Staat - Kirche - Kultur [1 ed.] 9783428514670, 9783428114672

Die Grundzüge des Verhältnisses von Kirche und Staat sind Regelungsthema wesensverschiedener Rechtsordnungen: Sie sind G

104 22 1MB

German Pages 204 Year 2004

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Staat - Kirche - Kultur [1 ed.]
 9783428514670, 9783428114672

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Band 43

Staat – Kirche – Kultur

Von

Arnd Uhle

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ARND UHLE

Staat – Kirche – Kultur

Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Herausgegeben von Otto Depenheuer · Alexander Hollerbach · Josef Isensee Joseph Listl · Wolfgang Loschelder · Hans Maier · Paul Mikat Stefan Muckel · Wolfgang Rüfner · Christian Starck

Band 43

Staat – Kirche – Kultur

Von

Arnd Uhle

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7247 ISBN 3-428-11467-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Den Zusammenhang zwischen den drei Potenzen Staat, Kirche, Kultur – genauer: das Verhältnis von Staat und Kirche unter Berücksichtigung seines kulturgeschichtlichen Hintergrundes – in Kürze zu beleuchten, zwingt zur Konzentration sowie, damit unvermeidlich verbunden, zu einer Auswahl und Schwerpunktsetzung namentlich bei der Behandlung historischer Entwicklungsprozesse. Da die vorliegende Abhandlung nicht nur die kulturelle Dimension des sich im Kirchen- und Staatskirchenrecht der Gegenwart spiegelnden Verhältnisses von Kirche und Staat nachzuzeichnen, sondern vor allem ihre (verfassungs-) rechtliche Relevanz zu beleuchten sucht, bleibt die kulturgeschichtliche Darstellung notwendigerweise unvollkommen; im Interesse der Übersichtlichkeit beschränkt sie sich auf die Erörterung wesentlicher Aspekte jener Entwicklung, die das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Herrschaft in den letzten zwei Jahrtausenden im Abendland durchlaufen hat. Das im Rahmen dieser Studie als Ausdruck abendländischer Kulturidentität verstandene Verhältnis von Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland stellt einen Ausschnitt aus dem umfassenden Beziehungsgeflecht zwischen der kulturellen Identität und dem deutschen Verfassungsstaat dar. Zu dessen näherer Betrachtung verstehen sich die nachfolgenden Ausführungen als Vorüberlegungen, die freilich angesichts ihrer fundamentalen Bedeutung für Gestalt und Legitimation des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts nach einer eigenständigen Untersuchung verlangen – eine Aufgabe, der sich die vorliegende Abhandlung annimmt, die im Rahmen eines durch die Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft großzügig geförderten, von Herrn Bundesminister a. D. Professor Dr. Rupert Scholz stets wohlwollend betreuten und zwischenzeitlich an der Ludwig-Maximilians-Universität zu München abgeschlossenen Habilitationsvorhabens zu dem Thema „Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität“ entstanden ist. Ich schulde vielfältigen Dank: Zuvörderst meinem verehrten Lehrer, Herrn Bundesminister a. D. Professor Dr. Rupert Scholz, der die Themenstellung angeregt hat; sodann Herrn Professor Dr. iur. Dr. h. c. Josef Isensee, der das Entstehen der vorliegenden Arbeit mit seinem Rat in vielfältiger Weise intensiv gefördert hat; weiterhin den Herausgebern der Schriftenreihe, insbesondere dem Direktor des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Herrn Professor Dr. iur. Wolfgang Rüfner, für die Aufnahme der vorliegenden Untersuchung in die Reihe der „Staatskirchenrechtlichen Abhandlungen“; ferner dem

6

Vorwort

Präsidenten der Görres-Gesellschaft, Herrn Professor Dr. iur. Dr. h.c. mult. Paul Mikat für die mir zuteil gewordene großzügige Unterstützung, die die Studie erst ermöglicht hat; zudem Herrn Richter am OVG Dr. Andreas Heusch für die Durchsicht des Manuskripts. Für die Förderung der Publikation durch erhebliche Druckkostenzuschüsse gilt schließlich ein besonderer Dank dem Verband der Diözesen Deutschlands sowie dem Erzbistum Köln. Die Abhandlung befindet sich auf dem Stand vom 1. Mai 2003. Der am 13. Juni und am 10. Juli 2003 vom Europäischen Konvent angenommene Entwurf eines Verfassungsvertrages für die Europäische Union mit seinen für die hier erörterte Thematik einschlägigen Bestimmungen konnte noch berücksichtigt und eingearbeitet werden. Bonn, im Herbst 2003

Arnd Uhle

Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

B. Der kirchen- und staatskirchenrechtliche Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat im Recht der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den kirchen- und staatskirchenrechtlichen Grundkonsens – Das Verhältnis von Kirche und Staat als Ausdruck abendländischer Kulturidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des kirchen- und staatskirchenrechtlichen Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 E. Ausblick: Der Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat in der Bewährung – Die Herausforderung durch die Präsenz neuer Religionen im Abendland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Personen- und Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der kirchen- und staatskirchenrechtliche Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat im Recht der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlegende Wesensmerkmale des Verhältnisses von Kirche und Staat aus kirchenrechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Verhältnis von Kirche und Staat aus der Perspektive des kanonischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Wesensverschiedenheit von Kirche und Staat – Insbesondere zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verpflichtung des Staates zur Gewähr religiöser Freiheit . . . . . c) Die Anerkennung der religiösen Neutralität des Staates . . . . . . . . . . d) Die kirchliche Bereitschaft zur Kooperation mit dem Staat . . . . . . . e) Exkurs: Die „Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben“ vom 24. November 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verhältnis von Kirche und Staat nach evangelischem Verständnis a) Die protestantische Unterscheidung von Kirche und Staat als Ausfluss der Zwei-Reiche-Lehre Martin Luthers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Luthers Lehre von den zwei Reichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Insbesondere: Die Barmer Theologische Erklärung vom 31. Mai 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verpflichtung des Staates zur Gewähr religiöser Freiheit . . . . . c) Die Akzeptanz weltanschaulicher Neutralität des Staates . . . . . . . . . d) Exkurs: Die sog. Demokratie-Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland von 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Insbesondere: Die kirchenrechtlichen Aussagen zum Verhältnis von Kirche und Staat in der Grundordnung der EKD und in den Verfassungen der Gliedkirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Grundordnung der EKD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Verfassungen der Gliedkirchen der EKD . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Verhältnis von Kirche und Staat nach katholischer und evangelischer Lehre – Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlegende Wesensmerkmale des Verhältnisses von Kirche und Staat aus staatskirchenrechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Wesensverschiedenheit von Kirche und Staat – Zur Säkularität des freiheitlichen Verfassungsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 15 15 16 18 24 26 27

28 31 34 34 37 38 39 40

41 42 44 51 53 54

10

Inhaltsverzeichnis 2. Die Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

3. Neutralität und Parität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

III. Zum Grundkonsens des kirchen- und des staatskirchenrechtlichen Verständnisses über das Verhältnis von Kirche und Staat im Recht der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den kirchen- und staatskirchenrechtlichen Grundkonsens – Das Verhältnis von Kirche und Staat als Ausdruck abendländischer Kulturidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

I.

Wesentliche kulturgeschichtliche Wurzeln der Säkularität des Staates . . . .

67

1. Die Etablierung des Christentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

2. Das Mittelalter – Insbesondere der Investiturstreit (1075–1122) . . . . . .

71

3. Das Zeitalter der Reformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

4. Das Zeitalter der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

5. Die Entwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

II. Wesentliche kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit . . . . . . . . .

87

1. Die Menschenwürde als ideengeschichtliche Grundlegung der Idee der Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

a) Die ideengeschichtlichen Wurzeln der Menschenwürde . . . . . . . . . .

88

b) Der ideengeschichtlich unauflösliche Zusammenhang von Menschenwürde und allgemeiner menschlicher Freiheit – Wesentliche Aspekte von den Anfängen des Christentums bis zum Mittelalter

93

2. Die Renaissance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Die Reformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4. Der Augsburger Religionsfriede von 1555 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5. Der Westfälische Friede von 1648 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 6. Die Entwicklung außerhalb Deutschlands – Die Anfänge der Religionsfreiheit in Europa und Nordamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 7. Das 18. und 19. Jahrhundert in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 8. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 III. Wesentliche kulturgeschichtliche Wurzeln von staatlicher Neutralität und religionsrechtlicher Parität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Die Bedeutung ideeller Quellen für die Postulate staatlicher Neutralität und Parität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Die historische Herausbildung staatlicher Neutralität und Parität . . . . . 120 IV. Conclusio: Das Verhältnis von Kirche und Staat als Ausdruck abendländischer Kulturidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Inhaltsverzeichnis D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des kirchen- und staatskirchenrechtlichen Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat . . . . . . . . I. Zur doppelten funktionalen Dimension des Staatskirchenrechts – Das Staatskirchenrecht als Instrument der Freiheitsgewähr und der Freiheitssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die evidente funktionale Dimension des Staatskirchenrechts: Freiheitsgewähr durch Grundrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die verborgene funktionale Dimension des Staatskirchenrechts: Freiheitssicherung durch kulturstabilisierendes institutionelles Recht . . . . . 3. Das Verhältnis von freiheitsgewährender und freiheitssichernder Zweckbindung des Staatskirchenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Conclusio: Die rechtliche Relevanz des Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat und ihre Grenze – Das partielle Ineinandergreifen von Kirchen- und Staatskirchenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Exkurs: Das Verhältnis von Kirche und Staat als nationaler Ausdruck europäischer Kulturidentität und sein Schutz gem. Art. 6 Abs. 3 EUV (Art. I-5 Abs. 1 EU-Verfassungsentwurf 2003) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 129

130 130 131 144 147

147

150

E. Ausblick: Der Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat in der Bewährung – Die Herausforderung durch die Präsenz neuer Religionen im Abendland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Personen- und Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

„Die Bejahung des Christentums bezieht sich in erster Linie auf die Anerkennung des prägenden Kultur- und Bildungsfaktors [. . .] und ist damit [. . .] auch gegenüber Nichtchristen durch die Geschichte des abendländischen Kulturkreises gerechtfertigt.“ Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17.12.19751 „Auch ein Staat, der die Glaubensfreiheit umfassend gewährleistet und sich damit selber zur religiös-weltanschaulichen Neutralität verpflichtet, kann die kulturell vermittelten und historisch verwurzelten Wertüberzeugungen und Einstellungen nicht abstreifen, auf denen der gesellschaftliche Zusammenhalt beruht und von denen auch die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben abhängt. Der christliche Glaube und die christlichen Kirchen sind dabei, wie immer man ihr Erbe heute beurteilen mag, von überragender Prägekraft gewesen.“ Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16.5.19952

A. Einleitung Die Grundzüge des Verhältnisses von Kirche und Staat sind teilweise implizites, teilweise explizites Regelungsthema wesensverschiedener Rechtsordnungen: Sie sind Gegenstand des Kirchen- wie des Staatskirchenrechts. Ihre Regelung in diesen Rechtsordnungen ist in der Gegenwart weitgehend von den gleichen Grundannahmen bestimmt – namentlich von der Wesensverschiedenheit und Eigenständigkeit der weltlichen wie der geistlichen Ordnung, von der staatlich garantierten Religionsfreiheit, der verfassungsstaatlichen Neutralität sowie der religionsrechtlichen Parität. Diese gemeinhin als selbstverständlich empfundene Übereinstimmung im Prinzipiellen gründet maßgeblich in der abendländischen Kulturgeschichte, die die kirchliche und die weltliche Macht gemeinsam, wenn1

BVerfGE 41, 29 (64). BVerfGE 93, 1 (22). Vgl. auch BVerfGE vom 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02, abgedruckt in NJW 2003, S. 3111 ff. (Abweichende Meinung der Richter Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff, S. 3117 ff. (3120): Das christliche Kreuz sei „ein allgemeines Kulturzeichen für eine aus jüdischen und christlichen Quellen gespeiste wertgebundene, aber offene und durch reiche, auch leidvolle historische Erfahrung tolerant gewordene Kultur.“). 2

14

A. Einleitung

gleich keinesfalls einträchtig, durchlaufen haben und die ihr – sich auch im Recht spiegelndes – Verhältnis zueinander bis in die Gegenwart hinein prägt. Den historisch herausgebildeten Determinanten dieses Verhältnisses kommt gegenwartsgestaltende Bedeutung zu. Die nachfolgende Studie sucht dies nachzuzeichnen, indem sie in einem ersten Schritt die Rechtslage der Gegenwart skizziert, die kirchen- und staatskirchenrechtlichen Regelungen über das Verhältnis von Kirche und Staat einem Vergleich unterzieht und den hierbei zum Ausdruck gelangenden Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat ermittelt (hierzu sub B.). In einem zweiten Schritt werden sodann einzelne Gründe für das zuvor konstatierte Bestehen dieses Grundkonsenses namhaft zu machen und hierzu maßgebliche Entwicklungslinien der kulturellen Tradition des Abendlandes darzustellen gesucht (hierzu sub C.). In einem dritten Schritt schließlich wird untersucht, ob und in welchen Grenzen dem kulturgeschichtlich fundierten und kirchen- sowie staatskirchenrechtlich explizierten Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat verfassungsrechtliche Erheblichkeit zukommt; eine vertiefende Betrachtung erweist diesbezüglich gleichermaßen seine umfassende Irrelevanz für die Gewähr religiöser Freiheit wie seine begrenzte Relevanz für die Inanspruchnahme zusätzlicher, d.h. die Freiheitsgarantien überschreitender institutioneller Verbürgungen des Staatskirchenrechts (hierzu sub D.). Vor dem Hintergrund dieses Befundes enden die nachfolgenden Erörterungen mit einem Ausblick auf die Bewährung dieses Grundkonsenses in der angemessenen, d.h. in der dem Grundgesetz entsprechenden staatskirchenrechtlichen Einordnung solcher Religionen und Weltanschauungen, die sich dem kulturgeschichtlich fundierten Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat bzw. von Religionsgemeinschaft und Staat ihrem Selbstverständnis nach nicht anschließen können (hierzu sub E.).

B. Der kirchen- und staatskirchenrechtliche Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat im Recht der Gegenwart Zur Ermittlung, ob und inwieweit der eingangs postulierte kirchen- und staatskirchenrechtliche Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat besteht, sind im Folgenden zunächst die Grundzüge des kirchenrechtlichen Verständnisses vom Verhältnis von Staat und Kirche nachzuzeichnen (hierzu sub I.). Diesen Positionen werden anschließend die staatskirchenrechtlichen Grundsatzentscheidungen des Verfassungsrechts der Gegenwart gegenübergestellt (hierzu sub II.). Ein vor diesem Hintergrund ermöglichter Vergleich des kirchen- wie des staatskirchenrechtlichen Verständnisses von Kirche und Staat führt zu dem eingangs bereits angedeuteten Befund einer – jedenfalls hinsichtlich der hier betrachteten prinzipiellen Fragen – weitreichenden Konvergenz bzw. Kompatibilität der diesbezüglichen Auffassungen (hierzu sub III.).

I. Grundlegende Wesensmerkmale des Verhältnisses von Kirche und Staat aus kirchenrechtlicher Perspektive Bei der Bestimmung des Verhältnisses von Kirche und Staat aus kirchenrechtlicher Perspektive ist zu unterscheiden zwischen der Lehre der katholischen Kirche (hierzu sub 1.) und dem evangelischen Verständnis (hierzu sub 2.). Während die katholische Kirche mit dem Codex Iuris Canonici von 1983 hierbei auf ein umfassendes Gesetzbuch zurückgreifen kann, das die wesentlichen Aspekte des katholischen Verständnisses von Kirche und Staat zumindest zu erkennen gibt, gibt es ein gleichermaßen konsentiertes Regelungswerk für die protestantische Sichtweise nicht. Auch wenn eine vergleichbare evangelische kirchenrechtlich-autoritative Ausformung dieses Verhältnisses daher fehlt und die Frage nach „der“ evangelischen Auffassung von Kirche und Staat vor diesem Hintergrund nicht unproblematisch ist, soll indessen im Folgenden der Versuch unternommen werden, Grundsätze dieses Verhältnisses aus evangelischer Sicht darzustellen. Ein Vergleich der katholischen Lehre und der evangelischen Sichtweise rundet die Darstellung des Verhältnisses von Kirche und Staat aus kirchenrechtlicher Perspektive ab (hierzu sub 3.).

16

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

1. Das Verhältnis von Kirche und Staat aus der Perspektive des kanonischen Rechts1 Für die Lehre der katholischen Kirche über das rechte Verhältnis von Kirche und Staat sind – neben den nicht normativ ausgestalteten Darlegungen des kirchlichen Lehramts und den Darstellungen der Auctores probati, d.h. jener Theologen, die kirchlich als im Wesentlichen getreue und maßgebende Interpreten der katholischen Lehre anerkannt sind – die Regelungen des positiven Rechts maßgebend, in dessen Zentrum neben dem modernen Konkordatsrecht der Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 19832 steht3. Ebenso wenig wie vor ihm der Codex Iuris Canonici vom 27. Mai 1917 enthält der nach fast zwanzigjähriger Arbeit fertiggestellte und für die lateinische Westkirche geltende neue Codex Iuris Canonici von 1983 einen zusammenhängenden und systematischen Abschnitt mit Aussagen über das Verhältnis der katholischen Kirche zum Staat. Zwar hatte der erste Entwurf der Dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“ des Zweiten Vatikanischen Konzils noch einen eigenständigen Abschnitt „De relationibus inter Ecclesiam et Statum“ aufgewiesen; dieser wurde indessen aufgrund der vorwiegend pastoralen Zielsetzung des Zweiten Vatikanums nicht in die Konzilsberatungen und vor diesem Hintergrund auch nicht in die nachfolgenden Arbeiten an dem wesentlich vom Zweiten Vatikanum geprägten neuen Codex Iuris Canonici einbezogen4. 1 Grundlegend hierzu und zum Folgenden: Gerald Göbel, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Codex Iuris Canonici des Jahres 1983, 1993, passim.; Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 2. Auflage 1994, Bd. I, § 4, S. 111 ff.; ders., Kirche und Staat in nachkonziliarer Sicht, in: ders., Religionsrechtliche Schriften, 1. Halbband, 1974, S. 217 ff.; im Überblick: Joseph Listl, Artikel „Kirche und Staat“, in: LThK, hrsg. von Walter Kasper, 5. Bd., 3. Auflage 1996, Sp. 1498 ff. (1500 ff.). 2 Der Codex Iuris Canonici wurde amtlich promulgiert in: Acta Apostolicae Sedis 75 (1983), Pars II, datierend vom 25. Januar 1983; zur Entstehungsgeschichte, zu Perspektiven und Tendenzen, zur Systematik des Codex Iuris Canonici näher Heribert Schmitz, in: HdbKathKR, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 2. Auflage 1999, § 5 (S. 49 ff.) sowie Winfried Aymans/Klaus Mörsdorf, Kanonisches Recht. Lehrbuch aufgrund des Codex Iuris Canonici, 13. Auflage, Bd. 1, 1991, S. 49 ff.; vgl. auch Gerald Göbel, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Codex Iuris Canonici des Jahres 1983, 1993, S. 67 ff. Für die katholischen Ostkirchen, die gegenüber der lateinischen Westkirche eigenständige kirchenrechtliche Traditionen aufweisen, gilt der Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, promulgiert am 18. Oktober 1990, in: Acta Apostolicae Sedis 82 (1990), S. 103 ff.; zur Entstehungsgeschichte sowie zum Aufbau und zu weiteren Aspekten des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium näher Richard Potz, in: HdbKathKR, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 2. Auflage 1999, § 6 (S. 77 ff.); hierzu auch Alfred E. Hierold, Die Systematik des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, in: AfkKR 160 (1991), S. 337 ff. 3 Vgl. Hans Barion, Artikel Kirche und Staat (katholische Lehre), in: RGG, hrsg. von Kurt Galling, Bd. 3, 3. Auflage 1959, Sp. 1336 ff. (1336).

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

17

Für den Codex Iuris Canonici von 1917 hat das Fehlen eines derartigen eigenständigen Regelungsabschnitts zu dem Verhältnis von Kirche und Staat zu dem berühmten Diktum von Ulrich Stutz geführt, dass „das Verhältnis von Staat und Kirche [. . .] von dem kirchlichen Gesetzbuch ausgeschlossen [sei], entsprechend der streng innerkirchlichen Aufgabe, in deren Dienst es [stehe]“; die Berührungen des Gesetzbuches mit dem Staat und seinem Recht seien daher, so Stutz, „nur gelegentliche, beiläufige, zum Teil mittelbare“ 5. Gegen dieses Urteil haben Hans Barion und Paul Mikat mit Recht eingewendet, dass bereits der Codex von 1917 nicht nur verstreute Aussagen zum Verhältnis von Kirche und Staat enthalten, sondern einen in sich geschlossenen Strukturplan der Kirche entworfen habe, der das katholische Verständnis von Kirche und Staat zum Ausdruck bringe; namentlich statuiere der Codex einen unverzichtbaren Minimalbestand an Postulaten, mit dem dem Staat insbesondere die Aufgabe übertragen werde, sowohl die individuelle Religionsfreiheit der Gläubigen als auch die korporative Religionsfreiheit der Kirche als rechtlich verfasster Institution zu gewährleisten6. In diesem Lichte ist der CIC von 1917 geradezu als die Zusammenfassung aller grundsätzlichen kanonischen Normen zum Verhältnis von Kirche und Staat bezeichnet worden7. Dieser Befund gilt, wie sogleich inhaltlich näher darzulegen sein wird, auch für den Codex Iuris Canonici von 1983, dessen Aussagen zum Verhältnis von Kirche und Staat nicht nur in Kontinuität zum Codex von 1917 stehen, sondern diese weithin wortgleich übernehmen8. Auch der Codex von 1983 enthält daher zwar keine systematischen Aussagen und keinen eigenständigen Abschnitt über das nachkonziliare Ius Publicum Ecclesiasticum, d.h. über jenen Teilbereich des kanonischen Rechts, der das Verhältnis von Kirche und Staat zum Gegenstand hat. Gleichwohl sind in ihm grundsätzliche Rechtsnormen enthalten, die das kirchenrechtliche Verständnis des Verhältnisses von Kirche und Staat determinieren9. 4 Wortlaut des Abschnitts „De relationibus inter Ecclesiam et Statum“ bei Giuseppe Alberigo/Franca Magistretti (Hrsg.), Constitutionis Dogmaticae „Lumen gentium“ Synopsis historica, 1975, S. 307 ff.; vgl. hierzu auch Joseph Listl, Kirche und Staat in der neueren katholischen Kirchenrechtswissenschaft, 1978, S. 105 und 211 ff. 5 Ulrich Stutz, Der Geist des Codex Iuris Canonici, 1918 (Neudruck 1961, S. 109 ff.); dieser Auffassung seinerzeit zustimmend: Klaus Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, 11. Auflage Bd. 1, 1964, S. 42. 6 Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. 1, 2. Auflage 1994, § 4, S. 111 ff. (143 f.). 7 Hans Barion, Artikel Kirche und Staat (katholische Lehre), in: RGG, Bd. 3, 3. Auflage 1959, Sp. 1336 ff. (1336). 8 Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. 1, 2. Auflage 1994, § 4, S. 111 ff. (144). 9 Früh so bereits Joseph Listl, Die Aussagen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 zum Verhältnis von Kirche und Staat, in: Essener Gespräche 19 (1985), S. 9 ff. (12).

18

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

a) Die Wesensverschiedenheit von Kirche und Staat – Insbesondere zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht Als Ausgangspunkt des im CIC von 1983 vielfältig ausgeformten kirchenrechtlichen Verständnisses von Staat und Kirche10 ist hervorzuheben, dass im Zweiten Vatikanischen Konzil die Kirche als Glaubens-, Heils- und Rechtsgemeinschaft in untrennbarer Einheit begriffen11 und sie damit zugleich als geistgewirkte Gemeinschaft wie auch als rechtlich verfasster, durch hierarchische Organe nach innen wie nach außen handelnder gesellschaftlicher Verband verstanden wird12; ihr Ziel und ihre auf Jesus Christus zurückgeführte Sendung gehören diesem Selbstbildnis zufolge der religiösen Ordnung an mit der sich hieraus ergebenden Konsequenz, dass sich die Kirche für den ausschließlich politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich – mithin für das zeitliche Gemeinwohl13 – grundsätzlich als unzuständig betrachtet14. In der Konsequenz dieser Sichtweise werden Kirche und Staat als wesensverschieden verstanden15 – ein Verständnis, das Jahrzehnte vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil bereits in der berühmt gewordenen Enzyklika „Immortale Dei“ über die christliche Staatsordnung vom 1. Januar 1885 ausgeführt wird. Papst Leo XIII. formuliert dort: „So hat also Gott die Sorge für das Menschengeschlecht zwei Gewalten zugeteilt, der kirchlichen und der staatlichen. Der einen obliegt die Sorge für die göttlichen Belange, der anderen für die menschlichen Belange. Jede ist in ihrer Art die höchste. Jede hat bestimmte Grenzen, innerhalb derer sie sich bewegt, Grenzen, die sich aus dem Wesen und dem nächsten Zweck jeder der beiden Gewalten ergeben“16. Aus diesem Wesensunterschied von Kirche und Staat resultiert nach kirchlicher Lehre die Eigenständigkeit der Kirche gegenüber der staatlichen Gewalt und die gegenseitige Unabhängigkeit beider 10 Vgl. hierzu Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. 1, 2. Auflage 1994, § 4, S. 111 ff. 11 Vatikanum II, Dogmatische Konstitution „Lumen gentium“, Nr. 8, in: AAS 57 (1965), S. 5 ff. 12 Joseph Listl, Die Lehre der Kirche über das Verhältnis von Kirche und Staat, in: HdbKathKR, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 2. Auflage 1999, § 116, S. 1239 ff. (1239 ff.). 13 Vgl. Nr. 2, 3, 4 und 7 Vatikanum II, Erklärung „Dignitatis humanae“ des Vatikanums II („Declaratio de libertate religiosa“), in: AAS 58 (1966), S. 929 ff. 14 Vatikanum II, Pastorale Konstitution „Gaudium et spes“, Nr. 42, 2, in: AAS 58 (1966), S. 1025 ff. 15 Joseph Listl, Die Aussagen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 zum Verhältnis von Kirche und Staat, in: Essener Gespräche 19 (1985), S. 9 ff. (18 und – zusammenfassend – 30); ders., Die Lehre der Kirche über das Verhältnis von Kirche und Staat, in: HdbKathKR, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 2. Auflage 1999, § 116, S. 1239 ff. (1242 ff.). 16 Enzyklika „Immortale Dei“, abgedruckt bei Emil Marmy (Hrsg.), Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau. Dokumente, 1945, S. 576 ff.

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

19

Mächte; das Zweite Vatikanische Konzil spricht explizit davon, dass die „politische Gemeinschaft und die Kirche [. . .] auf je ihrem Gebiet voneinander unabhängig und autonom [sind]“17, dass es daher namentlich grundsätzlich nicht Aufgabe der Kirche sein kann, politische Lösungen für zeitliche Fragen zu finden18 und dass es umgekehrt der staatlichen Gewalt untersagt ist, in das religiöse Leben ihrer Bürger wie auch der Kirche bestimmend einzugreifen19. Aus der so verstandenen Unabhängigkeit der Kirche vom Staat wiederum folgt in der Konsequenz die Absage an die Ideen von Staatskirchentum und Staatskirchenhoheit. Der Codex Iuris Canonici von 1983 zieht aus diesen Grundaussagen die kirchenrechtlichen Konsequenzen, die in ihrer Gesamtheit auf der Grundlage der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils zu interpretieren sind20. So wird die Eigenständigkeit der Kirche und ihrer Rechtsordnung gegenüber dem Staat vielfältig hervorgehoben21, etwa dadurch, dass ausgeführt wird, dass sich der katholischen Kirche und dem Apostolischen Stuhl kraft göttlicher Anordnung der Charakter einer moralischen Person eigne und ihr bzw. ihm Rechtsfähigkeit zustehe22. Die Kirche wird damit als Institution mit göttlich angeord17 Vatikanum II, Pastorale Konstitution „Gaudium et spes“, Nr. 76, 3: in: AAS 58 (1966), S. 1025 ff.; vgl. hierzu auch Paul Mikat, Kirche und Staat, in: ders., Religionsrechtliche Schriften, 1. Halbband, 1974, S. 288 f. 18 Vatikanum II, Pastorale Konstitution „Gaudium et spes“, Nr. 75: in: AAS 58 (1966), S. 1025 ff. – Diese Feststellung verbindet das Konzil mit der Hervorhebung der Prinzipien des freiheitlichen und gewaltenteilenden Staates sowie mit der kirchlichen Anerkennung der Demokratie; vgl. hierzu Joseph Listl, Kirche und Staat in der neueren katholischen Kirchenrechtswissenschaft, 1978, S. 232 f.; vgl. auch Dieter Grimm, Die Staatslehre der katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, in: Civitas 8 (1969), S. 11 ff. (29 f.). 19 Vatikanum II, Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, abgedruckt in AAS 58 (1966), S. 929 ff., Nr. 3. 20 So auch Joseph Listl, Die Aussagen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 zum Verhältnis von Kirche und Staat, in: Essener Gespräche 19 (1985), S. 9 ff. (31). 21 Zur Eigenrechtsmacht der Kirche im Spiegel der Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils Joseph Listl, Kirche und Staat in der neueren katholischen Kirchenrechtswissenschaft, 1978, S. 222 ff. 22 So can. 113 § 1. Zur katholischen Kirche als „persona moralis“ eingehend und m. w. N. Gerald Göbel, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Codex Iuris Canonici des Jahres 1983, 1993, S. 104 ff.; zum Verhältnis der Termini „persona moralis“ und „persona iuridica“ im CIC 1983 auch Helmut Schnizer, Kanonisches Recht und Theorie der juristischen Person?, in: ÖAKR 36 (1986), S. 323 ff.; ders., Rechtssubjektivität und Konkordat, in: 60 Jahre Österreichisches Konkordat, hrsg. von Hans Paarhammer, Franz Pototschnig und Alfred Rinnerthaler, 1994, S. 485 ff.; vgl. zusammenfassend ders., Allgemeine Fragen des kirchlichen Vereinsrechts, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 55, S. 563 ff. (565 Anm. 8 mit Verweis auf die Ausführungen in der ersten Auflage des HdbKathKR); vgl. auch Franz Pototschnig, Rechtspersönlichkeit und rechtserhebliches Geschehen, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 10, S. 136 ff. (142 Anm. 27); vgl. auch Joseph Listl, Die Aussagen des Codex Iuris Cano-

20

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

neter Rechtspersönlichkeit begriffen23, die nicht lediglich unabhängig von jeder weltlichen Macht durch Jesus Christus errichtet, sondern von diesem auch mit allen Rechten ausgestattet sei, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötige; hierbei geht der CIC davon aus, dass die detaillierte und verbindliche Bestimmung dieser Rechte auf Erden allein der Kirche obliegt24. Namentlich und ebenfalls unter Berufung auf göttliche Anordnung nimmt die katholische Kirche für sich das Recht in Anspruch, unabhängig von einer weltlichen Macht ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen und zu regeln. Innerkirchlich wird das so postulierte Selbstbestimmungsrecht durch die – vom Codex so bezeichnete – Leitungsgewalt ausgefüllt25, die in prinzipiell einheitlicher Weise beim Papst liegt; diese Leitungsgewalt zwar nach gesetzgebender, ausführender und richterlicher Gewalt unterschieden, ist indessen grundsätzlich nicht getrennten Organen zugeordnet (Beschränkung des katholischen Kirchenrechts auf eine Gewaltenunterscheidung ohne Gewaltentrennung). Freilich werden in der Praxis überwiegend die verwaltende und die rechtsprechende Tätigkeit von verschiedenen Organen ausgeübt26. Ausfluss der kirchlichen Leitungsgewalt ist die beanspruchte uneingeschränkte Ämterhoheit der katholischen Kirche27, namentlich das explizit kirchenrechtlich verankerte ausschließliche Recht, über die Ausbildung der Anwärter für den geistlichen Dienst zu bestimmen28. Ausdrücklich normiert ist das Recht des Papstes zur freien und alleinigen Ernennung der Bischöfe, wobei die nici vom 25. Januar 1983 zum Verhältnis von Kirche und Staat, in: Essener Gespräche 19 (1985), S. 9 ff. (18). 23 Vgl. Joseph Listl, Die Rechtsnormen, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 8, S. 102 ff. (111 f.); zur Rechtspersönlichkeit nach kanonischem Recht näher Franz Pototschnig, Rechtspersönlichkeit und rechtserhebliches Geschehen, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 10, S. 136 ff. 24 Joseph Listl, Die Aussagen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 zum Verhältnis von Kirche und Staat, in: Essener Gespräche 19 (1985), S. 9 ff. (18). 25 Can. 129 § 1; zur Ausübung der Leitungsvollmacht näher Helmuth Pree, Die Ausübung der Leitungsvollmacht, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 12, S. 156 ff.; zu den Trägern der obersten Leitungsgewalt s. Libero Gerosa, Die Träger der obersten Leitungsvollmacht, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 27, S. 326 ff.; zum Papst als Träger der Primatialgewalt s. den Überblick bei Hugo Schwendenwein, Der Papst, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 28, S. 331 ff. 26 Joseph Listl, Die Aussagen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 zum Verhältnis von Kirche und Staat, in: Essener Gespräche 19 (1985), S. 9 ff. (19). 27 Zur Definition des kirchlichen Amtes vgl. can. 145; hierzu näher Georg May, Das Kirchenamt, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 13, S. 175 ff. 28 So can. 232; vgl. hierzu Rudolf Weigand, Die Ausbildung und Fortbildung der Kleriker, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 24, S. 293 ff.

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

21

Einräumung von Rechten und Privilegien an weltliche Autoritäten in Bezug auf Wahl, Präsentation oder Designation von Bischöfen für die Zukunft explizit ausgeschlossen wird29. Ferner steht dem Papst das unabhängige Recht zu, Gesandte zu ernennen und zu den Teilkirchen in den verschiedenen Nationen bzw. Regionen zu entsenden, zu versetzen oder abzuberufen30. Der Papst sowie das Bischofskollegium sind schließlich exklusiv berechtigt, die katholische Kirche nach außen, d.h. gegenüber der Staatenwelt, zu vertreten sowie in ihrem Namen Verträge zu schließen bzw. in sonstiger Weise rechtserheblich zu handeln31. Unabhängig von jeglicher staatlichen Gewalt steht der Kirche nach dem Codex Iuris Canonici von 1983 ferner das Recht zu, zur Verwirklichung der ihr eigenen Zwecke Vermögen, sog. zeitliche Güter, zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern32; zu den kirchlichen Aufgaben, die einen derartigen Vermögensbesitz rechtfertigen, zählt das Kirchenrecht namentlich die geordnete Feier der Heiligen Messe, die Sicherung des angemessenen Lebensunterhalts der Kleriker und der übrigen Kirchenbediensteten sowie die Betreuung religiöser und karitativer Werke, insbesondere zum Zwecke des Dienstes an den Armen und sozial Schwachen33. Ausdrücklich wendet sich der Codex gegen jede Diskriminierung kirchlicher Einrichtungen auf dem Gebiet des Kirchenvermögens34 und bezeichnet es nicht nur als das Recht der Kirche, für ihre Zwecke Kollekten abhalten zu dürfen, sondern auch, von den Gläubigen diejenigen Zuwendungen zu fordern, die ihr für die Verfolgung der Zwecke notwendig erscheinen35. Das Kirchenrecht geht auf der Grundlage dieser Normen davon aus, dass im Regelfall der erforderliche Finanzbedarf der katholischen Kirche durch die Zuwendungen der Gläubigen gedeckt werden kann, wobei im Einzelnen die von der Bischofskonferenz erlassenen Normen maßgeblich sind36. Für die 29 So can. 377 § 5; zum bischöflichen Dienst aus der Sicht des kanonischen Rechts näher Heribert Schmitz, Der Diözesanbischof, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 38, S. 425 ff. 30 So can. 362. 31 Vgl. can. 331 und can. 336; zum päpstlichen Gesandtschaftsrecht s. den Überblick bei Paul Mikat, Die päpstlichen Gesandten, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 33, S. 386 ff. 32 Hierzu jeweils m. w. N. eingehend Helmuth Pree, Grundfragen kirchlichen Vermögensrechts, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 99, S. 1041 ff.; Richard Potz, Der Erwerb von Kirchenvermögen, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 100, S. 1068 ff.; Richard Puza, Die Verwaltung des Kirchenvermögens, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 102, S. 1093 ff.; ders., Rechtsgeschäfte über das Kirchenvermögen, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 103, S. 1103 ff. 33 So can. 1254 §§ 1 und 2. 34 So can. 1259. 35 So can. 1260.

22

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

Rechtsgeschäfte, die das Kirchengut betreffen, sind die zivilrechtlichen Bestimmungen der nationalen Rechtsordnungen anzuwenden, die für den kirchlichen Bereich dieselbe Wirksamkeit entfalten, die ihnen auch im staatlichen Bereich zukommt. Auf dem Gebiet des kirchlichen Strafrechts beansprucht die katholische Kirche das angeborene und eigene Recht, straffällig gewordene Gläubige durch Strafmittel zurechtzuweisen37; das im CIC von 1917 enthaltene Postulat, für die kirchliche Strafverfolgung auf staatliche Hilfe zurückgreifen zu können, hält der Codex Iuris Canonici von 1983 nicht mehr aufrecht. Aufrecht erhält er indessen – auch jenseits des Strafrechts – die Befugnis zu eigener Rechtsprechung, die als wesentlicher Bestandteil der kirchlichen Leitungsgewalt verstanden wird. Die Kirche entscheidet aufgrund eigenen Rechts insbesondere über Streitigkeiten, die geistliche Angelegenheiten und solche Gegenstände betreffen, die mit diesen geistlichen Angelegenheiten in Zusammenhang stehen, ferner über die Verletzung kirchlicher Gesetze sowie über alle sündhaften Handlungen, soweit es dabei um die Feststellung von Schuld im Zusammenhang mit der Verhängung von Kirchenstrafen geht38. Zu der eigenen Rechtsprechungsgewalt der Kirche zählt der Codex auch die Entscheidung über die Gültigkeit oder Nichtigkeit der Ehen von Getauften39.

36 Hierzu näher Alexander Hollerbach, Kirchensteuer und Kirchenbeitrag, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 101, S. 1078 ff. – Speziell zur Kirchensteuer vgl. aus der Fülle der Literatur näher Heiner Marré, Die Kirchenfinanzierung in Kirche und Staat der Gegenwart. Die Kirchensteuer im internationalen Umfeld kirchlicher Abgabensysteme und im heutigen Sozialund Kulturstaat Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage 1991; ders., Das kirchliche Besteuerungsrecht, in: HdbStKirchR Bd. 1, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, § 37, S. 1101 ff.; s. auch Wolfgang Ockenfels/Bernd Kettern (Hrsg.), Streitfall Kirchensteuer, 1993. 37 So can. 1311; zu Kirchenstrafen näher Wilhelm Rees, Grundfragen des kirchlichen Strafrechts, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 105, S. 1117 ff.; ders., Straftat und Strafe, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 161, S. 1125 ff.; ders., Die einzelnen Straftaten, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 107, S. 1138 ff. 38 So can. 1401. Hierzu m. w. N. Joseph Listl, Die Aussagen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 zum Verhältnis von Kirche und Staat, in: Essener Gespräche 19 (1985), S. 9 ff. (29). 39 So can. 1671; zum Eheverfahren näher Günter Assenmacher, Die Eheverfahren, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 111, S. 1187 ff. Ungeachtet der staatlichen Ehegesetzgebung hält die katholische Kirche daher an ihrem Eherecht für ihre Gläubigen fest. Nach der kirchlichen Lehre ist der Ehebund zwischen Getauften eines der von Jesus Christus eingesetzten Sakramente, weshalb es keinen gültigen Ehevertrag geben kann, der nicht zugleich Sakrament ist (can. 1055 §§ 1 und 2). Die nach staatlichem Recht vor dem Standesbeamten erfolgende obligatorische zivile Voraustrauung betrachtet das kanonische Recht grundsätzlich als eine Erklärung, die für Katholiken lediglich für die rein bürgerlichen Wirkun-

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

23

Bezüglich der Glaubensverkündigung wie der Missionstätigkeit gilt es der katholischen Kirche gleichermaßen als ihr Recht wie ihre Pflicht, (auch) unter Einsatz eigener sozialer Kommunikationsmittel allen Völkern das Evangelium zu verkünden40; sie erhebt den Anspruch, immer und überall ihre sittlichen Grundsätze, auch für die soziale Ordnung, zu verkünden und alle menschlichen Angelegenheiten ihrer Beurteilung zu unterziehen, wenn die Grundrechte der menschlichen Person und das Heil der Seelen dies verlangen41. Im Bereich des Bildungswesens42 spricht der Codex Iuris Canonici unter Ablehnung eines staatlichen Schulmonopols der Kirche das Recht zu, Schulen jeder Art sowie Universitäten zu gründen und zu leiten43. Demgemäß betrachtet die katholische Kirche nicht die staatliche Einheitsschule, sondern ein plurales Schulwesen, in dem freie Schulen in Koexistenz und Konkurrenz zu den öffentlichen Schulen stehen, als den anzustrebenden und einer freiheitlich verfassten Gesellschaft angemessenen Zustand. Der Religionsunterricht und die katholische Erziehung, die in Schulen jeglicher Art vermittelt oder auf sonstige Weise geleistet werden, unterstehen der kirchlichen Autorität44; wer Religionsunterricht erteilt oder im Namen der Kirche eine Lehrtätigkeit ausübt – namentlich an einer Hochschule eine theologische Disziplin vertritt – bedarf dazu einer Sendungs- bzw. Lehrbeauftragung der zuständigen kirchlichen Autorität45. Aus den vorstehend ansatzweise nachgezeichneten sowie zahlreichen weiteren Bestimmungen des katholischen Kirchenrechts erhellen sich die angedeuteten Postulate der Wesensverschiedenheit von Kirche und Staat sowie der kirchlichen Eigenrechtsmacht zur Sicherung der wesensmäßigen Unabhängigkeit der katholischen Kirche und ihrer Rechtsordnung von aller weltlichen Autorität. Diese Unabhängigkeit versteht der Codex Iuris Canonici von 1983 gleichermaßen als Voraussetzung für die Freiheit der Kirche wie als Fundament des kirchlichen Wirkens in dieser Welt – ungeachtet der jeweils bestehenden Herrschaftssysteme. Das Gefüge der kanonischen Normen ist für die Kirche zugleich die Grundlage eines in den einzelnen Staaten unterschiedlich ausgeformten, aus kirchenrechtlicher Sicht jedoch stets freiheitlich zu gestaltenden Verhältnisses von Kirche und Staat46. gen der Eheschließung von Bedeutung ist, nicht aber den Abschluss einer kirchenrechtlich gültigen Ehe begründet. 40 So can. 747 § 1. 41 So can. 747 § 2. 42 Hierzu näher Franz Pototschnig, Das Bildungswesen, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 69, S. 721 ff. 43 Vgl. can. 800 § 1 und can. 807. 44 So can. 804. 45 So can. 805 und can. 812; s. hierzu näher den Überblick bei Wilhelm Rees, Der Religionsunterricht, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 70, S. 734 ff.; Georg May, Die Hochschulen, in: HdbKathKR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 71, S. 749 ff.

24

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

b) Die Verpflichtung des Staates zur Gewähr religiöser Freiheit Besondere Bedeutung für das Verhältnis von Kirche und Staat kommt der Lehre der katholischen Kirche zufolge der staatlichen Gewähr von Religionsfreiheit zu47. Die Aussagen des Codex Iuris Canonici setzen diesbezüglich einen Staat voraus, der auf der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als der Voraussetzung einer Ermöglichung bürgerlicher Freiheitsrechte beruht und der seinen Bürgern die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 enthaltenen Grund- und Freiheitsrechte nicht nur dem Buchstaben der Verfassung nach, sondern auch effektiv gewährt48. Entscheidend für das katholische Verständnis der Religionsfreiheit in der Gegenwart ist die Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“ des Zweiten Vatikanischen Konzils49. In dieser bekennt sich die katholische Kirche – ohne ihren dogmatischen Wahrheitsanspruch aufzugeben50 – auf dem Fundament der Würde der menschlichen Person ihrerseits zur staatlichen Verbürgung des Menschen- bzw. Grundrechts der vollen und allgemeinen Religionsfreiheit51 und betrachtet den Staat als verpflichtet, die volle Religionsfreiheit zu gewäh46 So ausdrücklich auch Joseph Listl, Die Lehre der Kirche über das Verhältnis von Kirche und Staat, in: HdbKathKR, 2. Auflage 1999, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, § 116, S. 1239 ff. (1249 f.). 47 Vgl. hierzu Joseph Listl, Kirche und Staat in der neueren katholischen Kirchenrechtswissenschaft, 1978, S. 208 ff. 48 Joseph Listl, Die Aussagen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 zum Verhältnis von Kirche und Staat, in: Essener Gespräche 19 (1985), S. 9 ff. (31). 49 Abgedruckt in AAS 58 (1966), S. 929 ff. 50 Vgl. diesbezüglich Vatikanum II, Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, abgedruckt in AAS 58 (1966), S. 929 ff. sub 1: Die „einzig wahre Religion, so glauben wir, ist verwirklicht in der katholischen apostolischen Kirche, die von Jesus dem Herrn den Auftrag erhalten hat, sie unter allen Menschen zu verbreiten“. [. . .] Die Religionsfreiheit lässt „die überlieferte katholische Lehre von der moralischen Pflicht des Menschen und der Gesellschaft gegenüber der wahren Religion und der einzigen Kirche Christi unangetastet.“ 51 Zur Verankerung der Religionsfreiheit in der Menschenwürde vgl. Vatikanum II, Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, abgedruckt in AAS 58 (1966), S. 929 ff. sub 2 und 9: „Ferner erklärt das Konzil, das Recht auf religiöse Freiheit sei in Wahrheit auf die Würde der menschlichen Person selbst gegründet [. . .].“ Zum (gegenläufigen) Freiheitsentwurf aus der päpstlichen Perspektive des 19. Jahrhunderts eingehend Josef Isensee, Die katholische Kritik an den Menschenrechten. Der liberale Freiheitsentwurf in der Sicht der Päpste des 19. Jahrhunderts, in: Menschenrechte und Menschenwürde. Historische Voraussetzungen – säkulare Gestalt – christliches Verständnis, hrsg. von Ernst-Wolfgang Böckenförde und Robert Spaemann, 1987, S. 138 ff. – Zur kirchlichen Fundierung der Menschenrechte in der Menschenwürde Peter Krämer, Kirchenrecht II, Ortskirche – Gesamtkirche, 1993, S. 29 ff.; zum Verhältnis der katholischen Kirche zur Menschenrechtsidee ders., Die Idee der Menschenrechte und Grundrechte in der katholischen Tradition, in: ÖAKR 37 (1987), S. 229 ff.

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

25

ren52: „Das Vatikanische Konzil erklärt, dass die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat [. . .] Dieses Recht der menschlichen Person auf religiöse Freiheit muss in der rechtlichen Ordnung der Gesellschaft so anerkannt werden, dass es zum bürgerlichen Recht wird“53. In der Konsequenz dieser Sichtweise liegt, dass die Kirche die Religionsfreiheit nicht nur für Katholiken bzw. Christen, sondern für alle Menschen einfordert54. Das Konzil definiert die Religionsfreiheit wie folgt: „Diese Freiheit besteht darin, dass alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von Seiten Einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so dass in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich, als Einzelner oder in Verbindung mit anderen – innerhalb der gebührenden Grenzen – nach seinem Gewissen zu handeln“55. Bedeutsam ist, dass der dieser Erklärung zugrunde liegende Begriff der Religionsfreiheit einerseits die positive wie auch die negative Facette der Religionsfreiheit sowie zudem nicht nur die individuelle Religionsfreiheit, sondern auch die korporative Religionsfreiheit umfasst. Zu den Einzelelementen des Grundrechts der korporativen Religionsfreiheit rechnet das Zweite Vatikanische Konzil sämtliche Lebensvollzüge der Kirche, zu denen u. a. die öffentliche Religionsausübung im Sinne der Kultusfreiheit, die Zulässigkeit der Erteilung von Religionsunterricht in den Schulen, das Recht der Ämterhoheit, die Missionsfreiheit, die Freiheit zur Verbreitung der katholischen Soziallehre, das Recht zur Betätigung auf dem Gebiet der Caritas und vieles mehr gehören56. 52 Hierzu näher Peter Krämer, Religionsfreiheit in der Kirche, Das Recht auf religiöse Freiheit in der kirchlichen Rechtsordnung, 1981; Gerhard Luf, Glaubensfreiheit und Glaubensbekenntnis, in: HdbKathKR, 2. Auflage 1999, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, § 67, S. 700 ff.; vgl. auch Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 2. Auflage 1994, Bd. I, § 4, S. 111 ff. (135 ff.); zum Folgenden näher auch Joseph Listl, Die Lehre der Kirche über das Verhältnis von Kirche und Staat, in: HdbKathKR, 2. Auflage 1999, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, § 116, S. 1239 ff. (1250 ff.). 53 Vatikanum II, Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, abgedruckt in AAS 58 (1966), S. 929 ff. sub 2. 54 Siehe Vatikanum II, Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, abgedruckt in AAS 58 (1966), S. 929 ff. sub 13: Die Christen haben „wie die übrigen Menschen das bürgerliche Recht, dass sie nach ihrem Gewissen leben dürfen und daran nicht gehindert werden. So steht also die Freiheit der Kirche im Einklang mit jener religiösen Freiheit, die für alle Menschen und Gemeinschaften als ein Recht anzuerkennen und in der juristischen Ordnung zu verankern ist.“ 55 Vatikanum II, Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, abgedruckt in AAS 58 (1966), S. 929 ff. sub 2. 56 Vgl. dazu Vatikanum II, Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, abgedruckt in AAS 58 (1966), S. 929 ff. sub 4, 5, 6; Joseph Listl, Die Lehre der Kirche über das Verhältnis von Kirche und Staat, in: HdbKathKR, 2. Auflage 1999, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, § 116, S. 1239 ff. (1251 f.).

26

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

Das Konzil betont bei alledem die Bedeutung des Umstands, dass „der Grundsatz der Religionsfreiheit nicht nur mit Worten proklamiert oder durch Gesetz festgelegt, sondern auch ernstlich in die Praxis überführt ist und in Geltung steht“57; nachhaltig weist es darauf hin, dass es erforderlich ist, „dass überall auf Erden die Religionsfreiheit einen wirksamen Rechtsschutz genießt und dass die höchsten Pflichten und Rechte der Menschen, ihr religiöses Leben in der Gesellschaft in Freiheit zu gestalten, wohl beachtet werden“58. c) Die Anerkennung der religiösen Neutralität des Staates Mit der postulierten Wesensverschiedenheit von Kirche und Staat sowie mit der Anerkennung der Religionsfreiheit und mit der kirchlichen Bejahung einer Pflicht des Staates zur Gewährleistung voller Religionsfreiheit wird schließlich und zugleich die Auffassung der katholischen Kirche verdeutlicht, dass der moderne Staat kein konfessioneller Staat mehr sein kann, sondern ein religiös und weltanschaulich neutraler Staat zu sein hat59. Das Konzil unterstreicht, dass die Kirche „ihre Hoffnungen nicht auf Privilegien [setzt], die ihr von der staatlichen Autorität angeboten werden“, ja, die Kirche „wird sogar auf die Ausübung von legitim erworbenen Rechten verzichten, wenn feststeht, dass durch deren Inanspruchnahme die Lauterkeit ihres Zeugnisses in Frage gestellt ist, oder wenn veränderte Lebensverhältnisse eine andere Regelung fordern“60. Gleichwohl bedeutet die religiöse Neutralität des Staates nach Auffassung des Zweiten Vatikanischen Konzils keine staatlich verordnete religiöse Indifferenz, sondern lässt – unter Wahrung des Grundsatzes religionsrechtlicher Parität – Raum für eine Förderung der Religion durch den freiheitlichen Verfassungsstaat, die als erforderlich betrachtet wird61. 57 Vatikanum II, Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, abgedruckt in AAS 58 (1966), S. 929 ff. sub 13. 58 Vatikanum II, Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, abgedruckt in AAS 58 (1966), S. 929 ff. sub 15. 59 Dazu Joseph Listl, Die Lehre der Kirche über das Verhältnis von Kirche und Staat, in: HdbKathKR, 2. Auflage 1999, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, § 116, S. 1239 ff. (1251). 60 Vatikanum II, Pastorale Konstitution „Gaudium et spes“, 76, in: AAS 58 (1966), S. 1025 ff. 61 Vgl. Vatikanum II, Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, abgedruckt in AAS 58 (1966), S. 929 ff. sub 6: „Die Staatsgewalt muss also durch gerechte Gesetze und durch andere geeignete Mittel den Schutz der religiösen Freiheit aller Bürger wirksam und tatkräftig übernehmen und für die Förderung des religiösen Lebens günstige Bedingungen schaffen, damit die Bürger auch wirklich in der Lage sind, ihre religiösen Rechte auszuüben [. . .]“; ausdrücklich so auch Joseph Listl, Kirche und Staat in der neueren katholischen Kirchenrechtswissenschaft, 1978, S. 216 ff.; ders., Die Lehre der Kirche über das Verhältnis von Kirche und Staat, in: HdbKathKR, 2. Auflage 1999, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, § 116, S. 1239 ff. (1251).

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

27

Damit unterscheidet sich die katholische Lehre der Gegenwart deutlich von den noch im 19. und bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein artikulierten kirchlichen Verlautbarungen, die von der Vorstellung eines konfessionellen Staates geprägt waren. Hiernach war ein „katholischer Staat“ als solcher verpflichtet, die „wahre“, d.h. hier: die katholische Religion als die staatliche Religion zur Grundlage der staatlichen Tätigkeit zu erheben; gefordert wurde eine umfassende katholische Identität des Staates, die in der Konsequenz darauf hinauslief, den Anhängern anderer Bekenntnisse lediglich mit Duldung zu begegnen. d) Die kirchliche Bereitschaft zur Kooperation mit dem Staat Das Zweite Vatikanische Konzil und ihm nachfolgend der Codex Iuris Canonici von 1983 betonen indessen nicht lediglich die vorstehend erörterten Grundsätze der Wesensverschiedenheit von Kirche und Staat, der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Kirche im Staat, der individuellen wie korporativen Religionsfreiheit, der Pflicht des Staates zu Wahrung religiöser Neutralität und Parität; gleichermaßen hervorgehoben wird auch die Bereitschaft der katholischen Kirche zur Kooperation mit dem Staat62. Diese Bereitschaft gründet maßgeblich in der Erwägung, dass sich Kirche und Staat aus denselben Menschen zusammensetzen und denselben Menschen zu dienen haben, wenngleich in je verschiedener Hinsicht sowie in Verfolgung unterschiedlicher Aufgabenstellungen und Zielsetzungen63. Den besten Weg zur Regelung klärungsbedürftiger Fragen erblickt die katholische Kirche hierbei in der friedlichen Verständigung, verkörpert in dem Abschluss von Konkordaten, d.h. von zweiseitigen völkerrechtlichen Verträgen zwischen dem Heiligen Stuhl und einzelnen Staaten, die die dauernde Regelung der die Konkordatspartner gemeinsam tangierenden Angelegenheiten zum Gegenstand haben64 – eine 62 Vgl. Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 2. Auflage 1994, Bd. I, § 4, S. 111 ff. (137 ff., v. a. 140). Zur Notwendigkeit einer engen Kooperation zwischen Kirche und Staat im Spiegel der Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils Joseph Listl, Kirche und Staat in der neueren katholischen Kirchenrechtswissenschaft, 1978, S. 228 ff. 63 Vgl. insoweit Vatikanum II, Pastorale Konstitution „Gaudium et spes“, Nr. 76, in: AAS 58 (1966), S. 1025 ff.; hierzu m. w. N. auch Joseph Listl, Die Lehre der Kirche über das Verhältnis von Kirche und Staat, in: HdbKathKR, 2. Auflage 1999, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, § 116, S. 1239 ff. (1252). 64 Zur Geschichte und zum Begriff des Konkordates näher Paul Mikat, Konkordat, in: ders., Religionsrechtliche Schriften, 1. Halbband, 1974, S. 445 ff.; zu Verträgen von Kirche und Staat unter besonderer Berücksichtigung des Konkordats näher Gerald Göbel, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Codex Iuris Canonici des Jahres 1983, 1993, S. 146 ff. Nach wie vor grundlegend zum Vertragsstaatskirchenrecht: Alexander Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik

28

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

Sichtweise, die ihre Bestätigung in der neueren Entwicklung des Konkordatsrechts findet65 und sich insbesondere nach der deutschen Wiedervereinigung bewährt hat; dies spiegelt sich exemplarisch in den Verträgen zur Errichtung neuer Bistümer wider66. Die hohe kirchliche Wertschätzung des Konkordatsrechts bringt der Codex Iuris Canonici von 1983 dadurch zum Ausdruck, dass dessen Regelungen die vom Heiligen Stuhl mit Staaten und anderen politischen Gemeinschaften geschlossenen Konkordate unberührt lassen. Der Codex statuiert damit den unbedingten Vorrang des Konkordatsrechts, d.h. der zweiseitigen völkerrechtlichen Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und einzelnen Staaten, vor entgegenstehendem kirchlichen Recht67. e) Exkurs: Die „Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben“ vom 24. November 2002 Von Bedeutung für das katholische Verständnis von Kirche und Staat ist schließlich auch die von der Kongregation für die Glaubenslehre vorgelegte

Deutschland, 1965; ders., Die neuere Entwicklung des Konkordatsrechts, in: JöR, N.F., 17 (1969), S. 117 ff.; s. auch Lothar Schöps, Neue Konkordate und konkordatäre Vereinbarungen, 1970. 65 Hierzu Alexander Hollerbach, Die vertragsrechtlichen Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: HdbStKirchR, Bd. 1, 2. Auflage 1994 hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, § 7, S. 253 ff. (254 ff.); vgl. im Einzelnen: Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen vom 11. Juni 1997 (GVBl. 1997, S. 266); Vertrag zwischen den Heiligen Stuhl und dem Land Mecklenburg-Vorpommern vom 15. September 1997 (GVOBl. M-V 1998, S. 2); Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Sachsen-Anhalt vom 15. Januar 1998 (GVBl. LSA 1998, S. 161); Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Sachsen vom 2. Juli 1996 (SächsGVBl. 1997, S. 18); dazu: Reiner Tillmanns, Staatskirchenverträge im Freistaat Sachsen. Die Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche nach der Wiedervereinigung durch kodifikatorische Verträge, 2001; Steffen Heitmann, Der Katholische Kirchenvertrag Sachsen, in: NJW 1997, S. 1420 ff.; zu den Verträgen der neuen Länder mit der Jüdischen Gemeinschaft eingehend Axel Vulpius, Verträge mit der Jüdischen Gemeinschaft in den neuen Ländern, in: NVwZ 1996, S. 759 ff. Zu den Verträgen der evangelischen Landeskirchen mit den „neuen“ Bundesländern unten sub 2. e) aa) Anm. 133. 66 Siehe hierzu AAS 87 (1995), S. 129 ff., 138 ff., 145 ff., 154 ff. Zu dem Konkordatsrecht nach der deutschen Wiedervereinigung eingehend Alexander Hollerbach, Die vertragsrechtlichen Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: HdbStKirchR, Bd. 1, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, § 7, S. 253 ff. (263 ff.). Zur Entwicklung des Vertragsstaatskirchenrechts nach der Wiedererlangung der deutschen Einheit Hans Ulrich Anke: Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge. Zu den Möglichkeiten und Grenzen des staatskirchenrechtlichen Gestaltungsinstruments, 2000. 67 So can. 3 (wortgleich bereits der CIC von 1917). Hierzu näher Joseph Listl, Die Aussagen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 zum Verhältnis von Kirche und Staat, in: Essener Gespräche 19 (1985), S. 9 ff. (17 f.).

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

29

„Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben“ vom 24. November 200268. Gegenstand dieses Dokuments ist vorrangig das Verhalten katholischer Laien, die als zur Teilnahme am öffentlichen Leben in den demokratischen Gesellschaften berufen begriffen werden. Zugleich mit diesen Anmerkungen zum Verhalten der Katholiken im politischen Leben werden indessen die vorstehend nachgezeichneten kirchenrechtlichen Grundzüge des Verhältnisses von Kirche und Staat mit neuer Aktualität erfüllt; zudem lässt die Note mittelbar die Haltung der katholischen Kirche zur demokratischen Verfasstheit des freiheitlichen Staates erkennen. Das vorgelegte Dokument unterstreicht zunächst einmal mehr die katholische Auffassung von der Wesensverschiedenheit und Eigenständigkeit der geistlichen und der weltlichen Ordnung. Die „Autonomie der zivilen und politischen Sphäre gegenüber der religiösen und kirchlichen [. . .] Sphäre“ wird als ein umfassend akzeptierter und anerkannter Wert und damit als Selbstverständlichkeit betrachtet, die nach Auffassung der katholischen Kirche – so wörtlich – zu den „Errungenschaften der Zivilisation“ gehört69. Die „Note“ wendet sich explizit gegen Formen der „Identifikation des religiösen Gesetzes mit dem Zivilgesetz“ – eine Stellungnahme, die offensichtlich auf islamische Fundamentalismen der Gegenwart abzielt70, was auch daran deutlich wird, dass in den Erläuterungen 68 Im Internet abrufbar unter: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ cfaithdocuments/rc_con_ cfaith_doc_20021124_politica_ge.html. Eine solche „Note“ erhebt – worauf die Erläuterungen des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz zu dem Dokument der Glaubenskongregation vom 16. Januar 2003 (a. E.) aufmerksam machen (im Internet abrufbar unter: http://dbk.de/presse/ archiv200301.html) – weniger den Anspruch, eine umfassende systematische Darlegung zu geben, sondern stellt eher eine Anmerkung dar, die in einigen ausgewählten Fragen Orientierung gibt. Dies freilich mindert nicht ihre Verbindlichkeit, da diese „Note“ grundlegende Prinzipien in der Frage des Verhältnisses von Ethik und Politik behandelt. – Da in der hier bezeichneten „Note“ die Einheit von Glauben und Leben erörtert wird, wurde von der Päpstlichen Glaubenskongregation auch der Päpstliche Rat für die Laien eingeschaltet. Schließlich hat Papst Paul II. diesem Dokument durch Approbation vom 21. November 2002 auch seinerseits Gewicht verliehen und seine Veröffentlichung angeordnet. Die Publikation erfolgte am 16. Januar 2003. – Vgl. zu der „Note“ vom 24. Nomveber 2002 stellvertretend Gernot Facius, Vatikan: Politischer Pluralismus ist „Selbstverständlichkeit“, in: Die Welt vom 17. Januar 2003 und Robert Spaemann, Der gefährliche Irrtum des ethischen Relativismus, in: L’Osser- vatore Romano vom 7. Februar 2003, Nr. 6, S. 12; Lothar Roos, Wahre und falsche „Laizität“. Zur „politischen Note“ Roms, in: Die Neue Ordnung 2003, S. 223 ff. 69 Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben vom 24. November 2002, hrsg. von der Deutschen Bischofskonferenz (im Internet abrufbar unter: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaithdocuments/rc_con_cfaith_doc_ 20021124_politica_ge.html), sub 6. 70 Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben vom 24. November 2002, hrsg. von der Deutschen Bischofskonferenz (im Internet abrufbar unter:

30

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz als Ziel der Erklärung u. a. angegeben wird, einer „religiösen Re-Ideologisierung des Politischen“ vorbeugen zu wollen71. Es wird unterstrichen, dass spezifisch religiöse Akte und Handlungen „außerhalb der Kompetenzen des Staates bleiben, der sich in diese nicht einmischen darf noch sie in irgendeiner Weise vorschreiben oder verhindern kann, mit Ausnahme begründeter Forderungen der öffentlichen Ordnung“72. Umgekehrt erkennt die katholische Kirche einmal mehr an, dass es „nicht Aufgabe der Kirche [ist], konkrete Lösungen – oder gar ausschließliche Lösungen – für zeitliche Fragen zu entwickeln, die Gott dem freien und verantwortlichen Urteil eines jeden überlassen hat“73. Auch die politisch engagierten katholischen Laien, deren Tätigkeit zum „Einsatz der Christen in der Welt“ gerechnet wird, sind daher gehalten, „das Wesen und die legitime Autonomie der zeitlichen Ordnung zu respektieren“74. Die auf diese Weise erfolgende Hervorhebung der Autonomie der weltlichen gegenüber der religiös-kirchlichen Sphäre wird in der „Note“ verbunden mit einem Bekenntnis zur staatlichen Gewähr umfassender Religionsfreiheit; ausdrücklich wird auf die Gefahr für die Religionsfreiheit im Besonderen und für die anderen unveräußerlichen Menschenrechte im Allgemeinen hingewiesen, wenn die Autonomie der zeitlichen Ordnung missachtet wird bzw. verloren http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaithdocuments/rc_con_cfaith_doc_ 20021124_politica_ge.html), sub 6: „Sehr delikat sind die Situationen, in denen eine spezifisch religiöse Norm Gesetz des Staates wird oder zu werden droht, ohne dass man gebührend zwischen den Kompetenzen der Religion und jenen der politischen Gesellschaft unterscheidet“. 71 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Erläuterungen zum Dokument der Glaubenskongregation vom 24.1.2002/16.1.2003, (Pressemitteilung vom 16. Januar 2003; im Internet abrufbar unter: http://dbk.de/ presse/archiv200301.html). 72 Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben vom 24. November 2002, hrsg. von der Deutschen Bischofskonferenz (im Internet abrufbar unter: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaithdocuments/rc_con_cfaith_doc_ 20021124_politica_ge.html), sub 6. 73 Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben vom 24. November 2002, hrsg. von der Deutschen Bischofskonferenz (im Internet abrufbar unter: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaithdocuments/rc_con_cfaith_doc_ 20021124_politica_ge.html), sub 3. 74 Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben vom 24. November 2002, hrsg. von der Deutschen Bischofskonferenz (im Internet abrufbar unter: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaithdocuments/rc_con_cfaith_doc_ 20021124_politica_ge.html), sub 1. – Allerdings sind die Laien der hier erörterten „Note“ zufolge hierbei an ihr christliches Gewissen und die damit übereinstimmenden Werte gebunden und nicht berechtigt, einem ethischen Relativismus zu folgen; der politische darf nicht mit einem ethischen Pluralismus verwechselt werden, da die Demokratie auf ethischen Prinzipien beruht, die „nicht verhandelbar“ sind – andernfalls zerstörte sie sich selbst; vgl. diesbezüglich die Note sub 1, 3, 4, 6, 8.

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

31

geht75. Die Religionsfreiheit sowie die übrigen Freiheitsrechte werden darüber hinaus in dem Dokument mit der demokratischen Ordnung der pluralistischen Gesellschaft in Beziehung gesetzt, die ihrerseits in ihrem Dienst an der Freiheit begrüßt wird: Im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil76 wird explizit darauf hingewiesen, dass der politische Pluralismus kirchlicherseits akzeptiert ist77 und dass „der Weg der Demokratie [. . .] die direkte Mitwirkung der Bürger in den politischen Entscheidungen am besten zum Ausdruck bringt“78. Mit diesen Aussagen unterstreicht und ergänzt die „Lehrmäßige Note“ vom 24. November 2002 das eingangs skizzierte Verständnis des Verhältnisses von Kirche und Staat, wie dieses der Codex Iuris Canonici enthält bzw. zu erkennen gibt; inhaltlich steht sie in voller Übereinstimmung mit den kirchenrechtlich ausgeformten Bestimmungen und rundet die lehramtlichen Äußerungen über Fragen, die das Verhältnis von Kirche und Staat betreffen, ab. 2. Das Verhältnis von Kirche und Staat nach evangelischem Verständnis Während die katholische Kirche mit dem Codex Iuris Canonici von 1983 auf ein umfassendes Gesetzbuch zurückgreifen kann, das die wesentlichen Aspekte des katholischen Verständnisses von Kirche und Staat enthält oder doch zu er75 Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben vom 24. November 2002, hrsg. von der Deutschen Bischofskonferenz (im Internet abrufbar unter: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaithdocuments/rc_con_cfaith_doc_ 20021124_politica_ge.html), sub 6. 76 Vatikanum II, Pastorale Konstitution „Gaudium et spes“, Nr. 75 f.: in: AAS 58 (1966), S. 1025 ff.; vgl. hierzu m. w. N. Joseph Listl, Kirche und Staat in der neueren katholischen Kirchenrechtswissenschaft, 1978, S. 232 f.; vgl. auch Dieter Grimm, Die Staatslehre der katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, in: Civitas 8 (1969), S. 11 ff. (19 ff.); vgl. ferner Hans Maier, Das Leben in der politischen Gemeinschaft, in: Johann Christoph Hampe (Hrsg.), Die Autorität der Freiheit. Gegenwart des Konzils und Zukunft der Kirche im ökumenischen Disput, Bd. 3, 1967, S. 451 ff. 77 Vom politischen Pluralismus scharf abgegrenzt wird dabei ein ethisch-moralischer Pluralismus, vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben vom 24. November 2002, hrsg. von der Deutschen Bischofskonferenz (im Internet abrufbar unter: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaithdocuments/rc_ con_cfaith_doc_20021124_politica_ge.html), sub 2, 3, 6.; hierzu ausgezeichnet: Robert Spaemann, Der gefährliche Irrtum des ethischen Relativismus, in: L’Osservatore Romano vom 7. Februar 2003, Nr. 6, S. 12; Lothar Roos, Wahre und falsche „Laizität“. Zur „politischen Note“ Roms, in: Die Neue Ordnung 2003, S. 223 ff. 78 Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben vom 24. November 2002, hrsg. von der Deutschen Bischofskonferenz (im Internet abrufbar unter: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaithdocuments/rc_con_cfaith_doc_ 20021124_politica_ge.html), sub 1, 3; vgl. auch Vatikanum II, Pastorale Konstitution „Gaudium et spes“, Nr. 73, in: AAS 58 (1966), S. 1025 ff.

32

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

kennen ermöglicht, gibt es ein vergleichbares Regelungswerk, das die evangelische Sicht des Verhältnisses von Kirche und Staat positiv-rechtlich ausgestalten würde, von einzelnen, im Fortgang der Untersuchung noch zu betrachtenden Regelungen abgesehen79, in Deutschland nicht80. Vielmehr steht am Anfang der Betrachtungen zu diesem Verhältnis nach der Lehre der evangelischen Kirche regelmäßig der Zweifel, „ob es zu diesem Thema überhaupt eine staatskirchenrechtlich auswertbare Lehre gibt“81, genauer noch: die Feststellung, dass es „das“ evangelische Verständnis über das Verhältnis der Kirche zum Staat82 bzw. eine protestantische „normative“ bzw. „autoritative“ Staatslehre“ in Deutschland nicht gebe83, erst recht keine „kirchliche Staatslehre, die eine bestimmte Staats79 Diese Regelungen entstammen der Grundordnung der EKD aus dem Jahre 1948 sowie den evangelischen Kirchenverfassungen; s. hierzu näher unten sub e). 80 Vgl. als Einführung Albert Stein, Evangelisches Kirchenrecht, 3. Auflage 1992; Adalbert Erler, Kirchenrecht, 5. Auflage 1983, S. 164 ff.; vgl. auch den Überblick von Klaus Schlaich/Siegfried Grundmann, Artikel „Evangelisches Kirchenrecht“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, Bd. 1, 3. Auflage 1987, Sp. 1654 ff. m. w. N. Aufgrund des Umstands, dass evangelische kirchenrechtliche Bestimmungen zu der Frage des Verhältnisses von Kirche und Staat weitgehend nicht bestehen, fehlt in diesen Darstellungen konsequenterweise die Erörterung der hiesigen Thematik. Ausnahme: Jörg Winter, Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung mit kirchenrechtlichen Exkursen, 2001, S. 29 ff. – Zu dem evangelischen Verständnis des Staates vgl. als Einführung Wenzel Lohff/Joachim Staedtker/Hans Helmut Eßer, Artikel „Staat – Theologisch, I. Evangelisch“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, Bd. II, 3. Auflage 1987. 81 So Helmut Simon, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der evangelischen Kirche, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Erster Band, Erste Auflage 1974, § 4, S. 189 ff. (189); hierzu eingehend auch Martin Heckel, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach evangelischem Verständnis, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Erster Band, 2. Auflage 1994, § 5 S. 157 ff.; vgl. auch Konrad Hesse, Artikel „Kirche und Staat“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, Bd. I, 3. Auflage 1987, Sp. 1546 ff. (1557). 82 So explizit Martin Heckel, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach evangelischem Verständnis, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Erster Band, 2. Auflage 1994, § 5, S. 157 ff. (158) mit dem Hinweis auf Manfred Jacobs, Das Verhältnis von Staat und Kirche, in: Zwei Kirchen – Eine Moral?, hrsg. von Oswald Bayer, Heinrich Döring, Antonellus Elsässer, Johannes Gründel, Martin Honecker, Manfred Jacobs, Otto Hermann Pesch, Hans-Richard Reuter, Gregor Siefer, S. 169 ff. (175), der aus evangelischer Perspektive beschreibt, dass sich die Stellungnahmen der evangelischen Theologen zu dem Verhältnis von Kirche und Staat „anders als in der keilförmig angeordneten Flugformation unserer katholischen Mitchristen, die mehr der der Gänse oder der Schwäne gleicht, [. . .] mehr in der Formation wilder Krähenhaufen auf das Ziel zu[bewegt]“. 83 Manfred Jacobs, Die evangelische Staatslehre, 1971, S. 7 ff. (7); Martin Honecker, Evangelische Theologie vor dem Staatsproblem, (Vorträge vor der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, G 254), 1981, S. 7 ff. (8); Martin Heckel, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach evangelischem Verständnis, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Erster Band,

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

33

form für theologisch allein erlaubt erklärte“84. Nach evangelischem Verständnis zählt die Beziehung zwischen Kirche und Staat als durchaus bedeutsamer, letztlich jedoch untergeordneter Teilaspekt zu dem Fragenkomplex, der das Wesen und den (Verkündigungs-)Auftrag der Kirche in der Welt betrifft85; der Sendungs- und Verkündigungsauftrag indessen besteht ungeachtet der sich wandelnden weltlichen Machtverhältnisse und ist unter den jeweiligen Bedingungen zu verwirklichen. Deshalb fühlt sich die evangelische Kirche immer wieder angespornt, sich als ecclesia semper reformanda zu begreifen – ein Selbstverständnis, das im Lichte der starken Situationsbezogenheit des evangelischen Verständnisses von Kirche und Staat den Entwurf einheitlicher evangelischer (staats-)kirchenrechtlicher Grundmodelle verhindert hat86. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der geschichtlichen Wandlungen des Verhältnisses zwischen evangelischer Kirche und Staat hat Hans Liermann bereits 1933 festgestellt, die jeweils im Staatsrecht herrschenden Strömungen seien widerstandslos durch die evangelische Kirche hindurchgeflutet87. Gleichwohl bestehen auch nach evangelischem Verständnis Grundannahmen bezüglich des Verhältnisses von Kirche und Staat in Deutschland, die im Folgenden, ungeachtet vielfältiger Ausprägungen und Modifikationen88, in ihren Grundzügen nachzuzeichnen versucht werden. 2. Auflage 1994, § 5, S. 157 ff. (176); Jörg Winter, Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung mit kirchenrechtlichen Exkursen, 2001, S. 29. 84 Axel Frhr. von Campenhausen, Wandel des Staatsverständnisses aus evangelischer Sicht, in: Schriften der Hermann-Ehlers-Akademie 28, 1990, S. 7 ff. (7); zu den „Typen evangelischen Staatsverständnisses“ näher Martin Honecker, Evangelische Theologie vor dem Staatsproblem, (Vorträge vor der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, G 254), 1981, S. 7 ff. (15 ff. m. w. N.). 85 Wolfgang Huber, Artikel „Staat und Kirche – 2. Theologisch“, in: Evangelisches Kirchenlexikon, hrsg. von Erwin Fahlbusch, Jan Milic Lochmann, John Mbiti, Jaroslav Pelikan und Lukas Vischer, 3. Auflage 1996, Bd. 4, Sp. 456 ff. (456); Helmut Simon, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der evangelischen Kirche, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Erster Band, Erste Auflage 1974, § 4, S. 189 ff. (189). 86 Helmut Simon, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der evangelischen Kirche, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Erster Band, Erste Auflage 1974, § 4, S. 189 ff. (189); zur Situationsbezogenheit wie hier auch Martin Heckel, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach evangelischem Verständnis, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Erster Band, 2. Auflage 1994, § 5, S. 157 ff. (176 f.). 87 Hans Liermann, Deutsches Evangelisches Kirchenrecht, Stuttgart 1933, S. 184; eingehend zu dem geschichtlichen Hintergrund der Thematik Martin Honecker, Evangelische Theologie vor dem Staatsproblem, (Vorträge vor der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, G 254), 1981, S. 7 ff. (7 ff.). 88 Hierzu umfassend Martin Heckel, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach evangelischem Verständnis, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Erster Band, 2. Auflage 1994, § 5, S. 157 ff. (176–185).

34

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

a) Die protestantische Unterscheidung von Kirche und Staat als Ausfluss der Zwei-Reiche-Lehre Martin Luthers Am Anfang dieser evangelischen Grundannahmen steht zunächst Luthers Lehre von den zwei Reichen, die, von den biblischen Grundlagen und der bis zur Reformation ausgeprägten Lehre der Kirche ausgehend89, die für jedes christliche Staatsverständnis charakteristische „Gewaltenteilung zwischen Diesseits und Jenseits“ aufnimmt90. Vor dem Hintergrund der mittelalterlichen institutionellen Verbindung von geistlicher und weltlicher Macht führt die Reformation, die ihrem Selbstverständnis nach eine theologische Bewegung darstellt, unter dem Eindruck dieser Lehre zu einer Re-Aktualisierung der Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Macht – eine Re-Aktualisierung, die unter den herrschenden Umständen des Mittelalters seinerzeit wie auch in der Gegenwart nach evangelischem Verständnis als Rückführung zur ursprünglichen christlichen Wahrheit verstanden wird91. aa) Luthers Lehre von den zwei Reichen Luther geht auf der Grundlage der christlichen Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Gewalt davon aus, dass Gott im Interesse des Menschen auf die Erlösung hin seine beiden Reiche einsetzt: das weltliche und das geistliche Reich92; beide Regimenter bringen seinem Verständnis nach die Regierung Gottes zum Ausdruck, wenn auch in je unterschiedlicher Weise93. Das weltliche Regiment bzw. das Reich Gottes zur linken Hand umfasst die menschlichen Ordnungen der Stände und Ämter und so auch die weltliche Herrschaft, dem geistlichen Regiment bzw. dem Reich Gottes zur rechten Hand ist das Predigt89

Hierzu ausführlich nachfolgend sub C. I. 1. und 2. Axel Frhr. v. Campenhausen, Wandel des Staatsverständnisses aus evangelischer Sicht, in: Schriften der Hermann-Ehlers-Akademie 28, 1990, S. 7 ff. (8); zu der „Zwei-Reiche-Lehre“ und ihren Fernwirkungen in historischer Hinsicht näher Christoph Link, Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte, 2000, S. 12 ff.; zur „Zwei-Reiche-Lehre“ als Kurzformel kritisch Martin Honecker, Evangelische Theologie vor dem Staatsproblem (Vorträge vor der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, G 254), 1981, S. 7 ff. (30 ff.). 91 Ausdrücklich so etwa Axel Frhr. v. Campenhausen, Wandel des Staatsverständnisses aus evangelischer Sicht, in: Schriften der Hermann-Ehlers-Akademie 28, 1990, S. 7 ff. (9). 92 Eine Zusammenfassung findet sich in Luthers Schrift „Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei“. Vgl. zu dem Fragenkomplex auch Manfred Jacobs, Die evangelische Staatslehre, 1971, S. 7 ff. (9) sowie Ernst-Wolfgang Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, 2002, S. 379 ff. 93 Axel Frhr. v. Campenhausen, Wandel des Staatsverständnisses aus evangelischer Sicht, in: Schriften der Hermann-Ehlers-Akademie 28, 1990, S. 7 ff. (11); Martin Honecker, Evangelische Theologie vor dem Staatsproblem, (Vorträge vor der RheinischWestfälischen Akademie der Wissenschaften, G 254), 1981, S. 7 ff. (31). 90

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

35

amt der Kirche zugeordnet. Beide Reiche unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich ihrer Strukturen und Aufgaben: Im geistlichen Regiment ist Gott unmittelbar durch Jesus Christus gegenwärtig und wirksam; in ihm gilt die iustitia christiana, es ist letztlich identisch mit der Verkündigung des Evangeliums. Das weltliche Regiment hingegen ist dem Menschen als cooperator dei anvertraut, der es mit seiner Vernunft nach dem bekundeten Willen Gottes wahrnimmt; in ihm gilt die iustitia civilis; es ist als Anordnung der göttlichen Geduld eingesetzt, um Ordnung, Recht und Frieden in der von Chaos bedrohten Welt zu erhalten94. Auch das weltliche Regiment wird nachdrücklich als eine Funktion der göttlichen Herrschaft in der Geschichte verstanden95; sein Aufgabenbereich wird von Luther wesentlich weiter als in der Moderne verstanden und umfasst ihm zufolge namentlich auch die Fürsorge für die Religion: Als ein im weltlichen Regiment bedeutendes christliches Glied wird der christliche Fürst als verpflichtet betrachtet, für die Kirche Verantwortung zu übernehmen, Schutz zu gewähren, Hilfe zu spenden, ohne dass indessen nach evangelischem Verständnis hierdurch die grundsätzliche Unterscheidung von weltlichem und geistlichem Regiment aufgehoben würde96. Weil nach Luther beide Reiche in Gott als ihrem gemeinsamen Herrn verbunden sind, bedeutet die weitergehende Annahme einer über diese Differenzierung hinausgehenden säkularisierten Eigengesetzlichkeit des weltlichen Lebensbereiches eine Verfremdung der Zwei-Reiche-Lehre; es gilt dem Protestantismus als Missverständnis der Positionen Luthers, wenn diese „im Sinne einer strikten Scheidung eines weltlichen und eines geistlichen bzw. kirchlichen Bereichs [begriffen würden], die zur säkularen Emanzipation der Welt von Gottes Gebot und Gnadenangebot und zum Rückzug der Kirche aus der Welt führen [würde]“97. Vor diesem Hintergrund lässt sich zunächst für das evangelische Verständnis von Kirche und Staat in der Gegenwart aus der Zwei-Reiche-Lehre die grundsätzliche Feststellung ableiten, dass civitas dei sowie civitas terrena voneinander geschieden sind und theoretisch eine Unterwerfung der einen unter die andere Gewalt ebenso wenig in Betracht kommt wie die Anerkennung echter Mischformen98. Weitergehende Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung des Staates 94 So – nahezu wörtlich – Helmut Simon, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der evangelischen Kirche, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Erster Band, Erste Auflage 1974, § 4, S. 189 ff. (190). 95 Manfred Jacobs, Die evangelische Staatslehre, 1971, S. 7 ff. (10); Martin Honecker, Evangelische Theologie vor dem Staatsproblem, (Vorträge vor der RheinischWestfälischen Akademie der Wissenschaften, G 254), 1981, S. 7 ff. (31). 96 Axel Frhr. v. Campenhausen, Wandel des Staatsverständnisses aus evangelischer Sicht, in: Schriften der Hermann-Ehlers-Akademie 28, 1990, S. 7 ff. (10 f.). 97 Martin Heckel, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach evangelischem Verständnis, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Erster Band, 2. Auflage, 1994, § 5, S. 157 ff. (177 f.).

36

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

bzw. für das Verhältnis von Kirche und Staat können aus der Zwei-ReicheLehre indessen nur mit Vorsicht gezogen werden. Denn ihr zufolge stellt – worauf von evangelischer Seite explizit aufmerksam gemacht wird – das weltliche Regiment zwar in seiner Faktizität, d.h. bezüglich seines „Ob“, nicht hingegen hinsichtlich des „Wie“ seiner Herrschaftsformen eine Funktion der Herrschaft Gottes gegen die Sünde des Menschen und das als satanisch empfundene Chaos dar. Daher ist, was häufig übersehen wird, die Lehre Luthers vom weltlichen Regiment von der zeitgebundenen Form des Staates zu unterscheiden; hieraus gerade erklärt sich, dass eine Verfassungslehre bei Luther fehlt99. Das eigentliche Problem dieser Lehre, das in der Zuordnung der beiden Reiche zu den menschlich-geschichtlichen Größen von Kirche und Staat besteht, bleibt damit zunächst ungelöst und wird in verschiedenen historischen Epochen unterschiedlich beantwortet100; nicht zuletzt deshalb wird der Zwei-Reiche-Lehre auch entgegengehalten, sie beinhalte eine Legitimation des Bestehenden101. Trotz ihrer fehlenden Festlegung der konkreten Zuordnung von Kirche und Staat verdeutlicht die Zwei-Reiche-Lehre verschiedene Grundanliegen des evangelischen Verständnisses von dem Verhältnis von Kirche und Staat: Die grundsätzliche Betonung der Eigenständigkeit der weltlichen und der geistlichen Aufgaben und die zu den letzteren zählende Anerkennung des – auch öffentlichen – Verkündigungsauftrags der Kirche sind hierin angelegt; zugleich gilt dies auch für ein Festhalten an einer bei aller Unterscheidung im Grundsätzlichen bejahten Nähe von weltlichem und geistlichem Regiment, da Luther selbst angesichts der von ihm konstatierten Identität von Christenheit und Staatsvolk davon ausgeht, dass geistliches und weltliches Regiment in ihrem je verschiedenen Dienst eng zusammenarbeiten 102. Hier findet das evangelische Verständnis der Gegenwart seine Grundlage, demzufolge zusätzlich zu der grundsätzlichen Hervorhebung der Eigenständigkeit von geistlicher und weltlicher Macht auch eine begrenzte Zusammenarbeit beider Mächte möglich erscheint, soweit die Eigenständigkeit der geistlichen Macht hiervon nicht tangiert bzw. hierdurch nicht behindert wird103. Das konkrete Ausmaß von Trennung und Distanz und damit 98

Vgl. Manfred Jacobs, Die evangelische Staatslehre, 1971, S. 7 ff. (17). Manfred Jacobs, Die evangelische Staatslehre, 1971, S. 7 ff. (11); Martin Honecker, Evangelische Theologie vor dem Staatsproblem, (Vorträge vor der RheinischWestfälischen Akademie der Wissenschaften, G 254), 1981, S. 7 ff. (32), spricht vom Fehlen einer politischen Theorie Luthers. 100 Hierzu Manfred Jacobs, Die evangelische Staatslehre, 1971, S. 7 ff. (9 ff.). 101 Näher Martin Honecker, Evangelische Theologie vor dem Staatsproblem, (Vorträge vor der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, G 254), 1981, S. 7 ff. (29 ff.). 102 Helmut Simon, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der evangelischen Kirche, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Erster Band, Erste Auflage 1974, § 4, S. 189 ff. (190). 99

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

37

die exakte Zuordnung von Kirche und Staat bleibt als abstrakte Fragestellung indessen variabel und – in den vorstehend skizzierten Grenzen – disponibel. bb) Insbesondere: Die Barmer Theologische Erklärung vom 31. Mai 1934104 Wesentlich für das vorstehend skizzierte evangelische Verständnis von Kirche und Staat ist im 20. Jahrhundert die Barmer Theologische Erklärung vom 31. Mai 1934 geworden105. Sie hat der beschriebenen fundamentalen Unterscheidung von geistlichem und weltlichem Regiment sowie der grundsätzlichen Unterworfenheit auch des weltlichen Bereichs unter Gottes Gebote auf den Bahnen der Zwei-Reiche-Lehre neue Aktualität zugeführt106. Inhaltlich hat sie unterstrichen, dass alle Bereiche des menschlichen Lebens unter Gottes Gebot stehen. Damit hat diese Erklärung die Hinnahme vermeintlicher Eigengesetzlichkeiten weltlicher Bereiche, etwa in Wirtschaft und Politik, zurückgewiesen107. Zugleich wird in ihr ausdrücklich die Abgrenzung der staatlichen Aufgaben von der kirchlichen Sendung thematisiert und die traditionelle evangelische Lehre von dem Staat als göttlicher Stiftung bekräftigt. Dem Staat wird die Aufgabe zuerkannt, „in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsichten und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen. Die Kirche erkennt in Dankbarkeit und Ehrfurcht gegen Gott die Wohltat dieser seiner Ordnung an“108. 103 Vgl. Helmut Simon, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der evangelischen Kirche, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Erster Band, Erste Auflage 1974, § 4, S. 189 ff. (211 f.). 104 Abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 919 ff.; die offizielle Bezeichnung lautet: „Theologische Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche. Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche, Barmen 31. Mai 1934“. 105 Vgl. hierzu in Kürze auch Wolfgang Huber, Artikel „Staat und Kirche – 2. Theologisch“, in: Evangelisches Kirchenlexikon, hrsg. von Erwin Fahlbusch, Jan Milic Lochmann, John Mbiti, Jaroslav Pelikan und Lukas Vischer, 3. Auflage 1996, Bd. 4, Sp. 456 ff. (459 f.). 106 Axel Frhr. von Campenhausen, Wandel des Staatsverständnisses aus evangelischer Sicht, in: Schriften der Hermann-Ehlers-Akademie 28, 1990, S. 7 ff. (15 f.). 107 Axel Frhr. von Campenhausen, Wandel des Staatsverständnisses aus evangelischer Sicht, in: Schriften der Hermann-Ehlers-Akademie 28, 1990, S. 7 ff. (16). 108 Nr. 5 der Erklärung, abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 919 ff. (921); vgl. auch die Darstellung bei Hermann Weber, Artikel „Staat und Kirche – 1. Juristisch“ in: Evangelisches Kirchenlexikon, hrsg. von Erwin Fahlbusch, Jan Milic Lochmann, John Mbiti, Jaroslav Pelikan und Lukas Vischer, 3. Auflage 1996, Bd. 4, Sp. 449 ff. (455), der darauf hinweist, dass aus evangelischer Sicht die

38

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

Die Betonung, dass auch der weltliche Bereich unter Gottes Geboten steht, hat in der Rezeption der Barmer Theologischen Erklärung häufig zu dem Missverständnis geführt, hier werde von der Zwei-Reiche-Lehre abgerückt. Dies indessen ist, worauf vor dem Hintergrund der vorstehenden Skizzierung der ZweiReiche-Lehre von evangelischer Seite nachdrücklich hingewiesen worden ist109, keinesfalls der Sinn dieser Erklärung. Auch Luther hat den Staat nicht in säkularer Eigengesetzlichkeit entworfen und den weltlichen Bereich nicht von der Unterwerfung unter die Herrschaft Gottes sowie von der Beachtung seiner Gesetze entbunden. Die Barmer Erklärung erinnert eben hieran und steht insoweit in ungebrochener Kontinuität zur der vorstehend behandelten Zwei-ReicheLehre. Dies hindert nicht die Anerkennung der unterschiedlichen Aufgaben und der Eigenständigkeit von Kirche und Staat, sondern fordert diese vielmehr; gehindert sieht sich ausschließlich die Entlassung des weltlichen Bereichs aus der Unterworfenheit unter Gottes Gebote. Eine derartige Freistellung des weltlichen Regiments von der Herrschaft Gottes war indessen, wie oben dargestellt, zu keinem Zeitpunkt Inhalt der Zwei-Reiche-Lehre. b) Die Verpflichtung des Staates zur Gewähr religiöser Freiheit Ein weiteres Charakteristikum, das für ein nach evangelischem Verständnis akzeptables Verhältnis von Kirche und Staat wesentlich ist, besteht in der staatlichen Anerkennung der individuellen wie korporativen Religionsfreiheit110: Diese wird als eine unaufgebbare Forderung des Protestantismus verstanden111. Sie verpflichtet den Staat aus evangelischer Perspektive einerseits auf die Achtung der individuellen Freiheit, zu der der als vor Gott verantwortlich verstandene Mensch berufen ist; andererseits folgt aus der Anerkennung der Religionsfreiheit die Einräumung des erforderlichen Spielraums der Kirche, den diese für die Erfüllung ihres Sendungsauftrages benötigt112: Hiernach gehört es zur Freiheit der Kirche, ungehindert das Evangelium in Wort und Tat – auch öffentlich – Respektierung der staatlichen Ordnung grundsätzlich nicht an eine bestimmte Staatsform gebunden ist; zur gleichwohl klaren Bejahung der demokratischen Ordnung sogleich näher sub d). 109 Axel Frhr. von Campenhausen, Wandel des Staatsverständnisses aus evangelischer Sicht, in: Schriften der Hermann-Ehlers-Akademie 28, 1990, S. 7 ff. (16 f.). 110 Hierzu Helmut Simon, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der evangelischen Kirche, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Erster Band, Erste Auflage 1974, § 4, S. 189 ff. (209 f.); Axel Frhr. von Campenhausen, Wandel des Staatsverständnisses aus evangelischer Sicht, in: Schriften der Hermann-Ehlers-Akademie 28, 1990, S. 7 ff. (12 ff.); vgl. auch Konrad Hesse, Artikel „Kirche und Staat“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, Bd. I, 3. Auflage 1987, Sp. 1546 ff. (1557 f.). 111 Axel Frhr. von Campenhausen, Wandel des Staatsverständnisses aus evangelischer Sicht, in: Schriften der Hermann-Ehlers-Akademie 28, 1990, S. 7 ff. (14).

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

39

zu verkünden, über eigene Angelegenheiten des Glaubens, über dessen sozialethische Relevanz, über kirchliche Organisationsstrukturen und Ämterbesetzungen selbständig zu entscheiden. Die Religionsfreiheit stellt sich damit aus evangelischer Perspektive als eine Fundamentaldeterminante im Verhältnis von Kirche und Staat dar; sie ist nach den Grundaussagen der Zwei-Reiche-Lehre gleichsam der zweite Grundpfeiler des protestantischen Verständnisses dieses Verhältnisses. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Konsequenz der so begriffenen Religionsfreiheit aus evangelischer Sicht die Einräumung derselben für alle Menschen ist. Die Religionsfreiheit hat daher nach protestantischer Auffassung ungeachtet des Inhalts der religiösen Überzeugung und für alle Religionsgemeinschaften in grundsätzlich gleicher Weise zu gelten. c) Die Akzeptanz weltanschaulicher Neutralität des Staates Nicht zuletzt hieraus folgt die von evangelischer Seite in Deutschland bejahte Verpflichtung des Staates zu Neutralität und Parität gegenüber den verschiedenen Religionsgemeinschaften. Auch nach protestantischem Verständnis fordern Neutralität und Parität dabei keinesfalls eine kulturblinde und geschichtslose Indifferenz des Staates oder gar die Negation der für die eigene Kultur wesentlichen Gestaltungskräfte; vielmehr lassen diese Prinzipien nach evangelischer Auffassung Spielraum für eine am Grundsatz der Gleichbehandlung orientierte Zusammenarbeit sowie eine staatliche Förderung der Religionsgemeinschaften113, soweit diese Identifizierungen vermeidet und die grundsätzliche Andersartigkeit und Distanz von Kirche und Staat achtet114. 112 Helmut Simon, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der evangelischen Kirche, in: HdbStKirchR der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Erster Band, Erste Auflage 1974, § 4, S. 189 ff. (209 f.); zum Öffentlichkeitsanspruch der Kirche in Kürze: Konrad Hesse, Artikel „Kirche und Staat“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, Bd. I, 3. Auflage 1987, Sp. 1546 ff. (1558 f.). 113 Vgl. hierzu eingehend die staatskirchenrechtliche Interpretation des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch Martin Heckel, Das Gleichbehandlungsgebot im Hinblick auf die Religion, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 21, S. 623 ff. (646 f.: „. . . die großen Kirchen [werden] zwar bevorzugt, wenn der Staat im Rahmen seiner kulturstaatlichen Pflicht zur Wissenschaftsund Kunstförderung die Theologie und die Sakralkunstwerke durch enorme Aufwendungen in staatlichen Institutionen pflegt. Aber diese Förderung geschieht nicht aus spezifisch religiösen Gründen [. . .], sondern wegen der eminenten Bedeutung dieser christlichen Kulturphänomene für die nationale und universale Kultur, die ihrerseits nicht aus religiösen oder politischen Gründen gem. Art. 3 Abs. 3 GG diskriminiert werden dürfen“.). 114 Vgl. Klaus Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 169 ff. und 236 f.; zusammenfassend hierzu Helmut Simon, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der evangelischen Kirche, in: HdbStKirchR, hrsg. von

40

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

d) Exkurs: Die sog. Demokratie-Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland von 1985 Bedeutsam für das protestantische Verständnis vom Verhältnis von Kirche und dem spezifisch demokratisch verfassten Staat aus der „offiziellen“ Sicht der Evangelischen Kirche in Deutschland ist am Ende des 20. Jahrhunderts ihre sog. Demokratie-Denkschrift geworden115. Sie knüpft insoweit an die Barmer Erklärung an, als auch sie zunächst hervorhebt, dass es „der von Gott gegebene Auftrag an jeden Staat ist [. . .], Recht zu schützen, Frieden zu wahren, dem Bösen zu wehren und das Gute zu fördern“116. Von diesem allgemeinen Ausgangspunkt wird sodann in spezifischer Weise Stellung zu dem freiheitlichen Verfassungsstaat westlicher Provenienz bezogen. Hierbei wird hervorgehoben, wie bedeutsam aus evangelischer Perspektive für das Verhältnis von Kirche und Staat in der Gegenwart der Umstand ist, dass namentlich der Staat des Grundgesetzes die Eigengesetzlichkeit des geistlichen Auftrags der Kirche anerkennt und religiös neutral ist. Neben diesen beiden für ein akzeptables Verhältnis von Kirche und Staat aus evangelischer Sicht mitentscheidenden essentialia weist die Denkschrift zudem nachhaltig auf die zentrale Bedeutung der Religionsfreiheit im Besonderen und die Freiheitlichkeit der staatlichen Ordnung im Allgemeinen hin. Weil sich aus evangelischer Perspektive in der Einstellung des Staates zur Eigenständigkeit der Kirche, zur Religionsfreiheit und zu weltanschaulicher Neutralität wie in einem Brennglas die einschlägigen Fragen konzentrieren, die für die Einstellung des Staates zur menschlichen Freiheit und damit zur Menschenwürde entscheidend sind, wird der freiheitliche und demokratische Verfassungsstaat insgesamt als Staatsmodell bejaht117. Hervorgehoben wird, dass die Prinzipien der freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie eine große Nähe zum Menschenbild des Christentums aufweisen, was sich nach Auffassung der Denkschrift namentlich in der Anerkennung und Achtung der unantastbaren Würde des Menschen als Person zeigt, die in-

Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Erster Band, Erste Auflage 1974, § 4, S. 189 ff. (209 f.). 115 Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie. Der Staat des Grundgesetzes als Angebot und Aufgabe, 1985; vgl. hierzu im Überblick Hermann E.J. Kalinna, Artikel „Demokratie – II. Theologisch, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, Bd. I, 3. Auflage 1987, Sp. 469 ff. (473). 116 Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie. Der Staat des Grundgesetzes als Angebot und Aufgabe, 1985, S. 15. 117 Hermann Weber, Artikel „Staat und Kirche – 1. Juristisch“ in: Evangelisches Kirchenlexikon, hrsg. von Erwin Fahlbusch, Jan Milic Lochmann, John Mbiti, Jaroslav Pelikan und Lukas Vischer, 3. Auflage 1996, Bd. 4, Sp. 449 ff. (455); Axel Frhr. von Campenhausen, Wandel des Staatsverständnisses aus evangelischer Sicht, in: Schriften der Hermann-Ehlers-Akademie 28, 1990, S. 7 ff. (18 f.).

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

41

haltlich als eine Konsequenz der biblischen Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen betrachtet wird118. Damit greift auch die Demokratie-Denkschrift der evangelischen Kirche die Trias grundsätzlicher Unterscheidung kirchlicher und staatlicher Sphäre, die Gewähr individueller und korporativer Religionsfreiheit und die weltanschauliche Neutralität bestätigend auf. Bezüglich dieser essentialia resümiert die Denkschrift indessen nicht nur die bereits vorstehend zusammengefasste evangelische Sichtweise, sondern geht über diese insoweit hinaus, als konstatiert wird, dass „nur eine demokratische Verfassung [. . .] heute der Menschenwürde entsprechen [kann]119 und betont wird, dass „keine heute bekannte Staatsform [. . .] eine bessere Gewähr [bietet], die gestellten Probleme zu lösen als die freiheitliche Demokratie“120. Demgemäß sieht die evangelische Kirche gerade den Christen dazu berufen, sich als Bürger eines solchermaßen verfassten Staates zu bewähren und diesem Staat den christlichen Dienst nicht zu versagen121 – eine Einschätzung, die für die konkrete Bestimmung des Ausmaßes möglicher Zusammenarbeit von Kirche und Staat in der Gegenwart von erheblicher Bedeutung ist. e) Insbesondere: Die kirchenrechtlichen Aussagen zum Verhältnis von Kirche und Staat in der Grundordnung der EKD und in den Verfassungen der Gliedkirchen Vor dem Hintergrund der vorstehenden Skizze des evangelischen Verständnisses von Kirche und Staat sind demnach im Wesentlichen drei Determinanten bestimmend: Die grundsätzliche Unterscheidung von Kirche und Staat mit der implizit damit verbundenen Freiheit kirchlicher Verkündigungsarbeit, ohne dass hierdurch ein bereichsspezifisches Zusammenwirken mit dem Staat ausgeschlossen würde; die Anerkennung individueller und korporativer Religionsfreiheit; die Neutralität des modernen Staates und seine Verpflichtung zu paritätischem Handeln gegenüber den Religionsgemeinschaften. Teilaspekte dieser Leitprinzipien des evangelischen Verständnisses von Kirche und Staat sind in verschiedenen kirchlichen Rechtsquellen, vor allem in den Kirchenverfassungen, normiert. Derartige Kirchenverfassungen beinhalten nach evangelischer Anschauung die rechtlichen Grundstatute der Kirchen bzw. die 118 Evangelische Kirche und freiheitliche als Angebot und Aufgabe, 1985, S. 13. 119 Evangelische Kirche und freiheitliche als Angebot und Aufgabe, 1985, S. 14. 120 Evangelische Kirche und freiheitliche als Angebot und Aufgabe, 1985, S. 40. 121 Evangelische Kirche und freiheitliche als Angebot und Aufgabe, 1985, S. 20.

Demokratie. Der Staat des Grundgesetzes Demokratie. Der Staat des Grundgesetzes Demokratie. Der Staat des Grundgesetzes Demokratie. Der Staat des Grundgesetzes

42

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

grundsätzlichen Regelungen eines institutionalisierten Zusammenwirkens verschiedener Kirchen und werden – wie etwa im Falle der EKD – auch als Grundordnung, ferner auch als Ordnung oder Kirchenordnung bezeichnet122. Einzelregelungen zum Verhältnis von Kirche und Staat finden sich sowohl im Verfassungsrecht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die kirchenrechtlich die Gemeinschaft ihrer weithin selbständigen lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen, damit einen „Kirchenbund, eine Föderation von Kirchen“ darstellt123 (hierzu sub aa), als auch im Verfassungsrecht der ihr angehörenden Gliedkirchen (hierzu sub bb). aa) Die Grundordnung der EKD Maßgebliches Rechtsdokument für die EKD, die nach staatlichem Recht eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bildet124 und deren Ziele wesentlich in der Festigung und Vertiefung der Gemeinschaft unter den Gliedkirchen, in der Stärkung eines einheitlichen Handelns der Gliedkirchen in den wesentlichen Fragen sowie in der Vertretung der gesamtkirchlichen Anliegen gegenüber den Inhabern öffentlicher Gewalt bestehen125, ist die nach wie vor geltende Grundordnung aus dem Jahre 1948126. Im Anschluss an die ersten beiden Artikel, die Fundamentalsätze der inneren Grundstruktur formulieren und hierbei – bedeutsam für die grundsätzliche Beja122 Vgl. Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 13; zu der Gesamtheit evangelischer Kirchenverfassungen, zu ihren presbyterial-synodalen, episkopalen und konsistorialen Erscheinungsformen näher Christoph Link, Typen evangelischer Kirchenverfassungen, in: Festschrift f. Albert Stein, 1994, S. 87 ff.; eingehend auch Herbert Frost, Strukturprobleme evangelischer Kirchenverfassung. Rechtsvergleichende Untersuchungen zum Verfassungsrecht der deutschen evangelischen Landeskirchen, 1972, passim. Zur Ausgestaltung des Kirchenverfassungsrechts zuletzt näher Dietrich Pirson, Kirchliches Verfassungsrecht, Eigenart und notwendiger Inhalt, in: ZevKR 45 (2000), S. 89 ff. 123 Vgl. Art. 1 der Grundordnung der EKD vom 13. Juli 1948; mit Kommentierungen abgedruckt u. a. bei Heinz Brunotte, Die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ihre Entstehung und ihre Probleme, 1954, S. 118 ff. (120, 122) sowie – im Rahmen einer Übersicht der wesentlichen Entwürfe der Grundordnung – S. 316 ff. 124 Zur EKD ausführlich Otto Frhr. v. Campenhausen, Die Organisationsstruktur der evangelischen Kirche, in: HdbStKirchR, hrsg. von Josph Listl und Dietrich Pirson, 1. Bd., 2. Auflage 1994, § 12, S. 383 ff. (396 ff.). 125 Vgl. Art. 19 GO EKD. 126 Grundlegend nach wie vor hierzu: Heinz Brunotte, Die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ihre Entstehung und ihre Probleme, 1954. Zu der gescheiterten Reform der Grundordnung näher Werner Hofmann, Bemühungen um die Reform der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland nach 1981, in: ZevKR 29 (1984), S. 83 ff.; vgl. auch Walter Hammer, Neuere Entwicklungen in der Amtsstellen-Struktur der Evangelischen Kirche in Deutschland, in: ZevKR 29 (1984), S. 91 ff.

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

43

hung der Unterscheidung von Kirche und Staat durch die EKD – in Art. 1 Abs. 2 S. 2 ein ausdrückliches Bekenntnis zu der vorstehend skizzierten Barmer Theologischen Erklärung abgeben127, ordnet Artikel 3 Abs. 1 dieser Grundordnung als Bestandteil der dortigen „Grundbestimmungen“ an, dass die Evangelische Kirche in Deutschland „um ihres Auftrages willen unabhängig in der Aufstellung ihrer Grundsätze, in der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten und in der Verleihung und Aberkennung ihrer Ämter [ist]“. Die Grundordnung der EKD statuiert damit den Grundsatz der kirchlichen Autonomie im Rechtsleben, nicht ohne sich hierbei deutlich an Art. 137 WRV anzulehnen, der gem. Art. 140 GG fortgilt128; sie formuliert ihn indessen ausführlicher als die geltenden und sogleich näher zu untersuchenden staatskirchenrechtlichen Vorgaben und bezieht ihn explizit auf die „Aufstellung ihrer Grundsätze“, womit die Freiheit der inneren Ausrichtung der kirchlichen Arbeit an Schrift und Bekenntnis beschrieben werden soll, ferner auf die „Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten“, die das Regelungsrecht und die laufende kirchliche Verwaltung erfassen, schließlich auf die „Verleihung und Aberkennung ihrer Ämter“129. Die Formulierung des Prinzips kirchlicher Autonomie durch die Grundordnung der EKD deckt sich damit, wie sogleich noch darzulegen sein wird130, sehr weitgehend mit den geltenden Grundsätzen des Staatskirchenrechts, verdeutlicht andererseits jedoch mit der dem Staatskirchenrecht nicht explizit zu eigenen Wendung „um ihres Auftrages willen“ die Begründung für den Anspruch auf rechtliche Eigenständigkeit; damit wird zugleich implizit unterstrichen, dass die grundordnungsrechtlich geforderte Autonomie nicht schrankenlos ist, sondern sich auf die für die Verkündung wesentlichen Rechtsbereiche beschränkt131. Auch wenn die so ausgestaltete interne Statuierung des Grundsatzes kirchlicher Autonomie als Bestandteil der Grundordnung der EKD selbstredend nicht den Staat binden kann, ist darauf hinzuweisen, dass sie die kirchlichen Organe verpflichtet, ihrerseits dem Staat gegenüber auf die Wahrung dieser Grundsätze bedacht zu sein; insofern ermöglicht diese Regelung im Konfliktfall staatlichen Organen gegenüber den Hinweis auf entsprechende kirchenrechtliche Bindungen132.

127

Hierzu oben sub a) bb). Heinz Brunotte, Die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ihre Entstehung und ihre Probleme, 1954, S. 136. Zu den staatskirchenrechtlichen Implikationen sogleich ausführlich sub II. 129 So bereits Heinz Brunotte, Die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ihre Entstehung und ihre Probleme, 1954, S. 137. 130 Hierzu nachfolgend sub II. und III. 131 Heinz Brunotte, Die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ihre Entstehung und ihre Probleme, 1954, S. 137. 132 Wie hier Heinz Brunotte, Die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ihre Entstehung und ihre Probleme, 1954, S. 137. 128

44

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

Im Anschluss an diese Festlegungen ordnet Art. 3 Abs. 2 der Grundordnung der EKD an, dass die Regelung des Verhältnisses der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Staat einem Übereinkommen vorbehalten bleibt. Damit werden auch die Organe der EKD in einer der katholischen Sichtweise sehr nahestehenden Weise auf Abschlüsse eines derartigen zweiseitigen Vertrags und damit auf das Instrument des Staatskirchenvertrages verwiesen, dessen hohe Wertschätzung für den Codex Iuris Canonici von 1983 bereits vorstehend hervorgehoben wurde133. bb) Die Verfassungen der Gliedkirchen der EKD Einzelne Aspekte des evangelischen Verständnisses von Kirche und Staat erfassen neben der Grundordnung der EKD auch die Verfassungen ihrer Gliedkirchen. So unterstreichen die einzelnen Kirchenverfassungen bereits durch die Begründung ihrer gliedkirchlichen Zugehörigkeit zur EKD134 deren rechtliche 133 Hierzu oben näher sub 1. d) a. E.; namentlich in den neuen Bundesländern wurden mit den jeweiligen evangelischen Landeskirchen derartige Staatskirchenverträge abgeschlossen: Vertrag zwischen dem Land Brandenburg und den evangelischen Landeskirchen in Brandenburg (Evangelischer Kirchenvertrag Brandenburg vom 8. November 1996 (GVBl. I 1997, S. 4 und 13); Vertrag zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche vom 20. Januar 1994 (GVOBl. M-V 1994, S. 560); Vertrag des Freistaats Sachsen mit den Evangelischen Landeskirchen im Freistaat Sachsen (Evangelischer Kirchenvertrag Sachsen) vom 24. März 1994 (SächsGVBl. 1994, S. 1253; dazu: Steffen Heitmann, Der Evangelische Kirchenvertrag Sachsen aus der Sicht der Verwaltung, in: LKV 1995, S. 93 ff.); Vertrag das Landes Sachsen-Anhalt mit den Evangelischen Landeskirchen in Sachsen-Anhalt (Evangelischer Kirchenvertrag Sachsen-Anhalt) vom 15. September 1993, (GVBl. LSA 1994, S. 173; dazu: Axel Vulpius, Der Evangelische Kirchenvertrag Sachsen-Anhalt aus Sicht der Verwaltung, in: LKV 1994, S. 227 ff.); Vertrag des Freistaats Thüringen mit den Evangelischen Kirchen in Thüringen vom 15. März 1994 (GVBl. 1994, S. 509); zu den unter der Geltung des Grundgesetzes abgeschlossenen evangelischen Kirchenverträgen zusammenfassend Christoph Link, Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte, 2000, S. 161 ff. 134 Siehe hierzu Abs. 4 der Präambel der Verfassung der Evangelischen Landeskirche Anhalts vom 14. August 1920 (KABl. S. 41) in der Neufassung durch die Kirchengesetze vom 22. April und 30. November 1967, 2. Dezember 1968 sowie 12. Mai 1969 (KABl. 1967 S. 29, 1968 S. 1, 1969 S. 27 und 42), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 83 ff.; § 2 S. 1 der Grundordnung der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 23. April 1958 (GVBl. S. 17) neu bekanntgemacht am 1. September 1996 (GVBl. S. 117), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 106 ff.; Art. 6 Abs. 3 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vom 20. November 1971 (KABl. S. 287), neu bekanntgemacht am 6. Dezember 1999, abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 160 ff.; Art. 2 Abs. 1 sowie Vorspruch Nr. 8 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom 19. November 1994 (KABl. S. 182), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangeli-

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

45

Ordnung und damit – weil die gliedkirchliche Rechtsetzung gem. Art. 2 Abs. 2 der Grundordnung dem gesamtkirchlichen Recht nicht widersprechen darf 135 – sche Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 185 ff.; Art. 3 Abs. 2 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Braunschweig vom 6. Februar 1970 (KABl. S. 46), neu bekanntgemacht am 7. Mai 1984 (KABl. S. 14), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 239 ff.; § 1 Abs. 1 S. 1 der Verfassung der Bremischen Evangelischen Kirche vom 14. Juni 1920 (AKBl. 1920 S. 473), neu bekanntgemacht am 17. Mai 1973 (GVM Nr. 1 Z. 2), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 269 ff.; Art. 4 Abs. 2 S. 2 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers vom 11. Februar 1965 (KABl. S. 65), neu bekanntgemacht am 1. Juli 1971 (KABl. S. 189), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 279 ff.; Schlussartikel der Ordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 17. März 1949 (KABl. S. 27) in der Neufassung vom 21. April 1966 (KABl. S. 89), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 316 ff.; Art. 3 Abs. 1 sowie Abs. 2 der Präambel der Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck vom 22. Mai 1967 (KABl. S. 19), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 341 ff.; Art. 6 der Verfassung der Lippischen Landeskirche vom 17. Februar 1931 (GVBl. Bd. 3 S. 1) in der Neufassung vom 23. November 1998 (GVBl. Bd. 11 S. 377), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 381 ff.; Art. 2 Abs. 2 der Verfassung der Nordelbischen EvangelischLutherischen Kirche vom 12. Juni 1976 (GVBl. 1977 S. 2), neu bekanntgemacht am 8. Februar 1994 (GVBl. S. 81), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 436 ff.; Art. 2 der Kirchenordnung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg vom 20. Februar 1950 (GVBl. Bd. XIII S. 135), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 477 ff.; Grundartikel IV S. 1 und Art. 2 Abs. 1 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 2. Mai 1952 (KABl. S. 57), neu bekanntgemacht am 20. März 1998 (KABl. S. 77), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 626 ff.; Vorspruch Nr. 5 Abs. 1 der Grundordnung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 16. März 1980 (KABl. Sdnr. S. 2), neu bekanntgemacht am 12. Februar 1998 (KABl. S. 30), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 691 ff.; § 2 Abs. 1 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 13. Dezember 1950 (KABl. S. A 99), neu bekanntgemacht am 16. Februar 1996 (KABl. S. A 117), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 729 ff.; Art. 5 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe vom 18. September 1993 (KABl. 1994 S. 2), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 751 ff.; Art. 1 Abs. 2 i.V. m. Vorspruch Nr. 8 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche der schlesischen Oberlausitz vom 14. November 1951, neu veröffentlicht am 5. Juni 1997 (KABl. Nr.3 S. 1), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 767 ff.; § 3 Abs. 1 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen vom 2. November 1951 (KABl. S. 161), neu

46

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

insbesondere die grundordnungsrechtlich verankerten bzw. bejahten essentialia des Verhältnisses von Kirche und Staat nach evangelischem Verständnis; dies betrifft namentlich die in der Barmer Theologischen Erklärung zum Ausdruck gelangende Fundamentalunterscheidung von Kirche und Staat nach der ZweiReiche-Lehre Luthers, den Grundsatz der kirchlichen Autonomie im Rechtsleben sowie die Bereitschaft zur Regelung des Verhältnisses von Kirche und Staat durch vertragliche Vereinbarung: Während hierbei die in der Grundordnung der EKD enthaltene Feststellung, dass das Verhältnis zwischen Kirche und Staat vertraglicher Regelung zugänglich ist, in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Kirchenverfassungen nicht erneut aufgenommen wird – eine Ausnahme bildet die Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, die bezüglich ihres Verhältnisses zum Staat und zu anderen Körperschaften die explizite Feststellung enthält, dass dieses Verhältnis durch „vertragliche Vereinbarungen“ geregelt werden kann, die indessen nicht die Erfüllung des kirchlichen Auftrages beschränken dürfen136 –, bringen nahezu sämtliche Kirchenverfassungen ihre Bejahung der Theologischen Erklärung von Barmen137 und den Anspruch, ihre veröffentlicht am 30. Oktober 1990 (KABl. S. 163), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 806 ff.; Art. 3 Abs. 1 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 1. Dezember 1953 (KABl. 1954 S. 25), neu bekanntgemacht am 14. Januar 1999 (KABl. S. 1), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 840 ff. 135 Dieser Bestimmung wird trotz ihrer negativen Formulierung („nicht widersprechen“) weithin derselbe Gehalt zugesprochen wie Art. 6 Abs. 1 der Verfassung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), dessen Wortlaut anordnet, dass die Gesetze und Rechtsverordnungen der Vereinigten Kirchen den Gesetzen der Gliedkirchen vorgehen; vgl. Heinz Brunotte, Die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ihre Entstehung und ihre Probleme, 1954, S. 135. Zur Durchsetzung dieses Anspruchs vgl. Art. 12 der Grundordnung. 136 Art. 7 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vom 20. November 1971 (KABl. S. 287), neu bekanntgemacht am 6. Dezember 1999 (KABl. 2000, S. 10), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 160 ff. 137 Vgl. Abs. 5 des Vorspruchs der Grundordnung der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 23. April 1958 (GVBl. S. 17) neu bekanntgemacht am 1. September 1996 (GVBl. S. 117), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 106 ff.; Vorspruch Nr. 5 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom 19. November 1994 (KABl. S. 182), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 185 ff.; Art. 2 Abs. 2 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Braunschweig vom 6. Februar 1970 (KABl. S. 46), neu bekanntgemacht am 7. Mai 1984 (KABl. S. 14), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 239 ff.; Grundartikel Abs. 4 der Ordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 17. März 1949 (KABl. S. 27), in der Neufassung vom 21. April 1966 (KABl. S. 89), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 316 ff.; Abs. 2 der Präambel der Ver-

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

47

Angelegenheiten selbständig, d.h. unabhängig von staatlicher Gewalt, zu ordnen, in verschiedenen Variationen explizit nochmals zum Ausdruck138. Zur Befassung der Lippischen Landeskirche vom 17. Februar 1931 (GVBl. Bd. 3 S. 1) in der Neufassung vom 23. November 1998 (GVBl. Bd. 11 S. 377), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 381 ff.; Art. 1 Abs. 3 S. 3 der Kirchenordnung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg vom 20. Februar 1950 (GVBl. Bd. XIII S. 135), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 477 ff.; Abs. 2 S. 1 der Präambel der Kirchenordnung der Pommerschen Evangelischen Kirche vom 2. Juni 1950 (KABl. S. 30), neu veröffentlicht am 27. Januar 1998 (KABl. S. 3), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 538 ff.; § 1 Abs. 4 der Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche (Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland) vom 9. Juni 1988 (GVBl. Bd. 16 S. 1), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 587 ff.; Grundartikel Abs. 6 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 2. Mai 1952 (KABl. S. 57), neu bekanntgemacht am 20. März 1998 (KABl. S. 77), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 626 ff.; Vorspruch Nr. 3 Abs. 6 der Grundordnung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 16. März 1980 (KABl. Sdnr. S. 2), neu bekanntgemacht am 12. Februar 1998 (KABl. S. 30), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 691 ff.; § 2 Abs. 2 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 13. Dezember 1950 (KABl. S. A 99), neu bekanntgemacht am 16. Februar 1996 (KABl. S. A 117), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 729 ff.; Vorspruch Nr. 5 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche der schlesischen Oberlausitz vom 14. November 1951, neu veröffentlicht am 5. Juni 1997 (KABl. Nr.3 S. 1), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 767 ff.; Grundartikel II Abs. 6 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 1. Dezember 1953 (KABl. 1954 S. 25), neu bekanntgemacht am 14. Januar 1999 (KABl. S. 1), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 840 ff. 138 Siehe hierzu Abs. 6 S. 3 der Präambel sowie Art. 6 Abs. 1 S. 2 der Verfassung der Evangelischen Landeskirche Anhalts vom 14. August 1920 (KABl. S. 41) in der Neufassung durch die Kirchengesetze vom 22. April und 30. November 1967, 2. Dezember 1968 sowie 12. Mai 1969 (KABl. 1967 S. 29, 1968 S. 1, 1969 S. 27 und 42), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 83 ff.; § 3 der Grundordnung der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 23. April 1958 (GVBl. S. 17) neu bekanntgemacht am 1. September 1996 (GVBl. S. 117), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 106 ff.; Art. 3 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vom 20. November 1971 (KABl. S. 287), neu bekanntgemacht am 6. Dezember 1999, abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 160 ff.; Art. 1 Abs. 2 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom 19. November 1994 (KABl. S. 182), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 185 ff.; Art. 5 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Braunschweig vom 6.

48

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

gründung des Autonomieanspruchs wird hierbei wiederholt darauf hingewiesen, dass die postulierte Selbständigkeit der Kirche aus ihrer alleinigen Bindung an Februar 1970 (KABl. S. 46), neu bekanntgemacht am 7. Mai 1984 (KABl. S. 14), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 239 ff.; Art. 2 Abs. 1 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers vom 11. Februar 1965 (KABl. S. 65), neu bekanntgemacht am 1. Juli 1971 (KABl. S. 189), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 279 ff.; Art. 4 der Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck vom 22. Mai 1967 (KABl. S. 19), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 341 ff.; Art. 3 Abs. 1 der Verfassung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 12. Juni 1976 (GVBl. 1977 S. 2), neu bekanntgemacht am 8. Februar 1994 (GVBl. S. 81), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 436 ff.; Art. 3 der Kirchenordnung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg vom 20. Februar 1950 (GVBl. Bd. XIII S. 135), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 477 ff.; Art. 3 Abs. 3 der Verfassung der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) vom 20. Oktober 1920 (AKBl. 1921 S. 39) in der Neufassung vom 27. November 1996 (Abl. S. 246), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 509 ff.; Art. 4 Abs. 2 der Kirchenordnung der Pommerschen Evangelischen Kirche vom 2. Juni 1950 (KABl. S. 30), neu veröffentlicht am 27. Januar 1998 (KABl. S. 3), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 538 ff.; vgl. § 4 Nr. 4 sowie § 6 Abs. 1und 2 der Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche (Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland) vom 9. Juni 1988 (GVBl. Bd. 16 S. 1), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 587 ff.; Art. 1 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 2. Mai 1952 (KABl. S. 57), neu bekanntgemacht am 20. März 1998 (KABl. S. 77), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 626 ff.; Art. 4 Abs. 1 der Grundordnung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 16. März 1980 (KABl. Sdnr. S. 2), neu bekanntgemacht am 12. Februar 1998 (KABl. S. 30), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 691 ff.; § 3 Abs. 2 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 13. Dezember 1950 (KABl. S. A 99), neu bekanntgemacht am 16. Februar 1996 (KABl. S. A 117), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 729 ff.; Art. 3 Abs. 1 S. 1 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe vom 18. September 1993 (KABl. 1994 S. 2), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 751 ff.; Art. 2 Abs. 2 und 3 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche der schlesischen Oberlausitz vom 14. November 1951, neu veröffentlicht am 5. Juni 1997 (KABl. Nr.3 S. 1), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 767 ff.; § 4 S. 2 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen vom 2. November 1951 (KABl. S. 161), neu veröffentlicht am 30 Oktober 1990 (KABl. S. 163), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 806 ff.; Art. 1 der Kirchenordnung der

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

49

Gott resultiere139. Ausnahmsweise wird diese Festlegung zudem mit dem expliziten Hinweis verbunden, dass der Grundsatz der kirchlichen Freiheit und Autonomie „die Aufsichtsansprüche außerkirchlicher Stellen gegenüber der Kirche“ begrenze140. In einer Vielzahl evangelischer Kirchenverfassungen wird der Autonomieanspruch schließlich systematisch eng mit der (deklaratorischen) Feststellung verknüpft, dass die betreffende Kirche in ihrem Verhältnis zur staatlichen Rechtsordnung die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitze141; vor dem Hintergrund, dass der staatskirchenrechtliche KörEvangelischen Kirche von Westfalen vom 1. Dezember 1953 (KABl. 1954 S. 25), neu bekanntgemacht am 14. Januar 1999 (KABl. S. 1), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 840 ff.; § 2 der Verfassung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg vom 24. Juni 1920 (KABl. Bd. 19 S. 199), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 907 ff. 139 Vgl. hierfür etwa Art. 1 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 2. Mai 1952 (KABl. S. 57), neu bekanntgemacht am 20. März 1998 (KABl. S. 77), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 626 ff.: „Gebunden an Jesus Christus, den Herrn der Kirche, urteilt die Evangelische Kirche im Rheinland über die Lehre und gibt sich ihre Ordnungen. In der gleichen Bindung und in der darin begründeten Freiheit gibt sie sich ihre Leitung, überträgt und entzieht sie ihre Ämter und Dienste und erfüllt sie ihre Aufgaben.“; s. sodann Art. 4 Abs. 1 der Grundordnung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 16. März 1980 (KABl. Sdnr. S. 2), neu bekanntgemacht am 12. Februar 1998 (KABl. S. 30), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 691 ff.: „In der Bindung an ihren Herrn ist die Freiheit der Gemeinde begründet. In dieser Bindung ist sie auch frei, ihr Leben zu ordnen und ihre Rechtsform zu gestalten. In der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen ist das Leben der Gemeinde in den Rechtsformen der Kirchengemeinde, des Kirchenkreises und der Kirchenprovinz geordnet“; vgl. ferner Art. 1 Abs. 2 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom 19.November 1994 (KABl. S. 182), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 185 ff.: „Allein an diesen [zuvor erläuterten] Auftrag [zum Zeugnis für das Evangelium Jesu Christi in der Welt] gebunden, urteilt die Kirche frei über ihre Lehre und bestimmt selbständig ihre Ordnung. In dieser Bindung und Freiheit erfüllt sie ihre Aufgaben, überträgt sie ihre Dienste und gestaltet sie ihre Einrichtungen.“; vgl. schließlich Art. 1 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 1. Dezember 1953 (KABl. 1954 S. 25) neu bekanntgemacht am 14. Januar 1999 (KABl. S. 1): „Die Evangelische Kirche von Westfalen urteilt über ihre Lehre und gibt sich ihre Ordnung im Gehorsam gegen das Evangelium von Jesus Christus, dem Herrn der Kirche. In dieser Bindung und in der darin begründeten Freiheit überträgt sie ihre Ämter, übt sie ihre Leitung aus und erfüllt sie ihre sonstigen Aufgaben.“ 140 So etwa Art. 3 S. 2 der Kirchenordnung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg vom 20. Februar 1950 (GVBl. Bd. XIII S. 135), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 477 ff. 141 Vgl. Abs. 6 S. 3 der Präambel sowie Art. 6 Abs. 1 S. 2 der Verfassung der Evangelischen Landeskirche Anhalts vom 14. August 1920 (KABl. S. 41) in der Neufassung durch die Kirchengesetze vom 22. April und 30. November 1967, 2. Dezem-

50

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

perschaftsstatus auf ein Mindestmaß an Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft mit dem freiheitlichen Verfassungsstaat baut142, lässt sich die kirchenverfasber 1968 sowie 12. Mai 1969 (KABl. 1967 S. 29, 1968 S. 1, 1969 S. 27 und 42), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 83 ff.; Art. 1 Abs. 4 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom 19. November 1994 (KABl. S. 182), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 185 ff.; § 1 Abs. 1 S. 3 der Verfassung der Bremischen Evangelischen Kirche vom 14. Juni 1920 (AKBl. 1920 S. 473), neu bekanntgemacht am 17. Mai 1973 (GVM Nr. 1 Z. 2), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 269 ff.; Art. 2 Abs. 2 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers vom 11. Februar 1965 (KABl. S. 65), neu bekanntgemacht am 1. Juli 1971 (KABl. S. 189), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 279 ff.; Art. 4 Abs. 2 der Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck vom 22. Mai 1967 (KABl. S. 19), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 341 ff.; Art. 5 der Verfassung der Lippischen Landeskirche vom 17. Februar 1931 (GVBl. Bd. 3 S. 1 ) in der Neufassung vom 23. November 1998 (GVBl. Bd. 11 S. 377), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 381 ff.; Art. 3 Abs. 2 der Verfassung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 12. Juni 1976 (GVBl. 1977 S. 2), neu bekanntgemacht am 8. Februar 1994 (GVBl. S. 81), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 436 ff.; Art. 3 Abs. 1 der Verfassung der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) vom 20. Oktober 1920 (AKBl. 1921 S. 39) in der Neufassung vom 27. November 1996 (Abl. S. 246), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 509 ff.; Art. 4 Abs. 1 der Kirchenordnung der Pommerschen Evangelischen Kirche vom 2. Juni 1950 (KABl. S. 30), neu veröffentlicht am 27. Januar 1998 (KABl. S. 3), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 538 ff.; Art. 4 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 2. Mai 1952 (KABl. S. 57), neu bekanntgemacht am 20. März 1998 (KABl. S. 77), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 626 ff.; § 3 Abs. 1 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 13. Dezember 1950 (KABl. S. A 99), neu bekanntgemacht am 16. Februar 1996 (KABl. S. A 117), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 729 ff.; Art. 3 Abs. 1 S. 2 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe vom 18. September 1993 (KABl. 1994 S. 2), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 751 ff.; Art. 3 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche der schlesischen Oberlausitz vom 14. November 1951, neu veröffentlicht am 5. Juni 1997 (KABl. Nr.3 S. 1), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 767 ff.; § 4 S. 1 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen vom 2. November 1951 (KABl. S. 161), neu veröffentlicht am 30. Oktober 1990 (KABl. S. 163), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 806 ff.; Art. 4 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 1. Dezember 1953

I. Wesensmerkmale aus kirchenrechtlicher Sicht

51

sungsrechtliche Bejahung dieses Status als Ausfluss einer grundsätzlichen Bereitschaft der evangelischen Gliedkirchen zur Kooperation mit dem Staat deuten. 3. Das Verhältnis von Kirche und Staat nach katholischer und evangelischer Lehre – Zwischenergebnis Im Lichte der vorstehenden Skizzen der katholischen Lehre wie des evangelischen Verständnisses über das Verhältnis von Kirche und Staat erhellt sich die fundamentale Nähe der verglichenen Sichtweisen. So unterschiedlich die Ansichten über Ausgangsbegriffe des Verhältnisses von Kirche und Staat auch sein mögen – erinnert sei hier nur an Unterschiede des Kirchenverständnisses143 – und so sehr etwa die katholische Lehre eine kirchenrechtliche Ausformung ge(KABl. 1954 S. 25), neu bekanntgemacht am 14. Januar 1999 (KABl. S. 1), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 840 ff.; § 2 der Verfassung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg vom 24. Juni 1920 (KABl. Bd. 19 S. 199), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 907 ff. Vgl. zum Körperschaftsstatus schließlich auch: § 4 S. 2 der Grundordnung der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 23. April 1958 (GVBl. S. 17) neu bekanntgemacht am 1. September 1996 (GVBl. S. 117), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 106 ff.; Art. 8 Abs. 2 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vom 20. November 1971 (KABl. S. 287), neu bekanntgemacht am 6. Dezember 1999, abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 160 ff.; § 6 Abs. 1 der Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche (Synode Evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland) vom 9. Juni 1988 (GVBl. Bd. 16 S. 1), abgedruckt bei Dieter Kraus (Hrsg.), Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001, S. 587 ff. 142 Vgl. Paul Kirchhof, Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 22, S. 651 ff. (668). – Hierzu ausführlich nachfolgend sub D. I. 2., 3. und D. II. 143 Einführender Überblick für die diesbezügliche evangelische Perspektive bei Gunter Wenz, Artikel „Kirche – VIII. Systematisch-theologisch“, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG), hrsg. von Hans Dieter Betz, Don S. Browning, Bernd Janowski, Eberhard Jüngel, 4. Auflage 2001, Bd. 4, Sp. 1015 ff. (1018 ff.); für die Sicht der katholischen Kirche: Joseph Listl, Die Aussagen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 zum Verhältnis von Kirche und Staat, in: Essener Gespräche 19 (1985), S. 9 ff. (12 ff.); ferner die Zusammenfassung von Elmar Klinger, Artikel „Kirche – Katholisch“, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG), hrsg. von Hans Dieter Betz, Don S. Browning, Bernd Janowski, Eberhard Jüngel, 4. Auflage 2001, Bd. 4, Sp. 1021 ff., jeweils m. w. N.; s. auch die Beiträge von Heinrich Döring, Ulrich Kühn, Alasdair I.C. Heron zu der röm-kath. Ekklesiologie, zur luth. Ekklesiologie sowie zur ref. Ekklesiologie, unter dem Stichwort „Kirche“, in: Evangelisches Kirchenlexikon, hrsg. von Erwin Fahlbusch, Jan Milic Lochmann, John Mbiti, Jaroslav Pelikan und Lukas Fischer, 2. Bd, 3. Auflage 1989, Sp. 1069 ff., 1075 ff., 1079 ff.

52

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

funden hat, der ein evangelisches Pendant weithin fehlt mit der Folge, dass es „die“ umfassende und autoritative kirchenrechtliche evangelische Lehre über dieses Verhältnis nicht gibt, so sehr ähnelt sich doch das beiderseitige Verständnis vom Verhältnis von Kirche und Staat; dies gilt jedenfalls insoweit, als die Grundzüge dieses Verhältnisses in Frage stehen. Mag daher auch das evangelische Verständnis von Kirche und Staat tastender und unsicherer anmuten, mag es weniger grundsatz- und mehr situationsbezogen als die Lehre der katholischen Kirche sein, so sind bezüglich der Grundsätze dieses Verhältnisses doch wichtige Gemeinsamkeiten mit der katholischen Position erkennbar: Beide Auffassungen unterscheiden geistliche und weltliche Macht, die zwar jeweils auf ihre Weise denselben Menschen zu dienen bestimmt, gleichwohl selbständig sind. Kirche und Staat stehen hiernach vor Aufgaben, die sich fundamental voneinander unterscheiden. Hieraus folgt, dass zwischen ihnen sowohl nach kanonischem Recht wie nach evangelischem Verständnis Wesensverschiedenheit besteht und sich ihnen Eigenständigkeit eignet. Trotz dieser grundsätzlichen Unterscheidung von Kirche und Staat gehen beide Sichtweisen, die katholische wie die evangelische, davon aus, dass aufgrund der Identität der Menschen, zu deren Wohl bzw. in deren Interesse die kirchlichen bzw. staatlichen Aufgaben bestehen bzw. wahrgenommen werden, keine feindliche Distanz zwischen Kirche und Staat geboten ist, sondern eine Zusammenarbeit, wo erforderlich und sachdienlich, grundsätzlich möglich ist. Freilich hängen aus kirchlicher Sicht Grad und Ausmaß dieser möglichen Zusammenarbeit von der Gestalt des jeweiligen Staates ab, insbesondere von der Achtung der Menschenwürde sowie der menschen- bzw. grundrechtlichen Freiheiten. Als ein wesentliches Instrument der Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche heben sowohl der CIC der katholischen Kirche von 1983 als auch die Grundordnung der EKD das Vertragsrecht hervor. Sowohl nach katholischem Kirchenrecht wie nach evangelischem Verständnis ist der Staat verpflichtet, Garant der Menschenwürde jedes einzelnen Bürgers und damit Garant der Freiheit zu sein. Namentlich gehört es nach diesem Verständnis zu den elementaren Aufgaben des Staates, individuelle sowie korporative religiöse Freiheit zu gewährleisten; diese wird – pars pro toto – gleichsam als „Testfall“ betrachtet, ob und inwieweit der jeweilige Staat die kirchlich als unabdingbar betrachtete Würde des Einzelnen und seine Freiheit mit Schutz umfängt. Beide Auffassungen setzen in ihren Aussagen insoweit notwendig einen Staat voraus, der auf der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als der Voraussetzung der Ermöglichung bürgerlicher Freiheitsrechte beruht144. 144 So die Feststellung von Joseph Listl, Die Aussagen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 zum Verhältnis von Kirche und Staat, in: Essener Gespräche 19 (1985), S. (31) bezüglich des katholischen Kirchenrechts; für das evangelische Verständnis gilt insoweit nichts anderes. – Grundlegend zur Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft: Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die verfassungstheore-

II. Wesensmerkmale aus staatskirchenrechtlicher Perspektive

53

Schließlich trifft den Staat nach katholischer wie evangelischer Auffassung die Pflicht zu religiöser und weltanschaulicher Neutralität sowie zur Gleichbehandlung aller Religionen und Religionsgemeinschaften (Grundsatz der Parität). Hierbei wird ein Neutralitäts- und Paritätsbegriff zugrunde gelegt, der nicht die Eliminierung alles Religiösen aus dem öffentlichen Leben zum Gegenstand und die „Gleichschaltung“ aller Religionsgemeinschaften zum Ziel hat, sondern der den Staat verpflichtet, die religiösen Überzeugungen um der Freiheit willen auch in ihrer tatsächlichen Unterschiedlichkeit und Bedeutung für die durch die Verfassung zum Staatsvolk zusammengeschlossene Gesellschaft zur Kenntnis zu nehmen und sich hieran bei seinem Handeln zu orientieren. Als Zwischenergebnis ist demnach festzuhalten, dass zwar „das“ evangelische Verständnis des Verhältnisses von Kirche und Staat im Unterschied zur katholischen Lehre nicht kodifiziert ist und durch eine stärkere Situationsbezogenheit als die katholische Lehre gekennzeichnet ist, dass das Verhältnis von Kirche und Staat indessen im Ergebnis in sehr weitgehendem Maße gleichen Forderungen der beiden Kirchen unterliegt. Im Folgenden wird überprüft, ob und in welchem Ausmaß das staatliche Recht in der Bundesrepublik mit diesen Sichtweisen harmoniert.

II. Grundlegende Wesensmerkmale des Verhältnisses von Kirche und Staat aus staatskirchenrechtlicher Perspektive Obwohl die Beziehungen zwischen Kirche und Staat unter der Geltung des Grundgesetzes überwiegend zur Kompetenz der Bundesländer gehören145, sind die Grundlagen in der Bundesverfassung niedergelegt146; die nachfolgende grundgesetzliche Skizze beschränkt sich – wie die vorstehenden Betrachtungen aus kirchenrechtlicher bzw. kirchlicher Perspektive – auf einige grundsätzliche Anmerkungen147. tische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, 1973. 145 Hierzu Stefan Korioth, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 140 GG Rn. 21 ff. 146 Vgl. zum Folgenden zusammenfassend auch Christoph Link, Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte, 2000, S. 169 ff. 147 Verwiesen sei hier stellvertretend auf die Darstellungen des Staatskirchenrechts von Axel Frhr. von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 49 ff. und 162 ff.; ders., Der heutige Verfassungsstaat und die Religion, in: HdbStKirchR Bd. 1, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 2, S. 47 ff.; Peter Badura, Das Staatskirchenrecht als Gegenstand des Verfassungsrechts. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: HdbStKirchR Bd. 1, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 6, S. 211 ff.; Alexander Hollerbach, Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 138, S. 471 ff.; ders., Der verfassungsrechtliche Schutz kirchlicher Organisation, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof,

54

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

1. Die Wesensverschiedenheit von Kirche und Staat – Zur Säkularität des freiheitlichen Verfassungsstaates Grundlegend für das Verhältnis von Kirche und Staat unter der Geltung des Grundgesetzes ist zunächst die Anerkennung der Wesensverschiedenheit von Kirche und Staat durch Trennung derselben. Verfassungspositiv begründet sieht sich diese „Scheidung in der Wurzel“ in dem Verbot der Staatskirche gem. Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV148. Sie intendiert, beiden Potenzen – den Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften wie dem Staat – Freiheit zu gewährleisten149. Ausgeschlossen wird durch Art. 137 Abs. 1 WRV nicht nur die unmittelbare organisatorische Eingliederung der Kirchen in die Staatsorganisation, sondern jeder Eingriff in Lehre, Ordnung oder kirchliche Betätigung im Bereich der selbständig geschützten „eigenen Angelegenheiten“, wie Art. 137 Abs. 3 WRV verdeutlicht150. In diesem Sinne erweist sich in Deutschland das System der grundsätzlichen Trennung von Staat und Kirche als Komplementärgarantie zur Religionsfreiheit: Wenn die Religionsfreiheit, wie sogleich zu skizzieren sein wird, gleichermaßen die positive wie die negative Dimension dieses Freiheitsrechts erfasst, wenn mithin der Staat das Recht zum Fernbleiben von religiöser Bindung ebenso gewährleistet wie das Recht zur Entfaltung der Religion (auch in der Öffentlichkeit), ist die grundsätzliche Trennung von Staat und Kirche eine logische Konsequenz151.

Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 139, S. 557 ff.; ders., Freiheit kirchlichen Wirkens, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 140, S. 595 ff.; Paul Mikat, Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: HdbVerfR, hrsg. von Ernst Benda, Werner Maihofer, Hans-Jochen Vogel, 2. Auflage 1994, § 29; Bernd Jeand’Heur/Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000.; Stefan Korioth, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 140 GG Rn. 29 ff. – Zum Gewohnheitsrecht im Staatskirchenrecht: Peter Landau, Das Gewohnheitsrecht im Staatskirchenrecht, in: HdbStKirchR Bd. 1, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 10, S. 333 ff.; zu dem kirchenrechtlichen Verständnis des Gewohnheitsrechts ders., Die Theorie des Gewohnheitsrechts im katholischen und evangelischen Kirchenrecht des 19. und 20. Jahrhunderts, in: ZRG, Kan. Abt. 77 (1991), S. 156 ff. 148 Die Formulierung stammt von Alexander Hollerbach, Die Kirchen unter dem Grundgesetz, in: VVDStRL 26 (1968), S. 57 ff. (62). – Zu Art. 137 Abs. 1 WRV näher Stefan Korioth, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Rn. 3 ff. 149 Wie hier auch Axel Frhr. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 98 f. 150 Vgl. wiederum Axel Frhr. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 97 f. 151 So ausdrücklich Axel Frhr. v. Campenhausen, Der heutige Verfassungsstaat und die Religion, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 2, S. 47 ff. (72).

II. Wesensmerkmale aus staatskirchenrechtlicher Perspektive

55

Doch nicht nur den Kirchen und Religionsgemeinschaften wird damit Freiheit verbürgt, sondern auch dem Staat. Denn die „Scheidung in der Wurzel“ bedeutet die verfassungsrechtliche Anerkennung der prinzipiellen Säkularität der Politik, d.h. die Anerkennung der Weltlichkeit der politischen Ordnung und offenbart das grundgesetzliche Verständnis von der Autonomie dieser Ordnung, die der Staat errichtet; die Säkularität, das staatliche Selbstbestimmungsrecht und in diesem Sinne die nur verfassungsrechtlich umgrenzte Freiheit des Staates bei der Ausformung seiner Gesetze gehören zu jenem Fundament, auf dem die grundgesetzliche Ordnung unausgesprochen und wie selbstverständlich ruht. Mit dieser Intention der Freiheitsgewährleistung sowohl für Kirchen und Religionsgemeinschaften als auch für den freiheitlichen Verfassungsstaat ist, was schließlich hervorzuheben ist, die Trennung beider Potenzen im deutschen Staatskirchenrecht der Gegenwart kein Instrument staatlicher Herrschaft über die Kirchen und Religionsgemeinschaften, kein Mittel, Religion und Religionsgemeinschaften aus der Öffentlichkeit zu verdrängen152; sie steht damit nicht im Dienst einer radikalen Trennung beider Gewalten – ein Befund, der sich auch aus sonstigen Regelungen des Staatskirchenrechts erhellt. Hinzuweisen ist insoweit auf verschiedene staatskirchenrechtliche Regelungen: etwa auf die mit dem Körperschaftsstatus umschriebene Möglichkeit für die Kirchen, sich im öffentlichen Recht anzusiedeln; ferner auf die Beibehaltung des Religionsunterrichts in öffentlichen Schulen; auf die Ermöglichung theologischer Fakultäten an den staatlichen Hochschulen; auf die Gewährleistung der Anstalts- und Militärseelsorge. Nicht zuletzt im Hinblick darauf ist schon zur Zeit der Weimarer Republik das berühmte Diktum von der „hinkenden“ Trennung geprägt worden153, dem später zahlreiche andere Beschreibungen an die Seite gestellt worden sind, beginnend mit einer gelockerten Fortsetzung der Verbindungen von Kirche und Staat154 bis hin zu der Formulierung von einer positiven155 bzw. balancierten156 Trennung. Vor dem Hintergrund der vorstehend skizzierten Intention der Freiheitsgewähr lässt sich das staatskirchenrechtliche Trennungssystem auch als eine „Trennung zur Freiheit“ deuten bzw. beschreiben. 152 Zum partnerschaftlichen Verhältnis von Kirche und Staat unter dem Grundgesetz: Rupert Scholz, Ist die Partnerschaft am Ende?, in: Rechtswissenschaftliches Kolloquium Kirche und Staat zu Ehren von G. Flor, 1985, S. 35 ff.; zur Verkennung des Öffentlichkeitsauftrags der Kirche im Fall einer radikalen Trennung von Kirche und Staat: Wolfgang Huber, Kirche und Öffentlichkeit, 1973, S. 548 f. 153 Ulrich Stutz, Die päpstliche Diplomatie unter Leo XIII. nach den Denkwürdigkeiten des Kardinals Domenico Ferrata, Einzelausgabe aus Abhandlungen der preußischen Akademie der Wissenschaften, Jg. 1925, Phil.-hist. Klasse, Nr. 3/4, 1926, S. 54. 154 Ulrich Scheuner, Kirche und Staat in der neueren deutschen Entwicklung, in: ZevKR 7 (1959/60), S. 225 ff. (245). 155 So Paul Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: Religionsrechtliche Schriften, hrsg. von Joseph Listl, 1. Halbband 1974, S. 29 ff. (64); Axel Frhr. v. Campenhausen, Staat und Kirche in Frankreich, 1962, S. 156. 156 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Staat – Gesellschaft – Kirche, 1982, S. 5 ff. (64).

56

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

2. Die Religionsfreiheit Die zweite fundamentale Tragsäule der staatskirchenrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes bildet die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Religionsfreiheit157. Das Grundgesetz garantiert diese in einem umfassenden Sinn, d.h. individuell und korporativ, mithin für den Einzelnen – allein oder auch in Gemeinschaft mit anderen – und für die Religionsgemeinschaften als solche158. Auch wenn das Grundgesetz den in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts extensiv ausgelegten159 Begriff der Religionsfreiheit vermeidet und statt dessen wesentliche Elemente des Grundrechts aufzählt, gewährleistet Art. 4 GG die volle religiöse und – rechtlich gleichgestellt160 – weltanschauliche Freiheit161; die Verfassung verbürgt die damit einhergehende Unabhängigkeit der staatsbürgerlichen Stellung von der Religion und den freien Zugang zu den öffentlichen Ämtern explizit162. Eine bedeutende Konkretisierung der Religionsfreiheit sichert das Grundgesetz zudem mit der Gewähr des elterlichen Erziehungsrechts des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, die das Recht zur religiösen Kindererziehung mitumfasst163. Die Religionsfreiheit in ihrem in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verankerten Gehalt schützt diese sowohl in ihrer negativen wie positiven Dimension: Wie alle Grund- und Freiheitsrechte, so ist auch das der Religions- und Weltanschauungsfreiheit doppelpolig164; es umfasst in negativer Hinsicht die Freiheit, keine 157 Zur Entwicklung der Religionsfreiheit und dem Einfluss des Christentums hierauf: Axel Frhr. von Campenhausen, Christentum und Recht, in: Christentum und europäische Kultur. Eine Geschichte und ihre Gegenwart, hrsg. von Peter Antes, 2002, S. 96 ff. (102 ff.); zur Religionsfreiheit in Kürze Stefan Korioth, in: Theodor Maunz/ Günter Dürig, Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 140 GG Rn. 30. 158 Grundlegend zum Grundrecht der Religionsfreiheit die Darstellungen bei Axel Frhr. von Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136, S. 369 ff.; Joseph Listl, Glaubens-, Bekenntnis- und Kirchenfreiheit, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 14, S. 439 ff. 159 Grundlegend: BVerfGE 24, 236 (246). 160 Axel Frhr. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 73. 161 Axel Frhr. v. Campenhausen, Der heutige Verfassungsstaat und die Religion, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 2, S. 47 ff. (59). 162 Siehe hierzu Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 sowie Art. 140 GG i.V. m. Art. 136 Abs. 1 und 2 WRV. 163 Näher hierzu Matthias Jestaedt, Das elterliche Erziehungsrecht im Hinblick auf Religion, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. II, 2. Auflage, § 52, S. 371 ff. 164 Joseph Listl/Alexander Hollerbach, Das Verhältnis von Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland, in: HdbKathKR, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 2. Auflage 1999, § 118, S. 1268 ff. (1275); allgemein zur Doppelpoligkeit von Freiheitsrechten Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auflage 1995, Rn. 288.

II. Wesensmerkmale aus staatskirchenrechtlicher Perspektive

57

Religion zu haben, sich zu keiner Religionsgemeinschaft zu bekennen bzw. seine religiöse Überzeugung nicht offenbaren zu müssen und in positiver Hinsicht die Freiheit, eine religiöse Überzeugung zu haben, sich zu einer Religionsgemeinschaft zu bekennen, eine Religion ungehindert auszuüben, diese auch öffentlich zu praktizieren und so in die Öffentlichkeit hineinzuwirken. Die negative und die positive Facette der Religionsfreiheit sind im Kollisionsfall miteinander abzuwägen; Anwendungsfelder, auf denen es zu derartigen Frontstellungen kommt, bilden etwa das Schulgebet in den öffentlichen Schulen und die Anbringung von Kruzifixen in öffentlichen Gebäuden. Bei der Abwägung und der Entwicklung des schonendsten Ausgleichs der miteinander im Streit stehenden Grundrechtspositionen braucht hierbei die positive der negativen Religionsfreiheit nicht grundsätzlich zu weichen165; nicht haltbar ist die Auffassung, die Inanspruchnahme der negativen Religionsfreiheit könne niemanden verletzen und deshalb anders als die positive Religionsfreiheit unbegrenzte Geltung beanspruchen. Eine einseitige Privilegierung der negativen Religionsfreiheit gegenüber der positiven Religionsfreiheit widerstreitet dem Prinzip des schonendsten Ausgleichs konfligierender Grundrechtspositionen, zudem auch dem Gedanken bzw. dem Prinzip der Toleranz, das zu Recht als Komplementärprinzip zur Religionsfreiheit bezeichnet worden ist166. Entscheidend für die Lösung entspre165 U.a. an der Verkennung dieses Grundsatzes leidet die Entscheidung in BVerfGE 93, 1; wie hier Joseph Listl/Alexander Hollerbach, Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland, in: HdbKathKR, 2. Auflage, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 118, S. 1268 ff. (1276); erste Reaktion zur Kruzifix-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Rupert Scholz, Deshalb ist die Kruzifix-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes verfehlt, in: Die Welt vom 13.8.1995, erneut abgedruckt, in: Heinrich Basilius Streithofen, Das Kruzifixurteil – Deutschland vor einem neuen Kulturkampf?, 1995, S. 341 f.; stellvertretend zu den vielfältigen Analysen der Entscheidung im Schrifttum: Josef Isensee, Bildersturm durch Grundrechtsinterpretation, in: ZRP 1996, S. 10 ff.; Axel Frhr. v. Campenhausen, Zur Kruzifix-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: AöR 121 (1996), S. 448 ff.; Martin Heckel, Das Kreuz im öffentlichen Raum. Zum „Kruzifix-Beschluß“ des Bundesverfassungsgerichts, in: DVBl. 1996, S. 453 ff.; Stefan Muckel: Überkreuz mit dem Kreuz, in: KuR 1996, S. 65 ff.; Matthias Jestaedt, Das Kreuz unter dem Grundgesetz, in: JRP 1995, S. 237 ff.; Peter Lerche, Verfassungsrechtliche Anmerkungen zur „Kreuz-Entscheidung“, in: Schule ohne Kreuz?, hrsg. von der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach, 1995, S. 16 ff.; demgegenüber affirmativ: Gerhard Czermak, Der Kruzifix-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, seine Ursachen und seine Bedeutung, in: NJW 1995, S. 3348 ff.; Ludwig Renck, Zum rechtlichen Gehalt der Kruzifix-Debatte, in: ZRP 1996, S. 16 ff. 166 Joseph Listl, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland, 1971, S. 10 ff., 262 f., 280 f.; vgl. ferner Günter Püttner, Toleranz als Verfassungsprinzip, 1977; Achim Krämer, Toleranz als Rechtsprinzip. Gedanken zu einem ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz, in: ZevKR 29 (1984), S. 113 ff.; Anne Debus, Das Verfassungsprinzip der Toleranz unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1999; zusammenfassend hierzu auch Hans-Jürgen Becker, Artikel „Toleranz“, in: StL, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, 7. Auflage, Sp. 485 f. sowie Martin Honecker/Udo Steiner, Artikel „Toleranz“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus

58

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

chender Fallkonstellationen, in denen die positive und die negative Dimension der Religionsfreiheit miteinander in Konflikt geraten, ist vielmehr die Freistellung des Fernbleibens167. Demgemäß darf etwa der betunwillige Schüler in der öffentlichen Schule nicht das Schulgebet der gesamten Klasse verhindern, sofern ihm die Möglichkeit gegeben ist, sich in zumutbarer Weise nicht am Schulgebet zu beteiligen168. Hier wird, wie bereits Ulrich Scheuner zutreffend angemerkt hat, offenkundig, „dass die Religionsfreiheit überhaupt nicht allein vom individuellen Recht her verstanden werden darf, soweit die individuelle Übung (oder auch Nichtübung) mit Wirkung nach außen die kollektive Situation berührt und das Zusammenleben verschiedener Gruppen miteinander betrifft“169. Ergänzt wird die vorstehend skizzierte verfassungsrechtliche Verbürgung der Religionsfreiheit durch die Regelung des Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV, die den Religionsgemeinschaften das Recht zugesteht, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten170. Diese Verbürgung geht freilich zu einem erheblichen Teil in der Religionsfreiheit auf. Gleichwohl wird sie ganz überwiegend „als notwendige, wenngleich rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt“, begriffen171. Die solchermaßen verbürgte Kirchenautonomie steht der Kirche für ihre körperschaftlichen Organisationen und ihre Ämter ebenso wie für ihre kirchlichen Einrichtungen und Untergliederungen zu, mit denen sie ihren selbstbestimmten Auftrag religiösen Wirkens erfüllt172. Durch sie wird – wie bereits durch die Garantie der korporativen Religionsfreiheit – staatlich anerkannt, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften bei der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten selbständig, d.h. aufgrund eigenen Rechts handeln und eine selbstbestimmte kirchliche Gewalt ausüben; diese, zum geistlichen Wesen der Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, Bd. 2, 3. Auflage 1987, Sp. 3621 ff. – Zur religiösen Toleranz aus christlicher Sicht zuletzt Kurt Hübner, Das Christentum im Wettstreit der Weltreligionen. Zur Frage der Toleranz, 2003, S. 121 ff. 167 Wie hier Axel Frhr. v. Campenhausen, Der heutige Verfassungsstaat und die Religion, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 2, S. 47 ff. (59). 168 BVerfGE 52, 223. 169 Ulrich Scheuner, Das System der Beziehungen von Staat und Kirche im Grundgesetz. Zur Entwicklung des Staatskirchenrechts, in: HdbStKirchR, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Bd. I, 1. Auflage 1974, § 1, S. 5 ff. (54). 170 Hierzu Stefan Korioth, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Rn. 17 ff. 171 BVerfGE 53, 366 (401); 55, 220 (244); die Formulierung knüpft an Konrad Hesse, Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: HdbStKirchR, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Bd. 1, 1. Auflage 1974, § 9, S. 409 ff. (414), an. 172 Grundlegend: BVerfGE 46, 73 (86 f.).

II. Wesensmerkmale aus staatskirchenrechtlicher Perspektive

59

Kirche gehörenden „innerkirchlichen“ Handlungen folgen nicht dem staatlichen Recht und unterliegen nicht der staatlichen Gerichtsbarkeit, es sei denn, diese zeitigen Auswirkungen außerhalb des kirchlichen Bereichs173. Die Kirchenautonomie sichert damit nicht nur das freie Wirken der Religionsgemeinschaften nach innen wie nach außen, sondern verdeutlicht auch, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt erklärt hat, dass die Kirchen „ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten“174. Freilich ist das kirchliche Selbstbestimmungsrecht durch das Grundgesetz Schranken unterworfen, namentlich denen „des für alle geltenden Gesetzes“, mithin dem religionsneutralen Jedermann-Gesetz175. Zugleich macht der Staat des Grundgesetzes mit dieser Regelung einen Ordre-public-Vorbehalt geltend176. 3. Neutralität und Parität Die dritte Säule des Staatskirchenrechts der Gegenwart bilden schließlich die Grundsätze von Neutralität und Parität177. Ersterer ist zwar nicht expliziter Bestandteil des Verfassungstextes des Grundgesetzes. Gleichwohl folgt die religiös-weltanschauliche Neutralität des freiheitlichen Verfassungsstaates aus einer Zusammenschau verschiedener ausdrücklicher Regelungen der Verfassung, namentlich aus der Garantie der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, aus dem Verbot der Staatskirche gem. Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV und der hierin wurzelnden Trennung von Kirche und Staat, schließlich auch aus dem Verbot der Benachteiligung oder Bevorzugung eines Bürgers aus religiösen Gründen, wie dieses Eingang in Art. 3 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 3 GG gefunden hat178. Damit ist die staatliche Neutralität ein bestimmten Verfassungsnormen immanenter Gehalt, nicht jedoch ein gleichsam 173 Wie hier explizit Peter Badura, in: Das Staatskirchenrecht als Gegenstand des Verfassungsrechts, Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Staatskirchenrechts, HdbStKirchR, hrsg. von Peter Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 6, S. 211 ff. (243 f.); hierzu näher auch Karl-Hermann Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, 1991, passim sowie Martin Heckel, Die staatliche Gerichtsbarkeit in Sachen der Religionsgesellschaften, in: Wege und Verfahren des Verfassungslebens, in: Festschrift für Peter Lerche, hrsg. von Peter Badura und Rupert Scholz, 1993, S. 213 ff. 174 BVerfGE 18, 385 (386); 42, 312 (332). 175 BVerfGE 42, 312 (334); 66, 1 (20); hierzu Peter Badura, Das Staatskirchenrecht als Gegenstand des Verfassungsrechts, Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 6, S. 211 ff. (244 f.). 176 Hierzu näher Alexander Hollerbach, Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, S. 471 ff. (535 f.). 177 Dazu näher Stefan Korioth, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Rn. 9 und 10 ff. sowie Art. 140 GG, Rn. 31 und 32.

60

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

„außerstaatlicher“ Grundsatz und damit kein von den konkreten Verfassungsnormen unabhängiges Prinzip des Grundgesetzes179. Bedeutsam für die Neutralität als Verpflichtung des Staates ist unter der Geltung des Grundgesetzes ihre Ausrichtung auf die Freiheit des Bürgers. Deshalb kann sie als staatliche Pflicht verstanden werden, den Bürgern die Möglichkeit zu eröffnen, ihren pluralen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen im privaten wie auch im öffentlichen Leben so weit wie möglich Geltung zu verschaffen180. Vor diesem Hintergrund kann Neutralität einerseits auf staatliche Enthaltsamkeit abzielen, die es dem freiheitlichen Verfassungsstaat untersagt, in Fragen der Religion oder der Weltanschauung Partei zu ergreifen; zugleich kann Neutralität andererseits auch bedeuten, die positiv vorhandenen religiösen bzw. weltanschaulichen Bindungen der Bürger als Bestandteil der pluralistischen Wirklichkeit anzuerkennen und das staatliche Handeln – auch: das fördernde staatliche Handeln – an dieser Wirklichkeit auszurichten181. In letztgenannter Sichtweise untersagt der Neutralitätsgrundsatz dem Staat, in einer Amalgamierung aus Agnostizismus und Indifferentismus die Eliminierung bestehender religiöser bzw. weltanschaulicher Auffassungen zum Ziel seines Handelns zu machen. Neutralität als Ablehnung staatlicher Identifizierung mit einer bestimmten weltanschaulichen oder religiösen Position darf daher unter der Geltung des Grundgesetzes nicht selbst dadurch implizit zur rigiden staatlichen Identifizierungsbegründung geraten, dass sie übersteigert wird und ihrerseits der Ideologisierungstendenz erliegt, alle bestehenden weltanschaulichen Positionen in ihrer gesellschaftlichen Vielgestaltigkeit und tatsächlich bestehenden Unterschiedlichkeit staatlicherseits „gleichzuschalten“ 182: Ein die tatsächlich vorhandenen Un178 Wie hier Axel Frhr. v. Campenhausen, Der heutige Verfassungsstaat und die Religion, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 2, S. 47 ff. (77); Stefan Korioth, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 140 GG Rn. 31. – Zur Neutralitätspflicht des freiheitlichen Verfassungsstaates eingehend: Klaus Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, passim; zur Neutralität vgl. nunmehr auch Stefan Huster, Die ethische Neutralität des Staates. Eine liberale Deutung der Verfassung, 2002, passim. 179 Ulrich Scheuner, Die Religionsfreiheit im Grundgesetz, in: DÖV 1967, S. 585 ff. (588); Martin Heckel, Staat – Kirche – Kunst, Rechtsfragen kirchlicher Kulturdenkmäler, 1968, S. 208 f.; Theodor Maunz, Die religiöse Neutralität des Staates, in: AfkKR 139 (1970), S. 427 ff. (441 f.); Ernst Lüder Solte, Theologie an der Universität, Staats- und kirchenrechtliche Probleme der theologischen Fakultäten, 1971, 68 f.; im wirtschafts- und arbeitsrechtlichen Kontext kritisch: Peter Lerche, Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes, 1968, S. 62 f.; zusammenfassend: Paul Mikat, Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: HdbVerfR, hrsg. von Ernst Benda, Werner Maihofer, Hans-Jochen Vogel, 2. Auflage 1994, § 29 Rn. 8; spezifisch zur religiös-weltanschaulichen Neutralität: Peter Badura, Der Schutz von Religion und Weltanschauung durch das Grundgesetz, Verfassungsfragen zur Existenz und Tätigkeit der „neuen Jugendreligionen“, 1989, S. 80 ff. 180 Vgl. Klaus Schlaich, a. a. O., S. 132 sowie S. 236 ff. (v. a. 262 ff.). 181 Wie hier Stefan Korioth, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 140 GG Rn. 31.

II. Wesensmerkmale aus staatskirchenrechtlicher Perspektive

61

terschiede der verschiedensten gesellschaftlichen Potenzen negierendes Neutralitätsverständnis würde nichts anderes als das Kampfinstrument einer Emanzipationsideologie darstellen, mit dem der freiheitliche Verfassungsstaat selbst einseitig Position zugunsten dieser Ideologie bezöge und in diesem Sinne aus dem Neutralitätsgedanken heraus eine Identität mit einer bestimmten Weltanschauung annähme183. Vor diesem Hintergrund ist zu Recht wiederholt vor einem „doktrinär verselbständigten Neutralitätsbegriff“ gewarnt worden184. Zum Neutralitätsprinzip gehört daher nicht nur die Enthaltsamkeit in Fragen von Religion und Weltanschauung, sondern auch, dass die positiv vorhandenen religiösen bzw. weltanschaulichen Bindungen der Bürger wie die kulturelle Bedeutung gesellschaftlicher Kräfte als Bestandteil der pluralistischen Wirklichkeit durch den Staat anerkannt werden (sog. „positive Neutralität“)185. Angesichts dieser negativen wie positiven Facetten, die das Neutralitätsprinzip umfasst, stellt sich der Grundsatz der Neutralität unter der Geltung des Grundgesetzes als Grundsatz offener Neutralität dar186. Dieser wird ergänzt durch das Prinzip der Parität187, das eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes darstellt188. Es verbietet die willkürliche rechtliche Bevorzugung bestimmter Bekenntnisse und Religionsgemeinschaften und verbürgt grundsätzlich gleiche Behandlung, dies freilich nur insoweit, als nicht sachliche Differenzierung zulässig – unter Umständen gar geboten – erscheint. Derartige Differenzierungen sind verfassungskonform, wenn sie durch tatsächliche Verschiedenheiten der Religionsgemeinschaften be-

182

Vgl. Josef Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968, S. 185. Alexander Hollerbach, Neutralität, Pluralismus und Toleranz in der heutigen Verfassung, in: Zum Verhältnis von Staat und Kirche, hrsg. von Joseph Sauer, 1976, S. 9 ff. (15 ff.); ebenso Michael Brenner, Staat und Religion, in: VVDStRL 50 (2000), S. 264 ff. (270 ff.). 184 So u. a. auch – wiederum im spezifischen staatskirchenrechtlichen Kontext – von Martin Heckel, Staat – Kirche – Kunst, Rechtsfragen kirchlicher Kulturdenkmäler, 1968, S. 209 f. (Zitat S. 209); Kritik an der Vereinseitigung der Vorstellung staatlicher Neutralität auch bei Peter Badura, Das Grundgesetz vor der Frage des religiösen und weltanschaulichen Pluralismus, in: Religion, Recht und Politik, hrsg. von Günter Baadte und Anton Rauscher, 1997, S. 39 ff. (42 f.). 185 Wie hier Stefan Korioth, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 140 GG Rn. 31. 186 Vgl. im spezifisch staatskirchenrechtlichen Kontext so auch Paul Mikat, Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: HdbVerfR, hrsg. von Ernst Benda/Werner Maihofer/Hans-Jochen Vogel, 2. Auflage, 1994, § 29 Rn. 11. 187 Hierzu eingehend Martin Heckel, Die religionsrechtliche Parität, in: HdbStKirchR, 2. Auflage, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 20, S. 589 ff.; Stefan Korioth, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 140 GG Rn. 32; hierzu auch Michael Brenner, Staat und Religion, in: VVDStRL 50 (2000), S. 264 ff. (280 ff.). 188 Vgl. die Darstellung bei Axel Frhr. v. Campenhausen, Der heutige Verfassungsstaat und die Religion, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 2, S. 47 ff. (75). 183

62

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

dingt sind bzw. nicht auf sachfremden Gesichtspunkten beruhen189; das Gebot formaler Gleichstellung ist demgemäß (nur) dort Ausfluss der Parität, wo sachliche Unterschiede hinsichtlich der Struktur, der eigenen Glaubensgrundsätze oder der Größe zwischen den Religionsgemeinschaften nicht vorliegen190. 4. Zwischenergebnis Die angeführten Fundamentalnormen, die den für die Kirchen und Religionsgemeinschaften unter der Geltung des Grundgesetzes verbindlichen verfassungsrechtlichen Rahmen ihres Status wie ihrer Tätigkeit abstecken, bilden mit den Worten von Alexander Hollerbach eine „historisch und funktionell mehrschichtige, strukturierte Einheit innerhalb der Einheit der Verfassung im Ganzen“191. Als solche stellen sie das normative Fundament für die religiöse Stellung des einzelnen Staatsbürgers wie auch der Religionsgemeinschaften dar und geben dem Verhältnis von Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland sein besonderes Gepräge, das wesentlich von den Grundsätzen einer Trennung in der Wurzel, von gleichzeitiger Ermöglichung des Zusammenwirkens beider Potenzen, von individueller und korporativer Religionsfreiheit und von religiös-weltanschaulicher Neutralität und Parität des freiheitlichen Verfassungsstaates gekennzeichnet ist. Eine zusammenfassende Beurteilung der staatskirchenrechtlich geordneten Beziehungen von Kirche und Staat führt damit zu dem Befund, dass das geltende Recht den Kirchen und Religionsgemeinschaften einerseits ein Höchstmaß an innerer Freiheit und Selbstbestimmung, andererseits günstige Voraussetzungen zur Erfüllung ihres Auftrags in der Welt, die ihrerseits wiederum für den freiheitlichen Verfassungsstaat von herausragender Bedeutung ist192, eröff189 Vgl. hierzu noch einmal die staatskirchenrechtliche Interpretation des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch Martin Heckel, Das Gleichbehandlungsgebot im Hinblick auf die Religion, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 21, S. 623 ff. (646 f.: „. . . die großen Kirchen [werden] zwar bevorzugt, wenn der Staat im Rahmen seiner kulturstaatlichen Pflicht zur Wissenschaftsund Kunstförderung die Theologie und die Sakralkunstwerke durch enorme Aufwendungen in staatlichen Institutionen pflegt. Aber diese Förderung geschieht nicht aus spezifisch religiösen Gründen [. . .], sondern wegen der eminenten Bedeutung dieser christlichen Kulturphänomene für die nationale und universale Kultur, die ihrerseits nicht aus religiösen oder politischen Gründen gem. Art. 3 Abs. 3 GG diskriminiert werden dürfen“.). 190 So ausdrücklich auch Axel Frhr. v. Campenhausen, Der heutige Verfassungsstaat und die Religion, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 2, S. 47 ff. (76). 191 Alexander Hollerbach, Die Kirchen unter dem Grundgesetz, in: VVDStRL 26 (1968), S. 60 f. 192 Hierzu grundlegend: Josef Isensee, Verfassungsstaatliche Erwartungen an die Kirche, in: Essener Gespräche 25 (1991), S. 104 ff.; vgl. auch ders., Demokratischer Rechtsstaat und staatsfreie Ethik, in: Essener Gespräche 11 (1977), S. 92 ff.; näher hierzu auch Hans Maier, Dienste der Kirche am Staat. Entwurf einer Typologie, in:

III. Zum Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat

63

net193. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu Unrecht konstatiert worden, dass das deutsche Staatskirchenrecht in gewisser Weise für sich eine Vorbildlichkeit reklamieren kann, die namentlich auch im Hinblick auf die europäische Rechtsentwicklung mit neuer Aktualität erfüllt werden kann194.

III. Zum Grundkonsens des kirchen- und des staatskirchenrechtlichen Verständnisses über das Verhältnis von Kirche und Staat im Recht der Gegenwart Wird vor dem Hintergrund der vorstehenden Skizzen das Verhältnis von Kirche und Staat nach katholischer Lehre, evangelischem Verständnis und grundgesetzlicher Konzeption einem Vergleich unterzogen, so fällt ins Auge, dass die Postulate der Wesensverschiedenheit sowie der grundsätzlichen Trennung von Kirche und Staat, der Achtung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, der individuellen und korporativen Religionsfreiheit sowie schließlich die Pflicht des Staates zu religiöser bzw. weltanschaulicher Neutralität und Parität in weitgehender Übereinstimmung sowohl durch das Kirchen- wie auch das Staatskirchenrecht zur Geltung gebracht werden. Die jeweiligen, das Verhältnis von Kirche und Staat im Prinzipiellen betreffenden rechtlichen Regelungen konvergieren daher in hohem Maße und bringen in Bezug auf die grundsatzbezogene Ausgestaltung dieses Verhältnisses ein außergewöhnlich hohes Maß an Übereinstimmung zum Ausdruck. Entspricht damit das geltende Staatskirchenrecht in seinen hier betrachteten Grundzügen den prinzipiellen Postulaten, die sowohl aus der Sicht des katholischen Kirchenrechts wie auch aus evangelischer Perspektive an das Verhältnis von Kirche und Staat in der Gegenwart gestellt werden und konvergieren folglich die kirchlichen mit den staatlichen Auffassungen über das Verhältnis von Kirche und Staat weitgehend, so bedeutet dies nicht, dass das Entstehen neuer Essener Gespräche 25 (1991), S. 5 ff. sowie Martin Honecker, Der Auftrag der Kirche und die Aufgabe des Staates, in: Essener Gespräche 25 (1991), S. 49 ff. Zu den Erwartungen an die Kirche im Prozess der Wiedergewinnung der deutschen Einheit ausführlich Rupert Scholz, Der Auftrag der Kirchen im Prozeß der deutschen Einheit, in: Essener Gespräche 26 (1992), S. 7 ff. 193 So ausdrücklich auch die Bewertung bei Joseph Listl/Alexander Hollerbach, Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland, in: HdbKathKR, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 2. Auflage 1999, § 118, S. 1268 ff. (1292). 194 Wie hier wiederum auch Joseph Listl/Alexander Hollerbach, Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland, in: HdbKathKR, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 2. Auflage 1999, § 118, S. 1268 ff. (1292); zur europäischen Rechtsentwicklung überblickartig Gerhard Robbers, Europarecht und Kirchen, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. 1, 2. Auflage 1994, § 9, S. 315 ff.; vgl. auch Alexander Hollerbach, Religion und Kirche im freiheitlichen Verfassungsstaat. Bemerkungen zur Situation des deutschen Staatskirchenrechts im europäischen Kontext, 1998.

64

B. Der Grundkonsens im Recht der Gegenwart

oder die Aktualisierung alter Konflikte hierdurch ausgeschlossen wäre; ein exemplarischer Hinweis etwa auf die Kirchenasyl-Problematik195, auf das Kreuz in der Schule196, auf das Kopftuch der Lehrerin197 verdeutlicht dies zur Genüge. Doch jedenfalls bezüglich der grundsätzlich-strukturellen Ausgestaltung des Verhältnisses von Kirche und Staat besteht eine Übereinstimmung, auf deren Grundlage entsprechende Divergenzen in Einzelfragen geklärt werden können.

195 Hierzu ausführlich Markus H. Müller, Rechtsprobleme beim „Kirchenasyl“, 1999; Christoph Görisch, Kirchenasyl und staatliches Recht, 2000; Jochen Grefen, Kirchenasyl im Rechtsstaat, 2001. – Im kirchlichen Recht gibt es kein Recht auf Kirchenasyl: So hat die katholische Kirche das Kirchenasyl in den CIC von 1983 bewusst nicht aufgenommen; auch die EKD hat im Jahre 1994 Thesen zum Kirchenasyl formuliert, die ein solches Recht negieren (vgl. EKD-Pressemitteilung vom 10. September 1994). Dies hindert indessen Vertreter bestimmter innerkirchlicher Milieus nicht daran, ein solches Recht unter Berufung auf vorgeblich christliche Grundsätze in Anspruch zu nehmen. 196 Zum Kreuz in der Schule s. oben die Nachweise in Anm. 165. 197 Zum Kopftuch in der Schule BVerfGE vom 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02, in NJW 2003, S. 3111 ff. mit vernichtender abweichender Meinung der Richter Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff, S. 3117 ff.; eingehend zu dieser Frage und stellvertretend für das Schrifttum Stefan Mückl, Religionsfreiheit und Sonderstatusverhältnisse – Kopftuchverbot für Lehrerinnen, in Der Staat 40 (2001), S. 96 ff.; Matthias Jestaedt, Grundrechtsschutz vor staatlich aufgedrängter Ansicht. Das Kopftuch der Lehrerin als Exempel, in: Dem Staate, was des Staates ist – der Kirche, was der Kirche ist, Festschrift für Joseph Listl zum 70. Geburtstag, hrsg. von Josef Isensee/Wilhelm Rees/ Wolfgang Rüfner, 1999, S. 259 ff. Hierzu zuletzt auch Michael Bertrams, Lehrerin mit Kopftuch? – Islamismus und Menschenbild des Grundgesetzes, in: DVBl. 2003, S. 1225 ff.

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den kirchenund staatskirchenrechtlichen Grundkonsens – Das Verhältnis von Kirche und Staat als Ausdruck abendländischer Kulturidentität Der vorstehende Befund fordert die Frage heraus, worin die festgestellte Übereinstimmung im Prinzipiellen gründet. Immerhin erweist ein Blick auf den Islam, dem etwa die Trennung von Staat und Religion bzw. von weltlicher und geistlicher Sphäre ebenso wenig geläufig ist wie die allgemeine Religionsfreiheit, dass der Befund dieser Konvergenz alles andere als selbstverständlich ist1: Wo, wie etwa im Islam, die Trennung von weltlicher und geistlicher Sphäre unbekannt ist2 und wo – gemäß des Ausspruchs Mohammeds: „Wer seine Religion wechselt, den tötet“ – namentlich das grundrechtlich gewährte Recht des Religionswechsels bestritten wird, wird die Problematik der Vereinbarkeit derartiger Auffassungen entsprechender Religionsgemeinschaften mit den Grundpostulaten des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts virulent3. Dies unterstreicht 1 Zu staatskirchenrechtlichen Fragen, die sich für den Islam in Deutschland stellen näher unten sub E.; aus dem Schrifttum: Martin Forstner, Das Menschenrecht der Religionsfreiheit und des Religionswechsels als Problem der islamischen Staaten, in: Kanon X, Kirche und Staat im christlichen Osten, 1991, S. 105 ff.; Wolfgang Loschelder, Der Islam und die religionsrechtliche Ordnung des Grundgesetzes, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 149 ff.; Alfred Albrecht, Religionspolitische Aufgaben angesichts der Präsenz des Islam in der Bundesrepublik Deutschland, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 82 ff.; Axel Frhr. v. Campenhausen, Neue Religionen im Abendland. Staatskirchenrechtliche Probleme der Muslime, der Jugendsekten und der sogenannten destruktiven religiösen Gruppen, in: ZevKR 25 (1980), S. 135 ff.; ders., Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 88 ff. 2 Hierzu unten sub E. sowie aus der Literatur Josef van Ess, in: Christentum und Weltreligionen, hrsg. von Hans Küng, Josef van Ess, Heinrich Stietencron, Heinz Bechert, 1984, S. 76 ff.; vgl. auch Heinrich Reiners, Die klassische islamische Staatsidee, ihre moderne Interpretation und ihre Verwirklichung in den Verfassungsordnungen muslimischer Staaten, 1968, S. 44 ff. und passim; vgl. ferner Udo Steinbach, Die Stellung des Islams und des islamischen Rechts in ausgewählten Staaten. Einleitung: Vom islamisch-westlichen Kompromiss zum Islamismus, in: Der Islam in der Gegenwart, hrsg. von Werner Ende und Udo Steinbach, 4. Auflage 1996, S. 213 ff. (213) und passim; vgl. schließlich Smail Balic, Die innerislamische Diskussion zu Säkularismus, Demokratie und Menschenrechten, in: Der Islam in der Gegenwart, hrsg. von Werne Ende und Udo Steinbach, 4. Auflage 1996, S. 590 ff. 3 Stellvertretend für das Schrifttum sei hier nur auf die Darstellung von Axel Frhr. v. Campenhausen Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 88 ff., verwiesen; dort (Anm. 113) findet sich auch das oben wiedergegebene Zitat. – Näher hierzu unten sub E.

66

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

die Bedeutung der Frage, worin die Übereinstimmung zwischen den kirchenrechtlichen und den staatskirchenrechtlichen Positionen, soweit diese die Grundzüge des Verhältnisses von Kirche und Staat betreffen, gründet. Wie der exemplarische Hinweis auf den Islam und sein vielfach abweichendes, um nicht zu sagen: konträres Verständnis vom Verhältnis der weltlichen zur geistlichen Macht bereits andeutet4, liegt der wohl maßgebliche Grund für die Konvergenz und damit für die Kompatibilität des kirchenrechtlich wie des staatskirchenrechtlich fixierten Verhältnisses von Kirche und Staat in der gemeinsamen Geschichte des Christentums und des freiheitlichen Verfassungsstaates westlicher Prägung begründet. Deren nähere Betrachtung erweist den im Folgenden besonders hervorgehobenen5 ideengeschichtlichen Einfluss des Christentums auf das Werden des modernen Staates, auf dessen Verhältnis zur Religion bzw. zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften wie auch die Rückwirkung der Entwicklungen in der weltlichen Ordnung auf die christlichen Kirchen: auf die Trennung von Kirche und Staat, d.h. auf die Säkularität des Staates; auf die Anerkennung des Postulats der Würde jedes Menschen und – daraus resultierend – auf das Recht individueller Freiheit, namentlich auch im Religiösen; auf die aus der Trennung von Staat und Kirche sowie aus der Religionsfreiheit folgende Neutralität des Staates und seine Verpflichtung zur Parität. Freilich lassen sich die geistesgeschichtlichen Wurzeln dieser die Gegenwart prägenden Grundzüge des Verhältnisses von Kirche und Staat – die ideengeschichtlichen Quellen der Säkularität des Staates (hierzu nachfolgend sub I.), der Menschenwürde und der menschlichen Freiheit im Allgemeinen wie der religiösen Freiheit im Besonderen (hierzu nachfolgend sub II.) und schließlich der Grundsätze von Neutralität und Parität (hierzu nachfolgend sub III.) – in Kürze kaum skizzieren, erst recht nicht in einer umfassenden Weise; auch macht es der Umstand, dass diese essentialia des heutigen Verhältnisses von Kirche und Staat nicht das Resultat eines einzigen, monokausalen geschichtlichen Ereignisses, sondern das Ergebnis eines sich über Jahrhunderte bzw. Jahrtausende erstreckenden, komplexen historischen Entwicklungsprozesses sind, nicht einfach, unangreifbare geschichtliche Zäsuren zu setzen, an denen diese Entwicklungen ihren Anfang genommen haben. Demgemäß können im Folgenden nur wesentliche Aspekte dieser Entwicklung nachzuzeichnen gesucht werden.

4

Hierzu näher unten sub E. Die nachfolgenden Darlegungen fokussieren im Interesse der hier verfolgten Fragestellung die Auswirkungen des Christentums auf die Gestalt der abendländischen Welt; diese Schwerpunktsetzung soll indessen andere Quellen der Kulturbeeinflussung nicht in ihrer Bedeutung schmälern. 5

I. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Säkularität des Staates

67

I. Wesentliche kulturgeschichtliche Wurzeln der Säkularität des Staates6 Bei der Bestimmung der ideengeschichtlichen Entwicklung zum säkularen Staat lässt sich mit einer gewissen Berechtigung ein geschichtlicher Einschnitt in der Etablierung des Christentums finden. Mit dem Sieg des Christentums im römischen Imperium ist zwar noch nicht die Vorstellung von der für die Existenz des Imperiums notwendigen Einheit zwischen religiöser und politischer Ordnung beseitigt7; nachdem Kaiser Konstantin (272/80–337) im 4. Jahrhundert das römische Imperium mit dem Christentum versöhnt hat, wird gar ein Reichskirchentum etabliert, das bis in das 11. Jahrhundert Bestand hat8. Gleichwohl gelangt in der Folge des Christentums die Säkularität zur Blüte, weshalb sich diese als geistesgeschichtliche Konsequenz des Christentums begreifen lässt. 1. Die Etablierung des Christentums9 So wird heute ganz überwiegend einer der ersten, vermutlich wohl der erste überlieferte Vorläufer des grundsätzlichen Trennungsgedankens historisch in dem berühmten Brief des Papstes Gelasius I. (gest. 496) an Kaiser Anastasius (430/431–518) aus dem Jahre 494 gesehen. In diesem wird das wegweisende Wort von den „zwei Gewalten“ geprägt, das nachhaltig zwischen imperium und sacerdotium differenziert und damit der oströmischen Identifizierung derselben entgegentritt10. Ihre theologische Begründung findet diese Sichtweise im Zwei6 Hierzu Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (93 ff.); zu dieser Deutung zuletzt kritisch Horst Dreier, Kanonistik und Konfessionalisierung – Marksteine auf dem Weg zum Staat, in: JZ 2002, S. 1 ff. (6 ff.); umfassend zur Säkularisation Hermann Zabel, Artikel „Säkularisation, Säkularisierung – Der geschichtsphilosophische Begriff“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 5, 1984, S. 809 ff.; vgl. aus staatskirchenrechtlicher Sicht Martin Heckel, Säkularisierung. Staatskirchenrechtliche Aspekte einer umstrittenen Kategorie, in: ZRG Kan. Abt. 66 (1980), S. 1 ff. = ders., Gesammelte Schriften, Bd. II, 1989, S. 773 ff.; Hans-Wolfgang Strätz, Artikel „Säkularisation, Säkularisierung – Der kanonistische und staatskirchenrechtliche Begriff“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 5, 1984, S. 792 ff. 7 Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 4, S. 111 ff. (126 f.). 8 Vgl. hierzu den zusammenfassenden Überblick bei Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 20 ff. 9 Zu dem Einfluss des Christentums auf die Unterscheidung von Kirche und Staat: Axel Frhr. von Campenhausen, Christentum und Recht, in: Christentum und europäische Kultur. Eine Geschichte und ihre Gegenwart, hrsg. von Peter Antes, 2002, S. 96 ff. (96 ff.).

68

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Schwerter-Wort Jesu im Bericht des Evangelisten Lukas: „Da sagten sie: Herr, hier sind zwei Schwerter. Er erwiderte: Genug davon“11. Gelasius I. sieht in den zwei Schwertern beide Gewalten, die weltliche wie die geistliche, versinnbildlicht. In seinem Schreiben12 begründet er die Ansicht, nach der die geistliche von der weltlichen Gewalt unabhängig und jede für ihren Bereich zuständig ist. Freilich soll die weltliche der geistlichen Gewalt insoweit untergeordnet sein, als die Könige vor Gott Rechenschaft für ihr Tun abzulegen haben; umgekehrt sollen die Kirchenlenker im Bereich der öffentlichen Ordnung den kaiserlichen Gesetzen gehorchen13. Ähnlich wie das Wort von den zwei Schwertern wird daneben die für das Trennungsverhältnis von Staat und Kirche ebenfalls historisch wirkmächtig gewordene Aussage des Zins-Groschen-Wortes Jesu rezipiert: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört und Gott, was Gott gehört!“14: Auch dieses Wort, so vielgestaltig es historisch interpretiert worden ist, wird ebenfalls, wie auch weitere Aussagen Jesu15, vornehmlich als Beschreibung einer Unterscheidung zwischen der weltlichen und der geistlichen Sphäre gedeutet. 10 Hierzu etwa Hugo Rahner, Kirche und Staat im frühen Christentum. Dokumente aus acht Jahrhunderten, 1961, S. 227; Gerd Tellenbach, Libertas. Kirche und Weltordnung im Zeitalter des Investiturstreites, 1936, S. 42 ff.; Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 4, S. 111 ff. (127); Bernd Jeand’Heur/Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, Rn. 9; vgl. auch Christian Starck, Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. (8 f., Anm. 21). 11 Lk 22, 38. 12 Abgedruckt bei Hugo Rahner, Kirche und Staat im frühen Christentum. Dokumente aus acht Jahrhunderten und ihre Deutung, 1961, S. 254 ff. 13 Vgl. August Franzen/Remigius Bäumer, Kleine Kirchengeschichte, 5. Auflage 1997, S. 110 f.; klassisch zum christlichen Gehorsam gegenüber staatlichen Gesetzen: Röm 13, 1–7; zum Suprematieanspruch der kirchlichen Autorität vgl. Kurt Wolzendorff, Staatsrecht und Naturrecht in der Lehre vom Widerstandsrecht des Volkes gegen rechtswidrige Ausübung der Staatsgewalt, 1916, S. 112. 14 Mk 12, 17; Mt 22, 22; Lk 20, 26. 15 Die prinzipielle Verschiedenartigkeit des weltlichen Reiches und des göttlichen Reiches wird auch an weiteren Stellen des Neuen Testamentes unterstrichen. Im Passionsbericht der johanneischen Fassung etwa entgegnet Jesus in dem Verhör Pilatus als dem Statthalter (Präfekten) der römischen Provinz Judäa auf dessen Frage nach Jesu Königtum: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier“ (Joh 18, 36). Ähnlich bringt für die Christenheit der Apostel Paulus im Philipperbrief zum Ausdruck: „Unsere Heimat aber ist im Himmel. Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter“ (Phil 3, 20). In derartigen Aussagen des Neuen Testaments kommt indessen nicht allein die Wesensverschiedenheit vom weltlicher und himmlischer, d.h. göttlicher Macht zum Ausdruck, sondern auch die Bewertung der Welt als nur vorläufige Größe (vgl. auch Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson,

I. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Säkularität des Staates

69

Auch wenn das Neue Testament exakte Aussagen zum Verhältnis von Staat und Religion, von Staat und Kirche, nicht enthält – es kennt den Begriff des Staates nicht einmal16, verwendet den für das politische Denken der Griechen zentralen Begriff „Polis“ nicht ein einziges Mal im politischen Sinne17 und enthält bekanntlich erst recht keine Staatslehre18 – könnte doch der mit der Rezeption dieser Jesus-Worte einhergehende Gegensatz des christlichen Denkens zum antiken Denken nicht größer sein. Gelasius I. macht diese Worte zu der Grundlage seiner Lehre von den zwei Gewalten, derzufolge das friedvolle Zusammenwirken beider Gewalten „die Welt regieren soll“19. Soweit die noch tastende, gleichwohl erstmalige Formulierung eines Trennungsgedankens in Frage steht, dürfte dieser Brief in der Tat die erste überlieferte Quelle der später sich hieraus entwickelnden „Trennungslehre“ darstellen. In der Folge erklärt die päpstlich-kuriale Doktrin, dass Gott beide Schwerter, sowohl den gladius spiritualis als auch den gladius materialis Petrus und seinen 1994, § 4, S. 111 ff. [124 ff.]). Diese biblische Bewertung der weltlichen Macht dürfte eine der wirkmächtigsten Aussagen überhaupt enthalten, weil hierdurch – historisch gesprochen – dem Kaiserkult, allgemein gesprochen: der Mystifizierung weltlicher Macht nachhaltiger vorgebeugt wird als durch alle anderen Aussagen über den Staat und die Macht des Fürsten bzw. Herrschers. Aus dem christlichen Glauben an die Welt als eine nur vorläufige Größe und an den Transzendenzglauben schließen sich weitergehende, historisch ebenfalls Wirkmächtigkeit entfaltende Folgerungen an, die das Verhältnis von Welt und Gott, von Staat und Kirche, in einem unmittelbaren Sinne verlassen, gleichwohl die Entwicklung des modernen Staates in erheblichem Ausmaß beeinflusst haben: Denn der christliche Transzendenzglaube, die „christliche Weltdistanz“ (Begriff bei Josef Isensee, Verfassungsstaatliche Erwartungen an die Kirche, in: Essener Gespräche, Bd. 25 (1991), S. 104 f. [139]) – nicht aber: eine Weltabkehr – haben erhebliche Bedeutung für den Gedanken unveräußerlicher Menschen- und Grundrechte gewonnen, weil die weltliche Inanspruchnahme des ganzen Menschen mit dem am markantesten in der Apostelgeschichte zum Ausdruck gelangenden Vorranganspruch Gottes nicht in Einklang zu bringen war und ist und daher die Kirche – zunächst vor allem für sich selbst, in der Gegenwart für alle Religionsgemeinschaften – auf die Freiheit der religiösen Verkündung wie auch der religiösen Betätigung drängte bzw. drängt. 16 Josef Blinzler, Artikel „Staat in der Schrift“, in: LThK Bd. IX, 2. Auflage hrsg. von Josef Höfer/Karl Rahner, 1964, Sp. 995 ff. (995). 17 Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 4, S. 111 ff. (121) unter Hinweis auf Hermann Strathmann, Artikel „Polis“, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, hrsg. von Gerhard Friedrich, Bd. 6, 1959, S. 516 ff. (529). 18 Otto Kuss, Paulus über die staatliche Gewalt, in: ThG 45 (1955), S. 321 ff. (333); Martin Honecker, Evangelische Theologie vor dem Staatsproblem, (Vorträge vor der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, G 254), 1981, S. 7 ff. (7); hierzu auch die Darstellung bei Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 4, S. 111 ff. (119 ff., v. a. S. 121 ff.). 19 Hugo Rahner, Kirche und Staat im frühen Christentum. Dokumente aus acht Jahrhunderten, 1961, S. 227, 254 ff.

70

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Nachfolgern übergeben habe, der Papst daher das weltliche Schwert dem Fürsten nur leihe und vor diesem Hintergrund die geistliche der weltlichen Gewalt übergeordnet sei20. Damit ist in nunmehr historisch wirkmächtiger Weise der Dualismus grundgelegt, auf dem fortan die abendländische Entwicklung hinsichtlich des Verhältnisses von Kirche und Staat beruht. In diesem Sinne stößt in der Tat „der Brief des Gelasius [. . .] alle Tore des kommenden Mittelalters auf“21. Freilich wird bereits vor der Entwicklung eines solchen theoretischen Konzepts eine Scheidung von Staat und Kirche, jedenfalls dem Ansatz nach, teilweise praktiziert22. Zwar nimmt das Christentum zunächst, wesentlich bedingt durch Kaiser Konstantin (272/80–337), die Funktion und den Rang der antiken Polis-Religion ein und avanciert damit zu einer Reichsreligion, die die Ordnung des öffentlichen Lebens bestimmt23. Indessen kommen alsbald erste Trennungsaspekte zur Geltung, wobei insofern namentlich auf Ambrosius (um 340–397), seit 374 Bischof von Mailand, hinzuweisen ist, der zu seiner Zeit als Berater der Kaiser Gratian (359–383), Valentinian (371–392) und Theodosius I. (347–395) entscheidenden Einfluss auf die praktische Politik ausübt. Bereits er tritt dem politischen Monophysitismus nach beiden Seiten entgegen: Der weltlichen Macht verwehrt er einerseits Übergriffe in kirchlich-religiöse Fragestellungen, erkennt andererseits aber auch deren Eigenständigkeit und deren Wert für die Ordnung des bürgerlichen Lebens an24. So weist Ambrosius in verschiedenen Konflikten mit dem kaiserlichen Hof namentlich das Staatskirchentum zurück und nötigt – weil der Kaiser in der Kirche stehe, nicht über ihr – selbst Kaiser Theodosius I. zu einer Kirchenbuße, nachdem dieser nach christlichem Verständnis Schuld auf sich geladen hat25. Bereits damit erfolgt in der praktischen Umsetzung eine deutliche Distanzierung von dem byzantinischen System, was bei Augustinus (354–430), der durch Ambrosius zur Kirche findet, schließlich zu der Formulierung des Gedankens der Überordnung der Kirche über die weltliche Macht und – diesem Gedanken immanent – der Unterscheidbarkeit von geistlicher und weltlicher Gewalt führt, freilich noch weit entfernt von der schließlich historisch entwickelten Trennung von Staat und Kirche.26 Soweit bekannt, bleibt eine solche Unterscheidung in ihrer Wirkmächtigkeit allerdings zunächst noch äußerst beschränkt. 20 Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 4, S. 111 ff. (129). 21 Hugo Rahner, Kirche und Staat im frühen Christentum. Dokumente aus acht Jahrhunderten, 1961, S. 227. 22 Vgl. hierzu den zusammenfassenden Überblick bei Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 22 ff. 23 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (95). 24 Vgl. August Franzen/Remigius Bäumer, Kleine Kirchengeschichte, 5. Auflage 1997, S. 91 f. 25 Vgl. August Franzen/Remigius Bäumer, Kleine Kirchengeschichte, 5. Auflage 1997, S. 92. 26 Klassisch: „De civitate Dei“; vgl. im Überblick: Cornelius Mayer, Artikel „Augustinus“, in: StL, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, 7. Auflage, 1985, Bd. I, Sp. 403 ff.

I. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Säkularität des Staates

71

2. Das Mittelalter – Insbesondere der Investiturstreit (1075–1122) Im Anschluss an den Gedanken des Gelasius von den zwei Gewalten entwickeln sich verschiedenartigste, teilweise gegenläufige Ansichten über das Verhältnis von Kirche und Staat, u. a. auch die Lehre der „potestas directa ecclesiae in temporalibus“, wobei bei deren Beurteilung stets zu beachten ist, dass derartige Lehren seinerzeit bedingt sind durch die Vorstellung von der ecclesia universalis, in der die geistliche und die weltliche Macht zusammengefügt sind27. Diese Lehren haben allesamt die Frage zum Gegenstand, welcher der beiden nach der Zweigewaltenlehre voneinander zu unterscheidenden Mächte der Vorrang gebührt bzw. wie die höhere Stellung der Kirche begründet werden kann; letztlich wird die übergeordnete Stellung der Kirche mit ihrer Ausrichtung auf das ewige, überweltliche Wohl gerechtfertigt28. Die Meinungsverschiedenheiten über die Bestimmung des Verhältnisses von Kirche und Kaiser, von Kirchen- und von Reichsgewalt, münden letztlich in den Investiturstreit (1075– 1122), der die geistig-politische Auseinandersetzung um die Ordnungsform der abendländischen Christenheit zum Gegenstand hat29. Bis zum Investiturstreit basiert die res publica christiana nicht nur auf dem Christentum als ihrer Grundlage, sondern ist – insoweit in der Tradition Konstantins – „in sich selbst, in ihrer Substanz, sakral und religiös geformt, eine heilige Ordnung, die alle Lebensbereiche umfasst, noch ganz ungeschieden nach geistlich und weltlich, Kirche und Staat“30. Das Ziel des weltlichen Reiches besteht in diesem Verständnis darin, das Reich Gottes auf Erden zu verwirklichen und dem Bösen zu wehren. Kaiser und Papst sind beide Repräsentanten der religiös-politischen Einheit31. Im Investiturstreit nun sucht die eccle27 Vgl. hierzu die Darstellung bei Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 4, S. 111 ff. (127 ff.). 28 Dies gilt letztlich auch für die Entwicklung der Theorie von der „potestas indirecta ecclesiae in temporalibus“ durch Kardinal Bellarmin (1542–1621); vgl. hierzu Franz Xaver Arnold, Die Staatslehre des Kardinals Bellarmin, 1934. 29 Zum Investiturstreit als historischem Ursprung der Säkularisation: Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (94 ff.); Christian Starck, Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. (8 ff.); vgl. auch Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage 1966, S. 38 sowie Albert Mirgeler, Rückblick auf das abendländische Christentum, 1961, S. 109 ff.; ferner Manfred Spieker, Christentum und freiheitlicher Staat, in: Communio, 24 (1995), S. 311 ff. (312); kritisch zu diesem als Ursprung der Säkularisation: Martin Heckel, Weltlichkeit und Säkularisierung, in: Luther in der Neuzeit, hrsg. von Bernd Moeller, 1983, S. 34 ff. (35 ff.). 30 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (94 f.) unter Hinweis auf Friedrich Heer, Aufgang Europas, 1949, S. 23 ff., 103 ff. (v. a. 107 ff. und 116 ff.) und passim.

72

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

sia alles Geistliche, Spirituelle, Sakrale, das gesamte Glaubensgut und dessen Bereich für sich zu beanspruchen – und zwar für sich alleine. Mit dem Ruf nach der libertas ecclesiae, von dem zu Recht gesagt worden ist, er trage die Trennung von geistlicher und weltlicher Sphäre bereits in sich, mit dem der Kaiser – und mit ihm die politische Ordnung als solche – „seinen [bzw. ihren] geistlichen Standort [verliert]“ und „in die Weltlichkeit entlassen [wird]“, wird die politische Ordnung zu einem „weltlichen Geschäft“, dies freilich in der Intention, auf diese Weise könne eine Entwertung und damit eine Abwehr kaiserlicher Herrschaftsansprüche im Bereich des Glaubens und der Kirche bewirkt werden32. Besondere Wirkmächtigkeit erlangt in diesem Kontext 1075 der Dictatus papae des Papstes Gregor VII. (ca. 1019/30–1085)33. Dieser verbindet dezidiert den Gedanken und die Forderung nach der Freiheit der Kirche mit dem Anspruch der Unterordnung der kaiserlichen, d.h. der weltlichen unter die durch den Papst repräsentierte geistliche Gewalt34. Diese Lehre findet ihre Fortsetzung unter verschiedenen Päpsten und ihren Höhepunkt schließlich 1302 in der Bulle „Unam sanctam“35, in der auf der Grundlage der Zwei-Schwerter-Lehre die prinzipielle, d.h. die wesensmäßige Verschiedenartigkeit von weltlicher und geistlicher Gewalt anerkannt wird; in dieser Bulle wird der Papst als Quelle beider Gewalten betrachtet, wobei ihm grundsätzlich die Verpflichtung obliegen soll, den gladius materialis an den Fürsten weiterzureichen, freilich nur unter dem Vorbehalt einer päpstlichen Intervention für den seiner Beurteilungskompetenz unterliegenden Fall der Gefährdung des Seelenheils durch Missbrauch der weltlichen Gewalt36. Diese Sichtweise kann sich zwar nicht durchsetzen, doch 31 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (95 m. w. N.). 32 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (96). 33 Vgl. ergänzend zu den folgenden Ausführungen den Überblick bei Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 55 ff. 34 Zum „Dictatus papae“ näher Eugen Rosenstock-Huessy, Die europäischen Revolutionen und der Charakter der Nationen, 2. Auflage 1951, S. 143 ff.; unter Verweis auf diesen auch Christian Starck, Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. (8 ff.); vgl. auch die Darstellung bei Bernd Jeand’Heur/Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, Rn. 8 ff. 35 Otto von Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. III, 1881, S. 519 ff.; vgl. hierzu auch Aegidius Romanus, De Ecclesiastica Potestate (1302), hrsg. von Richard Scholz 1929 (Neudruck 1961); zusammenfassend Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 4, S. 111 ff. (128). 36 Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 4, S. 111 ff. (129).

I. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Säkularität des Staates

73

der von Gelasius I. grundgelegte Dualismus wird hierdurch nicht nur erneut und heftiger als zuvor thematisiert, sondern wird damit nunmehr endgültig zu einem fortwährenden Grundthema der europäischen Geschichte37, weil Voraussetzung des Geltendmachens der Suprematie der ecclesia die prinzipielle Säkularisierung der Politik, d.h. die Anerkennung der Weltlichkeit der Welt, ist38: Erst diese Sichtweise birgt die Möglichkeit in sich, dass sich das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Macht theoretisch wie historisch-praktisch auch umkehren kann, denn – worauf später Thomas Hobbes (1588–1679) aufmerksam macht39 – wo die ecclesia die Letztentscheidung in weltlichen Aspekten beansprucht, wird es überhaupt erst denkbar und damit möglich, dass unter umgekehrten Vorzeichen auch die weltliche Macht die Letztentscheidung in geistlichen Fragen beanspruchen kann40. Auch wenn sich der Dictatus papae sowie die Bulle „Unam sanctam“ letztlich nicht durchzusetzen vermögen, mithin die Kirche bzw. der Papst außer einem „Ehrenvorrang“ keine Oberhoheit über das Kaisertum erlangen können, gewinnen in der Folge dieser Lehre und der Auseinandersetzungen im Investiturstreit die Kirche und das Papsttum doch an Selbständigkeit und organisatorischer Festigkeit, die sich insbesondere in der Schaffung des kanonischen Rechts äußern41, mithin in dem Aufbau einer zentralen Rechtsetzung, mit einer Verwaltungshierarchie zur Ausführung der Gesetze und mit eigener Gerichtsbarkeit42. Der Suprematieanspruch und damit, ihm immanent, der Gedanke der Unterscheidbarkeit von weltlicher und geistlicher Macht wird weiter entwickelt und ausdifferenziert; überaus bedeutsam ist hier wie auch sonst der alles überragende Theologe des Mittelalters, Thomas von Aquin (1224/25–1274). Dieser betont auf der Grundlage der für ihn charakteristischen Verbindung der christlichen Glaubensaussagen mit der aristotelischen Staatsphilosophie zunächst den Ursprung sowohl der geistlichen wie auch der weltlichen Macht in Gott: „Beide Gewalten, die geistliche und die weltliche, stammen von Gott. Daher steht die weltliche Obrigkeit insofern unter der geistlichen, als sie von Gott ihr untergeordnet ist, nämlich in den Dingen, die das Heil der Seele betreffen, weshalb 37

Hierzu eingehend Albert Mirgeler, Rückblick auf das abendländische Christentum, 1961, S. 113 ff. 38 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (98). 39 Nachweise bei Carl Schmitt, Die vollendete Reformation, Bemerkungen und Hinweise zu neuen Leviathan-Interpretationen, in: Der Staat 4 (1965), S. 51 ff. 40 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (98). 41 Dazu Harold J. Berman, Recht und Revolution, 1991, S. 41 ff., 193 ff. 42 Vgl. zusammenfassend hierzu auch Christian Starck, Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. (9).

74

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

man in diesen Dingen mehr der geistlichen als der weltlichen Gewalt gehorchen muss. In denjenigen Dingen aber, die die bürgerliche Wohlfahrt betreffen, muss man mehr der weltlichen als der geistlichen Gewalt gehorchen“43. Thomas versteht vor diesem Hintergrund die Überordnung der geistlichen Gewalt nicht absolut, sondern begrenzt diese durch ihre Ausrichtung auf die Transzendenz und spricht insofern der weltlichen Macht in dem ihr zugewiesenen Bereich weitgehende Selbständigkeit zu44. Die, insgesamt gesehen, jahrhundertelange Geltendmachung des Suprematieanpruchs durch die Kirche einerseits und der organisatorische Ausbau der Kirchenstrukturen mit der Schaffung des kanonischen Rechts andererseits regen im weiteren geschichtlichen Verlauf nunmehr auch die kaiserliche, die weltliche Gewalt an, sich auf ihre Eigenständigkeit zu besinnen und den Vorsprung der Kirche in der Institutionalisierung aufzuholen45; damit beschleunigen beide Faktoren die geschichtliche Entwicklung im Abendland mit der für sie charakteristischen Verselbständigung von weltlicher und geistlicher Macht. Auch wenn die Unterscheidung der weltlichen von der geistlichen Sphäre im Investiturstreit nicht unmittelbar zu politisch-praktischer Umsetzung gelangt, auch wenn die überkommene politisch-religiöse Einheit der res publica christiana vor allem im Bewusstsein ihrer Zeit zunächst noch fortbesteht, auch wenn mithin die alten Ordnungsformen zunächst formal noch überdauern46, so ist damit durch den Investiturstreit doch dem Gedanken der Eigenständigkeit der weltlichen Belange zu historischer Wirkmächtigkeit verholfen, der sich in den folgenden Jahrhunderten immer stärker verbreitet und sodann durchsetzt. Dies ist der Grund dafür, dass der Suprematieanpruch der Kirche, dem die Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Sphäre immanent ist, nicht zu Unrecht als „die erste Revolution des Abendlandes“ gewürdigt worden ist47, die „den Ursprung der westlichen Rechtstradition“48 und in diesem Sinne ein „identitätsbestimmendes historisches Ereignis“ darstellt49: Es ist „die päpstliche Revo43 Thomas von Aquin: In II sententiarum, dist. 44 qu. 2, a 3, ad 4, in: Opera Omnia, hrsg. von Roberto Busa, Bd. 1, 1980, S. 122 ff. 44 Vgl. die Darstellung bei Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 4, S. 111 ff. (129 f.); zur Staatslehre des Thomas von Aquin siehe sehr ausführlich: Peter Tischleder, Ursprung und Träger der Staatsgewalt nach der Lehre des hl. Thomas, 1923, passim; vgl. im Überblick auch Richard Heinzmann, Artikel „Thomas von Aquin“, in StL, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, 7. Auflage, 5. Bd., 1989, Sp. 465 ff. 45 Vgl. zu der entsprechenden Entwicklung unter Friedrich II. in aller Kürze Albert Mirgeler, Rückblick auf das abendländische Christentum, 1961, S. 127. 46 Hierzu die Hinweise bei Albert Mirgeler, Rückblick auf das abendländische Christentum, 1961, S. 120 ff. und 129. 47 Eugen Rosenstock-Huessy, Die europäischen Revolutionen und der Charakter der Nationen, 2. Auflage 1951, S. 143 ff. 48 Harold J. Berman, Recht und Revolution, 1991, S. 144.

I. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Säkularität des Staates

75

lution im 11. Jahrhundert“, die eine vollständige Einheit von weltlicher Herrschaft und Kirche abweist und auf Dauer durch Einwirkung weiterer Kräfte zur Trennung von Staat und Kirche führt50. So hat die im Investiturstreit angelegte Säkularisierung die weltliche Macht nicht aus jeder religiösen Fundierung, doch immerhin aus der „unmittelbaren Jenseitsorientierung“ entlassen51. Das Wormser Konkordat von 1122 sichert in der Folge den ausschließlichen Einfluss der Kirche auf die Wahl der Bischöfe, verpflichtet jedoch zugleich, die vom Papst bestellten Bischöfe mit weltlichen Gütern zu belehnen52. So lässt sich der Gedanke von der Trennung von Kirche und Staat, genauer: seine beginnende Durchsetzung, historisch letztlich zu einem wesentlichen Teil auf den Investiturstreit zurückführen, in dem Gregor VII. seinen Dictatus papae zur Geltung bringt und in der Folge damit den Grundstein für die historische Entwicklung bis hin zur Bulle „Unam Sanctam“ legt53. Damit ist es, wie im Schrifttum teilweise nicht ohne Verwunderung bemerkt worden ist, im Kampf um die Freiheit der Kirche gerade sie selbst bzw. sind es ihre katholischen Gelehrten, die zugleich als die „radikalsten Vertreter der Weltlichkeit des Staates“ auftreten54. Als in der Folge erste Vertreter der Weltlichkeit des Gemeinwesens von weltlicher Seite aus werden im Schrifttum Marsilius von Padua (um 1275–1342/43) und Wilhelm von Ockham (um 1285–1349) betrachtet55. Bei Marsilius von Padua, der gar als der erste Theoretiker eines ausschließlich weltlich verstande49 Christian Starck, Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. (9). 50 Christian Starck, Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. (9 f.); ebenso Harold J. Berman, Recht und Revolution, 1991, S. 193; Manfred Spieker, Christentum und freiheitlicher Staat, in: Communio 24 (1995), S. 311 ff.; Ernst Wolf, Libertas christiana und libertas ecclesiae, in: Evangelische Theologie 9 (1949/50), S. 13 ff. (136). 51 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (99). 52 Vgl. Bernd Jeand’Heur/Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, Rn. 8. 53 Ernst H. Kantorowicz, The King’s two bodies – A Study in Mediaeval Political Theology, 1975, S. 90 und 93; Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage 1966, S. 38; vgl. auch Kurt Wolzendorff, Staatsrecht und Naturrecht in der Lehre vom Widerstandsrecht des Volkes gegen rechtswidrige Ausübung der Staatsgewalt, 1916, S. 112 ff. 54 Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage 1966, S. 39 unter Hinweis u. a. auf Leopold von Ranke, Die Idee der Volkssouveränität in den Schriften der Jesuiten, in: Abhandlungen und Versuche, Erste Sammlung, 2. Auflage 1877, S. 225 ff. 55 Vgl. unter Berufung auf Sigmund Riezler, Die literarischen Widersacher der Päpste zur Zeit Ludwig des Baiers, 1874, dort v. a. S. 274, so etwa wiederum Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage 1966, S. 40. Zu Wilhelm von Ockham: Ernst-Wolfgang Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, 2002, S. 287 ff.

76

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

nen Staates gilt56, kommt die von Thomas Hobbes (1588–1679) später konstatierte bzw. rekonstruierte Logik zum Tragen, dass aus dem Suprematieanspruch der Kirche gegenüber der weltlichen Macht unter Umständen auch die weltliche Macht die Schlussfolgerung ziehen könne, ihrerseits Suprematie gegenüber der geistlichen Gewalt einzufordern. So setzt Marsilius dem kirchlichen Streben nach Suprematie einen entsprechenden Anspruch des Kaisers entgegen57 und unterstreicht mit diesem weltlichen Suprematieanspruch seinerseits wiederum den diesem Anspruch immanenten Gedanken der Scheidung der weltlichen von der geistlichen Sphäre: Für die kaiserliche Auffassung – seinerzeit steht Marsilius im Dienste Kaiser Ludwigs des Bayern (1281/1282–1347) – stellt er fest, dass jedes Schwert von Gott unmittelbar an Papst und Kaiser übergeben sei und beide Gewalten daher prinzipielle Selbständigkeit in ihren Bereichen genössen58. Dies betont auch Wilhelm von Ockham. Von ihm ist die Wendung überliefert, wonach „Temporalia (. . .) diejenigen Dinge [sind], die menschliche Herrschaft betreffen oder die Herrschaft über das Menschengeschlecht, soweit es rein auf das Natürliche gestellt ist, ohne jede göttliche Offenbarung“59. Damit heben Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham gleichermaßen, nunmehr von weltlicher Seite, die fundamentale und das Abendland zunehmend prägende Wendung im Verhältnis von Staat und Kirche hervor, die zuvor durch den Dictatus papae eingeleitet worden ist und in der Bulle „Unam sanctam“ zur Vollendung gelangt. Der Streit um die Vorherrschaft von weltlicher bzw. geistlicher Gewalt wirkt, historisch gesehen, weiter fort. Ab dem 13. Jahrhundert jedoch verschieben sich die Gewichte zugunsten der weltlichen Herrschaft, zugunsten der Könige und Fürsten. Dies ist zum einen Folge aufstrebender Nationalstaaten, die nach umfassender Souveränität trachten60, was vor allem für Spanien, Frankreich und England gilt61. Zum anderen – und letztlich wohl gar vorrangig – ist diese Gewichtsverschiebung auch Resultat einer innerkirchlichen Schwächephase, weil in dieser Phase die Einheit der römisch-katholischen Kirche dem großen Schisma mit dem Resultat rivalisierender Päpste und des päpstlichen Exils in Avignon zum Opfer fällt, in dessen Folge die Durchsetzung des kirchlichen Su56

Charles H. McIlwain, The Growth of Political Thought in the West, 1932 (9. Abdruck 1955), S. 313; Walter Theimer, Geschichte der politischen Ideen, 1955, S. 90. 57 Hierzu Heinz Rausch, Marsilius von Padua, in: Klassiker des politischen Denkens, hrsg. von Hans Maier, Heinz Rausch, Horst Denzer, 6. Auflage 1986, S. 150 ff. 58 Hierzu näher Heinz Rausch, Marsilius von Padua, in: Klassiker des politischen Denkens, hrsg. von Hans Maier, Heinz Rausch, Horst Denzer, 6. Auflage 1986, S. 150 ff.; Ilse Staff, Lehre vom Staat, 1981, S. 44 ff. 59 Zitiert nach Otto Bornhak, Staatskirchliche Anschauungen und Handlungen am Hofe Kaiser Ludwigs des Bayern, 1933, S. 12. 60 Vgl. hierzu Hans Erich Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, I. Band, Die katholische Kirche, 5. Auflage 1972, § 37. 61 Vgl. Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage 1966, S. 42 f.

I. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Säkularität des Staates

77

prematieanspruchs unmöglich wird. Zudem wird ab dem Beginn des 15. Jahrhunderts auf den Reformkonzilien um die päpstliche Vorherrschaft als solche gerungen, die sich zwar schließlich erfolgreich aller Angriffe erwehren kann, jedoch nicht zu verhindern vermag, dass diese innerkirchliche Bewegung eine nicht unerhebliche Schwächung der Kirche nach außen, mithin gegenüber ihren weltlichen Gegenkräften, zur Folge hat62. 3. Das Zeitalter der Reformation Einen weiteren entscheidenden Schritt in der Fortentwicklung des Verhältnisses von Staat und Kirche bringt die Reformation mit sich, die teilweise als „zweite Stufe der Säkularisation“ verstanden wird63. Freilich ist die Auswirkung der Glaubensspaltung auf die Realisierung der Unterscheidung von Welt und Kirche nach wie vor Gegenstand unterschiedlicher, ja kontroverser Beurteilungen. So wird zum einen der Beitrag, den die Reformation für die Herausbildung eines weltlichen Staates leistet, als noch bedeutsamer als der des Papstes Gregor VII. angesehen64; zum anderen jedoch wird darauf hingewiesen, dass sich die Reformation zunächst ausgesprochen ungünstig auf die Trennung von Staat und Kirche auswirkt, da das öffentliche Leben infolge der Vereinigung von weltlicher und kirchlicher Herrschaft in der Person des Landesherrn konfessionalisiert wird, die evangelische Kirche in Abhängigkeit von diesem gerät65 und die katholische Kirche in dieser Situation den ihr verbliebenen Besitzstand nur durch Anlehnung an katholisch gebliebene Fürsten wahren kann, weshalb das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment durch ausgedehnte Aufsichtsrechte auch hier Verstärkung erfährt – auch wenn die Existenz des Papsttums und die Universalität der katholischen Kirche verhindern, dass der katholische Fürst eine Stellung einnehmen kann, die auch formell der des evangelischen Landesherrn entspricht66.

62 Dazu Hans Erich Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, I. Band, Die katholische Kirche, 5. Auflage 1972, § 38. 63 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (99 ff.); vgl. zu den Folgen der Reformation für das Verhältnis von Kirche und Staat Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 76 ff. Zum konfessionellen Zeitalter sowie zur Reformation und ihren Folgen näher Christoph Link, Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte, 2000, S. 11 ff. 64 So zunächst die Wertung bei Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage, S. 39, der diese hernach freilich unter Hinweis auf Johannes Heckel, Lex Charitatis, 1953, relativiert. 65 Stellvertretend für diese Sichtweise Christian Starck, Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. (11).

78

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Die unterschiedliche Bewertung der Reformation in ihren Auswirkungen auf das Verhältnis von Staat und Kirche dürfte maßgeblich begründet sein in dem ihr merkwürdig zu eigenen Gegensatz von theoretischer Anschauung und praktischer Umsetzung. So bezweckt die (vielgestaltig interpretierbare bzw. interpretierte und bereits vorstehend skizzierte67) Lehre Luthers von den „Zwei Reichen“ einerseits die Sicherung der kirchlichen Selbstbestimmung und damit der kirchlichen Freiheit, andererseits ist in ihr auch die Begründung der Eigenständigkeit der weltlichen Herrschaft mitangelegt68, weil civitas dei und civitas terrena erneut voneinander geschieden werden und hiernach theoretisch eine Unterwerfung der einen unter die andere Gewalt ebenso wenig in Betracht kommt wie die Anerkennung von Mischformen. Gleichwohl fordert Luther (1483– 1546) von den weltlichen Herrschern den Schutz des christlichen Glaubens sowie seine Durchsetzung sowohl in der staatlichen Ordnung als auch gegenüber den Untertanen, womit in der Folge praktisch Formen des Staatskirchentums, genauer: des Landeskirchentums gefördert werden69. Mit der Entscheidung der Reformatoren, weltliche Herrscher als oberste Kirchenleitung und als „Notbischöfe“ anzuerkennen, werden praktische Schritte in Richtung eines solchen Landeskirchentums vollzogen, die ab 1526 in der Ausbildung weltlich geleiteter, territorialer Landeskirchen ihren deutlichen Ausdruck finden und 1555 im Augsburger Religionsfrieden nochmals dadurch begünstigt werden, dass dort für die protestantisch gewordenen Länder die geistliche Jurisdiktionsgewalt der katholischen Bischöfe über den Landesherrn und seine Untertanen suspendiert wird, mit der Folge, dass die Landesherren im Rahmen des sog. landesherrlichen Kirchenregiments die damit entstehende Lücke nun auch formaljuristisch schließen können. Das Summepiskopat wird zunächst im 16. und im 17. Jahrhundert durch die Episkopaltheorie damit begründet, dass die aus dem landesherrlichen Kirchenregiment abgeleitete Kirchengewalt – bis zur erhofften Wiedervereinigung der Konfessionen – lediglich auf Zeit an die säkulare Autorität ausgeliehen sei; Kir66 Christian Starck, Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. (11) unter Hinweis auf Axel Frhr. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 25 ff. 67 Hierzu näher oben sub B. I. 2. a). 68 Vgl. hierzu Herbert Krüger, Die geistigen Grundlagen des Staates, 2. Auflage 1944, S. 24; Martin Heckel, Luther und das Recht – Zur Rechtstheologie Martin Luthers und ihren Auswirkungen auf Kirche und Reich, in: NJW 1983, S. 2521 ff. (2525). 69 Wie hier Bernd Jeand’Heur/Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, Rn. 13. – Freilich bestand hierin im Übrigen Einigkeit mit der katholischen Seite, worauf auch Joseph Lecler, Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation, 1965, Bd. I, S. 148 ff., 240 ff., 439 ff. sowie Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (100), hinweisen, denn auch etwa Thomas von Aquin forderte von der weltlichen Macht eine Bestrafung der Häretiker.

I. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Säkularität des Staates

79

chen- und Staatsgewalt werden insoweit seinerzeit noch voneinander als geschieden konzipiert und verstanden. Diese Scheidung wird aufgehoben durch die Rechtfertigungstheorie des seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts Platz greifenden sog. Territorialsystems, demzufolge die Kirchengewalt Teil der fürstlichen Souveränität sein soll. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts schließlich wird das Summepiskopat durch das sog. Kollegialsystem gerechtfertigt, nach dem die Kirche als Vereinigung von Gläubigen verstanden wird, die wie alle Vereinigungen der Vereinshoheit des Landesherrn untersteht70. Auch die katholische Kirche bleibt unter dem Eindruck der Reformation, wie bereits angedeutet, nicht frei von der Einflussnahme der Landesherren71. In Österreich etwa bestimmt der monarchische Staat unter Maria Theresia (1717– 1780) oftmals ohne päpstliches Einverständnis über die kirchliche Vermögensverwaltung sowie über die Zulassung zur Weihe. Unter Joseph II. (1741–1790) regelt der Staat die Einrichtung von Bistümern, Pfarreien und erlässt Ausbildungs- und Gottesdienstordnungen. Aufgrund der Institution des Papsttums, die derartige Entwicklungen entschieden bekämpft und im Lichte der Universalität der katholischen Kirche unterfällt diese in Deutschland gleichwohl im Ergebnis in deutlich geringerem Ausmaße staatlichen Herrschaftseinflüssen als die sich entwickelnden evangelischen Kirchen72. Vor dem Hintergrund der nunmehr erfolgenden Umkehrung des kirchlichen Suprematieanspruchs und seiner Ersetzung durch einen staatlichen Suprematieanspruch verschlechtert sich auf Jahrhunderte hinaus auch das kirchliche Verhältnis zum Gedanken der Trennung von Staat und Kirche; denn was ursprünglich als Konstrukt gedacht ist, Herrschaftsansprüche des Kaisers auf den Innenbereich der ecclesia abzuwehren, wird nunmehr zu einem neuen Instrument einer intensiven Kirchenbeherrschung und damit zum Kampfinstrument gegen die libertas ecclesiae. Anders gewendet: Der maßgeblich von kirchlicher Seite entwickelte und zunächst unterstützte Trennungsgedanke wird nunmehr aufgrund seiner neuen weltlichen Ausrichtung, die sich entgegen der kirchlichen Intention nicht mehr positiv, sondern nachteilig auf die Freiheit der Kirche auswirkt, zunehmend kritisch betrachtet. Dies ist der Grund dafür, dass im weiteren historischen Verlauf der Trennungsgedanke und die Säkularisierung des Staates, obwohl doch eigentlich Derivate des Christentums, gegen den oftmals entschiedenen Widerstand der christlichen Kirchen durchgesetzt werden. 70 Übersicht zu diesen drei Begründungsansätzen für das landesherrliche Kirchenregiment bei Axel Frhr. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 14 ff.; Bernd Jeand’Heur/Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, Rn. 18 ff. 71 Vgl. hierzu den zusammenfassenden Überblick bei Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 100 f. 72 Hierzu Bernd Jeand’Heur/Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, Rn. 22; Axel Frhr. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 25 ff.

80

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Insofern hat die Reformation in der Tat, praktisch betrachtet, zunächst vielfältig nachteiligen Einfluss auf eine Entflechtung von Staat und Kirche und das umso mehr, als dies nicht nur für die protestantische Konfession, sondern – freilich in abgemilderter Form – auch für die katholische Kirche gilt. Gleichwohl hat die Glaubensspaltung in staatstheoretischer Hinsicht die schon im Investiturstreit einsetzende Überwindung eines einheitlichen Corpus Christianum und damit die Trennung von Staat und Kirche insofern auch nachhaltig positiv beeinflusst, als sich im 16. Jahrhundert vor dem Hintergrund konfessioneller Religions- und Bürgerkriege namentlich und exemplarisch in Frankreich, in Spanien sowie im Reich73 die Ansicht Bahn bricht, dass mehrere Konfessionen nur in Toleranz neben- und miteinander leben können, diese Toleranz ihrerseits aber nur von einem sich bewusst auf das „Diesseits“ beschränkenden Staat angeordnet und durchgesetzt werden kann74. Historisch bedeutsam für diese Sichtweise sind die französischen Juristen geworden, die sog. Politiques, die eine neuartige Argumentation entwickeln, in deren Zentrum ein formeller Begriff des Friedens steht, der als Verkörperung der Abwesenheit äußerer Gewalt aufgefasst wird und dem Vorrang vor der Entscheidung der religiösen Wahrheitsfrage zukommt. Der formelle Friede ist nach Ansicht der Politiques nur zu erreichen durch die Konstruktion der weltlichen Macht als eine in geistlichen Fragen neutrale Gewalt, die über den widerstreitenden religiösen Parteien steht und den Frieden durchzusetzen hat75. Die Verschiedenheit der Konfessionen stellt sich in dieser Sichtweise nicht mehr als eine staatliche, sondern eine kirchliche Angelegenheit dar76. Dieses Verständnis gipfelt in der Feststellung des Kanzlers des Königs von Frankreich, Michel de L’Hopital (1505/06–1573), dass es aus weltlicher Sicht nicht darauf ankomme, welches die wahre Religion sei, sondern wie die Angehörigen unterschiedlicher Religionen zusammen leben könnten77; er weist darauf hin, dass die Wahrheits73 Klassische Darstellung des konfessionellen Bürgerkriegs in Frankreich: Leopold v. Ranke, Französische Geschichte, vornehmlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, Band I, in: Sämtliche Werke, 1868, S. 117 ff. 74 Darstellung bei Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage 1966, S. 41; näher auch Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, S. 92 ff. (100 ff.). 75 Hierzu ausführlich Roman Schnur, Die französischen Juristen im konfessionellen Bürgerkrieg des 16. Jahrhunderts, 1962, S. 16 ff.; Joseph Lecler, Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation, 1965, Bd. 2, S. 109 ff.; zusammenfassend: Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (102 f.). 76 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (103). 77 So Michel de L’Hopital, zitiert nach Leopold v. Ranke, Französische Geschichte, vornehmlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, in: Sämtliche Werke 1868, Bd. I, S. 190; vgl. auch die Darstellung bei Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage 1966, S. 41.

I. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Säkularität des Staates

81

frage nicht vom König als dem Repräsentanten der weltlichen Macht zu entscheiden sei, sondern dass seine Aufgabe allein in der Gewährleistung des Friedens unter den Untertanen bestehe78. De L’Hopital ist es im Übrigen auch, der die Verbindung zwischen der Trennung von Politik und Kirche einerseits und dem Gedanken der Gewissensfreiheit der Untertanen andererseits offenlegt. Das Edikt von Nantes aus dem Jahre 1598 macht, ganz in diesem Sinne, den Versuch, zwei Religionen in einem Staate zuzulassen; es eröffnet die Möglichkeit, Bürger des Königreichs zu sein und die bürgerlichen Rechte zu genießen, ohne der „wahren“ Religion anzugehören und statuiert im Zusammenhang damit für die Untertanen, ganz auf der von de L’Hopital konstatierten inneren Verbindungslinie, die Freiheit des Gewissens79. Bereits zuvor jedoch, im Jahre 1555, erfährt die Höherwertung des formellen Friedens als der Entscheidung der Wahrheitsfrage für das Reich eine erste Realisierung in dem Augsburger Religionsfrieden80. Dieser sichert die religionsrechtliche Parität bis zum Ende des Reiches 1806, garantiert beiden Konfessionen Existenz wie Entfaltung, erkennt den katholischen wie den evangelischen Reichsständen das Recht zu, in ihrem Gebiet für ihre Untertanen den Bekenntnisstand und die Ordnung des Kirchenwesens zu bestimmen und legt damit die Regel „cuius regio, eius religio“ grund81. Inhaltliche Bestätigung wie inhaltliche Erstreckung findet der Augsburger Religionsfriede in den religionsrechtlichen Bestimmungen des Westfälischen Friedens von 164882, in denen die vorstehend skizzierten Regelungen bekräftigt sowie auch auf die Reformierten ausgedehnt werden.

78 So Michel de L’Hopital in der Denkschrift an den König von 1568, hierzu Joseph Lecler, Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation, 1965, Bd. 2, S. 111. 79 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (103 f.). 80 Zum Augsburger Religionsfrieden nachfolgend näher sub II. 4. sowie unten sub III. 2. – Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (105), weist vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen zu Recht darauf hin, dass sich die hier anzeigende prinzipielle Lösung von geistlicher und weltlicher Gewalt vorab in Frankreich angekündigt habe. 81 Hierzu unten näher sub II. 4.; aus dem Schrifttum: Martin Heckel, Artikel „Augsburger Religionsfriede“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, 3. Auflage, 1987, Sp. 111 ff.; vgl. ferner Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 83 ff.; ablehnende Bewertung des kirchenpolitischen Territorialismus bei Joseph Lecler, Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation, 1965, Bd. 2, S. 530 ff. mit Kritik bei Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (100 f.). 82 Hierzu näher unten sub II. 5.

82

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

4. Das Zeitalter der Aufklärung In Großbritannien ist es Thomas Hobbes (1588–1679), der die Säkularisierung staatstheoretisch begründet. Hobbes vertritt die Auffassung, Aufgabe des Staates sei die Gewährleistung des äußeren wie des inneren Friedens, weil seiner Ansicht nach nur so Frieden und Sicherheit, mithin elementare Lebensgüter, gesichert werden können83. Mit diesem Gedanken wird er zum Protagonisten einer ausschließlich weltlichen Begründung und Zweckausrichtung des Staates, in der der Religion keine öffentliche Bedeutung mehr zukommt. Hierin ist, wie Ernst-Wolfgang Böckenförde zu Recht anmerkt, die „rein säkulare, diesseitsorientierte und religionsunabhängige Zielsetzung des Staates [. . .] eindeutig ausgesprochen: Sicherung der Erhaltungsbedingungen des bürgerlichen Lebens und Ermöglichung der Befriedigung der individuellen Lebensbedürfnisse durch die Bürger“84. Um dieses Zieles willen ist der Staat mit der höchsten, letztentscheidenden Herrschaftsmacht auszustatten. Vor diesem Hintergrund ist es Hobbes, der eine ausschließlich säkulare Begründung des Staates formuliert und der überdies ihrer Verwirklichung insoweit nachhaltigen geistigen Vorschub verschafft, als er die Vereinbarkeit des säkularen Staates mit den Geboten des Christentums darlegt85. Die Realisierung des säkularen Staates betritt eine weitere Stufe in der Französischen Revolution bzw. in der Staatsausformung ihrer Zeit, die als Vollendung des politischen, d.h. hier: des säkularen Staates bezeichnet worden ist86. Der Staat hat nunmehr die Sicherung eines bürgerlichen Lebens aller seiner Bürger, unabhängig von ihrer Religion, zu gewährleisten; ihm fällt die Aufgabe zu, den äußeren wie den inneren Frieden zu sichern. Nicht die Entscheidung der 83 Zu den daher bestehenden Pflichten des Herrschers bzw. des Staates vgl. Thomas Hobbes, Libri de cive (1646), in: Opera philosophica quae latine scripsit omnia, hrsg. von William Molesworth, Bd. 2, 1839, cap. 13. 84 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (106). 85 Vgl. Thomas Hobbes, Libri de cive (1646), in: Opera philosophica quae latine scripsit omnia, hrsg. von William Molesworth, Bd. 2, 1839, cap. 15; vgl. auch ders., Leviathan. Sive de materia, forma et potestate civitatis ecclesiasticae et civilis, in: Opera philosophica quae latine scripsit omnia, hrsg. von William Molesworth, Bd. 3, 1841, cap. 32, 40, 42; zu dem Aspekt des christlichen Glaubens in Hobbes Staatsbegründung vgl. Francis Campell Hood, The Divine Politics of Thomas Hobbes, 1964; s. ferner Carl Schmitt, Die vollendete Reformation – Bemerkungen und Hinweise zu neuen Leviathan-Interpretationen, in: Der Staat 4 (1965), S. 51 ff.; Heinrich Willms, Von der Vermessung des Leviathan. Aspekte neuerer Hobbes-Literatur, in: Der Staat 6 (1967), S. 75 ff., 220 ff. (230 ff.); hierzu auch Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (106 f.). 86 Hierzu und zum Folgenden Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (107 f.).

I. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Säkularität des Staates

83

Wahrheitsfrage, sondern die Gewährleistung des formellen Friedens, um den Terminus der Politiques nochmals zu verwenden, ist Ziel dieses Staates. Daher kommt es auf die religiöse Gesinnung der Bürger für ihre staatsbürgerliche Rechtsstellung nicht mehr an; letztere ist von ersterer unabhängig geworden. Dies manifestiert sich, nachdem bereits die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 grundsätzlich die religiöse Meinungsfreiheit verbürgt hatte, in der Verfassung von 1791, die die Glaubens- und Religionsfreiheit ausdrücklich umfasst. 5. Die Entwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat in Deutschland87 In Deutschland hat das seit dem Augsburger Religionsfrieden und dem Westfälischen Frieden vorstehend skizzierte Verhältnis von Staat und Kirche bis zum Ende des Alten Reiches im Jahre 1806 Bestand. Staatskirchenrechtlich ist das 19. Jahrhundert zunächst durch „Institutionen-Rivalität“ gekennzeichnet – diese äußert sich in dem Fortbestand der seit dem 16. Jahrhundert herausgebildeten weltlichen Herrschaftsinstrumente über die Kirche88, aber auch durch „Institutionen-Paktieren“89. Doch das 19. Jahrhundert bringt erhebliche Änderungen dieses Verhältnisses mit sich. Hier sind zunächst die Auswirkungen des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 bedeutsam, in dem sich die weltlichen Fürsten für den durch die napoleonische Besetzung verursachten Verlust der linksrheinischen Gebiete dadurch zu entschädigen suchen, dass sie rechtsrheinische geistliche Reichsfürstentümer annektieren und sich katholisches Kirchengut aneignen90. 87 Siehe hierzu die eingehende Darstellung von Christoph Link, Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte, 2000, S. 49 ff. 88 Übersicht über die Typologie dieser Instrumente bei Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 4, S. 111 ff. (131). 89 Vgl. hierzu Martin Heckel, Die Kirchen unter dem Grundgesetz, in: VVDStRL 26 (1968), S. 5 ff. (11); zu den staatskirchenrechtlichen Entwicklungen im 19. Jahrhundert zusammenfassend: Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 138 ff. 90 Hierzu Kurt Nowak, Geschichte des Christentums in Deutschland – Religion, Politik und Gesellschaft vom Ende der Aufklärung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, 1995, S. 44 ff.; Hans Maier, Was war Säkularisation und wie lief sie ab? – Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und die Folgen, in: Essener Gespräche 38 (im Erscheinen begriffen); Günter Krings, Das Alte Reich am Ende – der Reichsdeputationshauptsschluss 1803, in: JZ 2003, S. 173 ff.; Klaus-Peter Schroeder, Des Alten Reiches langer Schatten – 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluss, in: NJW 2003, S. 630 ff.; Stefan Mückl, Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Wendemarke der deutschen Verfassungsgeschichte für den deutschen Südwesten, in: VBlBW 2003, S. 144 ff.; Peter Schallenberg, Säkularisation und Säkularisierung, 1803–2003–Christentum unter den Bedingungen der Postmoderne, in: Die Neue Ordnung 2003,

84

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Doch der Reichsdeputationshauptschluss legt, insofern noch weit bedeutsamer, darüber hinaus den Grundstein zur Fortentwicklung bzw. Neuordnung des Reichsstaatskirchenrechts, die sich ihrerseits nicht nur durch eine allmähliche Durchsetzung der allgemeinen Religionsfreiheit auszeichnet91, sondern in Bezug auf die hier interessierende Frage zunächst für die katholische Kirche einen Rückgewinn der kirchlichen Autonomie mit sich bringt, freilich auch die kirchliche Jurisdiktion in temporalibus beseitigt92. Damit bringt das 19. Jahrhundert für die katholische Kirche – jedenfalls nach dem Ende des Kulturkampfes – einen Wiedergewinn ihrer maßgeblich im Gefolge der Reformation eingeschränkten bzw. verloren gegangenen Autonomie; im Laufe dieses Jahrhunderts werden die staatlichen Aufsichtsrechte zurückgenommen. Die evangelischen Landeskirchen erreichen erst 1918, hundert Jahre später, ihre volle rechtliche Unabhängigkeit vom Landesherrn als dem bis dahin obersten Bischof; bis zu diesem Zeitpunkt bleiben, auch wenn sich bereits zuvor Lockerungen etwa in der Abhängigkeit der Kirchenverwaltung angebahnt haben93, die evangelischen Landeskirchen der Tradition des landesherrlichen Kirchenregiments verhaftet. Vorläufer einer Relativierung des landesherrlichen Kirchenregiments ist Samuel Pufendorf (1632–1694), der fordert, die Rechte des Landesherrn auf die regulären Rechte eines jeden Gliedes der korporationsrechtlich verfassten Religionsgesellschaften zu reduzieren94. Die Paulskirchenverfassung von 1848/49 sieht bereits die Aufhebung des landesherrlichen Kirchenregiments dadurch vor, dass dort jeder Religionsgesellschaft eine Selbstverwaltungsgarantie verbürgt wird, wobei darüber hinaus auch festgelegt wird, dass keine Staatskirche besteht. Auch wenn diese Verfassung scheitert, so hat sie doch Auswirkungen auf die Fortbildung des Verhältnisses von Staat und Kirche, S. 295 ff.; Bernd Jeand’Heur/Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, Rn. 23 ff.; Axel Frhr. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 29 ff.; Dokumentation bei Ulrich Hufeld (Hrsg.), Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Dokumentation zum Untergang des Alten Reiches, 2003. 91 Zur sich durchsetzenden Religionsfreiheit und ihren Bezügen zur Entstehung der Vereinigungsfreiheit von Kirchen und Religionsgesellschaften im Preußischen Allgemeinen Landrecht näher Peter Landau, Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und die Religionsfreiheit. Zur Entstehungsgeschichte des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit von Kirchen und Religionsgesellschaften, in: JZ 1995, S. 909 ff. 92 Axel Frhr. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 33. Zu den Auswirkungen der Säkularisation auf das Staatskirchenrecht Heinrich de Wall, Die Fortwirkung der Säkularisation im heutigen Staatskirchenrecht, in: Essener Gespräche 38 (im Erscheinen begriffen); Tagungsbericht zu diesen Essener Gesprächen: Stefan Mückl, Säkularisation und Säkularisierung 1803–2003. Tagungsbericht über das 38. Essener Gespräch am 17. und 18. März 2003, in: JZ 2003, S. 461 ff. 93 Zusammenfassend Christian Starck, Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. (11). 94 Hierzu Martin Heckel, Artikel „Territorialsystem“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog/Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, 3. Auflage 1987, Sp. 3600 ff. (3603).

I. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Säkularität des Staates

85

etwa auf die Verfassungsurkunde für den preußischen Staat von 1850, die ein Selbstverwaltungsrecht der Religionsgesellschaften vorsieht95. Das 19. Jahrhundert markiert jedoch, insbesondere in Bezug auf die katholische Kirche, nicht nur einen Wendepunkt in der Realisierung der staatlich gewährten kirchlichen Freiheit. Ebenso bahnt sich, wiederum jedenfalls innerhalb der katholischen Kirche, auch eine theologische Lehre über das Verhältnis von Staat und Kirche ihren Weg, die erneut die jeweilige Autonomie der staatlichen wie auch der kirchlichen Macht betont96. Verkörpert wird diese lehramtliche Ausrichtung und damit die ihr eigene Wiedergewinnung des ursprünglich positiven kirchlichen Verhältnisses zu der Säkularität der Welt von Papst Leo XIII. und seinen Enzykliken97. Leo XIII. (1810–1903) geht davon aus, dass sowohl Staat als auch Kirche autonom und souverän sind und dass Gott die „Sorge für das Menschengeschlecht“ sowohl der kirchlichen wie der staatlichen Macht überantwortet hat: „Der einen obliegt die Sorge für die göttlichen Belange, der anderen für die menschlichen“98 Und präzisierend: „Was also irgendwie in den menschlichen Dingen heilig ist, was immer auf das Heil der Seelen oder auf die Verehrung Gottes Bezug hat, sei es seiner Natur nach oder wegen des Zweckes, auf den es hingeordnet ist: dies alles untersteht der Macht und dem Urteil der Kirche. Alles Übrige aber, was in den Bereich des bürgerlichen und staatlichen Lebens fällt, das untersteht von Rechts wegen der staatlichen Gewalt“99. Dort, wo Kirche und Staat aufeinander treffen, sollen sie nach den Vorstellungen Leo XIII. ihre Macht gegenseitig abstimmen und sich einander entgegenkommen; als gebührende Form eines solchen Entgegenkommens wird bereits seinerzeit das Konkordat betrachtet. Hierbei bleibt kirchliche Minimalforderung, dass der Staat der Kirche die Freiheit zur Wahrnehmung ihres Auftrages gewährt, dass er seinen Bürgern die religiöse Freiheit lässt und dass die staatlichen Forderungen nicht gegen das natürliche Sittengesetz und gegen das geoffenbarte göttliche Recht verstoßen100.

95 Vgl. dazu Kurt Nowak, Geschichte des Christentums in Deutschland – Religion, Politik und Gesellschaft vom Ende der Aufklärung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, 1995, S. 80, sowie den Überblick bei Bernd Jeand’Heur/Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, Rn. 28 f. 96 Hierzu und zum Folgenden: Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 4, S. 111 ff. (131 ff.). 97 Umfassend hierzu: Peter Tischleder, Die Staatslehre Leo XIII., 1925, passim. 98 Enzyklika „Immortale Dei“ vom 1.11.1885, abgedruckt bei Emil Marmy (Hrsg.), Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau. Dokumente, 1945, S. 576 ff. (582). 99 Siehe hierzu wiederum die Enzyklika „Immortale Dei“ vom 1.11.1885, abgedruckt bei Emil Marmy, (Hrsg.), Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau. Dokumente, 1945, S. 576 ff. (583).

86

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

In Deutschland wird das Verhältnis von Staat und Kirche in der Weimarer Reichsverfassung 1919 neu geordnet101. Die Zentralnorm des Art. 137 Abs. 1 WRV („Es besteht keine Staatskirche“) beseitigt die noch verbliebenen Restbestände eines originären Staatskirchenrechts102 und führt zu einer grundsätzlichen staatsrechtlichen Trennung von Staat und Kirche, freilich nicht in einem laizistischen Sinne, sondern im Sinne einer freundschaftlichen Trennung103. 6. Zwischenergebnis Für den Gedanken der Trennung von weltlicher und geistlicher Gewalt, von Staat und Kirche, mithin für die Idee der Säkularität der Welt und ihre Durchsetzung ist nach den vorstehenden Ausführungen an dieser Stelle festzuhalten, dass das Neue Testament zwar keine „Lehre“ über das Verhältnis beider Mächte enthält und ihm die moderne staatsrechtliche und staatssoziologische Dimension dieser Fragestellung gewiss fremd ist104. Grundgelegt wird nach theologischer Interpretation dort jedoch eine prinzipielle Unterscheidung von weltlicher und geistlicher Gewalt, die wirkmächtig rezipiert wird und auf deren Nährboden sowie in deren abendländischer Fortentwicklung sich die säkulare Staatlichkeit überhaupt erst hat entwickeln können: Denn in der Fortentwicklung dieser Unterscheidung von immanenter und transzendentaler Sphäre wird die umfassende Einheit von weltlicher und geistlicher Herrschaft als Ordnungsprinzip überholt und unter dem Eindruck weiterer Faktoren der geschichtlichen Entwicklung, namentlich der Glaubensspaltung im Abendland, zum Ursprung des Gedankens von der Trennung von Staat und Kirche105. Auch wenn sich die Säkularisierung des Staates in einem langwierigen historischen Prozess und zeitweise gegen den Widerstand der christlichen Kirchen durchgesetzt hat, ist sie vor diesem Hintergrund doch „geschichtliche Konse100 Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 4, S. 111 ff. (133). 101 Vgl. hierzu den zusammenfassenden Überblick bei Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 148 ff. 102 Näher: Axel Frhr. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 40. 103 Vgl. die Darstellung bei Bernd Jeand’Heur/Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, Rn. 30 f.; hierzu oben näher sub B. II. 1. 104 Paul Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: HdbStKirchR, Bd. I, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 4, S. 111 ff. (121). 105 Manfred Spieker, Christentum und freiheitlicher Staat, in: Communio 24 (1995), S. 311 ff.; Harold J. Berman, Recht und Revolution, 1991, S. 190 ff.; Ernst Wolf, Libertas christiana und libertas ecclesiae, in: Evangelische Theologie 9 (1949/50), S. 136 ff.; ebenso zusammenfassend Christian Starck, Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche, Bd. 31 (1997), S. 5 f. (10).

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

87

quenz des Christentums“, in diesem Sinne christliches Derivat106. Dass die politische Geschichte der Neuzeit von weltlichen Staaten geprägt wird, ist daher „eine direkte, gewissermaßen gewollte Frucht des Christentums“107.

II. Wesentliche kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit Die Konvergenz bzw. Kompatibilität kirchlicher und staatskirchenrechtlicher Regelungen, die die Grundzüge des Verhältnisses von Kirche und Staat zum Gegenstand haben, beruht nicht nur auf der ihnen gemeinsamen grundsätzlichen Trennung von Staat und Kirche, sondern – wie oben gezeigt – auch auf der übereinstimmend bejahten bzw. rechtlich ausgeformten Idee staatlicher Gewähr der Religionsfreiheit. Die Religionsfreiheit ihrerseits findet ihren eigentlichen und letzten Grund zunächst in der Menschenwürde – ein Befund, den die geltende deutsche Verfassung, das Grundgesetz, deutlich zum Ausdruck bringt. So formuliert sie in Art. 1 Abs. 2 GG explizit, dass die Freiheits- bzw. Gleichheitsrechte – und damit insbesondere auch die Religionsfreiheit – „darum“, um eben dieser menschlichen Würde willen, gewährt werden108. Die in der konkretisierenden und justiziablen Ausgestaltung der Freiheitsgrundrechte geschützten Menschenrechte – und damit auch die Gewähr religiöser Freiheit – haben vor diesem Hintergrund ihren verfassungsrechtlichen Grund in der unantastbaren Würde jedes Menschen109.

106 Josef Isensee, Artikel „Staat“, in: StL, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, 7. Auflage 1989, Bd. V, Sp. 134 ff. (Sp. 139 f.). 107 Ulrich Matz, Zum Einfluß des Christentums auf das politische Denken der Neuzeit, in: Günther Rüther (Hrsg.), Geschichte der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Bewegungen in Deutschland, 1984, S. 27 ff. (33). 108 Zwar spricht Art. 1 Abs. 2 GG zunächst ausdrücklich lediglich von der um der Menschenwürde willen erfolgenden Anerkennung der allgemeinen Menschenrechte, explizit erst in Art.1 Abs. 3 GG von den nachfolgenden grundgesetzlichen Grundrechten. Indessen erweisen sich die Menschenrechte bei näherer Betrachtung ihrerseits als Motiv, Anstoß und Anknüpfungspunkt für die Bindung aller staatlichen Gewalt an die Grundrechte, wie diese in Art. 1 Abs. 3 GG niedergelegt ist; daher können etwa – bundesverfassungsgerichtlich anerkannt – die Menschenrechte bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes als Auslegungshilfen herangezogen werden. Die Betrachtungsweise der Menschenrechte als Motiv und Anstoß für die Gewährung der verfassungsexplizit normierten Grundrechte gilt um so mehr, als anerkannt ist, dass die Grundrechte die in Art. 1 Abs. 2 GG thematisierten Menschenrechte in vollem Umfange abdecken, ja, in vielfältiger Weise über das menschenrechtlich gebotene Minimum hinausweisen. 109 Die Religionsfreiheit bezeichnet als spezifische Sicherung der menschlichen Würde auch Peter Badura, Der Schutz von Religion und Weltanschauung durch das Grundgesetz, Verfassungsfragen zur Existenz und Tätigkeit der „neuen Jugendreligionen“, 1989, S. 32 f. und 89.

88

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

1. Die Menschenwürde als ideengeschichtliche Grundlegung der Idee der Religionsfreiheit Indessen gründet die Religionsfreiheit nicht nur aus verfassungsrechtlicher Sicht in der Idee der Menschenwürde. Auch ideengeschichtlich erweist sich die Menschenwürde als entscheidende Quelle der späteren Ausprägung von Freiheitsrechten im Allgemeinen und der religiösen Freiheitsgewähr im Besonderen: Die kulturgeschichtliche Herausbildung der Freiheitsidee, namentlich der Religionsfreiheit, erscheint vor diesem Hintergrund als folgerichtiger, wenngleich historisch mit vielerlei Brechungen behafteter und erst allmählich herausgearbeiteter Ausfluss der Menschenwürde, weshalb aus kulturhistorischer Perspektive vor einer Betrachtung der Verbindung beider Vorstellungen ein Blick auf wesentliche geistesgeschichtliche Grundlagen der Menschenwürde lohnt. a) Die ideengeschichtlichen Wurzeln der Menschenwürde Im vorchristlichen, antiken Griechenland findet, soweit ersichtlich, der Begriff der Menschenwürde zunächst noch keine Verwendung110 und auch von der Idee universeller Freiheitsrechte ist das politische Denken Griechenlands noch weit entfernt111. Dies wird wesentlich darauf zurückgeführt, dass der griechischen Philosophie der Begriff der Person, der den Anfang eines an der menschlichen Würde orientierten Rechtsdenkens bildet112, nicht bekannt ist113. Auch in der vorchristlichen lateinischen Literatur taucht der Begriff von der Menschenwürde nur selten auf. Im antiken Rom beschreibt der Begriff der 110 William J. Hoye, Demokratie und Christentum. Die christliche Verantwortung für demokratische Prinzipien, 1999, S. 342 f.; vgl. auch die Darstellung bei Horst Dreier, in: ders., Grundgesetz, Kommentar, Bd. 1, 1996, Art. 1 Abs. 1 Rn. 3. 111 Hier zeigt sich – worauf auch Ludger Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte, 2. Auflage 1991, S. 40 ff. hinweist –, dass der attische Staat nicht auf Individualismus und dem naturrechtlichen Gedanken des Staatsvertrages gegründet ist, sondern in der Gemeinschaftsidee wurzelt; Einzelrechte, Grundrechte des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft, können sich seinerzeit noch nicht herausbilden, da der Einzelne nicht als Individuum, sondern als Gemeinschaftsmitglied politische Rechte innehat. Nur auf die Freien treffen die Prinzipien der Gleichheit vor dem Recht (isonomia), der gleichen Redefreiheit für alle (isogoria) und des gleichen Respekts für alle (isotimia) zu. 112 Vgl. hierzu Theo Kobusch, Die Entdeckung der Person. Metaphysik der Freiheit und modernes Menschenbild, 2. Auflage 1997, S. 23 ff. 113 Luis Legaz y Lacambra, Das Recht aus religiöser Perspektive, in: Politische Ordnung und menschliche Existenz, Festgabe für Eric Voegelin, hrsg. von Alois Dempf, Hannah Arendt, Friedrich Engel-Janosi, 1962, S. 343 ff.; ebenso: Johannes Messner, Die Idee der Menschenwürde im Rechtsstaat der pluralistischen Gesellschaft, in: Menschenwürde und freiheitliche Rechtsordnung, Fs. f. Willi Geiger, hrsg. von Gerhard Leibholz, Hans Joachim Faller, Paul Mikat, Hans Reis, 1974, S. 221 ff. (233 f.).

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

89

„Würde“ zunächst die gesellschaftliche Stellung des Menschen, seine Zugehörigkeit zur Nobilität, seine amtliche Funktion, die Verdienste um das Gemeinwesen, auch: die Würde des Auftretens, der Ausdrucksweise, der Lebensführung114. Als „dignitas“ wird die Eigenschaft des Menschen begriffen, der sich als besonders vertrauenswürdig erwiesen hat, der sich Lob, Ehrerbietung und Wertschätzung seiner Mitmenschen verdient hat115. Die Würde, verstanden als der menschliche Ruhm bzw. Ruhmesanspruch, folgt nach diesem Verständnis erst auf die Bewährung des Menschen, ist gleichsam deren Resultat. Das antike, römische Verständnis von Würde als Resultat menschlichen Verhaltens sowie als gesellschaftliches Differenzierungsmerkmal ist Ausgangspunkt für die Philosophie der Stoa116. Bereits der Begründer der stoischen Philosophenschule, Zenon (um 333–262 v. Chr.), ist durchdrungen von der Idee der naturrechtlichen Gleichheit aller Menschen; er wird zum Begründer der philosophischen Tradition des Naturrechts, die später zu einer der entscheidenden geistigen Vorbedingungen der Entfaltung und Proklamation moderner Menschenrechtsideen – und damit auch der Idee der Religionsfreiheit – wird117. Seneca (um 4 v. Chr.–65 n. Chr.) und Cicero (106 v. Chr.–43 v. Chr.) entwickeln die Idee von der zweifachen Zugehörigkeit des Menschen – sowohl zu der Gemeinschaft, in die er geboren wird, als auch zu der menschlichen Gemeinschaft insgesamt. Damit bricht in der Philosophie der Gedanke durch, dass der Mensch nicht vollständig in der staatlichen Gemeinschaft aufgeht. Cicero ist es auch, der das vor dem Hintergrund der späteren abendländischen Tradition berühmt gewordene Wort von der Würde des Menschen, die in ihrer Teilhabe an der Vernunft bestehe und mit der bestimmte Lebensformen nicht verträglich seien, prägt118: Die menschliche Würde wird damit auf die den Menschen vor allen anderen Lebewesen auszeichnende Fähigkeit appliziert, ein vernunftgeleitetes Leben zu führen; die Gemeinsamkeit an der Teilhabe der Vernunft begründet trotz aller Ungleichheit den Gedanken der Gleichheit der Menschen119. Vor die114 Viktor Pöschl, Artikel „Würde im antiken Rom“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 7, 1992, S. 637 ff. (637); vgl. auch Bernhard Giese, Das Würde-Konzept. Eine normfunktionale Explikation des Begriffes Würde in Art. 1 Abs. 1 GG, 1975, S. 23 ff. m. w. N. 115 Bernhard Giese, Das Würde-Konzept. Eine normfunktionale Explikation des Begriffes Würde in Art. 1 Abs. 1 GG, 1975, S. 23 ff. m. w. N. 116 Einführender Überblick zur Stoa bei Ernst-Wolfgang Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, 2002, S. 127 ff. 117 Vgl. Ludger Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte, 2. Auflage 1991, S. 43 ff. 118 Vgl. die Darstellung bei Wolfgang Huber, Artikel „Menschenrechte/Menschenwürde“, in: Theologische Realenzyklopädie, hrsg. von Gerhard Müller, 1992, Band XXII, S. 577 ff. (578); zu Cicero näher: Ernst-Wolfgang Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, 2002, S. 144 ff. 119 Heribert Smolin, Artikel „Menschenwürde“, in: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Auflage, hrsg. von Walter Kasper, 7. Bd. 1998, Sp. 132 ff. (134).

90

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

sem Hintergrund ist es nachvollziehbar, wenn gefolgert wird, erste Ansätze zum abendländischen Bewusstsein von der Würde des Menschen – und, hierauf gründend, von dem Freiheitsgedanken120 – seien in der stoischen Philosophenschule von Zenon und bei dem an die Stoa anknüpfenden Cicero zu finden121, auch wenn dessen Vorstellung im abstrakten philosophischen Naturrecht verharrt, zu seiner Zeit nicht zu allgemeiner Wirkmächtigkeit findet und insofern ein rein theoretisches Konstrukt bleibt, das nicht zu Forderungen an die politisch-staatliche Ordnung vorzudringen vermag122. Freilich ist zu berücksichtigen, dass auch bei Cicero die antike Vorstellung von der Würde als dem Resultat menschlichen Handelns das dominierende Begriffsverständnis der „dignitas“ bleibt123; das hiervon abweichende Verständnis von der Würde des Menschen in seinem Werk nutzt er primär dazu, um menschliche Verhaltenspflichten zu begründen, weshalb er, insoweit in der Tradition des Würdeverständnisses im antiken Rom, die Würde wesentlich als Grund menschlicher Inpflichtnahme, mithin als Aufgabe, die dem Menschen zur Verwirklichung aufgegeben ist, begreift124.

Historische Wirkmächtigkeit, allgemeine Durchsetzungskraft und moderne Gestalt erfährt die Idee der Menschenwürde mit dem Eintritt des Christentums in die Menschheitsgeschichte125, das den vorstehend skizzierten Reflektions120 Die Stoa als „die eigentliche Trägerin des Freiheitsgedankens“ betrachtet Max Pohlenz, Griechische Freiheit. Wesen und Werden eines Lebensideals, 1955, S. 153. 121 Viktor Pöschl, Artikel „Würde im antiken Rom“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 7, 1992, S. 637 ff. (642 f.); vgl. auch Kurt Bayertz, Die Idee der Menschenwürde: Probleme und Paradoxien, in: ARSP 81 (1995), S. 465 ff. (465). 122 Vgl. Albert Verdross, Die Würde des Menschen und ihr völkerrechtlicher Schutz, 1975, S. 6; vgl. auch Ludger Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte, 2. Auflage 1991, S. 44 f. 123 Vgl. hierzu die Darstellung bei Rolf-Peter Horstmann, Artikel „Menschenwürde“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Bd. 5, 1980, Sp. 1124 ff. (1124); Bernhard Giese, Das Würde-Konzept. Eine normfunktionale Explikation des Begriffes Würde in Art. 1 Abs. 1 GG, 1975, S. 23 ff.; vgl. ferner zusammenfassend William J. Hoye, Demokratie und Christentum. Die christliche Verantwortung für demokratische Prinzipien, 1999, S. 342 f. 124 Vgl. auch die Darstellung bei Viktor Pöschl, Artikel „Würde im antiken Rom“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 7, 1992, S. 637 ff. (643); vgl. auch Bernhard Giese, Das Würde-Konzept. Eine normfunktionale Explikation des Begriffes Würde in Art. 1 Abs. 1 GG, 1975, S. 24, der die Dynamik der dignitas – die Schwankungen, denen sie unterliegt – hervorhebt. – Mit dieser Auffassung befindet sich Cicero wesentlich in Übereinstimmung mit dem Begriffsverständnis von „Würde“ im antiken Rom, da auch dort die Dignität grundsätzlich – außer freilich für den Sklaven – theoretisch ebenso für jeden Menschen zu gewinnen war wie der Zugang zur Nobilität (vgl. hierzu Pöschl, a. a. O., S. 637 ff. (639). 125 Vgl. Albert Zimmermann, Zur Herkunft der Idee der Menschenwürde, in: Aufklärung durch Tradition. Symposion der Josef Pieper Stiftung, hrsg. von Hermann Fechtrup, Friedbert Schulze, Thomas Sternberg, 1995, S. 73 ff.; vgl. hierzu ferner Christoph Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung. Zur Dogmatik des

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

91

strang aufnimmt und sich mit diesem allmählich verbindet: Das Christentum findet die Philosophie der Stoa vor, knüpft an diese an und überformt mit seiner Lehre die dortigen Vorstellungen von „dignitas“. Dies äußert sich darin, dass die Würde von Anbeginn der christlichen Verkündung in der zunächst mündlichen Glaubensverkündung und -überlieferung, sodann in den textlichen Grundlagen des Christentums als Wesenszug jedes Menschen, auch des unvernünftig handelnden oder seine Pflichten verletzenden (christlich gesprochen: sündigen) Menschen sowie auch des Sklaven, bejaht wird126: In der christlichen Offenbarung wird die menschliche Würde als eine allen Menschen von Natur aus nicht nur potentiell, sondern realiter zukommende, d.h. unverdienbare und unverlierbare Eigenschaft, damit als eine unabänderliche Wesensaussage über den Menschen begriffen, was nicht ausschließt, dass ihr auch weiterhin Verpflichtungen des Menschen gegen sich selbst entnommen werden können. Damit verdrängt das Verständnis der menschlichen Würde als naturhafte Gabe, als von Anbeginn jedes Menschseins vorhandener Gnadenerweis Gottes, als menschlicher Wesenszug zugleich mit der Ausbreitung des Christentums nunmehr das bis dahin vorherrschende vorchristliche Verständnis von Würde als selbstverursachtem Verdienst127. Die entscheidende Weiterentwicklung der stoischen Naturrechtstradition durch das Christentum aber liegt in der Fundierung der Menschenwürde: Denn nach christlicher Auffassung gründet die Menschenwürde darin, dass der Mensch von Gott nach seinem Bilde geschaffen sei – die Idee der Gottesebenbildlichkeit des Menschen wird grundgelegt128, der Mensch zur imago dei129. Offenbarungstheologisch tritt der Umstand hinzu, dass sich die Erlösungstat Jesu Christi nach christlichem Verständnis auf jeden einzelnen Menschen bezieht und in diesem Sinne im Opfertod des Sohnes Gottes der transzendente, durch keine Güterabwägung relativierbare Wert des Individuums bestätigt wird130. Daher wurzelt die Würde des Menschen nach christlicher Lehre nicht Art. 1 GG, 1997, S. 176 ff.; Ludger Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte, 2. Auflage 1991, S. 46 ff. 126 Vgl. Gal. 3, 26-3-28. 127 Bernhard Giese, Das Würde-Konzept. Eine normfunktionale Explikation des Begriffes Würde in Art. 1 Abs. 1 GG, 1975, S. 27. 128 Vgl. etwa Gen. 1, 26 und 27; Eph. 4, 24.; ebenso: Wolfhart Pannenberg, Grundlage der Ethik. Philosophisch-theologische Perspektiven, 1996, S. 111; vgl. auch ders., Christliche Wurzeln des Gedankens der Menschenwürde, in: Menschenrecht und kulturelle Identität, hrsg. von W. Kerber, 1991, S. 61 ff.; Christian Starck, Der demokratische Verfassungsstaat, 1995, S. 186 ff. (193). 129 Hierzu umfassend Leo Scheffczyk, Die Frage nach der Gottesebenbildlichkeit in der modernen Theologie, in: ders., Der Mensch als Bild Gottes, 1969, S. IX ff. (XXVIII). 130 Ulrich Matz, Zum Einfluß des Christentums auf das politische Denken der Neuzeit, in: Günther Rüther (Hrsg.), Geschichte der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Bewegungen in Deutschland, 1984, S. 27 ff. (36).

92

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

nur in seiner Erschaffung nach Gottes Bild und Ähnlichkeit, sondern kommt auch in seiner Berufung zu einem Leben nach dem Tode in Seligkeit zur Vollendung131. Dieser im christlichen Offenbarungsglauben und in der Heilstheologie manifestierte Gedanke festigt das Ansinnen der Menschenwürde und stellt es auf eine höhere moralische Ebene – eine entscheidende Weiterentwicklung im Vergleich zu der Sicht der Stoa132. Mit dieser Sichtweise ist das christliche Bild vom Menschen grundgelegt133: Die christliche Theologie sieht den Menschen in seiner Beziehung zu Gott als Person und erkennt ihm insofern Würde, die Würde als Person, zu134. Diese Personenhaftigkeit des christlichen Menschenbildes beschreibt Wesen, Wert und Würde des Menschen, hierin fußen dieselben135. Im christlichen Begriff der Person, im personalen Menschenbild vereinen sich verschiedene Dimensionen menschlicher Existenz – Leib und Geist, Individualität und Sozialität, Freiheit und Verantwortung, Gottesebenbildlichkeit und Ambivalenz136. Nach der christlichen Vorstellung bezeichnet das Person-Sein des Menschen damit nicht nur die „geistige Seele“, wie diese zuvor bereits der antiken Philosophie bekannt ist, sondern es erfasst den Menschen als solchen, als „ein einzigartiges und unzerstörbares Wesen von einem Wert, der jedes irdische Gut um ein Unendliches übersteigt“137. Diesem Verständnis zufolge kommt der Person eine Würde zu, die auf der Geschöpflichkeit des Menschen beruht und die umfassende und unrelativierbare Geltung beansprucht: Der Mensch hat diese Würde und die daraus resultierenden Rechte allein deshalb, weil er Mensch ist138. Dies gilt für jedes Individuum, auch für Sünder, auch für Sklaven.

131 Katechismus der Katholischen Kirche, deutsche Ausgabe, 1993, Rn. 1546 ff.; vgl. hierzu auch William J. Hoye, Demokratie und Christentum. Die christliche Verantwortung für demokratische Prinzipien, 1999, S. 347 f. 132 Ludger Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte, 2. Auflage 1991, S. 46. 133 Vgl. Christian Starck, Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. (16). 134 Louis Dumont, Individualismus, 1991, S. 37 ff.; Peter Koslowski, Gesellschaft und Staat, 1982, S. 59 und 67 ff.; Peter Stein/John Shand, Legal Values in Western Society, 1974, S. 114 ff.; früh so bereits Ernst Troeltsch, Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen, in: ders., Gesammelte Schriften, 1. Band, 3. Auflage, 1923, S. 39 f. 135 Vgl. Wilhelm Wertenbruch, Grundgesetz und Menschenwürde, 1958, S. 198; Johannes Schwartländer, Der Mensch ist Person, 1968, S. 165. 136 Zum Begriff der „Person“ umfassend: Theo Kobusch, Die Entdeckung der Person, Metaphysik der Freiheit und modernes Menschenbild, 2. Auflage 1997, S. 23 ff. 137 Ulrich Matz, Zum Einfluß des Christentums auf das politische Denken der Neuzeit, in: Günther Rüther (Hrsg.), Geschichte der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Bewegungen in Deutschland, 1984, S. 27 ff. (36). 138 Vgl. die Darstellung bei Manfred Spieker, Christentum und freiheitlicher Staat, in: Communio 24 (1995), S. 311 ff. (314 f.).

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

93

Aus dem christlich bestimmten Personenbegriff resultiert vor dem hier skizzierten Hintergrund die religiös begründete „Unantastbarkeit und Unverfügbarkeit des Individuums als Person, ganz besonders im Hinblick auf die staatlichen Gewalten und gesellschaftlichen Mächte: Aus der inneren Würde der Person (maiestas) ergibt sich unmittelbar die äußere Würde (dignitas)“. Damit ist es „die transzendente Dimension des christlichen Personenbegriffs [. . .], die die antike Einbindung des Individuums in den immanenten Verband von Staat und Gesellschaft mit Wirkmächtigkeit aufbricht, dem Individuum gewissermaßen einen Standpunkt außerhalb gibt und darüber hinaus dem Staat sogar gewisse Restriktionen seiner Handlungsfreiheit, ja schließlich sogar (Schutz-) Pflichten auferlegt“139. So betrachtet, stellt sich das Christentum als entscheidende Stärkung des Postulats von der menschlichen Würde dar, das erste Annäherungen an die Idee der Menschenwürde aus der Philosophie der Stoa überformt, transzendent begründet, mit seiner ihm zu eigenen religiösen Wirkmächtigkeit verbindet und so überhaupt erst der Idee der Menschenwürde zu allgemeiner Verbreitung verhilft. b) Der ideengeschichtlich unauflösliche Zusammenhang von Menschenwürde und allgemeiner menschlicher Freiheit – Wesentliche Aspekte von den Anfängen des Christentums bis zum Mittelalter Für die hiesige Fragestellung nach den ideengeschichtlichen Quellen individueller Freiheitsrechte und dort namentlich der Religionsfreiheit ist – neben der Abhängigkeit eines solchen Gedankenguts von der oben erörterten, wesentlich christlich begründeten Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Sphäre140 – bedeutsam, dass für das Christentum in der von Gott verliehenen Menschenwürde und in der Gottesebenbildlichkeit die Idee der Freiheit wurzelt, kurz: dass beide Vorstellungen unauflöslich miteinander verbunden sind. Auch insofern werden bis dahin bestehende antike Vorstellungen durch das Christentum bzw. in seinem Gefolge wesentlich modifiziert und finden mit seiner Verbreitung sowie mit seiner Kraft des Religiösen zur Durchsetzung. Im Denken der griechischen Antike bedeutet Freiheit noch zweierlei141: Den Gegensatz zur Sklaverei, vor allem aber die politische Freiheit des Bürgers in der Polis, freilich: nur die des Bürgers, weshalb in der griechischen Polis „Freiheit“ 139 Ulrich Matz, Zum Einfluß des Christentums auf das politische Denken der Neuzeit, in: Günther Rüther (Hrsg.), Geschichte der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Bewegungen in Deutschland, 1984, S. 27 ff. (36) – Hervorhebung im Original. 140 Diese Abhängigkeit beruht darauf, dass die Idee allgemeiner Religionsfreiheit als Menschen- bzw. Grundrecht die Unterscheidung von Staat und Religion verlangt, demzufolge in der antiken Einheitsvorstellung keinen Platz hat und erst mit der Durchsetzung der Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Sphäre realisiert werden kann.

94

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens im Hinblick auf den eingeschränkten Personenstand stets nur ein Begriff bleibt – alles Nachdenken darüber hat stets nur mit der Freiheit der Freien in der Polis zu tun142. Daher definiert Aristoteles (384 v. Chr.–322 v. Chr.) die Polis als „Gemeinschaft der Freien“143. Allerdings meint Freiheit hier wesentlich anderes als die sogleich näher zu betrachtende Freiheit im Sinne des späteren Christentums, namentlich im Sinne von Paulus (Anfang des. 1. Jh.–60/62)144. Freiheit wird als begrenzte, durch den Nomos der Polis bestimmte und sinnerfüllte Freiheit verstanden. „Sie ist Freiheit durch das Gesetz und unter dem Gesetz, nicht Freiheit vom Gesetz und gegen das Gesetz, da man im Nomos der Polis die Vernunft und Gerechtigkeit der öffentlichen Ordnung verkörpert sieht“145. Das römische Recht kennt ein ähnliches Freiheitsverständnis. Auch Rom versteht sich als eine „Stätte freier Bürgerschaft“. Aber: Auch „. . . im römischen Recht tritt neben den Freiheitsgedanken der Machtgedanke. Nur dem römischen Bürger und Familienhaupt wird die Freiheit zuteil. Zur römischen Ordnung gehören die Hörigkeit der Hausgenossen, die Sklaverei, die Rechtlosigkeit der Fremden“146. Auch in der römischen Republik erfolgt daher die inhaltliche Bestimmung der

141 Christian Meier, Artikel „Freiheit – Antike Grundlage – Die griechische Polis“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 426 ff. (426); vgl. auch Martin Heckel, Der Einfluss des christlichen Freiheitsverständnisses auf das staatliche Recht, in: Essener Gespräche 30 (1996), S. 82 ff. (90 m. w. N.). Zur griechischen Polis vgl. den einführenden Überblick bei Ernst-Wolfgang Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, 2002, S. 13 ff. 142 Christian Meier, Artikel „Freiheit – Antike Grundlage – Die griechische Polis“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 426 ff. (429). 143 Vgl. Dieter Nestle, Artikel „Freiheit“, in: Reallexikon für Antike und Christentum, hrsg. von Theodor Klausner, Bd. 8, 1972, Sp. 269 ff. (zu Aristoteles Sp. 275 f.); ders., Eleutheria. Studien zum Wesen der Freiheit bei den Griechen und im Neuen Testament, Teil 1: Die Griechen, 1967, S. 107; Hans-Werner Bartsch, Artikel „Freiheit. Altes Testament (I.), Griechisch-hellenistische Antike (II.)“, in: Theologische Realenzyklopädie, hrsg. von Gerhard Krause und Gerhard Müller, Bd. XI, 1983, S. 497 f. und S. 505 ff. (505); Rudolf Bultmann, Die Bedeutung des Gedankens der Freiheit für die abendländische Kultur, in: ders., Glauben und Verstehen, Bd. 2, 1952, S. 274 ff. (v. a. 275); ders., Der Gedanke der Freiheit nach antikem und christlichem Verständnis, in: ders., in: Glauben und Verstehen, Bd. 4, 1965, S. 42 ff. (44); zum Inhalt des Freiheitsbegriffs vgl. auch Helmut Thielicke, Was heißt Freiheit?, 1961, S. 5 ff.; vgl. schließlich hierzu auch W. Warnach, Artikel „Freiheit“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter, Bd. 2, 1972, Sp. 1064 ff.; zur Relation von Individuum und Gesellschaft bei Aristoteles näher auch Udo Di Fabio, Offener Diskurs und geschlossene Systeme. Das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft in argumentations- und systemtheoretischer Perspektive, 1991, S. 17 ff. Zu Aristoteles näher auch Ernst-Wolfgang Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, 2002, S. 97 ff. 144 Vgl. Martin Heckel, Der Einfluss des christlichen Freiheitsverständnisses auf das staatliche Recht, in: Essener Gespräche 30 (1996), S. 82 ff. (91). 145 Martin Heckel, Der Einfluss des christlichen Freiheitsverständnisses auf das staatliche Recht, in: Essener Gespräche 30 (1996), S. 82 ff. (90). 146 August Egger, Über die Rechtsethik des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 2. Auflage 1950, S. 92 ff.

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

95

„libertas“ in der für die Antike charakteristischen Abgrenzung insbesondere zum Sklaventum; der Stand freier Bürger sowie der der Sklaven ist durch das römische Privatrecht strikt voneinander geschieden, der Sklave lediglich eine Sache (res)147. Seit der Vertreibung der Könige bedeutet „libertas“ zunehmend auch die Möglichkeit der politischen Willensäußerung und wird in negativer Hinsicht als Abwesenheit der Herrschaft eines Einzelnen, in positiver Hinsicht als die Absicherung des politischen Willens der Bürger gegen die Herrschaftsansprüche des Einzelnen (insbesondere durch das Volkstribunat sowie die Prinzipien von Annuität und Kollegialität des Amtes) verstanden148. Freilich wird die Freiheit nur auf die Aristokratie bezogen; daher hat sie ihre Grenze an der „Autorität des Vornehmen“149. Insgesamt betrachtet, gewinnt die römische „libertas“ nicht die Kraft einer theoretisch reflektierten Idee, weil sie sich stets nur aus konkreten historischen Situationen heraus entwickelt150. In diesem Umstand wird nicht zu Unrecht der Grund dafür gesehen, dass dem Römer namentlich die Vorstellung eines persönlichen Freiheitsrechts fremd ist151: Eine private Sphäre mit einem selbständigen Recht gegenüber der politischen Gemeinschaft erscheint zu jener Zeit undenkbar; der Gedanke einer Freiheit des Einzelnen, die von der politischen Freiheit seines Volkes und Staates unabhängig sein soll, wird „als absurd, unmoralisch und eines freien Mannes unwürdig betrachtet“152. Das gilt insbesondere auch für das Recht auf Religionsfreiheit: Denn die prima facie zu konstatierende Toleranz der römischen Religionspolitik beruht nicht auf der Anerkennung eines solchen Rechts, sondern auf anderen Umständen, insbesondere darauf, dass die Volksreligionen in den unterworfenen Gebieten seinerzeit keine

147 Jochen Bleicken, Artikel „Römische libertas“ in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 430 ff. (431). 148 Hierzu und zum Folgenden näher: Jochen Bleicken, Artikel „Römische libertas“ in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 430 ff. (431 f.). 149 Jochen Bleicken, Artikel „Römische libertas“ in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 430 ff. (432). 150 In der römischen Kaiserzeit erfährt die „libertas“ schließlich durch die Prinzipatsverfassung sowie durch die zunehmende tatsächliche Macht des Kaisers eine Aushöhlung, in deren Folge „Freiheit“ als gewährtes Geschenk des rechten princeps, ja: teilweise gar als Gnade erscheint, weshalb sich die zunächst bestehende Verbindung der Ideen politischer Freiheit und Gleichheit im römischen Kaiserreich zunehmend auflöst; stattdessen verbindet sich „libertas“ mehr mit der Idee der durch die Rechtsordnung garantierten Sicherung der Stellung der Aristokratie, weshalb „libertas“ und „securitas“ eng zusammengehörige Begriffe werden; vgl. hierzu Lothar Wickert, Der Prinzipat und die Freiheit, 1949, S. 140 f.; zusammenfassend und m. w. N. hierzu Jochen Bleicken, Artikel „Römische libertas“ in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 430 ff. (433 ff.). 151 Jochen Bleicken, Artikel „Römische libertas“ in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 430 ff. (433); vgl. auch die Darstellung bei Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 59 II 1 a) a) (S. 58). 152 Carl Schmitt, Verfassungslehre, 8. Auflage 1993, S. 158.

96

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens universale Geltung beanspruchen, folglich die römische Staatsreligion nicht bedrohen; überdies schließen die polytheistischen Kulte Kumulation und Verbindung nicht aus, so dass durchaus durch zusätzliche Verehrung der capitolinischen Götter dem republikanischen Staatskultus Genüge getan werden kann – dies um so mehr, als der Staatskultus seinerseits nicht inneren Gehorsam, Gesinnung oder Überzeugungsbekenntnis fordert, sondern sich auf die formale Einhaltung von Zeremonien und Opferhandlungen beschränkt. Die den Juden eingeräumte Ausnahmestellung, denen trotz ihres exklusiven monotheistischen Glaubens Duldung gewährt wird, wird vom römischen Kaiserstaat deshalb gewährt, weil dieser das Judentum zum einen als nationale Volksreligion betrachtet und ihm zum anderen die jüdische Religion nicht als grundsätzliche Gefährdung des Heidentums erscheint153. Dies ändert sich mit dem Eintritt des Christentums in die Menschheitsgeschichte. Denn anders als das Judentum sind die Christen von Beginn an nicht an eine Nation gebunden; überdies stellt das Christentum mit der dem Altertum unbekannten Lehre, dass man Gott mehr gehorchen müsse als dem Staat und mit der Verweigerung einer noch so formal begriffenen Anerkennung des Kaiserkultus die Grundlagen des römischen Staates in Frage – eine Entwicklung, die aufgrund des unaufhaltsamen Autoritäts- und Anhängergewinns des Christentums dem römischen Reich existentiell gefährlich wird, da für dessen Bestand der Kaiserkult unerlässlich erscheint. Folglich setzt dem Christentum gegenüber, sobald dieses aus dem Schatten der geduldeten jüdischen Religion heraustritt und eine zahlenmäßig beachtliche Größe erreicht, eine Verfolgung auf Leben und Tod ein154. Für das römische Reich lässt sich daher von Freiheitsrechten, ihrer Zuordnung und Ableitung aus dem Wesen des Menschen nicht sprechen155. Dies hindert indessen nicht die Herausbildung theoretischer Freiheitsideen. So wird in der Philosophie der Stoa Freiheit als „innere Freiheit“ des Einzelnen zum Ausdruck für eine individuelle Lebensweise, die unabhängig von den äußeren Umständen (der „äußeren Freiheit“) für denjenigen erreichbar ist, der im Einklang mit der Natur teil hat am Logos156. Auch wenn dieses Verständnis in der Philosophie der Stoa auf den Bereich der privaten Ethik beschränkt bleibt, ihm namentlich eine sozial wirksame Dimension fehlt, um die antike, auf Sklaverei und Unfreiheit beruhende Gesellschaftsordnung grundsätzlich in Frage stellen zu können157, wenn diese Idee daher auch zu keiner

153 Hierauf weist zu Recht Axel Frhr. von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 3 f., hin. 154 Vgl. die Darstellung bei Axel Frhr. von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 4 f. 155 So auch die Bewertung bei Ludger Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte, 2. Auflage 1991, S. 43 ff. (45). 156 W. Warnach, Artikel „Freiheit“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter, Bd. 2, 1972, Sp. 1064 ff. – Zur Stoa näher Ernst-Wolfgang Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, 2002, S. 127 ff. 157 Bertrand Russell, Philosophie des Abendlandes. Ihr Zusammenhang mit der politischen und der sozialen Entwicklung, 9. Auflage 2000, S. 280, weist auf die tatsächliche politische Lage in jener Zeit hin: „Das unheilvolle Sklavenwesen verursachte unendliches Leid und untergrub die Lebenskraft der antiken Welt. Die Gladiatorenkämpfe und die Kämpfe mit wilden Tieren waren unerträglich grausam und müssen auf das Volk, das dem Schauspiel beiwohnte, demoralisierend gewirkt haben. Marc

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

97

tiefdringenden Wirkmächtigkeit in der weltlichen Ordnung gelangt158, so ist mit der Aporie von innerer und äußerer Freiheit doch bereits „die grundlegende Spannung des späteren europäischen Freiheitsbegriffs ausgedrückt159“. Der entscheidende Schritt zur allgemeinen Durchsetzung, erst recht zur Transformation in geltendes Recht, freilich fehlt160.

Die genannte Spannung des späteren europäischen Freiheitsverständnisses gelangt in den folgenden zwei Jahrtausenden durch die – häufig retardierende und sich vielfältig brechende – Entfaltung des christlich verstandenen und motivierten Freiheitsbegriffs in der abendländischen Geschichte zu Wirkmächtigkeit in der weltlichen Ordnung161. Aurel dekretierte allerdings, dass die Gladiatoren mit stumpfen Schwertern zu kämpfen hätten; diese Reform hielt jedoch nicht lange an, und gegen die Kämpfe mit wilden Tieren unternahm er nichts. Das Wirtschaftssystem war sehr schlecht; Italien begann die Bodenbestellung aufzugeben, und die Bevölkerung Roms war auf die freie Verteilung von Getreide aus den Provinzen angewiesen. Die Initiative lag allein beim Kaiser und seinen Ministern; im ganzen, unendlich großen Imperium blieb keinem etwas anderes übrig, als zu gehorchen, von gelegentlich rebellierenden Generälen abgesehen. Die Menschen sahen alles Gute nur in der Vergangenheit; sie fühlten, die Zukunft könne ihnen bestenfalls Abspannung, schlimmstenfalls Schrecken bringen. Vergleicht man den Ton Marc Aurels mit dem Bacons, Lockes oder Concorcets, so erkennt man den Unterschied zwischen einem müden und einem hoffnungsvollen Zeitalter. In einer hoffnungsfreudigen Epoche sind gegenwärtige Übel zu ertragen, weil man sie für vorübergehend hält; aber in Zeiten der Ermüdung verlieren selbst echte Güter ihren Reiz. Die stoische Ethik entsprach den Zeiten Epiktets und Marc Aurels, denn ihr Evangelium hieß Dulden, nicht Hoffen.“ 158 Vgl. zu der stoischen Lebenshaltung, in deren Zentrum vor allem das Streben nach individueller Selbstverwirklichung steht: Felix Flückiger, Geschichte des Naturrechts, 1. Band: Die Geschichte der europäischen Rechtsidee im Altertum und im Frühmittelalter, 1954, S. 200; Würdigung wie hier bei Jozef Punt, Die Idee der Menschenrechte, 1987, S. 17 f. 159 Werner Conze, Artikel „Römische libertas – Freiheit der Philosophen“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2 1975, S. 435 f. (436). 160 Vgl. die Darstellung bei Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 59 II 1 b) (S. 58); vgl. auch Ludger Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte, 2. Auflage 1991, S. 43 ff. 161 Der christliche Freiheitsbegriff lehnt sich seinerseits an das stoische Verständnis vom Naturrecht an, vgl. Bertrand Russell, Philosophie des Abendlandes. Ihr Zusammenhang mit der politischen und der sozialen Entwicklung, 9. Auflage 2000, S. 288. So resümiert in seinen offenkundig nicht für die Öffentlichkeit bestimmten „Selbstbetrachtungen“ im 2. Jahrhundert Marc Aurel (161–180), dass ein Staat anzustreben sei, „in dem das gleiche Gesetz für alle gilt, der unter Berücksichtigung gleicher Rechte und gleicher Redefreiheit geleitet wird, und eine königliche Regierung [aufweist], der die Freiheit der Untertanen über alles geht.“ (hier zitiert nach Bertrand Russell, Philosophie des Abendlandes. Ihr Zusammenhang mit der politischen und der sozialen Entwicklung, 9. Auflage 2000, S. 288). Derartiges Gedankengut aufnehmend, kann das Christentum mit der Macht des Religiösen seiner Botschaft zu zunehmender Durchsetzung verhelfen. – Zu dem vergleichsweise geringen jüdischen Einfluss auf die Entwicklung der Menschenrechtsidee aufgrund der Minderheitenposition des Judentums in Europa sowie des in der Diaspora lange fehlenden eigenständigen jüdischen politi-

98

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Zunächst indessen bleibt – insoweit in der stoischen Naturrechtstradition162 – auch der christliche Begriff der Freiheit noch außerhalb dieser Ordnung; er wird vor allem als theologischer Terminus gedeutet und thematisiert. Deutlich sichtbar wird dies bei den paulinischen Erörterungen des Freiheitsbegriffs. Paulus führt aus: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“, „zur Freiheit seid ihr berufen, Brüder“163. Anders formuliert: „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“164. Freiheit bedeutet in diesem Verständnis vorrangig Freiheit von Sünde, Freiheit vom Gesetz, Freiheit vom Tod, in letzter Konsequenz: Freiheit von der Welt165. Die Freiheit in Gott führt zu Glaubensgehorsam, Gottesdienst und Nächstenliebe166; gerade daher bedeutet Freiheit von Gesetz, Sünde und Tod nach paulinischem Verständnis weder ethische noch religiöse Bindungslosigkeit. Christlich begründet wird diese Freiheitsvorstellung mit der Idee von der Gottesebenbildlichkeit und der Würde des Menschen, ja, diese Begründung der Freiheit mit der Geschöpflichkeit des Menschen, insofern mit seiner Gottesebenbildlichkeit, wird geradezu charakteristisch für das christliche Freiheitsverständnis: Die auf die imago-dei-Vorstellung gegründete Würde des Menschen, jedes Menschen, wird zum Grund der Freiheit167. schen Denkens näher Ludger Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte, 2. Auflage 1991, S. 45 (Anm. 47). 162 Zu den fortwährenden Auswirkungen der Stoa auf das frühe Christentum Paul Barth, Die Stoa, 6. Auflage 1946, S. 226 ff. 163 Gal. 5, 1 und 13. 164 2. Kor. 3, 17. 165 Martin Heckel, Der Einfluss des christlichen Freiheitsverständnisses auf das staatliche Recht, in: Essener Gespräche 30 (1996), S. 82 ff. (91 f.); ebenso etwa Gerhard May, Artikel „Christliche Freiheit“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 436 ff. (437). 166 So wiederum Martin Heckel, Der Einfluss des christlichen Freiheitsverständnisses auf das staatliche Recht, in: Essener Gespräche 30 (1996), S. 82 ff. (92); Gerhard May, Artikel „Christliche Freiheit“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 436 ff. (437). 167 Siehe hierzu stellvertretend nur den Hinweis bei Christian Starck, Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. (16). – Untrennbar verbunden mit der Idee der Freiheit ist die christliche Vorstellung von der menschlichen Gleichheit, die allen Menschen bereits im Hinblick auf ihre Gotteskindschaft zuteil ist und die dadurch unterstrichen wird, dass auch die Erlösungstat Christi potentiell für alle Menschen erfolgt (Jozef Punt, Die Idee der Menschenrechte, 1987, S. 18 ff.; hierzu näher auch Felix Flückiger, Geschichte des Naturrechts, 1. Band: Die Geschichte der europäischen Rechtsidee im Altertum und im Frühmittelalter, 1954, S. 284 ff., 330). Paulus formuliert: „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Da gibt es nicht mehr Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Mann und Weib. Denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“ (Gal. 3, 27). Vor diesem Hintergrund beruht nicht nur die Idee der Freiheit, sondern auch die der Gleichheit darauf, dass die Menschen nach dem Bild Gottes geschaffen sind, darüber hinaus zudem auch darauf, dass sie ohne Unterschied aufgerufen sind, Kinder Gottes zu werden und in die eschatologisch gedachte Gleich-

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

99

Mit dieser Ausrichtung ist die christliche Freiheitsidee zunächst wesentlich auf die innere Freiheit des Einzelnen bezogen. Dies zeigt sich exemplarisch im Hinblick auf die Sklavenfrage168. Nach christlichem Verständnis ist auch der Sklavenstand zur „inneren“ Freiheit vor Gott erhoben. Denn: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden wie Griechen, Sklaven und Freie“169; „es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau“170. „Denn wer als Sklave berufen worden ist, der ist ein Freigelassener des Herrn; desgleichen, wer als Freier berufen ist, der ist ein Sklave Christi“171. Hier zeigt sich deutlich, dass sich das christliche Freiheitsverständnis zunächst als spirituelle Größe nicht im Raum von Gesellschaft und Staat realisiert, sondern in der „Gemeinschaft der Kinder Gottes“, soziologisch betrachtet in der christlichen Gemeinde172: Die soziale Dimension der neutestamentlichen Freiheit wird daher seinerzeit primär darin gesehen, dass sich die religiösen Vorstellungen auf das Zusammenleben der Christen untereinander auszuwirken haben173. Gerade weil der christliche Transzendenzglaube dem Christen fundamentale Distanz zur Welt verschafft, auch zu Staat und Politik, wendet sich die Kirche nicht von Anbeginn gegen das Institut der Sklaverei174, obwohl schon früh etwa Isidor von Pelusium oder Cyprian die Freilassung von Sklaven als gottwohlgefälliges Werk unter Hinweis auf die Erlösungstat Christi anregen175: heit in Christus einzutreten (Jozef Punt, Die Idee der Menschenrechte, 1987, S. 18). Ernst Troeltsch fasst den Zusammenhang von der nach christlicher Lehre in der Gottesebenbildlichkeit wurzelnden Menschenwürde und der Gleichheit wie folgt zusammen: „Das Individuum, das Gottes Kind ist, darf sich als unendlich wertvoll betrachten. [. . .] Es ist begreiflich, dass ein solcher Individualismus ein schlechthin radikaler, auch alle Naturschranken und Unterschiede durch das Ideal des religiösen Seelenwertes überwindender ist, und ebenso begreiflich ist, dass ein solcher Individualismus nur auf dieser religiösen Grundlage überhaupt möglich ist. Nur die Gottesgemeinschaft gibt dem Individuum diesen Wert, und nur in der alles Irdische übergreifenden gemeinsamen Beziehung auf Gott verschwinden die Naturunterschiede“ (Ernst Troeltsch, Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen, in: ders., Gesammelte Schriften, 1. Band, 3. Auflage, 1923, S. 39). 168 Hierzu näher: Henneke Gülzow, Christentum und Sklaverei in den ersten drei Jahrhunderten, 1969, S. 101 und 177 ff. 169 1. Kor. 12, 13. 170 Gal. 3, 26. 171 1 Kor. 7, 22. 172 Ulrich Matz, Zum Einfluß des Christentums auf das politische Denken der Neuzeit, in: Günther Rüther (Hrsg.), Geschichte der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Bewegungen in Deutschland, 1984, S. 27 ff. (36 f.). 173 Vgl. den Hinweis bei Jozef Punt, Die Idee der Menschenrechte, 1987, S. 20 m. w. N. 174 Vgl. Ernst Troeltsch, Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen, in: ders., Gesammelte Schriften, 1. Band, 3. Auflage, 1923, S. 335 f. Anm. 160; näher hierzu wiederum Henneke Gülzow, Christentum und Sklaverei in den ersten drei Jahrhunderten, 1969, S. 177 ff.

100

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Der christliche Freiheitsbegriff ist auf Gott bezogen, insoweit zunächst außerweltlich. Die postulierte Einmaligkeit der Person, ihre Gottesebenbildlichkeit, kurz: ihre oben erörterte unaufgebbare Menschenwürde, findet vor diesem Hintergrund ihren Ausdruck in individueller und überdies gleicher Freiheit, deren Gebrauch vor Gott zu verantworten und Voraussetzung für die christliche Vorstellung von Schuld, Sühne, Umkehr ist. In der Entfaltung dieser Sichtweise erscheint der Mensch als freies Individuum mit geistiger Natur, kurz: als Person. Das führt in der Ausformung des christlichen Naturrechts – vor allem durch Augustinus sowie Thomas von Aquin – zur Herausbildung des auf sittliche Autonomie gegründeten Persönlichkeitsbegriffs176; aus diesem wird in der christlichen Anthropologie philosophisch-theologisch der Grundsatz der Selbstverfügung des Menschen als Ausdruck der Manifestation eines einmaligen Schöpfungs- und Seinsaktes abgeleitet: Der personale Freiheitsgedanke wird so zur Grundlage des christlichen Naturrechts177. Das auf diese Weise herausgebildete christliche Naturrecht schließlich wird fortan zu einem der „stärksten geistigen Antriebe bei der Ausbildung der Menschen- und Bürgerrechte“178. Gleichwohl bleibt es zunächst dabei, dass der Freiheitsbegriff des Christentums primär auf Gott bezogen ist: Weil Freiheit als Zentralbegriff der christlichen Theologie wesentlich eschatologisch begriffene Freiheit des einzelnen Menschen ist179, entwickelt die Kirche in der vorkonstantinischen Epoche auch keine grundsätzliche Lehre von der Freiheit der Kirche gegenüber der weltlichen Macht180; abgesehen davon, dass ein solches Postulat bereits im Hinblick auf die enge Verflechtung weltlicher und geistlicher Macht in der Spätantike und im Mittelalter nur schwerlich, um nicht zu sagen: nicht denkbar gewesen wäre, gibt es dazu zunächst auch keinen theologischen Anlass. Dort, wo sich die Kirche in der vorkonstantinischen Epoche auf ihre Freiheit beruft, stehen folglich stets nur einzelne Proteste gegen konkrete staatliche Eingriffe in Leben und Lehre der Kirche zur Diskussion: Dies ist sowohl der Hintergrund des von 175

Jozef Punt, Die Idee der Menschenrechte, 1987, S. 20 f. m. w. N. Vgl. Hans Welzel, Naturrecht und materielle Gerechtigkeit, 4. Auflage 1962, S. 63. Zu Augustinus und Thomas von Aquin in ihrer Bedeutung für die christliche Rechts- und Staatsphilosophie bis zum Ausgang des Mittelalters: Ernst-Wolfgang Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, 2002, S. 185 ff., 214 ff. 177 Ludger Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte, 2. Auflage 1991, S. 46. 178 Gerhard Oestreich, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß, 2. Auflage 1978, S. 14. 179 Christian Starck, Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. (16 f.). 180 Vgl. die Feststellung von Gerhard May, Artikel „Christliche Freiheit“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 436 ff. (442). 176

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

101

Hilarius von Poitiers (um 315–367) überlieferten Wortes von der „libertas ecclesiae“ als auch von diesbezüglichen Ausführungen von Leo dem Großen (gest. 461)181. Das ändert sich erst im bereits erörterten Investiturstreit, in dem die Freiheit der Kirche als das verstanden wird, „was der Kirche gerechterweise zukommt, also das Freisein von staatlichen Leistungen und Beeinflussungen, aber ebenso die Ausübung ihrer Mission, also auch die Leitung der Welt“182. Diese Änderung der Perspektive in den kirchlichen Stellungnahmen zu kirchlicher Freiheit, auch: zu der Beziehung von individueller Freiheit und weltlicher Macht, hängt wesentlich mit dem Aufstieg der Kirche zu einer universalen Organisation zusammen. Nunmehr nämlich erst sind die Christen gezwungen, Stellung zu Fragen des Rechts und der staatlichen Organisation zu nehmen, weshalb die kirchliche Lehre insgesamt und damit auch das christliche Freiheitsverständnis nicht mehr auf den gemeindlichen (Binnen-)Bereich beschränkt bleiben kann. Damit ist die Basis dafür geschaffen, den auf der Idee der Gottesebenbildlichkeit beruhenden und gerade im frühen Christentum zunächst wesentlich außerweltlich gedeuteten christlichen Freiheitsbegriff auf die Welt und ihre Ordnung zu übertragen: Der ursprünglich transzendente Gedanke kann nunmehr für die Gestaltung der Immanenz fruchtbar gemacht werden, dies freilich nur deshalb, weil er verbunden werden kann mit der oben erörterten, wesentlich christlich begründeten Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Sphäre183: Erst aufgrund des Zusammenwirkens dieser Ideen kann die zunächst „innere“ auf die „äußere“ Freiheit bezogen und können Freiheitsrechte auch in der weltlichen Ordnung, d.h. dem Herrscher gegenüber geltend gemacht werden. Befördert werden derartige Prozesse durch die Fundierung der Freiheitsidee in der Gottesebenbildlichkeit, weil diese für das Freiheitspostulat eine einzigartige legitimatorische Kraft entbindet; die imago-dei-Vorstellung trägt so wesentlich dazu bei, der Freiheitsidee zu einer bis dahin ungeahnten allgemeinen Akzeptanz zu verhelfen, deren es gerade im Hinblick auf ihre Durchsetzung und Behauptung gegenüber den weltlichen Herrschern bedarf.

181

Gerhard May, Artikel „Christliche Freiheit“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 436 ff. (441 f. m. w. N.). 182 Klassische Darstellung bei Gerd Tellenbach, Libertas. Kirche und Weltordnung im Zeitalter des Investiturstreites, 1936, passim (Zitat S. 231); vgl. hierzu auch den zusammenfassenden Überblick bei Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 46 ff. – Zum Investiturstreit oben sub I. 2. 183 Diese Abhängigkeit beruht darauf, dass die Idee allgemeiner Religionsfreiheit als Menschen- bzw. Grundrecht die Unterscheidung von Staat und Religion verlangt, demzufolge in der antiken Einheitsvorstellung keinen Platz hat und erst mit der Durchsetzung der Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Sphäre realisiert werden kann; hierzu näher oben sub I.

102

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Die so ermöglichte Übertragung der ursprünglich transzendent ausgerichteten Freiheitsvorstellung auf die weltliche Ordnung freilich geschieht nicht in einem Akt, sondern in einem viele Jahrhunderte währenden Prozess. In diesem verbindet sich das christliche Denken zunächst vorübergehend mit dem Neoplatonismus und verleiht der feudalhierarchischen Ganzheitsordnung eine metaphysische Absicherung, in der die hierarchische Gliederung der Welt und der Kirche als gottgewollt betrachtet wird184. Im Mittelalter stellt sich das Christentum vor diesem Hintergrund vorwiegend als eine „konservativ-bewahrende Kraft“ dar. Zwar ist die christliche Religion angesichts ihrer teilweise revolutionären Vorstellungen keineswegs inhaltlich konservierender Art185, doch die Grundpositionen der mittelalterlichen Rechts- und Gesellschaftsordnung gründen in einer zeitbedingten Anwendung des christlichen Ideengutes auf das gesellschaftliche Leben und legitimieren die bestehenden Herrschaftsverhältnisse wesentlich186. Freilich rechtfertigt die christliche Idee von Freiheit und Gleichheit auch in ihrem mittelalterlichen Verständnis keinesfalls Willkür und Unterdrückung. Denn wegen der christlichen Prägung des gesamten gesellschaftlichen Lebens stehen nicht nur das Volk und der Einzelne unter der Gerechtigkeit des Evangeliums, sondern auch der Herrscher, weshalb dieser vor und von Gott verpflichtet ist, sein Volk in väterlicher Weise zu leiten, anders ausgedrückt: Er soll sein Volk führen und schützen wie ein Vater seine Kinder, wie ein Hirte seine Herde187. Nach Thomas von Aquin (1224/1225–1274) darf der Herrscher daher nicht gegen die „dignitas humana“ verstoßen, zu der für ihn Leben, Freiheit und Eigentum des Menschen gehören188. Der Einzelne ist damit nach christlicher Anschauung geschützt durch das Evangelium und das christliche Sittengesetz, an das auch die Obrigkeit gebunden ist189. Doch ist hiermit seinerzeit noch kein Individualrecht gegenüber der Staatsgewalt zu konstruieren190. Nach christlicher Vorstellung ist der Herrscher an das Gemeinwohl gebunden, in dem das Wohl 184 Gerd Tellenbach, Libertas. Kirche und Weltordnung im Zeitalter des Investiturstreites, 1936, S. 10 ff.; ders., Irdischer Stand und Heilserwartung im Denken des Mittelalters, in: Festschrift Hermann Heimpel, hrsg. von den Mitarbeitern des MaxPlanck-Instituts für Geschichte, Band 2, 1971, S. 1 ff. (1). 185 Bereits Ernst Troeltsch attestiert dem Christentum „konservative und revolutionäre Elemente“ (Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen, in: ders., Gesammelte Schriften, 3. Auflage, 1923, S. 50). 186 Jozef Punt, Die Idee der Menschenrechte, 1987, S. 25 f.; zur Relation von Individuum und Gesellschaft im Mittelalter vgl. auch Udo Di Fabio, Offener Diskurs und geschlossene Systeme, 1991, S. 19 ff. 187 Ausführlich Walter Ullmann, Individuum und Gesellschaft im Mittelalter, 1974, S. 20 ff. 188 Vgl. die Darstellung bei Fritz Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1915, S. 204 ff. 189 Wilhelm Weber, Die moderne Freiheitsgeschichte als Geschichte der Differenzierung der europäischen Gesellschaft, in: Lothar Bossle (Hrsg.), Freiheit und christliche Soziallehre, 1977, S. 43 ff. (44). 190 Jozef Punt, Die Idee der Menschenrechte, 1987, S. 27 ff.

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

103

des Individuums mitgedacht wird, was seinerzeit als ausreichender Schutz begriffen wird. Charakteristisch für die Auffassung jener Epoche ist der Hinweis des Thomas von Aquin, dass sich das Gemeinwohl zum Privatwohl verhalte wie das Ganze zu seinen Teilen. Weil das Gemeinwohl von ihm als notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung des Individualwohls begriffen wird, kann es eine Frontstellung von Gemeinwohl und Individualwohl nicht geben. Indem das Wohl der menschlichen Person im Gemeinwohl mitenthalten ist und vom Staat mitbejaht wird, ist der personale Kernbereich gewahrt, in welchem der Mensch sein Leben nach seinem Glauben gestalten und seine „gottgewollte Sinnerfüllung“ erstreben kann. Eine Abschirmung dieses persönlichen Bereichs gegen staatliche Übergriffe ist insoweit unnötig, innerhalb des mittelalterlichen Organismus sogar undenkbar191. Die gemeinsame Verantwortung von Kirche und Staat für die christliche Wahrheit und die unbezweifelte Kompetenz der weltlichen Macht, die Glaubenseinheit zu erhalten und jede Form der Ketzerei zu bekämpfen, lassen vor diesem Hintergrund zu jener Zeit keinen Raum für die Durchsetzung eines Rechts auf religiöse Freiheit192. 2. Die Renaissance Renaissance und Humanismus bringen eine fundamentale Wende in der Anschauung über die Stellung des Menschen zu sich selbst und in der Welt. Hatte sich der mittelalterliche Mensch noch ganz aus seiner Zugehörigkeit zum gesellschaftlichen, organischen Ganzen heraus verstanden, so erhebt sich nun „mit aller Macht das Subjektive. Der Mensch wird geistiges Individuum und erkennt sich als solches“193. Hiermit verbunden ist zunächst eine Zurückdrängung der Erbsündenlehre, die bereits für den Niederländer Wessel Gansfort (1419–1489) nur eine „verängstlichte Torheit“ darstellt194. Auch bei Erasmus (1466/69– 1539) fällt die Abschwächung dieser Lehre auf195. Einher geht damit, gerade bei Erasmus, unter unverkennbarer Anknüpfung an die christliche Idee der Gottesebenbildlichkeit die Vorstellung vom Menschen als einem großartigen, gottähnlichen Geschöpf, dem die Freiheit zum Guten wie zum Bösen, zur Überhöhung wie zur Erniedrigung des eigenen Seins gegeben ist; der Mensch kann 191

So zusammenfassend Jozef Punt, Die Idee der Menschenrechte, 1987, S. 33. Axel Frhr. von Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136, Rn. 6. 193 Jacob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien – Ein Versuch, hrsg. von Walter Rehm, 1960, Zweiter Abschnitt, S. 161 (Hervorhebungen im Original). 194 Rudolf Stadelmann, Vom Geist des ausgehenden Mittelalters. Studien zur Geschichte der Weltanschauung von Nicolaus Cusanus bis Sebastian Franck, 1929, S. 140. 195 Vgl. Hermann Arend Enno van Gelder: The two reformations in the 16th century. A study of the religious aspects and consequences of Renaissance and Humanism, 1961, S. 132 ff.; Jozef Punt, Die Idee der Menschenrechte, 1987, S. 52. 192

104

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

hiernach ein tugendhaftes Leben, die Beherrschung der Leidenschaften und die Nachfolge der „Philosophie Christi“ erreichen, wenn er eine entsprechende ethische Entscheidung trifft196. Damit tritt die von der imago-dei-Vorstellung beatmete Autonomie des Individuums in den Mittelpunkt des Denkens. Charakteristisch für diese Entwicklung ist, in deutlicher Nähe zu Erasmus, Giovanni Pico della Mirandola (1463–1494), der hervorhebt, dass sich der Mensch gegenüber den anderen Wesen dadurch auszeichne, dass allein er als nicht festgelegter, zur eigenen Wahl berufener Gestalter seiner selbst zu verstehen sei: Der Mensch ist frei – frei, sich in die „Unterwelt des Viehes zu entarten“ und frei, sich „in die höhere Welt des Göttlichen . . . zu erheben“197. Mit diesem Gedankengang wird unter Anknüpfung an die Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen nunmehr an die Stelle des mittelalterlichen Gläubigen der natürliche Mensch gerückt198; die Lehren von Naturrecht und natürlicher Gleichheit greifen, vom Christentum unter Aufnahme stoischen Gedankenguts wirkmächtig fundiert, Platz199. Diesen Gedanken aufnehmend, gibt Thomas Morus (1477/78–1535) in seiner Schrift Utopia der Ausübung der Freiheit einen idealen Endzustand und damit ein Ziel vor: Er betont, dass die seinerzeit wesentlich von christlichen Idealen geprägte Vision der „besten Staatsverfassung“ bereits auf Erden, nicht erst im Jenseits Verwirklichung finden soll und dass die menschliche Freiheit und die menschliche Vernunft dazu eingesetzt werden sollen, sich diesem Idealzustand zu nähern.

3. Die Reformation Martin Luther ist es, der in der Reformation das solchermaßen in Bewegung geratene Verständnis menschlicher Freiheit mit der Ablösung des im mittelalterlichen Freiheitsdenken aktivierten christlichen Dienst- und Gehorsamgedankens zu verbinden sucht200. Die auf diese Weise aus ihrem bis dato christlich fun196 Vgl. Hermann Arend Enno van Gelder: The two reformations in the 16th century. A study of the religious aspects and consequences of Renaissance and Humanism, 1961, S. 132 ff. (140 f., 151 f.) 197 Pico della Mirandola, De hominis dignitate, in: De hominis dignitate – Heptaplus – De ente et uno, Scritti vari, ed. Eugenio Garin, 1942, S. 101 ff. 198 Jozef Punt, Die Idee der Menschenrechte, 1987, S. 54. 199 Vgl. Bertrand Russell, Philosophie des Abendlandes. Ihr Zusammenhang mit der politischen und der sozialen Entwicklung, 9. Auflage 2000, S. 288. 200 Hierzu ausführlich Martin Heckel, Der Einfluss des christlichen Freiheitsverständnisses auf das staatliche Recht, in: Essener Gespräche, 30 (1996), S. 82 ff. (93 ff. m. w. N.); zusammenfassend zu den Folgen des Wirkens Luthers für das Verhältnis von Kirche und Staat: Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 76 ff. sowie Christoph Link, Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte, 2000, S. 11 ff. Zu den rechts- und staatsphilosophi-

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

105

dierten und entsprechend tradierten Dienstgehorsam gelöste Freiheit zeichnet sich nach Luther u. a. dadurch aus, dass diese seiner Zwei-Reiche-Lehre zufolge dem geistlichen Bereich zugehören und sich daher in der Gemeinschaft der Getauften als der Organisation des Reiches Christi auf Erden verwirklichen soll201. Weil nach seiner Schrift „Von der Freiheit des Christenmenschen“ Freiheit indessen nur in der glaubenden Verbundenheit mit Christus besteht202, diese Verbundenheit mit Christus ihm aber nur in der Abwesenheit heilsvermittelnder Instanzen zwischen Gott und dem Glaubenden möglich erscheint203, betrachtet er in der Zuspitzung dieser These als eigentlichen Unterdrücker der Freiheit nunmehr den Papst204. Angesichts der Zuordnung der Freiheit zum geistlichen Reich verwahrt sich Luther nachhaltig und mit allen Mitteln dagegen, dass namentlich seine Schrift „Von der Freiheit des Christenmenschen“ von den Aufständischen der Bauernkriege als revolutionäres, sozial-politisches Programm missverstanden wird205 – eine Haltung, die im Übrigen auch Calvin (1509–1564) teilt. Luther klagt, dass die weltlichen Freiheits- und Gleichheitspostulate der Bauern seine Zwei-Reiche-Lehre missachten, denn was die Bauern wollen, „das heysst Christliche freyheyt ganz fleyschlich machen“, das heißt schon auf Erden „alle Menschen gleich machen und aus dem geystlichen reich Christs ein welltlich eusserlich reich machen, wilchs un muglich ist. Denn welltlich reich kann nicht stehen, wo nicht ungleychheyt ist, inn personen, das ettliche frey, ettliche gefangen, ettliche herren, ettliche Unterthan“206.

schen Positionen Martin Luthers Ernst-Wolfgang Böckenförde, Geschichte der Rechtsund Staatsphilosophie, 2002, S. 371 ff. 201 Jozef Punt, Die Idee der Menschenrechte, 1987, S. 58 f.; zur Zwei-Reiche-Lehre näher oben sub B. I. 2. a) aa). 202 Vgl. Martin Luther, Von der Freiheit eines Christenmenschen, in: Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. 7, Weimar 1897, S. 12 ff. (20 ff., insb. 21, Zeile 1–4). 203 Vgl. Martin Luther, An den christlichen Adel deutscher Nation. Von des christlichen Standes Besserung, in: Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. 6, 1888, S. 381 ff. (443, Zeile 22 f.). 204 Martin Luther, De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium, in: Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. 6, 1888, S. 484 ff. (535, Zeile 27 ff.). 205 Martin Luther, Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben, in: Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. 18, 1908, S. 279 ff. (326, Zeile 32 ff.); vgl. auch Ulrich Matz, Zum Einfluß des Christentums auf das politische Denken der Neuzeit, in: Günther Rüther (Hrsg.), Geschichte der ChristlichDemokratischen und Christlich-Sozialen Bewegungen in Deutschland, 1984, S. 27 ff. (37). 206 Martin Luther, Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben, in: Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. 18, 1908, S. 279 ff. (327). Ausführlicher Überblick zu Luthers Verständnis von christlicher Freiheit und Gleichheit bei Jozef Punt, Die Idee der Menschenrechte, 1987, S. 58 ff.

106

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

So betrachtet, bleibt auch in der Reformation christliche Freiheit zunächst eine „geistliche“ Wirklichkeit207. Die These von der Freiheit des Gewissens, das keiner, auch keiner kirchlichen Autorität unterworfen sein soll, die Ablehnung des kirchlichen Suprematieanspruchs sowie die Betonung der Eigenständigkeit der weltlichen Ordnung sind jedoch Gedanken, die die geistigen Grundlagen der mittelalterlichen Gesellschaft beeinflussen und von denen gesagt worden ist, dass sie das Freiheitsverständnis der Moderne vorbereitet hätten208 – eine Bewertung, die freilich nicht unstrittig ist, weil sich, wie vorstehend skizziert, auch Luther und die Reformatoren dagegen sträuben, die geistliche Freiheit auf den weltlichen Bereich zu übertragen und daher nach dem bekannten Diktum von Gerhard Anschütz die Reformation namentlich „nicht Glaubensfreiheit, sondern [nur] Glaubenszweiheit“ bringt209. Folgerichtig bemühen sich die Reformatoren weder theologisch noch kirchenpolitisch um die Menschen- bzw. Grundrechte im Allgemeinen und die Religionsfreiheit im Besonderen, weder erfinden noch verteidigen sie diese. Freilich werden in der mittelbaren Folge der Reformation, wenngleich gegen die Absicht ihrer Urheber, die Herausbildung des Individualismus und der Autonomie des Menschen erheblich vertieft210 – eine Entwicklung, die in tatsächlicher Hinsicht vor allem auf der Ausbreitung der reformatorischen Bewegung gründet. Da diese durch die katholisch gebliebenen Fürsten politisch gebremst wird, derartige politische Einwirkungen indessen wiederum auf den Widerstand der abwechselnd reichsrechtlich zugelassenen und verurteilten evangelischen Reichsstände treffen, kommt es alsbald im Reich zu Verfassungsstörungen, die ein Handeln unausweichlich machen. 4. Der Augsburger Religionsfriede von 1555211 Nachdem vor diesem Hintergrund bereits im Reichsabschied von Speyer 1526 die Entscheidung in Glaubensfragen erstmals den Reichsständen übertragen wird212, bringt das Jahr 1555 den Augsburger Religionsfrieden213. In diesem wird nach der Formel „cuius regio, eius religio“ festgelegt, dass sich das 207 Gerhard May, Artikel „Christliche Freiheit“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 436 ff. (446). 208 Ernst Wolf, Artikel „Freiheit II: Kirchengeschichtlich“, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, hrsg. von Kurt Galling, 3. Auflage, Band 2, 1958, Sp. 1104 ff. 209 Gerhard Anschütz, Die Religionsfreiheit, in: HdbDStR, hrsg. von dems. und Richard Thoma, Bd. II 1932, S. 675 ff. (676). 210 Axel Frhr. von Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136, Rn. 8 und 9. 211 Zum Verhältnis von Kirche und Staat zwischen 1555 und 1648 näher Christoph Link, Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte, 2000, S. 19 ff.

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

107

religiöse Bekenntnis der Bewohner nach demjenigen des Landesherrn zu richten hat; Folge des Augsburger Religionsfriedens ist demgemäß keine Verständigung der Religionsparteien, sondern eine strenge Konfessionalisierung der Territorien214. Es sind die Landesherren, die nunmehr in den Stand gesetzt sind, die Bekenntniszugehörigkeit für die Landesangehörigen verbindlich vorzuschreiben, indem sie eine der zugelassenen Konfessionen zur Landesreligion erklären. Es wird in ihre Entscheidungsfreiheit gestellt, die jeweils andere Konfession zu verbieten und deren Anhänger zu vertreiben; freilich besteht, allerdings nur ausnahmsweise sowie unter Bedingungen und Beschränkungen, auch die Möglichkeit, Angehörige der anderen Konfession zu dulden. Anhängern der jeweils anderen Konfession wird die Möglichkeit verbrieft, gegen Zahlung einer Nachsteuer mit ihren Familien auszuwandern, falls sie sich der jeweiligen Religion des Landesherrn, die in diesem Sinne zur „Staatsreligion“ wird, nicht anschließen wollen215 – in der Zeit agrarischer und feudaler Ökonomie ein Recht, das in der Gegenwart häufig überschätzt wird216. Auch wenn – prima facie nicht unplausibel – in dieser Auswanderungsklausel ein Fortschritt in Richtung auf die Gewähr religiöser Freizügigkeit erkannt worden ist, so gilt doch, dass wirkliche staatliche Toleranz gegenüber der persönlichen Glaubensüberzeugung auch durch den Augsburger Religionsfrieden nicht geschaffen wird, sondern dass lediglich die Macht in Glaubensfragen von der Kirche auf den Staat übergeht – mit allen Konsequenzen, die dies für die Verstärkung des staatlichen Einflusses in Religionsfragen, mithin für eine Schwächung der Säkularisierung und

212 Der Text des Reichsabschieds ist abgedruckt bei Carl Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus, 5. Auflage 1934, S. 262. 213 Erneut publiziert bei Arno Buschmann (Hrsg.), Kaiser und Reich. Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vom Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806 in Dokumenten, 2. Auflage 1994, Bd. I, S. 215 ff. Ausführlich hierzu: Matthias Simon, Der Augsburger Religionsfriede 1955; in Kürze hierzu Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 83 ff. 214 Hierzu und zum Folgenden: Martin Heckel, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, 1983, S. 33 ff.; ders., zusammenfassend: Artikel „Augsburger Religionsfriede“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, 3. Auflage 1987, Bd. I, Sp. 111 ff.; Axel Frhr. von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 14 ff.; ders., Religionsfreiheit, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136, Rn. 12 ff.; Bernd Jeand’Heur/Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, Rn. 14 f. 215 Hierzu Helmut Coing, Epochen der Rechtsgeschichte in Deutschland, 2. Auflage, 1971, S. 62; Nikolaus Paulus, Religionsfreiheit und Augsburger Religionsfriede, in: Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit, hrsg. von Heinrich Lutz, 1977, S. 17 ff. (17); zusammenfassend hierzu auch Axel Frhr. v. Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136, Rn. 12 ff. 216 Vgl. dazu Axel Frhr. von Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136, Rn. 13.

108

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

auch für eine Schwächung der Herausbildung individueller Freiheitsrechte gegenüber der weltlichen Macht zur Folge hat217. Vor diesem Hintergrund erbringt der Augsburger Religionsfriede von 1555 keine allgemeine Religionsfreiheit218. Die evangelische Forderung nach Freiheit für ihr Bekenntnis wird nicht verwirklicht. Zudem lebt der Friedensschluss noch deutlich – gleichsam „vor-grundrechtlich“ – aus dem mittelalterlichen Wahrheits- und Einheitsdenken, das Reformation und Gegenreformation jeweils für sich reklamieren und das sie bei aller Gegensätzlichkeit miteinander verbindet219. Überdies dient das gewährte ius emigrandi der Durchsetzung konfessioneller Geschlossenheit der Territorien. Ein individuelles religiöses Wahlrecht der Untertanen bleibt in weiter Ferne. Der Augsburger Religionsfriede ist demgemäß weniger als ein deutlicher Fortschritt hin zur Gewähr von Religionsfreiheit zu werten, sondern ist bedeutsamer für die Herausbildung staatlicher Neutralität: Dem Heiligen Römischen Reich gelingt es, seine mittelalterliche, d.h. die geistliche und die weltliche Sphäre einheitlich umfassende Verfassung durch eine faktisch weitgehende paritätische Berücksichtigung der Religionsparteien zu wahren – ein bis dato unbekannter Schritt in Richtung weltlicher Neutralität220, die ihrerseits später zu einem Grundstein für die Verbürgung von Religionsfreiheit im modernen Sinne wird. 5. Der Westfälische Friede von 1648 Vor dem Hintergrund des Schreckens des Dreißigjährigen Krieges erbringt der Abschluss des Westfälischen Friedens im Jahre 1648 eine weitgehende Beibehaltung der durch den Augsburger Religionsfrieden herbeigeführten Rechtslage221. Für die drei nunmehr anerkannten Religionsgemeinschaften – die Katholiken, die Lutheraner und die Reformierten – wird die Freiheit der öffentlichen Religionsausübung in dem Maße garantiert, wie diese im Jahre 1624 bestanden hat; wer hingegen 1624 kein Recht zu öffentlicher Religionsausübung genossen hat und nicht zum herrschenden Bekenntnis übertritt, verfügt 217

Vgl. auch Jozef Punt, Die Idee der Menschenrechte, 1987, S. 72. Vgl. Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 114 ff. (114). 219 Martin Heckel, Die Menschenrechte im Spiegel der reformatorischen Theologie, 1982, S. 29 ff.; Axel Frhr. von Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136, Rn. 12. 220 Axel Frhr. von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 16. 221 Text bei Arno Buschmann (Hrsg.), Kaiser und Reich. Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vom Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806 in Dokumenten, 2. Auflage 1994, Bd. II, S. 11 ff.; ausführlich hierzu Fritz Dickmann, Der Westfälische Friede, 5. Auflage 1972; vgl. hierzu auch den kurzen Überblick bei Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 86 ff. 218

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

109

weiterhin über das ius emigrandi, soll aber im Falle des Verbleibs vom Landesherrn geduldig ertragen werden, in Gewissensfreiheit die Hausandacht pflegen und in einem benachbarten Gebiet seines Bekenntnisses den öffentlichen Gottesdienst besuchen können. Damit findet im Westfälischen Frieden der Begriff der Gewissensfreiheit erstmalig im Reichsverfassungsrecht Verwendung. Auch wenn individuelle Berechtigungen weiterhin lediglich als Nebenprodukte korporativer Rechte der Reichsstände als Religionsparteien bestehen, erwächst insofern aus dem ursprünglichen ius emigrandi durch die Modifikationen und Erweiterungen, die der Westfälische Friede bringt, ein Ansatz für die spätere Ausprägung der Religionsfreiheit als persönliches Recht222. Noch deutlichere Fortschritte als für das individuelle Recht der Religionsfreiheit bringt der Westfälische Friede indessen für die Parität der Religionsparteien223. 6. Die Entwicklung außerhalb Deutschlands – Die Anfänge der Religionsfreiheit in Europa und Nordamerika Renaissance und Reformation führen nicht nur in Deutschland zur zunehmenden Brüchigkeit der mittelalterlichen Denkweise und der überkommenen Rechtsstrukturen, sondern auch in Frankreich. Dort freilich kommt für den monarchischen Einheitsstaat die Lösung des Augsburger Religionsfriedens, die Unterscheidung „katholischer“ und „protestantischer“ Fürstentümer, nicht in Betracht. Jean Bodin (1529/30–1596) entwirft den Staat bzw. den König als Verkörperung des Staates, als souveräne Regierungsgewalt, als neutrale Friedensinstanz, damit zugleich auch: als Garant gleicher Freiheit aller Bürger224. Hierzu verfügt der König seiner Ansicht nach über einen Anspruch der Untertanen auf Gehorsam, ist nicht an weltliche Gesetze gebunden, sehr wohl indessen an das göttliche Gebot225. Im Toleranzedikt von Nantes 1598 wird die Lehre Bodins ansatzweise umgesetzt: Zwar wird die katholische Religion entgegen seiner Intention als Staatsreligion anerkannt, doch den reformiert Gläubigen, freilich nur diesen, wird im gesamten Land Gewissensfreiheit und in weitem Umfang auch freie Religionsausübung eingeräumt. 222 Hierzu Axel Frhr. v. Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136, Rn. 14 ff. 223 Hierzu nachfolgend sub III. 2. 224 Jean Bodin, Sechs Bücher über den Staat. Les six livres de la république, 1583, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Bernd Wimmer, eingeleitet und herausgegeben von P.C. Mayer-Tasch, Bd. 1 (Buch I–III), 1981, Buch I, vor allem Kap. 1, S. 98 ff., Kap. 8, S. 214 ff. 225 Jean Bodin, Sechs Bücher über den Staat. Les six livres de la république, 1583, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Bernd Wimmer, eingeleitet und herausgegeben von P.C. Mayer-Tasch, Bd. 1 (Buch I–III), 1981, Buch I, Kap. 4, S. 124, Kap. 8, S. 214.

110

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Etwa zur gleichen Zeit, genauer: 1579, wird in den Niederlanden ein Kommentar zur Genter Pazifikation vom 8. November 1576 verfasst, in der die Calvinisten in Holland und Seeland das Recht zur freien Religionsausübung erhalten hatten; in dieser Schrift wird das Recht der freien Religionszugehörigkeit und des freien Religionswechsels als das Recht jedes Einzelnen bezeichnet, von dem niemand mit Gewalt abgehalten werden dürfe, weil es Ausfluss des Naturrechts der allgemeinen Gewissensfreiheit sei226. Teilweise wird hier das „Grundrecht auf Religionsfreiheit“ erstmals als verwirklicht betrachtet227. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen wird der weitere Verlauf des 17. Jahrhunderts zum zentralen Zeitalter der Kontroversen um die Anerkennung der Gewissens- und Religionsfreiheit im Besonderen sowie um die Durchsetzung der Ideen von Freiheit und Gleichheit im Allgemeinen228. John Milton (1608– 1674) tritt für die Gewissens- und Glaubensfreiheit ein und verbindet sie mit anderen Freiheitsrechten wie dem Recht der freien Meinungsäußerung, der Pressefreiheit etc.229. Damit wird die Idee der Religionsfreiheit zunehmend eingebettet in umfassende Konzeptionen politischer Freiheit; nicht zuletzt deshalb wird die Idee der Freiheit der Religion als einer der tiefsten Entstehungsgründe des Menschenrechtsgedankens bezeichnet230. Ideengeschichtlich sind es in jener Zeit die aufklärerischen philosophischen Grundlegungen, die auf die allgemeine Sicherung menschlicher Freiheit abzielen – u. a. auf die Sicherung der Meinungsfreiheit, der Freizügigkeit, des Eigentums –, und in die die Religionsfreiheit an zentraler, wenngleich, anders als später von Georg Jellinek (1851–1911) vertreten, nicht an dominierender Stelle einbezogen ist231.

226 Joseph Lecler, Die Gewissensfreiheit, in: Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit, hrsg. von Heinrich Lutz, 1977, S. 331 ff. (363). 227 So von Wolfgang Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Bd. IV, 1977, S. 468 Anm. 157, S. 618. 228 Hierzu und zum Folgenden näher Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 114 ff. 229 John Milton, Aeropagitica. A Speech of Mr. John Milton for the Liberty on Unlicenc’d Printing to the parliament, 1644, in Frank Allen Patterson (General Editor), The Works of John Milton, vol. 4, 1931, S. 293 ff. 230 Vgl. stellvertretend Paul Mikat, Vorwort, in: Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, hrsg. von dems., 1980, S. VII ff. (VII). 231 Vgl. Georg Jellinek, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 3. Auflage 1919; abgedruckt in: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hrsg. von Roman Schnur, 1966, S. 1 ff. (insb. 39 ff.) und Emile Boumty, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte und Georg Jellinek, zuerst veröffentlicht in: Les Annales des Sciences Politiques, Bd. 17 (1902), S. 415 ff., nunmehr abgedruckt, in: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hrsg. von Roman Schnur, 1966, S. 78 ff.; s. auch Georg Jellineks „Antwort an Emile Boumty“, zuerst veröffentlicht in: Revue du droit public et de la science politique en France et à l’étranger XVIII (1902), S. 385, neu abgedruckt, in: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hrsg. von Roman Schnur, 1966, S. 113 ff.

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

111

Thomas Hobbes (1588–1679) vertieft den Gedanken der Freiheit und entfaltet ein rein weltliches und rationales Freiheits- und Staatsverständnis. Er sieht die „Freiheit eines jeden“ darin, „seine eigene Macht nach seinem Willen zur Erhaltung seiner eigenen Natur, das heißt seines eigenen Lebens, einzusetzen und folglich alles zu tun, was er nach eigenem Urteil und eigener Vernunft als das zu diesem Zweck geeignetste Mittel ansieht“232. Daher ist nach Hobbes derjenige frei, der „nicht daran gehindert ist, Dinge, die er aufgrund seiner Stärke und seines Verstandes tun kann, seinem Willen entsprechend auszuführen“233, was in der Folge zu dem berühmten Diktum führt, dass von den solchermaßen zu schrankenloser Freiheit entbundenen Menschen ein „Krieg eines jeden gegen jeden“ geführt wird234. Während Hobbes diese Freiheit gerade aufgrund ihrer Schrankenlosigkeit als Ursprung aller weltlichen Probleme betrachtet und diese Probleme seiner Ansicht nach nur durch eine Staatsgewalt unterbunden werden können, die ihre Macht aus der Unterwerfung des Einzelnen bezieht und durch entsprechend einengende Gesetze ausübt235, sucht John Locke (1632–1704) einen Weg, die Freiheit zu mäßigen, ohne sie von dem Postulat der Sicherheit auflösen zu lassen. Ausgangspunkt ist für ihn die Anerkennung des menschlichen Naturzustandes, verstanden als ein Zustand der Menschen von „vollkommener Freiheit, innerhalb der Grenzen der Gesetze der Natur ihre Handlungen zu regeln und über ihren Besitz und ihre Persönlichkeit so zu verfügen, wie es ihnen am besten scheint, ohne dabei jemanden um Erlaubnis zu bitten oder vom Willen eines anderen abhängig zu sein“236. Folgerichtig sieht er den Menschen „mit einem Rechtsanspruch auf vollkommene Freiheit und uneingeschränkten Genuss aller Rechte und Privilegien des natürlichen Gesetzes, in Gleichheit mit jedem anderen Menschen oder jeder Anzahl von Menschen auf dieser Welt geboren“237. Die Mäßigung der zunächst unbegrenzten Freiheit sucht Locke, insoweit anders als Hobbes, nicht ausschließlich in einer absoluten Monarchie; er baut maßgeblich, d.h. primär, auf das Wirken moralischer Kräfte, die den Freiheitsgebrauch ordnen und erst hernach, d.h. sekundär, auf die Staatsgewalt, die er überdies als Schutzinstrument der Freiheit versteht238. Zweck

232 Thomas Hobbes, Leviathan. Sive de materia, forma et potestate civitatis ecclesiasticae et civilis, in: Opera philosophica quae latine scripsit omnia, hrsg. von William Molesworth, Bd. 3, 1841, cap. 14. 233 Thomas Hobbes, Leviathan. Sive de materia, forma et potestate civitatis ecclesiasticae et civilis, in: Opera philosophica quae latine scripsit omnia, hrsg. von William Molesworth, Bd. 3, 1841, cap. 21. 234 Thomas Hobbes, Leviathan. Sive de materia, forma et potestate civitatis ecclesiasticae et civilis, in: Opera philosophica quae latine scripsit omnia, hrsg. von William Molesworth, Bd. 3, 1841, cap. 13 und 14. 235 Thomas Hobbes, Leviathan. Sive de materia, forma et potestate civitatis ecclesiasticae et civilis, in: Opera philosophica quae latine scripsit omnia, hrsg. von William Molesworth, Bd. 3, 1841, cap. 21. 236 John Locke, Two Treatises of Civil Government, in: The Works in ten volumes, printed for J. Johnson, G. G. and J. Robinson a.o., Bd. V, 1801, Buch II, 2. Kap. § 4. 237 John Locke, Two Treatises of Civil Government, in: The Works in ten volumes, printed for J. Johnson, G. G. and J. Robinson a.o., Bd. V, 1801, Buch II, 7. Kap. § 87. 238 John Locke, Two Treatises of Civil Government, in: The Works in ten volumes, printed for J. Johnson, G. G. and J. Robinson a.o., Bd. V, 1801, Buch II, 2. Kap. § 6.

112

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens der weltlichen Macht ist nach seiner Auffassung daher, die Sicherung der Freiheit durch selbstgegebene Gesetze und damit die Freiheit selbst zu fördern. Überschreitet die weltliche Macht die ihr hierdurch gesetzten Grenzen und damit ihre Legitimationsgrundlagen, kommt sie schließlich gar ihrem Auftrag zum Schutz der Freiheit nicht mehr nach, so gilt nach Locke ihr Anspruch auf menschlichen Gehorsam gegenüber dem staatlichen Gesetz nicht mehr – im Gegenteil, es erwächst in einer solchen Situation ein Widerstandsrecht für jedermann239. Nicht zu Unrecht ist von diesen herausgebildeten Positionen Lockes gesagt worden, dass in ihnen bereits die wesentlichen Prinzipien des liberalen Verständnisses von Freiheit aufgestellt sind, die später zur Ausbildung der modernen Demokratien beigetragen haben240, ja, dass sich aus dieser Denkrichtung gar das System angeborener und unveräußerlicher Menschenrechte entwickelt habe241.

Vor diesem hier nur ansatzweise skizzierbaren ideengeschichtlichen Hintergrund ist es auch das 17. Jahrhundert, das zum Ausgangspunkt für die Positivierung allgemeiner Menschen- und Bürgerrechte – insbesondere auch der Religionsfreiheit – wird242: Sind auch, wie vorstehend gezeigt, derartige Rechte seit langem entwickelt, gleichsam „geahnt“ worden243, so werden sie nunmehr in England und den nordamerikanischen Kolonien verwirklicht244. Am Anfang ihrer Verbürgung steht weniger, wie teilweise angenommen245, die Petition of Right des Jahres 1627246; dort stehen vielmehr die „agreements 239 John Locke, Two Treatises of Civil Government, in: The Works in ten volumes, printed for J. Johnson, G. G. and J. Robinson a.o., Bd. V, 1801, Buch II, 18. Kap., §§ 202–204. 240 Horst Günther, Artikel „Der philosophische Freiheitsbegriff“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 456 ff. (460). 241 Vgl. Otto v. Gierke, Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien, 5. Auflage 1958, S. 112 ff. 242 Grundlegend hierzu: Gerhard Oestreich, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß, 2. Auflage, 1978; in Kürze zusammenfassend: Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 118 ff. 243 So die Formulierung von Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 59 III 3 (S. 79). – Bereits Jahrhunderte zuvor, zu der Zeit, in der Thomas von Aquin wirkt, führen in der weltlichen Sphäre die Ideen vom Bestand überkommener und schützenswerter Rechte wie auch von der Teilhabe bzw. Kontrolle der Herrschaft zu den ständischen Freiheitsbriefen. Auch wenn diese eher Privilegien und korporative Rechte als Verbürgungen individualrechtlichen Zuschnitts darstellen, kommt ihnen für die weitere Entwicklung individualrechtlicher Verbürgungen in Menschen- und Grundrechtskatalogen doch erhebliche Bedeutung zu (hierzu eingehend Stern, a. a. O., § 59 II 3 b) m. w. N. (S. 62 f.). Das bekannteste und wirkmächtigste Dokument dieser Rechtsverbriefungen stellt die Magna Charta Libertatis vom 15. Juni 1215 dar, in der u. a. Habeas-Corpus-Rechte und justizielle Rechte für „Jedermann“ oder doch für „freie Männer“ verbürgt werden. Gleichwohl vergehen bis zur Ausprägung von Menschen- und Bürgerrechten noch Jahrhunderte. 244 Aus der Fülle des Schrifttums s. hierzu stellvertretend Gerald Stourzh, Die Konstitutionalisierung der Individualrechte, in: JZ 1976, S. 397 ff.

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

113

of the people“ von 1647, die im Wesentlichen das Gedankengut der Leveller enthalten und neben der treuhänderischen Übertragung der „supreme authority“ auf die Volksvertretung „rights and liberties“ katalogisieren, die von König und Parlament zu achten sind; inhaltlich werden u. a. die Religions- und Gewissensfreiheit gesichert247. Es folgen 1679 der Habeas-Corpus-Act, 1688 die Declaration of Rights und 1689 die Bill of Rights, denen diese „rights and liberties“ bereits als „undoubted“ gelten248. Über die sog. „Pflanzungsverträge“, Verträge der englischen Siedler über religiöse und politische Prinzipien, in denen die Religionsfreiheit und die Gewissensfreiheit wiederum von zentraler Bedeutung sind, gelangen derartige Rechte nach Amerika249. In ihr entscheidendes Entwicklungsstadium treten die Bürgerrechte und als eines ihrer Kernelemente auch die Gewähr der Religionsfreiheit zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Als das maßgebliche Ursprungsdokument, von dem an Menschen- und Grundrechte sich durchsetzen können, wird heute mit Jellinek (1851–1911) im Gefolge seiner berühmten Kontroverse mit Boumty250 die Virginia Bill of Rights von 1776 betrachtet251, ohne dass hierdurch freilich die durchschlagende Wirkung der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 auf dem Kontinent, insbesondere hinsichtlich der Stellung des Einzelnen gegenüber dem Staat, relativiert würde252. Die Virginia Bill of 245 So Josef Bohatec, England und die Geschichte der Menschen- und Bürgerrechte, 1956, S. 15. 246 Dazu Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 59 III 3 a) (S. 80); vgl. ferner hierzu und zur Verankerung der Menschenrechte im Zuge der neuzeitlichen Verfassungsentwicklung: Ludger Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte, 2. Auflage 1991, S. 67 ff. 247 Hierzu Josef Bohatec, England und die Geschichte der Menschen- und Bürgerrechte, 1956, S. 27 ff.; Hans Dombois, Menschenrechte und moderner Staat, 1948, S. 25; ferner auch Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 59 III 3 a) und b) (S. 80 f.). 248 Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 59 III 3 c) (S. 81). 249 Die Bedeutung derartiger Verträge hervorhebend: Georg Jellinek, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 3. Auflage, 1919, abgedruckt in: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hrsg. von Roman Schnur, 1966, S. 1 ff. (42 ff.); hierzu auch Martin Kriele, Zur Geschichte der Grund- und Menschenrechte, in: Öffentliches Recht und Politik, Festschrift für Hans Ulrich Scupin, hrsg. von Norbert Achterberg, 1973, S. 187 ff. (196 ff.). 250 Emile Boumty, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte und Georg Jellinek, ursprünglich in: Les Annales des Sciences Politiques, Bd. 17 (1902), S. 415 ff., nunmehr abgedruckt in: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hrsg. von Roman Schnur, 1966, S. 78 ff. 251 Georg Jellinek, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 3. Auflage 1919, abgedruckt in: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hrsg. von Roman Schnur, 1966, S. 1 ff. (8 ff.) 252 Dies hat Georg Jellinek, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Antwort an Emile Boumty, zuerst veröffentlicht in, Revue du droit public et de la science

114

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Rights formuliert, „dass Religion oder die Ehrerbietung, die wir unserem Schöpfer schulden, und die Art, in der wir sie darbringen, allein von Vernunft und Überzeugung abhängen, nicht aber durch Gewalt zu erzwingen sind; dass daher alle Menschen in gleicher Weise zur freien Ausübung ihrer Religion berechtigt sind, wie dies den Forderungen ihres Gewissens entspricht; und dass es die gegenseitige Pflicht aller ist, christliche Nachsicht, Liebe und Hilfsbereitschaft für einander an den Tag zu legen“253. 7. Das 18. und 19. Jahrhundert in Deutschland Im Alten Reich bleibt der Westfälische Friede bis zum Ende des Reiches im Jahre 1806 maßgeblich. Eine Ausnahme gilt für Brandenburg-Preußen und das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794. Diesem zufolge genießt jedermann hinsichtlich des individuellen religiösen Bekenntnisses ein Mindestmaß an religiöser Freiheit, die in dem II. Teil, 11. Titel ALR ihre positiv-rechtliche Ausgestaltung findet; auch verfügt jedermann – mit Ausnahme der Anhänger des Judentums – in Bezug auf die bürgerlichen Rechte über Gleichheit, ohne dass hierbei nach der jeweiligen Religionszugehörigkeit differenziert würde254. Allerdings herrscht in Preußen, das seinerzeit keine Trennung von Kirche und Staat kennt, keine Kirchenfreiheit; auch die religiöse Vereinigungsfreiheit besteht nur nach staatlicher Ermessensentscheidung. Dies schmälert indessen nicht die Berechtigung der Bewertung, dass zwar nicht die geistesgeschichtlichen, wohl aber die positiv-rechtlichen Ursprünge der modernen deutschen Religionsfreiheit im altpreußischen Staatskirchenrecht liegen255. Die Rheinbundstaaten erlassen Verfassungen, die zunächst begrenzte Religionsfreiheit gewährleisten; andere deutsche Staaten folgen erst später256. Vorbild für die zu jener Zeit ergehenden religionsrechtlichen Regelungen ist freipolitique en France et à l’étranger XVIII (1902), S. 385 ff., nunmehr abgedruckt in: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hrsg. von Roman Schnur, 1966, S. 113 ff. (114 f.), selbst betont. 253 Zitiert nach: Axel Frhr. von Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136, Rn. 25. 254 Vgl. hierzu näher Hermann Fürstenau, Das Grundrecht der Religionsfreiheit nach seiner geschichtlichen Entwicklung und heutigen Geltung in Deutschland, 1891, S. 137 ff., zur Gesetzgebung hinsichtlich der Juden in Deutschland S. 158 ff.; Gerhard Anschütz, Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat, 1912, S. 184 ff. 255 So Gerhard Anschütz, Die Religionsfreiheit, in: HdbDStR, hrsg. von dems. und Richard Thoma, 2. Bd. 1932, S. 675 ff. (677). 256 Zu der Grundrechtsentwicklung im frühkonstitutionellen Staatsrecht Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band I, 2. Auflage Nachdruck 1975, S. 350 ff.; vgl. zur Glaubensfreiheit S. 356 f. sowie zum Grundverhältnis von Staat und Kirche im 19. Jahrhundert S. 387 ff.; zur Religionsfreiheit in der Zeit des Rheinbundes näher Hermann Fürstenau, Das Grundrecht der Religionsfreiheit nach seiner geschichtlichen Entwicklung und heutigen Geltung in Deutschland, 1891,

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

115

lich zunächst weniger das Preußische Allgemeine Landrecht als vielmehr die französische Charta vom 4. Juni 1814, die die römisch-katholische Kirche noch als Staatskirche beibehält und Religionsfreiheit nur im Privatleben oder aufgrund besonderer Privilegien anerkennt257. Nachdem die französische Charta vom 14. August 1830 die Freiheit gewährleistet, dem eigenen Glauben und den Gewissensentscheidungen ohne Beeinträchtigungen sowohl im privaten wie im öffentlichen Leben folgen zu können, folgt dieser Regelung in Deutschland alsbald das Kurfürstentum Hessen mit seiner Verfassung vom 5. Januar 1831. In diese Lage tritt die von der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49258 vorgenommene Positivierung von Individualrechten259; vorgesehen wird u. a. eine wesentliche Erweiterung der Religionsfreiheit. Im Dezember 1848 wird als „Gesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes“, der erste umfassende Grundrechtskatalog verkündet260, der mit einigen Änderungen hernach den 6. Teil der Reichsverfassung vom 28. März 1849 bildet261 und später, wenngleich in verkürzter Formulierung, Eingang in die Weimarer Reichsverfassung von 1919 findet. Auch wenn die von der Frankfurter Nationalversammlung bejahte rechtliche Gewähr der Religionsfreiheit hernach mit dem Scheitern der Reichsverfassung zunächst einen Rückschlag erleidet262, bleibt gleichwohl ihre rechtspolitische Bedeutung erheblich, zum einen, weil die Idee der Grundrechte und mit ihr zugleich das Postulat allgemeiner Religionsfreiheit in der Folge zunehmend auf Zustimmung treffen, zum anderen, weil deutsche Einzelstaaten – namentlich Preußen – den Inhalt dieser Grundrechte übernehmen263. S. 84 ff.; umfassend über das Verhältnis von Kirche und Staat informiert Christoph Link, Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte, 2000, S. 49 ff. 257 Hierzu und zum Folgenden: Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 123 ff.; Axel Frhr. von Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136, Rn. 27. 258 Hierzu näher Herbert Arthur Strauss, Staat, Bürger, Mensch – Die Debatten der deutschen Nationalversammlung 1848/49 über die Grundrechte, 1947, S. 115 ff.; Jörg Franke, Das Wesen der Frankfurter Grundrechte von 1848/49 im System der Entwicklung der Menschen- und Grundrechte, 1970, S. 57 ff.; Jörg-Detlev Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. Auflage 1998, S. 32 ff. und 159 ff.; vgl. auch Mutius Aloisius Ottow, Die Grundrechte des deutschen Volkes nebst den Entwürfen zu dem Gesetze und Hinweisungen auf andere Verfassungen,1849, passim und Rudolf Roske, Die Entwicklung der Grundrechte des deutschen Volkes vom Jahre 1848 und des Titels II der preußischen Verfassung „von den Rechten der Preußen“ unter besonderer Berücksichtigung ihres gegenseitigen Verhältnisses, 1910, S. 15 ff. 259 Vgl. hierzu die Darstellung bei Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 59 V 4 (S. 111 ff.). 260 RGBl. S. 50. 261 RGBl. S. 101. 262 Vgl. Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 59 V 4 a) a) (S. 113). 263 Hierzu wiederum Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 59 V 4 c) (S. 115 f.).

116

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

In Preußen wird in der Verfassung von 31. Januar 1850 ausdrücklich geregelt264: „Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Religionsgesellschaften [. . .] und der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Religionsausübung wird gewährleistet. Der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen.“ Ähnliche Regelungen gelten in Baden und Württemberg265. Weder in die Verfassung des Norddeutschen Bundes noch in die des Deutschen Reiches werden Grundrechtskataloge aufgenommen. Freilich kommt es zur Entwicklung reichsrechtlicher Grundrechtsnormen auf dem Wege der einfachen Bundes- bzw. Reichsgesetzgebung; exemplarisch gilt dies für das Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 3. Juli 1869266, durch das die staatsbürgerliche Gleichberechtigung ohne Unterschied der Konfession nunmehr zu geltendem Bundes- bzw. – nach entsprechender Übernahme durch das Reich im Jahre 1871 – zu Reichsrecht erhoben wird. Indessen bleibt eine allgemeine reichsrechtliche Gewährleistung der Religionsfreiheit auf Reichsebene weiterhin unerreicht, da weder die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgemeinschaften gewährleistet wird noch die Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften geschützt werden; in der Folge bleiben Landesgesetze, die die Bildung von Religionsgemeinschaften staatlichen Genehmigungserfordernissen unterwerfen ebenso reichsrechtlich unberührt wie solche, die bestimmten Religionsgemeinschaften Vorrechte einräumen267 – ein Zustand der bis zum Ende des Kaiserreiches unverändert bleibt. Zu einer allgemeinen Gewähr der Religionsfreiheit in einem umfassenden Sinne kommt es erstmals in der Weimarer Reichsverfassung von 1919268. 264 Abgedruckt bei Ernst Rudolf Huber (Hrsg.), Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, 3. Auflage 1978, S. 501ff. („Alle noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses hergeleiteten Beschränkungen der bürgerlichen und der staatsbürgerlichen Rechte werden hierdurch aufgehoben. Insbesondere soll die Befähigung zur Teilnahme an der Gemeinde- und Landesvertretung und zur Bekleidung öffentlicher Ämter vom religiösen Bekenntnis unabhängig sein.“). 265 Baden: Gesetz vom 9. Oktober 1860, abgedruckt bei Ernst Rudolf Huber/Wolfgang Huber, Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. II, 1976, S. 234 ff.; Württemberg: Gesetze vom 31. Dezember 1861 und vom 20. Januar 1862, abgedruckt a.a.O, S. 195 ff. 266 Abgedruckt bei Ernst Rudolf Huber (Hrsg.), Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, 3. Auflage 1986, S. 312. 267 Axel Frhr. von Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136, Rn. 29 f. 268 Hierzu ausführlich: Hermann Mirbt, Art. 135 und 136. Glaubens- und Gewissensfreiheit, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, hrsg. von Hans Carl Nipperdey, Bd. II, 1930, S. 319 ff.; ausführlich auch Gerhard Anschütz, Die Religionsfreiheit, in: HdbDStR, hrsg. von dems. und Richard Thoma, 2. Bd. 1932, S. 675 ff.; zum Staatskirchenrecht im Geltungszeitraum der Weimarer Verfassung ein-

II. Kulturgeschichtliche Wurzeln der Religionsfreiheit

117

8. Zwischenergebnis Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen bleibt das Resümee, dass vor allem die Idee der unantastbaren Menschenwürde, die hieran anknüpfende Naturrechtslehre sowie die Übertragung ursprünglich transzendent ausgerichteter Freiheitsvorstellungen auf die weltliche Ordnung – damit zugleich auch: die Unterscheidung von religiöser und politischer Ordnung – den Boden der späteren Ausformung individueller Freiheitsrechte und damit insbesondere auch der Religionsfreiheit bereiten: Denn es ist das an die Stoa anknüpfende und hernach wesentlich christlich beatmete Postulat eines durch keine Güterabwägung relativierbaren, unübersteigbaren Wertes des als imago dei begriffenen Individuums, das die Entfaltung wie auch die Durchsetzung der christlichen Naturrechtslehre befördert und in Verbindung mit der Anwendung von religiös motivierten Freiheitsvorstellungen auf die immanente Ordnung sowie der Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt das Potential in sich trägt, die Einbindung des Einzelnen in den durch die Antike in eins gesetzten, gänzlich undifferenzierten Verband von Gesellschaft und Staat mit Wirkmächtigkeit aufzubrechen sowie eine Rechtsstellung des Einzelnen gegenüber der weltlichen Macht zu begründen. Erst auf dieser Grundlage kann in der Renaissance die Autonomie des Individuums in den Mittelpunkt des Denkens treten und kann in der Aufklärung die Menschenrechtsidee wachsen. Nicht zu Unrecht sind angesichts dieses Befundes die Deklarationen menschlicher Freiheits- und Gleichheitsrechte, die an zentraler Stelle auch die Verbürgung der Religionsfreiheit beinhalten, als „Produkt der Religion des Abendlandes“ bezeichnet worden269. Denn es ist zwar nicht zu verkennen, dass die christlichen Kirchen bis in die Neuzeit hinein allgemeinen Menschenrechtserklärungen, namentlich auch der Bejahung individueller Religionsfreiheit, ablehnend gegenüberstanden270; doch es sind in der Tat die christliche Verbreitung der Idee der Menschenwürde wie auch die christliche Naturrechtslehre, die unter Anknüpfung an stoische Vorstellungen dem Postulat individueller Freiheit im Abendland historisch zu zunehmender Wirkmächtigkeit verhelfen – zu dergehend Christoph Link, Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte, 2000, S. 99 ff., v. a. 104 ff. 269 Vgl. Ernst Wolf, Die Freiheit und Würde des Menschen, in: Recht, Staat, Wirtschaft, Bd. IV, 1953, S. 27 ff. (27); Josef Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. V, 2. Auflage 2000, § 115 Rn. 38, spricht davon, dass sich die Menschenrechte „cum grano salis“ als „säkulare Derivate des Christentums“ deuten lassen. 270 Hierzu aus der Fülle des Schrifttums stellvertretend und eingehend Josef Isensee, Die katholische Kritik an den Menschenrechten. Der liberale Freiheitsentwurf in der Sicht der Päpste des 19. Jahrhunderts, in: Menschenrechte und Menschenwürde. Historische Voraussetzungen – säkulare Gestalt – christliches Verständnis, hrsg. von Ernst-Wolfgang Böckenförde und Robert Spaemann, 1987, S. 138 ff.

118

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

art starker Wirkmächtigkeit, dass sich in Renaissance und Aufklärung sowie unter dem Einfluss der Reformation diese Freiheitsidee auch gegen den Einfluss der Kirche Bahn bricht. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass bzw. wie sehr die Menschenrechte und in ihrem Zentrum die Religionsfreiheit kulturell bedingt sind: Sie sind „gewachsen auf dem Kulturboden Europas, geprägt durch die Epoche der Aufklärung, die ihrerseits vorgeprägt ist durch Renaissance und Christentum“271. Nicht zuletzt deshalb ist konstatiert worden, dass sich die Menschenrechte – und damit zentral eben auch die Religionsfreiheit – nur im christlichen und nachchristlichen Kulturkreis haben entwickeln können272 und dass ihre grundrechtlichen Katalogisierungen ein entsprechend geprägtes „Wert- oder Güter-, ein Kultursystem normieren“273. Georg Friedrich Wilhelm Hegel (1770– 1831) sagt demzufolge von der menschlichen Freiheitsidee und – damit implizit zugleich auch von der Religionsfreiheit – zu Recht, dass sie im Christentum keime und von Reformation, Aufklärung und Naturrechtslehre, mithin durch die abendländische Kulturentwicklung, in die Staatstheorie gehoben und in die Gesetzgebung gebracht worden sei274. Anders gewendet und mit den Worten von Josef Isensee: „Die Menschenrechte sind Kinder des Christentums, freilich illegitime, lange verleugnete Kinder. Spät hat die Kirche sie anerkannt. Heute aber bekennt sie sich offen zu ihnen. Sie setzt sich mit ganzer Kraft für sie ein. Mit ihrer vormaligen Widersacherin, der Aufklärung, hat sie sich nunmehr verbündet. Sie stabilisiert deren Werk dadurch, dass sie ihre freiheitlichen Hervorbringungen schützt gegen den Zugriff der Totalitarismen“ 275 – ein Befund, der in

271 Josef Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. V, 2. Auflage 2000, § 115 Rn. 38; vgl. auch, wenngleich in Kürze, die Feststellung von Klaus Stern, Kulturelle Werte im deutschen Verfassungsrecht, in: Festschrift für Martin Heckel zum 70. Geburtstag, hrsg. von Karl-Hermann Kästner, Knut Wolfgang Nörr, Klaus Schlaich, 1999, S. 857 ff. (873 f.). 272 Josef Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. V, 2. Auflage 2000, § 115 Rn. 38; zu den christlichen Grundlagen des demokratischen Verfassungsstaates näher auch: Reinhard Göhner, Wertgrundlagen des demokratischen Verfassungsstaates, in: Vertrauen in den Rechtsstaat. Beiträge zur deutschen Einheit im Recht, Festschrift für Walter Remmers, hrsg. von Jürgen Goydke, Dietrich Rauschning, Rainer Robra, Hans-Ludwig-Schreiber, Christian Wulff, 1995, S. 149 ff. (155 ff.). 273 Rudolf Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, S. 163. 274 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte – Zweite Hälfte, hrsg. von Georg Lasson, 2. Auflage 1923, Nachdruck 1968, S. 877 ff., 915 ff. 275 Josef Isensee, Verfassungsstaatliche Erwartungen an die Kirche, in: Essener Gespräche 25 (1991), S. 104 ff. (140); vgl. hierzu ferner Ernst-Wolfgang Böckenförde, Zum Verhältnis von Kirche und Moderner Welt. Aufriß eines Problems, in: Studien zum Beginn der modernen Welt, hrsg. von Reinhart Koselleck, 1977, S. 154 ff.; ders.,

III. Kulturgeschichtliche Wurzeln von staatlicher Neutralität und Parität

119

der Gegenwart von wesentlicher Bedeutung für die festgestellte Konvergenz des kirchen- und des staatskirchenrechtlichen Verständnisses von der staatlichen Pflicht zur Gewähr religiöser Freiheit ist.

III. Wesentliche kulturgeschichtliche Wurzeln von staatlicher Neutralität und religionsrechtlicher Parität Bei einer näheren Betrachtung der Quellen der Neutralität des modernen Staates276 und seiner Verpflichtung zu religionsrechtlicher Parität277 erweist sich schließlich einerseits die Bedeutung der vorstehend skizzierten ideellen Wurzeln eines säkularen Staatsverständnisses und einer Bejahung der staatlichen Verbürgung religiöser Freiheit; zugleich ist andererseits auf die Relevanz historischer Entwicklungen, namentlich der Reformation und der durch sie herbeigeführten Glaubensspaltung hinzuweisen, die auch für Neutralität und Parität entscheidende Bedeutung gewonnen haben. 1. Die Bedeutung ideeller Quellen für die Postulate staatlicher Neutralität und Parität Die miteinander verwandten und untrennbar miteinander verknüpften Prinzipien von Neutralität und Parität sind ihrerseits folgerichtiger Ausfluss der Herausbildung des säkularen und der Religionsfreiheit verpflichteten Staatstypus; in diesem Sinne stellen sie ebenso ergänzende wie notwendige Seitenstücke der Säkularität und der Religionsfreiheit dar, ohne die sie weder denkbar noch sinnvoll erscheinen: Ein Staat, der sich in seinem Handlungsfeld auf das Diesseits beschränkt und die religiösen bzw. weltanschaulichen Bindungen seiner Bürger, ungeachtet ihres Inhalts, mit grundrechtlichem Schutz umfängt, kann seiner Natur nach kein Staat sein, der sich mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung identifiziert oder ungerechtfertigte, d.h. willkürliche Ungleichbehandlungen zwischen den Religionsgemeinschaften vornimmt278a. Kirche und modernes Bewusstsein, in: Internationale katholische Zeitschrift „Communio“ 15 (1986), S. 153 ff. (157 f.). 276 Hierzu eingehend Klaus Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972; ders., Zur weltanschaulichen und konfessionellen Neutralität des Staates. Eine staatsrechtliche Problemskizze, in: Essener Gespräche 4 (1970), S. 9 ff.; Stefan Huster, Die ethische Neutralität des Staates. Eine liberale Interpretation der Verfassung, 2002, S. 47 ff. 277 Zur Geschichte des Paritätssystems im Alten Reich Martin Heckel, Parität, in: ZRG, Kan. Abt. 49 (1963), S. 262 ff., erneut abgedruckt in: ders., Gesammelte Schriften. Staat, Kirche, Recht, hrsg. von Klaus Schlaich, Bd. 1, 1989, S. 106 ff.; ausführlich zur geltenden Verfassungslage unter der Geltung des Grundgesetzes: ders., Die religionsrechtliche Parität, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 2. Auflage, 1. Bd 1994, § 20, S. 589 ff.

120

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Die vorstehend – freilich nur in Grundzügen und notwendigerweise nur unvollkommen – skizzierten geistesgeschichtlichen Wurzeln von Säkularität und Religionsfreiheit beatmen damit in fundamentaler Weise auch die Prinzipien von Neutralität und Parität, bilden gleichsam deren ideengeschichtlichen Nährboden: Ohne die ideellen Wurzeln von Säkularität und Religionsfreiheit, kurz: ohne die abendländische Kulturgeschichte wären Neutralität und Parität nicht begründbar, hätten sie sich mit Gewissheit nicht in einem einzigartigen Siegeszug durchzusetzen vermocht. Bezüglich der geistesgeschichtlichen Quellen dieser Grundsätze ist daher wesentlich auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen; Bedeutung erlangen demgemäß auch insofern u. a. insbesondere wiederum das an die Stoa anknüpfende Christentum, die Renaissance, die Reformation sowie die Aufklärung278b. 2. Die historische Herausbildung staatlicher Neutralität und Parität Der konkrete Prozess der Ausformung der rechtlichen Grundsätze von Neutralität und Parität beginnt, historisch betrachtet, mit der Reformation. Mit der Glaubensspaltung entsteht für das Reich eine existentielle Herausforderung: die Bewältigung der Gefahr, dass infolge der religiösen Spaltung die Einheit und der Bestand des Reiches selbst in Frage gestellt werden. Vor dem Hintergrund, dass die Ausschaltung einer der beiden Religionsparteien nicht mit Erfolg durchzusetzen ist, bleibt einziger Ausweg seinerzeit der Rückzug des Staates vom Felde des Religiösen, bleibt nur seine Kreation als neutrale Instanz, bleibt nur die Vereinbarung der Vorrangstellung des politischen Friedens vor der Entscheidung der theologischen Wahrheitsfrage279 – so, wie dies sodann im vorstehend skizzierten Augsburger Religionsfrieden vom 15. September 1555 verankert wird und wie dies auch die bereits erörterten sog. Politiques, namentlich Michel de L’Hopital (1505/06–1573), vertreten280.

278a Vgl. Axel Frhr. von Campenhausen, Der heutige Verfassungsstaat und die Religion, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 2. Auflage, 1. Bd 1994, § 2, S. 47 ff. (77 ff.; vgl. zuvor zur Parität bereits S. 57 ff.); zur Neutralität und Parität unter der Geltung des Grundgesetzes oben sub B. II. 3.; vgl. hierzu auch im Überblick Stefan Korioth, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 140 GG Rn. 31 und 32. 278b Zum gleichwohl heftigen Widerstand der katholischen Kirche gegen die Anerkennung der weltanschaulichen Neutralität des Staates vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil Dieter Grimm, Die Staatslehre der katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, in: Civitas 8 (1969), S. 11 ff. (13). 279 Vgl. hierzu aus der Fülle der Literatur stellvertretend nur Klaus Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 28 ff. 280 Hierzu näher oben sub I. 3.

III. Kulturgeschichtliche Wurzeln von staatlicher Neutralität und Parität

121

Die Zuspitzung der Situation nach der Glaubensspaltung, aus der die Lehre der Politiques in Frankreich wesentlich gespeist wird, resultiert vor allem daraus, dass in Frankreich die Möglichkeit, das Land unter Zusammenhalt des Reiches als neutraler Instanz in katholische und protestantische Fürstentümer aufzuteilen, mangels föderaler Struktur ausscheidet. Daher bleibt dort nur die staatliche Toleranz auch gegenüber den Protestanten, um die nationale Einheit zu erhalten281.

Freilich behalten sowohl der Augsburger Religionsfriede wie auch der Westfälische Friede trotz der Errichtung des politischen Friedens kirchlich-konfessionelle Momente bei; noch der Westfälische Friede hält an der einen Reichskirche ebenso wie an der grundsätzlich konfessionellen Einheit der Territorien fest282. Demgemäß kommt es in Deutschland zuvörderst nicht zu einer Ausgrenzung religiöser Fragen aus dem Recht, sondern zu einer eigenartigen Koexistenz von Reformation und Gegenreformation, die das Verfassungsrecht des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation kennzeichnet und die bereits darin zum Ausdruck gelangt, dass sowohl der Augsburger Religionsfriede wie auch der Westfälische Friede – in ihren kirchenpolitischen Teilen „paktierte Staats-Grundgesetze“ – die Religionsparteien gleichsam zu Staatsparteien machen und sich das Reich folglich auch und gerade durch diese konstituiert283. Beide Friedensschlüsse führen demgemäß zu einer organisatorisch-institutionellen Verfestigung der Glaubensspaltung sowie zu einer Sicherung der Existenz beider Religionsparteien, die jeder Seite Schutz vor einer Majorisierung durch die andere Seite gewährleistet und so die Neutralität des Reiches durch Parität zu verwirklichen sucht284. Der Westfälische Friede erbringt die reichsgesetzliche Positivierung der Legitimität und Parität beider Bekenntnisse und Religionsparteien, regelt den Status beider Parteien und konstituiert explizit eine „aequalitas exacta mutuaque“. Die doppelkonfessionelle Bedingtheit des Reichsrechts wird unterstrichen durch die Parität der Reichsorganisation, in deren Folge die Mehrheitsentscheidung ausgeschlossen ist, wenn die beim Reichstag eingerichtete Verfassungsinstitution des 281 Hierzu ausführlich: Roman Schnur, Die französischen Juristen im konfessionellen Bürgerkrieg des 16. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des modernen Staates, 1962, passim; zusammenfassender Überblick bei Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. 282 Vgl. Martin Heckel, Parität, in: ZRG, 80 Bd., Kan. Abt. 49, 1963, S. 261 ff. (298, 213); ders., Die Kirchen unter dem Grundgesetz, in: VVDStRL 26 (1968), S. 5 ff. (8 f.); Klaus Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 37 ff. 283 Stellvertretend hierzu m. w. N. Klaus Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 37 ff. 284 Martin Heckel, Parität, in: ZRG, 80 Bd., Kan. Abt. 49, 1963, S. 261 ff. (417 f.); vgl. ders., Artikel „Reformation – Rechtsgeschichtlich“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, 3. Auflage 1987, Bd. II, Sp. 2897 ff. (v. a. 2899 f.; 2915 ff.; 2919 ff.).

122

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Corpus Catholicorum und des Corpus Evangelicorum zu getrennten Verhandlungen auseinander treten; in diesem Falle bleibt alleine der Weg des gütlichen Vergleichs. Die Neutralität des Alten Reiches ist bis 1806 folglich die der paritätischen Koexistenz beider Religionsparteien – eine Entwicklung, die auch im 19. und 20. Jahrhundert trotz neuer geschichtlicher wie positivrechtlicher Grundlagen vielfältig fortwirkt285. Im 19. Jahrhundert wird die Neutralität als Gebot verstanden, dass sich der Staat der kritischen Eingriffe wie der affirmativen Einflussnahme zulasten bzw. zugunsten eines Glaubens bzw. einer Religionsgemeinschaft zu enthalten habe286; angesichts der verbliebenen Beziehungen zwischen Kirche und Staat muss die so verstandene Neutralität deshalb weiterhin begleitet sein von Parität287. Schutzgut dieser Neutralitätsvorstellungen ist nicht zuletzt die Freiheit der Kirchen; denn den Kirchen soll auf diese Weise ein Leben und Wirken nach ihrem eigenen Maßstab ermöglicht werden – eine Vorstellung, die auch die Entwicklung bis zum kirchenpolitischen System der Weimarer Reichsverfassung kennzeichnet. Diesem fehlt seinerzeit lediglich noch die sodann unter dem Grundgesetz selbstverständlich gewordene „Konsequenz“ einer Absage an das System der Staatskirchenhoheit. Im 20. Jahrhundert wird dieser Neutralitätsbegriff verstärkt zu einem Verständnis weiterentwickelt, das als etatistisch gekennzeichnet worden ist, weil aus ihm das Erfordernis der Souveränität des Staates und die Notwendigkeit der staatlichen Letztentscheidungskompetenz abgeleitet wird288; Neutralität steht 285 Wie hier das Fazit auch bei Klaus Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 39. 286 Klaus Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 131 ff. 287 Hierzu und zum Folgenden: Klaus Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 131 ff. mit der weiteren Hervorhebung, dass die solchermaßen begriffene Neutralität sich zugleich auch zwischen Trennung und Toleranz bewege. 288 Stellvertretend für diese Position: Helmut Quaritsch, Kirchen und Staat. Verfassungs- und staatstheoretische Probleme der staatskirchenrechtlichen Lehre der Gegenwart, in: Der Staat 1 (1962), S. 195 ff. (190); Hermann Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts im System des Grundgesetzes, 1966, 19 f., 28, 36; Kennzeichnung als etatistisch bei Klaus Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 134 ff. – Das Neutralitätsgebot als eine spezifisch politische Ordnungsvorstellung auf der Grundlage eines politischen Liberalismus deutet Stefan Huster, Die ethische Neutralität des Staates. Eine liberale Interpretation der Verfassung, 2002, v. a. S. 80 ff. – Nimmt man freilich mit Huster an, dass der Staat bereits dann nicht allen Bürgern mit gleicher Achtung begegne, wenn die Begründungen seiner Maßnahmen auf ethische Überzeugungen zurückgreifen, die permanent sowie aus grundsätzlichen Erwägungen heraus umstritten sind (so seine eigene Zusammenfassung S. 679 f.) und erstreckt man auch auf diese Bereiche die staatliche Neutralitätspflicht, so wird die Neutralitätsproblematik und ihr Anwendungsbereich verkannt: Denn die von Huster – zu Recht – geforderte Achtung der Pluralität seiner Bürger und ihrer Ansichten erbringt der freiheitliche Staat bereits durch die grundrechtliche Freiheitsgewähr; sie verlangt von ihm indessen bei sonstigen staatlichen Maßnahmen – namentlich bei staatlichem Leistungshandeln – keine darüber hinausge-

III. Kulturgeschichtliche Wurzeln von staatlicher Neutralität und Parität

123

dieser Auffassung nach in Nähe zu Indifferenz, (rigider) Trennung und Nichtidentifikation. Auch wenn dieses Verständnis von Neutralität im 20. Jahrhundert namentlich im Bereich des Staatskirchenrechts an Einfluss gewinnt, ist dieses freilich nicht neu; erste Wurzeln entstammen dem 17. bzw. 18. Jahrhundert, namentlich den staatsrechtlichen Lehren des Territorialismus289. Bei aller sich dem Terminus der Neutralität eignenden Ambivalenz290 zeichnet sich das solchermaßen entfaltete Neutralitätsdenken unter dem Grundgesetz, wie oben skizziert291, einerseits durch seine Aufwertung, andererseits durch seine innere Verpflichtung zugunsten der Freiheitlichkeit, im Staatskirchenrecht: durch seine Indienststellung zugunsten der Religionsfreiheit, aus292. Aus der Neutralität folgt deshalb die Verpflichtung des Staates und seiner Rechtsordnung, den Bürgern die Möglichkeit zu eröffnen, ihren weltanschaulichen Überzeugungen auch im öffentlichen Leben soweit wie möglich Geltung zu verschaffen. Daher bedeutet Neutralität namentlich kein Gebot für die staatliche hende (ohnehin letztlich gar nicht mögliche) Enthaltsamkeit in Fragen, die ethische Grundorientierungen sichtbar werden lassen. Indem Huster dies verkennt, unterläuft ihm eine grundsätzliche Verwechslung von grundrechtlicher ethisch-kultureller Offenheit und institutionell-rechtlicher ethisch-kultureller Gebundenheit des freiheitlichen Verfassungsstaates, wie diese das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland begründet; hierzu eingehend Arnd Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004, Kap. 3 und Kap. 4. 289 Diese Wurzeln können hier nicht vertieft verfolgt werden. Verwiesen sei stellvertretend auf Martin Heckel, Artikel „Territorialsystem“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, 3. Auflage 1987, Bd. II, Sp. 3600 ff.; Klaus Schlaich, Der rationale Territorialismus. Die Kirche unter dem staatsrechtlichen Absolutismus um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert, in: ZRG 85 Kan. Abt. 54, 1968, S. 269 ff.; vgl. hierzu den zusammenfassenden Überblick bei Reinhold Zippelius, Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997, S. 108 ff., v. a. S. 111 ff. sowie zur Entwicklung im 20. Jahrhundert S. 159 ff. 290 Diese Ambivalenz sieht sich gekennzeichnet durch mehrere mit dem Neutralitätsgedanken verbundene Akzentsetzungen, deren Pole bereits von Carl Schmitt (1888–1985) in einem negativen wie auch einem positiven Sinne umschrieben werden: In negativer Hinsicht soll hiernach Neutralität einerseits auf (staatliche) Neutralisierung, Entpolitisierung, letztlich Indifferenz abzielen, während in positiver Hinsicht Neutralität seiner Ansicht nach gedeutet werden kann als Aufruf zur politischen Entscheidung und Gestaltung im Sinne unabhängiger Sachlichkeit durch die Neutralität eines (außenstehenden) Dritten, des hierzu berufenen und darum machtvollen Staates nämlich, vgl. Carl Schmitt Der Hüter der Verfassung, 2. Auflage 1969, S. 111 ff.; vgl. auch ders., Das Zeitalter der Neutralisierungen und Entpolitisierungen, in: der Begriff des Politischen, 1963, S. 89 ff. (88 ff.); ders., Neutralität und Neutralisierungen, in: Positionen und Begriffe, 1940, S. 271 ff. (274); zusammenfassend m. w. N. Paul Mikat, Staat, Kirchen, Religionsgemeinschaften, in: HdbVerfR, hrsg. von Ernst Benda, Werner Maihofer, Hans-Jochen Vogel, 2. Auflage 1995, § 29 Rn. 8 ff. 291 Hierzu näher oben sub B. II. 3. 292 Vgl. wiederum Klaus Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 132; zum Verweis der Neutralität auf das generelle Gebot der Verfassung zur Freiheitlichkeit vgl. auch S. 236 ff., dort v. a. 262 ff.

124

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Gewalt, das Vorhandensein objektiv existenter gesellschaftlicher Potenzen und ihrer unterschiedlichen Einstellungen und Handlungen gegenüber der kulturell geprägten, freiheitlich ausgerichteten Verfassungsordnung zu negieren293; „Neutralität – und in engem Zusammenhang damit Parität – wird vielmehr unter dem geltenden Verfassungsrecht, das einer positiven Berücksichtigung des Religiösen offen ist, dadurch verwirklicht, dass der Staat mit Rücksicht auf die hohe Sozialbedeutung der Kirchen und Religionsgemeinschaften einheitliche Rahmenbedingungen setzt, die durch die jeweiligen Religionsgemeinschaften – angesichts der Vielfalt im Tatsächlichen auch in rechtlich unterschiedlicher Weise – tätig ausgefüllt werden [können]“294. Die enge Verbindung zwischen Neutralität und Parität bleibt mithin auch in der Gegenwart wirkmächtig – ein Befund, in dem sich historische Kontinuität findet. Denn historisch betrachtet ist die Parität, ebenso wie die Neutralität, wesentlich Ausfluss der Glaubensspaltung im Abendland: Auch nach dem Abschluss des Augsburger Religionsfriedens von 1555 stehen sich in den strittigen Fragen der gegensätzlichen Glaubens- und Rechtsauffassungen die Religionsparteien unverglichen und unversöhnlich gegenüber; sowohl die katholische wie die evangelische Seite halten zwar an der Einheit des Glaubens, der Kirche, des Reichs, des Rechts fest, vertreten indessen jeweils ihre Identität mit dem einen wahren Glauben und der einen wahren Kirche. Die Parität, sowohl in formaler wie in materieller Hinsicht, wird in dieser Situation zum Reichsinstrument, um Frieden zu ermöglichen und die politische Koexistenz der Religionsparteien zu ordnen – freilich nur ihre, nicht die anderer Bekenntnisse295. Damit ist die Parität aufgrund ihrer Ausrichtung auf die Ordnung des bikonfessionellen Koexistenzverhältnisses bis zum Ende des Alten Reiches noch kein allgemein geltendes Prinzip, in diesem Sinne noch kein Grundsatz des modernen Staates. Dies ändert sich mit der großen Säkularisation von 1803 und dem Ende des Reiches 1806: Das Paritätssystem „springt vom Reich auf die Einzelstaaten über und findet erst nach mehr als einhundert Jahren eine volle Entfaltung in der Reichs- bzw. Bundesverfassung von 1919 und 1949“, es wandelt sich zugleich als Rechtsfigur von der eines politisierten zwischenkonfessionellen Ver293 Wie hier auch Peter Badura, Das Grundgesetz vor der Frage des religiösen und weltanschaulichen Pluralismus, in: Religion, Recht und Politik, hrsg. von Günter Baadte und Anton Rauscher, 1997, S. 39 ff. (42 f.). 294 Explizit so: Paul Mikat, Staat, Kirchen, Religionsgemeinschaften, in: HdbVerfR, hrsg. von Ernst Benda, Werner Maihofer, Hans-Jochen Vogel, 2. Auflage 1995, § 29 Rn. 10 a. E. Ausdrücklich wie hier auch Peter Badura, Der Schutz von Religion und Weltanschauung durch das Grundgesetz, Verfassungsfragen zur Existenz und Tätigkeit der neuen „Jugendreligionen“, 1989, S. 81 f. 295 Grundlegend: Martin Heckel, Die religionsrechtliche Parität, in: HdbStKirchR, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Bd. 1, 1. Auflage, 1974, S. 445 ff. (451 ff.); vgl. noch ausführlicher ders., Parität, in: ZRG, 80 Bd., Kan. Abt. 49, 1963, S. 261 ff.

IV. Kirche und Staat als Ausdruck abendländischer Kulturidentität

125

tragsrechts zu einer Regelung staatlichen Rechts auf der Grundlage staatlicher Souveränität und gründet auf der Durchsetzung der Unterscheidung und Scheidung von Kirche und Staat296. Auf dem historischen Weg der Herausbildung von Neutralität und Parität stehen damit im Abendland die Kirchen in ständiger Wechselwirkung mit der sich entwickelnden weltlichen Macht; sie beeinflussen die Entwicklung dieser Grundsätze wie auch sie und ihr Verständnis von den historischen Prozessen beeinflusst werden. Damit sind sie gleichermaßen aktive (d.h. nicht: Neutralität und Parität ungebrochen befördernde) Gestalter wie auch Objekt der geschichtlichen Ausformung des modernen Beziehungsgefüges von Staat und Kirche, dies freilich vor dem Hintergrund, dass sie hierdurch gezwungen werden, die tatsächlichen Verhältnisse und Entwicklungen zur Kenntnis zu nehmen und sich – sei es fördernd, sei es abwehrend – im Umgang mit ihnen zu üben, kurz: sich auf diese einzustellen.

IV. Conclusio: Das Verhältnis von Kirche und Staat als Ausdruck abendländischer Kulturidentität Die vorstehenden Erwägungen, die im Interesse einer klärenden Annäherung an die Frage nach den Gründen des in den kirchen- und staatskirchenrechtlichen Regelungen zum Ausdruck gelangenden Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat vor allem ihr Augenmerk auf die Nachzeichnung des christlichen Einflusses auf die Prinzipien der Trennung von Kirche und Staat bzw. auf die Säkularität des Staates sowie die Ideen der Religionsfreiheit, der Neutralität und der Parität legen, verdeutlichen zweierlei: Es ist einerseits das zunächst durch die Stoa vorbereitete und hernach durch das Christentum geistesgeschichtlich grundgelegte kulturelle Fundament des Abendlandes, das im Zusammenwirken mit weiteren Faktoren – namentlich der Renaissance, der Glaubensspaltung und der Aufklärung –, die abendländische Ordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche bis in die Gegenwart prägt und trägt; insofern ist dieses gemeinsame Kulturfundament von Kirche und (Verfassungs-)Staat wesentlicher Grund für übereinstimmende Grundmaximen bei der Frage nach dem Verhältnis beider Mächte zueinander. Es ist andererseits auch der Umstand, dass sowohl die kirchliche wie auch die weltliche Macht im historischen Werden der modernen Welt bis in die Neuzeit hinein wirkmächtige Akteure sind, die wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung der abendländischen Welt zu nehmen suchen und die daher, vielfach zunächst widerstrebend, historische Fakten wie namentlich die Glaubensspaltung hinnehmen bzw. sich auf diese in ihrer Hal296 Ausführlich Martin Heckel, Die religionsrechtliche Parität, in: HdbStKirchR, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Bd. 1, 1. Auflage, 1974, S. 445 ff. (454 ff.).

126

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

tung wie in ihrem Handeln einstellen müssen – ein Befund, der in besonderer Weise bei der Durchsetzung der Prinzipien von Neutralität und Parität deutlich wird. Vor diesem Hintergrund entsteht im Anschluss an das jahrhundertelang währende Ringen von geistlicher und weltlicher Macht um die Gestalt der modernen Welt und um das Verhältnis von Kirche und Staat ein symbiotischer Kulturprozess, der, wenngleich häufig unausgesprochen, bis in die Gegenwart ideell wesentlich durch christlich beatmete Postulate geprägt wird – von der Unterscheidung zwischen geistlicher und weltlicher Macht über die Begründung der Menschenwürde und die Naturrechtslehre bis hin zu der Bejahung weltlicher Neutralität in religiösen Belangen; hierbei knüpfen die christlichen Einflüsse – insbesondere im Hinblick auf die Naturrechtslehre – vielfältig an die stoische Philosophenschule an und überformen diese. Der gleichwohl gegen diesen Befund erhobene Einwand, die Moderne schulde jedenfalls ihren christlichen Voraussetzungen nichts, weil wesentliche Errungenschaften gegen den Widerstand der Kirchen erkämpft worden seien297, vermag diesem Befund nicht zu widersprechen, weil die hierin angelegte Verabsolutierung des zeitlich begrenzten Widerstands der Kirchen gegen die Herausbildung dieser kulturellen Errungenschaften die ungleich wirkmächtigere geistesgeschichtliche Fundierung derartiger Grundsätze durch das Christentum außer Acht lässt und folglich notwendigerweise zu einer undifferenzierten und einseitigen Betrachtung führen muss. Doch auch die Denkfigur der Säkularisation, mit der das Verhältnis von Christentum und Moderne in der Gegenwart gerne gekennzeichnet wird, erfasst die geistesgeschichtliche Einflussnahme des an die Stoa anknüpfenden Christentums auf wesentliche Prämissen des Verhältnisses von Kirche und Staat nur unzureichend; denn sie kann dergestalt interpretiert werden, dass die modernen Ideen durch den Vorgang der Säkularisation ihrer christlichen Grundlegung entrissen worden seien, dass mithin ein Kontinuitätsbruch zur christlichen Tradition stattgefunden habe und folglich dem Christentum für das in der Moderne herausgebildete Verhältnis von Kirche und Staat keine konstitutive Bedeutung mehr zugemessen werden könne. Mit einer solchen Betrachtung indessen wird die christliche Beeinflussung der Herausbildung der Postulate von Säkularität, Menschenwürde und Religionsfreiheit, Neutralität und Parität in ihrer auch die Moderne prägenden Bedeutung ebenso unterschätzt wie die fortwährende christliche Beatmung und Vitalisierung dieser Ideen in der Gegenwart. Zutreffen dürfte vor diesem Hintergrund eine Bewertung, die die christliche Fundierung der Grundsätze, die das Verhältnis von Kirche und Staat in der 297 Stellvertretend für diese Sichtweise: Hans Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit, 1966, passim; Gegenposition: Karl Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen, 8. Auflage 1990, passim.

IV. Kirche und Staat als Ausdruck abendländischer Kulturidentität

127

Moderne prägen, als grundlegend erachtet, die die Bedeutung geschichtlicher Umstände (wie der Glaubensspaltung) und sonstiger geistesgeschichtlicher Strömungen (wie der Renaissance und der Aufklärung) für die inhaltliche Entfaltung dieser Grundsätze hoch einschätzt, die hierbei berücksichtigt, dass die revolutionären Schübe, die diese Moderne hervorgebracht haben, ihren geistigen Impuls allzumeist direkt oder indirekt aus den Postulaten der christlichen Botschaft bezogen haben298, die konzediert, dass die aus dem christlichen Gedankengut und weiteren (geistes-)geschichtlichen Entwicklungen hervorgegangene Freiheitsgeschichte in einem langwährenden Prozess auf die institutionalisierten Formen des Christentums zurückwirkt299, die berücksichtigt, dass die Kirchen, wenn auch verspätet, in der Moderne (wieder-)entdecken, dass die Resultate dieses kulturellen Entwicklungsprozesses der christlichen Botschaft eher und mehr entsprechen als gegenläufige Positionen und die schließlich zur Kenntnis nimmt, dass sich die Kirchen seit dem 20. Jahrhundert mit aller Kraft für diese Prinzipien einsetzen und sie gegen die Gefährdungen der Totalitarismen zu schützen suchen. In der Folge einer derartigen Bewertung erscheint die abendländische Tradition – und damit zugleich ihr christliches Fundament – auch für die Moderne, d.h. den freiheitlichen Verfassungsstaat als wesentlich – freilich ohne, dass dies im Bewusstsein der Gegenwart entsprechend präsent wäre300. Daher ist festzustellen, dass der historische Prozess der Entfaltung eines modus vivendi für die christlichen Kirchen und die weltliche Macht in Europa eine kulturprägende Kraft ausgeübt hat, die sowohl auf das kirchenrechtliche wie auch auf das staatskirchenrechtliche Verständnis des Verhältnisses von Kirche und Staat Einfluss genommen hat. So vermag es nicht zu überraschen, dass die kirchliche wie die staatliche Ordnung beider Gewalten in der Gegenwart nach Grundsätzen erfolgt, mit denen sich beide Seiten nunmehr, nach langem historischen Ringen, in ihrer hierdurch gegenseitig gewährten grundsätzlichen Eigenständigkeit und Unabhängigkeit als wohlgeordnet empfinden und die sie daher stabilisiert sehen möchten: Das Verhältnis von Kirche und Staat im Recht der Gegenwart erscheint, soweit die Grundentscheidungen der Säkularität des Staates, der

298

Hierzu grundlegend: Eugen Rosenstock-Huessy, Die europäischen Revolutionen und der Charakter der Nationen, 2. Auflage 1951, passim; Christopher Dawson, Progress and Religion. An historical inquiry, 1929 (repr. 1970), S. 177 ff. (190) und S. 234 ff. 299 Vgl. Karl Gabriel, Christentum zwischen Tradition und Postmoderne, 1992, passim; vgl. auch, wenngleich in Kürze, Franz Xaver Kaufmann, Soziologie des Christentums, in: 2000 Jahre Christentum und europäische Kultur, hrsg. von Erwin Möde, 1999, S. 129 ff. (138 f.). 300 Zum Christentum und seinem Einfluss auf die Menschenrechte so auch Josef Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. V, 2. Auflage 2000, § 115 Rn. 38; vgl. ferner Christopher Dawson, Progress and Religion. An historical inquiry, 1929 (repr. 1970), S. 177 ff. und S. 234 ff.

128

C. Spurensuche: Wesentliche Gründe für den Grundkonsens

Religionsfreiheit, der staatlichen Neutralität und Parität in Rede stehen, deshalb sowohl aus kirchen- wie auch aus staatskirchenrechtlicher Perspektive konsentiert, weil es Ausdruck abendländischer Kulturidentität und damit jener kulturellen Tradition ist, in der christliche Kirchen und freiheitlicher Verfassungsstaat gemeinsam stehen301.

301 Wie hier: Rupert Scholz, Der Auftrag der Kirchen im Prozeß der deutschen Einheit, in: Essener Gespräche 26 (1992), S. 7 ff. (27: „Der grundgesetzliche Verfassungsstaat hat sich zu jenen verfassungs- und kulturstaatlichen Grundwerten bekannt, die im Christentum wurzeln, die die Grundlage des kirchlichen Verkündigungsauftrages bilden und die damit auch als elementar staatsbildendes Grundethos verstanden werden können.“); ders., Staat und Kirche – Chance für eine neue Partnerschaft? in: Walter Bernhardt/Gottfried Mehnert (Hrsg.), Glaube und Politik (Bad Bramstedter Gespräche 1985–1986), 1987, S. 63 ff. (70: „Es geht [. . .] um die fundamentalen ethischen Grundwerte, die im Evangelium wurzeln, die zur Grundlage unserer abendländischen Kultur geworden sind und die für den pluralistischen Staat unabdingbare wie unverrückbare Grundlage sind. Anders formuliert: Das pluralistische Gemeinwesen des demokratischen Rechtsstaates ist zwar weltanschaulich neutral, ist aber nicht wertneutral. Seine geistig-ethischen Grundlagen stehen fest [. . .].“).

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des kirchen- und staatskirchenrechtlichen Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat Es bleibt die Frage, ob und welche rechtlichen Konsequenzen der Befund des kulturgeschichtlich fundierten sowie kirchen- und staatskirchenrechtlich zum Ausdruck gelangenden Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat zeitigt. Möglich ist einerseits, diesem Konsens zwar kulturgeschichtliche Bedeutung zuzuschreiben, im Übrigen indessen im modernen Verfassungsstaat ausschließlich das staatliche Recht, d.h. das Staatskirchenrecht, als das allein allgemeinverbindliche Verfassungsrecht zu betrachten, dessen Regelungen auf das Einverständnis der ihnen unterworfenen Religionsgemeinschaften nicht angewiesen sind. Folge einer solchen Betrachtungsweise für das Verhältnis von Kirchenund Staatskirchenrecht ist die Annahme eines unverbundenen Nebeneinanders wesensverschiedener Rechtsordnungen. Andererseits erscheint denkbar, dem auf das Verhältnis von Kirche und Staat bezogenen Grundkonsens aktuelle rechtliche Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Staatskirchenrechts zu entnehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Ziel des kulturell geformten Staatskirchenrechts nicht ausschließlich in der grundrechtlichen Gewähr religiöser Freiheit, sondern auch in der Perpetuierung dieser abendländischen kulturellen Prägungen des Verhältnisses von Kirche und Staat gesehen wird und wenn das geltende Staatskirchenrecht dieses Ziel durch ein auf Kooperation mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften angelegtes institutionelles Recht zu erreichen sucht. Denn dann lässt sich argumentieren, dass das geltende Staatskirchenrecht jedenfalls für die Entfaltung dieser ihm institutionell-rechtlich zu eigenen kulturstabilisierenden Funktion auf ein konvergierendes und daher kompatibles kirchenrechtliches Verständnis von Kirche und Staat angewiesen ist – das staatskirchenrechtliche Angebot besonderer, über die Verbürgung der Religionsfreiheit hinausgehender Rechtsgewährleistungen baut dann auf die kirchliche bzw. religionsgemeinschaftliche Annahme, die, jedenfalls dann, wenn die dogmatisch fixierten Inhalte auch das tatsächliche Handeln der Religionsgemeinschaften und Kirchen determinieren, von entsprechenden kirchenrechtlichen Positionsbestimmungen abhängt. Die Konsequenz einer derartigen Betrachtungsweise ist die Bejahung eines auf das institutionelle Verhältnis von Kirche und Staat begrenzten, insofern partiellen Ineinandergreifens von Kirchen- und Staatskirchenrecht.

130

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundkonsenses

Entscheidende Bedeutung erlangt vor dem Hintergrund dieser Alternativen die Frage, welchem Zweck die staatskirchenrechtlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes dienen (hierzu sub I.). Erst nach der Klärung der funktionalen Dimension(-en) des Staatskirchenrechts kann die rechtliche Aktualität des kirchen- und staatskirchenrechtlichen Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat (hierzu sub II.) in den Blick genommen werden, bevor schließlich sein europarechtlicher Schutz näher betrachtet werden kann (hierzu sub III.).

I. Zur doppelten funktionalen Dimension des Staatskirchenrechts – Das Staatskirchenrecht als Instrument der Freiheitsgewähr und der Freiheitssicherung Zweck der staatskirchenrechtlichen Gewährleistungen ist zunächst die Gewähr von religiöser Freiheit; es ist dies die evidente funktionale Dimension des grundgesetzlich verbürgten Staatskirchenrechts (hierzu sub 1.). Daneben kommt dem Staatskirchenrecht, freilich prima facie weniger offenkundig, indessen auch eine kulturstabilisierend-freiheitssichernde Funktion zu (hierzu sub 2.). Damit ergibt sich eine zweifache Zweckbindung des Staatskirchenrechts, wobei die beiden funktionalen Dimensionen normativ voneinander abgrenzbar sind (hierzu sub 3.). Ein Zwischenergebnis rundet die nachfolgenden Betrachtungen zur Doppelfunktionalität des Staatskirchenrechts ab (hierzu sub 4.). 1. Die evidente funktionale Dimension des Staatskirchenrechts: Freiheitsgewähr durch Grundrechtsschutz Die offenkundige Funktion des Staatskirchenrechts besteht zunächst in der Garantie religiöser Freiheit und wird unter der Geltung des Grundgesetzes zentral durch die Verbürgung des Art. 4 GG sichergestellt, der nach heute überwiegender, freilich nicht unbestrittener Ansicht die Religionsfreiheit als einheitliches Grundrecht schützt1. Ebenso wie die Gewähr der Religionsfreiheit selbst schützen auch die Grundsätze der Trennung von Kirche und Staat sowie die der verfassungsstaatlichen Neutralität und Parität die Freiheitlichkeit, weil von einem mit einem religiösen bzw. weltanschaulichen Bekenntnis institutionell ver1 Zur Religionsfreiheit im Staatskirchenrecht näher oben sub B. II. 2. – Hierzu auch BVerfGE 24, 236 (245); 32, 98 (106 f.); 33, 23 (28); Paul Mikat, Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: HdbVerfR, hrsg. von Ernst Benda, Werner Maihofer, Hans-Jochen Vogel, 2. Auflage 1994, § 29 Rn. 7; Axel Frhr. v. Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136, Rn. 36; a. A. Roman Herzog, in: Theodor Maunz/Günter Dürig Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 4 Rn. 64 und 99; vgl. auch die Darstellung bei Juliane Kokott, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. von Michael Sachs (Hrsg.), Komm. z. GG, 3. Auflage 2003, Art. 4 Rn. 10 ff.

I. Zur doppelten funktionalen Dimension des Staatskirchenrechts

131

bundenen und identifizierten Staatswesen jedenfalls die Gefahr der Unduldsamkeit gegenüber Andersgläubigen ausgehen wird; verdeutlicht wird dies historisch dadurch, dass erst infolge der Aufhebung der Identifikation von Kirche und Staat die individuelle Freiheit der Religion bzw. Weltanschauung zur Blüte kommen konnte2. Zu Recht wird daher die Freiheitlichkeit des Staatskirchenrechts, d.h. seine funktionale Ausrichtung auf umfassende Freiheitsgewähr, als sein Charakteristikum wie auch als seine zentrale Zweckausrichtung benannt3. 2. Die verborgene funktionale Dimension des Staatskirchenrechts: Freiheitssicherung durch kulturstabilisierendes institutionelles Recht Die vorstehend erörterten Grundsätze von Religionsfreiheit, Trennung von Staat und Kirche, religiös-weltanschaulicher Neutralität sowie Parität sind nicht nur Regelungen, die im Interesse der Freiheitsgewähr bestehen, sondern die – wie gesehen – zugleich auch essentialia der abendländischen Kulturidentität enthalten. Das Staatskirchenrecht seinerseits indessen ist nicht nur entsprechender Ausfluss kultureller Prägung, sondern enthält auch verschiedene Regelungen, die diese Kulturidentität pflegen: exemplarisch etwa den Schutz des Sonntags, die Gewährleistung körperschaftlicher Rechte, die Einrichtung des Religionsunterrichts. Hier zeigt sich, dass das deutsche Staatskirchenrecht nicht nur über Normen verfügt, die wesentliche Aspekte der kulturellen Identität Europas auf nationaler Ebene zur Geltung bringen; es verfügt ebenso auch über Regelungen, die ihren originären Zweck in der verfassungsstaatlichen Pflege und Förderung dieser, auf dem spezifischen Sektor des Staatskirchenrechts durch Religionsfreiheit, Trennung von Staat und Kirche, Neutralität und Parität charakterisierten abendländischen Kulturidentität haben. Weil damit das kulturelle Fundament gestärkt wird, auf dem die freiheitliche Verfassungsordnung beruht, dienen derartige, identitätspflegende Regelungen letztlich der zukunftsbezogenen Freiheitssicherung. Diese identitätsstützende und damit freiheitssichernde Funktion bildet – wie im Schrifttum zunehmend anerkannt wird – gleichsam die zweite, gemein2

Vgl. Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage 1966, S. 181 f. Axel Frhr. von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 423 f.; vgl. ders., Der heutige Verfassungsstaat und die Religion, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, I. Bd., 2. Auflage 1994, § 2, S. 47 ff. Umfassend zur staatlichen Gewähr religiöser Freiheit zuletzt Stefan Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung. Die verfassungsrechtlichen Garantien religiöser Freiheit unter veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen, 1997; vgl. aus der jüngeren Literatur auch Karl-Hermann Kästner, Das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, in: AöR 123. Bd. (1998), S. 408 ff.; ders., Hypertrophie des Grundrechts auf Religionsfreiheit?, in: JZ 1998, S. 974 ff.; Wolfgang Bock, Die Religionsfreiheit zwischen Skylla und Charybdis, in: AöR 123. Bd. (1998), S. 444 ff. 3

132

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundkonsenses

wohlbezogene funktionale Dimension des geltenden Staatskirchenrechts4, die sich bei näherer Betrachtung als bereichsspezifischer Ausfluss der allgemeinen institutionellen Bindung des grundgesetzlichen Verfassungsstaates an die ihm 4 Hierzu und zum Folgenden wegweisend: Josef Isensee, Verfassungsstaatliche Erwartungen an die Kirche, in Essener Gespräche 25 (1991), S. 104 ff. 105 ff., 110 f.; ders., Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (84 ff., v. a. 87 f.); darstellend ders., Rechtsgutachten zur Genehmigungsfähigkeit einer privaten islamischen Grundschule, Typoskript, 2000, S. 75 f.; zur Diskussion eines Vorbehaltes zugunsten der kulturellen Identität im Verfassungsrecht, insbesondere auch im Hinblick auf das Staatskirchenrecht, ders., Tabu im freiheitlichen Staat – Jenseits und diesseits der Rationalität des Rechts, 2003, S. 79 ff. m. w. N.; zur Erörterung dieser kulturstützenden Funktion des geltenden Staatskirchenrechts und zu der hierbei – implizit wie explizit – erfolgenden Diskussion eines Identitätsvorbehaltes für das Staatskirchenrecht s. weiterhin Paul Kirchhof, Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 22, S. 651 ff. (669); ders., Der Staat als Organisationsform politischer Herrschaft und rechtlicher Bindung, – Kontinuität und Erneuerung des deutschen Verfassungsstaates in Freiheitlichkeit, Weltoffenheit und demokratischer Solidarität, in: DVBl. 1999, S. 637 (642 f.: „Die Unverfügbarkeit des Vorgefundenen“); Martin Heckel, Das Gleichheitsgebot im Hinblick auf die Religion, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 21, S. 623 ff. (646 f.); Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. (546 f.); vgl. ferner Axel Frhr. v. Campenhausen, Neue Religionen im Abendland, in: ZevKR 25 (1980), S. 135 ff. (169 f.); vgl. auch Rupert Scholz, Staat und Kirche – Chance für eine neue Partnerschaft? in: Walter Bernhardt/Gottfried Mehnert (Hrsg.), Glaube und Politik (Bad Bramstedter Gespräche 1985–1986), 1987, S. 63 ff. (69 f.: „Nicht ohne Grund hat der Verfassungsgeber von 1949 [. . .] in der Präambel zum Grundgesetz formuliert, dass das deutsche Volk sich „im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen . . .“ diese Verfassung gegeben habe. Der grundgesetzliche Verfassungsstaat hat sich mit anderen Worten gerade zu jenen verfassungs- und kulturstaatlichen Grundwerten bekannt, die im Christentum wurzeln [. . .] und die auch als elementar staatsbildendes Ethos definiert werden können. [. . .] Es geht [. . .] um die fundamentalen ethischen Grundwerte, die im Evangelium wurzeln, die zur Grundlage unserer abendländischen Kultur geworden sind und die für den pluralistischen Staat unabdingbare wie unverrückbare Grundlage sind. Anders formuliert: Das pluralistische Gemeinwesen des demokratischen Rechtsstaates ist zwar weltanschaulich neutral, ist aber nicht wertneutral. Seine geistig-ethischen Grundlagen stehen fest und finden – verfassungsrechtlich wie verfassungspolitisch – ihre sinnidentische Korrespondenz im Prinzip der partnerschaftlichen Koordination und Kooperation von Staat und Kirche.“); ders., Der Auftrag der Kirchen im Prozeß der deutschen Einheit, in: Essener Gespräche 26 (1992), S. 7 ff. (7 f. und 27); vgl. ferner Alfred Albrecht, Die Verleihung der Körperschaftsrechte an islamische Vereinigungen, in: KuR 1995, S. 25 ff. (27 f.); a. A. etwa bei Stefan Korioth, Loyalität im Staatkirchenrecht? Geschriebene und ungeschriebene Voraussetzungen des Körperschaftsstatus nach Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV, in: Rechtstheorie und Rechtsdogmatik im Austausch, Gs. f. Bernd Jeand’Heur, hrsg. von Wilfried Erbguth, Friedrich Müller, Volker Neumann, 1999, S. 221 ff.; Stefan Huster, Körperschaftsstatus unter Loyalitätsvorbehalt?, BVerwG, NJW 1998, S. 2396, in: JuS 1998, S. 117 ff.; ders., Die ethische Neutralität des Staates. Eine liberale Interpretation der Verfassung, 2002, S. 205 ff., v. a. S. 208 (dort Anm. 301).

I. Zur doppelten funktionalen Dimension des Staatskirchenrechts

133

zunächst vorausliegende, ihn sodann prägende und schließlich für seinen Fortbestand entscheidende kulturelle Identität erweist5; diese Bindung legt dem Staat die Pflicht auf, die kulturelle Identität insoweit, wie die Verfassung an sie anknüpft, zum Zweck der dauerhaften Freiheitssicherung mit Schutz und Förderung zu umhegen – eine Forderung, die auch durch das institutionelle Staatskirchenrecht verfassungsrechtliche Erfüllung findet, das der generationenübergreifenden Perpetuierung und Stabilisierung der kulturellen Identität dient6. Offenkundig ist dies etwa im Hinblick auf den Umstand, dass zwar der in jüdischchristlicher Tradition stehende Sonntag7, nicht indessen der muslimisch geprägte Freitag mit grundgesetzlichem Schutz umfangen ist und insoweit die abendländische Kulturidentität mit besonderem, symbolischem verfassungsstaatlichem Schutz umgeben wird: Diese Regelung intendiert nicht Freiheitsgewähr, sondern Identitätsstabilisierung8. Deutlich wird dies zudem auch anhand des Körperschaftsstatus: 5 Zur Bedeutung der kulturellen Identität als Entstehungs- und Geltungsbedingung der freiheitlichen Verfassungsordnung in verfassungstheoretischer und verfassungsrechtlicher Hinsicht näher: Arnd Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004, Kap. 2, 3 und 4. 6 Zur verfassungsstaatlichen Sorge für Schutz und Pflege der kulturellen Identität Arnd Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004, Kap. 4 (v. a. sub A. II. und III.). 7 Hierzu Stefan Korioth, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 140 GG i.V. m. Art. 139 Rn. 1 und 3.; zur kulturellen Dimension eingehend Peter Häberle, Der Sonntag als Verfassungsprinzip, 1988, S. 79 ff. Zum Sonn- und Feiertagsschutz umfassend Karl-Hermann Kästner, Der Sonntag und die kirchlichen Feiertage, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. II, 2. Auflage 1995, § 51, S. 337 ff. 8 Die Regelung des der grundgesetzlichen Verfassungsordnung durch Art. 140 GG inkorporierten Art. 139 WRV schützt den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung. Die auf diese Weise begründete institutionelle Garantie schützt die Feiertage insoweit relativ, als sich hieraus keine Gewährleistung bestimmter Feiertage oder einer konkreten Anzahl von Feiertagen ableiten lässt. Den Sonntag schützt sie insofern absolut, als dieser ausdrücklich verfassungsrechtlich benannt ist und daher als Status-quo-Garantie gewährleistet ist. Durch den absoluten Schutz des Sonntags sieht sich der traditionell überlieferte Wochenrhythmus verfassungsrechtlich abgesichert. Daher ist, wie das Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 79, 236 (238) zu Recht ausführt, die „. . . Institution des Sonntags . . . als ein Grundelement sozialen Zusammenlebens und staatlicher Ordnung verfassungskräftig gewährleistet und dem gesetzlichen Schutz überantwortet“. Der historische Ursprung des solchermaßen mit verfassungsrechtlichem Schutz umfangenen Sonntags liegt nicht nur dem Grundgesetz, sondern auch der Weimarer Reichsverfassung weit voraus: Er ist in seinem Kern christlichen Ursprungs. Historisch betrachtet ist er an die Stelle des arbeitsfreien Sabbats getreten und wird seitdem – in ausdrücklicher Übernahme von dessen Rhythmus und Sinn sowie in Erfüllung des Sabbatgebots – von der Christenheit allwöchentlich als Folgetag des Sabbats gefeiert. Dabei war und ist der Sonntag für die Christenheit seit ihren Anfängen in doppelter Hinsicht bedeutsam: Als der „erste Tag der Woche“ erinnert dieser an die erste Schöpfung, als „achter Tag der Woche“ verkörpert er die mit der Auferstehung angebrochene neue Schöpfung. Jenseits dieser jahrtausendealten ursprünglich religiösen Begründung des Sonntags als Tag „der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“, die über die Jahrhunderte hinweg Eingang in die abendländische Kultur gefunden hat, hat die verfas-

134

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundkonsenses Auch dessen Zweck besteht nicht darin, religiöse Freiheit zu gewährleisten9 – das Schutzgut der religiösen Vereinigungsfreiheit ist bereits Bestandteil der Gewährleis-

sungsrechtliche Gewähr dieses Tages im weltanschaulich-neutralen Staat zwar (auch) einen säkularen Sinn gewonnen. Indem das Grundgesetz in Art. 140 GG i.V. m. Art. 139 WRV jedoch den historisch so begründeten und über Jahrhunderte hinweg so tradierten Sonntag sowie die anerkannten, ganz überwiegend ebenfalls christlich begründeten Feiertage mit seinem Schutz umfängt, bekennt es sich ausdrücklich zur deutschen Kulturtradition und entfaltet, worauf Peter Häberle, in: Feiertagsgarantien als kulturelle Identitätselemente des Verfassungsstaates, 1987, S. 53 aufmerksam macht, die Bedeutung der Sonn- und Feiertage als „kulturelle Identitätselemente des Verfassungsstaates“. In diesem Sinne verzichtet das Grundgesetz nicht nur auf einen Abbruch mit der ihm ebenso wie der Weimarer Reichsverfassung vorausliegenden kulturellen Prägung des Abendlandes; als Bestandteil der vor-verfassungsrechtlichen Prägung des verfassungsrechtlich zu ordnenden Gemeinwesens nimmt es die Sonn- und Feiertage vielmehr bewusst auf, anerkennt auch insoweit mittelbar die im Abendland historisch gewordene Prägekraft des Christentums und schreibt die Achtung des Sonntags und der Feiertage als Elemente kultureller Identität fort. Besonders deutlich wird dieser Befund, wenn der Blick darauf gerichtet wird, welche religiös begründeten Tage, die für nicht im Abendland verankerte Religionen wertvoll sind, das Grundgesetz, anders als den Sonntag, nicht schützt. So ist der Verfassung etwa der Schutz des dem Islam besonders bedeutsamen Freitags fremd: Eine sonntagsgleiche Ruheanordnung am muslimischen Freitag kennt das Grundgesetz nicht; die Stellung des Sonntags ist exklusiv. Als unzweideutiges Sonderrecht schützt das Grundgesetz die christlich begründete Tradition des deutschen Kultur- und Sprachraums insoweit anders als den Islam oder fernöstliche Religionen. Damit perpetuiert die Verfassung mit der Garantie des Sonntags ausdrücklich einen Bestandteil der historisch über viele Jahrhunderte hinweg gewonnenen (abendländischen) Kulturidentität. Vgl. hierzu auch: Peter Häberle, Der Sonntag als Verfassungsprinzip, 1988, passim. 9 Anders zuletzt aber BVerfGE 102, 370; hellsichtige Analyse und Kritik dieser Entscheidung bei Christian Hillgruber, Der Körperschaftsstatus von Religionsgemeinschaften. Objektives Grundverhältnis oder subjektives Grundrecht, in: NVwZ 2001, S. 1347 ff., und bei Stefan Muckel, Auf dem Weg zu einem grundrechtlich geprägten Staatskirchenrecht? Anmerkungen zum Zeugen-Jehovas-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in: Stimmen der Zeit 219 (2001), S. 463 ff.; vgl. auch die zuvor ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts: BVerwGE 105, 117; dieser Entscheidung zustimmend: Alexander Hollerbach, Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 26.6.1997, JZ 1997, S. 1114 ff., in: JZ 1997, S. 117 ff.; Stefan Muckel, Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts. Zur aktuellen Diskussion um die Verleihung der Körperschaftsrechte, in: Der Staat 38 (1999), S. 569 ff. (581); Gregor Thüsing, Kirchenautonomie und Staatsloyalität – Inhalt und mögliche Konsequenzen von BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1997 („Zeugen Jehovas“), in: DÖV 1998, S. 25 ff.; a. A. Stefan Korioth, Loyalität im Staatkirchenrecht? Geschriebene und ungeschriebene Voraussetzungen des Körperschaftsstatus nach Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV, in: Rechtstheorie und Rechtsdogmatik im Austausch, Gs. f. Bernd Jeand’Heur, hrsg. von Wilfried Erbguth, Friedrich Müller, Volker Neumann, 1999, S. 221 ff.; ders., in: Theodor Maunz/Günter Dürig Grundgesetz, (Stand: 42. Erg.-Lfg. Februar 2003), Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Rn. 72 ff., v. a. Rn. 77 ff.; Stefan Huster, Körperschaftsstatus unter Loyalitätsvorbehalt?, BVerwG, NJW 1998, S. 2396, in: JuS 1998, S. 117 ff.; kritisch ferner Gerhard Robbers, Sinn und Zweck des Körperschaftsstatus im Staatskirchenrecht, in: Karl-Hermann Kästner/Knut-Wolfgang Nörr/Klaus Schlaich (Hrsg.), Festschrift für Martin Heckel zum siebzigsten Geburtstag, 1999, S. 411 ff.; Elke Dorothea Bohl, Der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften. Verleihungsvoraussetzungen und Verfahren, 2001, S. 114 ff.

I. Zur doppelten funktionalen Dimension des Staatskirchenrechts

135

tungen des Art. 4 GG und wird in Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 2 WRV lediglich in deklaratorischer Weise nochmals unterstrichen10 – sondern, wie dies für diesen Status charakteristisch ist, in der Pflege von Gemeinschaftsinteressen im Bereich des Öffentlichen11, hier: der Stabilisierung und Perpetuierung der kulturellen Identität12. Die den öffentlich-rechtlichen Status der Religionsgemeinschaften legitimierende öffentliche Aufgabe besteht damit in der bereichsspezifischen 10 Richtigerweise ist für die Bestimmung des Verhältnisses von Art. 4 GG und Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 2 WRV maßgeblich, dass die Freiheit zu religiösen Vereinigungen zwar in Art. 137 Abs. 2 WRV ausdrücklich gewährleistet ist, sich freilich bereits als Attribut der in Art. 4 GG garantierten Freiheit des religiösen Bekenntnisses (BVerfGE 42, 312 [323]) und der Religionsausübung ergibt (Paul Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: Religionsrechtliche Schriften, hrsg. von Joseph Listl, 1. Halbband 1974, S. 29 ff. (68); Axel Frhr. v. Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HStR, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136 Rn. 74). Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 2 WRV kommt vor diesem Hintergrund insoweit deklaratorische Bedeutung zu (Reinhold Zippelius, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. von Rudolf Dolzer, Klaus Vogel und Karin Graßhof, Stand: 107. Lfg. September 2003, Art. 4 Rn. 112; Juliane Kokott, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. von Michael Sachs, 3. Auflage 2003, Art. 4 Rn. 44). Inhaltlich ist zu beachten, dass die grundrechtlich gesicherte religiöse Vereinigungsfreiheit lediglich den Anspruch auf eine rechtliche Existenz einschließlich der Teilnahme am Rechtsverkehr gewährleistet, nicht jedoch den Anspruch auf eine bestimmte Rechtsform (BVerfGE 83, 341 [354 f.]; Peter Badura, Staatsrecht, 3. Auflage 2003, C 58 und L 45). Grundsätzlich wird dieser Anspruch durch eine Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Vereinsautonomie realisiert (vgl. Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 4 WRV). 11 Ernst Friesenhahn, Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts HdbStKirchR, hrsg. von dems. und Ulrich Scheuner Bd. I, 1. Auflage 1974, § 11, S. 545 ff. (549 ff.); Paul Kirchhof, Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 22, S. 651 ff. (667). 12 Den Kirchen wird der Körperschaftsstatus durch das Staatskirchenrecht zuerkannt, um ihre herausragende öffentliche Bedeutung für das abendländische Kulturfundament, auf dem der Staat des Grundgesetzes ruht, zu kennzeichnen und um sie ihrerseits durch die Gewährleistung eines besonderen verfassungsrechtlichen Status in der Erbringung ihrer kulturstabilisierenden und kulturerneuernden Beiträge zum Gemeinwohl zu unterstützen; exzellent hierzu: Alfred Albrecht, Die Verleihung der Körperschaftsrechte an islamische Vereinigungen, in: KuR 1995, S. 25 ff. (27 f.); a. A. Reiner Tillmanns, Zur Verleihung des Körperschaftsstatus an Religionsgemeinschaften, in: DÖV 1999, S. 41 ff. (451). – Vgl. hierzu auch die Formulierung des Abg. Josef Mausbach am 17. Juli 1919 vor der Deutschen Nationalversammlung: „. . . Wir haben nicht versucht, die christlichen Kirchen mit ihrer tausendjährigen oder mehrhundertjährigen Vergangenheit, mit ihren Kulturleistungen [. . .] einfach auf den Stand eines Privatvereins herabzusetzen. [. . .] Darin liegt vor allem eine Wertschätzung der sozialen Kräfte der Religion und ihrer Bedeutung für das öffentliche Leben.“, abgedruckt bei Eduard Heilfron: Die Deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919 in ihrer Arbeit für den Aufbau des neuen deutschen Volksstaates, o. J., Bd. 4., S. 430 ff. (434). Zu konzedieren ist freilich, dass den historischen Beweggründen der Nationalversammlung für die Aufnahme institutioneller staatskirchenrechtlicher Verbürgungen in das Verfassungsrecht – wie sogleich noch näher zu zeigen sein wird – für die Auslegung entsprechender Verfassungsnormen in der Gegenwart nur sehr eingeschränkte Bedeutung zukommt, da diese durch die Inkorporierung in das Grundgesetz in einen neuen Kontext gesetzt worden sind, weshalb es ungeachtet der Entstehungsgeschichte der Normen

136

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundkonsenses Sicherung abendländischer Kulturidentität, die mit der besonderen Zuordnung bestimmter Religionsgemeinschaften zum Staat gesichert und gefördert werden soll13. Diese identitätsstützende Zweckausrichtung des institutionellen Staatskirchenrechts wird ferner deutlich anhand der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Religionsunterrichts, die – wie bereits Theodor Heuss im Parlamentarischen Rat hervorgehoben hat14 – weniger eine grundrechtliche als vielmehr eine institutionelle Verbürgung des Staatskirchenrechts darstellt15, deren Sinn und Zweck u. a. in der Erneuerung und Schärfung des Bewusstseins für die kulturelle Identität des Abendlandes besteht16. Offenkundig wird dies insbesondere dann, wenn, wie im Schrift-

der Weimarer Reichsverfassung möglich ist, dass diesen unter der Geltung des Grundgesetzes neuer Inhalt zugewachsen ist bzw. zuwächst. 13 Paul Kirchhof, Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 22, S. 651 ff. (665). Vgl. näher zum Körperschaftsstatus auch Stefan Muckel, Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: Der Staat Bd. 38 (1999), S. 569 ff. Vgl. auch die vom Exempel des Körperschaftsstatus gelöste und grundsätzlich angelegte Wertung bei Rupert Scholz, Der Auftrag der Kirchen im Prozeß der deutschen Einheit, in: Essener Gespräche 26 (1992), S. 7 ff. (7 f.: „Innerhalb dieser gesellschaftlich-pluralistischen Systematik verfügen die Kirchen freilich über eine besondere Position, die sich wiederum auf die prinzipale Wertordnung des Grundgesetzes, sein Bekenntnis zum christlich-abendländischen Kultur- und Wertesystem bzw. auf das entsprechend werte-verfaßte Bekenntnis des Grundgesetzes zu „seiner Verantwortung vor Gott“ (Präambel) und das entsprechend wertgebundene Prinzip verfassungsrechtlicher Kulturstaatlichkeit gründet.“). 14 Theodor Heuss führt hierzu wörtlich aus: „Der Religionsunterricht ist keine Ausstrahlung des Elternrechts, sondern institutionelles Recht der Konfessionen. Es handelt sich hier nicht um Familien- und Elternrecht, sondern um traditionelles Recht der Kirchen, kirchliches Bildungsrecht“, Protokoll der 24. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 23. November 1948, abgedruckt in: Der Parlamentarische Rat. Akten und Protokolle. Bd. 5/II (Ausschuss für Grundsatzfragen), 1993, S. 646 f.; vgl. hierzu auch Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. (545). 15 Vgl. hierzu auch Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. (545); zu der grundrechtlichen Deutung s. Heinrich de Wall, Das Grundrecht auf Religionsunterricht: Zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden gegen das Brandenburgische Schulgesetz, in: NVwZ 1997, S. 465 ff.; Uta Hildebrandt, Das Grundrecht auf Religionsunterricht. Eine Untersuchung zum subjektiven Rechtsgehalt des Art. 7 Abs. 3 GG, 2000. 16 Zur kulturellen Dimension des Religionsunterrichts vgl. Hartmut Maurer, Die verfassungsrechtliche Grundlage des Religionsunterrichts, in: Verfassung, Theorie und Praxis des Sozialstaats, Fs. f. Hans F. Zacher, hrsg. von Franz Ruland, Bernd Baron von Maydell, Hans-Jürgen Papier, 1998, S. 577 ff. (582 f.).; umfassend zum Religionsunterricht jüngst Peter Gullo, Religions- und Ethikunterricht im Kulturstaat, 2003, passim; hierzu auch Stefan Mückl, Staatskirchenrechtliche Regelungen zum Religionsunterricht, in: AöR 122 (1997), S. 513 ff.; zu der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Religionsunterrichts in Deutschland vgl. ferner Arnd Uhle, Die Verfassungsgarantie des Religionsunterrichts und ihre territoriale Reichweite – Ein Beitrag zum Verhältnis von Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG zu Art. 141 GG, in: DÖV 1997, S. 409 ff. – Zu Recht hat in diesem Kontext bereits der Beschluss der Gemeinsamen Synode der Bistümer in Deutschland von 1974 in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass einer der zentralen Begründungsstränge des schulischen Religionsunterrichts in seiner kulturgeschichtlichen Dimension liegt, da es Aufgabe der Schule sei, „den

I. Zur doppelten funktionalen Dimension des Staatskirchenrechts

137

tum neuerdings verstärkt vertreten, die Erlangung des – nach den vorstehenden Erwägungen seinerseits an die Pflege der kulturellen Identität gebundenen – Körperschaftsstatus als Voraussetzung für die Zulassung einer Religionsgemeinschaft zur Erteilung des Religionsunterrichts betrachtet wird17. Gegen diese identitätsstabilisierende Zweckbindung des institutionellen Staatskirchenrechts können entstehungsgeschichtliche Argumente des Inhalts, die Anjungen Menschen mit den geistigen Überlieferungen vertraut [zu] machen . . ., die unsere kulturelle Situation geprägt haben, und weil das Christentum in seinen Konfessionen zu unseren prägenden geistigen Überlieferungen gehört“ (Der Religionsunterricht in der Schule, Ein Beschluss der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. 1974 vom Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Heft Nr. 4 der Heftreihe Synodenbeschlüsse, S. 25. Vgl. hierzu auch Arnd Uhle, Das brandenburgische Lehrfach „Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde“. Ein Angriff auf das Wirken der Kirche in der Welt, in: Stefan Rehder und Matthias Wolff (Hrsg.), Abschied vom Himmel. Im Spannungsfeld von Kirche und Welt, 1999, S. 259 ff., hier S. 274): Vor diesem Hintergrund dient der Religionsunterricht der Erschließung von Literatur und Musik, Architektur und bildender Kunst, Bräuchen, Normen und Denkweisen innewohnenden christlichen Ursprünge und damit dem Bewusstwerden und dem Bewussthalten der eigenen kulturellen Identität, wie diese historisch gewachsen ist. In diesem Sinne ist der Religionsunterricht in der Tat auch staatliche Kulturaufgabe (Zutreffend so Martin Heckel, Religionsunterricht für Muslime?, in: JZ 1999, S. 741 ff. (746 f.), der freilich nicht die sich hieraus ergebenden Konsequenzen zieht. – Dies ist im Übrigen auch die Position der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Nicht unmittelbar in Bezug auf den Religionsunterricht selbst, gleichwohl jedoch mit Blick auf die christlichen Bezüge bei der Gestaltung der öffentlichen Schule hat dieses nicht nur entschieden, dass die Schüler „mit einem Weltbild, in dem die prägende Kraft christlichen Denkens bejaht wird“ bekannt gemacht werden dürfen (auch und sogar außerhalb des Religionsunterrichts, damit aber auch insoweit, als die Teilnahme am Schulunterricht zwingend ist und – anders als beim Religionsunterricht – nicht auf Freiwilligkeit beruht; BVerfGE 41, 29 (65, 88). Ausdrücklich hat es diesbezüglich in BVerfGE 41, 29 (64) ausgeführt, dass sich die auch außerhalb des Religionsunterrichts vollziehende „Bejahung des Christentums [. . .] in erster Linie auf die Anerkennung des prägenden Kultur- und Bildungsfaktors [bezieht . . .] und damit [. . .] auch gegenüber Nichtchristen durch die Geschichte des abendländischen Kulturkreises gerechtfertigt [ist]“. Selbst in seiner vielfältig kritisierten Kruzifix-Entscheidung (BVerfGE 93, 1 (22) hat das Bundesverfassungsgericht daran festgehalten, dass das christliche Erbe als kulturelle Grundlage der Gesellschaft in der Schule zu tradieren und zu erneuern ist, weil dem Staat „die darauf zurückgehenden Denktraditionen, Sinnerfahrungen und Verhaltensmuster [. . .] nicht gleichgültig sein [können]“). 17 Vorläufer dieser Ansicht: Reinhard Schmoeckel, Der Religionsunterricht. Die rechtliche Regelung nach Grundgesetz und Landesgesetzgebung, 1964, S. 176 ff.; aus dem jüngeren Schrifttum so Stefan Korioth, Islamischer Religionsunterricht und Art. 7 III GG – Zu den Voraussetzungen religiöser Vielfalt in den öffentlichen Pflichtschulen, in: NVwZ 1997, S. 1041 ff.; zustimmend Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff.; ders., Der Körperschaftsstatus von Religionsgemeinschaften. Objektives Grundverhältnis oder subjektives Grundrecht, in: NVwZ 2001, S. 1347 ff. (1353 f.); ablehnend etwa Martin Heckel, Religionsunterricht für Muslime?, in: JZ 1999, S. 741 ff.; Gerhard Robbers, in: Das Bonner Grundgesetz, hrsg. von Hermann v. Mangoldt, Friedrich Klein, Christian Starck, Grundgesetz, Bd. 1, 4. Auflage 1999, Art. 7 Rn. 151; Arnulf SchmittKammler, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. von Michael Sachs, 3. Auflage 2003, Art. 7 Rn. 41 f.

138

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundkonsenses nahme einer solchen Funktionsbindung hätte zu ihrer Plausibilität eines deutlicheren entstehungsgeschichtlichen oder gar eines normativen Belegs bedurft, nicht mit Erfolg vorgebracht werden. Dies gilt zunächst deshalb, weil die ursprünglichen Regelungen der Weimarer Reichsverfassung – worauf im Parlamentarischen Rat bereits von Brentano aufmerksam gemacht hat – durch die Inkorporierung in das Grundgesetz in einen neuen Kontext gesetzt worden sind, der bewirkt, dass diesen Verfassungsnormen unter der Geltung des Grundgesetzes nunmehr ein von der ursprünglichen Entstehungsgeschichte ggf. abweichender, jedenfalls aber selbständiger Inhalt beizulegen ist18. Ferner ist zu beachten, dass bei den Beratungen der Deutschen Nationalversammlung im Jahre 1919 die kulturstabilisierende Funktion des Staatskirchenrechts deshalb nicht ausführlich thematisiert oder gar explizit normiert wurde, weil sie von den seinerzeit im Blickfeld liegenden Religionsgemeinschaften wie selbstverständlich erfüllt wurde, ihre grundsätzliche Nichterfüllung und Infragestellung außerhalb des Vorstellungsvermögens der Nationalversammlung lag und deshalb ein diesbezüglicher Diskussions- und Normierungsbedarf nicht gesehen wurde: Die Vorstellung, kulturfremde Religionsgemeinschaften, denen eine Zustimmung zur abendländischen Kulturidentität – insbesondere zum abendländischen Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat – unmöglich sein könnte, würden in nennenswertem Ausmaß in Deutschland Einzug halten und der als selbstverständlich empfundenen identitätsstabilisierenden Funktion des kulturell geprägten deutschen Staatskirchenrechts Brisanz zuführen, lag außerhalb des Horizonts der Nationalversammlung, weshalb ein Anlass zu grundlegenden Erörterungen oder Regelungen nicht gegeben war. Gleichwohl bestehen – was vor dem Hintergrund der seinerzeitigen Lage und der Selbstverständlichkeit, mit der von der Erfüllung der identitätsstabilisierenden Wirkung des Staatskirchenrechts ausgegangen werden konnte, erstaunlich ist – entstehungsgeschichtliche Belege dafür, dass der Nationalversammlung die kulturstabilisierende Dimension des Staatskirchenrechts durchaus bewusst war. Hinzuweisen ist hier namentlich auf die Äußerungen des Abg. Josef Mausbach am 17. Juli 1919 vor der Deutschen Nationalversammlung, der ausführt: „. . . Wir haben nicht versucht, die christlichen Kirchen mit ihrer tausendjährigen oder mehr-

18 Von Brentano formuliert in seinem schriftlichen Bericht über den Abschnitt XI „Übergangs- und Schlussbestimmungen“ u. a.: „Die rechtliche Bedeutung und Tragweite der zu Bestandteilen dieses Grundgesetzes erklärten Artikel der Weimarer Verfassung ist nicht richtig zu ermessen, wenn ihre Auslegung primär aus dem Blickpunkt der früheren Reichsverfassung erfolgen oder ihre Betrachtung isoliert vorgenommen würde. Sinn und Zweck, wie sie den Bestimmungen heute richtigerweise zukommt, ergibt sich vielmehr nur aus der Tatsache ihrer Einbettung in das gesamte Wertsystem des Grundgesetzes, ihres Einbezogenseins in den Rahmen der Gesamtentscheidung, dessen Ausdruck das Grundgesetz ist“ (zitiert nach Peter Badura, Das Staatskirchenrecht als Gegenstand des Verfassungsrechts. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: HdbStKirchR Bd. 1, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 6, S. 240); der Sache nach ebenso: BVerfGE 42, 312 (330 ff.); zum „organischen Ganzen“, das die inkorporierten Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung mit dem Grundgesetz bilden vgl. auch BVerfGE 53, 366 (400); zum Bedeutungswandel der Normen der Weimarer Reichsverfassung und dem diesbezüglich in den ersten beiden Jahrzehnten nach Inkrafttreten des Grundgesetzes ausgetragenen Grundsatzstreit m. w. N. näher: Peter Badura, a. a.O., S. 211 ff. (216, Anm. 13 sowie 240 ff.).

I. Zur doppelten funktionalen Dimension des Staatskirchenrechts

139

hundertjährigen Vergangenheit, mit ihren Kulturleistungen [. . .] einfach auf den Stand eines Privatvereins herabzusetzen. [. . .] Darin liegt vor allem eine Wertschätzung der sozialen Kräfte der Religion und ihrer Bedeutung für das öffentliche Leben“19. Namentlich mit dem Körperschaftsstatus wird ihm zufolge intendiert, die Kirchen und Religionsgemeinschaften „in eine ideale, kulturbedeutsame, staatsrechtliche Höhe“ zu erheben20. Daher kann dem Fehlen ausführlicherer Erwägungen bzw. expliziter Normierungen der kulturstabilisierenden Funktion des institutionellen Staatskirchenrechts keine argumentative Aussagekraft dahingehend beigemessen werden, dass die Annahme einer kulturperpetuierenden Zweckausrichtung des Staatskirchenrechts eines deutlicheren entstehungsgeschichtlichen oder eines normativen Belegs bedurft hätte.

Die institutionellen Regelungen des Staatskirchenrechts zielen vor diesem Hintergrund darauf ab, die Tradierung kultureller Identität, die die christlichen Kirchen bereits deshalb gleichsam genetisch gewährleisten, weil sie für die Schaffung wie auch Erhaltung der geistigen Grundlagen des freiheitlichen Verfassungsstaates von besonderer Bedeutung sind21, mit verfassungsstaatlicher Unterstützung zu versehen. In diesem Sinne besteht die Funktion des institutionellen Staatskirchenrechts in der Stärkung und Erneuerung der abendländischen Kulturidentität, wie sie bereichsspezifisch namentlich in den erörterten staatskirchenrechtlichen Grundprinzipien zum Ausdruck gelangt. Die Inanspruchnahme der institutionellen staatskirchenrechtlichen Garantien – etwa die des Körperschaftsstatus – durch Religionsgemeinschaften, die diese Funktion nicht bereits traditionell gewährleisten und daher den institutionellen Verbürgungen des Staatskirchenrechts nicht schon traditionell unterfallen22, hängt daher davon ab, 19 Abgedruckt bei Eduard Heilfron: Die Deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919 in ihrer Arbeit für den Aufbau des neuen deutschen Volksstaates, o. J., Bd. 4., S. 430 ff. (434; Hervorhebungen v. Verf.). 20 Abgedruckt in: Verhandlungen der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1645 (Hervorhebung v. Verf.). 21 Hierzu oben sub C.; vgl. auch bereits Rupert Scholz, Der Auftrag der Kirchen im Prozeß der deutschen Einheit, in: Essener Gespräche 26 (1992), S. 7 ff. (7 f.: „Innerhalb [der] gesellschaftlich-pluralistischen Systematik verfügen die Kirchen freilich über eine besondere Position, die sich wiederum auf die prinzipale Wertordnung des Grundgesetzes, sein Bekenntnis zum christlich-abendländischen Kultur- und Wertesystem bzw. auf das entsprechend werte-verfaßte Bekenntnis des Grundgesetzes zu „seiner Verantwortung vor Gott“ (Präambel) und das entsprechend wertgebundene Prinzip verfassungsrechtlicher Kulturstaatlichkeit gründet.“). Wie hier auch Josef Isensee, Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (85). 22 Die christlichen Kirchen, die den Körperschaftsstatus traditionell genießen – die sog. „geborenen“ Körperschaften gem. Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 1 WRV – gewährleisten diese Tradierung der abendländischen Kulturidentität sowohl aufgrund ihrer geistesgeschichtlichen Fundierung wie aufgrund ihrer historischen Entwicklung „gleichsam genetisch“ – eine Formulierung, die auf Josef Isensee, Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationspro-

140

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundkonsenses

ob der diesen Garantien korrespondierende verfassungsstaatliche Zweck der Weitertragung der abendländischen kulturellen Identität durch die jeweilige Religionsgemeinschaft gewährleistet ist23. Nur in diesem Falle wird die prima facie verborgene kulturelle funktionale Dimension des institutionellen Staatskirchenrechts gewahrt und die einheitsstiftende, identitätswahrende und -weitertragende Funktion des Staatskirchenrechts aufrechterhalten. So gesehen, enthält das institutionelle Staatskirchenrecht des Grundgesetzes ein bereichsspezifisches, rechtlich relevantes Bekenntnis zu den kulturellen Wurzeln der Nation in der Form eines Vorbehaltes zugunsten der kulturellen Identität (im Folgenden: Identitätsvorbehalt)24, der für alle Religionsgemeinschaften – kulturheimische wie kulturfremde – gleichermaßen gilt25. bleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (85) zurückgeht. Deshalb ist es folgerichtig, dass das Grundgesetz ihnen diesen Status in unentziehbarer Weise gewährleistet, ohne – wie bei den „gekorenen“ Körperschaften gem. Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV – eine Überprüfung vorzusehen, ob die für die Verleihung des Körperschaftsstatus erforderlichen Voraussetzungen vorliegen: Bei den christlichen Kirchen geht die Verfassung unwiderruflich vom definitiven Vorliegen dieser Voraussetzungen aus. 23 Grundlegend dazu: Josef Isensee, Verfassungsstaatliche Erwartungen an die Kirchen, in: Essener Gespräche 25 (1991), S. 104 f. (105 f.); zur Diskussion eines Identitätsvorbehaltes im Verfassungsrecht, insbesondere auch im Hinblick auf das Staatskirchenrecht, ders., Tabu im freiheitlichen Staat – Jenseits und diesseits der Rationalität des Rechts, 2003, S. 79 ff. m. w. N.; vgl. zu dem Identitätsvorbehalt im Staatskirchenrecht Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. (546 f.) 24 Vgl. hierzu die Nachweise in Anm. 4. Grundlegung eines solchen Identitätsvorbehaltes im geltenden Verfassungsrecht: Arnd Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004, Kap. 4; vgl. weiterhin Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. (547); vgl. ferner Josef Isensee, Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (87 f.); darstellend ders., Rechtsgutachten zur Genehmigungsfähigkeit einer privaten islamischen Grundschule, Typoskript, 2000, S. 75 f.; ders., Tabu im freiheitlichen Staat – Jenseits und diesseits der Rationalität des Rechts, 2003, S. 79 ff. m. w. N.; vgl. auch Axel Frhr. v. Campenhausen, Neue Religionen im Abendland, in: ZevKR 25 (1980), S. 135 ff. (169 f.); vgl. wiederum auch Rupert Scholz, Staat und Kirche – Chance für eine neue Partnerschaft? in: Walter Bernhardt/Gottfried Mehnert (Hrsg.), Glaube und Politik (Bad Bramstedter Gespräche 1985–1986), 1987, S. 63 ff. (69 f.: „Nicht ohne Grund hat der Verfassungsgeber von 1949 [. . .] in der Präambel zum Grundgesetz formuliert, dass das deutsche Volk sich „im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen . . .“ diese Verfassung gegeben habe. Der grundgesetzliche Verfassungsstaat hat sich mit anderen Worten gerade zu jenen verfassungs- und kulturstaatlichen Grundwerten bekannt, die im Christentum wurzeln, die die Grundlage des kirchlichen Verkündigungsauftrages bilden und die auch als elementar staatsbildendes Ethos definiert werden können. [. . .] Es geht [. . .] um die fundamentalen ethischen Grundwerte, die im Evangelium wurzeln, die zur Grundlage unserer abendländischen Kultur geworden sind und die für den pluralistischen Staat unabdingbare wie unverrückbare Grundlage sind. Anders formuliert: Das pluralistische

I. Zur doppelten funktionalen Dimension des Staatskirchenrechts

141

Wird in grundgesetzwidriger Weise auf die identitätsstützende Funktion des institutionellen Staatskirchenrechts verzichtet, so wird diese in ihr Gegenteil verkehrt, weil in diesem Falle das Staatskirchenrecht statt zur beabsichtigten Identitätswahrung nunmehr zur Identitätsauflösung beiträgt. Eine solche Funktionsauswechslung, die sich bei Lichte besehen als Funktionsverkehrung des institutionellen Staatskirchenrechts darstellt, verstößt gegen die Verfassung, weil die Wahrung der gewachsenen kulturellen Identität Schutzgut des institutionellen Staatskirchenrechts ist: Bislang Instrument der Wahrung kultureller Identität, wird das Staatskirchenrecht bei einem Verzicht auf die Einlösung der Voraussetzungen der institutionellen staatskirchenrechtlichen Regelungen zu einem Institut der Auflösung gewachsener kultureller Gemeinsamkeiten. In der Tat werden die staatskirchenrechtlichen Verbürgungen damit, wie jüngst zu Recht von Josef Isensee und Paul Kirchhof hervorgehoben, zu einem Instrument der Förderung multikultureller Tendenzen in der Gesellschaft26 und somit zum Eingangstor für einen dem Grundgesetz gerade nicht entsprechenden „Wettbewerb der Kultursysteme“27.

Für die Frage der Anwendbarkeit institutioneller staatskirchenrechtlicher Regelungen auf Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die nicht bereits gleichsam genetisch der gewachsenen abendländischen Kulturidentität entsprechen, enthalten die oben betrachteten Leitprinzipien des Verhältnisses von Kirche und Staat – Säkularität, Religionsfreiheit, Neutralität und Parität – vor diesem Hintergrund, wie auch das Bundesverfassungsgericht anerkennt, den staatskirchenrechtsspezifischen Teil des grundgesetzlichen Mindestkataloges kultureller Kompatibilitätsanforderungen28, der in seiner Gesamtheit – nicht nur in Gemeinwesen des demokratischen Rechtsstaates ist zwar weltanschaulich neutral, ist aber nicht wertneutral. Seine geistig-ethischen Grundlagen stehen fest und finden – verfassungsrechtlich wie verfassungspolitisch – ihre sinnidentische Korrespondenz im Prinzip der partnerschaftlichen Koordination und Kooperation von Staat und Kirche.“; ders., Der Auftrag der Kirchen im Prozeß der deutschen Einheit, in: Essener Gespräche 26 (1992), S. 7 ff. (7 f. und 27). 25 Zur Offenheit dieses Identitätsvorbehaltes gegenüber kulturfremden Religionsgemeinschaften nachfolgend S. 143 und S. 146 f. 26 Grundlegend: Josef Isensee, Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (88); zum „Tabu“ der kulturellen Identität vgl. auch ders., Tabu im freiheitlichen Staat – Jenseits und diesseits der Rationalität des Rechts, 2003, S. 79 ff. m. w. N. 27 Paul Kirchhof, Der Staat als Organisationsform politischer Herrschaft und rechtlicher Bindung – Kontinuität und Erneuerung des deutschen Verfassungsstaates in Freiheitlichkeit, Weltoffenheit und demokratischer Solidarität, in: DVBl. 1999, S. 637 ff. (642); vgl. auch ders., Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 22, S. 651 ff. (669). 28 Vgl. für den Bereich des Staatskirchenrechts BVerfGE 102, 370 (393 f.), derzufolge das Grundgesetz die Verleihung des Körperschaftsstatus an eine Religionsgemeinschaft verbietet, die die Grundsätze des freiheitlichen Staatskirchenrechts – zu denen das Bundesverfassungsgericht seinerseits die Religionsfreiheit, das Verbot einer Staatskirche sowie die Prinzipien von Neutralität und Parität zählt – beeinträchtigt oder gefährdet.

142

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundkonsenses

seinen staatskirchenrechtsspezifischen Aspekten – erfüllt sein muss, um an den institutionellen Verbürgungen des Staatskirchenrechts partizipieren zu können29; freilich ist dieser Mindestkatalog nicht bereits dann erfüllt, wenn Religionsgemeinschaften etwa die grundsätzliche Trennung von Kirche und Staat, die Religionsfreiheit sowie die staatliche Neutralität und Parität notgedrungen und widerwillig achten, sondern erst dann, wenn sie im Rahmen ihres Wirkens aus freien Stücken die abendländische Kulturidentität wirkmächtig unterstützen: Hierbei ist indessen nicht erforderlich, dass die Identitätsstabilisierung das Ziel ihres Handelns ist; es reicht aus, wenn diese lediglich faktische (Neben-)Folge ihres religiösen Handelns ist. Nur im Fall einer solchen tatsächlichen Auswirkung des Verhaltens einer Religionsgemeinschaft wird der identitätsstabilisierenden Zweckbindung des institutionellen Staatskirchenrechts in verfassungsrechtlich angemessener Weise Rechnung getragen. Hier erweist sich, dass der Verfassungsstaat des Grundgesetzes vor dem Hintergrund seiner umfassenden grundrechtlichen Gewähr der Religionsfreiheit und der bereits hiermit verbundenen überobligatorischen Erfüllung der universalen menschenrechtlichen Anforderungen berechtigt ist, den Zugang zu institutionellen staatskirchenrechtlichen Vergünstigungen an besondere, gemeinwohlgebundene Bedingungen zu knüpfen, d.h. die Einräumung dieser Vorrechte von der Erfüllung weiterer Voraussetzungen abhängig zu machen30. Die Grundsätze der Neutralität und Parität hindern ein solches verfassungsstaatliches Vorgehen nicht, weil die für die Erlangung der Vergünstigungen verfassungsstaatlich sta29 Der grundgesetzliche Mindestkatalog kultureller Kompatibilitätsanforderungen ist nicht auf den hier erörterten staatskirchenrechtlichen Teil beschränkt; er ist umfassend angelegt und wird im Rahmen der vorliegenden Abhandlung lediglich aufgrund der hier vorgenommenen thematischen Eingrenzung in seinem staatskirchenrechtsspezifischen Teil erörtert. Außerhalb der staatskirchenrechtlichen Spezifika umfasst dieser Mindestkatalog kultureller Kompatibilitätsanforderungen etwa die Anerkennung der Würde des Menschen, der Freiheits- und Gleichheitsrechte, der kulturell geprägten Geltungsbedingungen einer entsprechend formulierten, freiheitlichen Verfassungsordnung; eingehend hierzu: Arnd Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004, Kap. 3 und 4; vgl. nochmals auch Rupert Scholz, Der Auftrag der Kirchen im Prozeß der deutschen Einheit, in: Essener Gespräche 26 (1992), S. 7 ff. (7 f.: „Innerhalb dieser gesellschaftlich-pluralistischen Systematik verfügen die Kirchen freilich über eine besondere Position, die sich wiederum auf die prinzipale Wertordnung des Grundgesetzes, sein Bekenntnis zum christlich-abendländischen Kultur- und Wertesystem bzw. auf das entsprechend werte-verfaßte Bekenntnis des Grundgesetzes zu ,seiner Verantwortung vor Gott‘ (Präambel) und das entsprechend wertgebundene Prinzip verfassungsrechtlicher Kulturstaatlichkeit gründet.“). 30 Josef Isensee, Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (85 f.); vgl. zur „Qualitätskontrolle im Bereich der positiven Religionspflege“ Axel Frhr. von Campenhausen, Neue Religionen im Abendland, in: ZevKR 25 (1980), S. 135 ff. (169 f.).

I. Zur doppelten funktionalen Dimension des Staatskirchenrechts

143

tuierten Bedingungen für alle Religionsgemeinschaften gleich sind und es ausschließlich in ihrer Hand liegt, diese zu erfüllen oder nicht: Im Falle der Erfüllung der skizzierten Mindestanforderungen des Identitätsvorbehaltes steht das institutionelle Staatskirchenrecht nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich allen Religionsgemeinschaften in gleicher Weise offen gegenüber – kulturheimischen gleichermaßen wie kulturfremden Religionsgemeinschaften31. Entscheidend ist ausschließlich, ob die jeweilige Religionsgemeinschaft, die Zutritt zu den institutionellen staatskirchenrechtlichen Vergünstigungen begehrt, bereit und geeignet ist, die für das abendländische Verhältnis von Kirche bzw. Religion und Staat konstitutiven Grundsätze wirkmächtig zu stützen. Sind diese grundgesetzlichen Kompatibilitätsanforderungen erfüllt, steht das institutionelle Staatskirchenrecht folglich auch kulturfremden Religionsgemeinschaften offen. Selbst wenn die institutionellen Vergünstigungen des Staatskirchenrechts vor dem hier erörterten Hintergrund des Identitätsvorbehaltes de facto vor allem den jüdisch-christlichen Religionsgemeinschaften zugute kommen und insbesondere die christlichen Kirchen es sind, die hierdurch eine besondere Würdigung erfahren, so geschieht dies – mit den Worten Martin Heckels – „nicht aus spezifisch religiösen Gründen – etwa wegen ihrer jeweils richtigeren Rechtfertigungslehre, korrekteren Christologie, tiefsinnigeren Mariologie, wirksameren Sakramentenlehre –, sondern wegen der eminenten Bedeutung dieser [jüdisch-] christlichen Kulturphänomene für die nationale und universale Kultur, kurz: aus ausschließlich säkularen Gründen, die ihrerseits nicht aus religiösen oder politischen Gründen gem. Art. 3 Abs. 3 GG diskriminiert werden dürfen“32. Die säkularen Auswirkungen der Religionsgemeinschaften auf das Gemeinwohl aber – namentlich ihre kulturelle und soziale Leistung – darf, wie auch das Bundesverfassungsgericht zu Recht hervorhebt, der freiheitliche Verfassungsstaat selbstredend bewerten33 und zu Zugangsvoraussetzungen für die Erlangung besonderer, über die Verbürgungen der Religionsfreiheit hinausgehender verfassungsstaatlicher Vergünstigungen erheben. Die Grundsätze von Neutralität und Parität hindern den freiheitlichen Verfassungsstaat daher nicht, Bedingungen für die staatliche Unterstützung religiöser Potenzen zu statuieren, sondern verlangen lediglich, dass diese Bedingungen für alle Religionsgemeinschaften gleich sind; ob diese Bedingungen sodann seitens der Religionsgemeinschaften erfüllt werden oder nicht, liegt nicht mehr in der Hand des Staates. 31 Zu den Auswirkungen auf kulturfremde Religionsgemeinschaften am Beispiel des Islam sogleich näher nachfolgend sub 3. a. E. 32 Formulierung von Martin Heckel, Das Gleichbehandlungsgebot im Hinblick auf die Religion, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 21, S. 623 ff. (646 f.). 33 Das BVerfG führt in BVerfGE 102, 370 (394) zu Recht aus, dass auch der neutrale Verfassungsstaat nicht daran gehindert ist, „das tatsächliche Verhalten einer Religionsgemeinschaft oder ihrer Mitglieder nach weltlichen Kriterien zu beurteilen, auch wenn dieses Verhalten religiös motiviert ist“.

144

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundkonsenses

3. Das Verhältnis von freiheitsgewährender und freiheitssichernder Zweckbindung des Staatskirchenrechts Die beiden Zweckbindungen von Freiheitsgewähr einerseits und von Freiheitssicherung durch Identitätsstabilisierung andererseits sind im Staatskirchenrecht nicht deutlich voneinander geschieden; es bestehen funktionale Überlappungen einzelner Verbürgungen. Für das damit klärungsbedürftig werdende Verhältnis von freiheitsgewährender und freiheitssichernder bzw. identitätsstabilisierender Funktion des Staatskirchenrechts gilt grundsätzlich: Soweit die Einzelanalyse einer staatskirchenrechtlichen Norm ergibt, dass einer Regelung neben ihrer institutionellen Bedeutung – partiell oder insgesamt – zugleich auch grundrechtliche Relevanz zukommt, genießt nach den allgemeinen Grundsätzen der Normenkollision die den weitesten Schutz bietende Norm – in diesem Falle mithin die freiheitsgewährende Grundrechtsnorm – den Vorrang. Da der staatskirchenrechtliche Schutz religiöser Freiheit unabhängig von einer zusätzlichen Erfüllung etwaiger identitätsstabilisierender Funktionen, d.h. allein im Interesse der umfassend intendierten Freiheitsgewähr besteht, erfährt der identitätsperpetuierende Zweck des institutionellen Staatskirchenrechts im Ergebnis nur dort Relevanz, wo dieser Zweck der einzige ist, der eine Norm kennzeichnet. Die identitätsstabilisierende Zweckbindung des Staatskirchenrechts schlägt sich demgemäß letztlich nur dort und nur soweit nieder, wie diese die ausschließliche Zweckbindung staatskirchenrechtlicher Regelungen bildet. Anders gewendet: Soweit die grundrechtliche Freiheitsverbürgung reicht und das institutionelle Staatskirchenrecht diese lediglich deklaratorisch wiederholt, haben die freiheitsrechtlichen Garantien des Grundgesetzes Vorrang mit der Folge, dass sie die identitätssichernde Dimension der entsprechenden institutionell-rechtlichen Regelungen im Interesse umfassender Freiheitsgewähr überlagern; soweit das institutionelle Staatskirchenrecht hingegen über die Verbürgungen hinausgeht, die die grundrechtliche Gewähr der Religionsfreiheit bereithält und daher konstitutiven Gehalt aufweist, kommt die identitätsstabilisierende Zweckbindung zum Zuge. Dies lässt sich beispielhaft in Bezug auf die religiöse Vereinigungsfreiheit einerseits und den Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften andererseits darlegen34. Ausgangspunkt ist zunächst der Umstand, dass – wie schon vorstehend erläutert – die religiöse Vereinigungsfreiheit Bestandteil des Gewährleistungsinhalts von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ist, aus dem ein grundrechtlich fundierter Anspruch der Religionsgemeinschaften auf eine rechtliche Existenz und auf Teilhabe am allge34 Zum Körperschaftsstatus zuletzt BVerfGE 102, 370; kritische Analyse dieser Entscheidung bei Christian Hillgruber, Der Körperschaftsstatus von Religionsgemeinschaften. Objektives Grundverhältnis oder subjektives Grundrecht, in: NVwZ 2001, S. 1347 ff., und bei Stefan Muckel, Auf dem Weg zu einem grundrechtlich geprägten Staatskirchenrecht? Anmerkungen zum Zeugen-Jehovas-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in: Stimmen der Zeit 219 (2001), S. 463 ff.

I. Zur doppelten funktionalen Dimension des Staatskirchenrechts

145

meinen Rechtsverkehr resultiert. Zu dieser Regelung treten Art. 140 i.V. m. Art. 137 Abs. 2 und 4 WRV hinzu, welche die Vereinigungsfreiheit der Religionsgemeinschaften und ihre Rechtsfähigkeit nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts anordnen. Der Regelungsgehalt dieser Normen ist jedoch vor dem Hintergrund des grundrechtlichen Schutzumfangs nur deklaratorischer bzw. klarstellender Natur, konstitutive Bedeutung erlangen weder Art. 137 Abs. 2 noch Abs. 4 WRV. Anders verhält sich dies hingegen in Bezug auf die Garantie des Körperschaftsstatus, wie sich diese in Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV verfassungsrechtlich abgesichert findet. Die dortige Regelung erweist sich bei einem Vergleich mit dem Regelungsgehalt des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG als konstitutive Regelung, weil Art. 4 GG keinen Anspruch auf eine bestimmte Rechtsform enthält, den Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV jedoch ausdrücklich begründet. Als entsprechend konstitutive Regelung des institutionellen Staatskirchenrechts, die den Schutzbereich des Art. 4 GG überschreitet, unterfällt diese Garantie damit dem vorstehend skizzierten Vorbehalt zugunsten der kulturellen Identität35.

Gerade am Beispiel des Körperschaftsstatus zeigt sich damit die Plausibilität der These vom grundgesetzlichen Bestand eines derartigen Vorbehalts zugunsten der abendländischen kulturellen Identität: Die der Religionsfreiheit zuzuordnenden Verhaltensweisen erfahren grundrechtlichen Jedermann-Schutz, unabhängig vom Inhalt des jeweiligen Glaubens bzw. Bekenntnisses; die jenseits der Religionsfreiheit erfolgende besondere Bereicherung des Gemeinwohls durch solche Religionsgemeinschaften, die zur Stärkung der abendländischen Kulturidentität, insbesondere des abendländischen Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat, befähigt und bereit sind, sieht das Grundgesetz hingegen nicht nur als schützenswert, sondern – darüber hinausgehend – als förderungswürdig an. Die Kehrseite dieser besonderen Förderung und Pflege der Beiträge bestimmter Religionsgemeinschaften zum Gemeinwohl bildet die ungeschriebene, weil selbstverständliche Voraussetzung, dass jene Religionsgemeinschaften, die unter die besondere Fürsorge des konstitutiven institutionellen Staatskirchenrechts treten möchten, die von ihnen geforderte kulturelle Leistungsfähigkeit für das Gemeinwesen einerseits überhaupt aufweisen und andererseits durch ihr Verhalten zum Ausdruck bringen, dass sie gewillt sind, dieses Potential auch zum Wohle der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Die verfassungsrechtliche Anerkennung der besonderen Förderungswürdigkeit der einzelnen Religionsgemeinschaft angesichts ihrer Leistungen für das Gemeinwesen setzt vor diesem Hintergrund den doppelten Beweis der Leistungsfähigkeit wie der Leistungsbereitschaft voraus. Erst dort, wo dieser durch das tatsächliche Verhalten erbracht ist, kommt die Anwendung des staatskirchenrechtlichen Sonderrechts in 35 Der Umstand, dass die katholische bzw. die evangelische Kirche von Verfassungs wegen Körperschaften des öffentlichen Rechts sind (sog. „geborene Körperschaften“, vgl. Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 1 WRV), verdeutlicht insofern, dass das Grundgesetz das Erfordernis tatsächlich kulturstabilisierenden Verhaltens bei ihnen als unzweifelhaft gegeben betrachtet – angesichts der gemeinsamen Kulturgeschichte von Kirche und (Verfassungs-)Staat eine folgerichtige verfassungsrechtliche Annahme.

146

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundkonsenses

Betracht: Das institutionelle Staatskirchenrecht ist nicht vorgehende Prämie auf eine sanktionslose Hoffnung der Verfassung, sondern die Anerkennung nachgewiesener identitätsstärkender Wirkmächtigkeit der einzelnen Religionsgemeinschaft, die insbesondere die abendländische Ordnung des Verhältnisses von Kirche und Staat zu tradieren in der Lage ist und so die Voraussetzungen, auf denen der freiheitliche Verfassungsstaat beruht, zu perpetuieren hilft: Der Staat fördert und pflegt mit dem konstitutiv-institutionellen Staatskirchenrecht seine eigenen, historisch gewachsenen ideellen bzw. kulturellen Grundlagen36. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt – wie bereits erwähnt37 – bei alledem nicht, dass das institutionelle Staatskirchenrecht des Grundgesetzes einseitig auf die jüdisch-christlichen Religionsgemeinschaften fixiert wäre; vielmehr steht es mit den erörterten Maßgaben, d.h. im Falle der Erfüllung der grundgesetzlich statuierten kulturellen Mindestanforderungen, grundsätzlich allen Religionsgemeinschaften in gleicher Weise aufgeschlossen und offen gegenüber – kulturheimischen gleichermaßen wie kulturfremden Religionsgemeinschaften. Dies ergibt sich bereits daraus, dass im Falle der Erfüllung der kulturellen Mindestanforderungen der Gleichbehandlungsgedanke die Erstreckung der institutionellen Verbürgungen des Staatskirchenrechts auch auf kulturfremde Religionsgemeinschaften einfordert. Demgemäß resultiert aus dem vorstehend skizzierten Identitätsvorbehalt keinesfalls ein starrer Vorbehalt zugunsten der seit zwei Jahrtausenden im Abendland verankerten christlichen Religion und ihrer jüdischen Wurzeln; entscheidend ist allein, ob die jeweilige Religionsgemeinschaft, die Zutritt zu den institutionellen staatskirchenrechtlichen Vergünstigungen begehrt, bereit und geeignet ist, neben den übrigen Kompatibilitätsanforderungen des Grundgesetzes38 die für das Verhältnis von Kirche bzw. Religion und Staat 36 Zum Identitätsvorbehalt und seinen Folgen für die Inanspruchnahme der staatskirchenrechtlichen Einrichtungen vgl. die zusammenfassende Darstellung von Josef Isensee, Rechtsgutachten zur Genehmigungsfähigkeit einer privaten islamischen Grundschule, Typoskript, 2000, S. 75 f. Vgl. auch Rupert Scholz, Der Auftrag der Kirchen im Prozeß der deutschen Einheit, in: Essener Gespräche 26 (1992), S. 7 ff. (7 f.: „Innerhalb dieser gesellschaftlich-pluralistischen Systematik verfügen die Kirchen freilich über eine besondere Position, die sich wiederum auf die prinzipale Wertordnung des Grundgesetzes, sein Bekenntnis zum christlich-abendländischen Kultur- und Wertesystem bzw. auf das entsprechend werte-verfaßte Bekenntnis des Grundgesetzes zu „seiner Verantwortung vor Gott“ (Präambel) und das entsprechend wertgebundene Prinzip verfassungsrechtlicher Kulturstaatlichkeit gründet.“); vgl ferner Axel Frhr. von Campenhausen, Neue Religionen im Abendland, in: ZevKR 25 (1980), S. 135 ff. (169 f.). 37 Hierzu oben sub 2. a. E. 38 Das Erfordernis der Erfüllung des grundgesetzlichen Mindestkatalogs kultureller Kompatibilitätsanforderungen beschränkt sich – wie in Anm. 29 dargelegt – nicht auf die hier erörterten staatskirchenrechtsspezifischen Bedingungen, sondern ist umfassend angelegt. Daher ist dem grundgesetzlichen Identitätsvorbehalt (erst) dann Genüge getan, wenn dessen Anforderungen, die sich außerhalb des staatskirchenrechtsspezifischen Bereichs u. a. auf die Anerkennung und Förderung der Würde des Menschen sowie der Freiheits- und Gleichheitsrechte etc. beziehen, sämtlich erfüllt sind. Näher zu der institutionellen Bindung des Verfassungsstaates an diese kulturell determinier-

II. Conclusio: Das Ineinandergreifen von Kirchen- und Staatskirchenrecht

147

konstitutiven Grundsätze – Religionsfreiheit, säkulares Welt- und Staatsverständnis, verfassungsstaatliche Neutralität und Parität – unzweideutig zu stärken und generationenübergreifend zu erneuern. Sind diese grundgesetzlichen Kompatibilitätsanforderungen erfüllt, steht das institutionelle Staatskirchenrecht auch kulturfremden Religionsgemeinschaften offen. 4. Zwischenergebnis Damit erweist sich eine zweifache Zweckbindung des Staatskirchenrechts: Freiheitsgewährleistung durch Grundrechtsschutz einerseits, Identitätsstabilisierung und damit Freiheitssicherung durch ausschließlich institutionelles Recht andererseits39. Beide Funktionen des Staatskirchenrechts ergänzen sich: Sie realisieren gegenwartsbezogene Freiheitsverbürgung und leisten einen Beitrag zu zukunftsbezogener Freiheitssicherung, weil vor dem Hintergrund der abendländischen Kulturidentität die Identitätsstabilisierung zugleich der Sicherung der kulturellen Grundlagen individueller Freiheit dient.

II. Conclusio: Die rechtliche Relevanz des Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat und ihre Grenze – Das partielle Ineinandergreifen von Kirchen- und Staatskirchenrecht Die damit festzustellende doppelte Funktion des Staatskirchenrechts entscheidet, wie oben skizziert40, über Grund und Grenze der verfassungsrechtlichen Relevanz des zwischen Kirchen- und Staatskirchenrecht bestehenden Grundkonsenses über das rechte Verhältnis von Kirche und Staat; sie dirigiert das Verhältnis der entsprechenden kirchen- und staatskirchenrechtlichen Aussagen zueinander. Hierbei ergibt sich ein differenziertes Bild: Soweit die staatskirchenrechtlichen Normen (auch) die Gewähr religiöser Freiheit bezwecken, sind die Aussagen des Kirchenrechts zum Verhältnis von Kirche und Staat mitsamt den sich hieraus ergebenden Folgen für das Bestehen oder Fehlen des erörterten Grundkonsenses ohne Belang: Ob das Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft die Bejahung oder Negierung der für das Verhältnis von Kirche und Staat im Abendland maßgebenden Grundsätze enthält, ist für die intendierte staatliche Freiheitsverbürgung irrelevant – der ten Verfassungssätze in der Form eines verfassungsrechtlichen Identitätsvorbehaltes: Arnd Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004, Kap. 4 (sub A. II. und III.). 39 Konziser Aufriss der grundrechtlichen und der staatskirchenrechtlichen Ebene: Josef Isensee, Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 59 (2000), S. 323 ff. (324). 40 Hierzu eingangs sub D. (Einleitung).

148

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundkonsenses

Schutz vor staatlichen Eingriffen in die religiöse Freiheit, mithin die Realisierung des staatskirchenrechtlichen Zwecks der Freiheitsgewähr, hängt hiervon nicht ab. Die staats(-kirchen-)rechtlich garantierte Religionsfreiheit ist um der umfassenden Freiheitsgewähr willen daher namentlich unabhängig von der kirchenrechtlich verkörperten Haltung der Kirchen und Religionsgemeinschaften bzw. ihrer Anhänger zu den Fragen religiöser Freiheit, säkularer Staatsgestaltung sowie verfassungsstaatlicher Neutralität und Parität. Die kirchen- bzw. religionsgemeinschaftsrechtliche Positionierung zu diesen Fragen und das hieraus resultierende Vorliegen oder Fehlen des erörterten kirchen- und staatskirchenrechtlichen Grundkonsenses vermag daher den Genuss der grundrechtlichen Freiheitsgewähr nicht zu beeinflussen – weder negativ noch positiv: Die religiöse Freiheit als zentrales kulturgeschichtliches Produkt des Abendlandes wird jedermann und losgelöst von dessen kulturaffirmativer oder kulturkritischer Einstellung gewährleistet. Soweit sich das Staatskirchenrecht des Grundgesetzes indessen in seinen konstitutiv-institutionellen Regelungen als verfassungsstaatliches Instrument der Pflege dieser abendländischen Kulturidentität darstellt, ist das kirchenrechtlich dokumentierte Verständnis vom Verhältnis von Kirche und Staat – falls es entsprechend verwirklicht wird – mit seinen Konsequenzen für den Bestand des oben skizzierten Grundkonsenses von verfassungsrechtlichem Belang, weil das Staatskirchenrecht insofern zur Erreichung seines diesbezüglichen Zwecks auf die entsprechende Einstellung und das hieraus resultierende Handeln der Kirchen und Religionsgemeinschaften angewiesen ist: Nur soweit die Kirchen und Religionsgemeinschaften die abendländische Kulturidentität tatsächlich stützen und schützen – wobei, wie erwähnt, die Identitätsstabilisierung nicht das Ziel religiösen Wirkens bilden muss, sondern die tatsächliche identitätsstützende Folge religiösen Handelns ausreicht41 –, wird der staatskirchenrechtliche Zweck der Identitätsstabilisierung erreicht und ist die Inanspruchnahme entsprechender institutioneller staatskirchenrechtlicher Verbürgungen grundgesetzlich gerechtfertigt; das tatsächliche Verhalten der Kirchen und Religionsgemeinschaften indessen wird bestimmt durch ihre verbindlich – im exemplarischen Fall der christlichen Kirchen: durch ihre (auch) kirchenrechtlich – formulierte Haltung namentlich zum Verhältnis von Kirche und Staat. Das praktizierte Kirchenrecht mit seinen Folgen für das Bestehen oder Fehlen des erörterten Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat gewinnt insoweit staatskirchenrechtliche Bedeutung. Hier zeigt sich: Die staatskirchenrechtliche Einladung an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, im Rahmen religiöser und weltanschaulicher Betätigung aufgrund freier Entscheidung zugleich auch an der nachhaltigen Perpetuierung der abendländischen Kulturidentität mitzuwirken, bedarf der tat41

Vgl. oben sub I. 2.

II. Conclusio: Das Ineinandergreifen von Kirchen- und Staatskirchenrecht

149

sächlichen, d.h. durch entsprechendes Handeln fundierten Annahme, die nicht nur, aber auch mit den Mitteln des Kirchenrechts erklärt werden kann, wenn dieses den verbindlichen Maßstab für das tatsächliche Handeln einer Religionsgemeinschaft bildet. Ob eine Religionsgemeinschaft durch ihr tatsächliches Verhalten derart identitätsstützende „Nebenwirkungen“ zeitigt, hängt vor diesem Hintergrund von der in ihrer ausschließlichen Freiheit stehenden bekenntnismäßigen Überzeugung, kurz: von ihrem inhaltlichen Selbstverständnis ab, das ihr tatsächliches Handeln determiniert; dieses Selbstverständnis kann, muss indessen nicht zwingend seinen Ausdruck im Eigenrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften finden. Bei den christlichen Kirchen besteht am Vorliegen dieser Voraussetzungen, wie bereits erwähnt, schon deshalb kein Zweifel, weil sie die abendländische Kulturidentität gleichsam genetisch gewährleisten42 und dies herkömmlich auch und insbesondere in den für sie verbindlichen kirchenrechtlichen Regelungswerken zum Ausdruck bringen. Insofern erweist sich mithin, dass die das Verhalten der Kirchen determinierenden kirchenrechtlichen Normen über den kirchlichen Binnenbereich hinaus auch Bedeutung für die Inanspruchnahme staatskirchenrechtlicher Gewährleistungen haben: Als maßgebende Richtlinien für das tatsächliche Verhalten der Kirchen und ihrer Mitglieder entscheiden sie darüber, ob namentlich der kirchen- wie auch staatskirchenrechtlich fundierte Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat vorliegt und in die Tat umgesetzt wird oder nicht. So gesehen, kommt es – bezogen auf die Bestimmung des institutionellen Verhältnisses von Kirche und Staat und damit partiell – zu einem Ineinandergreifen wesensverschiedener Rechtsordnungen: des Kirchen- und des Staatskirchenrechts. Dieses Ineinandergreifen lässt sich als begrenzte Relevanz des Kirchen- bzw. Religionsgemeinschaftsrecht für das Staatskirchenrecht begreifen, die dort endet, wo die auf Mitwirkung der Kirchen und Religionsgemeinschaften angelegten institutionellen Regelungen des Staatskirchenrechts grundrechtliche Freiheitsgewährleistungen tangieren; in diesem Fall genießt, wie dargestellt, die den weitesten Schutz bietende Norm – mithin die losgelöst vom Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften freiheitsschützende Grundrechtsnorm – Vorrang43. 42 Josef Isensee, Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (85). – Im Lichte dieser Feststellung unterstreicht der Umstand, dass die katholische bzw. die evangelische Kirche von Verfassungs wegen „geborene“, nicht „gekorene“ Körperschaften des öffentlichen Rechts sind (Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 1 WRV), dass die Verfassung das Erfordernis tatsächlich kulturstabilisierenden Verhaltens bei ihnen als zwingend gegeben betrachtet (hierzu im Rahmen der Voraussetzungen für die Verleihung des Körperschaftsstatus vorstehend sub I. 2. und 3.). 43 Hierzu ausführlich oben sub I. 3.

150

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundkonsenses

III. Exkurs: Das Verhältnis von Kirche und Staat als nationaler Ausdruck europäischer Kulturidentität und sein Schutz gem. Art. 6 Abs. 3 EUV (Art. I – 5 Abs. 1 EU-Verfassungsentwurf 200344) Als Ausdruck abendländischer Kulturidentität sind die Grundsätze, nach denen das Verhältnis von Kirche und Staat im (Kirchen- bzw. Staatskirchen-) Recht der Gegenwart geordnet wird, prinzipiell übernationales Gemeingut. Die Leitprinzipien des deutschen Staatskirchenrechts – Säkularität, Religionsfreiheit, Neutralität und Parität – sind demgemäß Grundsätze, die als solche zu den Bestandteilen der gemeinsamen Kultur- und Rechtsüberlieferung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zählen, in diesen Staaten freilich aufgrund unterschiedlicher historischer Bedingungen zu teilweise höchst unterschiedlichen Ausformungen des Grundgefüges der Beziehungen zwischen Staat und Kirche geführt haben45. Dies gilt namentlich für die institutionelle Ausgestaltung des Beziehungsgefüges von Kirche und Staat, wie bereits die Verschiedenheit dieser institutionellen „Systeme“ veranschaulicht: So wird etwa in Portugal, Frankreich sowie in den Niederlanden ein Trennungssystem praktiziert, dem – freilich unterschiedlich ausgestaltete – staatskirchliche Systeme in Dänemark, Schweden und Finnland sowie Großbritannien und Griechenland gegenüberstehen, während in einer dritten Gruppe von Mitgliedstaaten das Verhältnis von Kirche und Staat maßgeblich durch das Prinzip der Kooperation gekennzeichnet ist. So betrachtet, lassen sich namentlich die Grundzüge der institutionellen Ordnung des Verhältnisses von Kirche und Staat als nationaler Ausdruck abendländischer bzw. europäischer Kultur- und Rechtstradition deuten, weshalb mit Blick auf das deutsche Staatskirchenrecht zu Recht festgestellt worden ist, dass seine Institutionen „nationale europäische Kulturidentität“ hegen46. 44 Dem derzeit geltenden Art. 6 Abs. 3 EUV entspricht unter dem hier interessierenden Aspekt Artikel I – 5 Abs. 1 des Verfassungsentwurfs des Europäischen Konvents, den dieser am 13. Juni und am 10. Juli 2003 angenommen hat (im Internet abrufbar unter http://european-convention.eu.int/docs/Treaty/cv00850.de03.pdf); Art. I – 5 Abs. 1 lautet: „Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten, die in deren grundlegender politischer und verfassungsrechtlicher Struktur einschließlich der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt. Sie achtet die grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit.“ 45 Vgl. Gerhard Robbers, Die Fortentwicklung des Europarechts und seine Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, in: Essener Gespräche 27 (1993); S. 81 ff. (85); ders., Staat und Religion, in: VVDStRL 50 (2000), S. 231 ff. (zusammenfassend S. 257 f.); Stefan Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit im Europarecht, 2002, S. 58 ff.; vgl. auch die Länderberichte in dem Sammelband Burkhard Kämper/Michael Schlagheck (Hrsg.), Zwischen nationaler Identität und europäischer Harmonisierung. Zur Grundspannung des zukünftigen Verhältnisses von Gesellschaft, Staat und Kirche in Europa, 2002.

III. Exkurs: Der Schutz des Art. 6 Abs. 3 EUV

151

Vor diesem Hintergrund entfaltet Art. 6 Abs. 3 EUV Relevanz, demzufolge die Europäische Union die „nationale Identität“ ihrer Mitgliedstaaten „achtet“47. Mit dieser Regelung, im EUV erstmals verankert durch den Maastrichter Vertrag, ist intendiert, angesichts der Entwicklung zu einer „immer engeren Union“ einer möglichen Entstaatlichung ebenso entgegenzuwirken wie einer schrittweisen Auflösung „nationaler Identitäten“ 48. Angesichts dieser entstehungsgeschichtlichen Intention rechnen zunächst Staatlichkeit und Souveränität der Mitgliedstaaten zu deren, durch Art. 6 Abs. 3 EUV verbürgter „nationalen Identität“49, darüber hinaus indessen auch ein Mindestbestand an Wertentscheidungen aus den verschiedensten Bereichen menschlichen Zusammenlebens, die das Wesen und das Selbstverständnis des jeweiligen Staates derart gewichtig und nachhaltig prägen, dass sie diesem Mitgliedstaat sein bestimmendes Gepräge verleihen50. Mit „nationaler Identität“ ist daher das „Eigenbild“ der nationalen Ver46 Josef Isensee, Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (87 f.). 47 Zum Schutz der „nationalen Identität“ i. S. d. Art. 6 Abs. 3 EUV: Peter Lerche, Achtung der nationalen Identität (Art. F Abs. 1 EUV), in: Fs. f. Helmut Schippel, hrsg. von der Bundesnotarkammer, 1996, S. 919 ff.; Albert Bleckmann, Die Wahrung der „nationalen Identität“ im Unions-Vertrag, in: JZ 1997, S. 265 ff.; Karl Doehring, Die nationale „Identität“ der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in: Fs. f. Ulrich Everling, hrsg. von Ole Due, Marcus Lutter, Jürgen Schwarze, 1995, Bd. I, S. 263 ff.; vgl. hierzu auch Peter Badura, Die Organisations- und Personalhoheit des Mitgliedstaates in der Europäischen Union, in: Fs. f. Ulrich Everling, hrsg. von Ole Due, Marcus Lutter, Jürgen Schwarze, 1995, Bd. I, S. 33 ff.; ders., Die föderative Verfassung der Europäischen Union, in: Fs. f. Martin Heckel, hrsg. von Karl-Hermann Kästner, Knut Wolfgang Knörr, Klaus Schlaich, 1999, S. 695 ff. (703); Ulrich R. Haltern, Europäischer Kulturkampf. Zur Wahrung „nationaler Identität“ im Unions-Vertrag, in: Der Staat 37 (1998), S. 591 ff.; Wolfgang Graf Vitzthum, Die Identität Europas, in: Europarecht 2002, S. 1 ff. Ausführlich auch Stefan Korioth, Europäische und nationale Identität: Integration durch Verfassungsrecht?, in: VVDStRL 62 (2003), S. 117 ff.; Armin von Bogdandy; Europäische und nationale Identität: Integration durch Verfassungsrecht?, in: VVDStRL 62 (2003), S. 156 ff.; Arnd Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004, Kap. 5. 48 Meinhard Hilf, in: Das Recht der Europäischen Union, hrsg von Eberhard Grabitz und Meinhard Hilf, Altband I, Stand: 14. Erg.-Lfg. Oktober 1999, Art. F EUV Rn.4; Adelheid Puttler, in: Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Auflage 2002, hrsg. von Christian Calliess und Matthias Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 212; vgl. zum Folgenden auch Peter Badura, Die föderative Verfassung der Europäischen Union, in: Fs. f. Martin Heckel, hrsg. von Karl-Hermann Kästner, Knut Wolfgang Knörr, Klaus Schlaich, 1999, S. 695 ff. (703 ff.); vgl. schließlich Arnd Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004, Kap. 5. 49 Hierzu näher Karl Doehring, Die nationale „Identität“ der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in: Fs. f. Ulrich Everling, hrsg. von Ole Due, Marcus Lutter, Jürgen Schwarze, 1995, Bd. I, S. 263 ff. (264 ff.). 50 Rudolf Geiger, EUV-EGV, Kommentar, 3. Auflage 2000, Art. 6 EUV Rn. 10; Meinhard Hilf, Europäische Union und nationale Identität der Mitgliedstaaten, in: Gs. F. Eberhard Grabitz, hrsg. von Albrecht Randelzhofer, Rupert Scholz, Dieter Wilke,

152

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundkonsenses

fassungsstaaten gemeint, wie sich dieses in seiner politischen, sozialen und kulturellen Besonderheit entwickelt hat51. Zu diesem „Eigenbild“ der Nationalstaaten gehören einerseits identitätsbildende Bestandteile der gemeinsamen Tradition der Mitgliedstaaten (vgl. Art. 6 Abs. 1 und 2 EUV), andererseits und vor allem aber gehört hierzu ein Mindestbestand an darüber hinausgehenden individuellen Eigenarten, die das Wesen und das Selbstverständnis des jeweiligen Staates prägen52. Damit stellen sich namentlich die Grundzüge der institutionellen Ordnung des Verhältnisses von Kirche und Staat angesichts ihrer historischen Bedeutung wie ihrer unverändert aktuellen Relevanz und damit angesichts ihrer das staatliche Eigenbild formenden Kraft als Bestandteile der „nationalen Identität“ Deutschlands dar53. Folgerichtig heißt es in der 11. Erklärung zur Schlussakte zum Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (vgl. Art. I – 51 Abs. 1 und 2 EUVerfassungsentwurf 200354), die zwar zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht

1995, S. 157 ff. (163 f.); ders., in: Das Recht der Europäischen Union, hrsg von Eberhard Grabitz und Meinhard Hilf, Altband I, Stand: 14. Erg.-Lfg. Oktober 1999, Art. F EUV Rn. 7 f.; Adelheid Puttler, in: Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Auflage 2002, hrsg. von Christian Calliess und Matthias Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 213. 51 Meinhard Hilf, in: Das Recht der Europäischen Union, hrsg von Eberhard Grabitz und Meinhard Hilf, Altband I, Stand: 14. Erg.-Lfg. Oktober 1999, Art. F EUV Rn. 8; ebenso: Rudolf Geiger, EUV-EGV, Kommentar, 3. Auflage 2000, Art. 6 EUV Rn. 10; Matthias Pechstein; in: EUV/EGV, Kommentar, 2003, hrsg. von Rudolf Streinz, Art. 6 Rn. 27. Arnd Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004, Kap. 5. 52 Eckart Klein, in: Handkommentar zum Vertrag über die Europäische Union (EUV/EGV), Stand: 7. Lfg. November 1998, hrsg. von Kay Hailbronner, Eckart Klein, Siegfried Magiera, Peter-Christian Müller-Graff, Art. F Rn. 6; zustimmend Rudolf Geiger, EUV-EGV, Kommentar, 3. Auflage 2000, Art. 6 EUV Rn. 10. 53 Vgl. hierzu Gerhard Robbers, Die Fortentwicklung des Europarechts und seine Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, in: Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 ff. (88); ders., Europarecht und Kirchen, in: HdbStKirchR, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I 1994, S. 315 ff. (323); Christoph Link, Staat und Kirche im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses, in: ZevKR 42 (1997), S. 130 ff. (152 f.); Christian Starck, Das Christentum und die Kirchen in ihrer Bedeutung für die Identität der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. (21); Christian Hillgruber, Staat und Religion, in: DVBl. 1999, S. 1155 ff. (1178); Markus Heintzen, Die Kirchen im Recht der Europäischen Union in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 29 ff. (35 und 47); Heinrich de Wall, Europäisches Staatskirchenrecht in: ZevKR 45 (2000), S. 157 ff. (159); Jörg Winter, Das Verhältnis von Staat und Kirche als Ausdruck der kulturellen Identität der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in: Verfassung – Philosophie – Kirche, Fs. f. Alexander Hollerbach, hrsg. von Joachim Bohnert, Christof Gramm, Urs Kindhäuser, Joachim Lege, Alfred Rinken, Gerhard Robbers, 2001, S. 893 ff. (898 ff.); Axel Frhr. von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996, S. 418; Stefan Mückl, Religionsund Weltanschauungsfreiheit im Europarecht, 2002, S. 26.

III. Exkurs: Der Schutz des Art. 6 Abs. 3 EUV

153

Bestandteil des Vertrages, gleichwohl als Auslegungsrichtlinie für diesen von rechtlicher Relevanz ist55, ausdrücklich: „Die Europäische Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen und beeinträchtigt ihn nicht. Die Europäische Union achtet den Status von weltanschaulichen Gemeinschaften in gleicher Weise“56. Unter den verschiedenen Wirkungen dieser Erklärung ist im hiesigen Kontext ihre struktursichernde Bedeutung von besonderer Relevanz, da sie den Bestand der in den Mitgliedstaaten der Union bestehenden institutionellen Rechtsbezie54 Art. I – 51 Abs. 1 und 2 des Verfassungsentwurfs des Europäischen Konvents entsprechen dem Wortlaut der 11. Erklärung zur Schlussakte zum Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997. Sie lauten: „(1) Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht. (2) Die Union achtet den Status von weltanschaulichen Gemeinschaften in gleicher Weise“. – Die Bedeutung dieses Art. I – 51 des Verfassungsentwurfs des Europäischen Konvents liegt vor allem in seiner unmittelbaren rechtlichen Bindungswirkung, die zukünftig aus der nunmehrigen Aufnahme der Kirchenerklärung in den Unionsvertrag selbst resultiert. 55 Rüdiger Stotz, Europa und die Kirchen, in: EuZW 1998, S. 737; ders., Die Bedeutung der Erklärung zum Status der Kirchen im Amsterdamer Vertrag, in: ÖARR 46 (1999), S. 64 ff.; Markus Heintzen, Die Kirchen im Recht der Europäischen Union in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 29 ff. (32); Christian Hillgruber, Staat und Religion, in: DVBl. 1999, S. 1155 ff. (1178); vgl. auch Gerhard Robbers, Europa und die Kirchen. Die Kirchenerklärung von Amsterdam, in: Stimmen der Zeit 1998, S. 147 ff. (154). Zuletzt hierzu m. w. N. Bernd Grzeszick, Die Kirchenerklärung zur Schlussakte des Vertrages von Amsterdam. Europäischer Text, völkerrechtliche Verbindlichkeit, staatskirchenrechtlicher Inhalt, in: ZevKR 2003, S. 284 ff. (287 ff.). 56 Hierzu näher: Josef Isensee, Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (72 ff., v. a. 74); Markus Heintzen, Die Kirchen im Recht der Europäischen Union in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 29 ff. (35); Gerhard Robbers, Europa und die Kirchen. Die Kirchenerklärung von Amsterdam, in: Stimmen der Zeit 1998, S. 147 ff. (151 ff.); Jörg Winter, Das Verhältnis von Staat und Kirche als Ausdruck der kulturellen Identität der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in: Verfassung – Philosophie – Kirche, Fs. f. Alexander Hollerbach, hrsg. von Joachim Bohnert, Christof Gramm, Urs Kindhäuser, Joachim Lege, Alfred Rinken, Gerhard Robbers, 2001, S. 893 ff. (900 f.); Thomas Oppermann, Europarecht, 2. Auflage 1999, Rn. 208; zur Entstehungsgeschichte dieser Erklärung näher Marcel Vachek, Das Religionsrecht der Europäischen Union im Spannungsfeld zwischen mitgliedstaatlichen Kompetenzreservaten und Art. 9 EMRK, 2000, S. 125 ff.; Sophie Ch. van Bijsterveld, Die Kirchenerklärung von Amsterdam – Genese und Bedeutung, in: ÖARR 46 (1999), S. 46 ff.; zur Rechtslage unter dem Amsterdamer Vertrag: Helmut Lecheler, Ansätze zu einem Unions-Kirchen-Recht in der Europäischen Union, in: Freiheit und Eigentum, Fs. f. Walter Leisner, hrsg. von Josef Isensee, Helmut Lecheler, 1999, S. 39 ff. 47 ff.; Alexander Hollerbach, Religion und Kirche im freiheitlichen Verfassungsstaat, 1998, S. 25 ff.

154

D. Die verfassungsrechtliche Relevanz des Grundkonsenses

hungen sichert, in diesem Sinne als eine status-quo-Garantie des jeweiligen mitgliedstaatlichen institutionellen Staatskirchenrechts fungiert57. Anders gewendet: Der seitens der Europäischen Union geachtete mitgliedstaatliche Status der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften überlässt es auch weiterhin den einzelnen Staaten, auf nationaler Ebene insbesondere das institutionelle Verhältnis von Kirche und Staat selbstbestimmt zu gestalten58. Gehört – wie vorstehend für das deutsche Beispiel dargetan – zur Ausgestaltung des solchermaßen geschützten institutionellen Verhältnisses von Kirche und Staat in einem Mitgliedstaat auch dessen funktionale Ausrichtung auf Identitätsstabilisierung und damit auf Freiheitssicherung im Rahmen solcher Regelungen, die keine grundrechtliche, sondern ausschließlich, d.h. in konstitutiver Weise institutionelle Relevanz genießen59, so partizipiert diese am Schutz der „nationalen Identität“: Wenn die Union den Status achtet und nicht beeinträchtigt, den die Kirchen und die religiösen Vereinigungen in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, dann gilt dies auch dort, wo in einem Mitgliedstaat dieser Status dazu dient, die nationale wie die europäische Kulturidentität zu pflegen. Die Europäische Union ist daher in der Rechtsfolge des Art. 6 Abs. 3 EUV – erst recht gilt dies für den Fall des Inkrafttretens des europäischen Verfassungsvertrages – zur Achtung auch dieser Zweckbindung des mitgliedstaatlichen Staatskirchenrechts, d.h. zum Unterlassen auch solcher Handlungen verpflichtet, die diese Zweckbindung tangieren60.

57 Gerhard Robbers, Europa und die Kirchen. Die Kirchenerklärung von Amsterdam, in: Stimmen der Zeit 1998, S. 147 ff. (151); Richard Potz, Europas Seele? – Kirchen und Religionsgemeinschaften im europäischen Einigungsprozess, in: ÖARR 46 (1999), S. 6 ff. (8); Hermann Weber, Die Religionsfreiheit im nationalen und internationalen Verständnis, in: ZevKR 45 (2000), S. 109 ff. (149 f. m. w. N.); näher zur Erklärung auch Stefan Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit im Europarecht, 2002, S. 11 ff. 58 Gerhard Robbers, Europa und die Kirchen. Die Kirchenerklärung von Amsterdam, in: Stimmen der Zeit 1998, S. 147 ff. (153); vgl. hierzu auch Bernd Grzeszick, Die Kirchenerklärung zur Schlussakte des Vertrages von Amsterdam. Europäischer Text, völkerrechtliche Verbindlichkeit, staatskirchenrechtlicher Inhalt, in: ZevKR 2003, S. 284 ff. 59 Hierzu eingehend oben sub I. 2. und 3. 60 Zu der Rechtsfolge des Art. 6 Abs. 3 EUV: Alexander Schmitt Glaeser, Grundgesetz und Europarecht als Elemente Europäischen Verfassungsrechts, 1996, S. 178 ff.; Markus Heintzen, Die Kirchen im Recht der Europäischen Union in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 29 ff. (36); Stefan Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit im Europarecht, 2002, S. 29; a. A.: Meinhard Hilf, Europäische Union und nationale Identität der Mitgliedstaaten, in: Gs. F. Eberhard Grabitz, hrsg. von Albrecht Randelzhofer, Rupert Scholz, Dieter Wilke, 1995, S. 157 ff. (164 f.); Adelheid Puttler, in: Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Auflage 2002, hrsg. von Christian Calliess und Matthias Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 217.

E. Ausblick: Der Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat in der Bewährung – Die Herausforderung durch die Präsenz neuer Religionen im Abendland Die nach alledem festzustellende begrenzte rechtliche Erheblichkeit des kirchen- und staatskirchenrechtlich zum Ausdruck gelangenden Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat unter dem Grundgesetz vermag schließlich Anhaltspunkte für die angemessene, d.h. für die dem Grundgesetz entsprechende Einordnung kultur(-kreis-)fremder Religionen in die Gewährleistungen des Staatskirchenrechts zu vermitteln, weil ihr eine Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, welche Rechtsfolgen das Fehlen eines entsprechenden Grundkonsenses zeitigt: Wenn dem Bestehen des kirchen- und staatskirchenrechtlich zum Ausdruck gelangenden Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat begrenzte rechtliche Relevanz zukommt, gilt dies umgekehrt auch für das Fehlen eines solchen Konsenses und seine tatsächlichen Folgen. Vor diesem Hintergrund schließt die vorliegende Untersuchung mit einem Ausblick auf die Bewährung der staatskirchenrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes in den Herausforderungen, die für sie aus der Präsenz neuer Religionen im Abendland resultieren, wenn diese sich – wie etwa im Falle des Islam1 – dem kulturgeschichtlich fundierten Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat bzw. von Religionsgemeinschaft und Staat ihrem Selbstverständnis nach einerseits nicht anschließen können und sie die kulturgeschichtlich gewachsenen sowie verfassungsrechtlich verankerten diesbezüglichen Regelungen in Frage stellen, andererseits indessen trotz ihrer andersartigen Strukturen Zutritt zu den Institutionen des abendländisch geprägten Staatskirchenrechts begehren.

1 Über die statistischen Angaben über den Islam in Deutschland informiert eingehend Ursula Spuler-Stegemann, Muslime in Deutschland. Nebeneinander oder Miteinander, 1998, passim ; vgl. hierzu auch Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. (539). Zum Islam vgl. als Einführung Heinz Halm, Der Islam. Geschichte und Gegenwart, 2000; Jamal J. Elias, Islam, 2000; Adel Theodor Khoury, Der Islam, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaf, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 13 ff.; vgl. auch ders., Das Gesetz Gottes. Eine koranische Theologie des Gesetzes, in Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 21 ff.

156

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung

Für den freiheitlichen Verfassungsstaat abendländischer Provenienz resultiert hieraus die epochale Herausforderung, kultur(-kreis-)fremden Religionen wie etwa dem Islam einen angemessenen Standort in dem kulturell geprägten und rechtlich geordneten Verhältnis von Kirche und Staat, genauer: in dem Verhältnis von Religionsgemeinschaft und Staat zuzuweisen2. Anders als vielfach vertreten, bedarf es zur Bewältigung dieser Aufgabe angesichts der vorstehenden Überlegungen weniger einer modifizierenden Anpassung als vielmehr der konsequenten Anwendung des geltenden Staatskirchenrechts, weil dieses über das insoweit erforderliche Handlungsinstrumentarium verfügt. So stellt sich für kultur(-kreis-)fremde Religionen wie namentlich den Islam3, die – anders als das Christentum – den oben skizzierten staatskirchenrechtlichen Mindestkatalog der abendländischen Kulturidentität nicht bereits gleichsam genetisch sichern, indessen in der Gegenwart und in der überschaubaren Zukunft aufgrund von Migration zunehmend Einzug in das Abendland halten, die staatskirchenrechtliche Lage angesichts der vorstehenden Ausführungen zunächst dergestalt dar, dass die Gewähr religiöser Freiheit auch ihnen – und zwar ungeachtet ihrer Haltung zu den übrigen staatskirchenrechtlichen Leitprinzipien – umfassend zusteht: Wenn die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit, wie dargetan4, von dem Bestehen eines tatsächlich praktizierten Grundkonsenses über das Verhältnis von Religion und Staat unabhängig ist, so gilt dies selbstredend für alle Religionen. Folglich genießen auch die Gläubigen kultur(-kreis-) fremder Religionen, allen voran die Anhänger des Islam, in Deutschland selbstverständlich den Schutz der Religionsfreiheit: Dem staatskirchenrechtlichen Zweck der Garantie umfassender religiöser Freiheit entsprechend, steht dieses Grundrecht jedermann, unabhängig von dem Inhalt seines Bekenntnisses zu5; es 2 Hierzu grundlegend: Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff.; Josef Isensee, Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (84 ff.); s. auch Stefan Muckel, Der Islam unter dem Grundgesetz. Muslime in einer christlich vorgeprägten Rechtsordnung, 2000; zum spezifischen Problem islamischen Religionsunterrichts ders., Islamischer Religionsunterricht und Islamkunde an öffentlichen Schulen in Deutschland, in: JZ 2001, S. 58 ff. 3 Vgl. hierzu zusätzlich zu den nachfolgenden Anmerkungen: Alfred Albrecht, Religionspolitische Aufgaben angesichts der Präsenz des Islam in der Bundesrepublik Deutschland, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 82 ff. 4 Hierzu näher oben sub D. I. und II. 5 Dies wird, soweit überschaubar, in der staatskirchenrechtlichen Literatur einhellig so gesehen; vgl. aus dem Schrifttum: Wolfgang Loschelder, Der Islam und die religionsrechtliche Ordnung des Grundgesetzes, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 149 ff. (152 ff.); Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. (539 ff.); Josef Isensee, Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isen-

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung

157

ist – anders als vom Bundesverfassungsgericht erwogen – an „Kulturvölker-Vorbehalte“ nicht gebunden6. In individueller Hinsicht gilt dies auch trotz und angesichts des Umstands, dass dem historischen Verfassunggeber zwar die Zeugen Jehovas, die Herrnhuter und die Sabbatisten konkret vor Augen standen7, nicht jedoch der Islam. Zu Recht hat daher das Bundesverfassungsgericht iudiziert, dass die Glaubensfreiheit nicht nur Mitgliedern anerkannter Kirchen und Religionsgemeinschaften zusteht, sondern auch den Angehörigen anderer religiöser Vereinigungen8. Das fünfmalige tägliche Gebet muslimischer Gläubiger, das freitagnachmittägliche Gebet in der Moschee, das Fasten im Monat Ramadan fällt daher unter den Schutz des Art. 4 GG9. Gleiches gilt grundsätzlich in korporativer Hinsicht. Die Religionsfreiheit steht daher, soweit islamische Gemeinschaften auf die Pflege und Förderung der islamischen Religion ausgerichtet sind10, auch islamischen Vereinigungen offen, wobei hier freilich darauf zu achten ist, dass dies nur insoweit gilt, wie derartige Vereinigungen der Religionsausübung dienen. Dies ist deshalb in einer Vielzahl von Fällen problematisch, weil dem Islam die sogleich zu vertiefende Vorstellung von der Einheit von Staat und Religion zu eigen ist und daher islamische Vereinigungen – aus der Perspektive des deutschen Grundgesetzes betrachtet – in der Gefahr stehen, unter dem Deckmantel der korporativen Religionsfreiheit allgemeinpolitische Ziele zu verfolgen, was angesichts der verfassungsexplizit nur den Deutschen vorbehaltenen Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG zu verfassungsrechtlichen Konflikten führen kann. Die Grundrechtsgewährleistung des Art. 4 GG besteht für islamische Vereinigungen daher in concreto (nur) dann, wenn es sich sowohl nach deren Selbstverständnis wie auch nach deren tatsächlichem Handeln und Erscheinungsbild um spezifisch religiöse Gemeinschaften handelt11. see, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (86). Ausführlich hierzu: Stefan Muckel, Religionsfreiheit für Muslime in Deutschland, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 239 ff.; vgl. ferner aus dem jüngeren Schrifttum zu dieser Frage Norbert Janz/Sonja Rademacher, Islam und Religionsfreiheit. Die religiöse und weltanschauliche Neutralität des Staates auf dem Prüfstand, in: NVwZ 1999, S. 706 ff.; Janbernd Oebbecke, Das deutsche Recht und der Islam, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 287 ff. (289 ff.). 6 A.A. BVerfGE 12, 1 (4); 24, 236 (246). Im Schrifttum ist umstritten, ob sich das BVerfG in späteren Entscheidungen – namentlich BVerfGE 41, 29 (50), von den die dort vertretene Kulturadäquanzklausel prägenden Prämissen distanziert hat; vgl. hierzu die Darstellung bei Bernd Jeand’Heur und Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, Rn. 95 ff. Wie hier jüngst auch Michael Brenner, Staat und Religion, in: VVDStRL 50 (2000), S. 264 ff. (280 f.). 7 Hierzu: Protokolle der 24. und 26. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 23.11.1948 und vom 30.11.1948, in: Der Parlamentarische Rat, Akten und Protokolle, Bd. 5/II, Boppard 1993. 8 BVerfGE 32, 98 (106); vgl. auch BVerfGE 24, 236 (246). 9 Allg. Ansicht; vgl. stellvertretend nur Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. (541). 10 Zu diesem Erfordernis vgl. BVerfGE 83, 341 (354 f.)

158

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung

Ein anderes Bild ergibt sich demgegenüber hinsichtlich der Inanspruchnahme konstitutiv-institutioneller Verbürgungen des Staatskirchenrechts. Bereits der Gleichheitsgrundsatz gebietet hier, die begrenzte verfassungsrechtliche Relevanz des Bestehens eines entsprechend praktizierten Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat auch im Verhältnis des Staates zu anderen Religionen als dem Juden- und dem Christentum zur Anwendung zu bringen: Wenn dem Bestand dieses Konsenses beschränkte staatsrechtliche Bedeutung zukommt, gilt dies umgekehrt auch für das Fehlen eines solchen Konsenses und seine tatsächlichen Folgen. Damit gewinnt die Frage, ob die Anhänger der neuen Religionen im Abendland, exemplarisch die Muslime, ihrem sie bindenden Selbstverständnis zufolge den Mindestkatalog der grundgesetzlich statuierten kulturellen Kompatibilitätsanforderungen erfüllen können, entscheidende Bedeutung12. Das Selbstverständnis des Islam gelangt im islamischen Religionsgesetz, der Scharia, zum Ausdruck13: Vor dem Hintergrund, dass sich der Islam als „Religion und Staat“, d.h. als Träger und Erfüller einer göttlichen Erfahrung begreift, der in seinem Totalitätsanspruch die Menschen in allen Bereichen ihres Lebens erfasst, ist es die Scharia, die den gesetzlichen Rahmen für das Leben des Einzelnen, der Familie und der Gesellschaft festlegt14. Allerdings stellt diese kein ausformuliertes Gesetzbuch dar; sie setzt sich vielmehr aus verschiedenen Elementen zusam11 Vgl. BVerfGE 83, 341 (353); so auch Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. (542); zusammenfassend sowie m. w. N. Axel Frhr. von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage, 1996, S. 88 ff. Hellsichtige Warnung vor einer voreiligen Einräumung der Religionsfreiheit für islamische Organisationen, die im Dienste der Durchsetzung des schariatischen Rechts stehen: Hans-Peter Raddatz, Der Kalifstaat ist nur die Spitze des Eisbergs, Interview, in: Die Welt vom 12. Dezember 2003. 12 Der thematischen Beschränkung der vorliegenden Abhandlung entsprechend, befassen sich die folgenden Ausführungen nur mit der Erfüllung des staatskirchenrechtsspezifischen Teils des grundgesetzlichen Mindestkatalogs kultureller Kompatibilitätsanforderungen. Weitere Aspekte, die der Erfüllung des grundgesetzlichen Mindestkatalogs in seiner Gesamtheit entgegenstehen – virulent ist insofern etwa die Stellung der Frau im Islam, die die im Lichte der grundgesetzlichen Kompatibilitätsanforderungen grundgesetzlich erwartete Stärkung des Gleichberechtigungspostulats als wenig wahrscheinlich erscheinen lässt – werden im Interesse der inhaltlichen Konzentration im Folgenden nicht weiter verfolgt. Vgl. hierzu grundsätzlich Arnd Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004, Kap. 4. 13 Hierzu Tilman Nagel, Das islamische Recht. Eine Einführung, 2001 (zur Systematik des islamischen Rechts S. 3 ff.; zu seiner Geschichte S. 155 ff.); Adel Theodor Khoury, Das islamische Rechtssystem. Grundlagen und Rechtsschulen, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 37 ff. Ausführlich zu den islamischen Rechtsquellen die Tübinger Habilitationsschrift von Birgit Krawietz, Hierarchie der Rechtsquellen im tradierten sunnitischen Islam, 2002; aus der älteren Literatur: Joseph Schacht, An Introdcution to Islamic Law, 1964, passim. 14 Vgl. hierzu und zum Folgenden: Adel Theodor Khoury, Das islamische Rechtssystem. Grundlagen und Rechtsschulen, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung

159

men. Ein Hauptelement der Scharia bildet zunächst der Korantext, der als das unmittelbar geäußerte Wort Gottes begriffen wird und der eine Reihe von Geboten und Verboten enthält, aus denen sich indessen noch keine vollständige Rechtsordnung ergibt. Der Korantext wird ergänzt durch die zweite Hauptquelle des islamischen Religionsgesetzes, die Sunna; diese umfasst die Äußerungen Mohammeds sowie seiner Gefährten bzw. der Gemeinde in Medina und bildet – gegenüber den Rechtsvorschriften des Korans – den weit umfangreicheren Teil der Scharia. Freilich trennen sich bereits hier die beiden Hauptzweige der islamischen Überlieferung, der sunnitische und der schiitische Zweig; die Schiiten erkennen einen Großteil der Gefährten Mohammeds nicht als glaubwürdig an mit der Folge, dass sie auf deren Überlieferungen verzichten, statt dessen auf die Aussprüche und Handlungen von zwölf Imamen aus dem 11. Jahrhundert zurückgreifen und so ihre eigene Sunna vertreten. Auch der Koran und die Sunna bilden indessen noch nicht die abschließende Gesamtheit der Scharia. Fragen, für die die Überlieferung keine Antwort bereithält, werden von der islamischen Jurisprudenz, die von den verschiedensten Rechtsschulen gespeist wird, nach dem Prinzip des sog. Konsenses zu beantworten gesucht, der durch die Übereinstimmung aller Rechtsgelehrten einer Zeit nach dem Tod des Propheten Mohammed zustande kommt und in der Feststellung einer entsprechenden Rechtsvorschrift zum Ausdruck gelangt. Ergänzt werden diese „Primärquellen“ des islamischen Rechtssystems durch verschiedene Grundsätze, nach denen sekundäre Quellen des Rechts und damit detaillierte Rechtsnormen ermittelt werden15. Die Autorität zur Feststellung der Rechtsvorschriften der Scharia liegt bei den Rechtsgelehrten, die diese durch die Abfassung von Gutachten – den sog. Fatwas – ausüben, die sich inhaltlich auf jede Frage des menschlichen Lebens beziehen können16.

Vor diesem Hintergrund kommt den verbindlichen Rechtsordnungen der sich neu im Abendland etablierenden Religionen für die Frage der Inanspruchnahme institutioneller staatskirchenrechtlicher Einrichtungen die gleiche Bedeutung wie den eingangs analysierten kirchenrechtlichen Regelungen der christlichen Kirchen zu: Soweit derartige Normen verbindlich sind, mithin das tatsächliche Verhalten der Religionsgemeinschaften determinieren, kann ihnen das Bestehen bzw. das Fehlen der Übereinstimmung mit den staatskirchenrechtlichen Leitprinzipien des Grundgesetzes, mithin das Vorhandensein bzw. Nichtvorhanden-

Oebbecke, 2000, S. 37 ff.; Heinz Halm, Der Islam. Geschichte und Gegenwart, 2000, S. 74 ff. 15 Es sind dies die Prinzipien der Analogie, des Brauchs bzw. des Gewohnheitsrechts, des eigenen Urteils, wobei als Grundsätze der Urteilsbildung für die Herausarbeitung von Rechtsvorschriften aus den Quellen des Islam die Prinzipien des Für-gutHaltens, des Interesses der Gemeinschaft, des Grundsatzes der Billigkeit, der Bestätigung der bestehenden Rechtslage sowie der Erleichterung herangezogen werden; hierzu näher Adel Theodor Khoury, Das islamische Rechtssystem. Grundlagen und Rechtsschulen, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 37 ff. (44 ff.). 16 Näher hierzu: Heinz Halm, Der Islam. Geschichte und Gegenwart, 2000, S. 77 ff., 80 f.

160

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung

sein des Grundkonsenses über das Verhältnis von Kirche und Staat entnommen werden, das für den Zutritt zu den konstitutiv-institutionellen Verbürgungen des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts den vorstehenden Ausführungen zufolge entscheidend ist. Demgemäß hängt es von dem rechtsverbindlich festgelegten und entsprechend praktizierten Selbstverständnis dieser Religionen ab, ob sie die Leitprinzipien der Säkularität des Staates, der Religionsfreiheit sowie der staatlichen Neutralität und Parität nicht nur anerkennen, sondern im Rahmen bzw. als Nebenfolge ihres Bekenntnisses und seiner Praktizierung auch aktiv sowie wirkmächtig an der Stärkung und Erneuerung der abendländischen Kulturidentität mitwirken und sich so den Zugang zu den staatskirchenrechtlichen Institutionen verschaffen17. Bezüglich des Islam in Deutschland18 ergeben sich insofern grundlegende Schwierigkeiten. So offenbart bereits der Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche, wie prekär ein bedenkenloses Überstülpen des verfassungsrechtlich normierten institutionellen Staatskirchenrechts auf Religionsgemeinschaften ist, die – grundrechtlich legitim – anderen historischen und kulturellen Wurzeln entspringen: Dem Islam etwa ist die dem abendländischen Kulturkreis zu eigene Unterscheidung der geistlichen und der weltlichen Sphäre weitgehend fremd, weshalb er keine Institutionen hervorgebracht hat, die unabhängig vom islamischen Staat bestünden19. Während in der abendländischen Kulturgeschichte die ecclesia als das 17 Für die Verleihung des Körperschaftsstatus wird diese Anforderung weithin anerkannt: Paul Kirchhof, Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 22, S. 651 ff. (683); Alfred Albrecht, Die Verleihung der Körperschaftsrechte an islamische Vereinigungen, in: KuR 1995, S. 25 ff. (27 f.); zustimmend und dies auf die institutionellen Verbürgungen des Staatskirchenrechts insgesamt beziehend: Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. (545 ff.); Josef Isensee, Rechtsgutachten zur Genehmigungsfähigkeit einer privaten islamischen Grundschule, Typoskript, 2000, S. 75 f.; a. A. Reiner Tillmanns, Zur Verleihung des Körperschaftsstatus an Religionsgemeinschaften, in: DÖV 1999, S. 441 ff. – Zur Frage der Verleihung des Körperschaftsstatus an islamische Glaubensgemeinschaften auch Stefan Muckel, Muslimische Gemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: DÖV 1995, S. 311 ff. sowie Michael Brenner, Staat und Religion, in: VVDStRL 59 (2000), S. 264 ff. (287 f.); zu dieser Frage zuletzt – allerdings die Verleihungsvoraussetzungen ausschließlich unter organisationsrechtlichen Aspekten betrachtend – Berend Lindner, Körperschaftsstatus für Muslime?, in: ZevKR 2003, S. 178 ff. 18 Hierzu als Einführung: Faruk Sen/Hayrettin Aydin, Islam in Deutschland, 2002; vgl. ferner Heiner Marré, Der Islam in Deutschland – Historische, politische und rechtliche Überlegungen zu einem komplexen Thema, in: Kirche und Religion im sozialen Rechtsstaat, Festschrift für Wolfgang Rüfner zum 70. Geburtstag, hrsg. von Stefan Muckel, 2003, S. 553 ff. Für statistische Angaben über Muslime in Deutschland vgl. die Antwort der Bundesregierung: Islam in Deutschland, Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Drucksache 14/4530 (8. November 2000). 19 Vgl. hierzu ausführlich Baber Johanson, Staat, Recht und Religion im sunnitischen Islam – Können Muslime einen religionsneutralen Staat akzeptieren?, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 12 ff. (13 ff.); vgl. auch den kurzen Überblick bei Peter Heine, Artikel „Staat/Staatslehre“, in: Islam-Lexikon. Geschichte – Ideen – Gestalten,

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung

161

machtvolle Gegenüber der politischen Herrschaft erscheint, kennt der Islam eine solche Unterscheidung nicht und geht insoweit von einer prinzipiellen Deckungsgleichheit von religiöser und politischer Ordnung aus20. Folgerichtig klammert der Koran Elemente der Staatlichkeit aus und gibt die bruchlose Einheit zwischen Religion, Offenbarung, Recht und Politik vor21. Zwar gibt es verschiedene Distinktionen von „Religion“ und „Staat“, „Recht“ und „Politik“22, doch eine prinzipielle Trennung von weltlicher und geistlicher Sphäre kennt der Islam nicht23, weshalb ihm auch das Prinzip staatlicher Neutralität notwendigerweise fremd ist. Weil weltliche und geistige Ordnung weitgehend in eins gesetzt sind und alleiniger Souverän dieser Ordnung – auch in ihren weltlichen Aspekten – nach muslimischem Verständnis Allah ist, kann schließlich grundsätzlich auch nur er Souverän des weltlichen Staates sein; gemäß der „Hakimiyyat Allah“-Lehre (Lehre von der Gottesherrschaft) kommt denn Allah auch politische Souveränität auf Erden zu24: Hier ist ein potentieller fundamentaler Konflikt mit dem grundgesetzlichen Prinzip der Volkssouveränität angelegt, der umso schwerer wiegt, als die Vorstellung von der islamischen Wahrheit zugleich die Idee des politischen

hrsg. von Adel Theodor Khoury, Ludwig Hagemann, Peter Heine, Bd. 3, 1999, S. 685 ff.; vgl. ferner Josef Isensee, Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (86 ff.). 20 Paul Mikat, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 64 (Diskussionsbeitrag). 21 Baber Johanson, Staat, Recht und Religion im sunnitischen Islam – Können Muslime einen religionsneutralen Staat akzeptieren?, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 12 ff. (65) und Paul Mikat, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 64 (Diskussionsbeitrag). 22 Hierzu näher Baber Johanson, Staat, Recht und Religion im sunnitischen Islam – Können Muslime einen religionsneutralen Staat akzeptieren?, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 12 ff. 23 Josef van Ess, in: Christentum und Weltreligionen, hrsg. von Hans Küng, Josef van Ess, Heinrich Stietencron, Heinz Bechert, 1984, S. 76 ff., 82 ff.; Wolfgang Loschelder, Der Islam und die religionsrechtliche Ordnung des Grundgesetzes, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 149 ff. (149); Martin Forstner, Das Menschenrecht der Religionsfreiheit und des Religionswechsels als Problem der islamischen Staaten, in: Kanon X, Kirche und Staat im christlichen Osten, 1991, S. 105 ff. (119 ff.); Udo Steinbach, Die Stellung des Islams und des islamischen Rechts in ausgewählten Staaten. Einleitung: Vom islamisch-westlichen Kompromiss zum Islamismus, in: Der Islam in der Gegenwart, hrsg. von Werner Ende und Udo Steinbach, 4. Auflage 1996, S. 213 ff. (213) und passim; vgl. zusammenfassend auch Smail Balic, Die innerislamische Diskussion zu Säkularismus, Demokratie und Menschenrechten, in: Der Islam in der Gegenwart, hrsg. von Werne Ende und Udo Steinbach, 4. Auflage 1996, S. 590 ff.; zum Islam und seiner Vereinbarkeit mit Demokratie und Marktwirtschaft differenzierend Volker Nienhaus, Islam und Staatlichkeit. Zur Vereinbarkeit von Religion, Demokratie und Marktwirtschaft, in: Internationale Politik 2002, S. 11 ff. (12 ff.); vgl. schließlich Heinrich Reiners, Die klassische islamische Staatsidee, ihre moderne Interpretation und ihre Verwirklichung in den Verfassungsordnungen muslimischer Staaten, 1968, S. 44 ff., 164. 24 Zur „Hakimiyyat Allah“-Lehre näher Bassam Tibi, Fundamentalismus im Islam, Eine Gefahr für den Weltfrieden?, 2000, S. 72 ff.

162

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung Pluralismus und damit ein für die demokratische Ordnung charakteristisches Strukturprinzip in Frage stellt25. Verbunden mit der grundsätzlichen Deckungsgleichheit von Religion und Politik sind fundamental abweichende Vorstellungen über die Reichweite von Religion und Religionsausübung und damit in der Folge über „säkulare Freibezirke“ insgesamt26, weil allgemeine Religionsfreiheit als Menschen- bzw. Grundrecht die Unterscheidung von Staat und Religion verlangt und demzufolge in der islamischen Einheitsvorstellung keinen Platz hat. Dies manifestiert sich zunächst darin, dass der Islam entgegen anderweitiger Behauptung die Religionsfreiheit dem sog. „fitrah“-Konzept zufolge bis heute nur in Ansätzen kennt27, die überdies durch neuere Entwicklungen in der islamischen Staatenwelt und deren Fundamentalisierung in Frage gestellt sind28: Menschenrechte nach abendländischem Verständnis, namentlich allgemeine Religionsfreiheit, kennt der Islam nicht29, sie erscheinen „aufgedrängt“30. Dies wird einerseits daran deutlich, dass Juden und Christen

25 Hierzu sowie zu den unterschiedlichen, unter den Muslimen vertretenen Auffassungen m. w. N. Alexandra Petersohn, Der Islam „ante portas“ – Sprengstoff für den Staat des Grundgesetzes? Die Islamische Charta des Zentralrats der Muslime in Deutschland, in: ZRP 2002, S. 521 ff. (523). 26 Josef van Ess, in: Christentum und Weltreligionen, hrsg. von Hans Küng, Josef van Ess, Heinrich Stietencron, Heinz Bechert, 1984, S. 83; Wolfgang Loschelder, Der Islam und die religionsrechtliche Ordnung des Grundgesetzes, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 149 ff. (149); vgl. hierzu auch Axel Frhr. v. Campenhausen, Neue Religionen im Abendland. Staatskirchenrechtliche Probleme der Muslime, der Jugendsekten und der sogenannten destruktiven religiösen Gruppen, in: ZevKR 25 (1980), S. 134 ff. (142). 27 Hiernach ist jeder Mensch von Geburt an – gleichsam im Naturzustand – Muslim und wird lediglich durch äußere Umstände wie etwa die Erziehung zu dem Angehörigen einer anderen Religion. Nur der Muslim genießt als Anhänger der „einzig wahren“ Offenbarungsreligion höchste Würde; fällt er indessen von seinem Glauben ab, wechselt er die Religion oder wird er Atheist, dann begeht er einen unverzeihlichen Fehler; vgl. die Darstellung bei Alexandra Petersohn, Der Islam „ante portas“ – Sprengstoff für den Staat des Grundgesetzes? Die Islamische Charta des Zentralrats der Muslime in Deutschland, in: ZRP 2002, S. 521 ff. (523); zum fitrah-Konzept näher Ali Oumlil, Islam et Etat National, 1999. 28 Hierzu und zum Folgenden näher Adel Theodor Khoury, Toleranz und Religionsfreiheit im Islam (Kirche und Gesellschaft Nr. 216, hrsg. von der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach) 1995, S. 3 ff.; Hans-Tjabert Conring, Der Islam und das Menschenrecht der Religionsfreiheit, in: KuR 1996, S. 1 ff.; Axel Frhr. von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Auflage, 1996, S. 88 ff.; ders., Neue Religionen im Abendland. Staatskirchenrechtliche Probleme der Muslime, der Jugendsekten und der sogenannten destruktiven religiösen Gruppen, in: ZevKR 25 (1980), S. 135 ff. (141 ff.); ders., Aktuelle Aspekte der Religionsfreiheit. Neue Religionen im Abendland II, in: ZevKR 37 (1992), S. 405 ff. 29 Wie hier m. w. N. Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 62 I 8. (S. 242 f.). Vgl. zu der muslimischen Auffassung von den Menschenrechten näher Alexandra Petersohn, Islamisches Menschenrechtsverständnis unter Berücksichtigung der Vorbehalte muslimischer Staaten zu den UN-Menschenrechtsverträgen, 1999. 30 So zu Recht Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 62 I 8. (S. 242) unter Hinweis u. a. auf Adel Theodor Khoury,

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung

163

zwar begrenzte Toleranz gewährt wird, diese indessen gerade nicht Ausdruck allgemeiner Religionsfreiheit, sondern theologischer Privilegierung ist, weil die Buchreligionen des Juden- und des Christentums nach islamischem Verständnis als Vorläufer und Verwandte des Islam erscheinen; die Anhänger anderer Religionen – seien es Anhänger sog. Naturreligionen oder anderer Hochreligionen wie z. B. des Buddhismus – können ein Recht auf Freiheit des Religiösen ebenso wenig in Anspruch nehmen wie Atheisten ein Recht auf freie Weltanschauung verbürgt ist31. Dies wird andererseits daran deutlich, dass nach islamischem Verständnis der Glaubenswechsel ausgeschlossen ist – dieser wird als Abfall vom wahren Glauben, als Apostasie, mit der Todesstrafe bestraft32; auch das Recht auf Werbung für eine Religion, kurz: das Recht auf Missionierung ist nach diesen Vorstellungen ausgeschlossen. Folgerichtig wird die Freiheit des Religionswechsels sowie das Recht nicht-islamischer Missionierung in den islamischen Menschenrechtserklärungen aus dem Geltungsbereich der dortigen Verbürgungen der Religionsfreiheit ausgeklammert33. Mensch, Welt, Staat im Islam, 1977; Peter Antes, Ethik und Politik im Islam, 1982, passim. 31 Martin Forstner, Das Menschenrecht der Religionsfreiheit und des Religionswechsels als Problem der islamischen Staaten, in: Kanon X, Kirche und Staat im christlichen Osten, 1991, S. 105 ff. (108); auf die fehlende Gleichstellung aller Menschen im Islam und auf die islamische Abstufung des menschlichen Eigenwertes weist auch Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 62 I 8. (S. 242 f.), hin. 32 Hier spiegelt sich die Grundannahme des bereits erwähnten islamischen „fitrahKonzepts“, demzufolge jeder Mensch als Muslim geboren ist und nur durch negative äußere Einflüsse zu einem Juden, Christen etc. degradiert wird. Wer bereits zur Wahrheit vorgestoßen war, sie kennengelernt hat, Muslim geworden ist, der begeht einen unverzeihlichen und nur mit dem Tod zu ahndenden Fehler, wenn er zu einer anderen Religion übertritt; alle islamischen Rechtsschulen sind sich in der Annahme einig, dass dieser Fehler zwingend mit der Todesstrafe zu ahnden ist, die ihrerseits mit verschiedenen zivilrechtlichen Folgen verbunden wird (Zwangsscheidung vom muslimischen Ehepartner, Verbot des Eintritts in die Erbfolge durch muslimische Verwandte etc.). Denn vom Islam abzufallen, ist die einzige Sünde, die Gott nach islamischer Vorstellung niemals verzeiht. Vgl. hierzu Ursula Spuler-Stegemann, Muslime in Deutschland. Nebeneinander oder Miteinander, 1998, S. 300 f.; Adel Theodor Khoury, Abfall vom Glauben im Koran und im Rechtssystem, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 237 ff.; umfassend zum Glaubenswechsel: Martin Forstner, Das Menschenrecht der Religionsfreiheit und des Religionswechsels als Problem der islamischen Staaten, in: Kanon X, Kirche und Staat im christlichen Osten, 1991, S. 105 ff. sowie zuletzt Christoph A. Stumpf, Die Freiheit des Religionswechsels als Herausforderung für das religiöse Recht des Islam und des Christentums, in: ZevKR 48 (2003), S. 129 ff. 33 Der Text der „Allgemeinen Islamischen Menschenrechtserklärung“ von 1981 ist abgedruckt in: CIBEDO-Dokumentation Nr. 15/16, 1982; hierzu m. w. N. Martin Forstner, Das Menschenrecht der Religionsfreiheit und des Religionswechsels als Problem der islamischen Staaten, in: Kanon X, Kirche und Staat im christlichen Osten, 1991, S. 105 ff.; s. auch Peter Antes, Islam und Menschenrechte, in: Die politische Meinung 220 (1985), S. 74 ff.; jüngst hierzu Hermann Weber, Die Religionsfreiheit im nationalen und internationalen Verständnis, in: ZevKR 45 (2000), S. 109 ff. (111 f. m. w. N.). Auf die Ausrichtung und Bezugnahme aller „Rechte“ des Einzelnen auf die

164

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung Damit steht der Islam mit der ihm eigenen „integralen“ Sichtweise34 einem säkularisierten, religiös neutralen und religiöse Freiheit verbürgenden Staat und dessen kulturellen Wurzeln, welche die europäischen Staaten im Allgemeinen und den deutschen Staat im Besonderen prägen, notwendigerweise weitgehend ablehnend gegenüber35.

Scharia weist auch hin: Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 62 I 8. (S. 242). Zu dem islamischen Menschenrechtsverständnis näher Alexandra Petersohn, Islamisches Menschenrechtsverständnis unter Berücksichtigung der Vorbehalte muslimischer Staaten zu den UN-Menschenrechtsverträgen, 1999, passim. 34 So die Formulierung bei Wolfgang Loschelder, Der Islam und die religionsrechtliche Ordnung des Grundgesetzes, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 149 ff. (149). 35 Diese ablehnende Haltung bezieht sich nicht nur auf die Prinzipien des freiheitlichen Staatskirchenrechts grundgesetzlicher Provenienz; sie ist weitaus umfassender und betrifft u. a. auch das abendländische Verständnis der Menschenwürde, der allgemeinen Freiheit und Gleichheit; vgl. hierzu Peter Antes, Islam und Menschenrechte, in: Die politische Meinung 220 (1985), S. 74 ff.; zum Islam und dem Menschenbild des Grundgesetzes jüngst Michael Bertrams, Lehrerin mit Kopftuch? – Islamismus und Menschenbild des Grundgesetzes, in: DVBl. 2003, S. 1225 ff. – So genießt zunächst nach traditionellem islamischem Verständnis nur der Muslim als Anhänger der „einzig wahren“ abrahamitischen Offenbarungsreligion die höchste Würde; Ungläubige oder Menschen anderen Glaubens verfügen über diese nicht. Allgemeine Freiheitsrechte, namentlich Menschenrechte werden folgerichtig uneingeschränkt nur den Trägern dieser höchsten Würde, den Muslimen mithin, zuerkannt; die „Universalität“ des islamischen Menschenrechtsverständnisses beschränkt sich hiernach darauf, allen Menschen, auch denen, die noch nicht Muslime sind, ein Angebot zur Annahme des universal gültigen Islam zu verkünden. Wie wenig zudem das islamische Verständnis von der Stellung der Frau in der Gesellschaft mit dem grundgesetzlichen Postulat der Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung harmoniert, verdeutlicht der Koran unmissverständlich selbst, wenn er in seiner vierten Sure (4, 34) ausführt: „Die Männer aber stehen über den Frauen, weil Gott sie (von Natur aus) vor diesen ausgezeichnet hat, und wegen der Ausgaben, die sie von ihrem Vermögen gemacht haben [. . .] Und wenn ihr fürchtet, das (irgendwelche) Frauen sich auflehnen, dann vermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie! Wenn sie euch (daraufhin wieder) gehorchen, dann unternehmt (weiter) nichts gegen sie!“ (Übersetzung nach Ursula Spuler-Stegemann, Muslime in Deutschland. Nebeneinander oder Miteinander, 1998, S. 186). Hieran schließen sich weitreichende Folgen an, weshalb der Frau im Islam etwa nur ein erschwertes Scheidungsrecht (dazu Peter Heine: Ehe, Eheschließung, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 132 ff., hier S. 138) sowie eingeschränktes Erbrecht zugestanden wird (die Töchter etwa erben nur die Hälfte dessen, was ihren Brüdern zukommt) oder – um ein anderes Beispiel zu geben – ihrer Zeugenaussage im Verhältnis zum Mann eine nur untergeordnete Bedeutung zugemessen wird (vgl. Adel Theodor Khoury, Stellung der Frau, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 139 ff., hier S. 141); vor dem Hintergrund dieser muslimischen Grundpostulate haben die islamischen Staaten zahlreiche Vorbehalte zu wichtigen UNVerträgen wie der Kopenhagener Konvention zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau von 1979 eingelegt. Die Folgen der islamischen Ansicht über die Stellung der Frau betreffen schließlich auch die Ehe, für die wiederum die 4. Sure des Korans, an die Männer gewandt, die Erlaubnis bereithält: „So nehmt euch zu Weibern, die euch gut dünken. Zwei oder drei oder vier . . .“.

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung

165

Ist vor diesem Hintergrund einer sich neu in den abendländischen Kulturkreis einfindenden Religion wie etwa dem Islam – und das gilt es zu respektieren – eine Trennung von Staat und Kirche dem Grundsatz nach ebenso fremd wie die Bejahung der Religionsfreiheit und verfassungsstaatlicher Neutralität und Parität, so fragt sich, wie es den Anhängern einer derartigen Religion gleichermaßen möglich wie zumutbar sein soll, diese Fundamentalprinzipien des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts wie auch die übrigen kulturellen Mindestanforderungen der Verfassung nicht nur zu akzeptieren, sondern ihrerseits aktiv und wirkmächtig zu stabilisieren sowie generationenübergreifend zu erneuern: So sehr dies nach kanonischem Recht wie nach evangelischem Verständnis den christlichen Kirchen möglich ist, so wenig dürften die Leitprinzipien des deutschen Staatskirchenrechts den Anhängern einer solchen Religion, namentlich den Muslimen, als nachvollziehbar und stützenswert erscheinen36. Dies verdient Respekt, nicht pseudoelitär-anmaßendes Mitleid, das der Sache nach allzumeist ebenso unverhohlen wie unduldsam und naiv auf die Zwangszüchtung eines „postaufklärerisch liberalisierten Euro-Islam“ abzielt37. Dieser Respekt äußert sich staatskirchenrechtlich in einer uneingeschränkten Anwendung der grundrechtlichen Verbürgungen der Religionsfreiheit sowie in einem institutionellrechtlichen Schutz vor einer zwangsweisen Inanspruchnahme des Islam zum Zwecke der Stärkung einer Kultur, die – jedenfalls auf absehbare Zeit – die seine nicht ist. Hieran ändert auch die Tendenz islamischer Vereinigungen, formale Bekenntnisse zur deutschen Staatsverfassung abzugeben, nichts. Deutlich wird dies am Exempel der im Februar 2002 vom sog. „Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD)“ vorgestellten „Islamischen Charta“38, in der zwar ein Bekenntnis zum Grundgesetz abgelegt und für ein zeitgenössisches Verständnis der islamischen Quellen plädiert, indessen ausdrücklich an der Bewahrung der durch die islamische Rechtsordnung geprägten „islamischen Identität“ festgehalten und damit verdeut36 Zu den Konsequenzen für die Verleihung des Körperschaftsstatus näher Stefan Muckel, Muslimische Gemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: DÖV 1995, S. 311 ff. (316). 37 Formulierung von Josef Isensee, Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (87). – Vorstellungen eines derartigen Euro-Islam bei Claus Leggewie, Auf dem Weg zum Euro-Islam? – Moscheen und Muslime in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von der Herbert-Quandt-Stiftung, 2002, v. a. S. 17 ff. 38 Hierzu Gernot Facius, Zentralrat der Moslems bekennt sich zu Demokratie und Rechtsstaat, in: Die Welt vom 21.2.2002; ders., „Islamische Charta“: Kirche und Politiker bleiben skeptisch, in: Die Welt vom 26.2.2002; vgl. dazu auch Alexandra Petersohn, Der Islam „ante portas“ – Sprengstoff für den Staat des Grundgesetzes? Die Islamische Charta des Zentralrats der Muslime in Deutschland, in: ZRP 2002, S. 521 ff.; Adel Theodor Khoury, Alexander Kraljic und Richard Potz, Stellungnahme zur „Islamischen Charta“ des Zentralrats der Muslime in Deutschland, in: ÖARR 2002, S. 464 ff.; Johannes Kandel, Die Islamische Charta. Fragen und Anmerkungen, 2002.

166

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung licht wird, dass der argumentative Bezugsrahmen auch dieser Charta die oben skizzierte Scharia ist: Auch diese Charta misst dem Grundgesetz lediglich die Bedeutung „lokalen Rechts“ zu, während der Universalitätsanspruch des Islam und seiner Rechtsordnung nicht relativiert, die Verwirklichung der Scharia daher langfristig auch weiterhin angestrebt wird39. Das Beispiel der „Islamischen Charta“ des sog. Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD)“ verdeutlicht vor diesem Hintergrund, dass es im Wesentlichen drei Gründe sind, die gegen eine Relevanz derartiger Proklamationen für den Zugang zu den staatskirchenrechtlichen Einrichtungen sprechen: Erklärungen wie die „Islamische Charta“ enthalten in aller Regel zunächst keine unzweideutige Distanzierung von der Scharia; vielmehr halten sie das Postulat einer „islamischen Identität“ ausdrücklich aufrecht, deren unverzichtbarer, d.h. deren zentraler Kerngehalt die Scharia – wie vorstehend skizziert – ist. Dort, wo derartige Proklamationen dergestalt ausgelegt werden können, dass aufgrund des Bekenntnisses zur grundgesetzlichen Ordnung in Einzelfragen Widersprüche zur Scharia auftreten – etwa hinsichtlich der allgemeinen Religionsfreiheit, aber auch z. B. hinsichtlich der grundrechtlichen Verbürgung der Freiheits- und Gleichheitsrechte für Frauen – bleibt die Auflösung des hieraus resultierenden Dilemmas unaufgeklärt. Vor diesem Hintergrund geht entsprechenden Formalbekenntnissen zur grundgesetzlichen Ordnung von vornherein die erforderliche Eindeutigkeit ab, wodurch die Befürchtung genährt wird, dass derartige Erklärungen bei Lichte betrachtet Ausdruck der islamischen Kunst der „Verstellung im Feindesland (taqiya)“ sind40. Sodann kann – wie oben hervorgehoben41 – einem Bekenntnis zur grundgesetzlichen Ordnung aus der Binnensphäre einer Religionsgemeinschaft grundsätzlich

39 Vgl. die Äußerungen der Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages Christa Nickels (Bündnis90/Die Grünen), zitiert nach Gernot Facius: „Islamische Charta“: Kirche und Politiker bleiben skeptisch, in: Die Welt vom 26.2.2002; gegenläufige, verfehlte Bewertung der Charta: Claus Leggewie, Auf dem Weg zum Euro-Islam? – Moscheen und Muslime in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von der Herbert-Quandt-Stiftung, 2002, S. 17 ff., v. a. (19: „Keine einzige der Forderungen der Islamischen Charta läuft darauf hinaus, in Deutschland etwa die Scharia anzuwenden.“). Zur nur „grundsätzlichen“ Achtung der lokalen Rechtsordnung und der daraus resultierenden „bedeutsamen Einschränkung“ der Loyalität der Charta gegenüber dem Staat des Grundgessetzes vgl. Alexandra Petersohn, Der Islam „ante portas“ – Sprengstoff für den Staat des Grundgesetzes? Die Islamische Charta des Zentralrats der Muslime in Deutschland, in: ZRP 2002, S. 521 ff. (522). 40 Hellsichtige Analyse bei Ursula Spuler-Stegemann: Muslime in Deutschland. Nebeneinander oder Miteinander, 1998, S. 65 ff. sowie 216 ff.: „Das Hauptproblem ist die Doppelbödigkeit. Gegenüber Deutschen und in deutscher Sprache betont man unablässig, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen und den Dialog zu wollen. Gegenüber Türken und in türkischer Sprache überwiegen Hetzparolen gegen die deutsche Demokratie, den Pluralismus und die angeblich „sittlich verrottete“ deutsche Gesellschaft“ (Zitat S. 68). – Aus diesem Befund zieht Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. (545 f.), zu Recht die Konsequenz, dass eine Öffnung des institutionellen Staatskirchenrechts für islamische Organisationen auf absehbare Zeit aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht kommt.

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung

167

nur dann staatskirchenrechtliche Bedeutung zukommen, wenn diesem – wie etwa den kirchenrechtlichen Regelungen der christlichen Kirchen – in der entsprechenden Religionsgemeinschaft eine Rechtskraft zukommt, die die Gläubigen bindet und damit das tatsächliche Verhalten dieser Religionsgemeinschaft und ihrer Mitglieder verbindlich determiniert. Auch hieran fehlt es im exemplarischen Fall der „Islamischen Charta“ des sog. Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD)“ – zum einen, weil eine solche Verbindlichkeit derartiger Erklärungen für die gläubigen Muslime, die sich dadurch unzweideutig und förmlich von der sie strikt bindenden Scharia lossagen müssten, nicht besteht und wohl auch nicht bestehen kann sowie zum anderen, weil im Fall der „Islamischen Charta“ dem sog. „Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD)“ entgegen der durch seine Bezeichnung hervorgerufenen Assoziation allenfalls zwei Prozent der mehr als über drei Millionen in Deutschland lebenden Muslime angehören und dieser daher gar nicht in der Lage ist, entsprechend bindende Erklärungen für alle Muslime abzugeben42; eine nicht geringe Anzahl islamischer Vereinigungen – wie etwa die islamische Gemeinschaft Milli Görüs, deren Intention darin besteht „weltweit die gerechte Ordnung an die Macht zu bringen“43 – lehnen im Übrigen trotz anderslautender Außendarstellung den säkularisierten, pluralistischen Staat entschieden ab44. Schließlich ist für eine staatskirchenrechtliche Relevanz solcher Erklärungen wie der „Islamischen Charta“ vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen nicht nur erforderlich, dass die Grundsätze des Staatskirchenrechts – Trennung von Kirche und Staat, Religionsfreiheit, Neutralität und Parität – notgedrungen formal anerkannt werden; notwendig ist hierfür vielmehr, dass diese Prinzipien durch Religionsgemeinschaften, die derartige Erklärungen abgeben, um in den Genuss der staatskirchenrechtlichen Vergünstigungen zu gelangen, vorbehaltlos und unzweideutig, d.h. ungeteilt und wirkmächtig unterstützt, gestärkt sowie generationenübergreifend vermittelt werden45: Nur diese tatsächliche kulturstabilisierende Wirkung des Verhaltens einer Religionsgemeinschaft rechtfertigt, wie oben ausgeführt46, die Inanspruchnahme konstitutiv-institutioneller Verbürgungen des Staatskirchenrechts. Damit wird deutlich: Das Erfordernis, für die staatskirchenrechtlichen Grundsätze aktiv und ungeteilt einzutreten, fordert auch islamischen Religionsgemeinschaften mehr ab als nur ihre widerstrebende und vorläu-

41

Hierzu oben sub D. II.; vgl. auch die Ausführungen sub D. I. 2. Im Falle des sog. „Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD)“ – die Bezeichnung als „Zentralrat“ ist angesichts der durch diesen repräsentierten Anzahl der Muslime bei Lichte besehen missverständlich und kaum zutreffend – wird die Problematik noch dadurch verschärft, dass eine erhebliche Anzahl seiner rund zwanzig Mitgliedsorganisationen ausdrücklich eine strenge Auslegung der Scharia befürworten, vgl. Gernot Facius, Zentralrat der Moslems bekennt sich zu Demokratie und Rechtsstaat, in: Die Welt vom 21.2.2002 sowie Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. (539). 43 Zitiert nach Ursula Spuler-Stegemann: Muslime in Deutschland. Nebeneinander oder Miteinander, 1998, S. 81. 44 Vgl. hierzu auch Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. (546.). 45 Hierzu oben ausführlich sub D. I. 2. und sub D. II. 46 Näher oben sub D. I. 2. und 3. 42

168

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung fige Hinnahme als „lokales Recht“, dem die Scharia übergeordnet bleibt. Von der Bereitschaft zu einer solchen aktiven Verteidigung und Stärkung der im Abendland für das Verhältnis von Kirche und Staat entwickelten Grundsätze indessen ist in Erklärungen wie der „Islamischen Charta“ des sog. „Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD)“ keine Rede, was vor dem Hintergrund der Bindung gläubiger Muslime an die Scharia nicht zu kritisieren, sondern nachzuvollziehen und zu respektieren ist, zugleich freilich entsprechende staatskirchenrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Die Tendenz einzelner islamischer Vereinigungen, formale, indessen zweideutige Bekenntnisse zur deutschen Staatsverfassung abzugeben, ändert daher auf absehbare Zeit nichts an dem Befund, dass ihnen der Zutritt zu den konstitutiv-institutionellen Verbürgungen des Staatskirchenrechts verschlossen bleibt – und zwar durchaus auch zu ihrem Schutze: Denn mit dem sich solchermaßen aktualisierenden staatskirchenrechtlichen Identitätsvorbehalt schützt das Grundgesetz derartige islamische Gruppierungen davor, staatlicherseits für die Vitalisierung und Perpetuierung einer Kultur in Anspruch genommen zu werden, die ihre nicht ist und auf absehbare Zeit auch nicht sein kann.

Nach alledem erweist sich: Das freiheitsschützende wie freiheitssichernde Staatskirchenrecht des Grundgesetzes bewährt sich in der Herausforderung, in die es durch den Einzug neuer Religionen in das Abendland gestellt ist, durch eine entsprechend umfassende grundrechtliche Gewähr religiöser Freiheit sowie die gleichzeitige freiheitlich-institutionelle Pflege der abendländischen Kulturidentität. Es bewährt sich durch konsequente Anwendung, nicht indessen durch die vielfach erwogene substanzzehrende Anpassung an kulturfremde Religionen, die sich bei Lichte betrachtet als Funktionsauswechslung und demzufolge grundstürzende Umdeutung des Staatskirchenrechts erweist47. In der gebotenen strikten Anwendung – und nur hierin – erhält es sich seine Freiheitlichkeit wie auch seine kulturstützende Kraft und entspricht damit einer Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, das 1995 ausgeführt hat: „Auch ein Staat, der die Glaubensfreiheit umfassend gewährleistet und sich damit selber zur religiösweltanschaulichen Neutralität verpflichtet, kann die kulturell vermittelten und historisch verwurzelten Wertüberzeugungen und Einstellungen nicht abstreifen, auf denen der gesellschaftliche Zusammenhalt beruht und von denen auch die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben abhängt. Der christliche Glaube und die

47 Wie hier Christian Hillgruber, Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff.; Josef Isensee, Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. (84 ff.); im Hinblick auf die spezifische Frage des Körperschaftsstatus vgl. auch Paul Kirchhof: Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: HdbStKirchR, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 22, S. 651 ff. (668 f.; 683); a. A.: Janbernd Oebbecke, Das deutsche Recht und der Islam, in: Sonderheft des Beck-Verlages zum 65. Geburtstag von Hermann Weber, 2001, S. 48 ff.

E. Ausblick: Der Grundkonsens in der Bewährung

169

christlichen Kirchen sind dabei, wie immer man ihr Erbe heute beurteilen mag, von überragender Prägekraft gewesen“48.

48 BVerfGE 93, 1 (22). Josef Isensee, Tabu im freiheitlichen Staat – Jenseits und diesseits der Rationalität des Rechts, S. 100 (Anm. 105), bezeichnet diese Passage als „Trostpflaster-Sentenz“, aus der das Bundesverfassungsgericht die erforderlichen Konsequenzen nicht ziehe. – In der Sache ebenso: Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.), Papst Johannes Paul II, Nachsynodales Apostolisches Scheiben „Ecclesia in Europa“ vom 28. Juni 2003, Nr. 108,2 und 109,2: „Gewiss steht außer Zweifel, dass der christliche Glaube tiefgreifend und maßgebend zu den Fundamenten der europäischen Kultur gehört. Das Christentum hat in der Tat Europa dadurch Gestalt gegeben, dass es ihm einige grundlegende Werte einprägte. Selbst die europäische Moderne, die der Welt das demokratische Ideal und die Menschenrechte gegeben hat, schöpft die eigenen Werte aus seinem christlichen Erbe. Eher als ein geographischer Raum lässt sich Europa als ,ein vorwiegend kultureller und historischer Begriff‘ bestimmen, ,der eine Realität kennzeichnet, die als Kontinent auch dank der einigenden Kraft des Christentums entstanden ist, das es verstanden hat, unterschiedliche Völker und Kulturen in gegenseitiger Ergänzung zusammenzuführen, und das eng mit der gesamten europäischen Kultur verbunden ist‘.“ [. . .] „Um der eigenen Geschichte neuen Schwung zu verleihen, muss es [scil. Europa] ,mit schöpferischer Treue jene grundlegenden Werte anerkennen und zurückgewinnen, zu deren Aneignung das Christentum einen entscheidenden Beitrag geleistet hat und die sich in der Bejahung der transzendenten Würde der menschlichen Person, des Wertes der Vernunft, der Freiheit, der Demokratie, des Rechtsstaates und der Unterscheidung zwischen Politik und Religion zusammenfassen lassen‘.“

Literaturverzeichnis Alberigo, Giuseppe/Magistretti, Franca (Hrsg.): Constitutionis dogmaticae „Lumen gentium“. Synopsis historica, 1975. Albrecht, Alfred: Religionspolitische Aufgaben angesichts der Präsenz des Islam in der Bundesrepublik Deutschland, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 82 ff. – Die Verleihung der Körperschaftsrechte an islamische Vereinigungen, in: KuR 1995, S. 25 ff. Anke, Hans Ulrich: Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge. Zu den Möglichkeiten und Grenzen des staatskirchenrechtlichen Gestaltungsinstruments, 2000. Anschütz, Gerhard: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat, 1912. – Die Religionsfreiheit, in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts, hrsg. von Gerhard Anschütz und Richard Thoma, Bd. II 1932, S. 675 ff. Antes, Peter: Ethik und Politik im Islam, 1982. – Islam und Menschenrechte, in: Die politische Meinung 220 (1985), S. 74 ff. Aquin, Thomas von: In II sententiarum, in: Opera Omnia, hrsg. von Roberto Busa, Bd. 1, 1980, S. 122 ff. Arnold, Franz Xaver: Die Staatslehre des Kardinals Bellarmin. Ein Beitrag zur Rechtsund Staatsphilosophie des konfessionellen Zeitalters, 1934. Assenmacher, Günter: Die Eheverfahren, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 111, S. 1187 ff. Aymans, Winfried/Mörsdorf, Klaus: Kanonisches Recht. Lehrbuch aufgrund des Codex Iuris Canonici, 13. Auflage, Bd. 1, 1991. Badura, Peter: Der Schutz von Religion und Weltanschauung durch das Grundgesetz, Verfassungsfragen zur Existenz und Tätigkeit der „neuen Jugendreligionen“, 1989. – Das Staatskirchenrecht als Gegenstand des Verfassungsrechts. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Bd. 1, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 6, S. 211 ff. – Die Organisations- und Personalhoheit des Mitgliedstaates in der Europäischen Union, in: Fs. f. Ulrich Everling, hrsg. von Ole Due, Marcus Lutter, Jürgen Schwarze, 1995, Bd. I, S. 33 ff. – Das Grundgesetz vor der Frage des religiösen und weltanschaulichen Pluralismus, in: Religion, Recht und Politik, hrsg. von Günter Baadte und Anton Rauscher, 1997, S. 39 ff.

Literaturverzeichnis

171

– Die föderative Verfassung der Europäischen Union, in: Fs. f. Martin Heckel, hrsg. von Karl-Hermann Kästner, Knut Wolfgang Knörr, Klaus Schlaich, 1999, S. 695 ff. – Staatsrecht, 3. Auflage 2003. Balic, Smail: Die innerislamische Diskussion zu Säkularismus, Demokratie und Menschenrechten, in: Der Islam in der Gegenwart, hrsg. von Werne Ende und Udo Steinbach, 4. Auflage 1996, S. 590 ff. Barion, Hans: Artikel „Kirche und Staat (katholische Lehre)“, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von Kurt Galling, Bd. 3, 3. Auflage 1959, Sp. 1336 ff. Barth, Paul: Die Stoa, 6. Auflage 1946. Bartsch, Hans-Werner: Artikel „Freiheit. Altes Testament (I.), Griechisch-hellenistische Antike (II.)“, in: Theologische Realenzyklopädie, hrsg. von Gerhard Krause und Gerhard Müller, Bd. XI, 1983. Bayertz, Kurt: Die Idee der Menschenwürde: Probleme und Paradoxien, in: ARSP 81 (1995), S. 465 ff. Becker, Hans-Jürgen: Artikel „Toleranz“, in: StL, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, 5. Bd., 7. Auflage 1989, Sp. 486 ff. Berman, Harold J.: Recht und Revolution, 1991. Bertrams, Michael: Lehrerin mit Kopftuch? – Islamismus und Menschenbild des Grundgesetzes, in: DVBl. 2003, S. 1225 ff. Bijsterveld, Sophie Ch. van: Die Kirchenerklärung von Amsterdam – Genese und Bedeutung, in: ÖARR 46 (1999), S. 46 ff. Bleckmann, Albert: Die Wahrung der „nationalen Identität“ im Unions-Vertrag, in: JZ 1997, S. 265 ff. Bleicken, Jochen: Artikel „Römische libertas“ in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 430 ff. Blinzler, Josef: Artikel „Staat in der Schrift“, in: Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Auflage hrsg. von Josef Höfer und Karl Rahner, Bd. IX, 1964, Sp. 995 ff. Blumenberg, Hans: Die Legitimität der Neuzeit, 1966. Bock, Wolfgang: Die Religionsfreiheit zwischen Skylla und Charybdis, in: AöR 123. Bd. (1998), S. 444 ff. Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, 1973. – Zum Verhältnis von Kirche und Moderner Welt. Aufriß eines Problems, in: Studien zum Beginn der modernen Welt, hrsg. von Reinhart Koselleck, 1977, S. 154 ff. – Staat – Gesellschaft – Kirche, 1982. – Kirche und modernes Bewusstsein, in: Internationale katholische Zeitschrift „Communio“ 15 (1986), S. 153 ff. – Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff.

172

Literaturverzeichnis

– Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, 2002. Bodin, Jean: Sechs Bücher über den Staat. Les six livres de la république, 1583, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Bernd Wimmer, eingeleitet und herausgegeben von P. C. Mayer-Tasch, Bd. 1 (Buch I–III), 1981. Bogdandy, Armin von: Europäische und nationale Identität: Integration durch Verfassungsrecht?, in: VVDStRL 62 (2003), S. 156 ff. Bohatec, Josef: England und die Geschichte der Menschen- und Bürgerrechte, 1956. Bohl, Elke Dorothea: Der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften. Verleihungsvoraussetzungen und Verfahren, 2001. Bornhak, Otto: Staatskirchliche Anschauungen und Handlungen am Hofe Kaiser Ludwigs des Bayern, 1933. Boumty, Emile: in: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hrsg. von Roman Schnur, 1966, S. 78 ff. Brenner, Michael: Staat und Religion, in: VVDStRL (2000), S. 264 ff. Brunotte, Heinz: Die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ihre Entstehung und ihre Probleme, 1954. Bultmann, Rudolf: Die Bedeutung des Gedankens der Freiheit für die abendländische Kultur, in: ders., Glauben und Verstehen, Bd. 2, 1952, S. 274 ff. – Der Gedanke der Freiheit nach antikem und christlichem Verständnis, in: ders., in: Glauben und Verstehen, Bd. 4, 1965, S. 42 ff. Burckhardt, Jacob: Die Kultur der Renaissance in Italien – Ein Versuch, hrsg. von Walter Rehm, 1960. Buschmann, Arno: (Hrsg.), Kaiser und Reich. Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vom Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806 in Dokumenten, 2. Auflage 1994, Bd. I. und II. Calliess, Christian/Ruffert, Matthias (Hrsg.): Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Auflage 2002. Campenhausen, Axel Frhr. von: Staat und Kirche in Frankreich, 1962. – Neue Religionen im Abendland. Staatskirchenrechtliche Probleme der Muslime, der Jugendsekten und der sogenannten destruktiven religiösen Gruppen, in: ZevKR 25 (1980), S. 135 ff. – Wandel des Staatsverständnisses aus evangelischer Sicht, in: Schriften der Hermann-Ehlers-Akademie 28, 1990, S. 7 ff. – Aktuelle Aspekte der Religionsfreiheit. Neue Religionen im Abendland II, in: ZevKR 37 (1992), S. 405 ff. – Der heutige Verfassungsstaat und die Religion, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, Bd. 1, § 2, S. 47 ff. – Staatskirchenrecht, 3. Auflage 1996.

Literaturverzeichnis

173

– Zur Kruzifix-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: AöR 121 (1996), S. 448 ff. – Religionsfreiheit, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 136, S. 369 ff. – Christentum und Recht, in: Christentum und europäische Kultur. Eine Geschichte und ihre Gegenwart, hrsg. von Peter Antes, 2002, S. 96 ff. Campenhausen, Otto Frhr. von: Die Organisationsstruktur der evangelischen Kirche, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Josph Listl und Dietrich Pirson, 1. Bd., 2. Auflage 1994, § 12, S. 383 ff. Coing, Helmut: Epochen der Rechtsgeschichte in Deutschland, 2. Auflage, 1971. Conring, Hans-Tjabert: Der Islam und das Menschenrecht der Religionsfreiheit, in: KuR 1996, S. 1 ff. Conze, Werner: Artikel „Römische libertas – Freiheit der Philosophen“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 435 f. Czermak, Gerhard: Der Kruzifix-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, seine Ursachen und seine Bedeutung, in: NJW 1995, S. 3348 ff. Dawson, Christopher: Progress and Religion, An historical inquiry, 1929 (repr. 1970). Debus, Anne: Das Verfassungsprinzip der Toleranz unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1999. Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.): Der Religionsunterricht in der Schule. Ein Beschluß der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, 1974. – (Hrsg.): Kongregation für die Glaubenslehre – Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 158), 2002. – (Hrsg.): Nachsynodales Apostolisches Schreiben ECCLESIA IN EUROPA von Papst Johannes Paul II. (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 161), 2003. – (Hrsg.): Erläuterungen zum Dokument der Glaubenskongregation vom 24.1.2002/ 16.1.2003 (Pressemitteilung vom 16. Januar 2003). – (Hrsg.): Christen und Muslime in Deutschland (Arbeitshilfen Nr. 172), 2003. Dickmann, Fritz: Der Westfälische Friede, 5. Auflage 1972. Di Fabio, Udo: Offener Diskurs und geschlossene Systeme. Das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft in argumentations- und systemtheoretischer Perspektive, 1991. Doehring, Karl: Die nationale „Identität“ der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in: Fs. f. Ulrich Everling, hrsg. von Ole Due, Marcus Lutter, Jürgen Schwarze, 1995, Bd. I, S. 263 ff. Dolzer, Rudolf/Vogel, Klaus/Graßhof, Karin (Hrsg.): Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 107. Lfg. September 2003.

174

Literaturverzeichnis

Dombois, Hans: Menschenrechte und moderner Staat, 1948. Döring, Heinrich: Artikel „Kirche – Röm.-kath. Ekklesiologie“, in: Evangelisches Kirchenlexikon, hrsg. von Erwin Fahlbusch, Jan Milic Lochmann, John Mbiti, Jaroslav Pelikan und Lukas Fischer, 2. Bd, 3. Auflage 1989, Sp. 1069 ff. Dreier, Horst (Hrsg.): Grundgesetz. Kommentar, Bd. 1, 1996. – Kanonistik und Konfessionalisierung – Marksteine auf dem Weg zum Staat, in: JZ 2002, S. 1 ff. Dumont, Louis: Individualismus, 1991. Egger, August: Über die Rechtsethik des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 2. Auflage 1950. Elias, Jamal J.: Islam, 2000. Enders, Christoph: Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung. Zur Dogmatik des Art. 1 GG, 1997. Erler, Adalbert: Kirchenrecht, 5. Auflage 1983. Evangelische Kirche in Deutschland (EKD): Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie. Der Staat des Grundgesetzes als Angebot und Aufgabe, 1985. Facius, Gernot: Zentralrat der Moslems bekennt sich zu Demokratie und Rechtsstaat, in: Die Welt vom 21.2.2002. – „Islamische Charta“: Kirche und Politiker bleiben skeptisch, in: Die Welt vom 26.2.2002. – Vatikan: Politischer Pluralismus ist „Selbstverständlichkeit“, in: Die Welt vom 17. Januar 2003. Feine, Hans Erich: Kirchliche Rechtsgeschichte, I. Band, Die katholische Kirche, 5. Auflage 1972. Fikentscher, Wolfgang: Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Bd. IV, 1977. Flückiger, Felix: Geschichte des Naturrechts, 1. Band: Die Geschichte der europäischen Rechtsidee im Altertum und im Frühmittelalter, 1954. Forstner, Martin: Das Menschenrecht der Religionsfreiheit und des Religionswechsels als Problem der islamischen Staaten, in: Kanon X, Kirche und Staat im christlichen Osten, 1991, S. 105 ff. Franke, Jörg: Das Wesen der Frankfurter Grundrechte von 1848/49 im System der Entwicklung der Menschen- und Grundrechte, 1970. Franzen, August/Bäumer, Remigius: Kleine Kirchengeschichte, 5. Auflage 1997. Friesenhahn, Ernst: Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von dems. und Ulrich Scheuner Bd. I, 1. Auflage 1974, § 11, S. 545 ff. Frost, Herbert: Strukturprobleme evangelischer Kirchenverfassung. Rechtsvergleichende Untersuchungen zum Verfassungsrecht der deutschen evangelischen Landeskirchen, 1972.

Literaturverzeichnis

175

Fürstenau, Hermann: Das Grundrecht der Religionsfreiheit nach seiner geschichtlichen Entwicklung und heutigen Geltung in Deutschland, 1891. Gabriel, Karl: Christentum zwischen Tradition und Postmoderne, 1992. Geiger, Rudolf: EUV-EGV, Kommentar, 3. Auflage 2000. Gelder, Hermann Arend Enno van: The two reformations in the 16th century. A study of the religious aspects and consequences of Renaissance and Humanism, 1961. Gerosa, Libero: Die Träger der obersten Leitungsvollmacht, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 27, S. 326 ff. Gierke, Otto von: Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. III, 1881. – Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien, 5. Auflage 1958. Giese, Bernhard: Das Würde-Konzept. Eine normfunktionale Explikation des Begriffes Würde in Art. 1 Abs. 1 GG, 1975. Göbel, Gerald: Das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Codex Iuris Canonici des Jahres 1983, 1993. Göhner, Reinhard: Wertgrundlagen des demokratischen Verfassungsstaates, in: Vertrauen in den Rechtsstaat. Beiträge zur deutschen Einheit im Recht, Festschrift für Walter Remmers, hrsg. von Jürgen Goydke, Dietrich Rauschning, Rainer Robra, Hans-Ludwig-Schreiber, Christian Wulff, 1995, S. 149 ff. Görisch, Christoph: Kirchenasyl und staatliches Recht, 2000. Grabitz, Eberhard/Hilf, Meinhard (Hrsg.): Das Recht der Europäischen Union, Altband I, Stand: 14. Erg.-Lfg. Oktober 1999. Grefen, Jochen: Kirchenasyl im Rechtsstaat, 2001. Grimm, Dieter: Die Staatslehre der katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, in: Civitas 8 (1969), S. 11 ff. Grzeszick, Bernd: Die Kirchenerklärung zur Schlussakte des Vertrages von Amsterdam. Europäischer Text, völkerrechtliche Verbindlichkeit, staatskirchenrechtlicher Inhalt, in: ZevKR 2003, S. 284 ff. Gullo, Peter: Religions- und Ethikunterricht im Kulturstaat, 2003. Gülzow, Henneke: Christentum und Sklaverei in den ersten drei Jahrhunderten, 1969. Günther, Horst: Artikel „Der philosophische Freiheitsbegriff“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 456 ff. Häberle, Peter: Feiertagsgarantien als kulturelle Identitätsmerkmale des Verfassungsrechts, 1987. – Der Sonntag als Verfassungsprinzip, 1988. Hailbronner, Kay/Klein, Eckart/Magiera, Siegfried/Müller-Graff, Peter Christian (Hrsg.): Handkommentar zum Vertrag über die Europäische Union (EUV/EGV), Stand: 7. Lieferung November 1998.

176

Literaturverzeichnis

Halm, Heinz: Der Islam. Geschichte und Gegenwart, 2000. Haltern, Ulrich R.: Europäischer Kulturkampf. Zur Wahrung „nationaler Identität“ im Unions-Vertrag, in: Der Staat 37 (1998), S. 591 ff. Hammer, Walter: Neuere Entwicklungen in der Amtsstellen-Struktur der Evangelischen Kirche in Deutschland, in: ZevKR 29 (1984), S. 91 ff. Heckel, Johannes: Lex Charitatis, 1953. Heckel, Martin: Parität, in: ZRG, 80 Bd., Kan. Abt. 49, 1963, S. 261 ff. – Staat – Kirche – Kunst, Rechtsfragen kirchlicher Kulturdenkmäler, 1968. – Die Kirchen unter dem Grundgesetz, in: VVDStRL 26 (1968), S. 5 ff. – Die religionsrechtliche Parität, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Bd. 1, 1. Auflage, 1974, S. 445 ff. – Säkularisierung. Staatskirchenrechtliche Aspekte einer umstrittenen Kategorie, in: ZRG Kan. Abt. 66 (1980), S. 1 ff. – Die Menschenrechte im Spiegel der reformatorischen Theologie, 1982, S. 29 ff. – Weltlichkeit und Säkularisierung, in: Luther in der Neuzeit, hrsg. von Bernd Moeller, 1983, S. 34 ff. – Luther und das Recht – Zur Rechtstheologie Martin Luthers und ihren Auswirkungen auf Kirche und Reich, in: NJW 1983, S. 2521 ff. – Deutschland im konfessionellen Zeitalter, 1983. – Artikel „Augsburger Religionsfriede“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, 3. Auflage, 1987, Sp. 111 ff. – Artikel „Reformation – Rechtsgeschichtlich“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, 3. Auflage 1987, Bd. II, Sp. 2897 ff. – Artikel „Territorialsystem“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, 3. Auflage 1987, Bd. II, Sp. 3600 ff. – Die staatliche Gerichtsbarkeit in Sachen der Religionsgesellschaften, in: Wege und Verfahren des Verfassungslebens, in: Festschrift für Peter Lerche, hrsg. von Peter Badura und Rupert Scholz, 1993, S. 213 ff. – Das Verhältnis von Kirche und Staat nach evangelischem Verständnis, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Erster Band, 2. Auflage 1994, § 5, S. 157 ff. – Die religionsrechtliche Parität, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 20, S. 589 ff. – Das Gleichbehandlungsgebot im Hinblick auf die Religion, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 21, S. 623 ff.

Literaturverzeichnis

177

– Der Einfluss des christlichen Freiheitsverständnisses auf das staatliche Recht, in: Essener Gespräche 30 (1996), S. 82 ff. – Das Kreuz im öffentlichen Raum. Zum „Kruzifix-Beschluß“ des Bundesverfassungsgerichts, in: DVBl. 1996, S. 453 ff. – Religionsunterricht für Muslime?, in: JZ 1999, S. 741 ff. Heer, Friedrich: Aufgang Europas, 1949. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts, in: Sämtliche Werke, Bd. XII, hrsg. von Johannes Hoffmeister, 4. Auflage 1955. – Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte – Zweite Hälfte, hrsg. von Georg Lasson, 2. Auflage 1923, Nachdruck 1968. Heilfron, Eduard: Die Deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919 in ihrer Arbeit für den Aufbau des neuen deutschen Volksstaates, o. J., Bd. 4. Heine, Peter: Artikel „Staat/Staatslehre“, in: Islam-Lexikon. Geschichte – Ideen – Gestalten, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Ludwig Hagemann, Peter Heine, Bd. 3, 1999, S. 685 ff. – Ehe, Eheschließung, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 132 ff. Heintzen, Markus: Die Kirchen im Recht der Europäischen Union in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 29 ff. Heinzmann, Richard: Artikel „Thomas von Aquin“, in StL, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, 7. Auflage, 5. Bd., 1989, Sp. 465 ff. Heitmann, Steffen: Der Evangelische Kirchenvertrag Sachsen aus der Sicht der Verwaltung, in: LKV 1995, S. 93 ff. – Der Katholische Kirchenvertrag Sachsen, in: NJW 1997, S. 1420 ff. Heron, Alasdair I. C.: Artikel „Kirche – Ref. Ekklesiologie“, in: Evangelisches Kirchenlexikon, hrsg. von Erwin Fahlbusch, Jan Milic Lochmann, John Mbiti, Jaroslav Pelikan und Lukas Fischer, 2. Bd, 3. Auflage 1989, Sp. 1079 ff. Hesse, Konrad: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Bd. 1, 1. Auflage 1974, § 9, S. 409 ff. – Artikel „Kirche und Staat“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, Bd. I, 3. Auflage 1987, Sp. 1546 ff. – Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auflage 1995. Hierold, Alfred E.: Die Systematik des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, in: AfkKR 160 (1991), S. 337 ff. Hildebrandt, Uta: Das Grundrecht auf Religionsunterricht. Eine Untersuchung zum subjektiven Rechtsgehalt des Art. 7 Abs. 3 GG, 2000.

178

Literaturverzeichnis

Hilf, Meinhrad: Europäische Union und nationale Identität der Mitgliedstaaten, in: Gs. f. Eberhard Grabitz, hrsg. von Albrecht Randelzhofer, Rupert Scholz, Dieter Wilke, 1995, S. 157 ff. Hillgruber, Christian: Der deutsche Kulturstaat und der muslimische Kulturimport, in: JZ 1999, S. 538 ff. – Staat und Religion, in: DVBl. 1999, S. 1155 ff. – Der Körperschaftsstatus von Religionsgemeinschaften. Objektives Grundverhältnis oder subjektives Grundrecht, in: NVwZ 2001, S. 1347 ff. Hobbes, Thomas: Libri de cive, in: Opera philosophica quae latine scripsit omnia, hrsg. von William Molesworth, Bd. 2, 1839. – Leviathan. Sive de materia, forma et potestate civitatis ecclesiasticae et civilis, in: Opera philosophica quae latine scripsit omnia, hrsg. von William Molesworth, Bd. 3, 1841. Hofmann, Werner: Bemühungen um die Reform der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland nach 1981, in: ZevKR 29 (1984), S. 83 ff. Hollerbach, Alexander: Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, 1965. – Die Kirchen unter dem Grundgesetz, in: VVDStRL 26 (1968), S. 57 ff. – Die neuere Entwicklung des Konkordatsrechts, in: JöR, N.F., 17 (1969), S. 117 ff. – Neutralität, Pluralismus und Toleranz in der heutigen Verfassung, in: Zum Verhältnis von Staat und Kirche, hrsg. von Joseph Sauer, 1976, S. 9 ff. – Die vertragsrechtlichen Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, Bd. 1, § 7, S. 253 ff. – Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 26.6.1997, JZ 1997, S. 1114–1117, in: JZ 1997, S. 117 ff. – Religion und Kirche im freiheitlichen Verfassungsstaat. Bemerkungen zur Situation des deutschen Staatskirchenrechts im europäischen Kontext, 1998. – Kirchensteuer und Kirchenbeitrag, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 101, S. 1078 ff. – Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 138, S. 471 ff. – Der verfassungsrechtliche Schutz kirchlicher Organisation, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 139, S. 557 ff. – Freiheit kirchlichen Wirkens, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, 2. Auflage 2001, § 140, S. 595 ff. Honecker, Martin: Evangelische Theologie vor dem Staatsproblem, (Vorträge vor der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, G 254), 1981.

Literaturverzeichnis

179

– Der Auftrag der Kirche und die Aufgabe des Staates, in: Essener Gespräche 25 (1991), S. 49 ff. Honecker, Martin/Steiner, Udo: Artikel „Toleranz“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, Bd. 2, 3. Auflage 1987, Sp. 3621 ff. Hood, Francis Campell: The Divine Politics of Thomas Hobbes, 1964. Horstmann, Rolf-Peter: Artikel „Menschenwürde“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Bd. 5, 1980, Sp. 1124 ff. Hoye, William J.: Demokratie und Christentum. Die christliche Verantwortung für demokratische Prinzipien, 1999. Huber, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band I, 2. Auflage Nachdruck 1975. – (Hrsg.), Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, 3. Auflage 1978; Bd. 2, 3. Auflage 1986. Huber, Ernst Rudolf/Huber, Wolfgang: Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. II, 1976. Huber, Wolfgang: Kirche und Öffentlichkeit, 1973. – Artikel „Menschenrechte/Menschenwürde“, in: Theologische Realenzyklopädie, hrsg. von Gerhard Müller, 1992, Band XXII, S. 577 ff. – Artikel „Staat und Kirche – 2. Theologisch“, in: Evangelisches Kirchenlexikon, hrsg. von Erwin Fahlbusch, Jan Milic Lochmann, John Mbiti, Jaroslav Pelikan und Lukas Vischer, 3. Auflage 1996, Bd. 4, Sp. 456 ff. Hübner, Kurt: Das Christentum im Wettstreit der Weltreligionen. Zur Frage der Toleranz, 2003. Hufeld, Ulrich (Hrsg.): Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803, Dokumentation zum Untergang des Alten Reiches, 2003. Huster, Stefan: Körperschaftsstatus unter Loyalitätsvorbehalt?, BVerwG, NJW 1998, S. 2396, in: JuS 1998, S. 117 ff. – Die ethische Neutralität des Staates. Eine liberale Deutung der Verfassung, 2002. Isensee, Josef: Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968. – Demokratischer Rechtsstaat und staatsfreie Ethik, in: Essener Gespräche 11 (1977), S. 92 ff. – Die katholische Kritik an den Menschenrechten. Der liberale Freiheitsentwurf in der Sicht der Päpste des 19. Jahrhunderts, in: Menschenrechte und Menschenwürde. Historische Voraussetzungen – säkulare Gestalt – christliches Verständnis, hrsg. von Ernst-Wolfgang Böckenförde und Robert Spaemann, 1987, S. 138 ff. – Artikel „Staat“, in: StL, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, 7. Auflage 1989, Bd. V, Sp. 134 ff.

180

Literaturverzeichnis

– Verfassungsstaatliche Erwartungen an die Kirche, in: Essener Gespräche 25 (1991), S. 104 ff. – Bildersturm durch Grundrechtsinterpretation, in: ZRP 1996, S. 10 ff. – Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Staatskirchenrechts – gegenwärtige Legitimationsprobleme, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 67 ff. – Rechtsgutachten zur Genehmigungsfähigkeit einer privaten islamischen Grundschule, Typoskript, 2000 (= Private islamische Bekenntnisschulen. Zur Ausnahme vom Verfassungsprinzip der für alle gemeinsamen Grundschule, in: Kirche und Religion im sozialen Rechtsstaat, Fs. f. Wolfgang Rüfner, hrsg. von Stefan Muckel, 2003, S. 355 ff.). – Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. V, 2. Auflage 2000, § 115. – Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 59 (2000), S. 323 ff. – Tabu im freiheitlichen Staat. Jenseits und diesseits der Rationalität des Rechts, 2003. Jacobs, Manfred: Die evangelische Staatslehre, 1971. – Das Verhältnis von Staat und Kirche, in: Zwei Kirchen – Eine Moral?, hrsg. von Oswald Bayer, Heinrich Döring, Antonellus Elsässer, Johannes Gründel, Martin Honecker, Manfred Jacobs, Otto Hermann Pesch, Hans-Richard Reuter, Gregor Siefer, 1986, S. 169 ff. Janz, Norbert/Rademacher, Sonja: Islam und Religionsfreiheit. Die religiöse und weltanschauliche Neutralität des Staates auf dem Prüfstand, in: NVwZ 1999, S. 706 ff. Jeand’Heur, Bernd/Korioth, Stefan: Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000. Jellinek, Georg: Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 3. Auflage 1919; abgedruckt in: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hrsg. von Roman Schnur, 1966, S. 1 ff. – „Antwort an Emile Boumty“, in: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hrsg. von Roman Schnur, 1966, S. 113 ff. Jestaedt, Matthias: Das elterliche Erziehungsrecht im Hinblick auf Religion, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. II, 2. Auflage 1995, § 52, S. 371 ff. – Das Kreuz unter dem Grundgesetz, in: JRP 1995, S. 237 ff. – Grundrechtsschutz vor staatlich aufgedrängter Ansicht. Das Kopftuch der Lehrerin als Exempel, in: Dem Staate, was des Staates ist – der Kirche, was der Kirche ist, Festschrift für Joseph Listl zum 70. Geburtstag, hrsg. von Josef Isensee/Wilhelm Rees/Wolfgang Rüfner, 1999, S. 259 ff. Johanson, Baber: Staat, Recht und Religion im sunnitischen Islam – Können Muslime einen religionsneutralen Staat akzeptieren?, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 12 ff.

Literaturverzeichnis

181

Kalinna, Hermann E. J.: Artikel „Demokratie – II. Theologisch, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, Bd. I, 3. Auflage 1987, Sp. 469 ff. Kämper, Burkhard/Schlagheck, Michael: Zwischen nationaler Identität und europäischer Harmonisierung. Zur Grundspannung des zukünftigen Verhältnisses von Gesellschaft, Staat und Kirche in Europa, 2002. Kandel, Johannes: Die Islamische Charta. Fragen und Anmerkungen, 2002. Kantorowicz, Ernst H.: The King’s two bodies – A Study in Mediaeval Political Theology, 1975. Kästner, Karl-Hermann: Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, 1991. – Der Sonntag und die kirchlichen Feiertage, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. II, 2. Auflage 1995, § 51, S. 337 ff. – Das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, in: AöR 123. Bd. (1998), S. 408 ff. – Hypertrophie des Grundrechts auf Religionsfreiheit?, in: JZ 1998, S. 974 ff. Kaufmann, Franz Xaver: Soziologie des Christentums, in: 2000 Jahre Christentum und europäische Kultur, hrsg. von Erwin Möde, 1999, S. 129 ff. Kern, Fritz: Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1915. Khoury, Adel Theodor: Mensch, Welt, Staat im Islam, 1977. – Toleranz und Religionsfreiheit im Islam (Kirche und Gesellschaft Nr. 216, hrsg. von der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach) 1995, S. 3 ff. – Der Islam, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 13 ff. – Das Gesetz Gottes. Eine koranische Theologie des Gesetzes, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 21 ff. – Das islamische Rechtssystem. Grundlagen und Rechtsschulen, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 37 ff. – Stellung der Frau, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 139 ff. – Abfall vom Glauben im Koran und im Rechtssystem, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 237 ff.

182

Literaturverzeichnis

Khoury, Adel Theodor/Kraljic, Alexander/Potz, Richard: Stellungnahme zur „Islamischen Charta“ des Zentralrats der Muslime in Deutschland, in: ÖARR 2002, S. 464 ff. Kirchhof, Paul: Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 22, S. 651 ff. – Der Staat als Organisationsform politischer Herrschaft und rechtlicher Bindung – Kontinuität und Erneuerung des deutschen Verfassungsstaates in Freiheitlichkeit, Weltoffenheit und demokratischer Solidarität, in: DVBl. 1999, S. 637 ff. Klinger, Elmar: Artikel „Kirche – Katholisch“, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von Hans Dieter Betz, Don S. Browning, Bernd Janowski, Eberhard Jüngel, 4. Auflage 2001, Bd. 4, Sp. 1021 ff. Kobusch, Theo: Die Entdeckung der Person. Metaphysik der Freiheit und modernes Menschenbild, 2. Auflage 1997. Korioth, Stefan: Islamischer Religionsunterricht und Art. 7 III GG – Zu den Voraussetzungen religiöser Vielfalt in den öffentlichen Pflichtschulen, in: NVwZ 1997, S. 1041 ff. – Loyalität im Staatkirchenrecht? Geschriebene und ungeschriebene Voraussetzungen des Körperschaftsstatus nach Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV, in: Rechtstheorie und Rechtsdogmatik im Austausch, Gs. f. Bernd Jeand’Heur, hrsg. von Wilfried Erbguth, Friedrich Müller, Volker Neumann, 1999, S. 221 ff. – Europäische und nationale Identität: Integration durch Verfassungsrecht?, in: VVDStRL 62 (2003), S. 117 ff. Koslowski, Peter: Gesellschaft und Staat, 1982. Krämer, Achim: Toleranz als Rechtsprinzip. Gedanken zu einem ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz, in: ZevKR 29 (1984), S. 113 ff. Krämer, Peter: Religionsfreiheit in der Kirche, Das Recht auf religiöse Freiheit in der kirchlichen Rechtsordnung, 1981. – Die Idee der Menschenrechte und Grundrechte in der katholischen Tradition, in: ÖAKR 37 (1987), S. 229 ff. – Kirchenrecht II. Ortskirche – Gesamtkirche, 1993. Kraus, Dieter (Hrsg.): Evangelische Kirchenverfassungen in Deutschland. Textsammlung mit einer Einführung, 2001. Krawietz, Birgit: Hierarchie der Rechtsquellen im tradierten sunnitischen Islam, 2002. Kriele, Martin: Zur Geschichte der Grund- und Menschenrechte, in: Öffentliches Recht und Politik, Fs. f. Hans Ulrich Scupin, hrsg. von Norbert Achterberg, 1973, S. 187 ff. Krings, Günter: Das Alte Reich am Ende – der Reichsdeputationshauptschluss 1803, in: JZ 2003, S. 173 ff. Krüger, Herbert: Die geistigen Grundlagen des Staates, 2. Auflage 1944. – Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage 1966.

Literaturverzeichnis

183

Kühn, Ulrich: Artikel „ Kirche – Luth. Ekklesiologie“, in: Evangelisches Kirchenlexikon, hrsg. von Erwin Fahlbusch, Jan Milic Lochmann, John Mbiti, Jaroslav Pelikan und Lukas Fischer, 2. Bd, 3. Auflage 1989, Sp. 1075 ff. Kühne, Jörg-Detlev: Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. Auflage 1998. Kühnhardt, Ludger: Die Universalität der Menschenrechte, 2. Auflage 1991. Küng, Hans/Ess, Josef van/Stietencron, Heinrich/Bechert, Heinz: Christentum und Weltreligionen, 1984. Kuss, Otto: Paulus über die staatliche Gewalt, in: ThG 45 (1955), S. 321 ff. Landau, Peter: Die Theorie des Gewohnheitsrechts im katholischen und evangelischen Kirchenrecht des 19. und 20. Jahrhunderts, in: ZRG, Kan. Abt. 77 (1991), S. 156 ff. – Das Gewohnheitsrecht im Staatskirchenrecht, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Bd. 1, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 10, S. 333 ff. – Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und die Religionsfreiheit. Zur Entstehungsgeschichte des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit von Kirchen und Religionsgesellschaften, in: JZ 1995, S. 909 ff. Lecheler, Helmut: Ansätze zu einem „Unions-Kirchen-Recht in der Europäischen Union, in: Freiheit und Eigentum, Fs. f. Walter Leisner, hrsg. von Josef Isensee, Helmut Lecheler, 1999, S. 39 ff. Lecler, Joseph: Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation, 1965, Bd. 1 und 2. – Die Gewissensfreiheit, in: Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit, hrsg. von Heinrich Lutz, 1977, S. 331 ff. Legaz y Lacambra, Luis: Das Recht aus religiöser Perspektive, in: Politische Ordnung und menschliche Existenz, Festgabe für Eric Voegelin, hrsg. von Alois Dempf, Hannah Arendt, Friedrich Engel-Janosi, 1962, S. 343 ff. Leggewie, Claus: Auf dem Weg zum Euro-Islam? – Moscheen und Muslime in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von der Herbert-Quandt-Stiftung, 2002. Lerche, Peter: Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes, 1968. – Verfassungsrechtliche Anmerkungen zur „Kreuz-Entscheidung“, in: Schule ohne Kreuz?, hrsg. von der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach 1995, S. 16 ff. – Achtung der nationalen Identität (Art. F Abs. 1 EUV), in: Fs. f. Helmut Schippel, hrsg. von der Bundesnotarkammer, 1996, S. 919 ff. Liermann, Hans: Deutsches Evangelisches Kirchenrecht, 1933. Lindner, Berend: Körperschaftsstatus für Muslime?, in: ZevKR 2003, S. 178 ff. Link, Christoph: Typen evangelischer Kirchenverfassungen, in: Fs. f. Albert Stein, 1994, S. 87 ff.

184

Literaturverzeichnis

– Staat und Kirche im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses, in: ZevKR 42 (1997), S. 130 ff. – Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte, 2000. Listl, Joseph: Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland, 1971. – Kirche und Staat in der neueren katholischen Kirchenrechtswissenschaft, 1978. – Die Aussagen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 zum Verhältnis von Kirche und Staat, in: Essener Gespräche 19 (1985), S. 9 ff. – Glaubens-, Bekenntnis- und Kirchenfreiheit, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. I, 2. Auflage 1994, § 14, S. 439 ff. – Artikel „Kirche und Staat“, in: LThK, hrsg. von Walter Kasper, 5. Bd., 3. Auflage 1996, Sp. 1498 ff. – Die Rechtsnormen, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 8, S. 102 ff. – Die Lehre der Kirche über das Verhältnis von Kirche und Staat, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 2. Auflage 1999, § 116, S. 1239 ff. Listl, Joseph/Hollerbach, Alexander: Das Verhältnis von Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 2. Auflage 1999, § 118, S. 1268 ff. Locke, John: Two Treatises of Civil Government, in: The Works in ten volumes, printed for J. Johnson, G.G. and J. Robinson a.o., Bd. V, 1801. Lohff, Wenzel/Staedtker, Joachim/Esser, Hans Helmut: Artikel „Staat – Theologisch, I. Evangelisch“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, Bd. II, 3. Auflage 1987. Loschelder, Wolfgang: Der Islam und die religionsrechtliche Ordnung des Grundgesetzes, in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 149 ff. Löwith, Karl: Weltgeschichte und Heilsgeschehen, 8. Auflage 1990. Luf, Gerhard: Glaubensfreiheit und Glaubensbekenntnis, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage 1999, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, § 67, S. 700 ff. Luther, Martin: An den christlichen Adel deutscher Nation. Von des christlichen Standes Besserung, in: Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. 6, 1888, S. 381 ff. – De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium, in: Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. 6, 1888, S. 484 ff. – Von der Freiheit eines Christenmenschen, in: Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. 7, Weimar 1897, S. 12 ff. – Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben, in: Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. 18, 1908, S. 279 ff.

Literaturverzeichnis

185

Maier, Hans: Das Leben der politischen Gemeinschaft, in: Johann Christoph Hampe (Hrsg.), Die Autorität der Freiheit. Gegenwart des Konzils und Zukunft der Kirche im ökumenischen Disput, Bd. 3, 1967, S. 451 ff. – Dienste der Kirche am Staat. Entwurf einer Typologie, in: Essener Gespräche 25 (1991), S. 5 ff. – Was war Säkularisation und wie lief sie ab? – Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und die Folgen, in: Essener Gespräche 38 (im Erscheinen begriffen). Mangoldt, Hermann von/Klein, Friedrich/Starck, Christian (Hrsg.): Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 4. Auflage 1999. Marmy, Emil (Hrsg.): Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau. Dokumente, 1945. Marré, Heiner: Die Kirchenfinanzierung in Kirche und Staat der Gegenwart. Die Kirchensteuer im internationalen Umfeld kirchlicher Abgabensysteme und im heutigen Sozial- und Kulturstaat Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage 1991. – Das kirchliche Besteuerungsrecht, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Bd. 1, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 1994, § 37, S. 1101 ff. – Der Islam in Deutschland – Historische, politische und rechtliche Überlegungen zu einem komplexen Thema, in: Kirche und Religion im sozialen Rechtsstaat, Festschrift für Wolfgang Rüfner zum 70. Geburtstag, hrsg. von Stefan Muckel, 2003, S. 553 ff. Matz, Ulrich: Zum Einfluß des Christentums auf das politische Denken der Neuzeit, in: Geschichte der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Bewegungen in Deutschland, hrsg. von Günter Rüther, 1984, S. 27 ff. Maunz, Theodor: Die religiöse Neutralität des Staates, in: AfkKR 139 (1970), S. 427 ff. Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz (Stand: 42. Erg.-Lfg. Feburar 2003). Maurer, Hartmut: Die verfassungsrechtliche Grundlage des Religionsunterrichts, in: Verfassung, Theorie und Praxis des Sozialstaats, Fs. f. Hans F. Zacher, hrsg. von Franz Ruland, Bernd Baron von Maydell, Hans-Jürgen Papier, 1998, S. 577 ff. (582 f.). May, Georg: Das Kirchenamt, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 13, S. 175 ff. – Die Hochschulen, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 71, S. 749 ff. May, Gerhard: Artikel „Christliche Freiheit“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 436 ff. Mayer, Cornelius: Artikel „Augustinus“, in: StL, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, 7. Auflage, 1985, Bd. I, Sp. 403 ff. McIlwain, Charles H.: The Growth of Political Thought in the West, 1932 (9. Abdruck 1955).

186

Literaturverzeichnis

Meier, Christian: Artikel „Freiheit – Antike Grundlage – Die griechische Polis“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, 1975, S. 426 ff. Messner, Johannes: Die Idee der Menschenwürde im Rechtsstaat der pluralistischen Gesellschaft, in: Menschenwürde und freiheitliche Rechtsordnung, Fs. f. Willi Geiger, hrsg. von Gerhard Leibholz, Hans Joachim Faller, Paul Mikat, Hans Reis, 1974, S. 221 ff. Mikat, Paul: Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: ders., Religionsrechtliche Schriften, hrsg. von Joseph Listl, 1. Halbband, 1974, S. 29 ff. – Kirche und Staat in nachkonziliarer Sicht, in: Religionsrechtliche Schriften, hrsg. von Joseph Listl, 1. Halbband, 1974, S. 217 ff. – Kirche und Staat, in: ders., Religionsrechtliche Schriften, hrsg. von Joseph Listl, 1. Halbband, 1974, S. 265 ff. – Konkordat, in: ders., Religionsrechtliche Schriften, hrsg. von Joseph Listl, 1. Halbband, 1974, S. 445 ff. – Vorwort, in: Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, hrsg. von Paul Mikat, 1980, S. VII ff. – in: Essener Gespräche 20 (1986), S. 64 (Diskussionsbeitrag). – Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der katholischen Kirche, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 2. Auflage 1994, Bd. I, § 4, S. 111 ff. – Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Benda, Werner Maihofer, HansJochen Vogel, 2. Auflage 1994, § 29, S. 1425 ff. – Die päpstlichen Gesandten, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 33, S. 386 ff. Milton, John: Aeropagitica. A Speech of Mr. John Milton for the Liberty on Unlicenc’d Printing to the parliament, 1644, in: Frank Allen Patterson (General Editor), The Works of John Milton, vol. 4, 1931. Mirandola, Pico della: De hominis dignitate, in: De hominis dignitate – Heptaplus – De ente et uno, Scritti vari, ed. Eugenio Garin, 1942, S. 101 ff. Mirbt, Carl: Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus, 5. Auflage 1934. Mirbt, Hermann: Art. 135 und 136. Glaubens- und Gewissensfreiheit, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, hrsg. von Hans Carl Nipperdey, Bd. II, 1930, S. 319 ff. Mirgeler, Albert: Rückblick auf das abendländische Christentum, 1961. Mörsdorf, Klaus: Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, 11. Auflage Bd. 1, 1964. Muckel, Stefan: Muslimische Gemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: DÖV 1995, S. 311 ff.

Literaturverzeichnis

187

– Überkreuz mit dem Kreuz, in: KuR 1996, S. 65 ff. – Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung. Die verfassungsrechtlichen Garantien religiöser Freiheit unter veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen, 1997. – Religionsfreiheit für Muslime in Deutschland, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist, Fs. f. Joseph Listl, hrsg. von Josef Isensee, Wilhelm Rees und Wolfgang Rüfner, 1999, S. 239 ff. – Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts. Zur aktuellen Diskussion um die Verleihung der Körperschaftsrechte, in: Der Staat Bd. 38 (1999), S. 569 ff. – Der Islam unter dem Grundgesetz. Muslime in einer christlich vorgeprägten Rechtsordnung, 2000. – Auf dem Weg zu einem grundrechtlich geprägten Staatskirchenrecht? Anmerkungen zum Zeugen-Jehovas-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in: Stimmen der Zeit 219 (2001), S. 463 ff. – Islamischer Religionsunterricht und Islamkunde an öffentlichen Schulen in Deutschland, in: JZ 2001, S. 58 ff. Mückl, Stefan: Staatskirchenrechtliche Regelungen zum Religionsunterricht, in: AöR 122 (1997), S. 513 ff. – Religionsfreiheit und Sonderstatusverhältnisse – Kopftuchverbot für Lehrerinnen, in: Der Staat 40 (2001), S. 96 ff. – Religions- und Weltanschauungsfreiheit im Europarecht, 2002. – Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Wendemarke der deutschen Verfassungsgeschichte für den deutschen Südwesten, in: VBlBW 2003, S. 144 ff. – Säkularisation und Säkularisierung 1803–2003. Tagungsbericht über das 38. Essener Gespräch am 17. und 18. März 2003, in: JZ 2003, S. 461 ff. Müller, Markus H.: Rechtsprobleme beim „Kirchenasyl“, 1999. Nagel, Tilman: Das islamische Recht. Eine Einführung, 2001. Nestle, Dieter: Eleutheria. Studien zum Wesen der Freiheit bei den Griechen und im Neuen Testament, Teil 1: Die Griechen, 1967. – Artikel „Freiheit“, in: Reallexikon für Antike und Christentum, hrsg. von Theodor Klausner, Bd. 8, 1972, Sp. 269 ff. Nienhaus, Volker: Islam und Staatlichkeit. Zur Vereinbarkeit von Religion, Demokratie und Marktwirtschaft, in: Internationale Politik 2002, S. 11 ff. Nowak, Kurt: Geschichte des Christentums in Deutschland – Religion, Politik und Gesellschaft vom Ende der Aufklärung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, 1995. Ockenfels, Wolfgang/Kettern, Bernd (Hrsg.), Streitfall Kirchensteuer, 1993. Oebbecke, Janbernd: Das deutsche Recht und der Islam, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Peter Heine, Janbernd Oebbecke, 2000, S. 287 ff.

188

Literaturverzeichnis

– Das deutsche Recht und der Islam, in: Sonderheft des Beck-Verlages zum 65. Geburtstag von Hermann Weber, 2001, S. 48 ff. Oestreich, Gerhard: Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß, 2. Auflage, 1978. Oppermann, Thomas: Europarecht, 2. Auflage 1999. Ottow, Mutius Aloisius: Die Grundrechte des deutschen Volkes nebst den Entwürfen zu dem Gesetze und Hinweisungen auf andere Verfassungen, 1849. Oumlil, Ali: Islam et Etat National, 1999. Pannenberg, Wolfhart: Christliche Wurzeln des Gedankens der Menschenwürde, in: Menschenrecht und kulturelle Identität, hrsg. von W. Kerber, 1991. – Grundlage der Ethik. Philosophisch-theologische Perspektiven, 1996. Paulus, Nikolaus: Religionsfreiheit und Augsburger Religionsfriede, in: Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit, hrsg. von Heinrich Lutz, 1977, S. 17 ff. Petersohn, Alexandra: Islamisches Menschenrechtsverständnis unter Berücksichtigung der Vorbehalte muslimischer Staaten zu den UN-Menschenrechtsverträgen, 1999. – Der Islam „ante portas“ – Sprengstoff für den Staat des Grundgesetzes? Die Islamische Charta des Zentralrats der Muslime in Deutschland, in: ZRP 2002, S. 521 ff. Pirson, Dietrich: Kirchliches Verfassungsrecht, Eigenart und notwendiger Inhalt, in: ZevKR 45 (2000), S. 89 ff. Pohlenz, Max: Griechische Freiheit. Wesen und Werden eines Lebensideals, 1955. Pöschl, Viktor: Artikel „Würde im antiken Rom“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 7, 1992, S. 637 ff. Pototschnig, Franz: Rechtspersönlichkeit und rechtserhebliches Geschehen, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 10, S. 136 ff. – Das Bildungswesen, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 69, S. 721 ff. Potz, Richard: Der Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 2. Auflage 1999, § 6, S. 77 ff. – Der Erwerb von Kirchenvermögen, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 100, S. 1068 ff. – Europas Seele? – Kirchen und Religionsgemeinschaften im europäischen Einigungsprozess, in: ÖARR 46 (1999), S. 6 ff. Pree, Helmuth: Die Ausübung der Leitungsvollmacht, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 12, S. 156 ff.

Literaturverzeichnis

189

– Grundfragen kirchlichen Vermögensrechts, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 99, S. 1041 ff. Punt, Jozef: Die Idee der Menschenrechte, 1987. Püttner, Günter: Toleranz als Verfassungsprinzip, 1977. Puza, Richard: Die Verwaltung des Kirchenvermögens, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 102, S. 1093 ff. – Rechtsgeschäfte über das Kirchenvermögen, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 103, S. 1103 ff. Quaritsch, Helmut: Kirchen und Staat. Verfassungs- und staatstheoretische Probleme der staatskirchenrechtlichen Lehre der Gegenwart, in: Der Staat 1 (1962), S. 195 ff. Raddatz, Hans-Peter: Der Kalifstaat ist nur die Spitze des Eisbergs, Interview, in: Die Welt vom 12. Dezember 2003. Rahner, Hugo: Kirche und Staat im frühen Christentum. Dokumente aus acht Jahrhunderten, 1961. Ranke, Leopold von: Französische Geschichte, vornehmlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, Band I, in: Sämtliche Werke, 1868. – Die Idee der Volkssouveränität in den Schriften der Jesuiten, in: Abhandlungen und Versuche, Erste Sammlung, 2. Auflage 1877. Rausch, Heinz: Marsilius von Padua, in: Klassiker des politischen Denkens, hrsg. von Hans Maier, Heinz Rausch, Horst Denzer, 6. Auflage 1986, S. 150 ff. Rees, Wilhelm: Der Religionsunterricht, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 70, S. 734 ff. – Grundfragen des kirchlichen Strafrechts, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 105, S. 1117 ff. – Die einzelnen Straftaten, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 107, S. 1138 ff. – Straftat und Strafe, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 161, S. 1125 ff. Reiners, Heinrich: Die klassische islamische Staatsidee, ihre moderne Interpretation und ihre Verwirklichung in den Verfassungsordnungen muslimischer Staaten, 1968. Renck, Ludwig: Zum rechtlichen Gehalt der Kruzifix-Debatte, in: ZRP 1996, S. 16 ff. Riezler, Siegmund: Die literarischen Widersacher der Päpste zur Zeit Ludwig des Baiers, 1874. Ritter, Gerhard: Deutsche und westeuropäische Geistesart im Spiegel der neuen Kirchengeschichte, in: Weltwirkung der Reformation, 2. Auflage 1959.

190

Literaturverzeichnis

Robbers, Gerhard: Die Fortentwicklung des Europarechts und seine Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, in: Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 ff. – Europarecht und Kirchen, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Joseph Listl und Dietrich Pirson, Bd. 1, 2. Auflage 1994, § 9, S. 315 ff. – Europa und die Kirchen. Die Kirchenerklärung von Amsterdam, in: Stimmen der Zeit 1998, S. 147 ff. – Sinn und Zweck des Körperschaftsstatus im Staatskirchenrecht, in: Karl-Hermann Kästner/Knut-Wolfgang Nörr/Klaus Schlaich (Hrsg.), Festschrift für Martin Heckel zum siebzigsten Geburtstag, 1999, S. 411 ff. – Staat und Religion, in: VVDStRL 59 (2000), S. 231 ff. Romanus, Aegidius: De Ecclesiastica Potestate (1302), hrsg. von Richard Scholz, 1929 (Neudruck 1961). Roos, Lothar: Wahre und falsche „Laizität“. Zur „politischen Note“ Roms, in: Die Neue Ordnung 2003, S. 223 ff. Rosenstock-Huessy, Eugen: Die europäischen Revolutionen und der Charakter der Nationen, 2. Auflage 1951. Roske, Rudolf: Die Entwicklung der Grundrechte des deutschen Volkes vom Jahre 1848 und des Titels II der preußischen Verfassung „von den Rechten der Preußen“ unter besonderer Berücksichtigung ihres gegenseitigen Verhältnisses, 1910. Russell, Bertrand: Philosophie des Abendlandes. Ihr Zusammenhang mit der politischen und der sozialen Entwicklung, 9. Auflage 2000. Sachs, Michael (Hrsg.): Grundgesetz. Kommentar, 3. Auflage 2003. Schacht, Joseph: An Introduction to Islamic Law, 1964. Schallenberg, Peter: Säkularisation und Säkularisierung, 1803–2003–Christentum unter den Bedingungen der Postmoderne, in: Die Neue Ordnung 2003, S. 295 ff. Scheffczyk, Leo: Die Frage nach der Gottesebenbildlichkeit in der modernen Theologie, in: ders., Der Mensch als Bild Gottes, 1969, S. IX ff. (XXVIII). Scheuner, Ulrich: Kirche und Staat in der neueren deutschen Entwicklung, in: ZevKR 7 (1959/60), S. 225 ff. – Die Religionsfreiheit im Grundgesetz, in: DÖV 1967, S. 585 ff. – Das System der Beziehungen von Staat und Kirche im Grundgesetz. Zur Entwicklung des Staatskirchenrechts, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Bd. I, 1. Auflage 1974, § 1, S. 5 ff. Schlaich, Klaus: Der rationale Territorialismus. Die Kirche unter dem staatsrechtlichen Absolutismus um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert, in: ZRG 85 Kan. Abt. 54, 1968, S. 269 ff. – Zur weltanschaulichen und konfessionellen Neutralität des Staates., Eine staatsrechtliche Problemskizze, in: Essener Gespräche 4 (1970), S. 9 ff.

Literaturverzeichnis

191

– Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972. Schlaich, Klaus/Grundmann, Siegfried: Artikel „Evangelisches Kirchenrecht“, in: EvStL, hrsg. von Roman Herzog, Hermann Kunst, Klaus Schlaich, Wilhelm Schneemelcher, Bd. 1, 3. Auflage 1987, Sp. 1654 ff. Schmitt, Carl: Neutralität und Neutralisierungen, in: ders., Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles, 1940, S. 271 ff. – Das Zeitalter der Neutralisierungen und Entpolitisierungen, in: ders., Der Begriff des Politischen, 1963, S. 89 ff. – Die vollendete Reformation, Bemerkungen und Hinweise zu neuen Leviathan-Interpretationen, in: Der Staat 4 (1965), S. 51 ff. – Der Hüter der Verfassung, 2. Auflage 1969. – Verfassungslehre, 8. Auflage 1993. Schmitt Glaeser, Alexander: Grundgesetz und Europarecht als Elemente Europäischen Verfassungsrechts, 1996. Schmitz, Heribert: Der Codex Iuris Canonici von 1983, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 2. Auflage 1999, § 5, S. 49 ff. – Der Diözesanbischof, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 38, S. 425 ff. Schmoeckel, Reinhard: Der Religionsunterricht. Die rechtliche Regelung nach Grundgesetz und Landesgesetzgebung, 1964. Schnizer, Helmut: Kanonisches Recht und Theorie der juristischen Person?, in: ÖAKR 36 (1986), S. 323 ff. – Rechtssubjektivität und Konkordat, in: 60 Jahre Österreichisches Konkordat, hrsg. von Hans Paarhammer, Franz Pototschnig und Alfred Rinnerthaler, 1994, S. 485 ff. – Allgemeine Fragen des kirchlichen Vereinsrechts, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 55, S. 563 ff. Schnur, Roman: Die französischen Juristen im konfessionellen Bürgerkrieg des 16. Jahrhunderts, 1962. Scholz, Rupert: Ist die Partnerschaft am Ende?, in: Rechtswissenschaftliches Kolloquium Kirche und Staat zu Ehren von G. Flor, 1985, S. 35 ff. – Staat und Kirche – Chancen für eine neue Partnerschaft?, in: Walter Bernhardt/ Gottfried Mehnert (Hrsg.), Glaube und Politik (Bad Bramstedter Gespräche 1985– 1986), 1987, S. 63 ff. – Der Auftrag der Kirchen im Prozeß der deutschen Einheit, in: Essener Gespräche 26 (1992), S. 7 ff. – Deshalb ist die Kruzifix-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes verfehlt, in: Die Welt vom 13.8.1995; erneut abgedruckt, in: Heinrich Basilius Streithofen, Das Kruzifixurteil – Deutschland vor einem neuen Kulturkampf?, 1995, S. 341 f.

192

Literaturverzeichnis

Schöps, Lothar: Neue Konkordate und konkordatäre Vereinbarungen, 1970. Schroeder, Klaus-Peter: Des Alten Reiches langer Schatten – 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluss, in: NJW 2003, S. 630 ff. Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person, 1968. Schwendenwein, Hugo: Der Papst, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 28, S. 331 ff. Sen, Faruk/Aydin, Hayrettin: Islam in Deutschland, 2002. Simon, Helmut: Das Verhältnis von Kirche und Staat nach der Lehre der evangelischen Kirche, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Friesenhahn und Ulrich Scheuner, Erster Band, Erste Auflage 1974, § 4, S. 189 ff. Simon, Matthias: Der Augsburger Religionsfriede, 1955. Smend, Rudolf: Verfassung und Verfassungsrecht, 1928. Smolin, Heribert: Artikel „Menschenwürde“, in: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Auflage hrsg. von Walter Kasper, 7. Bd., 1998, Sp. 132 ff. Solte, Ernst Lüder: Theologie an der Universität, Staats- und kirchenrechtliche Probleme der theologischen Fakultäten, 1971. Spaemann, Robert: Der gefährliche Irrtum des ethischen Relativismus, in: L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, 7. Februar 2003, Nr. 6, Seite 12. Spieker, Manfred: Christentum und freiheitlicher Staat, in: Communio, 24 (1995), S. 311 ff. Spuler-Stegemann, Ursula: Muslime in Deutschland. Nebeneinander oder Miteinander, 1998. Stadelmann, Rudolf: Vom Geist des ausgehenden Mittelalters. Studien zur Geschichte der Weltanschauung von Nicolaus Cusanus bis Sebastian Franck, 1929. Staff, Ilse: Lehre vom Staat, 1981. Starck, Christian: Der demokratische Verfassungsstaat, 1995, S. 186 ff. – Die Bedeutung des Christentums und der Kirchen für die Europäische Union, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 ff. Stein, Albert: Evangelisches Kirchenrecht, 3. Auflage 1992. Stein, Peter/Shand, John: Legal Values in Western Society, 1974. Steinbach, Udo: Die Stellung des Islams und des islamischen Rechts in ausgewählten Staaten. Einleitung: Vom islamisch-westlichen Kompromiß zum Islamismus, in: Der Islam in der Gegenwart, hrsg. von Werner Ende und Udo Steinbach, 4. Auflage 1996, S. 213 ff. Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988. – Kulturelle Werte im deutschen Verfassungsrecht, in: Fs. für Martin Heckel zum 70. Geburtstag, hrsg. von Karl-Hermann Kästner, Knut Wolfgang Nörr, Klaus Schlaich, 1999, S. 857 ff.

Literaturverzeichnis

193

Stotz, Rüdiger: Europa und die Kirchen, in: EuZW 1998, S. 737. – Die Bedeutung der Erklärung zum Status der Kirchen im Amsterdamer Vertrag, in: ÖARR 46 (1999), S. 64 ff. Stourzh, Gerald: Die Konstitutionalisierung der Individualrechte, in: JZ 1976, S. 397 ff. Strathmann, Hermann: Artikel „Polis“, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, hrsg. von Gerhard Friedrich, Bd. 6, 1959, S. 516 ff. Strätz, Hans-Wolfgang: Artikel „Säkularisation, Säkularisierung – Der kanonistische und staatskirchenrechtliche Begriff“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 5, 1984, S. 792 ff. Strauss, Herbert Arthur: Staat, Bürger, Mensch – Die Debatten der deutschen Nationalversammlung 1848/49 über die Grundrechte, 1947 Streinz, Rudolf (Hrsg.): EUV/EGV, Kommentar, 2003. Stumpf, Christoph A.: Die Freiheit des Religionswechsels als Herausforderung für das religiöse Recht des Islam und des Christentums, in; ZevKR 48 (2003), S. 129 ff. Stutz, Ulrich: Der Geist des Codex Iuris Canonici, 1918 (Neudruck 1961). – Die päpstliche Diplomatie unter Leo XIII. nach den Denkwürdigkeiten des Kardinals Domenico Ferrata, Einzelausgabe aus Abhandlungen der preußischen Akademie der Wissenschaften, Jg. 1925, Phil.-hist. Klasse, Nr. 3/4, 1926. Tellenbach, Gerd: Libertas. Kirche und Weltordnung im Zeitalter des Investiturstreites, 1936. – Irdischer Stand und Heilserwartung im Denken des Mittelalters, in: Fs. Hermann Heimpel, hrsg. von den Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Band 2, 1971, S. 1 ff. Theimer, Walter: Geschichte der politischen Ideen, 1955. Thielicke, Helmut: Was heißt Freiheit?, 1961. Thüsing, Gregor: Kirchenautonomie und Staatsloyalität – Inhalt und mögliche Konsequenzen von BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1997 („Zeugen Jehovas“), in: DÖV 1998, S. 25 ff. Tibi, Bassam: Fundamentalismus im Islam. Eine Gefahr für den Weltfrieden?, 2000. Tillmanns, Reiner: Zur Verleihung des Körperschaftsstatus an Religionsgemeinschaften, in: DÖV 1999, S. 441 ff. – (Hrsg.): Staatskirchenverträge im Freistaat Sachsen. Die Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche nach der Wiedervereinigung durch kodifikatorische Verträge, 2001. Tischleder, Peter: Ursprung und Träger der Staatsgewalt nach der Lehre des hl. Thomas, 1923. – Die Staatslehre Leo XIII., 1925. Troeltsch, Ernst: Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen (1912), in: ders., Gesammelte Schriften, 1. Band, 3. Auflage 1923.

194

Literaturverzeichnis

Uhle, Arnd: Die Verfassungsgarantie des Religionsunterrichts und ihre territoriale Reichweite – Ein Beitrag zum Verhältnis von Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG zu Art. 141 GG, in: DÖV 1997, S. 409 ff. – Das brandenburgische Lehrfach „Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde“. Ein Angriff auf das Wirken der Kirche in der Welt, in: Stefan Rehder und Matthias Wolff (Hrsg.), Abschied vom Himmel. Im Spannungsfeld von Kirche und Welt, 1999, S. 259 ff. – Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004. Ullmann, Walter: Individuum und Gesellschaft im Mittelalter, 1974. Vachek, Marcel: Das Religionsrecht der Europäischen Union im Spannungsfeld zwischen mitgliedstaatlichen Kompetenzreservaten und Art. 9 EMRK, 2000. Verdross, Albert: Die Würde des Menschen und ihr völkerrechtlicher Schutz, 1975. Vitzthum, Wolfgang Graf: Die Identität Europas, in: Europarecht 2002, S. 1 ff. Vulpius, Axel: Der Evangelische Kirchenvertrag Sachsen-Anhalt aus der Sicht der Verwaltung, in: LKV 1994, S. 277 f. – Verträge mit der Jüdischen Gemeinschaft in den neuen Ländern, in: NVwZ 1996, S. 759 ff. Wall, Heinrich de: Das Grundrecht auf Religionsunterricht: Zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden gegen das Brandenburgische Schulgesetz, in: NVwZ 1997, S. 465 ff. – Europäisches Staatskirchenrecht in ZevKR 45 (2000), S. 157 ff. – Die Fortwirkung der Säkularisation im heutigen Staatskirchenrecht, in: Essener Gespräche 38 (im Erscheinen begriffen). Warnach, W.: Artikel „Freiheit“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter, Bd. 2, 1972, Sp. 1064 ff. Weber, Hermann: Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts im System des Grundgesetzes, 1966. – Artikel „Staat und Kirche – 1. Juristisch“ in: Evangelisches Kirchenlexikon, hrsg. von Erwin Fahlbusch, Jan Milic Lochmann, John Mbiti, Jaroslav Pelikan und Lukas Vischer, 3. Auflage 1996, Bd. 4, Sp. 449 ff. – Die Religionsfreiheit im nationalen und internationalen Verständnis, in: ZevKR 45 (2000), S. 109 ff. Weber, Wilhelm: Die moderne Freiheitsgeschichte als Geschichte der Differenzierung der europäischen Gesellschaft, in: Lothar Bossle (Hrsg.), Freiheit und christliche Soziallehre, 1977, S. 43 ff. Weigand, Rudolf: Die Ausbildung und Fortbildung der Kleriker, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage hrsg. von Joseph Listl und Heribert Schmitz, 1999, § 24, S. 293 ff. Welzel, Hans: Naturrecht und materielle Gerechtigkeit, 4. Auflage 1962.

Literaturverzeichnis

195

Wenz, Gunter: Artikel „Kirche – VIII. Systematisch-theologisch“, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von Hans Dieter Betz, Don S. Browning, Bernd Janowski, Eberhard Jüngel, 4. Auflage 2001, Bd. 4, Sp. 1015 ff. Wertenbruch, Wilhelm: Grundgesetz und Menschenwürde, 1958. Wickert, Lothar: Der Prinzipat und die Freiheit, 1949. Willms, Heinrich: Von der Vermessung des Leviathan. Aspekte neuerer Hobbes-Literatur, in: Der Staat 6 (1967), S. 75 ff., 220 ff. Winter, Jörg: Das Verhältnis von Staat und Kirche als Ausdruck der kulturellen Identität der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in: Verfassung – Philosophie – Kirche, Fs. f. Alexander Hollerbach, hrsg. von Joachim Bohnert, Christof Gramm, Urs Kindhäuser, Joachim Lege, Alfred Rinken, Gerhard Robbers, 2001, S. 893 ff. – Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung mit kirchenrechtlichen Exkursen, 2001. Wolf, Ernst: Libertas christiana und libertas ecclesiae, in: Evangelische Theologie 9 (1949/50), S. 13 ff. (136). – Die Freiheit und Würde des Menschen, in: Recht, Staat, Wirtschaft, Bd. IV, 1953, S. 27 ff. – Artikel „Freiheit II: Kirchengeschichtlich“, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, hrsg. von Kurt Galling, 3. Auflage, Band 2, 1958, Sp. 1104 ff. Wolzendorff, Kurt: Staatsrecht und Naturrecht in der Lehre vom Widerstandsrecht des Volkes gegen rechtswidrige Ausübung der Staatsgewalt, 1916. Zabel, Hermann: Artikel „Säkularisation, Säkularisierung – Der geschichtsphilosophische Begriff“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 5, 1984, S. 809 ff. Zimmermann, Albert: Zur Herkunft der Idee der Menschenwürde, in: Aufklärung durch Tradition. Symposion der Josef Pieper Stiftung, hrsg. von Hermann Fechtrup, Friedbert Schulze, Thomas Sternberg, 1995, S. 73 ff. Zippelius, Reinhold: Staat und Kirche. Eine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 1997.

Personen- und Sachwortverzeichnis Achtung der „nationalen Identität“ 150 ff. „Agreements of the people“ 112 f. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 24 Ambrosius 70 Ämterhoheit, kirchliche 20 f., 39, 43 Anastasius siehe Kaiser Anastasius Anschütz, Gerhard 106 Aquin, Thomas von 73 f., 100, 102 f. Aristoteles 94 Augustinus 70, 100 Augsburger Religionsfriede 78, 81, 106 ff., 120 f., 124 – und Auswanderungsklausel 107 – und Religionsfreiheit 106 ff. – und staatliche Neutralität 108, 120 f. Barion, Hans 17 Barmer Theologische Erklärung 37 f., 43 Bill of Rights 113 Böckenförde, Ernst-Wolfgang 82 Bodin, Jean 109 Boumty, Emile 113 Brentano, Heinrich von 138 Bulle „Unam Sanctam“ 72 f., 75 Calvin 105 Cicero 89 f. Codex Iuris Canonici 16 ff. – als Strukturplan des Verhältnisses von Kirche und Staat 17 – und kirchliche Kooperation mit dem Staat 27 – und kirchliches Selbstbestimmungsrecht 18 ff. – und Konkordatsrecht 27 f. – und Religionsfreiheit 24 ff.

– und staatliche Neutralität 26 f. – und Unterscheidung von Staat und Gesellschaft 24 – und Wesensverschiedenheit von Kirche und Staat 18 ff. cuius regio, eius religio 81, 106 f. Cyprian 99 Declaration of Rights 113 Demokratie-Denkschrift der Evangelischen Kirche 40 f. – und Barmer Erklärung 40 – und Religionsfreiheit 40 f. – und Unterscheidung zwischen kirchlicher und staatlicher Sphäre 40 f. – und weltanschauliche Neutralität 40 f. Deutsche Nationalversammlung und institutionelles Staatskirchenrecht 138 f. Dictatus papae 72 f., 75 Dogmatische Konstitution „Lumen gentium“ 16 Edikt von Nantes 81 Enzyklika „Immortale Dei“ 18, 85 Episkopaltheorie 78 f. Erasmus 103 f. Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 83, 113 Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“ 24 ff. Erklärung zur Schlussakte zum Vertrag von Amsterdam 152 ff. Euro-Islam 165 Europäische Union und Staatskirchenrecht 150 ff. Evangelisches Verständnis – vom freiheitlichen Verfassungsstaat westlicher Provenienz 40 f.

Personen- und Sachwortverzeichnis – vom Staat als göttlicher Stiftung 37 – vom Verhältnis von Kirche und Staat 31 ff. – vom Verhältnis von Kirche und Staat gemäß der Barmer Theologischen Erklärung 37 f. – vom Verhältnis von Kirche und Staat gemäß der Zwei-Reiche-Lehre 34 ff. – von einer Kooperation von Kirche und Staat 36 – von Religionsfreiheit 38 f. – von weltanschaulicher Neutralität des Staates 39 „fitrah“-Konzept des Islam 162 f. Freiheit – bei John Locke 111 f. – bei John Milton 110 – bei Paulus 98 – bei Thomas Hobbes 111 – christliche Begründung 98 ff. – christliche Vorstellung 97 ff. – und christliches Naturrecht 100 – und Gottesebenbildlichkeit 98 ff. – und griechische Antike 93 f. – und Humanismus 103 f. – und Menschenwürde 88 ff., 98 – und Philosophie der Stoa 96 f. – und Reformation 104 ff. – und Renaissance 103 f. – und römische Republik 94 ff. – und Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Sphäre 101 Freiheit des Gewissens 81, 109 f., 113 Freiheit der Religion siehe Religionsfreiheit Gansfort, Wessel 103 Gelasius I. siehe Papst Gelasius Genter Pazifikation 110 Gesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes 115 Gewissensfreiheit siehe Freiheit des Gewissens

197

Gratian siehe Kaiser Gratian Gregor VII. siehe Papst Gregor VII. Grundgesetz – und freier Zugang zu den öffentlichen Ämtern 56 – und Parität 61 f. – und Religionsfreiheit 56 ff. – und religiös-weltanschauliche Neutralität 59 ff. – und Säkularität des Staates 54 f. – und Trennung von Kirche und Staat 54 f. – und Wesensverschiedenheit von Kirche und Staat 54 f. Grundkonsens über das Verhältnis von Kirche und Staat im Recht der Gegenwart – Bestand 15 ff., 63 f. – Gründe 65 ff. – rechtliche Irrelevanz für die Gewähr religiöser Freiheit 147 f. – rechtliche Relevanz für institutionelle Regelungen des Staatskirchenrechts 131 ff., 148 f. – und Konsequenzen im Fall seiner Ablehnung durch kulturfremde Religionen 155 ff. Grundordnung der EKD 42 ff. Grundrechte – Entstehung in Deutschland 114 ff. – erster umfassender Grundrechtskatalog in Deutschland 115 – und einfache Bundes- bzw. Reichsgesetzgebung 116 Habeas-Corpus-Act 113 Hegel, Georg Friedrich Wilhelm 118 Heuss, Theodor 136 Hobbes, Thomas 73, 76, 82, 111 Hollerbach, Alexander 62 Identität – kulturelle 131 ff., 144 ff. – nationale 150 ff.

198

Personen- und Sachwortverzeichnis

Identitätsvorbehalt, staatskirchenrechtlicher 140 ff., 144 ff. – gleiche Geltung für kulturheimische wie kulturfremde Religionsgemeinschaften 140, 143, 146 f. – Grenzen 144 f., 147 f. – Inhalt 131 ff., 144 ff., 147 ff. – kein starrer Vorbehalt zugunsten jüdisch-christlicher Religionsgemeinschaften 143, 146 f. – Offenheit gegenüber kulturfremden Religionen 140, 143, 146 f. – Relevanz des praktizierten Kirchenrechts 148 f. – Schutz durch den EU-Vertrag 150 ff. – und das Exempel des Körperschaftsstatus 133 ff., 144 f. – und Gleichheitsgrundsatz 142 f., 146 – und Islam 158 ff. – und „Islamische Charta“ des ZMD 165 ff. – und kulturfremde Religionsgemeinschaften 155 ff. – und Neutralität und Parität 142 f. Ineinandergreifen von Kirchen- und Staatskirchenrecht, begrenztes 147 ff. Institutionelles Staatskirchenrecht siehe Staatskirchenrecht, institutionelles Institutionen-Paktieren im 19. Jahrhundert 83 Institutionen-Rivalität im 19. Jahrhundert 83 Investiturstreit 71 ff. Isensee, Josef 118, 141 Islam 65 f., 155 ff. – als „Religion und Staat“ 158 – und Einheit zwischen Religion, Offenbarung, Recht und Politik 160 ff. – und „fitrah“-Konzept 162 f. – und Freiheit des Religionswechsels 163 – und Fundamentalisierung der islamischen Staatenwelt 162 – und Gleichberechtigung von Mann und Frau 164 (Anm. 35)

– und grundgesetzliches Staatskirchenrecht 156 ff., 158 ff. – und „Hakimiyyat Allah“-Lehre 161 – und Menschenrechte 162 f. – und Menschenwürde 164 (Anm. 35) – und politischer Pluralismus 161 f. – und Recht auf Missionierung 163 – und Religionsfreiheit 156 f., 162 f. – und Scharia 158 f. – und staatliche Neutralität 161 – und Toleranz 162 f. – und Trennung von geistlicher und weltlicher Sphäre 160 f. – und Volkssouveränität 161 f. Islamische Charta des Zentralrats der Muslime in Deutschland 165 ff. Jellinek, Georg 110, 113 Kaiser – Anastasius 67 – Gratian 70 – Konstantin 67, 70, 71 – Ludwig der Bayer 76 – Theodosius I. 70 – Valentinian 70 Kardinal Bellarmin 71 (Anm. 28) Kirchenrecht – Irrelevanz für grundrechtliche Freiheitsgewähr 147 f. – Relevanz für institutionelles Staatskirchenrecht 148 f. Kirchenrecht, evangelisches 41 ff. Kirchenrecht, katholisches 16 ff. – und kirchliches Selbstbestimmungsrecht 18 ff. – und Konkordatsrecht 27 f. – und Kooperation mit dem Staat 27 f. – und Religionsförderung durch den Verfassungsstaat 26 – und Religionsfreiheit 24 ff. – und religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates 26 f.

Personen- und Sachwortverzeichnis – und Wesensverschiedenheit von Kirche und Staat 18 ff. Kirchhof, Paul 141 Kirchliches Selbstbestimmungsrecht 18 ff., 43, 47 f., 58 f. Kirchenverfassungen, evangelische 41 ff. Kollegialsystem 79 Konkordatsrecht 27 f. Konstantin siehe Kaiser Konstantin Kooperation der Kirche mit dem Staat – nach dem Codex Iuris Canonici 27 f. – nach evangelischem Verständnis 36 – nach geltendem Staatskirchenrecht 55, 62 Körperschaftsstatus 133 ff., 144 f. – und christliche Kirchen 139 f. (Anm. 22) – und Deutsche Nationalversammlung 138 f. – und Identitätsstabilisierung 133 ff., 144 f. – und religiöse Vereinigungsfreiheit 134 f., 144 f. Kulturelle Grundlagen des freiheitlichen Verfassungsstaates 65 ff. Kulturstabilisierung und Staatskirchenrecht 131 ff., 147 ff. Lehre der katholischen Kirche – über das Verhältnis von Kirche und Staat 16 ff. – über die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates 26 f. – über die staatliche Gewähr von Religionsfreiheit 24 ff. – über die Wesensverschiedenheit von Kirche und Staat 18 ff. Lehre Luthers von den zwei Reichen 34 ff., 78 Lehrmäßige Note der Glaubenskongregation vom 24. November 2002 28 ff. libertas ecclesiae 72, 79, 101 L’Hopital, Michel de 80 f., 120 Leo XIII. siehe Papst Leo XIII.

199

Liermann, Hans 33 Locke, John 111 f. Ludwig der Bayer siehe Kaiser Ludwig der Bayer Luther, Martin 34 ff., 38, 46, 78, 104 ff. Mausbach, Josef 138 Mensch als imago dei 91 ff. Menschenrechte – Beginn der Positivierung 112 ff. – Exempel Religionsfreiheit 87 ff. – und Christentum 97 ff., 117 f. – und Islam 162 f. Menschenrechtserklärung, islamische 163 (Anm. 33) Menschenwürde 88 ff. – im antiken Griechenland 88 – im antiken Rom 88 f. – und Christentum 90 ff. – und Freiheit 93 ff. – und Gottesebenbildlichkeit des Menschen 91 – und Stoa 89 f. Mikat, Paul 17 Milton, John 110 Mirandola, Giovanni Pico della 104 Morus, Thomas 104 Nationale Identität 150 ff. – sachlicher Gehalt 151 ff. – und Grundzüge des institutionellen Staatskirchenrechts 150 ff. – und staatskirchenrechtlicher Identitätsvorbehalt 154 Neutralität – als Grundsatz offener Neutralität 61 – des Verfassungsstaates 59 ff. – historische Herausbildung 120 ff. – im 19. Jahrhundert 122 – im 20. Jahrhundert 122 ff. – positive und negative 60 f. – und Augsburger Religionsfriede 108, 120 f., 124

200

Personen- und Sachwortverzeichnis

– und Indienststellung zugunsten der Freiheit 123 f. – und Westfälischer Friede 121 f. – Wurzeln von 119 ff. Ockham, Wilhelm von 76 Padua, Marsilius von 76 Papst – Gelasius I. 67 ff., 71, 73 – Gregor VII. 72, 75, 77 – Leo XIII. 18, 85 Parität – historische Herausbildung 124 f. – ideengeschichtliche Wurzeln 119 f. – im geltenden Staatskirchenrecht 61 f. – und Ende des Alten Reiches 1806 124 f. – und Glaubensspaltung im Abendland 124 Paulskirchenverfassung von 1848/49 84 Paulus 94, 98 Pelusium, Isidor von 99 Personenbegriff 92 f., 100 Petition of Right 112 Pflanzungsverträge 113 Philosophie der Stoa 89 f., 96 f. Poitiers, Hilarius von 101 Politiques 80, 83, 120 f. Präsenz neuer Religionen und Staatskirchenrecht 155 ff. Protestantische Staatslehre? 31 ff. Protestantisches Verständnis von Kirche und Staat siehe Evangelisches Verständnis Pufendorf, Samuel 84 Reformation – als Re-Aktualisierung der Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Macht 34 ff. – als „zweite Stufe der Säkularisation“ 77 ff.

– praktische Folgen für Trennung von Kirche und Staat 78 ff. – und Ausbildung weltlich geleiteter, territorialer Landeskirchen 78 – und landesherrliches Kirchenregiment 77 f. – und Religionsfreiheit 104 ff. Reichsabschied von Speyer 1526 106 Reichsdeputationshauptschluss 83 f. Religionsfreiheit 24 ff., 38 f., 56 ff., 87 ff. – als Ausfluss der Menschenwürde 88 ff. – Ausgangspunkt der Positivierung 110, 112 ff. – christliche Wurzeln 97 ff., 117 f. – erstmalige Verwirklichung als Grundrecht 110 – für Muslime in Deutschland 156 f. – im Deutschen Reich von 1871 116 – im Mittelalter 102 f. – individuell und korporativ 56 – kulturgeschichtliche Wurzeln 87 ff., 117 ff. – negative und positive Dimension 56 ff. – und 18. und 19. Jahrhundert in Deutschland 114 ff. – und „agreements of the people“ 112 f. – und aufklärerische philosophische Grundlegungen 110 ff. – und Augsburger Religionsfriede 106 ff. – und Ausgang des 18. Jahrhunderts 113 f. – und Bill of Rights 113 – und christliche Naturrechtslehre 97 ff., 117 f. – und europäischer Kulturkreis 117 f. – und Frankfurter Nationalversammlung 115 – und französische Charta vom 4. Juni 1814 115 – und französische Charta vom 14. August 1830 115 – und Identitätsvorbehalt 144 f., 147 f.

Personen- und Sachwortverzeichnis – – – –

und Kulturvölkervorbehalt 157 und Kurfürstentum Hessen 115 und Naturrecht 98 ff. und preußische Verfassung vom 31. Januar 1850 116 – und Preußisches Allgemeines Landrecht 114 – und Reformation 104 ff. – und römische Religionspolitik 95 f. – und Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften 58 f. – und Stoa 96 ff. – und Toleranzedikt von Nantes 109 – und Virginia Bill of Rights 113 f. – und Weimarer Reichsverfassung von 1919 116 – und Westfälischer Friede von 1648 108 f. Religionsunterricht 23, 25, 136 f. – als institutionelle Verbürgung des Staatskirchenrechts 136 – Beschluss der Gemeinsamen Synode der Bistümer in Deutschland von 1974 136 f. (Anm. 16) – kulturelle Dimension 136 f. (Anm. 16) Säkularität des Staates 54 ff., 67 ff. – im Zeitalter der Aufklärung 82 f. – und Brief des Papstes Gelasius I. an Kaiser Anastasius 67 ff. – und Deutschland nach dem Ende des Alten Reiches 83 ff. – und die Etablierung des Christentums 67 ff. – und Mittelalter 71 ff. – und Reformation 77 ff. – und Zwei-Schwerter-Wort 67 ff. – weltliche Verfechter der Säkularität 75 f. Scharia 158 f. Scheidung von Staat und Kirche siehe Trennung von Staat und Kirche Scheuner, Ulrich 58

201

Schutz des Sonntags 133 – und Kulturstabilisierung 133 f. (Anm. 8) Seneca 89 Situationsbezogenheit des evangelischen Verständnisses von Kirche und Staat 33 Staatskirchenrecht, deutsches 53 ff., 129 ff. – als Gegenstand der „nationalen Identität“ 150 ff. – als Vorbild für die europäische Rechtsentwicklung 62 f. – doppelte funktionale Dimension 130 ff. – Einordnung kultur(-kreis-)fremder Religionen in die staatskirchenrechtlichen Gewährleistungen 155 ff. – europarechtliche Sicherung 150 ff. – Freiheitsgewähr durch Grundrechtsschutz 130 f. – Freiheitssicherung durch kulturstabilisierendes institutionelles Recht 131 ff. – gegenwärtige Freiheitsverbürgung und zukünftige Freiheitssicherung 130 ff., 144 ff., 147 – institutionelles Staatskirchenrecht 131 ff. – kulturstabilisierende Funktion 131 ff., 144 ff., 147 ff. – Offenheit gegenüber kulturfremden Religionsgemeinschaften 143, 146 f. – und abendländische Kulturidentität 131 ff., 144 ff., 147 ff. – und Islam 155 ff. – und Perpetuierung abendländischer Prägungen des Verhältnisses von Kirche und Staat 131 ff. – und „Wettbewerb der Kultursysteme“ 141 – Verhältnis von Freiheitsgewähr und Freiheitssicherung 144 ff. – Vorrang der freiheitsschützenden Grundrechtsnorm 144

202

Personen- und Sachwortverzeichnis

Stoa 89 f., 96 f., 117 Stutz, Ulrich 17 Sunna 159 Territorialsystem 79 Theodosius siehe Kaiser Theodosius Toleranzedikt von Nantes 109 Tradierung kultureller Identität 131 ff. – und christliche Kirchen 139, 143 Trennung von Staat und Kirche 54 ff., 67 ff. – ab dem 13. Jahrhundert 76 f. – als Derivat des Christentums 67 ff., 86 f. – beginnende Durchsetzung 75 ff. – Bulle „Unam sanctam“ 72 ff. – Dictatus papae des Papstes Gregor VII. 72 ff. – Distanzierung von dem byzantinischen System 70 – Grundlegung des Dualismus 67 ff. – Investiturstreit 71 ff. – Suprematieanspruch der Kirche als „erste Revolution des Abendlandes“ 74 f. – staatstheoretische Begründung durch Thomas Hobbes 82 – staatstheoretische Begründung durch Marsilius von Padua 75 f. – und das Zeitalter der Aufklärung 82 f. – und die Enzyklika „Immortale Dei“ 85 – und päpstlich-kuriale Doktrin 67 ff., 71 ff. – und Reformation 77 ff. – und Schreiben von Papst Gelasius I. 67 ff. – und Thomas von Aquin 73 f. – und vorreformatorisches landesherrliches Kirchenregiment 77 – und weltliche Begründungsversuche 75 f., 80 f., 82 Umkehrung des kirchlichen Suprematieanspruchs 76, 79

Valentinian siehe Kaiser Valentinian Verfassungen der Gliedkirchen der EKD 44 ff. – und Autonomieanspruch 47 ff. – und Barmer Theologische Erklärung 46 – und Bereitschaft zur Regelung des Verhältnisses von Kirche und Staat durch vertragliche Vereinbarung 46 – und Zwei-Reiche-Lehre Luthers 46 Verfassungslehre Luthers, Fehlen einer 36 Verfassungsurkunde für den preußischen Staat von 1850 85 Verhältnis von Kirche und Staat 15 ff., 53 ff., 65 ff. – als Ausdruck abendländischer Kulturtradition 65 ff., 125 ff. – als nationaler Ausdruck abendländischer bzw. europäischer Kultur- und Rechtstradition 150 ff. – am Ende des Alten Reiches 83 f. – aus der Perspektive des kanonischen Rechts 16 ff. – aus evangelischer Perspektive 31 ff. – in der Bundesrepublik Deutschland 53 ff. – in der Grundordnung der EKD und in den Verfassungen der Gliedkirchen 41 ff. Verhältnis von Kirche und Staat nach katholischer und evangelischer Lehre 15 ff., 51 ff. Virginia Bill of Rights 113 f. Voraussetzungen der Inanspruchnahme der institutionellen staatskirchenrechtlichen Garantien 139 ff., 145 ff. Westfälischer Friede 81, 83, 108 f., 114, 121 f. – und aequalitas exacta mutuaque 121 f. – und Gewissensfreiheit 109 – und ius emigrandi 109 – und Religionsfreiheit 108 f. Wormser Konkordat von 1122 75

Personen- und Sachwortverzeichnis Würde jedes Menschen siehe Menschenwürde

203

Zweites Vatikanisches Konzil 16, 18 f., 24 ff. – und Codex Iuris Canonici 16 f.

Zenon 89 f. Zentralrat der Muslime in Deutschland 165 ff. Zwei-Gewalten-Lehre 67 ff., 71 ff. Zwei-Reiche-Lehre 34 ff. – nach Martin Luther 34 ff. – und Barmer Theologische Erklärung 37 f.

– und kirchliche Kooperation mit dem Staat 27 f. – und Religionsfreiheit 24 ff. – und religiöse Neutralität des Staates 26 f. – und Wesensverschiedenheit von Kirche und Staat 18 f.