigkeit einer rechtsformneutralen Besteuerung

4.

5.

b) Gebot der rechtsformneutralen Besteuerung aufgrund des MoPeG? Auswirkungen auf die Mitunternehmerschaftsbesteuerung a) Besteuerung der gewerblichen Einkünfte auch weiterhin durch die Gesellschafter (§ 15 EStG) b) Übertragungen auf das bzw. aus dem steuerlichen Gesamthandsvermögen (§ 6 Abs. 5 EStG) Auswirkungen auf das Grunderwerbsteuersteuerrecht a) Keine Grunderwerbsteuer durch Vermögensübergang von den Gesellschaftern auf die Gesellschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG) b) Keine Änderungen bei § 1 Abs. 2a GrEStG c) Probleme der Übertragungen auf und von Personengesellschaften (§§ 5 ff. GrEStG) Auswirkungen auf das begünstigungsfähige Vermögen iSd. ErbStG Auswirkungen auf die Zurechnung von Wirtschaftsgütern (§ 39 AO)

V. Schluss 1 Ich danke Herrn Rechtsreferendar Yannick Klecker für seine tatkräftige Unterstützung bei der Anfertigung dieses Beitrags.

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I. Einleitung Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen der vergangenen Bundesregierung hatten die damaligen Regierungsparteien CDU, CSU und SPD Anfang 2018 ua. eine Reform des Personengesellschaftsrechts vereinbart.2 Die daraufhin vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) eingesetzte Expertenkommission legte im April 2020 einen ersten Entwurf eines entsprechenden Reformgesetzes, den sog. Mauracher Entwurf, vor. Darauf aufbauend wurde ein Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht und als sog. Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (kurz: MoPeG)3 am 25.6.2021 beschlossen. Die zahlreichen Änderungen sollen nach einer Übergangsfrist zum 1.1.2024 in Kraft treten.4 Das MoPeG ist gerichtet auf die Anpassung des Rechts für Personengesellschaften an die Gegebenheiten und Anforderungen des heutigen Wirtschaftslebens.5 Zum Erreichen des Zwecks erfolgen die wesentlichen Änderungen des MoPeG im BGB im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB). Das Hauptziel der Reform ist die Übernahme von Erkenntnissen der Rspr. sowie des Schrifttums zur Rechtsnatur und rechtlichen Ausgestaltung der Personengesellschaft in den ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes.6 Dies betrifft vor allem die Aufnahme der seit der BGH-Entscheidung „ARGE Weißes Ross“ anerkannte Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft (Außen-GbR) in das BGB.7 In Zukunft enthält das Bürgerliche Gesetzbuch mit § 705 BGB nF eine Norm, die ausdrücklich die Rechtsfähigkeit der GbR normiert. Dies gilt jedoch nur für die Außengesellschaft. Innen- und Außengesellschaft werden infolgedessen als zwei verschiedene Rechtsformen getrennt geregelt. Mit dieser zentralen Umwälzung gehen weitere Änderungen einher. So wird für die Außengesellschaft die Möglichkeit der Eintragung in ein 2 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD v. 7.2.2018, S. 131. 3 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 4 Insgesamt werden 136 Gesetze durch das MoPeG geändert. 5 Der Gesetzgeber erkennt die Fehler des bestehenden Regelungssystems an und passt das Gesetz den Bedürfnissen von Gesellschaftern und Gesellschaften in der Rechtspraxis an, vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf in BTDrucks. 19/27635, 2. 6 BT-Drucks. 19/27635, 101. 7 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = ZIP 2001, 330.

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Gesellschaftsregister geschaffen, wodurch das Gesetz nunmehr Publizitätsbedürfnissen entgegenkommt. Daneben richtet sich gem. § 709 Abs. 3 BGB nF die Stimmkraft und Ergebnisverteilung nach den Beteiligungsverhältnissen der Gesellschafter an der Gesellschaft. Infolge des Leitbildwandels von der Gelegenheitsgesellschaft hin zur Dauergesellschaft wird eine Außengesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters zudem nicht länger automatisch aufgelöst (vgl. § 712 BGB nF). Eine weitere wesentliche Änderung stellt die Abschaffung des bisherigen Gesamthandsprinzips dar. Seit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft ist eine Zuordnung des Vermögens zu den Gesellschaftern – auch nach Ansicht des Gesetzgebers – nicht länger erforderlich.8 Die Folge ist die Abschaffung der Vermögenszuordnung zu den Gesellschaftern. Die ursprüngliche gesetzgeberische Entscheidung, dass das Vermögen einer Gesellschaft nicht dieser, sondern unmittelbar den Gesellschaftern „zur gesamten Hand“ zustehen soll, war eine grundlegende Entscheidung des bürgerlichen Rechts, die im Rahmen des zweiten Entwurfs des BGB am 8.8.1896 getroffen und bis 2021 nicht geändert wurde. Bis heute war (und ist) problematisch, dass niemand genau wusste, was die gesetzgeberische Auffassung inhaltlich eigentlich bedeuten sollte. In Schrifttum und Rspr. wurde sie verschiedenartig interpretiert und entsprechend über das Wesen der Gesamthandsgemeinschaft und die Rechtsnatur der Gesellschaft nach den §§ 705 ff. BGB diskutiert. Der historische Systemfehler wurzelte – so der Gesetzgeber heute in Anlehnung an Flume – in dem Umstand, dass der Gesellschaft als bloß vertragliches Schuldverhältnis – die GbR ist im Schuldrecht geregelt – das Gesellschaftsvermögen als Gesamthandsvermögen „übergestülpt“ wurde.9 Der nachfolgende Beitrag will der Frage nachgehen, inwieweit sich diese Änderung des Gesamthandsvermögens – teilweise wird von der vollständigen Abschaffung des Gesamthandsvermögens gesprochen – auf die Besteuerungsregeln auswirkt. In diesen wird an zahlreichen Stellen auf das Gesamthandsvermögen verwiesen. Gäbe es ein solches nicht mehr, würden die entsprechenden Regelungen leerlaufen. Der Gesetzgeber selbst geht, dies sei bereits an dieser Stelle vermerkt, ausweislich der Geset-

8 BT-Drucks. 19/27635, 148. 9 So BT-Drucks. 19/27635, 100, unter Bezugnahme auf Flume, BGB AT (1977), Bd. 1, S. 3.

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zesbegründung zum MoPeG davon aus, dass sich steuerrechtlich nichts geändert hat.10

II. Änderungen der Bestimmungen zur GbR durch das MoPeG 1. Grundsätzliche Beibehaltung der typischen Strukturmerkmale einer Personengesellschaft Nach § 705 BGB idF des MoPeG (nachfolgend: BGB nF) wird die Gesellschaft durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrags errichtet. Die Gesellschafter müssen sich nach wie vor verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern. Die Gesellschaft kann entweder selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (rechtsfähige Gesellschaft), oder sie kann den Gesellschaftern zur Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander dienen (nicht rechtsfähige Gesellschaft). Zukünftig unterscheidet das Gesetz damit ausdrücklich zwischen der rechtsfähigen Außen-GbR und nicht rechtsfähigen Innen-GbR. Dem Gesetzgeber stand bei Schaffung der Normen für die Außen-GbR durch das MoPeG nicht bloß eine Gelegenheitsgesellschaft vor Augen; Idealbild einer rechtsfähigen Gesellschaft ist vielmehr eine langfristig bestehende und am Markt auftretende Gesellschaft.11 Außen- und Innengesellschaften sind als zwei verschiedene Rechtsformen anzusehen und nicht als zwei Varianten derselben Rechtsform.12 Innen- und Außen-GbR sind nicht zwei Seiten derselben Medaille; es sind zwei verschiedene Gesellschaftstypen. Trotz der zahlreichen Gesetzesänderungen ist die rechtsfähige Personengesellschaft weiterhin keine juristische Person wie eine Kapitalgesellschaft, sondern eine Gesellschaftsform eigener Art.13 Als Abgrenzungskriterien bleiben die Unterscheidung von Fremd- bzw. Selbstorganschaft, die persönliche Haftung der Gesellschafter sowie die fehlende körperschaftliche Struktur in gleicher Weise wie bisher erhal10 11 12 13

BT-Drucks. 19/27635, 107. BT-Drucks. 19/27635, 101. Schmidt, ZHR 185 (2021), 16 (25). BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = ZIP 2001, 330; Schwennicke in Staudinger, BGB, Einleitung zu §§ 21 ff. Rz. 66; Westermann in Erman, BGB16, Vorb. vor § 21 Rz. 8; Kell in BeckOGK, BGB, § 718 Rz. 11 (Nov. 2020).

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ten.14 Da die Außengesellschaft auch ohne Registereintragung rechtsfähig ist, kann auch dieses formelle Kriterium zur Unterscheidung von juristischen Personen und Gesamthandsgemeinschaften herangezogen werden. Während erstere ihre Rechtsfähigkeit erst durch einen staatlichen Akt wie der Registereintragung entstehen, können letztere allein durch die Erfüllung tatbestandlicher Merkmale entstehen.15 Schließlich verbleibt zur Abgrenzung zu juristischen Personen, dass das Recht der Gesamthand auf die Personenmehrheit abstellt – es ist in Tradition der maßgeblich von Otto von Gierke beeinflussten deutschrechtlichen Lehre Personenrecht und nicht Vermögensrecht.16 Im Zentrum steht also die Gesamthand als Personengemeinschaft und nicht das (Gesamthands-) Vermögen.17 Demgegenüber ist bei juristischen Personen das verselbständigte Vermögen prägend. Anders als in der Vergangenheit ist künftig die Rechtssubjektivität kein Abgrenzungskriterium mehr, da beide, die juristische Person und die Personengesellschaft, eine solche aufweisen.18

2. Änderung der Regelungen zum Vermögen der Gesellschafter bzw. der Gesellschaft a) Bisher: Gesellschaftsvermögen steht als Gesamthandsvermögen unmittelbar allen Gesellschaftern zu Das bisherige gesetzgeberische Verständnis von der Gesamthand ist im Wortlaut des § 718 Abs. 1 BGB aF festgehalten,19 der wie folgt lautet: „Die Beiträge der Gesellschafter und die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände werden gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter (Gesellschaftsvermögen)“.

Das Gesamthandsvermögen steht damit nach bisherigem Recht unmittelbar den Gesamthändern und nicht der Gesamthand als solcher zu; die Gesamthänder erhalten die dingliche Berechtigung am Gesellschaftsver14 Ablehnend hierzu schon vor Erlass des MoPeG Leuschner in MünchKomm. BGB8, Vor § 21 Rz. 12. 15 Leuschner in MünchKomm. BGB8, Vor § 21 Rz. 13. 16 v. Gierke, Genossenschaftsrecht II; v. Gierke, DPR I, 676 (zitiert in Flume, BGB AT [1977], Bd. 1, S. 52, 55). 17 Flume, ZHR 136, 177 (185). 18 Flume, BGB AT (1977), Bd. 1, S. 56; ablehnend zu diesem Abgrenzungskriterium schon vor Erlass des MoPeG Leuschner in MünchKomm. BGB, Vor § 21 Rz. 11. 19 Habermeier in Staudinger, BGB, § 718, Rz. 1.

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mögen nach § 718 BGB aF allein infolge ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung.20 Ohne Ansehung der Leistung einer Einlage wird der Gesellschafter ab dem Zeitpunkt seines Eintritts in die Gesellschaft und bis zu seinem Austritt aus der Gesellschaft als Gesamthänder dinglich berechtigt.21 Das gesamthänderische Vermögen unterliegt zudem gem. § 719 Abs. 1 BGB aF einer besonderen (gesamthänderischen) Bindung: „Ein Gesellschafter kann nicht über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen; er ist nicht berechtigt, Teilung zu verlangen.“

Dieses alte gesetzgeberische Verständnis vom Gesamthandsvermögen betrachtete das der Gesellschaft dienende Vermögen mithin als Vermögen der Gesellschafter zur gesamten Hand. Grundsätzlich ist damit „jeder Gemeinschafter auf das Ganze berechtigt und nur durch die Berechtigung seiner Mitteilhaber eingeschränkt“.22 Jeder Gesellschafter hält also einen unmittelbaren Anteil an den einzelnen Gegenständen des Vermögens. b) Geänderte Vermögenszuordnung durch das MoPeG Durch das MoPeG werden die §§ 718, 719 BGB aF gestrichen. Die Folge ist, dass das Gesellschaftsvermögen nicht länger das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter ist, und dass die bisherige gesamthänderische Bindung des Gesellschaftsvermögens aufgehoben wird. An die Stelle des Vermögens der Gesellschafter tritt durch die Einfügung eines neuen § 713 nF BGB das Vermögen der Gesellschaft. § 713 BGB nF lautet: „Die Beiträge der Gesellschafter sowie die für oder durch die Gesellschaft erworbenen Rechte und die gegen sie begründeten Verbindlichkeiten sind Vermögen der Gesellschaft.“

Eine der Folgen dieser Gesetzesänderung ist, dass bei einem Ein- oder Austritt eines Personengesellschafters kein Anteil an dem Gesamthandsvermögen dem ein- oder austretenden Gesellschafter an- bzw. abwächst. Es ist nunmehr der Anteil an der Gesellschaft selbst, der als Rechtsfolge des Ein- und Austritts übertragen wird. c) Abschaffung oder Änderung des Gesamthandsvermögens? Unklar ist, ob infolge der vorgenannten gesetzlichen Änderungen die Rechtsfigur des Gesamthandsvermögens für Gesellschaften des bürger20 Kell in Beck, OGK, BGB, § 718 Rz. 11 (Nov. 2020). 21 Schäfer in MünchKomm. BGB8, § 718 Rz. 7 f. 22 RG v. 23.2.1907 – I 404/06, RGZ 65, 227 (235).

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lichen Rechts und, da die GbR Grundform aller Personengesellschaften ist, für alle Personengesellschaften abgeschafft wurde. Dies könnte naheliegen, da das Gesamthandsvermögen nach seinem Wortlaut ein Vermögen ist, das mehreren zur gesamten Hand zusteht. Ist dies nicht mehr der Fall, da das Vermögen nunmehr der Gesellschaft zustehen soll, kann es auch kein Gesamthandsvermögen mehr geben.23 Grundlegend hat Werner Flume die Gesamthand und das Gesamthandsvermögen bereits im vergangenen Jahrhundert beleuchtet. Zieht man seine damaligen Betrachtungen heran, so ergibt sich aus unserer Sicht folgende zutreffende Sichtweise: Nach Flume verbindet das Gesamthandsprinzip eine auf Verbundenheit beruhende Personenmehrheit zu einer Personeneinheit.24 Die Gesamthandsgesellschaft als Personenverband steht damit der verselbständigten juristischen Person als Verbandsperson gegenüber (s. bereits oben). Zuordnungssubjekt des Gesamthandsvermögens ist die Gruppe als solche iS der Summe ihrer Rechtsbeziehungen.25 Die Gesamthand, also die Gruppe als solche, ist die maßgeblich Beteiligte, die Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann.26 Der Gesamthänder leitet seine Beziehung zum Gesamthandsvermögen einzig über seine Mitgliedschaft an der Gesamthand ab; eine unmittelbare Beteiligung des Gesamthänders an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens macht nach Flume keinen Sinn.27 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nach Flume die „‚Urfigur‘ der Gesamthand“. Sie verbindet ein schuldrechtliches Verhältnis der Gesellschafter mit einer organisationsrechtlichen Einheit.28 Maßgeblich sei die Verbundenheit der Gesamthänder, also die Gesamthand als Gruppe und nicht jeder Gesamthänder für sich genommen. Die Gesamthand – als Gruppe – ist jedoch keine Person, sie ist als solche ein Rechtssubjekt. Aber „die Gruppe ist auch als Rechtssubjekt nichts anderes als die Mitglieder der Gruppe in ihrer Verbundenheit.“29

23 So die wohl hM im zivilrechtlichen Schrifttum. Vgl. nur Fleischer, DB 2020, 1107 (1111); Fleischer, DStR 2021, 430 (435); M. Noack, NZG 2020, 581 (584); Bachmann, NZG 2020, 612 (615); Heinze, DStR 2020, 2107; so auch Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, WD 4 – 3000 – 051/21 S. 19. 24 Flume, ZHR 136, 177 (186 f.). 25 Flume, ZHR 136, 177 (194). 26 Flume, ZHR 136, 177 (194). 27 Flume, ZHR 136, 177 (197). 28 Flume, ZHR 136, 177 (179). 29 Flume, BGB AT (1977), Bd. 1, S. 56 f.

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Von der Gesamthand zu trennen seien die Rechtsbeziehungen der Gesamthänder untereinander, auch wenn sie die Gesamthand als Grundlage haben oder diese ergänzen.30 Daneben sind auch nach Flume Übertragungen von Bruchteilseigentum der Gesamthand an einzelne Gesellschafter möglich und vom Gesamthandsvermögen zu unterscheiden.31 Prüft man die Änderungen durch das MoPeG in diesem Licht, dürfte nunmehr Flumes Verständnis von der Gesamthand kodifiziert worden sein. Das Gesamthandsvermögen wurde demnach nicht abgeschafft; es handelt sich lediglich um ein anderes bzw., iS von Flume, um das richtige Verständnis von der Gesamthand.32

III. Hat das MoPeG Konsequenzen für das Steuerrecht? 1. Auffassung des Gesetzgebers Nach Ansicht des Gesetzgebers entstehen durch die Änderungen des MoPeG keine Änderungen des Steuerrechts. In der Gesetzesbegründung heißt es:33 „Änderungen an den ertragsteuerlichen Grundsätzen bei der Besteuerung von Personengesellschaften sind mit dem vorliegenden Entwurf nicht verbunden. Dies gilt insbesondere für die transparente Besteuerung von Personengesellschaften. Soweit in den Steuergesetzen von Gesamthandsvermögen gesprochen wird, ist dies bei rechtsfähigen Personengesellschaften dahingehend zu verstehen, dass damit das Vermögen der Gesellschaft in Abgrenzung zum Vermögen der einzelnen Gesellschafter (Sonderbetriebsvemögen) gemeint ist.“

Betrachtet man allerdings das Gesetzgebungsverfahren genauer, dürfte fraglich sein, ob diese – eindeutige – Aussage zutreffend ist. Denn das BMJV hat, willentlich oder unwillentlich, das BMF an dem Gesetzgebungsverfahren nicht beteiligt. Dem Vernehmen nach wollte das BMF die Zweifelsfragen, die es sah, gerne in einem parallelen SteuerbegleitGesetz regeln, was aber politisch untersagt wurde. Das MoPeG sollte zum Ende der Legislaturperiode wohl nicht der parlamentarischen Diskontinuität zum Opfer fallen. Dementsprechend war auch der Finanzausschuss des Bundestags nicht mit dem MoPeG befasst, so dass die vor-

30 Flume, BGB AT (1977), Bd. 1, S. 61. 31 Flume, ZHR 136, 177 (184). 32 So ausdrücklich K. Schmidt, ZHR 2021, 16 (28), unter Verweis auf die Arbeiten von Flume. Entsprechend Habersack, ZGR 2020, 539 (549). 33 BT-Drucks. 19/27635, 107.

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genannte Aussage von „steuerlichen Laien“ aus dem BMJV getroffen wurden. Problematisch ist weiterhin, dass der Wille des Gesetzgebers im Gesetz zum Ausdruck kommen muss, da er anderenfalls unbeachtlich ist.34 Demnach kann allein aus diesem Grund der Aussage in der Gesetzesbegründung keine normative Kraft zukommen;35 sie bringt demnach wohl lediglich den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, der bei der Auslegung der betreffenden steuerlichen Normen entsprechend zu berücksichtigen ist.

2. Auffassung im steuerrechtlichen Schrifttum Vertreter des steuerrechtlichen Schrifttums gehen, ohne dies im Einzelnen zivilrechtlich zu erörtern, davon aus, dass das Gesamthandsprinzip in seiner jetzigen Form aufgegeben wurde.36 Zumeist wird dann die Folge gezogen, dass damit alle steuerrechtlichen Regelungen leerlaufen, die Bezug auf die Gesamthand oder das Gesamthandsvermögen nehmen.

IV. Einzelbetrachtung 1. Auswirkungen auf die rechtsformabhängige Besteuerung a) Bislang keine Notwendigkeit einer rechtsformneutralen Besteuerung Rechtsfähige Personengesellschaften sind selbst keine Steuersubjekte. Sie sind weder im KStG als solche aufgeführt, noch sind sie natürliche Personen iSd. EStG. Lediglich die Gesellschafter einer Personengesellschaft sind einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig. De lege lata wird ihnen der durch die Gesellschaft erwirtschaftete Vermögenszuwachs iS des Transparenzprinzips unmittelbar zugerechnet.37 Anders ist die Rechtslage bei Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern, deren Besteuerung nach dem Trennungsprinzip erfolgt. Kapitalgesellschaft und Gesellschafter bilden getrennte Vermögenssphären, bei de34 Vgl. BVerfG v. 19.3.2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11, BVerfGE 133, 168. 35 Möhlenbrock/Haubner, FR 2022, 53 (54), empfehlen daher auch eine gesetzliche Klarstellung. 36 Vgl. die Übersicht bei v. Oertzen/Reich, ZEV 202, 215. K. Schmidt, ZHR 185, 16 (28), ist aufgrund abweichender zivilrechtlicher Auffassung anderer Meinung. 37 Statt vieler Krumm in Kirchhof/Seer, EStG20, § 15 Rz. 163.

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nen das jeweils Hinzuerworbene getrennt voneinander steuerlich gewürdigt wird. Der Gesetzgeber hat sich damit gegen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, die Gesellschaften immer nur als Mittel zum Zweck der Gesellschafter betrachtet, entschieden. Dem System aus Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz liegt aus gesetzgeberischer Sicht im Grundsatz eher eine formal-juristische Betrachtungsweise, die zivilrechtliche Prämissen berücksichtigt, zugrunde. Erst nachfolgend werden wirtschaftliche Belastungen, die Personen- und Kapitalgesellschaften sowie ihre jeweiligen Gesellschafter treffen, versucht anzugleichen (durch Abgeltungssteuer, Teileinkünfteverfahren, Anrechnung der Gewerbesteuer, Thesaurierungsbegünstigung gem. § 34a EStG). Das deutsche Unternehmenssteuerrecht ist folglich geprägt von einem Dualismus der Besteuerung von Personengesellschaften und Einzelunternehmern einerseits sowie Kapitalgesellschaften andererseits.38 Die 2021 eingeführte Option zur Körperschaftbesteuerung für Personengesellschaften nach § 1a KStG mildert Unterschiede in der Besteuerung uU ab. Gleichwohl führt die unterschiedliche Besteuerung von Personenund Kapitalgesellschaften zu einer rechtsformabhängigen Besteuerung. Das BVerfG hat sich auf der Grundlage der bisherigen (Zivil-)Rechtslage bislang gegen ein verfassungsrechtliches Gebot rechtsformneutraler Besteuerung ausgesprochen.39 Maßstab der vom BVerfG durchgeführten Prüfung ist das Prinzip der Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.40 Die Rspr. lehnt es zunächst ab, dass die Rechtsform ein taugliches Kriterium zur Ermittlung der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist.41 Die Trennung bzw. Verbundenheit der Vermögenssphäre von Kapitalgesellschaften einerseits und Personengesellschaften andererseits zu ihren jeweiligen Gesellschaftern

38 Drüen, GmbHR 2008, 393 (399); ablehnend gegenüber der Annahme eines materiellen Gehalts der Finanzverfassung auf den Dualismus der Unternehmensbesteuerung Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1993, S. 1088 ff.; dem folgend Hey, DStJG 24 (2001), 155 (173 f.). 39 Vgl. hierzu BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164; v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106 = FR 2017, 577 m. Anm. Suchanek = GmbHR 2017, 710 = ZIP 2017, 1009. 40 BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180 f.); v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106 = FR 2017, 577 m. Anm. Suchanek = GmbHR 2017, 710 = ZIP 2017, 1009 (148). 41 BVerfG v. 10.11.1999 – 2 BvR 2861/93, BStBl, II 2000, 160 = BVerfGE 101, 151 (155 f.), Hey, DStJG 24 (2001), 155 (164).

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rechtfertige jedoch eine Ungleichbehandlung.42 Dadurch wurde die zivilrechtliche Prägung des Sachverhalts mittelbar auch für das Steuerrecht maßgeblich.43 Da das Zivilrecht zwischen Rechtssubjekten – Kapitalgesellschaft einerseits, Gesellschafter andererseits – trenne, sei die Trennung zwischen Rechtssubjekten auch im Steuerrecht nachzuvollziehen. Sofern das Zivilrecht nicht trenne, sondern das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern zuordne, sei auch im Steuerrecht eine transparente Behandlung sachgerecht. Demnach war bislang die Vermögenszuordnung ein wesentliches Argument für eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Kapitalgesellschaft und Personengesellschaft. Daneben wurde als Unterscheidungskriterium auch auf die zivilrechtliche Abschirmwirkung, die bei der Personengesellschaft wesentlich schwächer ausgeprägt sei als bei der Kapitalgesellschaft, abgestellt.44 b) Gebot der rechtsformneutralen Besteuerung aufgrund des MoPeG? Die Änderungen des Gesamthandsvermögens durch das MoPeG durch Streichung des § 718 BGB aF bei gleichzeitiger Einführung des § 713 BGB nF führen dazu, dass das Vermögen nicht länger unmittelbar den Gesellschaftern zugerechnet werden kann. Das Vermögen ist nun Vermögen der Gesellschaft. Damit entfällt die vom BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der dualen Unternehmensbesteuerung angeführte Rechtfertigung, die Personengesellschaft habe kein eigenes Vermögen.45 Sofern der Gesetzgeber bei der Antwort auf die Frage, wer eine eigene Leistungsfähigkeit besitzt, auf die Abschirmung von Vermögenssphären abgestellt hat, soll nach Schall die vermögensrechtliche Neuordnung des MoPeG auch im Steuerrecht relevant sein. Demnach stehe auch der rechtsfähigen Personengesellschaft eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit zu, die getrennt von der Leistungsfähigkeit der Gesellschafter zu betrachten sei.46 Die Argumentation des BVerfG, der Dualismus der Unternehmensbesteuerung sei in der Abschirmung des Vermögens nur bei einer

42 BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180 f.); v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106 = FR 2017, 577 m. Anm. Suchanek = GmbHR 2017, 710 = ZIP 2017, 1009. 43 BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (199). 44 Als Neuerung gegenüber dem Beschluss aus 2006 vgl. BVerfG v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106 = FR 2017, 577 m. Anm. Suchanek = GmbHR 2017, 710 = ZIP 2017, 1009 (148). 45 Schall, NZG 2021, 494 (495). 46 Schall, NZG 2021, 494 (495).

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Kapitalgesellschaft begründet, lasse sich damit nicht länger aufrechterhalten. Eine solche Wertung ergibt sich jedoch nur, sofern die Art und Weise der Ausgestaltung der Vermögenssphären von Kapital- und Personengesellschaften außer Acht gelassen wird. Mit anderen Worten stellt sich die Frage, wie unabhängig das Vermögen der Gesellschaft vom Gesellschafterbestand bei Personengesellschaften einerseits sowie Kapitalgesellschaften andererseits ist. Hierbei ist – wiederum entsprechend den Vorgaben des BVerfG -die Haftung der Gesellschafter für das Gesellschaftsvermögen zu betrachten.47 In seinem Beschluss aus dem Jahre 2017 machte das BVerfG deutlich, dass es die Frage der Abschirmung von Vermögen nicht nur „schwarz oder weiß“ betrachtet, sondern vielmehr auch Grautöne von Bedeutung sind.48 Die Umdeutung des Gesamthandsprinzips führt in diesem Sinne zwar zu einer Verstärkung der Abschirmung der Vermögenssphäre der Personengesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern. In Anbetracht anderer Normen, namentlich der Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, könnte sich indes das Bild einer nicht vollkommenen Abschirmung der beiden Sphären von Gesellschaft und Gesellschaftern ergeben. Anders als nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG oder § 13 Abs. 2 GmbH haften nämlich die Gesellschafter nach § 721 Satz 1 BGB nF persönlich als Gesamtschuldner. Die Norm ist dem Haftungsregime nach § 128 HGB nachempfunden,49 das dem BVerfG zumindest in Kombination mit dem alten Verständnis von der Gesamthand zur Begründung einer fehlenden Leistungsfähigkeit der Personengesellschaft genügt hat.50 Damit wäre grundsätzlich eine unterschiedliche Besteuerung von GbRGesellschafter, Gesellschafter einer oHG oder Komplementär einer KG 47 Vgl. BVerfG v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106 = FR 2017, 577 m. Anm. Suchanek = GmbHR 2017, 710 = ZIP 2017, 1009. 48 BVerfG v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145 = FR 2017, 577 m. Anm. Suchanek = GmbHR 2017, 710 = ZIP 2017, 1009, 106: „Die auf diese Weise bewirkte stärkere Abschirmung der Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft […].“ (Hervorhebung durch die Autoren); ebenso der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, WD 4 – 3000 – 051/21 S. 13; vgl. auch Müller, GmbH-StB 2022, 184 (191), der Kriterien des für internationale Sachverhalte geschaffenen Rechtstypenvergleichs heranzieht. 49 BT-Drucks. 19/27635, 165. 50 Zweifelnd Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, 3 (7), und Hennrichs, FR 2010, 721 (727), die die Haftung qualitativ anders bewerten als die Vermögenszuordnung.

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gegenüber der Kapitalgesellschaft bzw. dem Kapitalgesellschafter gerechtfertigt. Problematisch wäre dies aber bei einem Kommanditisten, der, soweit er seine Einlage erbracht hat, über diese Einlage hinaus nicht für die Schulden der KG haftet. Gerade bei der in Deutschland so weit verbreiteten GmbH & Co. KG wäre eine unterschiedliche Besteuerung verfassungsrechtlich nicht mehr zulässig. Dennoch wird man verfassungsrechtlich auch weiterhin von einer Zulässigkeit der unterschiedlichen Besteuerung ausgehen müssen. Hierfür sprechen die fortbestehenden rechtlichen Unterschiede der Personengesellschaft zur Kapitalgesellschaft:51 Die Selbstorganschaft rückt den Personengesellschafter deutlich näher an seine Gesellschaft, als dies bei der Kapitalgesellschaft durch einen fremden Geschäftsführer der Fall ist. Die Personengesellschaft kann nach § 711 Abs. 1 Satz 2 BGB nF eigene Anteile, folglich Einfluss auf die Verfügung über das Gesellschaftsvermögen, nicht erwerben.52 Nach § 33 GmbHG oder § 71 AktG ist dies für die GmbH und die AG (zumindest begrenzt) möglich. Die Außengesellschaft ist damit gänzlich vom Bestand der Gesellschafter abhängig, die die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte ausüben können. Demgegenüber können Kapitalgesellschaften ein größeres Maß der Selbstständigkeit gegenüber ihren Gesellschaftern erlangen. Auch in den Fällen der An- bzw. Abwachsung nach § 712 BGB nF ergibt sich keine neue Rechtsfolge: „Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so wächst sein Anteil an der Gesellschaft den übrigen Gesellschaftern im Zweifel im Verhältnis ihrer Anteile zu.“

Zwar wächst den Gesellschaftern nur der Anteil an der Gesellschaft und nicht am Gesellschaftsvermögen selbst zu, dennoch geht auch auf diesem Wege der Gesellschaftsanteil nicht auf die Gesellschaft selbst über. Schließlich besteht die Gesamthand aufgrund der neuen gesetzlichen Regelungen als Organisationsform fort; dem steht die Kapitalgesellschaft als rechtlich vollständig eigenständiger Vermögenszusammenschluss gegenüber. 51 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben unter II.2.a). 52 Vgl. BT-Drucks. 19/27635, 144. Für die Zulässigkeit des Erwerbs eigener Anteile nach alter Rechtslage Priester, ZIP 2014, 245 (256 ff.); ablehnend demgegenüber BGH v. 6.10.1992 – KVR 24/91, BGHZ 119, 346 = GmbHR 1993, 44; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB41, § 105 Rz. 30; Schäfer in MünchKomm. BGB8, § 705 Rz. 80; Schmidt in MünchKomm. HGB4, § 105 Rz. 92; Schmidt, ZIP 2014, 493 ff.

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Da dies allerdings nicht der bisherigen Begründung des BVerfG entspricht, dürfte eine entsprechende Abweichung in der Sache zu erwarten sein, nicht aber im Ergebnis.

2. Auswirkungen auf die Mitunternehmerschaftsbesteuerung a) Besteuerung der gewerblichen Einkünfte auch weiterhin durch die Gesellschafter (§ 15 EStG) Die zentrale Norm der einkommensteuerlichen Erfassung von Erträgen einer Personengesellschaft (genauer gesagt ihrer Gesellschafter) ist § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Danach führen die Erträge von Personengesellschaften als einer Erscheinungsform der Mitunternehmerschaft zu Einkünften aus Gewerbebetrieb bei den Gesellschaftern. Durch das MoPeG könnten sich dann Änderungen ergeben, wenn die Zuordnung der Einkünfte zu den Gesellschaftern Folge der bisherigen Vermögenszuordnung der Gesellschaft zu den Gesellschaftern (in Form des bisherigen Gesamthandsvermögens) wäre. Der Wortlaut des § 15 EStG knüpft nicht an das Gesamthandsvermögen an. Nach dem Wortlaut des § 15 EStG unterliegen vielmehr (nur) die „Gewinnanteile der Gesellschafter“ der Besteuerung. Auch aus dem Zweck der Norm ergibt sich kein Bezug zum Gesamthandsvermögen. Der Zweck des § 15 EStG ist die steuerliche Gleichstellung des Personengesellschafters mit dem Einzelunternehmer.53 Daher verlangt § 15 EStG keine Vermögenszuordnung zu dem Gesellschafter (auch wenn insoweit die Gleichstellung gegeben wäre). Infolge der (vermeintlichen) Gesellschafterbezogenheit des § 15 EStG spaltete die vom RFH anerkannte Bilanzbündeltheorie die Gesamtbilanz der Gesellschaft in Einzelbilanzen der Gesellschafter auf.54 Der Gewinn der Gesellschaft war demnach ein Bündel der Einzelgewinne der Gesellschafter. Nach damaligem Verständnis stellte § 15 EStG jeden Gesellschafter wie einen Einzelunternehmer, der selbst einen Betrieb führt.55 Auf diese Art und Weise sollte das Spannungsverhältnis zwischen der Einheit der Gesellschaft und der Vielheit der Gesellschafter zugunsten letzterer gelöst werden.

53 Blischke/Desens in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rz. A 6. 54 Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Bilanzbündeltheorie BVerfG v. 15.7.1969 – 1 BvR 457/66, BVerfGE 26, 327 = BStBl. II 1969, 718. 55 BFH v. 14.1.1958 – I 159/57 U, BStBl. III 1958, 75.

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Mit der Entscheidung des Großen Senats aus 1984 hat der BFH die Bilanzbündeltheorie aufgegeben.56 Die Bilanz der Gesellschaft besteht nicht lediglich aus dem Bündel der Bilanzen der Einzelunternehmer. In den Vordergrund des Verständnisses von der Norm tritt seither die Einheit der Gesellschaft, während die Vielheit der Gesellschafter in den Hintergrund tritt.: „Die Art der Einkünfte der Gesellschafter einer Personengesellschaft wird in erster Linie durch die Tätigkeit der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, mithin durch die Tätigkeit der Gesellschaft bestimmt.“57

Mitunternehmerische Einkünfte eines Gesellschafters erfordern demnach kein Vermögen des einzelnen Gesellschafters; eine Gesellschafterbezogenheit ist nicht erforderlich. Ein Gesellschaftsvermögen genügt, um die Anforderungen des § 15 EStG zu erfüllen. Das neue Verständnis von der Gesamthand durch Begründung eines einheitlichen Gesellschaftsvermögens in § 713 BGB nF hat daher keine Auswirkungen auf die Besteuerung von Erträgen eines Gesellschafters aus seiner Personengesellschaft. Vielmehr gleicht das Zivilrecht sich in dieser Hinsicht dem Steuerrecht an.58 Der Gesetzgeber geht mit der Einführung eines Optionsrechts für Personengesellschaften in § 1a KStG im Übrigen selbst davon aus, dass Personengesellschaften weiterhin transparent besteuert werden.59 b) Übertragungen auf das bzw. aus dem steuerlichen Gesamthandsvermögen (§ 6 Abs. 5 EStG) Um die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen oder dem Privatvermögen eines Stpfl. in ein anderes, ihm gehörendes Betriebsvermögen steuerlich zu regeln, erließ der Gesetzgeber 1977 als Folge

56 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 Rz. 136 = FR 1984, 619 = GmbHR 1984, 355. 57 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 Rz. 136 = FR 1984, 619 = GmbHR 1984, 355. 58 Müller, GmbH-StB 2022, 184 (190). 59 Obschon das durch das KöMoG (BGBl. I 2021, 2050) eingeführte Optionsrecht des § 1a KStG vor dem MoPeG (BGBl. I 2021, 3436) verkündet worden ist, sind die beiden Systeme aufgrund ihrer engen zeitlichen Verkündungsabfolge in einem Zusammenhang zu betrachten.

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der sog. finalen Entnahmetheorie des BFH60 den Mitunternehmererlass.61 Nach dem Mitunternehmererlass waren steuerfreie Übertragungen aus dem Betriebsvermögen des Gesellschafters in das Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft möglich. Zur Begründung der Steuerfreiheit wurde auf das Gesamthandsvermögen als unmittelbares Vermögen der Gesellschafter abgestellt.62 Eine Übertragung, die zwar rechtlich stattfindet, aber innerhalb desselben Vermögens erfolgt, konnte keine steuerrechtlichen Konsequenzen haben. Durch die Abschaffung des Mitunternehmererlasses durch das StEntlG 1999/2000/2002 wurde das einheitliche Vermögen eines Mitunternehmers ertragsteuerlich negiert; stattdessen wurden unterschiedliche Betriebsvermögen angenommen.63 Es wurde somit steuerlich bereits damals ein eigenständiges (Betriebs-)Vermögen seiner Personengesellschaft angenommen. Die Überführung bzw. Übertragung aus dem Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers in das Sonderbetriebsvermögen (SBV) bzw. in das Betriebsvermögen seiner Personengesellschaft war danach grundsätzlich ein steuerlich relevanter Entnahmevorgang. § 6 Abs. 5 EStG, der die Folgen der Aufhebung des Mitunternehmererlasses abmildern sollte, erlaubte dennoch unter den dort genannten Voraussetzungen eine Buchwertfortführung, dh. eine steuerneutrale Übertragung. Dies bedeutet, dass die in § 6 Abs. 5 EStG angelegte steuerliche Selbständigkeit des Betriebsvermögens der Personengesellschaft durch das MoPeG heute nur „nachgezogen“ wird. Mit anderen Worten kommt § 6 Abs. 5 EStG auch nach der Änderung des BGB dieselbe Bedeutung zu wie heute. Daran ändert sich nichts, weil das Gesamthandsvermögen angeblich „weggefallen“ ist. Zum einen gibt es das Gesamthandsvermögen weiterhin, wenn auch in anderer – oder mit Karsten Schmidt – in richtiger Form. Zum zweiten ist das Gesamthandsvermögen – und hierauf macht die Begründung zum MoPeG aufmerksam – iSd. § 6 Abs. 5 EStG nicht als das zivilrechtliche Gesamthandsvermögen zu verstehen, sondern als das Betriebsvermögen der Personengesellschaft in Abgrenzung zum Betriebsvermögen des Gesellschafters bzw. dessen SBV bei der Personengesellschaft. Drittens ist § 6 Abs. 5 EStG lediglich die Übertragung der steuerlichen Transparenz der Personengesellschaft, wie sie durch 60 Vgl. BFH v. 28.1.1976 – I R 84/74, BStBl. II 1976, 744; v. 15.7.1976 – I R 17/74, BStBl. II 1976, 748; v. 21.10.1976 – IV R 210/72, BStBl. II 1977, 145. 61 BMF v. 20.12.1977 – IV B 2 - S 2241 - 231/77 BStBl. I 1978, 8. 62 BMF v. 20.12.1977 – IV B 2 - S 2241 - 231/77, BStBl. I 1978, 8 Rz. 4. 63 Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz. 1502.

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§ 15 EStG zum Ausdruck kommt. Wirkt sich die Änderung des BGB durch das MoPeG nicht auf § 15 EStG aus, so kann dies auch keine Auswirkungen für § 6 Abs. 5 EStG haben. Das vorstehende gilt entsprechend für die §§ 6b Abs. 10 Satz 10, 16 Abs. 3 Satz 2 EStG und § 24 UmwStG, da diese wie § 6 Abs. 5 EStG funktionieren.

3. Auswirkungen auf das Grunderwerbsteuersteuerrecht a) Keine Grunderwerbsteuer durch Vermögensübergang von den Gesellschaftern auf die Gesellschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG stellt auch der Rechtsträgerwechsel beziehungsweise der Eigentumsübergang kraft Gesetzes grundsätzlich einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerb dar. Erforderlich ist demnach der Übergang des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Durch § 713 BGB nF und die Abschaffung des § 718 BGB aF ändert sich die Zuordnung von einem Vermögen der Gesellschafter hin zu einem Vermögen der Gesellschaft. Fraglich ist, ob dieser gesetzliche Wechsel der Vermögenszuordnung bereits den genannten Grunderwerbsteuertatbestand erfüllt. Dies ist zu verneinen. Bereits nach bisheriger Rspr. der Zivilgerichte konnte eine Außengesellschaft infolge ihrer Rechtsfähigkeit auch selbst Eigentum an einem Grundstück erwerben.64 Folglich war das Grundstück auch bereits bisher zivilrechtlich und damit für Grunderwerbsteuerzwecke der Personengesellschaft zugeordnet. Daneben wird das Grundstück auch grunderwerbsteuerlich der Personengesellschaft schon nach bisherigem Recht – abweichend von der zivilrechtlichen Rechtslage – zugeordnet65 (s. auch sogleich unter b). Die gesetzliche Neuordnung der Gesamthand kann somit keinen Übergang des Eigentums und infolgedessen keinen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG darstellen.

64 BGH v. 4.12.2008 – V ZB 74/08, BGHZ 179, 102 = ZIP 2009, 66. 65 Hofmann/Hofmann, GrEStG10, § 1 Rz. 18; Drees in Behrens/Wachter, GrEStG, § 1 Rz. 13; Meßbacher-Hönsch in Viskorf, GrEStG20, § 1 Rz. 71; Pahlke, GrEStG6, § 1 Rz. 36.

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b) Keine Änderungen bei § 1 Abs. 2a GrEStG Nach der Rspr. des BFH konnten alle Gesellschafter ihre Anteile gleichzeitig abtreten und somit einen Gesellschafterwechsel herbeiführen, der sich nicht auf die Identität der Gesellschaft selbst auswirkte, für die Gesellschaft also identitätswahrend blieb. Hieraus ergaben sich Möglichkeiten der Steuerumgehung, insbes. durch Zwischenschaltung einer Personengesellschaft, die der Gesetzgeber vereiteln wollte.66 Das GrEStG erfasst daher den Wechsel von mindestens 90 % der Gesellschafter einer Personengesellschaft als Steuertatbestand in § 1 Abs. 2a GrEStG. Die Norm besteuert dabei nicht den Gesellschafterwechsel als solchen, sondern die aus ökonomischer Sichtweise dahinterstehende (fingierte) Grundstücksveräußerung.67 Das grunderwerbsteuerlich erfasste inländische Grundstück muss „zum Vermögen der Personengesellschaft“ gehören. Ein Grundstück kann entweder durch eine Eigentümerstellung der Gesellschaft selbst oder durch grunderwerbsteuerliche Zuordnungsregelungen der Gesellschaft gehören.68 Um das Besteuerungsziel zu erreichen, wurde für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG das Grundstück der Gesellschaft zugeordnet, da es ja zivilrechtlich im Eigentum (Gesamthandsvermögen) der Gesellschafter stand. Der Grundbesitz haltenden Personengesellschaft wurde somit „die Eigenschaft als selbständiger Rechtsträger in grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht zuerkannt“.69 Anders verhält es sich nur für die eheliche Gütergemeinschaft sowie die Erbengemeinschaft, die auch nach dem MoPeG „alte Gesamthandsvermögen“ bleiben. Infolgedessen stellte die Zuordnung des Grundstücks zum Vermögen der Personengesellschaft für grunderwerbsteuerliche Zwecke eine Vorwegnahme der nunmehr durch das MoPeG erfolgenden Änderungen dar: Das Grundstück gehörte bereits der Personengesellschaft. Mehr wird durch das MoPeG nicht bewirkt. Der Norm liegt daher schon das neue Verständnis von der Gesamthand zugrunde. § 1 Abs. 2a GrEStG bleibt daher unverändert anwendbar.

66 BT-Drucks. 13/6151, 16. 67 Behrens in Behrens/Wachter, GrEStG, § 1 Rz. 299. 68 BFH v. 15.12.2010 – II R 45/08, BFHE 232, 218 = BStBl. II 2012, 292 = GmbHR 2011, 335. 69 Hofmann/Hofmann, GrEStG10, § 1 Rz. 19; Drees in Behrens/Wachter, GrEStG, § 1 Rz. 13; Meßbacher-Hönsch in Viskorf, GrEStG20, § 1 Rz. 73; Pahlke, GrEStG6, § 1 Rz. 42; Weilbach, GrEStG, § 1 Rz. 78a (Dez. 2021).

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c) Probleme der Übertragungen auf und von Personengesellschaften (§§ 5 ff. GrEStG) Nach § 5 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer nicht erhoben, soweit ein Grundstück aus dem Miteigentum mehrerer in das Gesamthandsvermögen übergeht und der Anteil des einzelnen am Vermögen der Gesamthand seinem Bruchteil am Grundstück entspricht. § 6 GrEStG normiert den umgekehrten Fall einer Übertragung von einer Gesamthand in das Miteigentum mehrerer. Gedanklicher Ausgangspunkt der §§ 5, 6 GrEStG ist die grunderwerbsteuerliche Selbständigkeitsfiktion der Gesamthandsgemeinschaft (s.o.).70 Ohne die §§ 5, 6 GrEStG würde eine Veräußerung eines Grundstücks zwischen Gesamthänder und Gesamthand zu einem grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerb führen.71 Dies widerspricht dem bisher geltenden Zivilrecht, das das Gesamthandsvermögen dinglich unmittelbar zum Gesamthänder zuordnete (vgl. § 718 BGB aF). Während grunderwerbsteuerlich eine Übertragung des Vermögens zwischen Gesamthänder und Gesamthand also ein Erwerbsvorgang darstellt, waren die Gesamthänder aus zivilrechtlicher Perspektive vor und nach der vermeintlichen Veräußerung unmittelbar dinglich berechtigt. Die §§ 5, 6 GrEStG führen also dazu, dass die an sich nach § 1 GrEStG steuerpflichtige Übertragung steuerfrei gestellt wird, soweit kein Wechsel des Vermögens auf einen anderen Gesellschafter stattfindet. Die grunderwerbsteuerliche Selbständigkeitsfiktion wird dadurch partiell rückgängig gemacht und der bisher geltenden zivilrechtlichen Wertung angepasst. Hat der Gesamthänder zukünftig kein ihm zugeordnetes Vermögen mehr, da dieses nunmehr ausschließlich der Gesellschaft zugeordnet wird (vgl. § 713 BGB nF), entfällt die Begünstigung. Das Inkrafttreten des MoPeG stellt damit den letzten Anwendungszeitpunkt des § 5 Abs. 1 GrEStG dar. Nach wortlautgetreuer Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 GrEStG kann der Veräußerer seinen Anteil am Vermögen der Gesamthand nachfolgend nicht länger verringern; er kann lediglich seinen Anteil an der Gesamthand (nicht an ihrem Vermögen) verringern. Die Vergünstigungen der §§ 5, 6 GrEStG sind infolgedessen nicht mehr anwendbar; gleiches gilt für § 7 GrEStG. Eine vom Zivilrecht abweichende Fiktion 70 BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BFHE 241, 53 = BStBl. II 2013, 833 = GmbHR 2013, 822 m. Anm. Klass; gleich lautende Ländererlasse v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029 Rz. 1. 71 Pahlke, GrEStG6, § 5 Rz. 2.

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der Selbständigkeit im Grunderwerbsteuerrecht wird nicht mehr benötigt, da schon das Zivilrecht ein eigenständiges Gesamthandsvermögen annimmt. Sonstige Übertragungen zwischen dem Gesamthänder und der Gesamthand sind daher schon nach zivilrechtlicher Wertung Veräußerungsvorgänge. Dies ließe sich nur dann abweichend auslegen, wenn mit dem „Anteil am Vermögen“ nicht der zivilrechtliche Anteil an dem Gesamthandsvermögen gemeint wäre, sondern die Beteiligung an der Personengesellschaft an sich. Ob im Rahmen der §§ 5, 6 GrEStG ein eigenständiges Verständnis von der Gesamthand zur Korrektur des Ergebnisses möglich ist, erscheint aber zweifelhaft. Schließlich war Sinn und Zweck der Normen die Angleichung des Grunderwerbsteuerrechts an das Zivilrecht. Eben diese Angleichung ist nach zukünftiger Rechtslage nicht erforderlich, so dass auch eine grunderwerbsteuerlich eigenständige Auslegung der Beteiligung am Gesamthandsvermögen zumindest schwer fällt.72 An die fehlende Anwendbarkeit der §§ 5 ff. GrEStG schließt sich die Frage nach der Fortgeltung der Nachbehaltensfristen gem. §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 GrEStG an. Die Steuervergünstigung ist demnach insoweit nicht entsprechend anzuwenden, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand innerhalb von zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks vermindert. Unter dem Anteil am Vermögen ist zum einen die sachenrechtliche (dingliche) unmittelbare Mitberechtigung des grundstücksübertragenden bzw. -übernehmenden Gesellschafters am Gesamthandsvermögen, die sich aus der Stellung als Gesamthänder ableitet, und zum anderen die vermögensmäßige Beteiligung an der Gesamthand bzw. am Grundstück zu verstehen.73 Mit Inkrafttreten des MoPeG zum 1.1.2024 verliert der Gesamthänder seine unmittelbare dingliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen zugunsten der Gesamthand, so dass er hierdurch seinen Anteil am Vermögen vollständig verliert74 und es zu einem Bruch der bereits laufenden Fristen kommt. Dies hat zur Folge, dass alle Vermögenübertragungen, die eigentlich nach § 5 Abs. 1 GrEStG steuerfrei wären und weniger als zehn Jahre zurückliegen, grunderwerbsteuerpflichtig werden. Nach einhelliger Ansicht sind die Versagungen der Steuervergünstigung der §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 GrEStG in ihren Anwendungsbereichen teleolo72 Kritisch insoweit auch Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, 3 (7). 73 Gleich lautende Ländererlasse v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029 Rz. 3. 74 Vgl. Schley in Behrens/Wachter, GrEStG, § 5 Rz. 75.

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gisch zu reduzieren.75 Der Sinn und Zweck der Normen erstreckt sich auf die Festschreibung einer typisierenden Missbrauchsvermeidung, weshalb sie als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine objektive Möglichkeit einer Steuerumgehung voraussetzen. Die Vergünstigung nach §§ 5, 6 GrEStG bleibt daher bestehen, wenn die vom Gesetz geforderte Steuerumgehung objektiv ausscheidet.76 Sofern der Vorgang, durch den der Gesamthänder seine Mitberechtigung verliert bzw. erwirbt oder die Veränderung der vermögensmäßigen Beteiligung eintritt, der Steuer unterliegt, liegt demnach keine Steuerumgehung vor.77 Richtigerweise müsste daher eine Steuerumgehung ebenfalls ausscheiden, wenn der Stpfl. keinen Einfluss auf die Erfüllung des Tatbestands nehmen kann. Infolge der Änderungen des MoPeG erfolgt der Entfall der dinglichen Berechtigung von Gesetzes wegen, ohne Zutun des Stpfl. Zumindest Sachverhalte, die auch unter Aspekten der Rückwirkung von Gesetzen einen vorrangigen Vertrauensschutz genießen, dürften hiervon erfasst sein. Andererseits lässt sich für Übertragungen, die nach Inkrafttreten des MoPeG vollzogen worden sind, das Fehlen einer objektiven Möglichkeit der Steuerumgehung nicht auf die gleiche Art und Weise nachweisen. In der Praxis ist daher das Risiko zu beachten, dass eine Übertragung vor dem 1.1.2024 bereits schädlich ist, weil die Behaltensfristen nicht eingehalten werden können.

4. Auswirkungen auf das begünstigungsfähige Vermögen iSd. ErbStG Gem. §§ 13a ff., 28a ErbStG kann betriebliches Vermögen vollständig oder teilweise von der Erbschaft- oder Schenkungsteuer verschont bleiben. Dabei gelten Beteiligungen an Kapitalgesellschaften lediglich ab einer Beteiligungsquote von mehr als 25 % als betriebliches Vermögen, bei Beteiligungen an Personengesellschaften kommt es auf die Beteiligungsquote nicht an. Fraglich ist, ob sich diese Privilegierung des Personengesellschaftsanteils aus der bisherigen Zurechnung des Vermögens der Gesellschaft zu den Gesellschaftern ergibt.

75 BT-Drucks. 14/265; BFH v. 7.10.2009, II R 58/08, BFHE 226, 404, BStBl. II 2010, 302 = GmbHR 2010, 52; Schley in Behrens/Wachter, GrEStG, § 5 Rz. 71; gleich lautende Ländererlasse v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029 Rz. 7.1. 76 BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BFHE 226, 404, BStBl. II 2010, 302 = GmbHR 2010, 52. 77 Viskorf, DStR 2001, 1101 (1104).

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Voraussetzung für die steuerliche Privilegierung ist, dass sog. begünstigungsfähiges Vermögen übertragen wird. Begünstigungsfähiges Vermögen ist nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb eines Gewerbebetriebs, Teilbetriebs oder „einer Beteiligung an einer Gesellschaft im Sinne des § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG“. Gem. § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG muss es sich um eine Gesellschaft iSd. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handeln. Da § 15 EStG weiterhin Anwendung findet (s.o.), entfaltet diese (mittelbare) Tatbestandsvoraussetzung des § 13b Abs. 1 ErbStG auch weiterhin Geltung. Dass das Gesamthandsvermögen in Zukunft Vermögen der Gesellschaft und nicht der Gesellschafter ist, ist demnach auch in diesem Zusammenhang unschädlich. Dies ergibt sich auch aus § 97 Abs. 1a BewG: „Der nach § 109 Abs. 2 ermittelte gemeine Wert des der Personengesellschaft gehörenden Betriebsvermögens (Gesamthandsvermögen) […].“

Demnach geht auch das Bewertungsgesetz bereits vor MoPeG von einem eigenständigen Vermögen der Personengesellschaft aus.78 Nach der Rspr. des BFH führt iÜ schon die Teilrechtsfähigkeit einer GbR nach bisheriger Rechtslage nicht dazu, dass eine solche GbR als Beschenkte oder Schenkerin anzusehen sei.79 Die ausdrückliche Feststellung der Rechtsfähigkeit einer GbR wird daher nicht zu einer Änderung dieser Rspr. führen. Für die Zwecke der Schenkung ist daher nach wie vor auf die dahinter stehenden Gesellschafter abzustellen.80 Die Abgrenzung zur Kapitalgesellschaftsbeteiligung, die nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nur bei einer Beteiligungsquote von .25 % begünstigungsfähig ist, ist richtig. Das zulässige Differenzierungskriterium liegt in der typisierten Annahme eines unternehmerischen Einflusses auf die Gesellschaft.81 Erst bei mehr als 25 % kann der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft aufgrund seiner Sperrminorität unternehmerischen Einfluss nehmen. Der Personengesellschafter hat auch nach MoPeG weiter78 Vgl. Dötsch in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 97 BewG Rz. 1473. 79 BFH v. 30.8.2017 – II R 46/15, BStBl. II 2019, 38 = FR 2018, 92 m. Anm. Wachter. 80 AA Wachter, DB 2022, 350 (352), der davon ausgeht, dass die ausdrückliche Feststellung der Rechtsfähigkeit zu einer Änderung der Rspr. führen wird; infolge unmöglicher Verwandtschaft mit einer Gesellschaft würde dies zu steuerlichen Nachteilen hinsichtlich der Steuerklassen führen. 81 BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/1, BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 = FR 2015, 160 m. Anm. Bareis = ZIP 2015, 326 = GmbHR 2015, 88 (209 f.).

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hin unmittelbaren unternehmerischen Einfluss. Mithin sind Auswirkungen auf die Steuerbefreiungen für begünstigungsfähiges Vermögen nach § 13b ErbStG nicht zu erwarten.

5. Auswirkungen auf die Zurechnung von Wirtschaftsgütern (§ 39 AO) Auch in der Abgabenordnung findet sich die Gesamthand wieder. Für die Zurechnung von Wirtschaftsgütern gilt nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO: „Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, werden den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist.“

Da durch das MoPeG kein Wirtschaftsgut (mehr) einem Gesellschafter „zur gesamten Hand“ zusteht, läuft § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nach der Änderung des BGB durch das MoPeG leer. Denn dann stehen die Wirtschaftsgüter niemandem mehr zur gesamten Hand zu bzw., folgt man dem zivilrechtlichen Verständnis, wie oben in Ziffer II.2.c) dargestellt, wonach die Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft selbst zugeordnet werden. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO hat allerdings auch nach bisherigem Gesellschaftsrecht nur einen beschränkten Anwendungsbereich, da er durch zahlreiche Leges speciales verdrängt wird. Der Hauptanwendungsbereich der Norm umfasst vermögensverwaltende Personengesellschaften. Diese Gesamthandsgemeinschaften werden nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise für steuerliche Zwecke als Bruchteilsgemeinschaften behandelt.82

V. Schluss Dadurch, dass das BMF an dem Gesetzgebungsverfahren zum MoPeG (politisch bedingt) nicht mitgewirkt hat, haben sich Unsicherheiten bei der Anwendung steuerlicher Normen ergeben. Diese könnten den Stpfl. und der FinVerw. überlassen werden, die schließlich in Rechtsstreiten vor den Finanzgerichten enden würden. Damit wäre eine Rechtsunsicherheit größeren Ausmaßes über mehrere Jahre verbunden, die in einem Rechtsstaat nicht hinnehmbar sein sollte. Gleiches gilt für „Klarstellungen“ durch Verwaltungsschreiben, da diese durch die Finanzgerichte nicht beachtet werden müssen. Damit bleibt nur der Weg der gesetzli82 BFH v. 18.5.2004 – IX R 83/00, BFHE 206, 162 = BStBl. II 2004, 898 Rz. 25 = FR 2004, 1075 = ZIP 2004, 1728.

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chen Klarstellung, ein „MoPeG-Steuerbegleit-Gesetz“. Dabei wäre entweder an einer zentralen Stelle, nämlich in der AO, klarzustellen, dass sich durch das MoPeG keine Änderungen ergeben haben. Der Begründung zum MoPeG folgend, könnte zB nach § 15 AO als letzte Begriffsbestimmung ein § 15a AO eingefügt werden, der, in Anlehnung an die Begründung zum MoPeG, lautet:83 „Soweit in den Steuergesetzen von Gesamthandsvermögen gesprochen wird, ist dies bei rechtsfähigen Personengesellschaften dahingehend zu verstehen, dass damit das Vermögen der Gesellschaft in Abgrenzung zum Vermögen der einzelnen Gesellschafter (Sonderbetriebsvermögen) gemeint ist.“

Alternativ könnte eine entsprechende Klarstellung in dem jeweiligen Einzelgesetz erfolgen. Mit beidem wäre das Ziel des Gesetzgebers erreicht, nämlich dass sich durch das MoPeG keine steuerlichen Änderungen ergeben sollen. Zusätzlich sollte durch eine Änderung der gleich lautenden Ländererlasse vom 9.12.2015 klargestellt werden, dass sich bei den §§ 5, 6 GrEStG keine Änderungen ergeben werden, so dass auch die dortigen Nachbehaltensfristen nicht durch das Inkrafttreten des MoPeG zum 1.1.2024 verletzt werden. Dies könnte dadurch geschehen, dass mit dem „Anteil des Einzelnen am Vermögen der Gesamthand“ die Beteiligung des Gesellschafters an seiner Gesellschaft gemeint ist, nicht aber die tatsächliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen, das es in der Hand des Gesellschafters künftig nicht mehr gibt. Damit verbliebe „nur noch“ die Unsicherheit, ob durch die künftig fehlende Zurechnung des Gesellschaftsvermögens zum Gesellschafter verfassungsrechtlich die Unterscheidung zwischen der Kapitalgesellschaftsbesteuerung und der Personengesellschaftsbesteuerung weggefallen ist. Insoweit sollte es allerdings ausreichend alternative Argumente geben, warum dies allein verfassungsrechtlich keine rechtsformneutrale Besteuerung gebietet.

83 Wohl nicht umfassend genug wäre der Vorschlag von Möhlenbrock/Haubner, FR 2022, 53 (54), die lediglich § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO wie folgt ändern wollen: „Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand oder als Gesellschaftern einer rechtsfähigen Personengesellschaft (Gesamthand) zustehen, werden den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist.“

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Steuerliche Folgen zunehmender Home-Office-Tätigkeit und anderer Formen des Flexible Working Thorsten Kontny Ministerialrat, Düsseldorf Dr. Carsten Schlotter Rechtsanwalt, Steuerberater, Bonn I. Vorbemerkung (Kontny/Schlotter) II. Begrifflichkeiten und Ausgangspunkt (Schlotter) III. Das „häusliche Arbeitszimmer“ (Kontny) IV. Die „Home-Office“ -Pauschale (Kontny) V. „Home-Office“ als gewerbesteuerrelevante Betriebsstätte? (Kontny) VI. Grenzüberschreitende Sachverhalte (Schlotter) 1. Arbeitnehmerperspektive (Schlotter)

a) Grundsätzliches b) Abweichende Regelungen zu einzelnen DBA c) Pandemiebedingte Sonderregeln 2. Unternehmensperspektive (Schlotter) a) Physische Betriebsstätten b) Vertreterbetriebsstätten c) Geschäftsleitungsbetriebsstätte und Aufgabe von Betriebsstätten 3. Ausblick (Kontny)

I. Vorbemerkung (Kontny/Schlotter) Im Zuge der Corona-Pandemie sind zwangsläufig die verschiedenen Formen des mobilen Arbeitens in den Blickpunkt des steuerlichen Interesses geraten. Der Trend zu einer Flexibilisierung des Arbeitsorts hatte bereits deutlich vor der Pandemie eingesetzt und wurde durch die Pandemie mangels Alternativen und zwingender gesetzlicher Vorgaben (Home-Office-Pflicht) nur massiv beschleunigt. Es ist absehbar, dass flexible Arbeitskonzepte auch nach der Pandemie eine besondere Rolle spielen werden. Die sich in diesem Kontext stellenden steuerlichen Fragen haben naturgemäß eine hohe Praxisbedeutung und betreffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen. Nachfolgend soll einigen ausgewählten

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steuerlichen Fragestellungen aus diesem breiten Themenkomplex nachgegangen werden.1

II. Begrifflichkeiten und Ausgangspunkt (Schlotter) Wenn man versucht, sich dem Thema über die Begrifflichkeiten zu nähern, fällt auf, dass insbes, arbeitsrechtliche Vorschriften Definitionen zu Begrifflichkeiten enthalten. Weitreichend ist der Begriff des „mobilen Arbeitens“. In den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregeln ist mobiles Arbeiten eine Arbeitsform, die nicht in einer Arbeitsstätte gem. § 2 Abs. 1 ArbStättV oder an einem fest eingerichteten Telearbeitsplatz gem. § 2 Abs. 7 ArbStättV im Privatbereich des Beschäftigten ausgeübt wird, sondern bei dem die Beschäftigten an beliebigen anderen Orten (zum Beispiel beim Kunden, in Verkehrsmitteln, in einer Wohnung) tätig werden. Die Tätigkeit im Home-Office ist nur eine Form des mobilen Arbeitens. Sie ermöglicht es Beschäftigten, nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber, zeitweilig im Privatbereich, ggf. unter Nutzung tragbarer IT-Systeme (zB Notebooks) oder Datenträger, für den Arbeitgeber tätig zu sein. Die Telearbeit ist in § 2 Abs. 7 ArbStättV definiert und bezeichnet vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich. Die Bedingungen für die Telearbeit werden in einer Vereinbarung festgelegt und die benötigte Ausstattung wird vom Arbeitgeber bereitgestellt und installiert. Soweit nicht arbeitsrechtlich durch Einzelvertrag, kollektivrechtliche Abreden oder den Gleichbehandlungsgrundsatz geregelt oder öffentlichrechtlich (etwa aus Gründen des Gesundheitsschutzes) vorgegeben, haben Arbeitnehmer bis heute keinen Anspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office. Nicht zuletzt aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs um gute Fachkräfte und der Erfahrungen aus der Pandemie werden jedoch entsprechende Angebote in vielen Bereichen der Wirtschaft angeboten.

1 Weitere Fragen, auf die hier nicht eingegangen wird, ist die Frage, ob ein Veräußerungsgewinn auch insoweit von der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ausgenommen wird, als er auf ein zur Erzielung von Überschusseinkünften genutztes Arbeitszimmer entfällt; vgl. dazu BFH v. 1.3.2021 – IX R 27/19, BStBl. II 2021, 680 (entgegen BMF v. 5.10.2000 – IV C 3 - S 2256 - 263/00, BStBl. I 2000, 1383 Rz. 21); zur Fragen der Begründung einer umsatzsteuerlichen Betriebsstätte vgl. Hoffmann/Schmitt, UStB 2021, 294 ff.; zu Wechselwirkungen zwischen Home-Office-Pauschale und Entfernungspauschale vgl. Sopp/Gast/Ullmann, FR 2021, 106 (111 f.).

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Eine andere Frage ist wiederum, ob der Arbeitnehmer bei einer entsprechenden Tätigkeit im Home-Office einen Aufwendungsersatzanspruch (etwa für IT-Hardware, Internetkosten, anteilige Miete, Strom- und Heizungskosten etc.) nach § 670 BGB gegenüber seinem Arbeitgeber geltend machen kann. Ein entsprechender Anspruch wird nur bestehen, wenn die Aufwendungen tatsächlich erforderlich sind und im überwiegenden Arbeitgeberinteresse geleistet wurden. Hieran fehlt es nach der Rspr.,2 wenn der Arbeitnehmer nur frei wählen kann, ob er mobil oder im Büro arbeitet. Zudem ist zu beachten, dass § 670 BGB disponibles Recht ist.3 In der Praxis sind daher vielfältige Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu finden. Eine Frage ist, unter welchen Voraussetzungen ein eigenständiges, neben dem Arbeitsverhältnis bestehendes Mietverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber anzuerkennen ist.4 Für die Abgrenzung ist maßgebend, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung erfolgt.5 Ein gewichtiges Indiz ist dabei, ob der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers über einen weiteren Arbeitsplatz verfügt, die Nutzung also nur geduldet oder gestattet ist. Besteht ein entsprechender Arbeitsplatz nicht, ist dies ein Anhaltspunkt für ein vorrangiges Arbeitgeberinteresse. Eine Einordnung als Vermietung setzt zudem (schriftliche) Vereinbarungen über die Bedingungen der Nutzung durch den Arbeitgeber voraus. Dabei ist unerheblich, ob die vereinbarte Miete ortsüblich ist, denn allein der Umstand, dass sich die Vermietung für den Arbeitgeber als vorteilhaft erweist, stellt den Charakter des Rechtsverhältnisses nicht in Frage.6 Allein ein finanzieller Zuschuss des Arbeitgebers ist daher (mangels Verfügungsmacht des Arbeitgebers) als Lohn zu werten.7 Bei Anerkennung eines Mietverhältnisses kommt auch ein Vorsteuerabzug des Arbeitnehmers für Eingangsleistungen in Betracht.8

2 BAG v. 12.4.2011 – 9 AZR 14/10, NZA 2012, 97 Rz. 28. 3 Arnold/Winzer in Arnold/Günther, Arbeitsrecht 4.0, § 3 Rz. 96. 4 Vgl. dazu ausführlich BMF v. 18.4.2019 – IV C 1 - S 2211/16/10003:005 – DOK 2019/0046116, BStBl. I 2019, 461. 5 BFH v. 9.6.2005 – IX R 4/05, BFH/NV 2005, 2180. 6 BMF v. 18.4.2019 – IV C 1 - S 2211/16/10003:005 – DOK 2019/0046116, BStBl. I 2019, 461. 7 BFH v. 8.3.2006 – IX R 76/01, BFH/NV 2006, 1810. 8 BFH v. 7.5.2020 – V R 1/18, BFH/NV 2020, 1211.

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III. Das „häusliche Arbeitszimmer“ (Kontny) Eine der ursprünglichen Formen der steuerrechtlichen Auseinandersetzung mit dem häuslichen Arbeiten ist die Berücksichtigung von Ausgaben für das sog. „häusliche Arbeitszimmer“. Bis einschließlich 1995 erfolgte eine Berücksichtigung ausschließlich im Rahmen der Abgrenzung zu den Kosten der privaten Lebensführung in § 12 Abs. 1 Nr. 2 EStG bei einer so gut wie ausschließlichen beruflichen Nutzung. Erst 19969 wurde eine Abzugsbeschränkung mit Ausnahmetatbeständen in § 9 Abs. 5 iVm. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG eingefügt, die trotz einiger Irrungen und Wirrungen in der Gesetzgebung10 letztlich bis heute Bestand hat. Danach können Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abgezogen werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 Euro begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Zur Anwendung der Vorschrift hat die FinVerw. am 6.10.201711 ein aktualisiertes BMF-Schreiben herausgegeben. Ein häusliches Arbeitszimmer ist danach ein Raum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Stpfl. eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer und organisatorischer Arbeiten im Rahmen der Erzielung von Einkünften dient. Zudem muss er (nahezu) ausschließlich zu betrieblichen Zwecken genutzt werden. Nicht unter die Abzugsbeschränkung fallen hingegen Räume, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen, wie zB Betriebsräume, Lagerräume und Ausstellungsräume. Nach der Rspr. ist das häusliche Arbeitszimmer von diesen sog. „Betriebsstätten ähnlichen Räumen im Wohnbereich“ abzugrenzen, für die die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht gilt. Abgrenzungsmerkmal ist hier insbes. die – für eine büromäßige Nutzung untypische – Ausstattung, ei9 JStG 1996 v. 11.10.1995 (BGBl. I 1995, 1250). 10 Vgl. Änderungen durch das StÄndG 2007 v. 19.7.2006 (BGBl. I 2006, 1652) und das JStG 2010 v. 8.12.2010 (BGBl. I 2010, 1768). 11 BMF v. 6.10.2017 – IV C 6 - S 2145/07/10002:019 – DOK 2017/0224975, BStBl. I 2017, 1320.

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ne damit zusammenhängende Funktionszuweisung und eine Widmung für den Publikumsverkehr.12 Mit einem Schreiben vom 9.7.2021 an den Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine13 hat das BMF für die Zeit vom 1.3.2020 bis 31.12.202114 klargestellt, dass ein anderer Arbeitsplatz iSv. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG auch dann nicht zur Verfügung steht, „wenn die Entscheidung über das Tätigwerden im Home-Office der Arbeitnehmer selbst ohne eine ausdrückliche Anweisung des Arbeitgebers getroffen hat und er damit einer Empfehlung der Bundes- oder Landesregierung gefolgt ist. Erbringt der Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit während der Corona-Pandemie unter Berücksichtigung der wöchentlichen Regelarbeitszeit zeitlich überwiegend im häuslichen Arbeitszimmer, befindet sich dort der Tätigkeitsmittelpunkt; die Aufwendungen sind in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar.“

IV. Die „Home-Office“ -Pauschale (Kontny) Mit dem JStG 202015 hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 4 EStG eine sog. Home-Office16-Pauschale eingefügt. Danach kann der Stpfl., bei dem kein häusliches Arbeitszimmer vorliegt oder der auf einen Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer verzichtet, für jeden Kalendertag, an dem er seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit ausschließlich in der häuslichen Wohnung ausübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene Betätigungsstätte aufsucht, für seine gesamte betriebliche und berufliche Betätigung einen Betrag von 5 t abziehen, höchstens 600 Euro im Wj. oder Kj. Die Regelung nach § 52 Abs. 6 Satz 15 EStG war zunächst nur für nach dem 31.12.2019 und vor dem 1.1.2022 in der häuslichen Wohnung ausgeübte Tätigkeiten anzuwenden. Durch das Vierte Gesetz zur Umset12 Vgl. BFH v. 9.8.2011 – VIII R 4/09, BFH/NV 2012, 200. Weitere Ausführungen zur Abgrenzung von Arbeitszimmer, Betriebsstätten ähnlichem Raum sowie Betriebsstätte bei Geils, IWB 2019, 433. 13 BMF v. 9.7.2021 – IV C 6 - S 2145/19/10006:013, NWB 34/2021, 2501. 14 Nach dem Schreiben die „Zeit der Corona-Pandemie“. Laut Lerbs, NWB 2022, 2633 (2644) soll diese Vereinfachung auch für das Jahr 2022 angenommen werden, da die Pandemie auch das aktuelle Jahr betrifft. Eine offizielle Stellungnahme von Seiten der FinVerw. liegt aktuell nicht vor. 15 JStG 2020 v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. 16 Die in den weiteren Ausführungen verwendete Begrifflichkeit „Home-Office“ einschließlich der Bezeichnung der Pauschale in § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 4 EStG als Home-Office-Pauschale umfasst grds. sowohl die unter I. verwendeten Begrifflichkeiten „Home-Office“ als auch „Telearbeit“.

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zung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Viertes Corona-Steuerhilfegesetz) vom 19.6.202217 wurde die Regelung bis zum 31.12.2022 verlängert.18 In dem bereits angesprochenen Schreiben vom 9.7.2021 hat das BMF bereits einige Zweifelsfragen zur Anwendung der Pauschale aufgegriffen. So kann die Home-Office-Pauschale von 5 t täglich „auch dann als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn in der Firma des Arbeitgebers ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Aufwendungen für Arbeitsmittel und Telefon-/Internetkosten sind durch die Home-Office-Pauschale nicht abgegolten und können daher zusätzlich als Werbungskosten berücksichtigt werden. Die tatsächlich geleisteten Aufwendungen für eine Jahresfahrkarte oder Monatsfahrkarten zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte können als Werbungskosten anerkannt werden, soweit sie die insgesamt für das Kj. zu berücksichtigende Entfernungspauschale übersteigen. Daneben kann die Home-Office-Pauschale für diejenigen Tage angesetzt werden, an denen der Arbeitnehmer ausschließlich im Home-Office tätig geworden ist.“19 Beispiel: VZ 2020: X arbeitet an insgesamt 99 Arbeitstagen im Home-Office. Die Voraussetzungen für ein häusliches Arbeitszimmer liegen nicht vor (zB Arbeitsecke, nicht Mittelpunkt der Tätigkeit etc.). An 15 der 99 Home-Office-Tage fährt er zusätzlich noch in sein Büro beim Arbeitgeber, um Unterlagen für seine berufliche Tätigkeit abzuholen. Zudem hat er Kosten für die berufliche Nutzung von Telefon/Internet iHv. 100 t p.a. Lösungshinweis: X kann die Home-Office-Pauschale iHv. insgesamt 420 t ansetzen, da er an 84 Tagen ausschließlich am häuslichen Arbeitsplatz tätig wurde (84 × 5 t = 420 t). Für die 15 Arbeitstage, an denen X neben seiner Tätigkeit am häuslichen Arbeitsplatz sein Büro (erste Tätigkeitsstätte) aufgesucht hat, kann die Home-Office-Pauschale 17 BGBl. I 2022, 911. 18 Der Regierungsentwurf eines JStG 2022 v. 14.9.2022 sieht eine Entfristung der Regelung vor. Damit können Stpfl. dauerhaft für jeden Kalendertag, an dem sie ausschließlich zuhause arbeiten, einen Betrag von 5 t geltend machen – ab 2023 maximal 1000 statt bisher 600 t. Damit sind künftig 200 statt 120 Homeoffice-Tage begünstigt. Die Regelung gilt auch, wenn kein häusliches Arbeitszimmer zur Verfügung steht. 19 Weitere Ausführungen zur Anwendung der Home-Office-Pauschale bei Seifert, nwb 2021, 804 sowie Sopp/Gast/Ullmann, FR 2022, 106.

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Kontny/Schlotter, Steuerliche Folgen zunehmender Home-Office-Tätigkeit nicht berücksichtigt werden. Für diese Arbeitstage kommt grundsätzlich eine Berücksichtigung der Entfernungspauschale in Betracht. Mit der Home-Office-Pauschale sind sämtliche durch die Home-Office-Tätigkeit entstandenen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Nutzung der häuslichen Wohnung abgegolten (kalendertägliche Betrachtung). Von der Abgeltungswirkung ausgenommen sind beruflich veranlasste Aufwendungen für Telefon und Internet20 und angeschaffte Arbeitsmittel. Die Pauschale wird nicht neben dem Werbungskostenpauschbetrag gewährt.

V. „Home-Office“ als gewerbesteuerrelevante Betriebsstätte? (Kontny) Neben der Berücksichtigung des häuslichen Arbeitens im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte führt die zunehmenden Nutzung des HomeOffice durch Arbeitnehmer inländischer Unternehmen vermehrt zu Fragen der Begründung einer gewerbesteuerrelevanten Betriebsstätte des Arbeitgebers.21 Die Frage nach der Betriebsstätte entfaltet im Gewerbesteuerrecht eine besondere Relevanz bei Fragen der Zerlegung der Gewerbesteuer nach § 28 GewStG22 und hat aufgrund der unterschiedlichen Hebesätze damit direkte Auswirkung auf die steuerliche Belastung der Unternehmen. Das Gewerbesteuerrecht enthält zunächst keine eigenständige Definition des Betriebsstättenbegriffs, sondern greift auf die Regelung des § 12 AO zurück. Danach ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient. Der Begriff der festen Geschäftseinrichtung erfordert dabei keine besonderen Räume oder eine gewerbliche Einrichtung. Eine Betriebsstätte ist auch in angemieteten Räumen möglich.23 Des Weiteren muss die Tätigkeit vor Ort von einer gewissen Dauer sein; der Unternehmer muss dabei eine nicht nur vorübergehende Verfügungs-

20 Vgl. auch R 9.1 Abs. 5 LStR. 21 Zu diesem Problem vgl. auch Reimer, FR 2021, 1005 (1007 f.); Drüen, JbFStR 2021, 132. 22 § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG lautet: „Sind im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden, so ist der Steuermessbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen.“ 23 Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 12 AO Rz. 12.

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macht über die Räumlichkeiten haben.24 Nach Ansicht der Rspr. bedarf es zur Erfüllung dieses Merkmals einer „besonders intensiven Verwurzelung der Arbeit mit dem Ort der Ausübung“.25 Die Dauer dieser „intensiven Verwurzelung“ ist weder in § 12 AO definiert, noch abschließend in der Rspr. geklärt. In Anlehnung an die Regelung in § 12 Nr. 8 AO wird jedoch in der Literatur regelmäßig ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten als ausreichend angesehen. Wird dieser Zeitraum unterschritten, dürfte von einer nur vorübergehenden Verfügungsmacht und damit nicht von einer Betriebsstätte auszugehen sein.26 Verfügungsmacht iS der Norm und damit die Bejahung einer Betriebsstätte bedeutet im Hinblick auf die Einordnung von Räumlichkeiten, die ein Arbeitnehmer im Rahmen des Home-Office nutzt, zudem, dass der Arbeitgeber/Unternehmer diese Verfügungsmacht gegenüber dem Arbeitnehmer auch ausüben kann. Dies dürfte ohne entsprechende vertragliche Regelungen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Unternehmer regelmäßig nicht der Fall sein. Eine Verfügungsmacht des Unternehmers ohne eine entsprechende Vereinbarung dürfte bereits an der grundgesetzlich geschützten Unverletzlichkeit der Wohnung iSv. Art. 13 GG scheitern. Allerdings ist sogar in Fällen, in denen vertragliche Regelungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Überlassung einzelner Räumlichkeiten in der Wohnung des Arbeitnehmers existieren, eine unbeschränkte Verfügungsmacht fraglich, da die private Nutzung der Wohnung weiterhin im Vordergrund stehen bzw. ein jederzeitiges Betretungsrecht durch den Arbeitgeber wohl faktisch nicht existieren dürfte.27 Jedenfalls soweit eine enge Verbindung der Räumlichkeiten zum Wohnbereich des Nutzers besteht, hat die Rspr. eine Betriebsstätte in Abgrenzung zum häuslichen Arbeitszimmer bislang verneint, wenn als weitere Voraussetzung eine nach außen erkennbare Widmung (Zweckbestimmung) für den Publikumsverkehr bzw. eine Öffnung für einen intensiven und dauerhaften Publikumsverkehr nicht vorliegt.28 Diese Voraus-

24 Vgl. BFH v. 5.11.2015 – v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 410 = FR 2015, 905 = GmbHR 2015, 377 m. Anm. Keilhoff. 25 Vgl. ua. BFH v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512 = FR 2002, 1321. 26 Vgl. Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 12 AO Rz. 15. 27 Vgl. BFH v 10.11.19998 – v. 10.11.1998 – I B 80/97, BFH/NV 1999, 665. 28 So auch BFH v. 9.5.2017 – X B 23/17, BFH/NV 2017, 1170; v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512 = FR 2002, 1321.

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setzung dürfte bei einem als Home-Office genutzten Raum eines Arbeitnehmers damit regelmäßig nicht vorliegen. Anders könnte die Frage allerdings zu beurteilen sein, wenn ein (leitender) Angestellter des Unternehmens separate Räume unter seinem Namen anmietet und dem Unternehmen zur Verfügung stellt. In diesen Fällen kann eine Betriebsstätte iSv. § 12 AO durchaus vorliegen.29 Im Hinblick auf die Fragen zur Einordnung des Home-Office als Betriebsstätte existiert, soweit ersichtlich, keine öffentliche Verlautbarung der FinVerw., auch nicht in Bezug auf die Besonderheiten der Arbeitsabläufe in der Zeit der Corona-Pandemie und der verstärkten gewünschten bzw. freiwilligen Nutzung des Home-Office durch Arbeitnehmer. Allerdings nimmt dem Vernehmen nach die Verwaltung in Fällen des Home-Office grundsätzlich keine gewerbesteuerrelevante Betriebsstätte an. Dies liegt zum einen an der dargestellten fehlenden Verfügungsmacht des Arbeitgebers, zum anderen auch an dem in der Pandemiezeit wohl auch weiterhin nur vorübergehenden Charakter der häuslichen Tätigkeit. Das letztgenannte Argument dürfte sich bei einer Verfestigung des Home-Office in der Wirklichkeit der Arbeitswelt allerdings bereits in naher Zukunft als nicht mehr tragfähig erweisen.

VI. Grenzüberschreitende Sachverhalte (Schlotter) Dehnt man den Betrachtungsbereich auf grenzüberschreitende Sachverhalte aus, muss zwischen den steuerlichen Folgen für den Arbeitnehmer einerseits und den steuerlichen Folgen auf der Ebene des Arbeitgebers andererseits unterschieden werden.

1. Arbeitnehmerperspektive (Schlotter) a) Grundsätzliches Betrachtet man zunächst Arbeitnehmer, die in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind und aus einem ausländischen Home-Office für einen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber tätig werden, stellt sich die Frage, ob ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG überhaupt erfüllt ist. Dies wird abgesehen von Sonderkonstellationen (etwa nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG) nicht der Fall sein. Da es bei einer Tätigkeit aus einem ausländischen Home-Of29 So jedenfalls BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327.

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fice an einer im Inland ausgeübten Tätigkeit fehlt, kann man höchstens die Frage aufwerfen, ob eine inländische Verwertung der Tätigkeit gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG in Betracht kommt. Eine derartige Sichtweise wurde unlängst von Silke Bruns30 (BMF) in einem viel beachteten Beitrag vertreten. Bruns führt aus: „Aber auch, wenn der Arbeitnehmer nicht an diesem, seinem üblichen Tätigkeitsort die Arbeit ausübt, sondern in seinem im Ausland belegenen Home-Office tätig ist, dürfte der Inlandsbezug regelmäßig vorliegen, wenn und weil der Arbeitnehmer selbst das Ergebnis seiner Arbeit dem Inland zuführt. Ein Verwertungstatbestand gegenüber dem Arbeitgeber am üblichen Tätigkeitsort ist dann erfüllt. Dies dürfte insbesondere der Fall sein, soweit der Arbeitnehmer nur aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie (zusätzliche) Tage im Home-Office verbringt. Auf einen Mindestaufenthalt im Inland kommt es nicht an.“

Nach dieser Auffassung würden Einkünfte für (fast) jede Tätigkeit aus einem ausländischen Home-Office zumindest einer beschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterfallen. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Verwertungstatbestand betrifft das Ergebnis der Tätigkeit des Arbeitnehmers. Verwertender ist der Arbeitnehmer, nicht der Arbeitgeber.31 Das Ergebnis der Tätigkeit muss einer eigenständigen Nutzung zugänglich sein (insbes. in Form eines geistigen Produkts).32 Dies betrifft insbes. Sachverhalte, bei denen auf der Ebene des Arbeitnehmers immaterielle Wirtschaftsgüter entstehen, an denen dann dem Arbeitgeber (urheberrechtliche33) Nutzungsrechte eingeräumt oder bei denen Anwartschaften auf den Arbeitgeber übertragen werden müssen. An dieser von der reinen Tätigkeit selbst zu unterscheidenden, eigenständigen Nutzungsfähigkeit wird es bei einer Tätigkeit aus einem ausländischen Home-Office im Regelfall fehlen. Im DBA-Kontext hat die Verwertungsalternative ohnehin keine Berechtigung. Es kommt vielmehr auf den Tätigkeitsort an. Nach dem Verteilungsprinzip des Art. 15 OECD-MA hat der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus Tätigkeiten, die aus dem Ansässigkeitsstaat oder einem Drittstaat erbracht werden. Ein vom Ansässigkeitsstaat abweichender Tätigkeitsstaat hat je nach DBA grds. nur ein konkurrierendes Besteuerungsrecht für Einkünfte, bei denen die Vo30 Bruns, ISR 2020, 228 (229). 31 BFH v. 12.11.1986 – I R 69/83, BStBl. II 1987, 379 = FR 1987, 123. 32 Reimer in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 49 EStG Rz. 220; BFH v. 12.11.1986 – I R 69/83, BStBl. II 1987, 379 = FR 1987, 123. 33 Vgl. etwa §§ 43, 69b UrhG.

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raussetzungen des Art. 15 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 OECD-MA erfüllt sind (183 Tage-Regelung, wirtschaftlicher Arbeitgeber, dort befindliche Betriebsstätte des Arbeitgebers), im Regelfall verbunden mit einer Freistellung unter Progressionsvorbehalt. Nach diesen Grundsätzen stünde bei einer Tätigkeit aus dem ausländischen Home-Office dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die auf diese Tätigkeiten entfallenden Einkünfte zu. b) Abweichende Regelungen zu einzelnen DBA Allerdings finden sich in den DBA mit deutschen Nachbarstaaten zT vorrangige Grenzgängerregelungen und Verständigungsvereinbarungen,34 die bereits derzeit für gelegentliche Tätigkeiten im Home-Office von Bedeutung sind. Zu beachten sind insoweit etwa die Grenzgängerregelungen35 in den DBA mit der Schweiz (Art. 15a DBA Schweiz), Österreich (Art. 15 Abs. 5 DBA Österreich) und Frankreich (Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich), die sich inhaltlich jedoch stark voneinander unterscheiden, sowie die Verständigungsvereinbarung zum DBA Luxemburg. Die Grenzgängerregelung des Art. 15a DBA Schweiz weist (mit einem eng begrenzten Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats) dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zu, wobei 60 Nichtrückkehrtage als unschädlich angesehen werden. Home-Office-Tage sind dabei unschädliche Tage. In Art. 15 Abs. 5 DBA Österreich wird das Besteuerungsrecht für Tätigkeiten in der Grenzzone dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen, wobei hier lediglich 45 Nichtrückkehrtage als unschädlich angesehen werden. Tage im Home-Office werden als schädliche Tage angesehen. Nach Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich hat der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für Tätigkeiten in der Grenzzone. Auch hier sind 45 Nichtrückkehrtage unschädlich. Tage im Home-Office sind unschädlich. Ohne Regelung im DBA gibt es Bagatellregelungen, bei denen der Ansässigkeitsstaat sein ihm eigentlich zustehendes Besteuerungsrecht nicht aus-

34 Auf die Frage, ob diese Verständigungsvereinbarungen den von der Rspr. gestellten Anforderungen an die Geltung von Verständigungsvereinbarungen genügen, soll hier nicht eingegangen werden. 35 Daneben gibt es in Art. 14 Abs. 3 DBA Niederlande noch eine Sonderregelung für Arbeitslohn, der von einer in einem grenzüberschreitenden Gewerbegebiet befindlichen festen Geschäftseinrichtung getragen wird. Das Steuerrecht orientiert sich hier am europäischen Sozialversicherungsrecht; vgl. dazu Prokisch in Vogel/Lehner, DBA7, Art. 15 Rz. 9a.

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übt. In der Verständigungsvereinbarung zum DBA Luxemburg36 sind 19 Tage als Bagatellgrenze definiert, wobei Tage im Home-Office als schädliche Tage angesehen werden. Diese derzeit gültigen Rahmenbedingen sind auch für eine post CovidZeit von Bedeutung. c) Pandemiebedingte Sonderregeln Ein Bedürfnis für einen Eingriff in die bestehende Regelungsstruktur wurde in der Covid 19-Pandemie gesehen. Seit Frühjahr 2020 hat Deutschland mit einer Vielzahl von Nachbarstaaten (aber nicht allen) Konsultationsbzw. Verständigungsvereinbarungen37 geschlossen, die das Ziel haben, 36 BMF v. 14.6.2011 – IV B 3 - S 1301/LUX/10/10003 – DOK 2011/0440238, BStBl. I 2011, 576. 37 Österreich: BMF v. 16.4.2020 – IV B 3 - S 1301-AUT/20/10002:001 – DOK 2020/0379571, BStBl. I 2020, 480; letztmalig bis zum 30.6.2022 verlängert durch: BMF v. 4.4.2022 – IV B 3 - S 1301-AUT/19/10006:005 – DOK 2022/ 0358740, BStBl. I 2022, 609. Niederlande: BMF v. 8.4.2020 – IV B 3 - S 1301-NDL/20/10004:001 – DOK 2020/0348934, BStBl. I 2020, 477; zuletzt ersetzt, ergänzt oder verlängert durch: BMF v. 21.12.2021 – IV B 3 - S 1301-NDL/20/10004:001 – DOK 2021/ 1312189, BStBl. I 2022, 32; einvernehmlich gekündigt zum 30.6.2022 durch: BMF v. 4.4.2022, IV B 3 - S 1301-NDL/20/10004:001 – BStBl. I 2022, 607. Frankreich: BMF v. 25.5.2020 – IV B 3 - S 1301-FRA/19/10018:007 – DOK 2020/0503105, BStBl. I 2020, 535; zuletzt ersetzt, ergänzt oder verlängert durch: BMF v. 9.12.2021 – IV B 3 - S 1301-FRA/19/10018:007 – DOK 2021/ 1279126, BStBl. I 2021, 2470; einvernehmlich gekündigt zum 30.6.2022 durch: BMF v. 5.4.2022 – IV B 3 - S 1301-FRA/19/10018:007 – DOK 2022/0364889, BStBl. I 2022, 612. Luxemburg: BMF v. 6.4.2020 – IV B 3 - S 1301-LUX/19/10007:002 – DOK 2020/0345083, BStBl. I 2020, 475; v. 20.10.2020 – IV B 3 - S 1301-LUX/19/ 10007:002 – DOK 2020/1055401, BStBl. I 2020, 1051; zuletzt ersetzt, ergänzt oder verlängert durch: BMF v. 6.12.2021 – IV B 3 - S 1301-LUX/19/10007:003 – DOK 2021/1260413, BStBl. I 2021, 2468; einvernehmlich gekündigt zum 30.6.2022 durch: BMF v. 25.3.2022 – IV B 3 - S 1301-LUX/19/10007:004 – DOK 2022/0318404, BStBl. I 2022, 326. Belgien: BMF v. 7.5.2020 – IV B 3 - S 1301-BEL/20/10002:001 – DOK 2020/ 0458382, BStBl. I 2020, 524; letztmalig bis zum 30.6.2022 verlängert durch: BMF v. 25.3.2022 – IV B 3 - S 1301-BEL/20/10002:001 – DOK 2022/0316262, BStBl. I 2022, 324. Schweiz: BMF v. 12.6.2020 – IV B 2 - S 1301-CHE/07/10015-01 – DOK 2020/ 0485608, BStBl. I 2020, 568; zuletzt ersetzt, ergänzt oder verlängert durch: BMF v. 1.12.2021 – IV B 2 - S 1301-CHE/21/10018:002 – DOK 2021/1241578,

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die steuerlichen Auswirkungen einer vielfach pandemiebedingt vorgegebenen Veränderung des Arbeitsorts bei ansonsten grenzüberschreitenden Tätigkeiten abzumildern.38 Die Vereinbarungen laufen im Sommer 2022 aus. Bestehen keine Sonderreglungen (etwa mit dem Vereinigten Königreich), gelten auch während der Pandemie die allgemeinen Grundsätze. Im Anwendungsbereich der Sonderregelungen sollen sich die pandemiebedingten (zwangsweisen) Veränderungen im Arbeitsort vorübergehend nicht auswirken. Reimer39 spricht insofern plastisch von einer „Pause“. Rechtstechnisch wird dies durch ein Wahlrecht des Stpfl. erreicht, bei dessen Ausübung im Rahmen einer Tatsachenfiktion fingiert wird, dass die im Home-Office ausgeübten Tätigkeitstage als im Tätigkeitsstaat verbracht gelten.40 Dabei erfasst der Begriff der Home Office-Tage alle Formen mobilen Arbeitens. Sicherlich können Bedenken an der Tragfähigkeit/Wirksamkeit der gefundenen Regelungstechnik per Fiktion geäußert werden, da eine Arbeitsortfiktion per Konsultationsvereinbarung nicht ohne Weiteres mit dem jeweiligen DBA vereinbar ist.41 Zudem funktioniert die abkommensrechtliche Fiktion nur dann, wenn man entsprechend der Rechtsauffassung von Bruns (aaO) für in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer den Verwertungsbegriff „überdehnt“. Dies zeigt bereits, dass die pandemiebedingten Sonderregeln sicherlich nicht perpetuiert werden können und es daher für die post Covid-Zeit einer grundsätzlichen Diskussion bedarf, ob die bestehenden Regelungen weiter gelten oder aber adjustiert werden sollten.42 Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen sich daher darauf einstellen, dass das Steuerrecht an eine grenzüberschreitenden Flexibilisierung

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EStB 2022, 23; einvernehmlich gekündigt zum 1.7.2022 durch: BMF v. 13.4.2022 – IV B 2 - S 1301-CHE/21/10018:009 – DOK 2022/0399812, BStBl. I 2022, 614. Polen: BMF v. 8.12.2020 – IV B 3 - S 1301-POL/19/10006:002 – DOK 2020/ 1261795, BStBl. I 2020, 1359; einvernehmlich gekündigt zum 30.6.2022 durch: BMF v. 22.4.2022 – IV B 3 - S 1301-POL/19/10006:002 – DOK 2022/0393747, BStBl. I 2022, 615. Vgl. dazu ausführlich Bruns, ISR 2020, 228 (233 ff.); Bruns, FR 2021, 1010 (1015 ff.). Reimer, FR 2021, 1005 (1009). Vgl. zu dieser Regelungstechnik Bruns, ISR 2020, 228 (233 f.). Zutreffend die Bedenken bei Rasch/Rosenberger/Brühlisauer, IStR-Beihefter 21, 1 (13), die zu Recht darauf hinweisen, dass es sich bei einer derartigen Fiktion nicht um eine Klarstellung und Konkretisierung des DBA handelt; vgl. auch Reimer, FR 2021, 1005 (1009). Bruns, FR 2021, 1010 (1015 ff.).

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des Arbeitsorts schon im Hinblick auf die Zuordnung des Besteuerungsrechts für Lohneinkünfte Folgen knüpft, die bei den arbeitsrechtlichen Vorgaben zum Arbeitsort beachtet werden müssen. Angesichts des damit verbundenen hohen Verwaltungsaufwands für alle Beteiligten ist zu erwarten, dass die Diskussion, ob angesichts der zunehmenden Flexibilisierung des Arbeitsorts eine grundlegende Neuausrichtung über die Aufteilung der Besteuerungsrechte angezeigt ist, zügig an Fahrt aufnimmt.43 Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze sollte auch bei in Deutschland pandemiebedingt „gestrandeten“ Arbeitnehmern davon ausgegangen werden, dass zumindest die abkommensrechtliche Ansässigkeit im vorherigen Wohnsitzsstaat beibehalten wird.44 Die Dinge verändern sich jedoch dann, wenn von einer bestehenden Rückkehrmöglichkeit kein Gebrauch gemacht wird.

2. Unternehmensperspektive (Schlotter) Aus Sicht der Unternehmen ist die Fragestellung um die Betriebsstättenproblematik zu erweitern. a) Physische Betriebsstätten Beispiel: Der ausschließlich in Deutschland wohnende Arbeitnehmer A (nicht leitend) arbeitet für seinen niederländischen Arbeitgeber B in der Verwaltung. Pandemiebedingt arbeitet er seit April 2020 dauerhaft von zu Hause aus seinem deutschen Home-Office.45 Auch nach der Pandemie will A weiter ganz überwiegend aus dem Home-Office tätig werden. Begründet A für den B eine Betriebsstätte?

In Inbound-Konstellationen ist insoweit zu beachten, dass es – wie bereits vorstehend zu § 12 AO erörtert – bei einfachen, nicht leitenden Mitarbeitern selbst bei fast ausschließlicher Tätigkeit im Home-Office regelmäßig an einer Verfügungsmacht des Unternehmens fehlt, weil der Arbeitnehmer alleiniger Inhaber der Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten ist, in denen er tätig ist. Es ist gerade nicht ausreichend, dass 43 Bruns, FR 2021, 1010 (1015 ff.) auch mit Überlegungen zur zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit. 44 Vgl. Offerhaus/Vogler, NWB 2022, 1371 ff. 45 Vgl. Offerhaus/Vogler, NWB 2022, 1371 ff.

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der Arbeitnehmer als Teil des betrieblichen Organismus agiert. Ganz in diesem Sinne hat auch die Rspr. mehrfach betont, dass Räume der Wohnung eines Arbeitnehmers, die aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarungen für die gewerbliche Tätigkeit des Arbeitgebers genutzt werden und von ihm mit den dafür erforderlichen Einrichtungen ausgestattet worden sind, dann keine Betriebsstätten sind, wenn die jederzeitige Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die Räume nicht unbestritten ist.46 Es muss daher ein „mehr“ hinzukommen. Nur der Inhaber der Wohnung, nicht das Unternehmen, kann Dritte von der Nutzung ausschließen. Der Arbeitgeber hat keinen unbeschränkten Zutritt zu den Räumen. Das Unternehmen ist nicht berechtigt, über die Räume des Arbeitnehmers zu verfügen. Anders liegen die Dinge jedoch dann, wenn der Arbeitnehmer durch Abschluss eines Mietvertrags mit dem Arbeitgeber über die Räumlichkeiten disponiert, indem er dem Arbeitgeber das Recht einräumt, die Bedingungen der Nutzung über die Räumlichkeiten zu bestimmen. Aus einem reinen Aufwendungsersatz nach § 670 BGB für sich gesehen kann jedoch nicht auf eine Vermietung an den Arbeitgeber geschlossen werden.47 Auch hier gilt, dass aus der Negativabgrenzung des häuslichen Arbeitszimmers in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zu einem „Betriebstätten ähnlichen Raum im Wohnbereich“ in der Rspr. des BFH48 kein Rückschluss auf das Vorliegen einer Betriebsstätte iSv. § 12 AO gezogen werden kann, da es insoweit nur um die Ausgrenzung von Räumen geht, die in die häusliche Sphäre eingebunden sind, die aber nur eine büromäßig untypische Ausstattung haben (zB Lager, Praxis).49 Vergleicht man die Perspektive des § 12 AO mit dem internationalen Betriebsstättenbegriff nach Art. 5 OECD-MA, wird man aus deutscher Sicht auch für den internationalen Betriebsstättenbegriff nicht zu abweichenden Ergebnissen gelangen, und zwar ungeachtet dessen, dass die abkommensrechtliche Betriebsstättendefinition eigenständig auszulegen ist. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA enthält die abkommensrechtliche Definition des Grundtatbestands der Betriebsstätte. Danach ist eine Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Un46 BFH v. 10.11.1998 – I B 80/97, BFH/NV 1999, 665; FG München v. 2.10.2019 – 7 K 982/17, DStRK 2020, 213. 47 Auch insoweit können die Grundsätze aus BMF v. 18.4.2019 – IV C 1 - S 2211/16/10003:005 – DOK 2019/0046116, BStBl. I 2019, 461 Orientierung bieten. 48 BFH v. 20.6.2016 – X B 14/16, BFH/NV 2016, 1552. 49 Vgl. Geils, IWB 2019, 433 (438).

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ternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Auch der Betriebsstättenbegriff des OECD-MA setzt neben einer gewissen Dauerhaftigkeit50 eine gewisse Verfügungsmacht des Unternehmens über die Betriebsstätte voraus. Dies resultiert aus dem Merkmal der „Festigkeit“, denn aus diesem Erfordernis ist abzuleiten, dass es einer bestimmten Intensität der Beziehung zwischen dem Unternehmer und der Geschäftseinrichtung bedarf.51 Diese Beziehung manifestiert sich in einer nicht ohne Weiteres entziehbaren Sachherrschaft. Die Details dieses Personenbezugs sind streitig. Die Sachherrschaft wird nicht streng als zivilrechtliche Rechtsmacht (Eigentum oder Besitzrecht) verstanden.52 Es muss dem Unternehmer jedoch eine Rechtsposition eingeräumt sein, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne Weiteres entzogen oder verändert werden kann.53 Auch eine unentgeltliche Überlassung kann hierfür genügen,54 ebenso ein faktisches Nutzungsrecht.55 Die Verfügungsmacht muss sich dabei auch nicht auf einen ganzen Raum erstrecken.56 Home-Office-Konstellationen, bei denen der Arbeitgeber eine von der Rechtsordnung anerkannte Besitzposition inne hatte, sind daher betriebsstättenbegründend, wenn die Tätigkeit dort tatsächlich auch ausgeübt wird. Bei Sachverhalten, in denen der Mitarbeiter fast ausschließlich im Home-Office tätig wird und ihm kein anderer Büroarbeitsplatz zur Verfügung steht, geht der OECD-MK von einer entsprechenden faktischen Verfügungsmacht des Arbeitgebers aus.57 Entscheidend sei, dass der Arbeitsplatz nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig, dauerhaft und den Vorgaben des Unternehmens entsprechend zur Ausführung von Geschäftstätigkeiten genutzt werde.58 Diese Sichtweise hat mE dann eine gewisse Berechtigung, wenn man berücksichtigt, dass bei derartigen 50 Ein Indiz ist insoweit die Überschreitung einer Sechsmonatsfrist; vgl. auch Hruschka in Schönfeld/Ditz, DBA2, Art. 5 (2014) Rz. 66. 51 Hruschka in Schönfeld/Ditz, DBA2, Art. 5 (2014) Rz. 50; vgl. auch Offerhaus, NWB 2022, 2310 f. 52 Häck in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, DBA Schweiz, Art. 5 Rz. 21 weist daher zutreffend darauf hin, dass der Begriff etwas irreführend ist. 53 BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983 = FR 1990, 752; Hruschka in Schönfeld/Ditz, DBA2, Art. 5 (2014) Rz. 61. 54 BFH v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512 = FR 2002, 1321; Schuster/ Verleger, IWB 2021, 861 (867). 55 BFH v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154. 56 Schuster/Verleger, IWB 2021, 861 (869). 57 Tz. 18, 19 zu Art. 5 OECD-MK 2017. 58 Hruschka in Schönfeld/Ditz, DBA2, Art. 5 (2014) Rz. 195.

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Sachverhalten regelmäßig eine Abrede zwischen dem Mitarbeiter und dem Unternehmen besteht, aus der das Unternehmen eine Rechtsposition ableiten kann, dass der Mitarbeiter seine Tätigkeit eben aus dem Home-Office (und nicht von einem anderen Ort aus) erbringt. Es handelt sich dabei nicht um eine strenge zivilrechtliche Sachherrschaft, sondern lediglich um die Ableitung eines Rechts, dass das Home-Office nach den Vorgaben des Unternehmens für das Unternehmen genutzt wird, der Arbeitgeber dies also verlangen kann.59 Maßgebend sind damit naturgemäß die Umstände des Einzelfalls. Fehlt es an einer entsprechenden Abrede, wird man mE daher auch aus einer intensiven Nutzung des Home-Office nicht auf eine Verfügungsmacht des Unternehmers schließen können. Damit sind Sachverhalte auszugrenzen, bei denen dem Mitarbeiter die Nutzung des Home-Office nur frei steht, denn in diesem Fall liegt die Entscheidung über die Nutzung allein beim Arbeitnehmer.60 Eine ständige Verfügbarkeit wird auch bei einem Desk-Sharing nicht vorliegen, da an den Präsenztagen keine Verfügungsmacht des Arbeitgebers im vorstehenden Sinne begründet werden kann. Ebenso wären mE die Konstellationen des mobilen Arbeitens ausgenommen. Auf eine entsprechende Abrede zu verzichten, sondern nur auf eine bestimmte Intensität der Nutzung abzustellen, wäre mE aber nicht statthaft, weil so das Kriterium der Verfügungsmacht nivelliert würde. Aufgrund der Wertungsoffenheit der Kriterien verwundert es aber nicht, dass in diversen Staaten abweichende Akzentuierungen vorgenommen werden. So steht etwa die österreichische FinVerw.61 auf dem typisierenden Standpunkt, dass eine (faktische) Verfügungsmacht des Arbeitgebers bereits ab einer Home-Office-Tätigkeit von 50 % anzunehmen ist. Andere Staaten folgen dem Trend, tendenziell früher eine Home-Office-Betriebsstätte anzunehmen. Die Thematik entschärft sich jedoch ein wenig, weil aufgrund der abschließenden Ausschlusstatbestände des Art 5. Abs. 4 Buchst. a–f OECDMA immer zusätzlich zu analysieren ist, welchem Zweck die Tätigkeit des Arbeitnehmers dient. Durch Art. 5 Abs. 4 OECD-MA werden daher trotz Vorliegens der Voraussetzungen einer Betriebsstätte einzelne Tä-

59 So mE zutreffend Schuster/Verleger, IWB 2020, 861 (868). 60 Schuster/Verleger, IWB 2020, 861 (868). 61 BMF AUT, EAS 3415 v. 27.6.2019; dazu Aichstill/Beckenberger, SWI 2021, 66; Häusler, SWI 2021, 60; Hummer/Zeintl, IWB 2020, 872; Bendlinger, SWI 2021, 450.

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tigkeiten aus dem Betriebsstättenbegriff ausgeklammert. Betroffen sind ua. vorbereitende Tätigkeiten und Hilfstätigkeiten.62 Die pandemiebedingten Sonderumstände (insbe. Reisebeschränkungen und die Anordnung einer Home-Office-Pflicht) haben dazu geführt, dass sich die OECD zur Vermeidung von Qualifikationskonflikten mittels eines Sekretariatspapiers bereits frühzeitig gezwungen sah, sich zu den Auswirkungen dieser Sonderumstände auf eine Betriebsstättenbegründung zu äußern.63 Da der Leitfaden keinen verbindlichen Charakter hat, können nationale Steuerverwaltungen von diesen Empfehlungen abweichen und ungeachtet dessen Registrierungs- oder Erklärungspflichten vorsehen.64 Ungeachtet dessen haben die Empfehlungen jedoch zu einer Vereinheitlichung der Sichtweise beigetragen. Die Empfehlungen der OECD basieren auf dem Umstand, dass die durch die Corona-Pandemie ausgelösten Umstände außergewöhnlich und lediglich vorübergehend sind. Das temporäre Moment führt dazu, dass es bereits an dem Merkmal der Dauerhaftigkeit einer Betriebsstätte fehlt. Darüber hinaus mangelt es nach Ansicht der OECD an der Verfügungsmacht, weil die Vorgaben nicht auf einer freien unternehmerischen Entscheidung beruhen, sondern auf höherer Gewalt und öffentlich-rechtlichen Anordnungen. Mangels Freiwilligkeit können die Umstände dem Unternehmen damit nicht zugerechnet werden. Die Bundesrepublik Deutschland hat auf allgemeine Anweisungen verzichtet, sondern zu pandemiebedingten Betriebsstättenfragen explizit lediglich im Rahmen einzelner65 Konsultations- bzw. Verständigungsvereinbarungen Stellung genommen. Wie Altenburg66 zutreffend herausgearbeitet hat, ist aber auch in den anderen Konsultations- und Verständigungsvereinbarungen, in denen Betriebsstättenfragen nicht explizit angesprochen sind, aus der Arbeitsortsfiktion abzuleiten, dass eine Home-Office-Betriebsstätte nicht in Betracht kommt, denn ohne Tätigkeit ist eine Betriebsstätte nicht begründbar.

62 Vgl. zu diesbezüglichen Detailfragen auch durch die Ergänzung des Art. 5 Abs. 4 im Zuge des OECD-MA 2017 Schuster/Verleger, IWB 2021, 861 (865). 63 OECD-Leitlinien v. 3.4.2020 und OECD-Leitlinien (Update) v. 21.1.2021. 64 Altenburg, JbFStR 2021, 115 (121). 65 Vgl. Konsultationsabkommen mit Österreich; Ergänzung der Konsultationsvereinbarung mit der Schweiz v. 27.4.2021. 66 Altenburg, JbFStR 2021, 115 (124).

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Schließlich ist zu beachten, dass pandemiebedingte Sonderumstände als Argumentationsansatz nicht tragen, wenn der Mitarbeiter bereits vor der Pandemie regelmäßig aus dem Home-Office tätig war und auch nach der Pandemie weiterhin von zu Hause arbeiten wird und ihm daher kein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird.67 Maßgebend bleiben aber auch hier die Umstände des Einzelfalls. Als Fazit ist damit festzuhalten, dass aus deutscher Sicht in Inbound-Situationen auch nach der Pandemie bei nicht leitenden Mitarbeitern nur in Ausnahmefällen eine Betriebsstätte anzunehmen sein wird. In Outbound-Konstellationen ist die Problematik anders gelagert, weil in ausländischen Jurisdiktionen zT geringere Anforderungen an die Betriebsstätte begründet werden. Zudem sind eventuelle Registrierungs- und Erklärungspflichten zu beachten. Erschwerend kommt hinzu, dass für den Fall des Vorliegens einer Betriebsstätte die Frage der Gewinnabgrenzung nicht pauschal beantwortet werden kann.68 b) Vertreterbetriebsstätten Beispiel: Der in Deutschland wohnende Arbeitnehmer A (nicht leitend) arbeitet für seinen niederländischen Arbeitgeber (Dienstleistungsunternehmen) im Vertrieb der vom Unternehmen angebotenen Dienstleistungen. Pandemiebedingt arbeitet er seit April 2020 dauerhaft von zu Hause aus seinem deutschen Home-Office.69 Begründet A für den B eine Betriebsstätte?

Nach nationalem Recht stellt der ständige Vertreter iSv. § 13 AO keine Betriebsstätte dar, sondern ist ein eigenständiger Anknüpfungspunkt der Besteuerung. Gemäß § 13 AO ist ständiger Vertreter eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Ständiger Vertreter ist insbes. eine Person, die für ein Unternehmen nachhaltig (1) Verträge abschließt oder vermittelt oder Aufträge einholt oder (2) einen Bestand von Gütern oder Waren unterhält und davon Auslieferungen vornimmt. Eine Verfügungsmacht des 67 OECD-Leitlinien (Update) v. 21.1.2021 Tz. 18. 68 Vgl. zu pragmatischen Lösungsansätzen in der Schweiz Altenburg, JbFStR 2021, 115 (127) mwN. 69 Für die Zuordnung der Besteuerungsrechts in Bezug auf den Arbeitslohn ist die Frage, ob der Arbeitnehmer in seinem Ansässigkeitsstaat für den Arbeitgeber eine Betriebstätte begründet, nicht erheblich (vgl. die Zuweisung des Besteuerungsrechts in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA zum Ansässigkeitsstaat und die Fiktion in den Konsultationsvereinbarungen).

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Arbeitgebers am Home-Office muss insoweit nicht bestehen. Das Vorliegen einer Vertreterbetriebsstätte ist daher auch dann zu prüfen, wenn nach den vorstehend aufgezeigten Kriterien eine physische Betriebsstätte nicht vorliegt. Von § 13 AO unterscheidet sich das abkommensrechtliche Konzept der Vertreterbetriebsstätte nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA. Zu beachten ist, dass Art. 5 Abs. 4 OECD-MA auch insoweit zu einem Betriebsstättenausschluss führt, so dass im Ergebnis insbes. Mitwirkungen beim Verkauf von Waren und Dienstleistungen relevant sein können.70 Nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2017 reicht es aus, wenn die Person in einem Vertragsstaat für ein Unternehmen gewöhnlich Verträge abschließt oder die führende Rolle beim Abschluss von Verträgen einnimmt. Auch in Bezug auf Vertreterbetriebsstätten sollen ausschließlich pandemiebedingte Sonderumstände, die sich aus den bestehenden Corona-Regelungen ergeben, nicht betriebsstättenbegründend wirken.71 Nach Auffassung der OECD72 fehlt es in diesem Fall an der Gewöhnlichkeit und Dauerhaftigkeit. Zur Dokumentation wird vorgeschlagen, den Betrachtungszeitraum auf vergangene Veranlagungszeiträume zu erweitern und diese als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Hieraus wird auch deutlich, dass sich auch während der Pandemie eine abweichende Beurteilung ergeben kann, wenn der Mitarbeiter bereits vor der Pandemie oder im Anschluss aus seinem Home-Office tätig war. In jedem Fall ist eine genaue Dokumentation der Ursachen zu empfehlen. Es ist zudem absehbar, dass nach der Pandemie Fragen der Vertreterbetriebsstätte eine besondere Bedeutung zukommen wird. c) Geschäftsleitungsbetriebsstätte und Aufgabe von Betriebsstätten Beispiel: Die in Deutschland wohnende Führungskraft A ist Mitglied der Geschäftsleitung der B BV (NL) und zum Geschäftsführer bestellt. Pandemiebedingt arbeitet A seit April 2020 dauerhaft aus dem deutschen Home-Office. Die Geschäftsleitung tagt per Videokonferenz.

70 Schuster/Verleger, IWB 2021, 861 (869). 71 Höppner/Melkonyan, ISR 2020, 181 (184). 72 OECD Leitlinien (Update) v. 21.1.2021 Tz. 20.

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Die vorliegende Fallkonstellation erweitert die Betrachtung auf Sachverhalte, bei denen ein Geschäftsführer seinen Wohnsitz in einem anderen Staat als dem Sitzstaat der Gesellschaft hat und aus dem Home-Office Tätigkeiten für das Unternehmen erbringt. In diesem Fall ist in InboundKonstellationen zunächst zu prüfen, ob die ausländische Gesellschaft einen zur unbeschränkten Steuerpflicht führenden Ort der Geschäftsleitung in Deutschland hat (§ 10 AO) bzw. eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte iSv. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO anzunehmen ist. Nach § 10 AO ist Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Es kommt hierfür darauf an, wo nach den Umständen des Einzelfalls der für die laufende Geschäftsführung (Tagesgeschäft) maßgebende Wille gebildet wird.73 Hierzu gehören alle tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Das Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung iSv. § 12 Satz 1 AO ist daher nicht maßgeblich.74 Die Stätte der Geschäftsleitung begründet zugleich eine Betriebsstätte iSv. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO.75 Wenn die laufenden Geschäftsführungsaufgaben an verschiedenen Stellen ausgeübt werden, ist grds. eine Gewichtung vorzunehmen und nach dem Gesamtbild der Verhältnisse der Ort zu identifizieren, an dem sich die in organisatorischer oder wirtschaftlicher Hinsicht bedeutsamste Stelle befindet.76 In Zeiten zunehmender Flexibilisierung der Arbeitsorte wird eine Gewichtung jedoch zunehmend schwieriger.77 Erforderlich ist jedoch stets ein Ortsbezug der Tätigkeit, so dass Einzelmaßnahmen auf Geschäftsreisen nicht maßgebend sind. Die Wohnung des Geschäftsführers kann jedoch der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung sein.78 Nach der Rspr. können auch mehrere Mittelpunkte der geschäftlichen Oberleitung (und damit mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten) bestehen, etwa wenn mehrere Personen mit gleichwertigen Geschäftsführungsaufgaben betraut sind und diese die Aufgaben von unterschiedlichen Orten 73 BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86 = FR 1998, 212; Geils, Ubg. 2018, 377 (378). 74 BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 193 = FR 1994, 58 m. Anm. Kempermann; Kahler in BeckOK KStG, § 1 Rz. 48. 75 BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, FR 2018, 558 m. Anm. Wacker = GmbHR 2018, 480 = DB 2018, 804. Dies ist für die Gewerbesteuer relevant. 76 BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86 = FR 1998, 212; Geils, Ubg. 2018, 377 (378). 77 Geils, Ubg. 2018, 377 (379). 78 BFH v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; Müth/Simon, DStR 2022, 744.

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aus wahrnehmen.79 Nachhaltige Tätigkeiten aus einem Home-Office können somit zu einer unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht führen.80 Auch wenn der Ort der Geschäftsleitung der Gesellschaft im Ausland liegt, kann nach der Rspr. des BFH81 die Tätigkeit eines Geschäftsführers aus einem deutschen Home-Office unter dem Gesichtspunkt eines ständigen Vertreters nach § 13 AO zu einer beschränkten Steuerpflicht der Gesellschaft nach §§ 2 Nr. 1 KStG, 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG führen. Zudem ist zu beachten, dass eine beschränkte Steuerpflicht auch unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsleitungsbetriebsstätte begründet werden kann (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a iVm. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO).82 Hier ist bedeutsam, dass es im Rahmen des § 12 Satz 2 Nr. 1 AO nach der Rspr. des BFH83 keiner festen Geschäftseinrichtung bedarf. Ausreichend kann insoweit eine Arbeitsecke in einer Privatwohnung sein.84 Abkommensrechtlich ist zu beachten, dass nach der Tie-Breaker-Rule in Art. 4 Abs. 3 ein Ort der Ansässigkeit zu bestimmen ist. Nach der deutschen Verhandlungsgrundlage soll dazu weiterhin – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten – auf den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung abzustellen sein. Abweichend soll nach Art. 4 Abs. 3 OECD-MA 2017 durch Verständigung der Vertragsstaat zu bestimmen sein, in dem die Gesellschaft unter Berücksichtigung des Orts ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung, ihres Gründungsorts sowie sonstiger maßgeblicher Faktoren iS. dieses Abkommens als ansässig gilt. Kommt es zu keiner derartigen Verständigung, so steht der betreffenden Person keine Vergünstigung oder Befreiung von Steuern unter diesem Abkommen zu, außer in dem Maße und in der Art, auf die sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten 79 BFH v. 15.10.1997 – I R 76/95, BFH/NV 1008, 434; v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601 = FR 2015, 905 = GmbHR 2015, 377 m. Anm. Keilhoff; Rengers in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, KStG, § 1 Rz. 39 mwN zum Meinungsstand. 80 Müth/Simon, DStR 2022, 744 ff.; Zu diesbezüglichen Verstrickungsfragen von Wirtschaftsgütern im Inland vgl. Scheller/Wangerowski, Ubg. 2022, 20 (23); Folge wäre ua. auch eine Gewerbesteuerpflicht auf Gesellschaftsebene. 81 BFH v. 23.10.2018 – I R 54/16, BStBl. II 2019, 365 = FR 2019, 522 m. Anm. Weiss = GmbHR 2019, 619 = ZIP 2019, 859. 82 Müth/Simon, DStR 2022, 744 (745). 83 BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148 = FR 1994, 58 m. Anm. Kempermann. 84 Müth/Simon, DStR 2022, 744 (747).

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einigen. Eine Übernahme dieser Regelungen in deutsche DBA ist nicht vorgesehen.85 Von dem für die Bestimmung der Ansässigkeit relevanten Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung ist auch abkommensrechtlich der Ort der Leitung zu unterscheiden. Hierfür werden graduell geringere Anforderungen gestellt.86 Ein Ort der Leitung eines Unternehmens ist ein Ort, an dem das Unternehmen oder zumindest ein Teil des Unternehmens geleitet wird, ohne dass erforderlich ist, dass sich die Leitung des Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil am Ort der Leitung vollzieht.87 Ein derartiger Ort der Leitung kann auch an mehreren Orten vorliegen.88 Ein Ort der Leitung begründet nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA 2017 eine (Leitungs-)Betriebstätte, wobei aufgrund des Beispielcharakters des Art. 5 Abs. 2 OECD-MA im Unterschied zum innerstaatlichen Recht aber wohl erforderlich ist (streitig), dass die Leitungstätigkeit durch eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage iSv. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ausgelöst wird.89 Es bedarf daher der Verfügungsmacht des Arbeitgebers. Zudem kann auch insoweit eine Vertreterbetriebsstätte iSv. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA vorliegen.90 Durch eine Home-Office-Tätigkeit der Geschäftsleitung kann es daher nach allgemeinen Regeln im Einzelfall zu einer Verlagerung der Ansässigkeit des Unternehmens ins In- oder ins Ausland kommen. Während der Pandemie sind nach den OECD-Leitlinien v. 30.4.2020 und 21.1.2021 aber auch insoweit die pandemiebedingten Sonderumstände zu berücksichtigen. Abzustellen ist nach OECD auf die gewöhnlichen und nicht die vorübergehenden, durch Corona ausgelösten Umstände. Diese seien bei der Bestimmung der Ansässigkeit im Rahmen der Tie-Breaker-Rule zu berücksichtigen.91 Entsprechendes hat auch im Hinblick auf das Vorliegen einer Vertreterbetriebsstätte zu gelten. Auch insoweit ist daher 85 Rengers in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, KStG, § 1 Rz, 39. 86 Hruschka in Schönfeld/Ditz, DBA2, Art. 5 (2014) Rz. 90. 87 FG München v. 31.5.2017 – 9 K 3041/15, IStR 2017, 749 (751); Görl/Gradl in Vogel/Lehner, DBA7, Art. 5 Rz. 78. 88 Görl/Gradl in Vogel/Lehner, DBA7, Art. 5 Rz. 78; Schuster/Verleger, IWB 2021, 861 (870); Hruschka in Schönfeld/Ditz, DBA2, Art. 5 (2014) Rz. 90. 89 Schuster/Verleger, IWB 2021, 861 (870); Hruschka in Schönfeld/Ditz, DBA2, Art. 5 (2014) Rz. 9; anders Müth/Simon, DStR 2022, 744 (747); vgl. auch Häck in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Schweiz, Art. 5 Rz. 50. 90 Altenburg, JbFStR 2021, 115 (126). 91 Dies gilt sowohl für Art. 4 Abs. 3 OECD-MA (2014) als auch für Art. 4 Abs. 3 OECD-MA (2017).

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eine Dokumentation und Beweisvorsorge sinnvoll.92 Problematisch sind insoweit sicherlich Fälle, bei denen bei Alleingeschäftsführern schon vor der Pandemie überwiegend aus dem Home-Office gearbeitet wurde, mithin eine Dokumentation der gewöhnlichen Umstände nicht ohne Weiteres gelingt. Post Corona wird die Ansässigkeitsfrage bei nachhaltiger grenzüberschreitender Home-Office-Tätigkeit eines Geschäftsführers unter Zuzugs- bzw. Wegzugsgesichtspunkten und damit verbundenen Ver- bzw. Entstrickungsfragen stärker in den Fokus rücken. In Inbound-Fällen wird mE in Home-Office-Konstellationen bei (fortbestehender) Ansässigkeit der Gesellschaft im Ausland die Frage der Leitungsbetriebstätte nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA aufgrund von Home-Office-Tätigkeit keine gesteigerte Rolle spielen, wenn man das hier vertretene Verständnis teilt, weil das Merkmal der Verfügungsmacht regelmäßig nicht vorliegen wird, im Hinblick auf die Rspr. des BFH wohl aber Fragen einer Vertreterbetriebstätte. Entstrickungsfragen können sich zudem auch bei Sachverhalten stellen, in denen ein ausländisches Unternehmen eine deutsche Betriebsstätte unterhält. Wechseln alle Mitarbeiter, die in der Betriebsstätte tätig sind, ins Home-Office, so dass die bisherigen Räumlichkeiten nicht mehr genutzt werden, stellt sich die Frage, ob die bisherige Betriebsstätte fortbesteht (im Home-Office wird s.o. regelmäßig keine neue Betriebsstätte begründet). Wäre dies nicht der Fall, bestünde das Risiko, das die bislang der Betriebsstätte zuzuordnenden Wirtschaftsgüter nun ins Stammhaus überführt werden (§ 12 Abs. 1 Satz 2 KStG). Auch hier wird man in Pandemiezeiten zu dem Schluss kommen, dass die bisherigen Büroräumlichkeiten weiterhin dem Unternehmen dienen, eine Betriebsstätte mithin fortbesteht.93 Zu einer Entstrickung kann es aber dann kommen, wenn aufgrund fortbestehender Home-Office-Tätigkeit die Räumlichkeiten nach Corona aufgegeben werden.

3. Ausblick (Kontny) Im Hinblick auf die weitgehende Aufhebung von staatlichen Maßnahmen als Reaktion auf die aktuelle Entwicklung der COVID-19-Pandemie laufen die Sonderregelungen der Konsultationsvereinbarungen, insbes.

92 Vgl. Möhlenbrock, JbFStR 2021, 115 (134). 93 Vgl. Pesch/Busemann, IWB 2021, 276 (281 f.).

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mit Erleichterungen für Grenzgänger, weitgehend Mitte 2022 aus.94 Damit gilt fortan wieder das „normale“ Recht. Da aber Arbeiten im HomeOffice aufgrund der sich ändernden Arbeitswelt und auch im Hinblick auf gestiegene Energiekosten auch in Zukunft eine feste Größe bleiben und sich wohl verstärkt in Richtung eines „hybriden Arbeitens“ entwickeln könnte,95 wird auch das Steuerrecht „moderne“ Antworten liefern müssen. Bleibt die Tätigkeit im Home-Office sporadisch angelegt, dürften die derzeit geltenden Regelungen in nationaler und internationaler Hinsicht ausreichend Rechtssicherheit für Unternehmen und Arbeitnehmer bieten. Werden Homeoffice und mobile Tätigkeiten jedoch auf Dauer angelegt oder sogar ins Ausland verlagert, besteht wie dargestellt das Risiko der Begründung einer steuerlichen Betriebsstätte, wobei insbes. das ausländische Steuerrecht vermehrt in den Blick geraten dürfte.

94 Vgl. Fn. 36. 95 Vgl. Alipour/Langer/O’Kane, Forschungsergebnisse ifo-Institut 2021.

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Stichwortverzeichnis

A

bgabenordnung – Außenprüfung, Reform 40 ff. – Kooperation 42 f. – Vollverzinsung 35 ff. Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – Börsenklausel 619 f. – Entlastungsverfahren gem. § 50c EStG 620 f. – Haftungserweiterung 623 f. – Kapitalertragsteuerabzugsverfahren 621 ff. – persönliche Entlastungsberechtigung 614 f. – Principal Purpose Test 617 ff. – sachliche Entlastungsberechtigung 616 f. – wesentlicher Inhalt 613 f. Ampelkoalition – Koalitionsvertrag 7 ff. – Wahlprogramm 4 ff. Atypisch stille Gesellschaft – Kapitalgesellschaft 101 ff. – Personengesellschaft 67 ff.

Betriebsausgabenabzugsverbot (§ 4k EStG) 503 ff. – Abzugsverbot bei doppeltem Abzug 515 ff. – deduction/non inclusion 503 f. – double deduction 503 f., 515 ff. – Fallgruppen 508 ff. – Geschäfte mit Dritten 505 f. – Hinzurechnungsbesteuerung 506 f.; s. auch dort – hybride Finanzinstrumente 508 ff. – hybride Rechtsträger 510 ff. – importierte Hybride 507, 521 ff. – umgekehrte Hybride 514 Bewertungseinheit – Arten 365 ff. – Beendigung 385 ff.

– Bilanzierungsmethoden 370 ff. – finanzwirtschaftliche Risiken 380 ff. – gesetzliche Regelung 364 f., 366 ff. – Maßgeblichkeit 377 ff. – Pflicht zur Bildung? 372 ff. – Steuerbilanz 374 ff. Bilanzkorrektur – Bilanzänderung 429 f. – Bilanzberichtigung 427 f. – nicht steuerliche Vorfragen 430 ff. – Organschaft 432 ff. – Rechtsgrundlagen 426 f. Bilanzrecht – Betriebsprüfungen, Aufgriffspunkte 414 ff. – Bewertungseinheit 364 ff.; s. auch dort – Bilanzkorrektur 426 ff.; s. auch dort – Computerhard- und -software 409 ff. – digitale Wirtschaftsgüter 407 ff. – Doppelabschreibung 322 ff. – Forschungszulage 419 ff.; s. auch dort – Fremdwährungsgeschäfte 345 ff.; s. auch dort – Gewinnrealisierung bei Abzugsbeschränkungen 296 ff. – Kaufpreisaufteilung 314 ff. – Nachweis der Nutzung 327 ff. – Passivierung bei Rangrücktritt 280 ff. – Rechnungsabgrenzungsposten bei geringer Bedeutung 289 ff. – Rechtsprechungs-Highlights 279 ff. – Rechtssicherheit 436 ff. – Rückstellungen für Altersfreizeit 414 ff. – Teilwertabschreibung auf Investmentanteile 308 ff.

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Stichwortverzeichnis – Trends 404 ff. – Wechselkurse und Währungsabsicherung 337 ff.

D

ienstwagenbesteuerung – Koalitionsvertrag 8

Erweiterte Kürzung

53 ff. – Neufassung 57 f., 625 ff.

F

ondsstandortgesetz – erweiterte Grundstückskürzung 625 ff. – Vermögensbeteiligung am Arbeitgeber 627 ff. – wesentlicher Inhalt 624 f. Forschungszulage – Bilanzierung bei Kapitalgesellschaften 422 ff. – Bilanzierung bei Mitunternehmerschaften 424 ff. – Hauptmerkmale 419 ff. Fremdwährungsgeschäft 345 ff. – Folgebewertung 347 ff. – Forderungen 351 f. – Kreditinstitute 349 f. – Kryptowährungen 399 ff. – Umrechnungsgebot 345 f. – Verbindlichkeiten 352 f. – Währungsabsicherung 362 ff. – Währungskursverluste 398 f. – Zugangsbewertung 346 f.

Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts – Abschaffung des Gesamthandsprinzips 639 ff. – Änderung der Regelungen zur GbR 638 ff. – Erbschaftsteuerrecht 657 ff. – Gesellschaftsvermögen 641 ff. – Grunderwerbsteuerrecht 653 ff. – Mitunternehmerbesteuerung 650 ff. – rechtsformabhängige Besteuerung 645 ff.

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– steuerrechtliche Konsequenzen 644 ff. – Zurechnung von Wirtschaftsgütern 659 Gestaltungsmissbrauch – Neufassung 2008 107 ff. Gewerbesteuer – erweiterte Kürzung 53 ff. – Verlustabzug 58 ff. Globale Mindeststeuer – Hintergrund 475 f. – Inkrafttreten 476 – Koalitionsvertrag 13 ff. – Säule 1 und Säule 2 476 Grunderwerbsteuer – Änderungsgesetz 151 ff. – Beteiligungsketten 172 – Börsenklausel 175 ff. – Doppelbesteuerung 161 ff. – Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts 653 ff. – Koalitionsvertrag 9, 34 f. – Mindest-Haltefristen 180 ff. – Mindest-Vorbehaltensfrist 186 ff. – Mitwirkungspflichten 177 ff. – Standardfall nach neuem Recht 158 f. – Übergangsfall 156 f. – zeitliche Anwendung 172 ff. – Zurechnungsfragen 168 ff.

Hinzurechnungsbesteuerung – – – – – – – – – – – –

Aktivkatalog 465 ausländische Gesellschaft 455 Beherrschung 455 ff. Beteiligung 456 ff. Beteiligungserträge 466 f. Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter 471 ff. Einkünfteermittlung 463 globale Mindeststeuer 475 ff.; s. auch dort Koalitionsvertrag 14 f. Kürzungsbetrag 473 f. „Malta“-Modell 464 Motivtest 468 ff.

Stichwortverzeichnis – nahestehende Person 458 ff. – Niedrigbesteuerung 462 ff. – passive Einkünfte 465 ff. – Steueranrechnung 474 f. – Steuerpflichtiger 456 – Umwandlungen 467 f. – Veräußerungsgewinne 467 – Vorrang des InvStG 460 f. Home Office 661 ff. – DBA-Regelungen 671 ff. – gewerbesteuerliche Betriebsstätte 667 ff. – grenzüberschreitende Sachverhalte 669 ff. – häusliches Arbeitszimmer 664 f. – Home Office-Pauschale 665 ff. – Regelungsbedarf 661 ff. – Vertreterbetriebsstätte 679 ff. Hybride Strukturen – Aufwandsgruppen 489 – Betriebsausgabenabzugsverbot 483; s. auch Betriebsausgabenabzugsverbot (§ 4k EStG) – Beweislast 491 ff. – Bezüge aus Kapitalgesellschaften 498 – Einbeziehung 482 f. – erstmalige Anwendung 489 f. – Konkurrenzprobleme 494 ff. – Leistungen vermögensverwaltender Personengesellschaften 499 f. – Neuregelungen 479 ff. – persönlicher Anwendungsbereich 488 f. – Regelungsgegenstand 485 ff. – Steuerplanungsmodelle als Ausgangspunkt 480 f. – umgekehrt hybride Strukturen 501 f. – Zuordnungskonflikte bei Betriebsstätten 500 f.

Internationales Steuerrecht – Darlehensvergabe im Konzern 443 ff.; s. auch Konzernfinanzierung

– Ermittlung fremdüblicher Zinsen 449 ff. – Hinzurechnungsbesteuerung 453; s. auch dort – hybride Strukturen 479 ff.; s. auch dort – Rechtsprechungs-Highlights 443 ff. – Sperrwirkungs-Rechtsprechung 444 ff. – Zinsverzicht 451 Investitionsabzugsbetrag – Auftragsproduktion 62 ff. – Nachweis der Nutzung 327 ff.

Kapitalgesellschaft – – – – – –

Gestaltungsmissbrauch 107 ff. Organschaft 101 ff. Rangrücktrittsvereinbarung 112 ff. Rechtsprechungs-Highlights 75 ff. Umstrukturierung 76 ff. verdeckte Gewinnausschüttung 81 ff. Koalitionsvertrag 7 ff. – Abgeltungsteuer 21 f. – Abschreibungen 8 f., 19 – Arbeitnehmerbeteiligungen – Dienstwagenbesteuerung 8 – Digitalisierung 10 – Einfuhrumsatzsteuer 10 – Erbschaftsteuer 27 f. – Familienbesteuerung 12, 23 ff. – Gemeinnützigkeitsrecht 10 – globale Mindeststeuer 13 ff. – Grunderwerbsteuer 9, 34 f. – Hinzurechnungsbesteuerung 14 f. – Immobilienbesteuerung 22 f. – Körperschaftsteueroption 15 f. – Umsatzsteuer 28 ff. – Unternehmensbesteuerung 12 ff. – Verlustabzug 8 f., 18 f. – Vollverzinsung 35 ff. – Rentenbesteuerung 9 – Solidaritätszuschlag 26 f. – Tarifreform 19 ff.

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Stichwortverzeichnis Konzernfinanzierung – angemessene Zinssätze 223 ff., 449 ff. – Cash-Pools 229 f. – Darlehen 214 ff., 443 ff. – Finanzierungsgesellschaften 227 ff. – Konzernrückhalt 217 ff. – Preisvergleichsmethode 223 ff., 449 ff. – Sicherheiten 220 f. – wirtschaftliche Notwendigkeit 221 ff. – Zinsverzicht Körperschaftsteueroption – Antrag 129 ff. – Beendigung 148 ff. – fiktiver Formwechsel 132 ff. – historische Entwicklung 124 f. – Koalitionsvertrag 15 f. – KStG-Grundsätze 139 ff. – Organschaft 211 ff. – persönlicher Anwendungsbereich 127 ff. – Übergangsgewinn 138 f.

Organschaft – – – – – – –

Betriebsstätte 606 f. Eingliederungsmerkmale 597 ff. Einlagelösung 197 ff. finanzielle Verbundenheit 598 ff. KöMoG 200 ff. Körperschaftsteueroption 21 ff. organisatorische Verbundenheit 601 ff. – Personengesellschaft 591 ff. – Umfang 607 f. – Umsatzsteuer 538 ff., 545 ff., 589 ff.

Personengesellschaft – atypisch stille Gesellschaft 67 ff. – Gewerbesteuer 53 ff. – Gewinnermittlungswahlrecht 70 ff. – Investitionsabzugsbetrag 62 ff. – Mitunternehmeranteil, Übergang 46 ff.

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– Organschaft 591 ff. – Rechtsprechungs-Highlights 45 ff.

Steueroasenabwehrgesetz – Betriebsausgabenabzugsverbot 632 ff. – betroffene Geschäftsvorfälle 632 – wesentlicher Inhalt 630 ff.

Umsatzsteuer – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Anrufungsauskunft 32 ff. Aufsichtsratsvergütungen 562 ff. Betriebsstättenumsatz 606 f. Betrugsbekämpfung 28 f. Digitalpaket 547 ff. Eingliederung 597 ff. elektronische Marktplätze 549 f. entgeltliche Lieferung 535 ff. Ermäßigungen und Befreiungen 31 Factoring 581 ff. Forderungsverkauf 582 ff. Garantieleistungen 555 ff. Hilfsumsatz 584 ff. juristische Person 594 ff. Konsignationslager 569 ff. One-Stop-Shop 548 f. Organschaft 538 ff., 545 ff., 589 ff. Rechtsprechungs-Highlights 529 ff. – Sofortberichtigung 532 f. – Sollbesteuerung 29 f. – Steuerpflichtiger 603 ff. – tatsächliche Verwendung 529 ff. – unentgeltliche Zuwendung 535 ff. – unternehmerische Erfolglosigkeit 533 f. – Veranstaltungsleistungen 551 ff. – Vermietung 540 ff. – Versandhandel 547 f. – Vorsteuerabzug 530 f., 535 ff. – Vorsteuerberichtigung 531 ff. Umstrukturierung – Downstream-Merger 271 ff. – Drittlandsspaltungen 237 ff. – Drittlandsverschmelzungen 236 f. – Einbringungsgewinn II 76 ff.

Stichwortverzeichnis – Formwechsel 273 ff. – grenzüberschreitende 252 ff. – Hinzurechnungsbesteuerung 263 f. – Neuregelungen 233 ff. – Sperrfristverstoß 264 ff. – (Teil-)Globalisierung 239 ff. – UmwStG, räumlicher Anwendungsbereich 235 ff. – Verlustbeschränkungen 254 ff.

Verdeckte Gewinnausschüttung – Rentenzahlung und Weiterbeschäftigung 96 ff. – Verrechnungspreise Darlehen 81 ff., 214 ff. Verlustabzug – Gewerbesteuer 58 ff.

– grenzüberschreitende Umwandlung 254 ff. – Koalitionsvertrag 8 f., 18 f. Verrechnungspreise – Darlehen 81 ff., 443 ff. – Fremdvergleichsmethoden 449 ff. – Konzernfinanzierung 213 ff.; s. auch dort – Zinsverzicht

W

ährung – Absicherung 343 f., 362 ff. – Begriff 340 f. – Fremdwährungsgeschäft 345 ff.; s. auch dort – Risiken 343 f. Wechselkurs – Begriff 341 ff.

691